50 Jahre Theater im Bahnhof
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5zig <strong>Jahre</strong><br />
<strong>Theater</strong> <strong>im</strong> <strong>Bahnhof</strong><br />
Z E I T I M<br />
RAMPENLICHT<br />
Dokumentation<br />
zu einer besonderen<br />
Kraichgauer Bühne,<br />
gefüllt mit Texten,<br />
Bildern und Wissenswertem<br />
über viele<br />
<strong>Jahre</strong> Amateurtheater.<br />
<strong>50</strong><br />
<strong>Jahre</strong><br />
<strong>Theater</strong> <strong>im</strong><br />
<strong>Bahnhof</strong>,<br />
Dielhe<strong>im</strong><br />
Diese Broschüre<br />
ist ein Dankeschön an<br />
unser Publikum, unsere<br />
Freunde und nicht zuletzt<br />
auch an alle, die auf der<br />
Bühne, hinter der Bühne<br />
und weit um die Bühne<br />
herum dazu beigetragen<br />
haben, dass alles<br />
so gut gelang.<br />
E I N E R E T R O S P E K T I V E
Titelbild: Willi Mann, als Pater Lorenzo in der satirischen Komödie<br />
„Es war die Lerche“ von Ephra<strong>im</strong> Kishon, 2010. Bild: Holger Segnitz, Bammental<br />
2
IMPRESSUM<br />
Herausgeber <strong>Theater</strong> <strong>im</strong> <strong>Bahnhof</strong> e.V. , Dielhe<strong>im</strong><br />
Verantwortlich <strong>im</strong> Sinne des Presserechts Edgar Kloé<br />
Konzept, Layout, Grafik, Satz Friedrich E. Becht<br />
Recherche Edgar Kloé, Roland Laier, Arno Friedrich, Edgar Sauer, Heinz Laier<br />
Texte wenn nicht anderweitig gekennzeichnet Friedrich E. Becht<br />
Bilder Der weitaus größte Teil Friedrich E. Becht, weitere Urheber nicht bekannt.<br />
Korrektorat Judith Stier Druck Saxoprint, Dresden<br />
eMail info@theater<strong>im</strong>bahnhof.com Web www.theater<strong>im</strong>bahnhof.com<br />
<strong>Theater</strong> <strong>im</strong> <strong>Bahnhof</strong>, Dielhe<strong>im</strong><br />
Gefördert vom Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst über<br />
den Landesverband Amateurtheater Baden-Württemberg.<br />
4
5<br />
Z E I T I M<br />
RAMPENLICHT<br />
theater<br />
<strong>im</strong> bahnhof<br />
1 9 6 3 – 2 0 1 3
5zig<br />
<strong>Jahre</strong>!!<br />
<strong>Theater</strong> <strong>im</strong> <strong>Bahnhof</strong><br />
6
7<br />
[Editorial]<br />
Geburtstage sind Anlass in Erinnerungen zu schwelgen, Freunde zu treffen,<br />
aber auch in die Zukunft zu blicken. Doch fortschreitendes Alter bringt es mit<br />
sich, dass Fitness und Tatendrang sich mindern. Es gibt auch Ausnahmen:<br />
unser „<strong>Theater</strong> <strong>im</strong> <strong>Bahnhof</strong>“ zum Beispiel - in diesem Jahr ein halbes Jahrhundert<br />
jung - kommt noch ohne diese Mängel aus. Bretter, die die Welt bedeuten, haben<br />
wir nach Dielhe<strong>im</strong> geholt, viel riskiert und noch mehr erreicht. In der vorliegenden<br />
Chronik haben wir alles aufgelistet: Die Gründerjahre, den Aufschwung bis<br />
hin zum heutigen <strong>Theater</strong>betrieb. Deshalb wollen wir unseren Geburtstag angemessen<br />
feiern. Wir wollen das zusammen mit Menschen tun, die uns begleitet<br />
haben - und das waren viele. So die Initiatoren in den 60ziger <strong>Jahre</strong>n, die aus dem<br />
„Nichts“ starteten und belächelt wurden, aber auch die vielen Helfer und Förderer,<br />
die den oft verschlungenen Weg voller Opt<strong>im</strong>ismus mit uns gegangen sind.<br />
Nicht vergessen wollen wir auch den Mut den wir brauchten und der noch heute<br />
unser Angebot auszeichnet: Es wird bei uns kein „Dorfprogramm“ geboten, sondern<br />
ein interessanter Querschnitt aus Komödien, Schauspielen, Kleinkunst, Konzerten,<br />
Kinder- und Jugendtheater und Lesungen. Immer <strong>im</strong> Auge hatten wir die Finanzen.<br />
Mit Aufführungen haben wir die notwendigen Mittel eingespielt um Geld für Kostüme,<br />
Mieten und Manuskripte zu haben. Und an Fasching wurde mit originellen Bällen<br />
Zählbares in die Kassen gespült. Das alles wäre nichts, hätte es nicht Menschen<br />
gegeben, die mit viel Idealismus bei der Sache waren und noch <strong>im</strong>mer sind.<br />
Unser Jubiläum ist mehr als nur ein Geburtstag. Es ist der Beweis, dass wir etwas<br />
bewegt haben. Mit Hilfe von Gönnern und dank der guten Zusammenarbeit mit<br />
der Gemeinde Dielhe<strong>im</strong> und dem Landesverband Amateurtheater Baden Württemberg<br />
konnten wir auch große Pläne verwirklichen. So haben wir mit unserem<br />
<strong>Theater</strong>raum ein Schmuckstück geschaffen, auf das auch unsere Mitbürger Stolz<br />
sein dürfen. Lassen Sie uns also feiern, plaudern, zurück schauen und froh in die<br />
Zukunft blicken. Es wird neue, ungekannte Herausforderungen geben, an denen wir<br />
weiter wachsen können. Und betrachten wir das Geschaffene als ein Vermächtnis an<br />
unsere Jugend - frei zur eigenen Gestaltung.<br />
Edgar Kloé [Vorsitzender]
Gibt es das eigentlich, ein persönliches Lieblingsstück? Eigentlich nein - Lieblingsstücke vielleicht.<br />
Und doch, einem <strong>Theater</strong>gänger über 5 Jahrzehnte, sollte so etwas festzustellen möglich sein -<br />
auch wenn es schwerfällt. Versuchen wir es und beschränken uns auf das Amateurtheater. Nehmen<br />
wir, weil es naheliegt, das <strong>Theater</strong> <strong>im</strong> <strong>Bahnhof</strong> in Dielhe<strong>im</strong>. Und nehmen wir weiter an, wir haben<br />
alle Stücke gesehen - die eigenen Produktionen natürlich. So fokussiert, bleibt uns die Selektion als<br />
Mittel der Wahl. Wir teilen auf in Kinder- und Erwachsenenstücke, heiter und ernst, und stellen fest,<br />
wir kommen ins Schwitzen. Mit der Transpiration steigt die Inspiration, und Letztere sagt uns: Leg die<br />
Suchkriterien neu fest! Die neuen Fragen lauten dann so: Welches Stück hat am meisten berührt?<br />
Sind Szenen daraus in uns noch lebendig? Was hat beeindruckt? Und voilà, wir werden fündig!<br />
Die Freude ist groß, doch die Überraschung<br />
größer: Wie kann es sein, dass es kaum „heitere“<br />
Stücke ins innere Ranking geschafft haben? Bei<br />
mir, dem Autor dieser Zeilen, ist es so. All die gut<br />
gemachten Lustspiele und Schwänke, die einen<br />
angenehmen, gelungenen Abend bescherten,<br />
kommen in der Nachsicht kaum zum tragen.<br />
Woran liegt das? Möglicherweise ist es bei Ihnen,<br />
lieber Leser, ganz anders. Bei mir überwiegen<br />
auf jeden Fall die Stücke, die eine packende<br />
Geschichte erzählten, dramatische Wendungen<br />
hatten und bei denen der Autor die schicksalhaften<br />
Züge der Story auf einen Punkt brachte,<br />
der noch heute nachwirkt. Blieb dabei der<br />
Bezug zur Realität erhalten, dann scheint in mir<br />
etwas haften zu bleiben, was ich für mein Leben<br />
brauchen kann, was mir hilft, die Welt ein wenig<br />
Vom Lieblingsstück<br />
besser zu verstehen - um vielleicht mit diesem<br />
Wissen in meinem Leben etwas besser zurecht<br />
zu kommen. Kurz gesagt: Stoff, aus dem großee<br />
Dramen „gestrickt“ sind. Damit breche ich keine<br />
Lanze allein für das „ernste“ Schauspiel. Nicht<br />
umsonst ist das Angebot <strong>im</strong> <strong>Theater</strong> breit gefächert.<br />
Auch die anderen Genres haben ihre<br />
gleiche und volle Berechtigung. Es braucht beides:<br />
Große, beindruckende Geschichten und<br />
„Geschichtchen“, die den Alltag, den Frust vergessen<br />
lassen und uns einen unbeschwerten<br />
Abend bescheren. Wenn beide Formen sich<br />
darüber hinaus an geltenden dramatischen Regeln<br />
orientieren, umso schöner und ergiebiger.<br />
Wer sich die Mühe macht, die Stücke während<br />
der <strong>50</strong> <strong>Jahre</strong> be<strong>im</strong> <strong>Theater</strong> <strong>im</strong> <strong>Bahnhof</strong>, Dielhe<strong>im</strong><br />
durchzusehen, wird unter anderm eine<br />
Entdeckung machen. Er wird feststellen, wie um<br />
eine Balance gerungen wird zwischen den vermeintlichen<br />
Polen „Ernst“ und „Heiter“, mit mehr<br />
Ausschlägen mal nach der einen, mal nach der<br />
anderen Seite. Aus meiner Sicht: Weiter so! Wir<br />
haben ein aufgeschlossenes Publikum, das uns<br />
dieses Ringen wert ist. Ihr Friedrich E. Becht<br />
Ach ja, Sie wollten mein Lieblingsstück<br />
wissen: „Von Mäusen und Menschen“ von<br />
John Steinbeck, bereits 1979 gespielt auf der<br />
Bühne der Kulturhalle in Dielhe<strong>im</strong> und auf einer<br />
kleinen Tournee an Gymnasien <strong>im</strong> Umkreis.<br />
Oben links ein Szenenbild aus diesem Stück.<br />
8
9<br />
[Worte]<br />
Seit <strong>50</strong> <strong>Jahre</strong>n bildet das <strong>Theater</strong> <strong>im</strong> <strong>Bahnhof</strong> ein lebendiges Element der<br />
regionalen Kulturszene. Dabei waren gerade zu Anfang die Hindernisse<br />
groß, doch die gemeinsame Faszination für die Bühne ließ eine Gruppe<br />
junger Dielhe<strong>im</strong>er <strong>im</strong> Jahr 1963 den mutigen Schritt machen, ein eigenes<br />
Amateurtheater zu gründen. Als erstes Domizil diente eine alte Bäckerei,<br />
wo zwar ein Proberaum, aber noch kein Platz für Aufführungen zur Verfügung<br />
stand. Bessere Räumlichkeiten bot das ehemalige <strong>Bahnhof</strong>sgebäude,<br />
das von den Mitgliedern mit großem Einsatz renoviert wurde. Dort erfüllte<br />
sich auch der Wunsch nach einer eigenen Spielstätte mit dem Anbau eines<br />
<strong>Theater</strong>raums. Der Anbau liefert den Rahmen für Aufführungen unterschiedlichster<br />
Art, für die eigenen Produktionen, auch die erfolgreichen Inszenierungen<br />
der Jugendgruppen und für eine breite Vielfalt von Gastauftritten.<br />
Das anspruchsvolle Projektziel der Gründer ist aufgegangen. Sie haben<br />
bewiesen, dass mit großem Engagement, mit ihrer ansteckender Begeisterung<br />
und dem nötigen Durchhaltevermögen der Aufbau, die Etablierung<br />
und erfolgreiche Führung eines sehr lebendigen Amateurtheaters glückt.<br />
Das <strong>Theater</strong> <strong>im</strong> <strong>Bahnhof</strong> hat sich zu einem Vorzeigeobjekt für die Gemeinde<br />
Dielhe<strong>im</strong> entwickelt und hat in den zurückliegenden <strong>Jahre</strong>n mit der Durchführung<br />
von drei Kraichgauer <strong>Theater</strong>tagen und den deutsch-französischen<br />
<strong>Theater</strong>tagen schon besondere kulturelle Ereignisse nach Dielhe<strong>im</strong> geholt.<br />
Meine herzliche Gratulation zum Jubiläum verbinde ich mit der Hoffnung, dass<br />
das <strong>Theater</strong> <strong>im</strong> <strong>Bahnhof</strong> seine Vielfalt, Frische und Originalität auch weiterhin<br />
bewahren kann. Ich wünsche den Vereinsmitgliedern für die Zukunft alles Gute<br />
für Ihr <strong>Theater</strong>, weiter viel Erfolg und ein großes, begeistertes Publikum.<br />
Hans-Dieter Weis [Bürgermeister]<br />
Hans-Dieter Weis, Bürgermeister von Dielhe<strong>im</strong>,<br />
ist Schirmherr der Jubiläumsveranstaltungen<br />
5zig <strong>Jahre</strong> <strong>Theater</strong> <strong>im</strong> <strong>Bahnhof</strong> e.V., Dielhe<strong>im</strong>
Vom Licht und dem guten Ton<br />
Es werde Licht! Dieser Satz hat bei uns <strong>im</strong> <strong>Theater</strong> <strong>im</strong> <strong>Bahnhof</strong> beileibe keine biblische D<strong>im</strong>ension,<br />
aber eine Parallele: Auch hier bliebe alles „wüst und leer“, die Bühne unbespielbar dunkel. Um alles<br />
mit Leben zu füllen, braucht es nun mal Licht, auch bei uns. Und dafür sind unsere Bühnentechniker<br />
zuständig. Sie sind es, die die Schauspieler ins rechte Licht rücken und so ganz nebenbei noch für<br />
den guten Ton sorgen. Mit moderner Bühnentechnik legen sie, weit vor der Aufführung, die Beleuchtung<br />
der einzelnen Szenen fest. Beleuchtung ist heute das falsche Wort. Immer mehr werden sie zu<br />
Light-Sound-Designern, die emotionale St<strong>im</strong>mungen für die Szenen kreieren.<br />
Die Zeiten, in denen sich das Bühnenlicht mit<br />
zwei Rampenleuchten auf „Hell“ und „Düster“<br />
reduzieren ließ, sind vorbei. Unseren Bühnentechnikern<br />
geht es heute darum, mit ausgeklügelter<br />
audiovisueller Technik das szenische<br />
Arrangement so effektvoll wie<br />
möglich zu unterstützen. Dabei sind<br />
eine ganze Reihe von unterschiedlichen<br />
Scheinwerfern, über programmierbare<br />
Regiepulte gesteuert, <strong>im</strong> Einsatz.<br />
Neben der Beleuchtung gehört<br />
effektvoller Sound ebenso dazu. Ohne<br />
Computer „geht“ da nichts mehr. Hier<br />
wird eingespielt, gesampelt, arrangiert<br />
und schließlich aus einzelnen Tracks<br />
die endgültige Audiodatei gemixt.<br />
Von dort werden die Dateien, fein<br />
säuberlich aufbereitet, auch wieder abgerufen<br />
und über die Audioanlage <strong>im</strong> Saal wiedergegeben.<br />
Gut gemacht, erzeugen sie zusammen<br />
mit dem dramatischen Geschehen tiefe Gefühle<br />
und mitreißende St<strong>im</strong>mungen bei den <strong>Theater</strong>besuchern.<br />
Unsere Techniker haben alles <strong>im</strong><br />
Griff, von der Pyrotechnik bis hin zu Schnee und<br />
Nebel. Das ist die kreative Seite der Arbeit. Die<br />
andere ist, wie so oft, schlichterer Natur, aber<br />
ebenso wichtig: Auf- und Abbau, verkabeln, bedienen,<br />
überprüfen, warten und instandhalten<br />
sind die Stichworte dazu. Die Bühnentechnik unterliegt<br />
besonderen Sicherheitsbest<strong>im</strong>mungen<br />
und gesetzlichen Vorschriften. Diese müssen<br />
penibel eingehalten werden, um niemanden<br />
zu gefährden. Auch dafür sind unsere Bühnen-<br />
techniker verantwortlich. Da ist es von großem<br />
Vorteil, wenn man, wie wir, nicht nur auf „alte<br />
Hasen“ zurückgreifen kann, die schon mehrere<br />
Jahrzehnte verantwortlich tätig sind,<br />
Die Ton und Lichtechniker Ihr Arbeitsbereich<br />
ist bei uns auf der Empore. Von dort aus<br />
steuern sie die ganze Saaltechnik, das Saallicht,<br />
das Bühnenlicht und die Toneinspielungen. Mit den<br />
Akteuren hinter der Bühne, können sie per Interkom<br />
sprachlich kommunizieren.<br />
sondern sich auch schon auf den jungen, ehrgeizigen<br />
Nachwuchs stützen kann. Die Freude<br />
am <strong>Theater</strong> und an der feinen Technik ist bei<br />
beiden Generationen vorhanden. Wie sagte<br />
schon der große <strong>Theater</strong>mann Berthold Brecht:<br />
Denn man sieht nur die <strong>im</strong> Lichte, die <strong>im</strong> Dunkeln<br />
sieht man nicht...<br />
10
11<br />
[Worte]<br />
Junge Männer, zwischen 15 und 16 <strong>Jahre</strong>n alt, legten 1963 den Grundstein<br />
zum heutigen <strong>Theater</strong> <strong>im</strong> <strong>Bahnhof</strong>. 21 dieser „jungen Männer“, aber auch<br />
Frauen dieser Zeit, sind noch heute aktiv bzw. eng mit dem <strong>Theater</strong> verbunden.<br />
Diese personelle Kontinuität ist sehr selten, jedoch wahrscheinlich ein<br />
Grundstein für die überaus positive Entwicklung, die das <strong>Theater</strong> <strong>im</strong> <strong>Bahnhof</strong><br />
Dielhe<strong>im</strong> in den letzten <strong>50</strong> jahren genommen hat. Eine weitere Komponente zur<br />
positiven Vereinsentwicklung war sicher auch 1973 die Anmietung und der Um-<br />
und Ausbau des alten SWEG-<strong>Bahnhof</strong>s zur eigenen Produktions- und Spielstätte.<br />
Getreu dem Goethe-Zitat: „Wer vieles bringt, wird manchem etwas bringen“, sind<br />
die Spielpläne <strong>im</strong> <strong>Theater</strong> <strong>im</strong> <strong>Bahnhof</strong> seit der Gründung zu sehen. Fast alles ist<br />
zu finden, bis hin zu Kinderstücken und Kleinkunst. Die Anzahl der Produktionen<br />
verdient Respekt und Anerkennung, und auch die künstlerische Qualität<br />
sowie die Besucherzahlen st<strong>im</strong>men.<br />
Die Verantwortlichen haben auch die Wichtigkeit der Jugendarbeit schnell erkannt.<br />
