Glossen - Roland Welcker
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SHAW IST SECHZIG, TREBITSCH GRATULIERT<br />
Heute bist du also sechzig Jahre alt geworden, Bernard Shaw und<br />
mir ist leider jeder trauliche Weg versperrt, dies dir gegenüber<br />
anzumerken, ich muß es vor aller Welt tun oder sein lassen.<br />
Das sind die Nachteile der Kriegführung. Aber warum im Zweifelsfalle<br />
es nicht sein lassen?<br />
Am 1. August 1914, als das gigantische Unheil schon im Zuge war, im<br />
Zuge aus Ostende nach der Heimat<br />
erhielt ich das letzte große Freundschaftszeichen aus Fremdland:<br />
deine Büste von Meister Rodin, die du mir mit gütigen Worten gestiftet<br />
hast. Nun stehe ich vor diesem ewigen Werk und blicke in<br />
deine Züge: Ja, so siehst du aus und so bist du ... Versteher, aber<br />
auch zugleich Verkenner des Wunderreiches Deutschland, das<br />
deine geistige Heimat ist und bleibt, du Fortinbras aus Dublin,<br />
protestierender Protestant. Du bist kühn für uns eingetreten, da<br />
du uns kanntest, und du hast mit dem belauernden, weithinklingenden<br />
Worte allzuschnell auch gegen uns gesprochen ... Du<br />
gabst uns dein Werk und das geben wir nicht mehr heraus. Es hat<br />
uns reicher gemacht. Du bist ein Freund. Ich grüße dich und deine<br />
Jugend, und hoffe dich wiederzusehen; denn schon dämmert<br />
im Osten der Tag.<br />
Wer sagt das? Mit der Dämmerung haperts. Aber das Geburtstagsversprechen,<br />
das Werk des Herrn Shaw nicht mehr herauszugeben, könnte gehalten<br />
werden.<br />
40<br />
* * *<br />
ETSCH!<br />
[Papiermangel in Frankreich.] Aus Amsterdam wird gemeldet:<br />
Nach einem hiesigen Blatte melden die 'Times' aus Paris: Die französischen<br />
Blätter beschlossen, Papier zu sparen. Sie werden an<br />
zwei Tagen der Woche nur mit zwei Seiten Text erscheinen, an<br />
den übrigen Tagen wie gewöhnlich.<br />
* * *<br />
DER FALL<br />
Wien, 23. September. (Unfall eines Passanten.) Die Hausbesorgerin<br />
Anna Pauer war beim Bezirksgericht Josefstadt angeklagt, am<br />
13. Februar d. J. trotz herrschenden Glatteises vor dem Hause<br />
Operngasse 2 das Pflaster nicht bestreut zu haben, so daß der<br />
Kommerzialrat Eugen Marx stürzte und sich eine schwere Verletzung<br />
zuzog. Herr Marx war gegen Mittag von Hütteldorf in die<br />
Stadt gekommen. Er hatte eben die Straßenbahn verlassen und<br />
wollte durch die Operngasse in die Singerstraße gehen. Beim<br />
Hause, Operngasse 2 rutschte er infolge des Glatteises aus und<br />
zog sich —