NFV_04_2011 - Rot Weiss Damme
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Blindenfußball<br />
38<br />
Von TONI HOXHA*<br />
Blind Fußball spielen – jetzt denkt sich<br />
wohl jeder, das ist unmöglich! Ja, das<br />
dachte ich am Anfang auch. Wieso sollte<br />
ich diese Sache als Sehbehinderter, der<br />
noch Sehrest hat, überhaupt ausprobieren?<br />
Die Frage ist leicht zu beantworten: Ich treibe<br />
sehr gerne Sport! Und da man im Leben<br />
vieles ausprobieren sollte, habe ich mich im<br />
Januar 2010 dazu entschlossen, einfach mal<br />
am Training im Landesbildungszentrum für<br />
Blinde (LBZ/B) in Hannover teilzunehmen.<br />
Jeden Montag, immer von 16 bis 18<br />
Uhr, treffen sich dort Jugendliche zum Fußball.<br />
Alle sind sehbehindert oder blind. Bei<br />
meinem ersten Training hatte ich viel Spaß.<br />
Wir haben einige Torschussübungen gemacht,<br />
zudem Übungen, bei denen man<br />
mit dem Ball dribbeln muss. Dies gelang<br />
mir relativ gut. Unser Trainer, Otfried Morin,<br />
war begeistert. Auch bei den nächsten<br />
Terminen muss ich ihn wohl überzeugt haben,<br />
denn nach einigen Wochen fragte er<br />
mich, ob ich Lust auf die Bundesliga hätte.<br />
Natürlich antwortete ich mit „Ja!“. Wenige<br />
Tage später bekam ich meinen Sportgesundheitspass,<br />
dem eine augenärztliche<br />
Bescheinigung über meine Sehkraft zugrunde<br />
liegt. Es gibt drei Behinderungsklassen:<br />
B1, das bedeutet vollblind, sowie<br />
B2 und B3. Bei B2 liegt die Sehschärfe bei<br />
maximal zwei Prozent, bei B3 beträgt sie<br />
maximal zehn Prozent. Wer besser sehen<br />
kann, darf nicht am Spielbetrieb im Blindenfußball<br />
teilnehmen. Ich bin B2.<br />
Am 12. März, einem Samstag, war es<br />
endlich soweit. Einen Tag vor dem Bundesligaauftakt<br />
in Barsinghausen trainierte unsere<br />
Mannschaft, die Spielgemeinschaft Saar<br />
05/Eintracht Braunschweig, das erste Mal<br />
zusammen. Die Spieler sind in ganz<br />
Deutschland verstreut, so dass wir nicht oft<br />
gemeinsam Fußball spielen können. Bei unserem<br />
Training wurden mir zum ersten Mal<br />
die Augen verklebt und darüber kam, sozusagen<br />
als Krönung, die Augenbinde.<br />
April <strong>2011</strong><br />
Wie fühlt es sich an,<br />
blind Fußball zu spielen?<br />
Bundesliga geht in ihre vierte Saison – Startschuss erfolgt am 16.April in Köln –<br />
Eintracht Braunschweig stellt erstmals eigenständiges Team<br />
Seit dem Jahr 2008 organisiert die<br />
Sepp-Herberger-Stiftung gemeinsam<br />
mit dem Deutschen Behindertensportverband<br />
sowie dem Deutschen Blindenund<br />
Sehbehindertenverband die Blindenfußball-Bundesliga.<br />
Aus Niedersachsen<br />
ist Eintracht Braunschweig dabei.<br />
Im Vorjahr noch in einer Spielgemeinschaft<br />
mit Saar 05, werden die<br />
„Löwen“ in der neuen Saison erstmals<br />
als eigenständiges Team auf Tore- und<br />
Punktejagd gehen. In ihren Reihen<br />
steht auch der Hannoveraner Toni Hoxha.<br />
Für das Fußball-Journal Niedersachsen<br />
beschreibt der 20-Jährige, der inzwischen<br />
in Marburg lebt, wie es sich<br />
anfühlt, blind Fußball zu spielen.<br />
Toni Hoxha (vorne) und seine Kameraden von der Spielgemeinschaft Saar 05/Eintracht Braunschweig<br />
durften sich am 1. Spieltag der Saison 2010 über einen 3:0-Erfolg gegen den Chemnitzer<br />
FC freuen. Austragungsort war die Karl-Laue-Halle in Barsinghausen. Foto: Borchers<br />
„Von sehbehindert auf blind umgepolt<br />
zu werden – wie schrecklich ist das denn!“ –<br />
diesen Gedanken mag nicht nur ich in diesem<br />
Moment gehabt haben. Aber es geht<br />
nicht anders, um wirklich absolute Chancengleichheit<br />
herzustellen. Um mich herum ist<br />
jetzt alles nur noch schwarz. Tiefschwarz.<br />
Auch für einen stark sehbehinderten Menschen<br />
wie mich ist dies ein ziemlich ungewohntes<br />
Gefühl. Zunächst habe ich ein wenig<br />
Orientierungsprobleme, gewöhne mich<br />
dann aber doch schnell an die neue Situation.<br />
Die ersten Ballversuche verlaufen gut.<br />
Ich kann den Ball genauso gut führen wie<br />
vorher.<br />
Nun werden sich Außenstehende fragen,<br />
wie denn ein Blinder das Tor finden und<br />
treffen kann. Das ist leicht zu erklären. Gespielt<br />
wird auf einem etwa 20 mal 40 Meter<br />
großen Feld, das in drei Zonen aufgeteilt ist.<br />
Für jede Zone, dem Drittel, gibt es einen (sehenden)<br />
Rufer, der die Spieler anweist. Im<br />
Blindenfußball sind nur die Feldspieler blind.<br />
Der Torwart dagegen ist sehend. Deshalb ist<br />
er im ersten Drittel der Rufer oder, wie man<br />
auch sagt, der Guide. Durch Rufkommandos<br />
platziert der Torwart seine Mitspieler, dirigiert<br />
seine Abwehr.<br />
Ähnlich wie beim Hallenfußball sind<br />
beim Blindenfußball die Längsseiten durch<br />
Banden begrenzt. Hinter einer dieser Banden<br />
steht der zweite Guide. Meist ist es der<br />
Trainer. Es ist genau reglementiert, in welchen<br />
Bereichen er Anweisungen geben darf.<br />
Der Raum, für den er zuständig ist, beginnt<br />
zehn Meter vor dem eigenen Tor und endet<br />
zehn Meter vor dem gegnerischen Kasten.<br />
Hinter diesem steht der dritte Rufer, der sogenannte<br />
Tor-Guide. Da generell nur der rufen<br />
darf, in dessen Spielfelddrittel sich gerade<br />
der Ball befindet, muss auch er die<br />
„Zehn-Meter-Marke“ vor dem gegnerischen<br />
Tor beachten.<br />
Der dritte Guide, der immer mittig hinter<br />
dem Gehäuse steht, spielt eine sehr<br />
wichtige Rolle. Durch das Rufen von „Hier!“<br />
sagt er seinem Sturm, wo das Tor steht, in<br />
das man den Ball schießen soll. Manche Ru- ➤