Seit 20 <strong>Jahre</strong>n gibt es eine Kooperation mit der Musikschule Horrenberg-<br />
Dielhe<strong>im</strong>. Unter der Leitung von professionellen <strong>Theater</strong>pädagogen werden<br />
8- bis 19-Jährige an das <strong>Theater</strong>spielen herangeführt. Über 25 eigenständige,<br />
interessante Inszenierungen wurden erarbeitet und aufgeführt. Das <strong>Theater</strong> <strong>im</strong><br />
<strong>Bahnhof</strong> war auch mehrmals souveräner und liebevoller Gastgeber des regionalen<br />
Festivals „Kraichgauer <strong>Theater</strong>tage“, das federführend von der <strong>Theater</strong>- und Spielberatung<br />
Baden-Württemberg Heidelberg, in Kooperation mit dem Landesverband<br />
Amateurtheater Baden-Württemberg, durchgeführt wird.<br />
Das <strong>Theater</strong> <strong>im</strong> <strong>Bahnhof</strong> Dielhe<strong>im</strong> ist durch seine Vielseitigkeit, seinen umfangreichen<br />
Spielplan sowie seine professionell geführte Jugendarbeit ein Glanzlicht unter<br />
den über 600 Mitgliedsbühnen des LABW. Dass dies auch in Zukunft so bleibt<br />
und dass <strong>im</strong>mer genügend engagierte Führungskräfte und motivierte Mitwirkende<br />
zur Verfügung stehen sowie dass zahlreiche Zuschauer kommen, wünsche ich<br />
persönlich und <strong>im</strong> Namen des Präsidiums und der über 600 Mitgliedsbühnen <strong>im</strong><br />
Landesverband Amateurtheater Baden-Württemberg (LABW).<br />
Rolf Wenhardt [LABW Präsident]<br />
Angenehm ist am Gegenwärtigen die Tätigkeit,<br />
am Künftigen die Hoffnung und am Vergangenen<br />
die Erinnerung. (Aristoteles)
Masken bilden und Frisuren kreieren<br />
„Maskenbildnerei soll nicht bemerkt werden, sondern wirken“. Dieser Satz ist Leitspruch und Anspruch<br />
zugleich für unsere Damen von der Maske. Sie sind für den optisch st<strong>im</strong>migen, charaktervollen Auftritt<br />
der SchauspielerInnen verantwortlich. Unter ihren fachkundigen Händen werden junge Menschen<br />
zu Greisen, Männer zu Charakterköpfen, hübsche Frauen zu Monstern oder schöne Mädchen noch<br />
schöner, ganz nach Bedarf. Das alles will erlernt, gekonnt und vor jeder Aufführung geschafft sein.<br />
Dazu braucht es Akribie, Feingefühl und ein feines Händchen. Kein Wunder, dass in diesem Metier<br />
die Frauen das Sagen haben - so auch bei uns, und das schon über Jahrzehnte.<br />
In der Tat haben wir in unseren Reihen Damen,<br />
die schon über 40 <strong>Jahre</strong> die „Puderquaste<br />
schwingen“. Das ist nicht despektierlich gemeint -<br />
<strong>im</strong> Gegenteil. Wer weiß, was vor den Aufführungen<br />
geleistet werden muss, wird ihnen Respekt<br />
zollen. Oft Stunden vor der Aufführung sind sie<br />
am „werkeln“, um die DarstellerInnen <strong>im</strong> Rampenlicht<br />
optisch so passabel, wie von der Regie<br />
gewünscht, erscheinen zu lassen. Den in Abst<strong>im</strong>mung<br />
und in Proben mit der Spielleitung festgelegten<br />
Schminkplan gilt es penibel abzuarbeiten.<br />
„Eine Maske anlegen“ ist kein Schminken <strong>im</strong><br />
landläufigen Sinn, sondern erfordert Talent und<br />
eine spezielle Ausbildung. Fachseminare, Workshops<br />
und Kurse <strong>im</strong> eigenen Haus vermitteln<br />
das nötige Rüstzeug. Die Hautpflege unter Berücksichtigung<br />
unterschiedlicher Hauttypen und<br />
die Verhinderung von Infektionen stehen dabei<br />
ebenso auf dem Programm, wie die umfangreiche<br />
Material- und Werkzeugkunde. Dieses<br />
Wissen findet in der Praxis verantwortungsvoll<br />
Anwendung: Für jede Person gibt es aus hygienischen<br />
Gründen ein eigenes Set an Schminkutensilien.<br />
Auf diese Basis baut dann der kreative<br />
Teil des Schaffens auf: das „Grundieren“,<br />
das „Auszeichnen“ bis hin zum Herstellen von<br />
Bärten aus echtem Haar oder der Modelage<br />
von Nasen, Warzen, Wunden oder gar einer<br />
Vollglatze - um nur einiges zu nennen. Das alles<br />
ist echte feinfühlige Handarbeit mit künstlerischem<br />
Anspruch am „lebenden Objekt“, z.B. bei<br />
Tier- und Fantasiemasken. „Maske machen“ ist<br />
wichtig. Denn nur so werden aus DarstellerInnen<br />
auch optisch klare Charaktere. Schließlich soll<br />
der jugendliche Liebhaber auch begehrenswert<br />
erscheinen, und dem kauzigen Alten sollte man<br />
seinen Hang zum „Süffeln“ schon ansehen...<br />
Die Maskenbildnerinnen Lange bevor der<br />
Vorhang sich hebt, sind sie in Aktion. Aber auch nach<br />
dem Schlussvorhang sind sie wieder gefragt, um<br />
be<strong>im</strong> Abschminken zu helfen und um Perücken, Bärte<br />
und andere Hilfsmittel für den nächsten Einsatz zu<br />
präparieren.<br />
12
13<br />
[ ]<br />
Frühe<br />
<strong>Jahre</strong>
Das Ensemble aus dem ersten eigenverantwortlich<br />
erarbeiteten Stück „Der Bergteufel“ von 1964<br />
Lorem ipsum dolor sit amet, consectetuer adipiscing<br />
elit. Aenean commodo Aenean massa.<br />
D<br />
ie Welt <strong>im</strong> Kraichgau und ganz<br />
besonders <strong>im</strong> beschaulichen Dielhe<strong>im</strong><br />
war <strong>im</strong> Jahr 1963 noch „irgendwie“<br />
in Ordnung. Die drei örtlichen Gewalten:<br />
Pfarrer, Bürgermeister und „Doktor“, hatten<br />
noch richtig viel zu sagen - nicht nur auf ihrem<br />
Fachgebiet. Die politischen Entscheidungen<br />
lagen, praktischerweise und demokratisch<br />
gewählt, in mehreren Händen einer Partei.<br />
Die „Zerstreuungs- und Unterhaltungsindustrie“<br />
zeigte erste zaghafte Ansätze in Form<br />
von 13 Wirtschaften (teilweise auch mit<br />
Kegelbahnen) und, man höre und staune,<br />
einem Kino. Letzteres, sehr argwöhnisch<br />
beäugt, zeigte ein durch den örtlichen<br />
Klerus mit „Filmempfehlungen nach Alter“<br />
belegtes Programm. Und das klassische<br />
kulturelle Leben in der „aufstrebenden,<br />
14
15<br />
<strong>Theater</strong>-<br />
spiele?<br />
Wass<br />
wolle<br />
die?<br />
1963 Bislang standen<br />
auf den Dielhe<strong>im</strong>er<br />
Bühnen gestandene<br />
Mannsbilder und brave<br />
Hausfrauen in tränenreichen<br />
Stücken. Das sollte<br />
sich bald ändern. Ganz<br />
junge „Wilde“ waren<br />
zunächst äußerst zahm<br />
dabei, den „Laden“<br />
aufzumischen...<br />
Des a noch?
modernen Gemeinde“ (O-Ton der damaligen<br />
Gemeindebroschüre) mit ihren hochfliegenden<br />
Plänen (Autobahn, Lehrschw<strong>im</strong>mbecken,<br />
etc.) zeigte sich vielfältig nach außen, aber<br />
nicht ganz so vielgestaltig nach innen. Das<br />
klassisch-kulturelle Angebot für Erwachsene<br />
und Jugendliche (!) bestand aus Gesang,<br />
Blasmusik und Sport - alles verteilt auf mehrere<br />
Vereine. Und das sei nicht unterschlagen:<br />
auch aus theatralem Spiel, treffender, aus dem<br />
Laienspiel: gepflegt, ganzjährig zu kirchlichen<br />
Anlässen und zur dunklen <strong>Jahre</strong>szeit in Form<br />
von Winterfeiern. Fast jeder Verein <strong>im</strong> Ort<br />
zelebrierte geradezu diese Form der Unterhaltung<br />
zum Zwecke des eigenen finanziellen<br />
Überlebens. Die Feier war zielführend ausgerichtet<br />
und bestand meist aus wenigen, dem<br />
Vereinszweck entsprechenden Darbietungen,<br />
aus einer Tombola mit Gewinnen, die man bei<br />
den örtlichen Geschäftsleuten und Mitgliedern<br />
eingesammelt hatte, und einem großen theatralen<br />
Ereignis, einem Schau- und Rührstück<br />
mit lehrhaftem Charakter. Alles, was <strong>im</strong> Kino<br />
mit Bann belegt war, durfte auf offener Bühne<br />
gezeigt werden: hinterhältiger Mord, Lug und<br />
Trug in allen Variationen, anrührende Liebesbeziehungen,<br />
die durch Teufelsblendwerk in<br />
Gefahr gerieten und, wie durch Zauberhand,<br />
zum Guten fanden. Doch nicht nur das, auch<br />
Lustiges wurde geboten, bis die „Schwarte<br />
krachte“!<br />
Vom Laienspiel bis zum Amateurtheater<br />
ist oft ein langer Weg.<br />
Wir wählten überraschenderweise<br />
den kürzesten. Der Dielhe<strong>im</strong>er<br />
kulturellen Szene (1963) sei Dank.<br />
Denn wir erkannten schnell:<br />
Es muss etwas geschehen.<br />
16
17<br />
Dies wurde zu allgemeiner Erheiterung und bis<br />
zum Schenkelklopfen der Anwesenden durch<br />
dorfweit bekannte M<strong>im</strong>en dargestellt, die<br />
auch <strong>im</strong> richtigen Leben Züge der gezeigten<br />
Charaktere glaubhaft machen konnten. Fast<br />
jede darstellerische Form gab es zu sehen.<br />
Von Mysterienspielen mit „lebendem Bild“<br />
(die Schauspieler froren die Szene ein, indem<br />
sie minutenlang unbeweglich auf der Stelle<br />
standen, um die Botschaft zu verdichten*) über<br />
Schwänke von brachialer Gewalt und tränenreiche<br />
Wald- und Forststücke spannte sich der<br />
Bogen. Bei Titeln wie „Maria Goretti“ wurde<br />
sogar eine knappe Stunde lang auf der<br />
Bühne gestorben. Einmalig und unvergessen<br />
die Resonanz: Das Stück wurde zum Dorfgespräch<br />
und die junge, schöne und schön<br />
„sterbende Schauspielerin“ zum Star der ledigen<br />
Männer. Allen Aufführungen war gemein:<br />
Sie wurden gerne gesehen, von Erwachsenen<br />
wie von Jugendlichen. Durch einen Kunstgriff<br />
ließ man auch die ganz Kleinen am Genuss<br />
teilhaben: Am Nachmittag der Premiere um<br />
14 Uhr gab es die Generalprobe vor einer<br />
„riesigen“ lärmenden Kinderschar; unter ihnen<br />
auch der Autor dieser Zeilen und einige noch<br />
heute <strong>im</strong> <strong>Theater</strong> <strong>im</strong> <strong>Bahnhof</strong> tätige Mitglieder.<br />
Dermaßen vorgeprägt, verwundert es nicht,<br />
Auch nach der Gründung des heutigen<br />
<strong>Theater</strong> <strong>im</strong> <strong>Bahnhof</strong> gab es noch christliche<br />
Mysterienspiele zu sehen. Hier „Syra, die<br />
christliche Sklavin“, 1966, von H. Caron. Als<br />
Dank an den kath. Ortsgeistlichen, unterstützt<br />
durch SchauspielerInnen der neuformierten<br />
„Spielgruppe 63“.<br />
*Unten:<br />
Ein „Lebendes Bild“, wie oben beschrieben.
Mit Stücken wie „Versöhnung am Hubertushof“<br />
oder „Der Meisterlügner“ wurde die<br />
Laienspieltradition unter anderem Vorzeichen<br />
zunächst weitergeführt. Sehr zur Freude des<br />
Publikums und der jungen Truppe - meist auf<br />
der Pfarrsaalbühne, aber auch auf Tournee in<br />
der nahen Region.<br />
18
19<br />
Bild unten:<br />
Die<br />
jungen<br />
<strong>Theater</strong>pioniere<br />
wagten sich<br />
auch an<br />
ungewohnte<br />
Aufgaben:<br />
Hier eine<br />
unbekannte,<br />
aber mutige<br />
Person be<strong>im</strong><br />
Schminken<br />
mit dem<br />
Fettstift.<br />
Die Idee:<br />
Weitreichend,<br />
mutig und,<br />
wie alle<br />
guten Ideen,<br />
zunächst<br />
belächelt!<br />
dass diese später als junge „Männer“ mit gerade<br />
mal 16 <strong>Jahre</strong>n (ok, einer war schon 18)<br />
eine Idee hatten: Wie wäre es, selbst <strong>Theater</strong><br />
zu spielen und vielleicht berühmt zu werden?<br />
Die jungen Leute kannten sich von der Schule,<br />
vom Sport und anderen Interessen, was die<br />
Idee beflügelte. Und in einzelnen Familien der<br />
Freunde gab es auch Laienschauspieler, denen<br />
man nacheifern wollte. Bereits nach den<br />
ersten Überlegungen gab es einen Entschluss,<br />
entsprungen jungendlichem Mut und sehr<br />
weitreichend: Wir wollen <strong>Theater</strong> spielen! Unabhängig,<br />
als reine <strong>Theater</strong>gruppe! Gesagt,<br />
getan. Der Gründungsversammlung am 15.<br />
Dezember 1963 stand nichts mehr entgegen.<br />
Noch am selben Tag wurde ein Stück geplant.<br />
Dazu brauchte es „Mittäter“. Sie wurden<br />
gesucht und <strong>im</strong> erweiterten Freundeskreis<br />
schnell gefunden. Das Abenteuer Bühnenspiel<br />
begann. Und ganz Dielhe<strong>im</strong> fragte sich: Was<br />
wolle die? <strong>Theater</strong> spiele? Des a noch! Ja, sie<br />
wollten - und wie.
Hinter einem großen Werk steckt <strong>im</strong>mer eine mehr oder weniger zündende Idee. Diese gilt es zu<br />
entwickeln. Dazu wird sie „abgeklopft“, geprüft, verworfen, verglichen, geformt, geändert, angepasst,<br />
feingeschliffen, realisiert und schließlich dem staunenden Publikum präsentiert. Die Rede ist hier nicht<br />
von einer erhabenen Inszenierung, sondern vom Bühnenbild schlechthin, dem Ort einer dramatischen<br />
Handlung. Genauer gesagt handelt es sich um ein Bild, das die Zuschauer sich vom Ort des<br />
Geschehens machen sollen, oder eben auch nicht. Und genau das ist die Crux. Deshalb ist die Idee<br />
wichtig, und zwar lange bevor die erste Schraube ihren Weg durch Holz windet.<br />
Den Spielort gibt der Autor des Stückes vor. Soweit,<br />
so gut. Wie ist er aber nun beschaffen?<br />
Was zeichnet ihn aus? Diese und viele weitere<br />
Fragen verschweigt uns der Autor. Und das ist<br />
gut so, denn nur so können die Männer vom<br />
Bühnenbau kreativ werden und eine Idee, in<br />
Absprache mit der Regie, gebären, entwickeln<br />
und... (siehe oben). Die Idee hat in unserem Falle<br />
viele Väter: das Stück, die Regie, den oder die<br />
Bühnenbildner. Ideen sind Produkte mit einer<br />
kurzen Verfallzeit. Deshalb werden sie festgehalten<br />
als Skizze und als Beschreibung. Danach<br />
wechselt die Idee ihren Aggregatzustand in<br />
kurzen Intervallen: vom Skizzenblatt in den Kopf<br />
und zurück in <strong>im</strong>mer kürzeren Zeitabständen.<br />
(Dazu bitte den Bildteil beachten). Der Vorgang<br />
hält an, bis schließlich der, erst auf den zweiten<br />
Blick weise, Satz fällt: „Wenn alles st<strong>im</strong>mig<br />
ist, dann passt es auch.“ Gemeint ist: Liegt eine<br />
Einheit zwischen Autor, Bühnenbildnerei und Regie<br />
vor und ist anzunehmen, dass alle Anliegen<br />
des Stückes fehlerlos zum Besucher transportiert<br />
werden und das Ganze alle praktischen,<br />
gesetzgeberischen, sicherheitstechnischen und<br />
natürlich auch alle künstlerischen Kriterien erfüllt,<br />
dann ist es an der Zeit, Holz, Nägel, Schrauben,<br />
Farbe und Textilien zu bestellen.<br />
Was ab jetzt passiert, ist Handwerkskunst, nicht<br />
vom Allerfeinsten, da alles nicht lange gebraucht<br />
wird, aber dafür vom Haltbarsten für kurze Zeit<br />
und von besonderen Nutzen und oft mit dem<br />
bei den Erbauern beliebten Ah- und Oh-Effekt.<br />
Vom Publikum geäußert, wird dieser als „beson-<br />
Von Bildern und Bauten<br />
ders wertvoll“ eingestuft. Und wenn be<strong>im</strong> Spiel<br />
das Bühnenbild hält, was seine Optik verspricht,<br />
dann lächelt sogar die Spielleitung unauffällig.<br />
Was aber, wenn verlangt wird, den Ort zu verschweigen,<br />
bzw. die Regie es für besser erachtet,<br />
der Zuschauer möge doch bitteschön den<br />
Ort in seinem Kopf herstellen und mit eigenen<br />
Farben ausmalen? Dann und wirklich nur dann,<br />
bleibt die Bühne leer; von ein paar Requisiten<br />
abgesehen. Aber auch diesem Zustand liegt<br />
eine Idee zu Grunde, die erst einmal geboren<br />
und entwickelt werden muss.<br />
Der profane Auf- und Abbau der Kulissen ist auf<br />
der nach oben offenen Genuss-Skala für Bautenteams<br />
unten angesiedelt. Trotzdem geschieht<br />
auch das ohne Murren, dafür aber rustikal und<br />
lautstark.<br />
20
21<br />
Bühnenbilder können ganz<br />
schön aufwändig sein. Sorgfältige<br />
Planung ist deshalb unerlässlich.<br />
Ganz wichtig ist die Bildidee. Sie<br />
muss den Charakter des Stückes<br />
optisch „tragen“. Links, bei dem Stück<br />
„Die deutschen Kleinstädter“, 1999,<br />
ergänzten sich das skurille Bild und<br />
die groteske Inszenierung ideal.<br />
St<strong>im</strong>mig<br />
wirken, ohne<br />
naturalistisch<br />
zu sein, das<br />
war 2004<br />
be<strong>im</strong> Stück<br />
„Ein wahrer<br />
Held“, gefragt.<br />
Links das<br />
Szenenbild<br />
und darüber<br />
der Entwurf.
Aufbruch durch Abruch oder „Auferstanden aus Ruinen“<br />
Zugegeben, die Überschrift ist salopp formuliert, doch sie trifft den Kern: Der Weg zu den „Sternen“<br />
war mühselig, aber spannend und lohnend. Bühnenspiel ist nun mal ohne Infrastruktur nicht zu<br />
haben. Deshalb war man schon früh bestrebt, dies zu ändern. Ein ehrwürdiger Backofen musste<br />
als erster den M<strong>im</strong>en weichen, und später war ein kleiner <strong>Bahnhof</strong> Schauplatz dramatischer Veränderungen.<br />
Viel Schmutz, Schweiß und manche blutunterlaufene Finger mussten in Kauf genommen<br />
werden, um dem Bühnenspiel die notwendige Bühne zu geben und es neu auferstehen zu lassen.<br />
22
23<br />
[ ]<br />
Aufbruch
Aufbruch Sturm und Drang.<br />
Zukunftsweisende Entscheidungen. Hilfe von außen.<br />
Mut, Schweiß, Ideen und - viel Spaß.<br />
Was<br />
soll en Des?<br />
Was<br />
machen die do?<br />
24
25<br />
„Schinderhannes“, war für die noch junge<br />
„Spielgruppe“ das „Gesellenstück“. Die Vorstellung<br />
war ausverkauft und der Verein war<br />
über Nacht, in der Umgebung, in aller Munde.<br />
Der Mut hatte sich gelohnt - der Aufbruch war<br />
geschafft.<br />
Nun standen sie also da, die neuen<br />
<strong>Theater</strong>spieler, voller Tatendrang und<br />
buchstäblich mit nichts. Keine Räume,<br />
keine Kulissen, keine Kostüme, keine Texte,<br />
nur ausgerüstet mit einem Schreibblock als<br />
Protokollbuch. Und darauf stand etwas ganz<br />
Wichtiges, das Gründungsprotokoll. Schnell<br />
war klar, Drang allein genügt nicht. Doch Not<br />
macht erfinderisch und schlau. Die Cleverness<br />
bestand darin, das zu nutzen, was es bereits<br />
gab - und das war einiges. Doch wie, ohne<br />
sich preiszugeben? Dazu muss man wissen,<br />
das wichtigste, selbstauferlegte eherne Gesetz<br />
lautete unmissverständlich: selbstständig<br />
bleiben. Einige Zeit später kam ein ebenso<br />
folgenreicher Passus dazu: „Es dürfen nur aktive<br />
Mitglieder aufgenommen werden, die nicht älter<br />
sind als die derzeit vorhandenen!“ Und die<br />
„Vorhandenen“ waren jung, sehr jung sogar.<br />
Dieser Satz war nicht als Affront gegen „Ältere“<br />
gedacht. Vielmehr sollte dem eigenen Weg,<br />
„<strong>Theater</strong> zu machen“, unbeeinflusst von der örtlichen<br />
Laienspieltradition Vorrang eingeräumt<br />
werden. Auch die in nur wenigen Tagen neu<br />
hinzugekommenen Mitglieder wurden darauf
Erste Aufführungen in eigener Verantwortung. Bereits das zweite<br />
Historienstück bescherte ein ausverkauftes Haus. Über 600 Menschen<br />
wollten die Premiere in der Sport- und Kulturhalle in Dielhe<strong>im</strong> sehen.<br />
eingeschworen. Aus diesem Grund gingen die<br />
jungen „Herren“, (genauer gesagt waren es<br />
Teenager) sehr sorgsam zu Werke. Kompromisse<br />
wurden eingeplant, Etappen festgelegt und<br />
Teilverbündete gesucht. Schon kurze Zeit später<br />
wurde ein wichtiger Erfolg verbucht, einer der<br />
wichtigsten Männer <strong>im</strong> Ort, Pf. Martin Walter,<br />
(„Der Fußballpfarrer“) konnte als Sympathisant<br />
gewonnen werden. Das war bereits ein<br />
Meilenstein. Denn mit Ihm war der Zugriff auf<br />
den Pfarrsaal mit Bühne und auf einen großen<br />
Fundus an Kostümen gegeben. Die Symphatie<br />
wurde kurzerhand und klugerweise zur Allianz<br />
ausgebaut: Ihm wurde nahegelegt, die <strong>im</strong><br />
Pfarrsaal für seinen Fußballclub SG Dielhe<strong>im</strong><br />
stattfindende Weihnachtsfeier mit Laienspieleinlage<br />
doch einfach den jungen Spielwilligen zu<br />
überlassen. Er war begeistert über so viel jugendlichen<br />
Elan und stellte dafür einen Probenraum<br />
zur Verfügung. Neudeutsch ausgedrückt,<br />
war eine Win Win-Situation entstanden. Beide<br />
Parteien profitierten voneinander. Allerdings<br />
überließ er nichts dem Zufall. Stück und Inhalt<br />
unterlagen der freiwilligen Selbstkontrolle und<br />
zu den Proben war er meist anwesend. Das<br />
vorgeschlagene Stück mit Namen „Der Bergteufel“<br />
überzeugte ihn, da der Teufel <strong>im</strong> Stück<br />
vom Guten besiegt wurde. Es konnte losgehen.<br />
Jetzt galt es nur noch ein kleines Problem zu<br />
überwinden: Es gab keinen Spielleiter, geschweige<br />
denn genügend SchauspielerInnen<br />
für die 11 Rollen, inklusive der 2 Damenrollen.<br />
Nach dem Motto, wenn man will, geht alles,<br />
wurde der Spielleiter festgelegt. Best<strong>im</strong>mt wurde<br />
derjenige in der Runde, der auf die größte<br />
Erfahrung seiner seit <strong>Jahre</strong>n schauspielernden<br />
Brüder verweisen konnte. Das restliche Ensemble<br />
wurde aus dem Freundeskreis und oft unter<br />
Bitten und Betteln rekrutiert. Jetzt wurde heftig<br />
Text gelernt und geprobt in einem per Ölofen<br />
26
27<br />
überhitzten Raum, in dem es alt und nach<br />
Weihrauch roch. Nach fast einem Jahr Vorbereitung<br />
wude das Stück aufgeführt, und das mit<br />
durchschlagendem Erfolg: Das abendfüllende<br />
Stück mit seinem Sieg über Tod und Teufel<br />
rührte die Herzen und dann die Hände der<br />
Zuschauer zum fast frenetischen Applaus. Die<br />
Winterfeier selbst geriet zur Nebensache, und<br />
noch am selben Abend wurden die glücklichen<br />
Akteure für ein Gastspiel <strong>im</strong> Nachbarort<br />
Rauenberg verpflichtet. Vor Freude trunken<br />
nahmen sie an. Ein Tross spielwütiger Teenager<br />
brach kurze Zeit später, bepackt mit Kulissen,<br />
Requsiten und mit „Mann und Maus“ auf, um<br />
in Rauenberg seine Kunst zu zeigen. In einem<br />
umfunktionierten Raum mit Kegelbahn wurden<br />
zunächst die Hühner von der Bühne getrieben<br />
(kein Witz!) und alles<br />
gründlich gereinigt,<br />
um die Grundlage<br />
für einen ähnlichem<br />
Erfolg wie zuvor zu<br />
schaffen. Um diesen<br />
sicherzustellen, wurde<br />
eigens ein Musiker mit<br />
Akkordeon verpflichtet.<br />
Er musizierte laut<br />
Protokollbuch „zwischen den Pausen“. Wie wir<br />
uns das vorzustellen haben, bleibt ein historisches<br />
Gehe<strong>im</strong>nis. Doch den Teenagern auf der<br />
Bühne blieb der Erfolg auf den Fersen. Derart<br />
verwöhnt war klar, der Erfolg braucht einen<br />
Namen. Gewählt wurde der Kürze wegen<br />
„Spielgruppe 63“. Und sozusagen obendrauf<br />
gab man sich auch noch einen organisatorischen,<br />
vereinsmäßigen Halt. Ein Spielleiter mit<br />
Assistent, ein Schriftführer, 8 Beiräte und ein<br />
Vereinsdiener bildeten die Führungscrew. Und<br />
um dem Schlendrian vorzubeugen, wurde<br />
unter Strafandrohung Disziplin eingefordert. So<br />
abgefedert gerieten große, nein sehr große<br />
Ziele ins Visier. Und ganz wichtig: losgelöst von<br />
Abhängigkeiten, also alles auf eigene Faust<br />
und Verantwortung. Der Spielleiter, ein Fan<br />
„Der Bandit von Venedig“ als letztes<br />
historisches Spektakel markierte<br />
den Wendepunkt in der Stückauswahl,<br />
hin zu Komödien und bekannten<br />
Schauspielen, aber auch zeitkritischen<br />
kleineren Stücken.
Die Idee<br />
setzt sich durch!<br />
historischer Epen und von „Sandalenfilmen“,<br />
gab die Richtung vor. „Hasso, der Rebell“ hieß<br />
schließlich das monströse Werk. Das bedeutete:<br />
viele Mitspieler, Statisten, Helfer und „viel“ Technik,<br />
mit noch mehr historischen Kostümen, dafür<br />
aber, der Kosten wegen, weniger aufwändigen<br />
Kulissen. Ohne Vorkenntnisse, geschweige<br />
denn Erfahrung, wurde ein Stück auf die große<br />
Bühne der Dielhe<strong>im</strong>er Mehrzweckhalle gestellt,<br />
das von der Saalmiete bis zur letzten Requisite<br />
eigenverantwortlich über die Bühne ging und,<br />
man höre und staune, die Besucher in seinen<br />
Bann zog. Schnell wurde der Ruf: „mehr davon“<br />
unüberhörbar. Was jetzt folgte, ist für dörfliche<br />
Verhältnisse phänomenal: Ein noch aufwändigeres<br />
Stück sollte es nun sein. Mit „Schinderhannes“<br />
von Fritz Kanders, so die Idee,<br />
sollte der Durchbruch gelingen. Das Ansinnen<br />
gestaltete sich äußerst schwierig, denn die Verbindungen<br />
zur Pfarrgemeinde und den Spielmöglichkeiten<br />
dort mussten aus wirtschaftlichen<br />
Gründen beibehalten werden. Das bedeutete:<br />
zweigleisig fahren - das große Stück in der<br />
Mehrzweckhalle und die kleineren Stücke <strong>im</strong><br />
Pfarrsaal. Dass dabei die sogenannten kleinen<br />
Stücke oft abendfüllende Wald- und Forststücke<br />
waren, machte die Sache nicht einfacher.<br />
Mit jugendlichem Elan und einer mittlerweile<br />
„stattlichen“ Anzahl an Bühnenpersonal und<br />
Mitgliedern sollte alles gelingen. Und es gelang.<br />
Kurz gesagt: Die historische Handlung um<br />
28
29<br />
den Räuberhauptmann „Schinderhannes“, sehr<br />
direkt und inklusive Enthauptung auf offener<br />
Bühne dargestellt und in den Pausen mit Blasmusik<br />
verziert, übertraf alle Erwartungen. Mehr<br />
als 600 Zuschauer wollten die Premiere sehen:<br />
Die eilends herbeigeschafften Stühle reichten<br />
bei weitem nicht aus. „Schinderhannes“ wurde<br />
zum Dorfgespräch und auch die Zeitungen<br />
würdigten die Leistung der „Newcomer“. Die<br />
Erfolge der „Spielgruppe“, wie das <strong>Theater</strong> <strong>im</strong><br />
<strong>Bahnhof</strong> oft noch heute in der Bevölkerung genannt<br />
wird, hatten damit einen Status erreicht,<br />
der es erforderlich machte, Flagge zu zeigen.<br />
Immer öfter sah man deshalb die <strong>Theater</strong>leute<br />
bei Umzügen oder Veranstaltungen der Gemeinde.<br />
Die öffentliche Präsenz führte zu einem<br />
Mitgliederzuwachs. Der ermöglichte es „locker“,<br />
zwei Spielorte zu bedienen: Im Pfarrsaal wurden<br />
die noch <strong>im</strong>mer herzzereißenden Stücke<br />
gespielt, und zu Pf. Walters Geburtstag durfte<br />
es auch mal was Christliches sein. Und in der<br />
Schnell zeigte die „Spielgruppe 63“ öffentliche<br />
Präsenz durch Teilnahme an örtlichen<br />
Festen. Auch für die Mitglieder gab es intern<br />
Veranstaltungen wie Ausflüge und Partys.<br />
Bei den jährlichen Hauptaufführungen <strong>im</strong><br />
Spätherbst reihte sich von nun an Komödie<br />
an Komödie. Szenen aus „Kirsch und Kern“<br />
links oben, „Mein Mann der Dieb“ rechts,<br />
„Zirkus“ unten und unten rechts das Ensemble<br />
von „Der kerngesunde Kranke“.<br />
Mehrzweckhalle gingen die historischen Stücke<br />
wie „Der Bandit von Venedig“, über die Bühne;<br />
Stücke, die den guten Ruf der <strong>Theater</strong>macher<br />
festigten. Nach innen gelang es überraschend<br />
gut, trotz der vielen Arbeitseinsätze, die Mitglieder<br />
bei Laune zu halten. Schließlich waren alle<br />
noch jung, und zu feiern verstand man, ohne<br />
dafür proben zu müssen. Ausflüge, Grill-, Silvester-<br />
und unzählige andere Partys, aber auch<br />
die „Tourneeeinsätze“ festigten den Zusammenhalt.<br />
Und wo es nichts zu feiern gab, wurde<br />
ein Grund erfunden. Die sogenannte „Blinde<br />
Kindstaufe“ war ein geflügeltes Wort, um eine<br />
feierarme Zeit zu überbrücken - ein Fest ohne<br />
Kind, aber mit Feier. Das alles waren Maßnahmen,<br />
die dazu dienten, den Spaß hochzuhalten.<br />
Und wenn Sie jetzt fragen, ja, aber woher<br />
wusste die „Spielgruppe 63“, wie „<strong>Theater</strong><br />
geht“? Das ist eine gute Frage, und auf diese<br />
gibt es eine gute Antwort - <strong>im</strong> nächsten Kapitel.
Unser <strong>Theater</strong>haus, unsere Spielstätten<br />
„Die Besucher des großen Hauses werden gebeten, ihre Plätze einzunehmen!“ Wer kennt diese<br />
Ansage nicht? In ganz großen Musentempeln üblich, doch in Dielhe<strong>im</strong> nicht. Der Grund liegt nicht<br />
am fehlenden „Großen Haus“, sondern ist bautechnisch bedingt: Die Spielstätten für das <strong>Theater</strong><br />
<strong>im</strong> <strong>Bahnhof</strong> haben getrennte Dächer. Und das ist gut so. Denn zwei <strong>Theater</strong>häuser könnten wir uns<br />
wirklich nicht leisten. Was wir aber können, ist: auf beide zurückgreifen. Und das tun wir regelmäßig,<br />
je nach Anforderung oder besser gesagt, je nach <strong>Jahre</strong>szeit:<br />
Meist <strong>im</strong> Herbst auf das „Großes Haus“, die<br />
Kulturhalle in Dielhe<strong>im</strong>, und in der übrigen Zeit<br />
auf unser „Schmuckkästchen“, das <strong>Theater</strong> <strong>im</strong><br />
<strong>Bahnhof</strong>. Der Name ist hier Programm, oder wie<br />
es der römische Komödiendichter Plautus (um<br />
2<strong>50</strong>–184 v. Chr.) ausgedrückt hat: Nomen est<br />
omen! Und das, obgleich er unser <strong>Theater</strong>haus<br />
noch gar nicht kannte. Aber sicher hätte er die<br />
gleiche Freude daran gehabt wie wir. Womit<br />
auch fast bewiesen wäre, dass es diesen Zustand<br />
lange Zeit nicht gab und er hart erarbeitet<br />
werden musste. Zunächst auch, je nach Blickwinkel,<br />
gegen etablierte Kulturträger oder ältere<br />
Rechte am Kulturleben. Dass dabei zum Zwecke<br />
der Schlichtung auch mal Anwälte beauftragt<br />
werden mussten, zeugt vom „Kampf“ der jungen<br />
Ideen gegen tradierte Rechte. Heute ist ein gutes<br />
Miteinander gegeben und es kann den Besuchern,<br />
aufgrund der beiden Häuser, ein breites<br />
Spektrum an Stücken und Veranstaltungen angeboten<br />
werden. Das ist nicht selbstverständlich.<br />
Deshalb geht ein großes Dankeschön an die<br />
Gemeinde Dielhe<strong>im</strong>, die uns die Kulturhalle nun<br />
schon seit mehreren Jahrzehnten zur geflissentlichen<br />
Nutzung und zur Erbauung und Freude<br />
der Zuschauer überlässt. Danke.<br />
Unsere Spielstätten Links unser<br />
Schmuckstück und ganzer Stolz, das<br />
<strong>Theater</strong> <strong>im</strong> <strong>Bahnhof</strong> in der <strong>Bahnhof</strong>straße,<br />
und unten das „Große Haus“, die Dielhe<strong>im</strong>er<br />
Kulturhalle in der Pestalozzistr. 11<br />
30
31<br />
[ ]<br />
Die<br />
Etablierung
Die Etablierung<br />
Suche nach Raum. Engagements und Erweiterungen.<br />
Feste, Bälle, Open Air. Aus der Backstube zu größeren „Brötchen“.<br />
Vom Spieltrieb zum Spielbetrieb.<br />
Zukunft?<br />
ja bitte!<br />
Mut best<strong>im</strong>mte die ersten <strong>Jahre</strong><br />
der wild entschlossenen<br />
„<strong>Theater</strong>macher“. Vielleicht<br />
war es auch einfach der unbekümmerte,<br />
jugendliche Drang, etwas „Großes“<br />
schaffen zu wollen. Wie dem auch sei,<br />
die Fakten sprachen für die junge Truppe,<br />
denn der Erfolg be<strong>im</strong> Publikum war<br />
gegeben. Das ist bemerkenswert, waren<br />
doch die Voraussetzungen äußest dürftig:<br />
Geprobt wurde in Wohnstuben und<br />
Wirtshäusern, und Proben auf der Bühne<br />
waren erst eine Woche vor den Aufführungen<br />
möglich, da andere Vereine<br />
die Halle ebenfalls nutzten. Noch in der<br />
Nacht der Premiere musste abgebaut<br />
und am nächsten Tag die Halle gereinigt<br />
werden, um sie für den Schulsport<br />
freizugeben. Das hatte einmal sogar<br />
unerfreuliche Konsequenzen: Wenige<br />
Tage vor der Premiere fand das entsetzte<br />
<strong>Theater</strong>völkchen seine fertigen Kulissen,<br />
zerstört durch Wind und Wetter, <strong>im</strong> Freien<br />
liegend vor. Sie wurden als gefährlich<br />
32
33<br />
für Kinder eingestuft und kurzerhand ins Freie<br />
befördert. Die Antwort darauf war ein offener<br />
Brief in Form eines Flugblattes, der Ärger und<br />
eine Gerichtsverhandlung einbrachte. Dessen<br />
ungeachtet ging der Spielbetrieb weiter: Immer<br />
mehr gab es „Tourneen“ mit Stücken, wie der<br />
„Meisterlügner“, die zunächst <strong>im</strong> Pfarrsaal<br />
Premiere feierten, und <strong>im</strong> Spätherbst gab man<br />
ein aufwändiges Stück auf der großen Bühne<br />
der heutigen Kulturhalle. Der Erfolg war schwer<br />
erkauft: ohne Raum zum Proben, auch nicht<br />
für den Bau und die Lagerung der Kulissen. In<br />
allen Sälen herrschte „Bauverbot“, und nicht<br />
der kleinste Nagel durfte in den Bühnenboden<br />
versenkt werden. Es brauchte Erfindergeist und<br />
Glück, denn dieser Zustand gefährdete das<br />
<strong>Theater</strong>projekt. Das Glück kam<br />
in Gestalt einer kleinen ehemaligen<br />
Bäckerei und wurde<br />
be<strong>im</strong> Schopf gepackt: Besichtigen,<br />
Pläne schmieden, Preis<br />
verhandeln, zuschlagen. In<br />
dieser Reihenfolge kam man<br />
zum ersehnten Clubraum und<br />
einer Scheune als Lager. Die<br />
Freude war groß und legte<br />
sich schnell: Der riesige Backofen<br />
störte und musste raus.<br />
Überlegungen halfen nichts;<br />
Muskelkraft war angesagt. Das so he<strong>im</strong>elig<br />
aussehende Teil mit seiner riesigen Brotluke<br />
erwies sich als hartnäckiges Unikum. Viel<br />
Schweiß, gepaart mit einem unbeugsamen<br />
Willen, zwangen den Backofen raus und einen<br />
ansehlichen Clubraum rein. Diese Maßnahme<br />
wirke sich strukturell und personell positiv aus:<br />
Zu der inzwischen zum e.V. mutierten „Spielgruppe<br />
63“ stießen <strong>im</strong>mer mehr Mitglieder,<br />
was hochfliegenden Plänen Auftrieb verlieh.<br />
So gerüstet, wurden jetzt ganz große „Brötchen“<br />
gebacken: gesprochener Text allein<br />
auf der Bühne genügte plötzlich nicht mehr,<br />
jetzt sollten es auch Lieder sein. Das Musical<br />
„Halleluja Billy“, bescheiden als „Songstück“<br />
angekündigt, entsprach den Vorstellungen und<br />
geriet unversehens zum „Gesellenstück“ oder,<br />
besser gesagt, zum Start in eine Ära, die bis<br />
heute in ihren Grundzügen noch besteht. Den<br />
über 40 Mitwirkenden gelang es spielend,<br />
singend und tanzend und unterstützt von der<br />
6 Mann starken Band „Blue Dominos“, die<br />
Herzen der Zuschauer zu erobern. Obgleich<br />
bei den Vorbereitungen wegen der D<strong>im</strong>ensionen<br />
fast gescheitert, wurde mit „Halleluja Billy“<br />
ein Meilenstein gesetzt. Eine Einladung zu den<br />
Deutsch-Französischen-<strong>Theater</strong>tagen in Barle-Duc<br />
(Frankreich) war die Folge. Auch dort<br />
erregte die Inszenierung Aufsehen und<br />
Plakat und Szenenbilder aus Halleluja Billy, 1973<br />
wurde mit einer Goldmedaille ausgezeichnet.<br />
Ereignisreiche Tage und eine kleine Tournee<br />
schlossen sich an. Im Rückblick lässt sich<br />
feststellen, das Stück war ein Kraftakt in allen<br />
Bereichen und brachte die Mitwirkenden an<br />
die Grenze des Machbaren, auf der Bühne<br />
und in der Organisation. Gleichzeitig wurde<br />
ein deutliches Zeichen gesetzt, nach innen wie<br />
nach außen; nach innen, weil es gelang, auch<br />
mit Hilfe von Fachkräften in der Choreografie<br />
und der Musik die eigenen Grenzen weit<br />
hinauszuschieben; und nach außen, weil die
Bereits ab 1971 kamen kleine <strong>Theater</strong>formen auf die Dielhe<strong>im</strong>er Bühne. Oben „Dunkelrote Rosen“<br />
eine Persiflage. Mitte „Der Lügner“, „Die Mauer“ und unten „Picknick <strong>im</strong> Felde“.<br />
34
35<br />
vermeintliche „Schnapsidee“ einiger Jugendlicher<br />
den Kritikern offensichtlich Respekt und<br />
Achtung abnötigte. Der junge Verein begann,<br />
so etwas wie einen Spielplan aufzulegen. Der<br />
wurde nach außen nicht kommentiert, aber<br />
nach innen mit einem klaren Konzept verwirklicht.<br />
Hilfe von außen wurde nicht nur zugelassen,<br />
sondern bewusst gesucht. Schulungen,<br />
Workshops, Seminare <strong>im</strong> ganzen Spektrum<br />
der <strong>Theater</strong>arbeit wurden intensiviert und die<br />
Begegnung mit Gleichgesinnten und anderen<br />
Amateutheatern ausgebaut. Begleitet wurden<br />
diese Ideen durch Hans Bernhard, dem Leiter<br />
der Spielberatung Baden-Württemberg. Er<br />
brachte, durch intensiven Austausch mit der<br />
Führungscrew, die junge Truppe behutsam auf<br />
einen Weg, der noch heute nachwirkt. Besuche<br />
von Spieltagen, Amateurtheaterfestivals,<br />
aber auch Besuche bei befreundeten <strong>Theater</strong>n<br />
setzten eine tiefgreifende Entwicklung in<br />
Gang: Man begann, die eigene Arbeit kritisch<br />
zu hinterfragen. Die Ergebnisse dieser Reflektion<br />
zeigten sich bald in einem veränderten<br />
Spielplan. Herz-Schmerz-Stücke wurden<br />
ersetzt durch zeitgemäßere Literatur,<br />
ohne das Publikum vor den Kopf zu<br />
stoßen. Und der „alte Zopf“ Laienspiel<br />
war eigentlich schon durch „Halleluja<br />
Billy“ abgeschnitten worden. Um das Publikum<br />
nicht zu vergraulen, wurde das Projekt „Gutes<br />
Amateurtheater“ bedächtig, aber zielgerichtet<br />
angegangen. Der Spielleitung kam dabei eine<br />
große Bedeutung zu. Die damaligen Spielleiter<br />
hatten rasch erkannt, auf was es ankommt und<br />
gingen, auch in Sachen Ausbildung und <strong>im</strong><br />
Lernen mit „Augen und Ohren“, vorneweg. Folgerichtig<br />
entwickelte sich der Spielplan schnell<br />
weiter, und man begann, organisatorisch und<br />
technisch aufzurüsten. Werbung, Öffentlichkeitsarbeit,<br />
Technik, Maske, Bühnenbau bis hin zur<br />
Vorstandschaft erlebten Veränderungen, die<br />
alle das gleiche Ziel hatten: besser zu werden.<br />
Die Kommunikation über die wenigen Medien<br />
wurde prägnanter, galt es doch, das veränderte<br />
Profil deutlich zu machen: Im Frühjahr wurde<br />
versucht, kleinere Produktionen kabarettistischer-<br />
und kleinkünstlerischer Natur sowie Kammerstücke<br />
zu etablieren; wohlwissend, damit<br />
nur ein kleines Publikum zu erreichen; gedacht<br />
als „Fingerübungen“ für alle, aber auch für<br />
die <strong>im</strong> Spätjahr nicht zum Zuge gekommenen<br />
SpielerInnen. Und <strong>im</strong> Spätherbst sollte eine<br />
„große“ Aufführung folgen, die aus zeitgenössischen<br />
Stücken, Klassikern oder „gehobenen“<br />
Komödien besteht. Und so kam es auch, bis<br />
auf ganz wenige Ausnahmen. Stücke, wie<br />
John Steinbecks „Von Mäusen und Menschen“,<br />
Alfonso Pasos „Lasst uns Lügen erzählen“ oder<br />
auch „Arsen und Spitzehäubchen“ von Josef<br />
Kesselring standen auf dem Spielplan. Stücke<br />
die echte „Knaller“ wurden, waren nicht selten.<br />
„Spiel‘s nochmal Sam“ von Woddy Allen oder<br />
Dario Fo‘s „Zufälliger Tod eines Anarchisten“<br />
zählen dazu. (Eine komplette Auflistung finden<br />
Sie in diesem Heft) Vergessen sei auch nicht<br />
Volles Programm?<br />
Aber hall0!<br />
die kleine <strong>Theater</strong>form, die vielen Einakter von<br />
Kishon bis Valentin, von Cocteau bis Arrabal,<br />
oder das absurde „Taschentheater“; <strong>im</strong>mer<br />
fand die „Spielgruppe 63“ ihr Publikum. Viel<br />
Mut zum Risiko bedurfte es Kleinkunstfestivals<br />
mit einem Non-Stop-Tagesprogramm unter<br />
freiem H<strong>im</strong>mel auf die Beine zu stellen. Jazzer,<br />
Liedermacher, Gaukler, Sängerinnen und<br />
die Sketche der Gastgeber standen auf dem<br />
Programm. Der Kultur <strong>im</strong> ländlichen Raum<br />
zuliebe war es bereits ein Erfolg, wenn Einnahmen<br />
und Ausgaben sich ausglichen. Und wenn<br />
sich „Miese“ einstellten, schaute man darüber<br />
hinweg, weil der Bekanntheitsgrad durch diese
Aktivität geradzu nach oben schoss. Kein Wunder,<br />
denn <strong>im</strong> Rundfunk wurden Durchsagen<br />
und Interviews gesendet, und überregionale<br />
Zeitungen berichteten darüber. Bei so viel<br />
künstlerischem und organisatorischem Aufwand<br />
für Aufführungen und Veranstaltungen<br />
stellt sich natürlich die Frage: Wer zahlte das<br />
alles? Klar, die Spielgruppe! - und zwar mit<br />
jenem Geld, das anderswo eingespielt wurde.<br />
Alle waren jung und wussten deshalb genau,<br />
was die jungen Leute suchten - und lieferten,<br />
was fehlte: Musik, Tanz, Spaß! Mittlerweile<br />
auch <strong>im</strong> „<strong>Theater</strong>geschäft“ zur Erkenntnis<br />
gelangt: „Qualität bringt‘s“, entschied man sich<br />
be<strong>im</strong> musikalischen Personal auf der Showbühne<br />
bewusst <strong>im</strong>mer für die zwar Teureren, dafür<br />
aber Besten ihres Faches. Und das funktionierte<br />
hervorragend. Die ersten Versuche mit dieser<br />
Unterhaltungsform firmierten noch als „Tanz in<br />
den Mai“ oder „Frühlingsball“, doch bald stiegen<br />
die ersten richtig großen Faschingsbälle,<br />
ausgestattet mit zugkräftigem Motto, angereichert<br />
mit Showelementen und prächtiger,<br />
auf das jeweilige Motto<br />
abgest<strong>im</strong>mter Saaldeko,<br />
in den närrischen H<strong>im</strong>mel.<br />
Sie „trafen ins Schwarze“,<br />
und Erfolg reihte sich an<br />
Erfolg. Mehr als anderthalb<br />
Jahrzehnte bildeten die<br />
begeistert gefeierten Faschingsbälle das monetäre<br />
Polster für große Pläne. Der Einsatz auf der<br />
<strong>Theater</strong>bühne litt nicht darunter, <strong>im</strong> Gegenteil.<br />
Das spielerische Vermögen wurde gesteigert,<br />
auch mit willkommener Hilfe von Seiten des<br />
BDAT (Bundesverbandes deutscher Amateurtheaters),<br />
des LABW (Landesverband Amateurtheater<br />
Baden-Württemberg) und der <strong>Theater</strong>-<br />
und Spielberatung Baden-Württemberg in<br />
Heidelberg. Zu allen Institutionen wurden und<br />
werden bis heute, über die normale Verbundenheit<br />
hinaus, freudschaftliche Beziehungen<br />
gepflegt. Die anfängliche Skepsis<br />
<strong>Theater</strong><br />
<strong>im</strong> <strong>Bahnhof</strong>!<br />
Wie bitte?<br />
in der Bevölkerung und der Gemeindeverwaltung<br />
gegenüber den „jungen Leuten“ wich<br />
langsam, aber sicher einer „kontrollierten“ Achtung.<br />
Mit der wachsenden Leistungfähigkeit kamen<br />
Aufführungen auf die Bühne, die aufhorchen<br />
ließen. Die Erfolge bei Spielbegegnungen<br />
und die Ausrichtung der Deutsch-Französischen<br />
<strong>Theater</strong>tage und die mehrmalige Ausrichtung<br />
der Kraichgauer <strong>Theater</strong>tage förderten ihrerseits<br />
den guten Ruf der Dielhe<strong>im</strong>er <strong>Theater</strong>freunde.<br />
Die heraufbrechenden gesellschaftlichen<br />
Veränderungen zeigten <strong>im</strong> <strong>Theater</strong>betrieb<br />
früh Wirkung. Die Macher<br />
der „Spielgruppe 63“ hatten<br />
Familie und berufliche<br />
Aufgaben, die zwangsläufig<br />
das Engagement<br />
einschränkten. Und ganz<br />
junge Leute stießen kaum<br />
dazu. Trotzdem gelang es <strong>im</strong>mer wieder bei<br />
den Aufführungen, die Lücken zu „stopfen“<br />
mit SpielerInnen, die erstaunlich schnell in das<br />
Ensemble integriert wurden. Klar, gab es auch<br />
oft nur kurzfristige Einsätze. Doch über die<br />
<strong>Jahre</strong> gesehen, war das Glück, MitmacherInnen<br />
zu finden, bis zum heutigen Tag erstaunlich<br />
oft präsent. An Tourneeeinsätze war nicht<br />
mehr zu denken, und die finanzielle Quelle<br />
„Fasching“ wurde beendet, ehe sie versiegte.<br />
Die Veränderungen <strong>im</strong> gesellschaftlichen<br />
Umfeld wurden zwar früh erkannt, aber etwas<br />
36
37<br />
unterschätzt, noch lief ja alles „richtig“ und gut;<br />
wenn auch mit sehr viel Aufwand verbunden.<br />
Das führte etwas später bei den „Motoren“<br />
der Gruppe zu ernsten Überlegungen und<br />
gewagten Ideen: Den Veränderungen sollte<br />
mit einer „großen Sache“ begegnet werden.<br />
Ein eigenes Haus sollte es sein, denn die<br />
Zustände in der „Backstube“ waren durch Lage<br />
und Räumlichkeiten schlicht nicht mehr hinzunehmen.<br />
Jetzt wurde gesucht, gefunden und<br />
meist wegen Unbezahlbarkeit verworfen. Die<br />
gesellschaftlichen Veränderungen bewirkten<br />
aber auch, dass die durch Dielhe<strong>im</strong> führende<br />
Nebenbahnstrecke und damit auch das kleine<br />
<strong>Bahnhof</strong>gebäude aufs „Abstellgleis“ musste. Als<br />
noch niemand ahnte, wie es mit dem Gebäude<br />
und dem Gelände weitergehen würde,<br />
spielten die <strong>Theater</strong>leute auf volles Risiko. Sie<br />
mieteten, unter den mitleidig-fragenden Blicken<br />
der Betreiberin SWEG, kurzerhand das äußerst<br />
marode <strong>Bahnhof</strong>gebäude an. Die nach außen<br />
nicht geäußerten Pläne sahen eine „Instand-<br />
Besetzung“ mit einer Totalrenovierung innen<br />
vor - aus eigener Kraft und auf eigene Kosten,<br />
versteht sich. Weiter sollten eine rasche „kulturelle<br />
Belebung“ durch kleine Veranstaltungen, ein<br />
politsches Engagement in Sachen Vorplatz und,<br />
wie so oft, auch Allianzen für die gute Idee<br />
gebildet werden - denn auch die Nachbarn<br />
waren nicht gerade entzückt. Das Gebäude,<br />
<strong>im</strong> miserablen Zustand aber in der Phantasie<br />
der Mieter einem Palast nicht unähnlich und<br />
in der Raumaufteilung ideal, wurde postwendend<br />
auf „Erhaltungswürdigkeit“ getr<strong>im</strong>mt. Das<br />
Kalkül war: „Wenn alles ganz toll aussieht, wird<br />
man uns schon nicht rausschmeißen, wenn das<br />
Gebäude an die Gemeinde verkauft wird“.<br />
Deshalb wurden rasch und schweißtreibend<br />
Kabel, sanitäre Anlagen, Treppen und Raumaufteilung<br />
unter den kritischen Augen des<br />
natürlich hauseigenen Architekten verlegt und<br />
angepasst. Das Ergebnis kann sich noch heute<br />
sehen lassen. Noch während der Arbeiten<br />
ging man den politischen Teil an, denn die<br />
Alternativen für das Areal lauteten: Abriss und<br />
Wohngebiet oder Sanierung und Parkanlage.<br />
Kaum fertig, lud man die Gemeinderäte zu<br />
Kleinkust in den nun innen sehr schmucken<br />
<strong>Bahnhof</strong> ein und natürlich auch zu Verhandlungen.<br />
Um es kurz zu machen: Mit viel Glück,<br />
Arbeit und Menschen, die für einen Park um<br />
den <strong>Bahnhof</strong> Partei ergriffen, wurde schließlich<br />
das fast Unmögliche geschafft - dank vieler<br />
...und es<br />
bewegt sich<br />
doch!<br />
Mitbürger und der Gemeinde Dielhe<strong>im</strong> gab<br />
es nun ein ausreichend großes „Clubhaus“<br />
für.. na, was wohl? - Das „<strong>Theater</strong> <strong>im</strong> <strong>Bahnhof</strong>“.<br />
Die <strong>im</strong>mer mal wieder laut gewordenen Rufe<br />
nach einem neuen Namen, der zum theatralen<br />
Tun passt, konnte mit dem „neuen Haus“,<br />
recht schnell erhört werden. Den alten Namen<br />
gab es nur noch kurze Zeit als Anhängsel<br />
zum neuen Namen - <strong>Theater</strong> <strong>im</strong> <strong>Bahnhof</strong>. Im<br />
Nachhinein kann festgestellt werden, mit den<br />
neuen Möglichkeiten begann auch eine neue<br />
Zeit. Alles war jetzt da, Club- und Proberaum,<br />
Kulissenlager, eine kleine Werkstatt und Platz<br />
<strong>im</strong> Keller und unterm Dach für den Fundus. Die<br />
Außenanlagen wurden von der Gemeinde<br />
als Park angelegt und das <strong>Bahnhof</strong>sgebäude<br />
fachgerecht renoviert und unter Denkmalschutz<br />
gestellt - ein existenzieller Meilenstein, ohne<br />
den es das <strong>Theater</strong> <strong>im</strong> <strong>Bahnhof</strong> wahrscheinlich<br />
nicht mehr gäbe...<br />
Bild links oben,<br />
symbolische Schlüsselübergabe<br />
für das neue <strong>Theater</strong>haus 2003.
<strong>Theater</strong> braucht Besucher. Eine Binsenweisheit, auch für uns als Amateurtheater. Schon kurz nach der<br />
Gründung haben wir deshalb entschlossen gehandelt. Zunächst kamen wir zum Publikum, indem<br />
wir für andere Vereine spielten. Eine gute Idee. Doch wir wollten unabhängig sein. Auf die Frage, wie<br />
fülle ich einen Saal mit Zuschauern, gaben wir uns eine einfache Antwort: Spiele ein volksnahes Stück<br />
und erzähle es vielen Menschen, und es wird gut werden. Und das tat es auch. Ganz so, wie es bei<br />
exotischen Neuheiten üblich ist. Im Grunde hat sich daran bis auf den heutigen Tag wenig geändert.<br />
Gut, wir sind mit unseren Fünfzig nicht mehr<br />
taufrisch und kaum mehr exotisch. Auch hat<br />
sich das gesellschaftliche Umfeld total verändert,<br />
und damit auch die Wahl der kommunikativen<br />
„Waffen“. Uns war früh bewusst, dass<br />
wir uns auf die gepflegte Mundwerbung nicht<br />
mehr verlassen konnten. Zu einflussreich waren<br />
schnell die fl<strong>im</strong>mernden, musikalischen und<br />
sonstigen Konkurrenten geworden. Öffentlichkeitsarbeit<br />
hieß das Zauberwort welches nun,<br />
neben der jetzt „gehaltvollen Inszenierung“, alles<br />
richten musste. Lehrgänge wurden besucht<br />
und ein eigenes „Amt“ mit Namen „WerbÖff“<br />
(Werbung und Öffentlichkeitsarbeit) dem Vorstand<br />
angegliedert. Ein wichtiger Schritt, der<br />
heute als unverzichtbar gilt und seiner Zeit<br />
voraus war. Noch <strong>im</strong>mer erzählen wir den<br />
Menschen draußen, was wir tun, was sie erwartet<br />
und wer wir sind. Die verbale Kommunikation<br />
ist dabei nur noch ein winziger Teil.<br />
Von Artikeln, Heften, Plakaten und dem Web<br />
Denn heute best<strong>im</strong>men kommunikative Medien<br />
unser Bild in der Öffentlichkeit. Die Klassiker Plakat<br />
und Programmheft, mit viel Liebe gemacht<br />
und auf das Stück abgest<strong>im</strong>mt, haben noch <strong>im</strong>mer<br />
hohen Stellenwert. Regelmäßige Berichte<br />
und Ankündigungen in der Presse, oft mit unserem<br />
Logo, sind selbstverständlich geworden.<br />
Und bei den Online-Medien, wie das Internet,<br />
gehörten wir ebenfalls zu den ersten Vereinen in<br />
Dielhe<strong>im</strong>, die dessen Notwendigkeit erkannten<br />
und darüber nach außen und innen kommunizierten.<br />
Aktuelles, Hintergrundinfos und Bilder<br />
stehen hier kurzfristig bereit. Wir investieren in<br />
das Aussehen unserer Website (schon 3x überarbeitet)<br />
genauso wie in Dienste, die den Aufenthalt<br />
auf unserer Site angenehmer machen<br />
und den Nutzern helfen, schnell zur gesuchten<br />
Info zu gelangen. Und es geht weiter. Karten-<br />
und andere Services sind angesagt. Damit Sie<br />
wissen, was wir meinen: Einfach nachschauen<br />
oder auf unseren Seiten schmökern. Und zwar<br />
hier: www.theater<strong>im</strong>bahnhof.com<br />
Plakat, Website, Presseartikel Grundlage<br />
der Kommunikation mit unserem Publikum. Dazu<br />
gehören auch unsere Artikel in der Presse, damit unsere<br />
Besucher <strong>im</strong>mer wissen, was läuft.<br />
38
39<br />
[ ]<br />
Heute
Neuzeit Wie, was, wo und wie.<br />
Alt und Jung <strong>im</strong> Tandem. Spielplan, und dann?<br />
Quo vadis, <strong>Theater</strong> <strong>im</strong> <strong>Bahnhof</strong>?<br />
A<br />
lter <strong>Bahnhof</strong> - neue Möglichkeiten! So<br />
könnte man, zugegeben etwas<br />
gerafft, die heraufbrechende „neue<br />
Zeit“ für das <strong>Theater</strong> <strong>im</strong> <strong>Bahnhof</strong> bezeichnen.<br />
Gesellschaftliche Veränderungen hielten in<br />
<strong>im</strong>mer stärkerem Maße in der Gruppe und<br />
auch <strong>im</strong> nun nicht mehr ganz so beschaulichen<br />
Dielhe<strong>im</strong> Einzug.<br />
Tradierte und<br />
liebgewonnene<br />
Veranstaltungen<br />
„zogen“ nicht mehr.<br />
Tanzveranstaltungen<br />
mit Livemusik<br />
wurden von<br />
Diskotheken<br />
abgelöst, und auch<br />
diese bekamen<br />
relativ schnell das Etikett „out“. Die Macher der<br />
ehemaligen „Spielgruppe“ kamen ins „gesetzte“<br />
Alter und Familie und Beruf forderten ihren<br />
Tribut. Noch wurden Hochzeiten und andere<br />
Feste <strong>im</strong> <strong>Theater</strong>kreis „würdig“ begangen, doch<br />
<strong>im</strong>mer schneller wurde klar: Der Vereinsbetrieb<br />
<strong>im</strong> herkömmlichen Stil lässt sich nicht mehr<br />
halten. Tourneen waren schon längere Zeit auf<br />
Grund des Verschwindens der „Winterfeiern“<br />
und aus Mangel an Helfern obsolet geworden.<br />
Zu aufwändig gerieten die Vor- und Nacharbeiten.<br />
Spielstätten, wie den Pfarrsaal, hat man<br />
einer anderen Best<strong>im</strong>mung zugeführt, und die<br />
Kleinkunstfestivals wurden noch rechtzeitig vor<br />
den roten Zahlen aus dem Programm genommen.<br />
Neue Ideen waren also gefragt. Und was<br />
lag näher, als den neuen Namen „<strong>Theater</strong> <strong>im</strong><br />
<strong>Bahnhof</strong>“ mit Leben zu füllen und den <strong>Bahnhof</strong><br />
zum Mittelpunkt zu machen? Schnell gab es<br />
erste zaghafte<br />
Versuche: Der<br />
Spielplan<br />
Wirtschaft.<br />
ehemalige<br />
Schalterraum mit<br />
seinem originellen<br />
Schild: „Bitte nicht<br />
auf den Boden<br />
spucken“ wurde<br />
kurzerhand zur<br />
Kabarettbühne<br />
umfunktioniert und<br />
erfolgreich bespielt. Viele Honoratioren und<br />
„Multiplikatoren“ wurden dazu eingeladen.<br />
Denn es galt zu zeigen, was geschaffen wurde:<br />
ein ordentliches Haus mit vielen Möglichkeiten.<br />
Doch das Wichtigste war, das Haus ermöglichte<br />
das Proben ohne Hinternisse. Das wiederum<br />
begünstigte die Qualität der Aufführungen.<br />
Produktionen, wie „Der zufällige Tod eines<br />
Anarchisten“ von Dario Fo, um nur ein Stück<br />
herauszugreifen, wurden möglich; ein Stück,<br />
das auch auf Spieltagen und einer Profibühne<br />
in Heidelberg gespielt wurde. Die neue<br />
40
41<br />
Ausrichtung zeigte sich bald auch <strong>im</strong> weiteren<br />
Veranstaltungkalender: „Die Sommernacht am<br />
<strong>Bahnhof</strong>“, als „Volksfest“ mit Musik, Feuerwerk<br />
und Kleinkunst rund um den <strong>Bahnhof</strong> inszeniert,<br />
ersetzte die bisherigen Großveranstaltungen<br />
und wurde über viele <strong>Jahre</strong> zur einträglichen<br />
„Cash-Cow“. Durch die vielen kleinen und<br />
großen Erfolge ermuntert, stießen die Überlegungen<br />
einiger kreativer „<strong>Theater</strong>-Funktionäre“<br />
rasch in neue D<strong>im</strong>ensionen vor. Vielleicht war<br />
es schlichte Weitsicht oder einfach das Gespür,<br />
die Zeichen der Zeit zu erkennen und den<br />
kommenden, sehr tief gehenden Veränderungen<br />
in Gesellschaft und Arbeitswelt zuvorzukommen.<br />
Vielleicht war es aber auch schlicht<br />
die Liebe zu den „Brettern“ und zum Verein.<br />
Wahrscheinlich war es von beidem etwas, das<br />
die Überlegung reifen ließ: Wie wäre es, ein<br />
eigenes, „richtiges“ <strong>Theater</strong>haus zu haben? Die<br />
Idee erschien zu verwegen und die Ablehnung<br />
folgte auf dem Fuße. Noch mehr Arbeit wurde<br />
befürchtet. Selbst der vom Hausarchitekten<br />
entworfene, etwas kühne, aber durchaus<br />
realistische Entwurf eines <strong>Theater</strong>anbaus<br />
mitsamt der Versicherung, hierin liege die<br />
Zukunft und keineswegs ein mehr an Arbeit,<br />
sondern eher das Gegenteil; auch die besten<br />
Argumente konnten die ablehnende Haltung<br />
nicht auflösen. Doch, wie die Erfahrung zeigt,<br />
brauchen gute Ideen ihre passende Zeit. Eine<br />
wichtige Änderung für die <strong>Theater</strong>leute ergab<br />
sich dafür anderenorts: Die Dielhe<strong>im</strong>er „Sport-<br />
u. Kulturhalle“ mutierte sehr zur Freude der<br />
kulturtragenden Vereine in Dielhe<strong>im</strong> zur reinen<br />
Kulturhalle. Das eröffnete mehr Spielraum und<br />
die Aussicht, stressfreier proben zu können. Im<br />
<strong>Bahnhof</strong> stand inzwischen Kleinkunst auf dem<br />
Programm, von der Jazz-Matinee bis hin zu<br />
literarischem Kabarett. Auch <strong>Theater</strong>gästen aus<br />
dem fernen Norwegen bot man ein Forum mit<br />
der Aufführung „Lofoten-Walzer“. Eine weitere<br />
Neuerung stach dabei besonders ins Auge:<br />
Lasst uns Lügen erzählen - 1984<br />
Hier sind sie richtig - 1991<br />
Arsen und Spitzenhäubchen - 1988<br />
Kinder und Jugendliche, vor allem die eigenen,<br />
wollten und sollten ebenfalls <strong>Theater</strong> spielen.<br />
War das der Beginn einer heraufdämmernden<br />
„Ära der Jungen“? Fest steht, es war der Beginn<br />
der Spiel-Planwirtschaft. Ab sofort musste<br />
abgest<strong>im</strong>mt geplant werden - eine gute<br />
Vorübung für das Kommende. Mit den jungen<br />
Leuten vor Augen setzte sich zeitgleich bei den<br />
Machern und einem Teil der Mitglieder eine
Erkenntnis durch: Wir sind in die <strong>Jahre</strong> gekommen.<br />
Welche <strong>Jahre</strong> mit „die“ gemeint sind,<br />
konnten die Verantwortlichen <strong>im</strong> Rückblick<br />
erkennen: Zwischen dem eigenen Lebensalter<br />
und den jungen Leuten klaffte eine „Generationen-Lücke“.<br />
Der Rückblick wirkte, da gewissenhaft<br />
ausgeführt, erhellend. Wichtig ist dann,<br />
dass daraus die richtigen Schlüsse gezogen<br />
werden. Doch diese zogen sich zunächst etwas<br />
hin, bis der gefallene<br />
Groschen das Resultat<br />
freigab: „Uns fehlen junge<br />
Menschen, und das darf<br />
nicht so bleiben“. Es war<br />
nicht so, dass generell MitspielerInnen bei den<br />
Stücken fehlten. Nein, die wurden überraschenderweise<br />
und mit sehr viel Glück <strong>im</strong>mer wieder<br />
gefunden und mal mehr oder weniger, auf<br />
lange Sicht gesehen, erfolgreich intergriert.<br />
Nein, was fehlte, war eine ganze Generation<br />
fast überall <strong>im</strong> Verein. Von „Überalterung“<br />
konnte guten Gewissens noch nicht gesprochen<br />
werden, doch die Frage nagte <strong>im</strong>mer<br />
deutlicher. „Was kommt eigentlich nach uns?“<br />
Ein gutmeinendes Echo antwortete: “Nichts“.<br />
Die gute Absicht hinter dem „Nichts“ erkannten<br />
die Macher und machten sich auf den Weg,<br />
das zu ändern. Ähnlich der Bibel, die da sagt:<br />
„Wer klopfet, dem wird aufgetan.“, klopften die<br />
Macher bei ihren kulturellen Freunden der<br />
Musikschule Horrenberg-Dielhe<strong>im</strong> an. Aufgetan<br />
Alles Jugend,<br />
oder was?<br />
wurde die Tür und kurze Zeit später auch eine<br />
geniale Idee. Die Idee wurde nicht auf die<br />
lange Bank geschoben - sie wurde umgesetzt<br />
und gipfelte in der Zusammenarbeit der<br />
Musikschule Horrenberg-Dielhe<strong>im</strong> und dem<br />
<strong>Theater</strong> <strong>im</strong> <strong>Bahnhof</strong> in Sachen Jugendarbeit.<br />
Über die musischen Sparten hinweg sind bis<br />
heute bei der Musikschule ausgebildete<br />
<strong>Theater</strong>pädagogen und -innen angestellt, die<br />
mit Kindern und Jugendli-<br />
chen, in Gruppen<br />
eingeteilt, arbeiten. Das<br />
<strong>Theater</strong> <strong>im</strong> <strong>Bahnhof</strong> zahlt<br />
für die Ausbilder bei der<br />
Musikschule, stellt seine Infrastruktur, wie<br />
Bühnen, Technik und Fundus samt Betreuung<br />
und vieles mehr zur Verfügung und erhebt bei<br />
den Eltern der KInder einen geringen Mitgliedsbeitrag.<br />
Die Kinder und Jugendlichen<br />
werden also vom <strong>Theater</strong> <strong>im</strong> <strong>Bahnhof</strong> subventioniert.<br />
Diese geniale Idee zeigte bald Früchte.<br />
Ohne jegliche Übertreibung lässt sich feststellen:<br />
Die Ausbildung ist sehr erfolgreich. Angeleitet<br />
durch die Fachkräfte zeigte sich früh, was<br />
bei guter Ausbildung machbar ist, nämlich<br />
herausragendes Amateurtheater. Die vielen<br />
guten Aufführungen, vom liederlich, literarischen<br />
Jugendkabarett „Liebe in jeder Beziehung“<br />
über die wundervollen Aufführungen<br />
von „Der kleine Prinz“ über „Warten auf Godot“<br />
bis hin zu der aktuellen Kinder-für-Kinder-<br />
Links: „Der zufällige<br />
Tod eines<br />
Anarchisten“,<br />
1984, erregte<br />
Aufsehen und<br />
wurde auf Spieltagen<br />
und auch<br />
mehrere male<br />
auf einer Profibühne<br />
gespielt.<br />
42
43<br />
Lauf doch nicht <strong>im</strong>mer weg -1986<br />
Literarisches Kabarett - 1985<br />
Die beiden untersten<br />
Bilder:<br />
„Antigone“,<br />
wurde 1985 auch<br />
auf einer kleinen<br />
Tournee in den<br />
Gymnasien<br />
der Umgebung<br />
gespielt.<br />
Haus mit „Masch<strong>im</strong>aschine“ weiter. Ein<br />
volles Haus erwartete die übrigens über
Produktion „Urmel aus dem Eis“; <strong>im</strong>mer äußerst<br />
sehenwert, <strong>im</strong>mer Aufführungen, die ihresgleichen<br />
suchen. Doch bis zu den heutigen<br />
angesehenen Produktionen bei den Erwachsenen<br />
wie auch Kindern und Jugendlichen war<br />
noch viel Arbeit und Schweiß angesagt. Die<br />
ersten Aufführungen <strong>im</strong> <strong>Bahnhof</strong> fanden <strong>im</strong><br />
Probenraum und sogar <strong>im</strong> umgebauten<br />
Clubraum statt; gut besucht, aber so nicht auf<br />
Dauer zu halten: zu eng,<br />
feuerpolizeilich problematisch<br />
und für die<br />
SchauspielerInnen und<br />
Helfer mit unzumutbarem<br />
Aufwand verknüpft. Der Probenraum, schon<br />
einmal Ausgangspunkt hochfliegender Pläne,<br />
geriet, nachdem der Ernst der Lage zum Thema<br />
wurde, erneut in den Fokus. Für die vor einigen<br />
<strong>Jahre</strong>n gereifte Idee, ein kleines <strong>Theater</strong><br />
anzubauen, war unversehens die Zeit gekommen.<br />
Erste Überlegungen führten zu Plänen,<br />
die zunächst noch kritisch beäugt wurden. Die<br />
alten Argumente aber griffen nicht mehr so<br />
richtig. Lag den Mitgliedern das <strong>Theater</strong>spielen<br />
am Herzen, mussten sie handeln. Die Überzeugungsarbeit<br />
gestaltete sich äußerst mühsam.<br />
Doch wer Überzeugen will, muss <strong>im</strong> Herzen<br />
brennen und einen langen Atem haben. Und<br />
es gab Mitglieder und Multiplikatoren, die<br />
genau dieses hatten. Kleine Allianzen halfen<br />
Karate Billy kehrt zurück - 1994<br />
Rentnerband,<br />
oder wie?<br />
auch, und schließlich war sogar der kontrovers<br />
diskutierte Finanzierungplan unter Dach und<br />
Fach und die Baupläne für das eigene Haus,<br />
badisch korrekt, auf das „Machbare“ geschrumpft.<br />
Macht nichts, was einmal gebaut ist,<br />
kann angepasst werden. Die „Aborigines“ in<br />
der Führungcrew hatten das Feuer weitergetragen<br />
- und schließlich brannte es mal mehr oder<br />
weniger hell - aber es brannte. Harte Arbeit<br />
war nun angesagt, auch<br />
zu ungewöhnlicher Zeit<br />
für Berufstätige. Denn der<br />
Finanzierungsplan, sehr<br />
freundlich unterstützt von<br />
der Gemeinde Dielhe<strong>im</strong>, dem Land Baden-<br />
Württemberg über den Landesverband<br />
Amateutheater Baden-Württemberg, sah<br />
schweißtreibende Eigeninititve vor. In Sonderschichten<br />
und mit Hilfe der Bauleute und<br />
unserem leitenden Architekten gelang das<br />
Werk. Korrekt denkmalschützerisch angebaut<br />
an den <strong>Bahnhof</strong>, stand es nun stolz vor seinen<br />
Erbauern: Knapp über hundert Sitzplätze, ein<br />
Balkon für die Technik und als Bühne der<br />
ehemalige Schalterraum bzw. Probenraum,<br />
nun aber ohne das Schild „Nicht auf den<br />
Boden spucken“. Der „Tag der offenen Tür“<br />
sollte allen zeigen: Wir haben es geschafft!<br />
Doch zu nah ans Bauende gelegt, war den<br />
Akteuren eine gewisse, verständliche Müdigkeit<br />
44
45<br />
Außer Kontrolle - 1995<br />
nicht abzusprechen. Dessen ungeachtet war<br />
klar, das neue Haus eröffnet neue Möglichkeiten:<br />
einfachere Abläufe, ungestörtes Proben, ein<br />
<strong>Jahre</strong>sprogramm für die Bühne, organisatorisch<br />
problemlose Sitzungen und Platz zum Feiern.<br />
Die Vorteile überwogen und schafften der<br />
klaren Erkenntnis Raum: Gut so. Der geordnete<br />
Proben- und Spielbetrieb begann. Auf der<br />
<strong>Bahnhof</strong>sbühne spielen heute alle, die Erwachsenen,<br />
die Jugendlichen und auch die Kinder.<br />
Hinzu kam schnell auch ein kleines <strong>Jahre</strong>sprogramm<br />
an Gastspielen. Alles, was auf dieser<br />
Bühne möglich ist, wurde schon angeboten:<br />
Liederabende, Schauspiele, Komödien,<br />
Kindertheater, Kabarett, Comedy, kleine<br />
Konzerte, Lesungen, Buchvorstellungen und so<br />
Ich will Muissow sehen - 1976<br />
Pension Schöller - 2001 Von Mäusen und Menschen - 1979<br />
weiter. Mit diesem Haus ist es gelungen, der<br />
Bevölkerung <strong>im</strong> Umkreis ein kulturelles Zentrum<br />
zu geben, dessen Programme gerne angenommen<br />
werden. Derzeit, um es einmal<br />
deutlich zu sagen, ist diese Form des Arbeitens<br />
für das Amateurtheater in Dielhe<strong>im</strong> die einzig<br />
mögliche - wie lange das so bleibt, weiß<br />
niemand. Auf Grund rasanter, einschneidender<br />
Veränderungen in Wirtschaft und Gesellschaft<br />
kommen nicht nur auf das <strong>Theater</strong> <strong>im</strong> <strong>Bahnhof</strong><br />
tiefgreifende Herausforderungen zu. Es gilt,<br />
nicht weniger als einem Paradigmenwechsel zu<br />
begegnen. Etwas flapsig ausgegedrückt:<br />
Rentnerband, oder wie? - Jugend, oder was?
der Blick in<br />
die Kristallkugel<br />
Das „Geschäft“ läuft (noch) gut, auch für das<br />
<strong>Theater</strong> <strong>im</strong> <strong>Bahnhof</strong>. Mit „Geschäft“ ist der kulturelle<br />
Auftrag gemeint, den zweifelsfrei unser<br />
Amateurtheater hat. Die Realisierung dieses<br />
Auftrags zeigt sich zunächst freundlich: Es<br />
wurde noch nie soviel Amateurtheater gespielt,<br />
wie derzeit, und noch nie in einer so hohen<br />
Qualität. Heißt das, der Auftrag ist erfüllt, das<br />
Amateurtheater ist bei den Menschen angekommen?<br />
„Kultur boomt“, ist zwar ein gängiges<br />
Schlagwort, und es gilt auch für das Amateurtheater.<br />
Wer aber genauer hinsieht, stellt fest:<br />
höchst wahrscheinlich nicht mehr lange. Gut,<br />
Interventionen und Investitionen in noch bessere<br />
Ausbildung, mit noch mehr <strong>Theater</strong>pädagogen<br />
und Lernangeboten, werden kurzfristig das<br />
Niveau weiter anheben und möglicherweise<br />
auch verbreitern. Aber eines können alle diese<br />
Maßnahmen nicht: Die negativen Auswirkungen<br />
der Bevölkerungspyramide aufhalten und<br />
den Menschen Zeit schenken, damit sie diesem<br />
Die Brautwerber von Loches - 2002<br />
Auftrag überhaupt nachgehen und ihn erfüllen<br />
können. Das sind die Fakten. Zu beobachten ist<br />
dies be<strong>im</strong> <strong>Theater</strong> <strong>im</strong> <strong>Bahnhof</strong> in Dielhe<strong>im</strong>. Klar<br />
ausgedrückt, die Kinder und Jugendlichen genießen<br />
eine qualitativ hochwertige Ausbildung,<br />
das ist gut so, gehen dann aber von der Schule<br />
ab zur Uni oder ins Berufsleben. Genau ab<br />
diesem Moment bricht das Engagement be<strong>im</strong><br />
ausbildenden <strong>Theater</strong> ein. Allenfalls Auftritte<br />
während der Studienzeit <strong>im</strong> Studentenkabarett<br />
sind noch machbar. Für Berufseinsteiger<br />
und überhaupt <strong>im</strong> Beruf bleibt keine Zeit, kein<br />
Freiraum mehr für solche Aktivitäten. Zu sehr<br />
fordert das „Geschäft“ die Menschen. Heute<br />
hier, morgen dort, wie <strong>im</strong> Refrain des gleichnamigen<br />
Liedes beschrieben, bleiben Bindungen<br />
auf der Strecke. Wenn überhaupt, ist nur noch<br />
Kurzfristiges an wechselnden Orten denkbar.<br />
Von den <strong>Theater</strong>ausgebildeten aus über 20<br />
<strong>Jahre</strong>n unserer Lernoffensive blieb bisher niemand,<br />
geschweige denn ein kleines Ensemble<br />
46
47<br />
Kein Platz für Idioten - 2003<br />
Ein wahrer Held - 2004<br />
<strong>Theater</strong>comics<br />
übrig, um dem Auftrag Amateurtheater weiter<br />
nachzukommen. Was bleibt? Seniorentheater,<br />
begrüßenswert, aber kein Ersatz für die Nachfolge.<br />
Schließen? - Noch nicht. Weitermachen<br />
vielleicht, um dann zu schließen? Oder vom<br />
aktiven Amateurtheater zum Kulturanbieter<br />
professioneller Inhalte werden? Ein denkbarer<br />
Weg. Mit anderen Worten, die Zukunft ist mitten<br />
unter uns; je früher wir Antworten finden, je<br />
besser. Es gibt viel zu tun. Toi, toi, toi für weitere<br />
<strong>50</strong> <strong>Jahre</strong>.<br />
Schlußfolgerung<br />
Die Herausforderung<br />
2.0 ist da:<br />
Amateurstatus<br />
vs. Professionalität.<br />
Amateurtheater in Zeiten<br />
des allgemeinen „Tralala“.<br />
Die Farbe der Zukunft -<br />
schwarz oder weiß?<br />
- Schauen wir mal!
5zig <strong>Jahre</strong> darstellendes Spiel in Bildern<br />
Szenen einer Leidenschaft<br />
Selbstverständlich können die Bilder <strong>im</strong> Heft nur einen kleinen Auschnitt aus 5zigjährigem theatralen<br />
Schaffen zeigen; wohl wissend, dass sich vielleicht einige wichtige Wegbegleiter nicht <strong>im</strong> Bild<br />
wiederfinden. Das ist keine Absicht, sondern der schieren Menge und der Qualität der Bilder, dem<br />
Layout und natürlich auch der „Qual der Wahl“ für den großen Überblick geschuldet.<br />
Der Revisor - 2011<br />
Ein wahrer Held - 2004<br />
Offene Zweierbeziehung - 2007 Der Revisor - 2011<br />
48
49<br />
Otello darf nicht platzen - 2007<br />
Der zerbrochne Krug - 2008<br />
Die Brautwerber von Loches - 2002<br />
Oh (je) du Fröhliche - 2006 Das Festkomitee - 2005
Essen und Trinken, halten Leib und Seele zusammen - eine Binsenweisheit auch für Bühnenmenschen.<br />
Ganz besonders nach einer gelungenen Aufführung ist der leibliche Hunger besonders<br />
groß. Damit in einer solchen Situation und bei einer Fülle weiterer Gelegenheiten keine Mangelerscheinungen<br />
zu Tage treten, gibt es be<strong>im</strong> <strong>Theater</strong> <strong>im</strong> <strong>Bahnhof</strong> die Abteilung „Gegen Hunger<br />
und Durst“, neudeutsch auch Catering genannt. Sie besteht aus Damen und Herren, die seit den<br />
Anfängen dabei sind, uns die physiologische Basis der musischen Arbeit zu erhalten.<br />
Eine weitere wichtige Arbeit besteht darin,<br />
unsere <strong>Theater</strong>besucher zu einem „geneigten<br />
Publikum“ werden zu lassen. Das erfordert<br />
Feingefühl von der Küchencrew, einschließlich<br />
des Services. Auch große bis ganz große Aufgaben<br />
wie das Verköstigen von Festpublikum,<br />
von hungrigen Ensembles bei <strong>Theater</strong>tagen<br />
oder Gästen be<strong>im</strong> Open Air, bis hin zu feinen<br />
Silvestermenüs - alles wurde schon mit Bravour<br />
„gestemmt“. Unvergessen sind auch die legendären<br />
Partys früherer Zeiten mit viel „Schweinereien“<br />
vom Grill oder das <strong>im</strong>mer noch aktuelle,<br />
archaische Frühstück „off the Road“ bei den<br />
Ausflügen - allesamt kulturell wirksame Maßnahmen,<br />
um die Leistungsfähigkeit auf der Bühne<br />
und um die Bühne herum zu erhalten. Den<br />
dankbaren Genießern obliegt es, höchstes Lob<br />
zu spenden: Hopfen und Schmalz, Gott erhalt‘s.<br />
And last but not least: Catering and Ticketing<br />
Das Ticketing, ein Service mit einer klaren Zielgruppe:<br />
unsere Besucher. Das ist unser Kartenservice,<br />
für des Deutschen Unkundige auch Ticketing<br />
genannt. Ja genau, das sind die Leute<br />
mit den Eintrittskarten. Besondere Kennzeichen:<br />
ordnungsliebend, leise, exakt und, man glaubt<br />
es kaum, servicefreundlich. Frage: Welches Amateurtheater<br />
hat noch Platzanweiser? Sehen Sie,<br />
wir schon. Das nennt man perfekten Service<br />
made by <strong>Theater</strong> <strong>im</strong> <strong>Bahnhof</strong>. Gut, das ist auch<br />
unserem Platzsystem geschuldet, da es (<strong>im</strong> „Großen<br />
Haus“) keine Platznummern gibt, dafür aber<br />
nummerierte Reihen. Trotzdem, das gehört einfach<br />
dazu. Dass die korrekten Kartenkontingente<br />
für jedes Stück und jede Vorstellung sauber<br />
gedruckt und portioniert bei den jeweiligen Verkaufsstellen<br />
ausliegen und es dabei auch keine<br />
Überschneidungen mit anderen Kontingenten<br />
gibt, braucht man eigentlich nicht erwähnen.<br />
Das ist so! Und dass dabei die Organisation<br />
unseren Besuchern verborgen bleibt, ist gut so.<br />
Den korrekten Eintrittsausweis besitzend, genießen<br />
sie einfach die Vorstellung. Damit ist aber<br />
noch nicht Schluss, es fehlt noch etwas. Denn zur<br />
perfekten Ordnungsliebe gehört auch die Statistik.<br />
Fein säuberlich errechnet und zu Diagrammen<br />
gestaucht, liefert sie Hinweise über „Besucherströme“,<br />
„Tendenzen“ und andere knallharte<br />
Fakten. Und um noch servicefreundlicher zu werden,<br />
richtet sich derzeit der Blick nach weit vorne,<br />
hin zu einem Reservierungssystem über das Internet,<br />
damit alles noch ein Stück geräuschloser<br />
und perfekter läuft. So sind sie halt, unsere Leute<br />
vom K-Service.<br />
<strong>50</strong>
51<br />
[ ]<br />
Daten<br />
Fakten<br />
Bilder
5zig <strong>Jahre</strong><br />
<strong>Theater</strong> <strong>im</strong> <strong>Bahnhof</strong><br />
Die Bausteine unseres Hauses 2013<br />
Leitung und Organisation<br />
Vorstandschaft Wir sind ein eingetragener Verein und als solcher organisiert. Doch schon seit den<br />
ersten Tagen haben wir eine Vorstandschaft. Sie best<strong>im</strong>mt die Geschicke des Vereins, setzt Leitplanken<br />
und gibt die Richtung vor. Das war bisher so und das soll auch in Zukunft so sein. Deshalb<br />
braucht es Menschen die sich engagieren, Macherinnen und Macher, die nicht verwalten, sondern<br />
die Zeichen der Zeit erkennen und den Verein weiter entwickeln. Wenn dazu noch ein geeignetes<br />
Organ namens Herz mit den zwei Kammern „Jugend“ und „<strong>Theater</strong>“ in der Brust schlägt, kann<br />
eigentlich nichts schief gehen; so wie bisher geschehen.<br />
Die Vorstandschaft <strong>im</strong> Jubiläumsjahr 2013<br />
Edgae Kloé - 1. Vorsitzender<br />
Edgar Sauer - 2. Vorsitzender, Ticketing<br />
Karin Laier - Schriftführerin, Korrespondenz<br />
Arno Friedrich - Schatzmeister, Buchhaltung<br />
Winfried Fuchs - Presse u. Öffentlichkeitsarbeit<br />
Valentin Keller - Catering<br />
Peter Knopf - Bild und Bühne<br />
Heinz Laier - Gastspiel-Organisation<br />
Roland Laier - Ton und Technik<br />
Franz Mann - Beirat Clubhaus<br />
Rudolf Sauer - Beirat Clubhaus<br />
Marianne Friedrich - Betreuung Jugend<br />
Tobias Behner - Jugendvertreter<br />
Künstlerische Organisation seit 2008<br />
Keine Aufführung kommt ohne diejenigen aus,<br />
die sich mühen, um bei unseren Gästen einen<br />
guten Eindruck zu hinterlassen. Ob auf oder<br />
hinter der Bühne, ohne Sie geht nichts - doch<br />
bisher ging alles. Verlässlichkeit heißt das<br />
Zauberwort.<br />
Manfred Maier - Regie<br />
Petra Kirsch - Regie Jugend<br />
Heinz Laier - Regie<br />
Michael Stier - Regie<br />
Willi Mann - Regie<br />
Friedrich E. Becht - Regie<br />
Eva Rostock - Regieassistenz<br />
Matthias Paul - Gastregie<br />
Roland Laier - Ton u. Technik<br />
Malte Kappelhoff - Ton u. Technik<br />
Uwe Kornstädt - Ton u. Technik<br />
Traudl Kloé - Maske<br />
Lore Becht - Maske<br />
Gabi Sauer - Maske<br />
Annerose Schlund - Frisuren<br />
Peter Knopf - Bild und Bühne<br />
Heinz Laier - Bild und Bühne<br />
Harald Rudolf - Bild und Bühne<br />
Friedrich E. Becht - Webmaster<br />
Die Vorstandschaft 2013<br />
Vorne von links: Arno Friedrich, Rudolf Sauer,<br />
Edgar Sauer, Roland Laier, Heinz Laier, Franz<br />
Mann, Peter Knopf - Hinten: Tobias Behner,<br />
Marianne Friedrich, Karin Laier, Winfried Fuchs,<br />
Valentin Keller, Edgar Kloé<br />
52
53<br />
Weiterbildung und Festivalbesuche<br />
Weiterbildung muss sein, keine Frage. Schon früh haben wir das erkannt und unsere SchauspielerInnen<br />
angehalten, an Seminaren und Kursen teilzunehmen. Atem- und Sprechtechnik, Rollenarbeit,<br />
Stehgreifspiel, etc. hießen die Angebote, die wir uns unter professioneller Anleitung erarbeiteten.<br />
Kaum 5 <strong>Jahre</strong> nach der Gründung belegten die ersten Dielhe<strong>im</strong>er Schauspieler Kurse und<br />
Lehrgänge <strong>im</strong> damals noch überschaubaren Angebot unseres Landesverbandes Amateurtheater<br />
Baden-Württemberg. Kaum zurück, wurde das Wissen weitergereicht an die Zuhausegebliebenen.<br />
Später kamen Workshops für Öffentlichkeitsarbeit,<br />
Bühnentechnik, Schminken und Regielehrgänge<br />
hinzu. Schon früh haben einzelne Spieler<br />
große <strong>Theater</strong>luft geschnuppert, indem sie<br />
am Heidelberger Stadttheater als Komparsen<br />
auftraten. Auch der Besuch von <strong>Theater</strong>festivals<br />
<strong>im</strong> In- und Ausland gehört in diese Rubrik. Bei<br />
den Göppinger und Hanauer <strong>Theater</strong>tagen<br />
waren wir ebenso gern gesehene Gäste, wie<br />
bei den Deutsch-Französischen <strong>Theater</strong>begegnungen<br />
oder den Deutschen <strong>Theater</strong>tagen;<br />
nicht zu vergessen die Kraichgauer <strong>Theater</strong>tage<br />
oder (wie die Zeit vergeht) der Auftritt <strong>im</strong><br />
Landespavillion Stuttgart. Immer stand und<br />
steht dabei das Lernen und der Ausstausch<br />
mit Gleichgesinnten <strong>im</strong> Mittelpunkt. Das ist<br />
auch so, wenn wir uns der Kritik stellen, indem<br />
wir uns mit einem Stück am Festival beteiligen<br />
- wie schon so oft geschehen. Damit ist aber<br />
das Thema Weiterbildung noch nicht erschöpft.<br />
Im Gegenteil: Heute liegt bei uns die Ausbildung<br />
von jungen <strong>Theater</strong>leuten komplett in der<br />
Hand von theaterpädagogisch ausgebildeten<br />
Lehrkräften. Mehr dazu unter „Jugend“ in diesem<br />
Heft. Solides Handwerk von Beginn an,<br />
das ist unsere Devise. Besonders die Aufführungen<br />
unserer <strong>Theater</strong>jugend beweisen <strong>im</strong>mer<br />
wieder, dass wir auf dem richtigen Weg<br />
sind. Selbst <strong>im</strong> eigenen Haus <strong>im</strong> alten <strong>Bahnhof</strong><br />
haben wir aus eigenem Antrieb heraus Workshops<br />
veranstaltet, indem wir uns Fachkräfte ins<br />
Haus geholt haben. So haben in jüngster Zeit<br />
unsere Damen von der Maske ein Wochenende<br />
lang zusammen gelernt und gearbeitet.<br />
Probenwochenende Auch das Proben am<br />
Wochenende, ist eine spezielle Form der Weiterbildung.<br />
Weg vom Alltag und vom privaten Umfeld<br />
lässt sich sehr intensiv und zielführend arbeiten.
5zig <strong>Jahre</strong><br />
<strong>Theater</strong> <strong>im</strong> <strong>Bahnhof</strong><br />
Fundament unseres Hauses seit 1963<br />
Regisseure, Vorsitzende und andere Wegweiser<br />
Unsere Gründungsmitglieder und die Vorsitzenden seit 1963 Nur fünf Vorsitzende in <strong>50</strong> <strong>Jahre</strong>n<br />
wurden „verschlissen“. Das heißt, nicht ganz: Einer ist ja noch „dran“: Das nennt man Kontinuität.<br />
Und das zahlt sich aus, wie man leicht anhand dieser Broschüre feststellen kann.<br />
Regisseure seit 1963 Die Menschen von der Regie sind spezielle Spezies. Sie haben <strong>im</strong>mer recht,<br />
auch wenn sie nicht recht haben. Da muss man als <strong>Theater</strong>freundIn durch. Dann klappt‘s.<br />
Unsere Vorsitzenden seit der Gründung<br />
Edgar Greulich von 1963 bis 1967<br />
Friedrich E. Becht von 1967 bis 1969<br />
Edgar Greulich von 1969 bis 1970<br />
Friedrich E. Becht von 1970 bis 1984<br />
Manfred Maier von 1984 bis 2003<br />
Anton Ottmann von 2003 bis 2006<br />
Edgar Kloé von 2006 bis heute<br />
Die Gründungsmitglieder<br />
Martin Bambach, 18 <strong>Jahre</strong>*<br />
Edgar Greulich, 16 <strong>Jahre</strong>*<br />
Manfred Maier, 16 <strong>Jahre</strong>*<br />
Seit den ersten Stunden mit dabei<br />
Friedrich E. Becht, 16 <strong>Jahre</strong>*<br />
Edgar Kloé, 16 <strong>Jahre</strong>*<br />
Rudolf Sauer, 14 <strong>Jahre</strong>*<br />
*Alter zum Zeitpunkt der Gründung<br />
Unsere Regisseure seit der Gründung<br />
Edgar Greulich - 1963 bis 1964<br />
Friedrich E. Becht - 1964 bis 1993, 2013<br />
Manfred Maier - 1976 bis heute<br />
Willi Mann - Regie*<br />
Heinz Laier - Regie*<br />
Michael Stier - Regie*<br />
Petra Kirsch - Regie Jugend*<br />
Hildegund Sauer - Regieassistenz*<br />
Tobias Behner - Regieassistenz*<br />
Eva Rostok - Regieassistenz*<br />
Matthias Paul - Gastregisseur<br />
Thorsten Kreilos - Gastregisseur<br />
Sehr viele Regiearbeiten wurden <strong>im</strong> Laufe unserer<br />
Geschichte mit Assistenzen ausgeführt. Alle exakt<br />
aufzuzählen würde den Rahmen sprengen.<br />
*in den letzten 5 <strong>Jahre</strong>n.<br />
Gruppenbild mit Vorsitzenden<br />
Seit 1963 - von links nach rechts:<br />
Greulich Edgar,<br />
Friedrich E. Becht,<br />
Manfred Maier,<br />
Dr. Anton Ottmann,<br />
Edgar Kloé.<br />
54
55<br />
Geselligkeit und Ausflüge<br />
Geselligkeit, wie kleine Feste und Feiern oder auch Ausflüge, sind be<strong>im</strong> <strong>Theater</strong> <strong>im</strong> <strong>Bahnhof</strong> von „Alters<br />
her“ fester Bestandteil. Wer aber glaubt , es ginge dabei nur darum, zu feiern um des Feierns willen,<br />
der irrt. Sicher, feiern, eine Auszeit nehmen, ist etwas Schönes. Doch gibt es auch weitere Gründe,<br />
gesellige Veranstaltungen für die Mitglieder einzuplanen. Zusammen fröhlich sein und gemeinsames<br />
Erleben stärken die Gemeinschaft. Denn das sich Begegnen außerhalb des regulären Tuns<br />
lässt uns offener werden füreinander. Es zeigt uns unseren Gegenüber in einem etwas anderen Licht.<br />
Denn wir erleben ihn als „anderen“, freieren<br />
Menschen, losgelöst von der, wenn auch freiwilligen,<br />
so doch zielgerichteten gemeinsamen<br />
Aufgabe. Wir erfahren möglicherweise mehr<br />
darüber, wie er denkt und was ihn bewegt.<br />
Auch manche vermeintliche „Marotte“ klärt<br />
sich auf und wird verständlich. Gemeinsames<br />
Erleben bringt auch den Austausch über die<br />
<strong>Theater</strong>pläne und Ideen zum Fließen. Schon<br />
manche gute Idee wurde unter diesem Vorzeichen<br />
geboren und später erfolgreich umgesetzt.<br />
Be<strong>im</strong> <strong>Theater</strong> <strong>im</strong> <strong>Bahnhof</strong> versteht man<br />
zu feiern und Feierlichkeiten zu zelebrieren.<br />
Lange Tradition haben Ausflüge, auch über<br />
mehrere Tage, mit legendärem „Off the Road“-<br />
Frühstück. Hier zeigt der Verein sich <strong>im</strong>mer besonders<br />
spendabel. Oder die schon über mehrere<br />
Jahrzehnte stattfindende Party an Silvester.<br />
Hier ist stets alles geboten, was eine Feier zur<br />
Feier macht; vom hauseigen kreierten mehrgängigen<br />
Menu bis hin zum eigenen DJ. Nicht<br />
zu vergessen: die Grill- und Schlachtfeste, die<br />
Mai-Wanderungen, die kleinen Abstecher und<br />
gemeinsamen Besuche örtlicher Feste. Dabei<br />
geht es mal zünftig, mal angemessen, <strong>im</strong>mer<br />
aber herzerfrischend unkompliziert zu. Zur<br />
Geselligkeit zählen auch schon mal Geburtstage<br />
oder andere, eigentlich familiäre Feiern.<br />
Das zeigt, dass freundschaftliche Beziehungen<br />
noch heute eine wichtige Rolle in der <strong>Theater</strong>gemeinschaft<br />
spielen. Das festlich ausgerichtete<br />
Miteinander war und ist gut. Was die Zukunft<br />
bringt, wissen wir nicht. Was wir aber wissen, ist:<br />
Geselligkeit, wohl dosiert, schafft Freiraum und<br />
lässt für viele Vieles leichter werden.<br />
Fahren, wandern, besichtigen Ausflüge<br />
in die nahe Umgebung oder auch mal ins Ausland<br />
gehören genau wie das Helferfest zum Vereinsleben<br />
be<strong>im</strong> <strong>Theater</strong> <strong>im</strong> <strong>Bahnhof</strong> schon <strong>im</strong>mer dazu.<br />
Ob <strong>im</strong> ersten Jahrzehnt (oben) oder in den 90ziger<br />
<strong>Jahre</strong>n (unten) - diese Veranstaltungen werden<br />
noch heute gerne angenommen.
Faschingsbälle und andere Feiern seit 1963<br />
Fasching und Narretei - lange finanzielle Basis unserer Bühnenkunst<br />
Faschingsbälle Unzählige Menschen haben getanzt bis spät in die Nacht, hatten viel Spaß und<br />
Freude dabei und erinnern sich noch gerne an die legendären Faschingsbälle „Ball <strong>im</strong> All“, „Ball<br />
Brasil“, „Dschungelball“, „Schlafmützenball“ oder den „Ball unter Wasser“, um nur einige zu nennen.<br />
Legendär, weil <strong>im</strong>mer mit Thema, <strong>im</strong>mer mit Top-Bands, wie die „Blue Dominos“, „The Flippers“ oder<br />
„The Chains“, und <strong>im</strong>mer mit einer auf das Motto abgest<strong>im</strong>men Saaldeko, mit Show-Opening und<br />
der Service-Crew der „Spielgruppe 63“ <strong>im</strong> passenden Outfit... und <strong>im</strong>mer ausverkauft.<br />
56
57<br />
Feste feiern Wer feste schafft,<br />
darf auch Feste feiern... Feiern<br />
macht nicht nur Spaß und<br />
gehört dazu, nein, feiern ist<br />
auch Ausgleich und Erholung<br />
und das Lachen dabei Wellness.<br />
Die Leute vom <strong>Theater</strong><br />
<strong>im</strong> <strong>Bahnhof</strong> verstehen zu<br />
feiern. Selbst als das Ganze<br />
noch „Spielgruppe 63“ hieß,<br />
war bereits feiern angesagt,<br />
mal rustikal-ursprünglich und<br />
manchmal durchaus fein. So<br />
ist der feierlich begangene<br />
Silvesterabend seit über 40<br />
<strong>Jahre</strong>n so sicher wie die Mitternachtsböller.<br />
Und manchmal<br />
geraten die Aufräumarbeiten<br />
am Tag danach zum<br />
Höhepunkt der Feier.
Feste mit Charakter oder die „Sommernacht am <strong>Bahnhof</strong>“<br />
Eine weitere finanzielle Basis - für die Bühnenkunst<br />
Open Air Angenehmes mit Nützlichem zu verbinden, ist für viele Menschen die hohe Schule der<br />
Lebenskunst. Für das <strong>Theater</strong> <strong>im</strong> <strong>Bahnhof</strong> war dies, was die eigenen „Volksfeste“ angeht, über viele<br />
<strong>Jahre</strong> gelebte Praxis. So stand z. B. die „Sommernacht am <strong>Bahnhof</strong>“ für gutes Essen und Trinken mit<br />
Pfiff, handgemachte Musik und erfrischend präsentierte Kleinkunst; alles hausgemacht und, in der<br />
Regel bei gutem Wetter, charmant präsentiert. Das Angenehme (für die Gäste) und das Nützliche<br />
(für die Kasse) diente einem höheren Zweck: der finanziellen Absicherung der <strong>Theater</strong>ideen.<br />
58
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Open Air Kleinkunstfestival, das Kunstforum <strong>im</strong> Wald<br />
Einige <strong>Jahre</strong> Wirklichkeit: Dielhe<strong>im</strong>, Zentrum der Kleinkünstler<br />
Dielhe<strong>im</strong> Wer Kleinkunst liebt und das Festival kannte, hat es bis heute nicht vergessen. Hier gaben<br />
sich regional bekannte Liedermacher, Folksänger, Jazzmusiker, Pantom<strong>im</strong>en und andere Künstler<br />
der „kleinen Muse“ die Ehre; einen ganzen Tag, bis in den Abend hinein: Bühnenkunst vom Feinsten.<br />
Die Dielhe<strong>im</strong>er <strong>Theater</strong>leute waren Gastgeber und Aktive zugleich. Bewust stand das künstlerische<br />
Angebot und nicht kommerzielles Interesse <strong>im</strong> Vordergrund. Gut, „Woodstock“ oder die<br />
„Waldeck“ war es nicht, aber die Ausstrahlung reichte schnell bis in die Winkel der Region.
Was wäre ein Leben ohne Rückblende, ohne die guten Erinnerungen, die es meist gestatten, über<br />
das Vergangene zu lächeln, und uns veranlassen, in der Gegenwart ein wenig nachsichtiger mit uns<br />
zu sein? - Höchstwahrscheinlich nur schwer erträglich. Das gilt auch für eine Gemeinschaft wie unser<br />
<strong>Theater</strong> <strong>im</strong> <strong>Bahnhof</strong>. Da gibt es die kleinen Anekdoten, Bonmots, Geschichtchen, die <strong>im</strong> Nachgang<br />
betrachtet oder einfach, weil wir uns geändert haben, plötzlich skurril bis aberwitzig daherkommen;<br />
Episoden am Rande, die das Bild einer Gemeinschaft vervollständigen und, wenn gleich nicht präziser,<br />
so doch liebevoller zeichnen, als jedes Protokollbuch.<br />
Bar le Duc - Frankreich, 1975 I Die damalige Spielgruppe<br />
63 auf großer Gastspielreise; angereist<br />
mit einem Überlandbus für die über 40 (!) Akteure<br />
mit Anhang und einem Kleinbus für die<br />
Band als Begleitfahrzeug. Das Ziel: ein riesiges<br />
Zirkuszelt - Spielort der Deutsch-Französischen<br />
<strong>Theater</strong>tage. Die riesige Menge an Kulissen<br />
und Requisiten waren bereits vor Ort, transportiert<br />
durch einen Sattelschlepper, der unterwegs<br />
nach Spanien war, um von dort Orangen nach<br />
Heidelberg zu bringen. Ein solches Fahrzeug,<br />
leer auf den Weg nach Süden, wo doch unsere<br />
Kulissen nach Bar le Duc mussten? Das war<br />
ein Fall für unseren legendären Mann mit dem<br />
Beinamen „Besorgungen aller Art“. Der Legende<br />
nach soll er sogar in der Lage gewesen sein<br />
binnen Stunden die Ausleihe eines einsatzfähigen<br />
Leopard II zu bewerkstelligen. So klappte<br />
natürlich der Transport vorzüglich, bis auf die<br />
Tatsache, dass der Rücktransport sich um etliche<br />
Wochen verzögerte. Das war kein Beinbruch,<br />
schließlich musste ja ein leerer Fernlastzug von<br />
Spanien über Bar le Duc nach Dielhe<strong>im</strong> gefunden<br />
werden. Aber wie gesagt: alles kein Problem.<br />
Bar le Duc I Unser Gastspiel in Frankreich war ein<br />
Erfolg, in jeder Hinsicht. Zu dieser Zeit waren alle<br />
noch „richtig“ jung, und deshalb wurde, nach<br />
der Aufführung versteht sich, auch „richtig“ gefeiert.<br />
Aus diesem Anlass haute die Band zu später<br />
Stunde und vom guten Wein befeuert noch einmal<br />
kräftig in die Tasten, um dann etwas später<br />
ebenso kräftig nachzulassen. Wenn Musiker<br />
nicht mehr musizieren wollen, suchen sie sich ein<br />
neues Spielfeld, möglichst besetzt mit Damen.<br />
Anekdoten und Randnotizen<br />
Und als es an der Zeit war, sich die möglichen<br />
Züge mit der Dame auszudenken, der Wein<br />
aber seinen Tribut forderte, kam es zu einem<br />
nicht folgenschweren, aber amüsanten „Unfall“.<br />
Alles begann mit einem trauten Bild: Bassgitarrist<br />
und die erwählte Dame sitzen nebeneinander,<br />
ohne Lehne, mit dem Rücken zum Publikum. Er<br />
erklärt ihr die Welt und legt dabei seine rechte<br />
Hand auf ihre rechte Schulter, um mit der Linken<br />
das Gesagte zu unterstreichen. Der als Führer <strong>im</strong><br />
Lied angestellte Leadgitarrist gesellt sich dazu.<br />
Auf der rechten Seite sitzend, sucht seine linke<br />
Hand auf dem Rücken der Dame ebenfalls Halt.<br />
Die auf der Schulter ruhende Hand rutscht, dem<br />
schweren Wein geschuldet und der Gravitation<br />
folgend, ab und trifft auf die suchende Hand.<br />
Beide finden sich, sind sich zugeneigt und von<br />
nun an zärtlich vereint. Eine schönes Bild für die<br />
Zuschauer. Nur die Herzdame wunderte sich,<br />
da sie noch beide Hände frei hatte. Tja.<br />
Teil I - Andere Länder andere Sitten. I In der kurzen<br />
Zeit unseres Aufenhaltes geschah manch Merkwürdiges.<br />
Ein männliches Mitglied unserer fröhlichen<br />
<strong>Theater</strong>gesellschaft war, so wurde berichtet,<br />
auf der Suche nach einem ruhigen Ort, um<br />
seinen eigenen Geschäften nachzugehen. Der<br />
Suchende wurde kurze Zeit später von einem<br />
ebenfalls suchenden männlichen Mitglied <strong>im</strong><br />
höchst erregten Zustand und <strong>im</strong> Zwiegespräch<br />
mit einer Sanitärkeramik vorgefunden. Der Zweite<br />
hörte, durch eine dünne Zwischenwand getrennt,<br />
wie Ersterer die zu niedere und überhaupt<br />
für seine Zwecke völlig artfremde Gestaltung der<br />
Keramik verfluchte. Da das Fluchen, großzügig<br />
ausgelegt, wie ein Hilferuf klang, gab er sich zu<br />
60
61<br />
erkennen und erklärte sich zur Hilfe bereit. Die<br />
Rettung gestaltete sich trotz Aufklärung über<br />
den korrekten Sachverhalt schwierig, da Ersterer<br />
unter hohem körperlichen Druck und in Rage erklärte,<br />
er bestehe darauf, diese aus seiner Sicht<br />
völlig missratene Sanitärkeramik dem von Ihrem<br />
Schöpfer zugewiesenen Zweck zu entfremden.<br />
Im übrigen „sch..“ er darauf. Nur unter Androhung<br />
brachialer Gewalt war der so Frustrierte<br />
davon abzubringen, das unschuldige Bidet in<br />
seine Gewalt zu bringen...<br />
Teil II - Andere Länder... I Ort der Handlung: ein<br />
Restaurant, klein, nett und romantisch am Hang<br />
gelegen. Auf eigene Faust agierende <strong>Theater</strong>freunde<br />
hatten es sich an einem Tisch bequem<br />
gemacht, als sich eine sich ihnen gegenüber<br />
befindliche Tür öffnete, ein Frau mittleren Alters<br />
aus der Öffnung trat, kurz innehielt, sich den engen<br />
Rock glatt strich und umschaute. Mit ihrer<br />
Handlung war die Dame plötzlich ins Zentrum<br />
des Interesses der Speisewilligen geraten. Sie<br />
nahm sich Zeit, ihren Sitzplatz ins Visier, drehte<br />
sich aber noch einmal um und schloss bedächtig<br />
die Tür, nicht ohne zuvor noch einmal<br />
kurz über den Rock zu streichen und das Licht<br />
zu löschen. Zwischen dem Löschen des Lichts<br />
und dem Schließen der Tür gab sie für Sekunden<br />
die Sicht auf die Öffnung frei, aus der sie<br />
gekommen war. Und was es zu sehen gab, war<br />
so unerwartet, wie „anrüchig“ für ein Restaurant.<br />
Die feine Dame war direkt vom „Thron“ in den<br />
Gastraum herab gestiegen, darauf geben alle<br />
Augenzeugen noch heute Brief und Siegel. Und<br />
sie tat das, ohne adligen Geblüts zu sein.<br />
Dielhe<strong>im</strong> I Kurz vor Mitternacht: Ein Auto mit Anhänger<br />
rumpelte den mit Randsteinen bewehrten<br />
Gehweg hoch und kam vor einer ehemaligen<br />
Bäckerei zum Stehen. Weitere Fahrzeuge<br />
hielten an, Türenschlagen, St<strong>im</strong>mengewirr, ein<br />
Verschlag wurde knarzend geöffnet, ein großes<br />
Eingangstor aufgewuchtet. Halblaute bis laute<br />
Befehle hallten durch eine hallenartige Einfahrt.<br />
Frauen kicherten, einschneidende Männerst<strong>im</strong>men<br />
forderten mehr Einsatz und mahnten zur<br />
Vorsicht. Für die Nachbarn der ehemaligen Bäckerei<br />
war dieses nächtliche Treiben ein untrügliches<br />
Zeichen: „Die Theader-Kinschdler kumme<br />
wieda hom - Herr hilf uns, un geb denne die<br />
Ruh“. Die nächtliche Aktion wurde schnell und<br />
routiniert abgeschlossen. Kulissen wie Requisiten<br />
waren verstaut, der Hänger untergebracht,<br />
das Eingangstor veriegelt; Zeit also, sich in der<br />
zur Vereinszentrale umgebauten Backstube der<br />
„Manöverkritik“ zu widmen. Junge Männer- und<br />
junge Frauenst<strong>im</strong>men bemühten in vielen Variationen<br />
und teils über- und durcheinander die<br />
Botschaft: „Mir ware ned schlecht!“. Gut getane<br />
<strong>Theater</strong>arbeit macht durstig und hungrig. Die<br />
Abtlg. „Gegen Hunger und Durst - heute Catering“,<br />
fand den für solche Notsituationen angelegten<br />
Proviant und handelte spontan, aber<br />
wie vorgesehen. Mit viel Ursprünglichkeit wurde<br />
gegessen und getrunken und schließlich nur<br />
noch getrunken. Zäh wechselten die Themen.<br />
Zur fortgeschrittenen Stunde kam man schließlich<br />
von der Innen- zur Weitsicht und schließlich<br />
zur globalen Sicht auf die Dinge. Zeit und Raum<br />
spielten kaum noch eine Rolle und der Ölofen<br />
bullerte zuverlässig und anhe<strong>im</strong>elnd-meditativ.<br />
Auch nicht das heraufbrechende Tageslicht<br />
störte die Dispute. Die Back- und Diskutierstube<br />
hatte ja nur ein Fenster zum eh fast dunklen<br />
Hof. Als sich kaum noch ein diskutierwürdiges<br />
Thema finden ließ, traten die ersten Mahnerinnen<br />
auf den Plan und erklärten mit hochroten<br />
Wangen, dass Körper und Geist eines künstlerischen<br />
Menschen ganz profan Ruhe benötige<br />
um erneut hochgradig schöpferisch tätig werden<br />
zu können. Nur widerwillig folgte man den<br />
weisen aber nicht weisungsbefugten Damen.<br />
Der Grund war einleuchtend: Alle Themen waren<br />
sorgfältig behandelt, zugegeben, aber eben<br />
noch nicht von allen. Und zudem schloss der<br />
Vorrat an Proviant ein Frühstücksgespräch nicht<br />
aus. Die Versammlung schloss demokratisch legit<strong>im</strong>iert<br />
mit dem gemeinsam getragenen Wunsch
zur Fortsetzung. Als die nun geistig hochtrainierten<br />
jungen Damen und Herren das freundlich<br />
flutende morgendliche Licht erblickten, kniffen<br />
sie erschreckt die Augen zusammen; um eben<br />
diese Augen wenige Sekunden später, als das<br />
Haupttor geöffnet wurde, sehr weit aufzureißen:<br />
Vor dem Haus waren fleißige Menschen<br />
dabei, Blumenteppiche und Altäre zu richten,<br />
für die Fronleichnamsprozession. Die Restdiskussion<br />
und Verabschiedungzeremonie der<br />
Ruhewilligen brach abrupt ab. Nach wenigen<br />
Schrecksekunden wurde die Tür geschlossen<br />
und beratschlagt: Wenn die uns sehen, so voller<br />
Tatendrang, morgens, auf unserem langen,<br />
schweren Marsch nach Hause, über Blumenteppiche<br />
wandelnd, und mit Mädchen - obwohl<br />
doch alles rein künstlerisch - wir werden zum<br />
Dorfgespräch! Dank hochkonzentriertem Austausch<br />
war nach wenigen Minuten klar, einem<br />
Imageschaden musste unter allen Umständen<br />
vorgebeugt werden, auch unter hohem körperlich<br />
und geistigem Einsatz und dem Verzicht auf<br />
Ruhe. Der einst<strong>im</strong>mig gefasste Beschluss hieß:<br />
Umkehren. Der Ölofen bullerte aus Sicherheitsgründen<br />
erst eine halbe Stunde später erneut.<br />
Zuvor hatten Fachkräfte den Restproviant optisch<br />
ansprechend aufbereitet und zum Verzehr<br />
freigegeben. Und der kleine Kaffeevorrat wurde<br />
durch <strong>im</strong> Grunde frühstücksfremde Getränke<br />
ergänzt. Dem Wunsch zur Fortsetzung der<br />
Gespräche wurde schneller als erwartet stattgegeben.<br />
So geriet die Runde über lange Zeit<br />
zur Ideenschmiede für zukünftige große Taten.<br />
Erst als die St<strong>im</strong>ulanzien Musik und Tanz ihren<br />
Einsatz nicht mehr rechtfertigten und die Sonne<br />
den Zenit überschritten hatte... Gut, Sie ahnen<br />
es schon...<br />
Teil I - Schwein muss man haben I So sagt der<br />
Volksmund, und auch die theaterbeflissenen<br />
Herren in unserer Frühgeschichte waren dieser<br />
Meinung. Gegenüber dem Volksmund sollte<br />
sich das Glück ganz konkret in einem gesund<br />
ernährten und deshalb schmackhaften Landschwein<br />
manifestieren. Der Entschluss, dieser<br />
zur damaligen Zeit wegweisenden Art der Fleischeslust<br />
zu frönen, wurde einst<strong>im</strong>mig aber undemokratisch<br />
gefasst - das Schwein durfte nicht<br />
abst<strong>im</strong>men. Wie von der Bühne her gewohnt,<br />
musste auch dieses Vorhaben minutiös geplant<br />
und verwirklicht werden. Dass das Glück in<br />
Gestalt eines ganzen Schweines auch Schattenseiten<br />
hat, wurde schnell klar: Ihm stehen<br />
unprofessionelle Grillgrößen gegenüber. Ein<br />
Gang zum Baustoffhändler löste das Problem.<br />
Und da es an Fachkräften grundsätzlicher Art<br />
nicht mangelte, stoben <strong>im</strong> Hof zur „Backstube“<br />
die Funken. Es wurde geschnitten, geflext, geschweißt<br />
und gefeilt, dass selbst das Schwein<br />
seine Freude daran gehabt hätte, wenn nicht...<br />
Der Lohn harter Arbeit folgte auf dem Fuße: Eine<br />
Grillmaschine ohne Fehl und Tadel, dem schweinernen<br />
Gut exakt angepasst und versehen mit<br />
einer von kulinarischen Kennern ausgetüftelten<br />
Schwenkvorrichtung, stand vor den erschöpften<br />
Erbauern. Schön, edel und kaum von der Stelle<br />
zu bewegen. :-((<br />
Teil II - Schwein muss man kaufen I Zum Glück gab<br />
es bei der damaligen „Spielgruppe 63“ für alles<br />
Fachleute. So machten sich Teile des Vorstandes,<br />
(schon von Amts wegen Fachkräfte) und gewiefte<br />
Händler auf, das Landschwein auszusuchen<br />
und seinem Zweck zuzuführen. Im Ortsteil Unterhof<br />
wurden sie fündig. Das Prachtexemplar wurde<br />
vielfach beäugt, für würdig befunden und<br />
unter heftigem Widerstand in den eigens geliehenen<br />
Hänger geladen. Dann musste der Kauf<br />
vollzogen werden. Einer uralten Gepflogenheit<br />
zu Folge versammeln sich, aus diesem Anlass,<br />
Kaufwillige und Schweinehändler in dessen guter<br />
Stube um einen runden Tisch. So auch hier.<br />
Die Dämmerung war fortgeschritten und die<br />
Lampe über dem Tisch verbreitete wohliges Licht.<br />
Für jeden Teilnehmer galt es nun, <strong>im</strong> Gedenken<br />
an das brave Tier das erste Glas Schnaps zu<br />
leeren. Dann wurde dessen Gesundheit gepriesen<br />
und ein Glas Schnaps gelehrt. Der dritte<br />
Schnaps leitete über zum eigentlichen Kaufakt,<br />
indem er die Pateien freundlich st<strong>im</strong>mte, was sich<br />
62
63<br />
direkt auf den Kaufpreis auswirkte. Die Scheine<br />
welchselten dann diskret den Besitzer. Dieses<br />
Ereignis wurde beglaubigt durch einen vierten<br />
Schnaps, der einer Person verboten wurde, um<br />
den sicheren Transport zu gewährleisten und<br />
der Sau Unanehmlichkeiten zu ersparen. Das Ritual<br />
verlangte zwingend noch einen Obstler unter<br />
dem Türrahmen, mit dem das Schicksal der<br />
Fracht entgültig besiegelt wurde. Die He<strong>im</strong>fahrt<br />
zur fortgeschrittenen Stunde ging für Mensch<br />
und Tier fehlerfrei vonstatten. Die nächste Hürde<br />
tauchte erst in Gestalt des Hauses auf, in dessen<br />
Stall das Schwein seine letzte Nacht verbringen<br />
sollte: Der Besitzer war ausgegangen und der<br />
Stall konnte vom Schwein nicht bezogen werden...<br />
:-(( Ganz <strong>im</strong> Sinne des Landschweines<br />
wurde kurzfristige Abhilfe notwendig. Erste Anlaufstelle<br />
für Notwendigkeiten aller Art war das<br />
Gasthaus zur Sonne. Dort traf man unvermittelt<br />
auf einen Rest entschlossener Schweinekäufer,<br />
die man zuvor <strong>im</strong> Eifer hatte sitzen lassen. Diese,<br />
ihrerseits in Ermangelung einer echten Sau<br />
und echtem Geld, hatten das Kaufritual nachempfunden.<br />
Entsprechend gestaltete sich die<br />
Notbesprechung. Die erlösende Idee kam von<br />
einem den <strong>Theater</strong>leuten wohlgesinnten Gast,<br />
der das Schwein für eine Nacht in seinem Stall<br />
beherbergte. Der gelungene Abschluss der<br />
Transaktion und die zum Wohl des Tieres gefundene<br />
Lösung und die schwierige, aber getane<br />
Arbeit verlangten nach nächtlicher Erholung <strong>im</strong><br />
Gasthaus zur Sonne. Eine „Erholung“, durch die<br />
das morgendliche Schlachtfest fast ins Wanken<br />
geraden wäre. Aber das ist ein weiteres Kapitel.<br />
Teil III - Schwein gut, alles gut I Das frühmorgendliche<br />
Zeremoniell, das unser Landschwein zur „armen<br />
Sau“ werden ließ, soll hier nicht beschrieben<br />
werden. Nicht aus Pietät, sondern weil dem<br />
Autor und weiteren Helfern die Strapazen um<br />
den Kauf so sehr zugesetzt hatten, dass ein<br />
Aufstehen zu früher Stunde unverantwortlich<br />
gewesen wäre. Ein ausreichend besetztes Team<br />
erledigte, was zu erledigen war. Die zu spät<br />
Gekommenen mussten dafür erneut Schwerst-<br />
arbeit verrichten: den standhaften Grill zum<br />
Austragungsort der abendlichen Feier transportieren.<br />
Unter Einsatz aller vereinten muskulären<br />
Kräfte wuchtete man das Qualitätsteil auf ein<br />
Transportgerät für den Hobbywinzer, mit dem<br />
schicken Namen Agria. Das Gerät beantwortete<br />
den zweckfremden Gebrauch mit bedenklichem<br />
Ächsen und Stönen, tat aber, widerwillig,<br />
seinen Dienst. Das Ziel der Fracht war der<br />
Rohbau(!) des SG-Clubhauses. Diesen fenster-<br />
und türlosen Ort hatte man in weiser Vorraussicht<br />
angemietet. Der Grill kam zu stehen, wo<br />
er sollte, und konnte, unter frenetischem Beifall<br />
entzündet, seiner Best<strong>im</strong>mung übergeben werden.<br />
Unbeeindruckt ob der Last, schaukelte das<br />
Gerät nun Stunde um Stunde das Schwein in<br />
voller Größe der kulinarischem Vorsehung zu.<br />
Das Gerät machte Konstrukteuren wie Genießern<br />
unbändige Freude. So euphorisiert, gebar<br />
man die Idee, die abendliche Feier musikalisch<br />
zu vervollkommnen. Der theatereigene Musikant<br />
stand sofort bereit. Was gebraucht wurde,<br />
war lediglich ein Instrument. Nicht irgend eins,<br />
nein, ein Klavier. Kein Problem, denn es gab<br />
ein alterwürdiges, doch dafür nur mittelmäßig<br />
verst<strong>im</strong>mtes Klavier <strong>im</strong> Fundus des <strong>Theater</strong>s.<br />
Kein Problem? Doch: Es war fast übernatürlich<br />
schwer. Als das Problem in seiner Tragweite erkannt<br />
wurde, richteten sich alle Augen auf die<br />
Grill-Transporteure. Die nötige Erfahrung stand<br />
dort bereit und wurde ergänzt um junge Männer<br />
mit Erfahrung <strong>im</strong> muskulären Teil des Transportwesens<br />
- der Auftrag wurde standrechtlich<br />
erteilt. Unter Aufbieten der letzten Kraftreserven<br />
gelang es, das altehrwürdige Stück auf den<br />
Weg zu bringen. Alle waren froh, es geschafft<br />
zu haben, nur die Agria nicht. Schließlich musste<br />
der Musikant nebst Klavierhocker ja auch noch<br />
„verladen“ werden. Seine Aufgabe bestand<br />
darin, musikalisch den langen Weg zu begleiten.<br />
Klavier, Hocker, Pianist, Fahrer und Agria<br />
erreichten auf „letzter Rille“, aber glücklich ihr<br />
Ziel. Einer fröhlichen Feier stand nichts mehr <strong>im</strong><br />
Wege, denn das Schwein hatte inzwischen zu<br />
einer Farbe gefunden, die Kennern den Mund
efeuchtete. Alles war tiptop vorbereitet, und<br />
so ging das kulinarisch-musikalische Fest, als in<br />
der Tendenz zwischen heiter und ausgelassen<br />
angesiedelt, in die Analen ein. Erst zu später<br />
Stunde kamen Misstöne auf, die zunächst be<strong>im</strong><br />
verst<strong>im</strong>mten Klavier verortet wurden, sich später<br />
aber zu einer Art Rütlischwur steigerten: nämlich<br />
nie mehr Schwein, sondern nur noch Stallhasen<br />
grillen zu wollen und dabei nie mehr Musik vom<br />
Klavier, sondern nur noch per Blockflöte ans<br />
Ohr gelangen zu lassen. Denn ein ganz Aufgeweckter<br />
unter den Feiernden hatte erkannt: Grill<br />
und Klavier können nicht vor Ort bleiben. Und<br />
so war es auch. :-o<br />
Abgesang auf die Entenmörder<br />
Musik statt Triebwagen<br />
Entenmörder I Die Strecke der Nebenbahnlinie<br />
der SWEG (Südwestdeutsche Eisenbahngesellschaft)<br />
Wiesloch-Walldorf - Schatthausen führte<br />
über den <strong>Bahnhof</strong> Dielhe<strong>im</strong> - der heute das<br />
<strong>Theater</strong> <strong>im</strong> <strong>Bahnhof</strong> beherbergt. Die Triebwagen<br />
auf dieser Strecke, aber auch die anderen,<br />
heute seltsam anmutenden, Schienenfahrzeuge<br />
hatten es nicht eilig. Des Nachbarn Hund, bis<br />
hin zum sportfernen Läufer, alle konnten es<br />
mit dem dieselnden Gefährt in Sachen Geschwindigkeit<br />
ohne Anstrengung aufnehmen.<br />
Trotzdem, so der Volksmund, soll es zu folgenleichten,<br />
aber mörderischen Unfällen mit freilaufendem<br />
Federvieh gekommen sein. Deshalb<br />
gab der Volksmund - nicht die Enten- diesem<br />
rasenden Unheil den Namen „Entenmörder“.<br />
Das blieb so, bis auch der „Entenmörder“<br />
Federn lassen musste und die Weichen ihn auf<br />
das Altenteil führten.<br />
Entenmörder II Fast 20 <strong>Jahre</strong> später sollte exakt<br />
dieser Name fröhliche Urständ feiern; und das<br />
kam so: Die Aufführung des Stückes „Karate-<br />
Billy kehrt zurück“ verlangte zwingend, weil<br />
von der Regie gewünscht, nach musikalischer<br />
Aufwertung. Ohne die halbe Musikwelt casten<br />
zu müssen, konnten Musiker aus den eigenen<br />
Reihen verpflichtet werden. Um zur Spielreife<br />
zu gelangen, war lediglich Fleiß von Seiten der<br />
Musikanten notwendig. Ihnen oblag es, möglichst<br />
rasch die notwendige Geschmeidigkeit<br />
der verschollen geglaubten Kunst auf Bühnenniveau<br />
zu hieven. Der Applaus der Massen<br />
lockte, und die Herren gaben sich keine musikalische<br />
Blöße. Alles lief wie am Schnürchen.<br />
Dergestalt gepusht, kam der Wunsch auf, die<br />
Formation klangtechnisch zu erweitern und<br />
am besten zeitgleich „Schauspiel und Musik“,<br />
sozusagen in einem 2 Sparten-Haus, zu vereinen.<br />
Da Musikern ein starker Freiheitsdrang<br />
innewohnt, „besorgten“ sie sich eifrig allerlei<br />
st<strong>im</strong>mstützendes und tonverschönerndes Gerät,<br />
ohne zu vergessen, das „Große Ganze“ um<br />
milde Gaben zu bitten. Um die noch bestehende<br />
Diskrepanz zwischen dem sehr guten<br />
Gerät und der ins Auge gefassten guten Musik<br />
zu schmälern, hieß das Motto: proben, proben,<br />
proben! Zuvor jedoch stand die Frage <strong>im</strong><br />
Raum: Was? Und da alle Musikgeküssten die<br />
wilden 60er erlebt hatten, war diese Frage nur<br />
theoretischer Natur. Es sollte Rock, Soul oder<br />
so, mit einem Hauch Pop sein. Die Idee enthielt<br />
auch den Gedanken, bei der „Sommernacht<br />
am <strong>Bahnhof</strong>“ die eventuell auftretende Kühle<br />
mit heißer Musik erwärmen zu wollen. Da alles<br />
einen Namen braucht, damit man es überhaupt<br />
denken kann, und der Verkehr an der<br />
„Dielhe<strong>im</strong>er Eisenbahnlinie“ in der verklärten<br />
Erinnerung der Musiker der ersten amerikanischen<br />
Union Pacific Railroad verdammt nahe<br />
kam, sollte der Name an die Eisenbahnpioniere<br />
<strong>im</strong> Kraichgau denken lassen. Fortan nannten<br />
sie sich „Die Entenmörder“. Ein dem Einklopfen<br />
der Schwellen be<strong>im</strong> Eisenbahnbau <strong>im</strong> tiefen<br />
Westen ähnlicher Rhythmus erscholl ab sofort<br />
64
65<br />
zu Probenzeiten jetzt auch <strong>im</strong> ehrwürdigen<br />
<strong>Bahnhof</strong> an der ehemaligen Railroad nach<br />
Schatthausen. Kaum war die musikalischspielerische<br />
Geschmeidigkeit wieder hergestellt,<br />
erklärte man den fehlenden Rest zum Stilmittel.<br />
„Die Entenmörder“ erfreuten sich bald einer<br />
Beliebtheit, wie ihr Namensgeber zu seinen<br />
besten Zeiten. Sie spielten variabel in der<br />
Besetzung bei der „Sommernacht am <strong>Bahnhof</strong>“<br />
und zu allen möglichen und unmöglichen<br />
Anlässen und <strong>im</strong>mer mit ehrlichem Herzen und<br />
gesunder Kehle, viele <strong>Jahre</strong> lang.<br />
Vergleichbares, wie dem zu früheren Zeiten am<br />
<strong>Bahnhof</strong> angeklebten Kiosk mit seinen Süßwaren<br />
und den schädlichen Comics, der einmal<br />
der letzte Kiosk vor der Autobahn hätte sein<br />
können - wenn es eine solche schon gegeben<br />
hätte - geschah auch den „Entenmördern“.<br />
Noch vor dem globalen Durchbruch wurden<br />
Weichen umgelegt, und der Zug „Entenmörder<br />
II“ fuhr, der glutrot am Horizont versinkenden<br />
Sonne entgegen, - ins „Nirgendwo“.<br />
Die Entenmörder<br />
(The Ducks Murderer)<br />
1994 - 1999<br />
Starring:<br />
Wolfgang Rössler (Guitar, Bass)<br />
Edgar Sauer (Guitar, Vocal)<br />
Günter Heber (Guitar, Bass, Vocal)<br />
Arnold Ramp (Piano/Keyboard)<br />
Gerald Teufel (Accordeon)<br />
Andrea Knopf (Vocal)<br />
Die Entenmörder, in der Stammformation,<br />
bei der Probe <strong>im</strong> Alten <strong>Bahnhof</strong>.
5zig <strong>Jahre</strong><br />
<strong>Theater</strong> <strong>im</strong> <strong>Bahnhof</strong><br />
Ein wenig Statistik - von 1963 bis 2013<br />
Kaum zu glauben, aber beglaubigt - Auszüge<br />
Unsere Stücke Auch wir mussten erst einmal lernen. (Das tun wir <strong>im</strong>mer noch.) Zunächst haben wir<br />
Stücke aufgegriffen, die wir kannten: vom Laientheater in der Gemeinde und vom Schultheater.<br />
Doch wir haben schnell gemerkt, dass das nicht alles sein kann, und begriffen, was unser Ziel sein<br />
muss: gutes Amateurtheater. <strong>Theater</strong>, das sich ernst n<strong>im</strong>mt, ohne dass der Spaß dabei verloren<br />
geht. Schließlich mussten und müssen wir ja nicht spielen und für andere da sein, sondern wir wollen<br />
es. Wir haben zielgerichtet gearbeitet, uns Hilfe geholt und nie aufgegeben. Heute können wir<br />
zurückblicken auf eine lange Liste an Inszenierungen. Alle haben etwas gemeinsam: Sie sind Stufen<br />
unserer Entwicklung. Wer aufmerksam liest, kann den Fortschritt erkennen, aber auch manchen<br />
Rückschlag; und er kann die Meilensteine zählen. Diese haben wir für Sie hervorgehoben.<br />
Inszenierungen der Erwachsenen nach Genres<br />
Dramen 2<br />
Farcen 7<br />
Improvisationen 1<br />
Kabarettabende 8<br />
Komödien 35<br />
Kr<strong>im</strong>is 1<br />
Kurzstücke 33<br />
Märchen 1<br />
Kinderstücke 2<br />
Mysterienspiele 2<br />
Parodien 5<br />
Phantasiespiele 2<br />
Rezitationen 6<br />
Schauspiele 14<br />
Schwänke 7<br />
Sketche 10<br />
Songstücke 3<br />
Tragikomödien 2<br />
Tragödien 2<br />
Volksstücke 7<br />
Das sind: 1<strong>50</strong> Inszenierungen seit 1963<br />
In den <strong>50</strong> <strong>Jahre</strong>n des Bestehens haben Jung und Alt<br />
zusammen 175 Stücke auf die Bühne gebracht!!<br />
Inszenierungen der <strong>Theater</strong>jugend nach Genres<br />
Grusicals 1<br />
Kinderstücke 5<br />
Komödie 4<br />
Kr<strong>im</strong>i 1<br />
Märchen 4<br />
Mitmachkr<strong>im</strong>i 1<br />
Szenen 1<br />
<strong>Theater</strong>stücke 7<br />
Tragödie 1<br />
Die <strong>Theater</strong>jugend „<strong>Bahnhof</strong>kids“ und die<br />
„Jungen Erwachsenen“, gegründet 1993,<br />
präsentierten seither 25 Inszenierungen.<br />
66
67<br />
Unsere Inszenierungen seit 1963<br />
1964 Der Bergteufel Volksstück P. Hardt<br />
1965 Hasso, der Rebell Schauspiel W. Webels<br />
1966 Versöhnung am Hubertushof Volksstück F. Rieder<br />
1966 Die Hexe von Bergamo Volksstück P. Hardt<br />
1966 Die Nudelberger Feuerwehr Humoreske Webels/Silber<br />
1966 Der Verlobungsstürmer Humoreske H. Kirchhoff<br />
1966 Der Schinderhannes Schauspiel F. Kanders<br />
1966 Syra, die christliche Sklavin Myst.-Spiel H. Caron<br />
1966 Vergib uns unsere Schuld Myst.-Spiel H. Caron<br />
1966 Mutter Therese Volksstück H. Caron<br />
1967 Der Meisterlügner Schwank H. Kirchhoff<br />
1967 Der Bandit von Venedig Schauspiel A. Seidel<br />
1968 Kirsch und Kern Komödie L. Bender<br />
1969 Die Erbtante Luststück M. Krinner<br />
1969 Mein Mann, der Dieb Schwank L. Bender<br />
1969 Der kerngesunde Kranke Komödie P. Pflug<br />
1971 Warum 17. Juni Szenen Eig. Texte<br />
1971 Die Mauer Szene E. St. V. Miley<br />
1971 Später Besuch Szene P. Pflug<br />
1971 Das Ferienparadies Komödie M. Brett<br />
1972 Der Lügner Szene J. Cocteau<br />
1972 Kabarett des Teufels Kurzstück M. Kadow<br />
1972 Lies deine Zeitung Szene J. Cocteau<br />
1972 Der Plakatträger Szene H. Engelhardt<br />
1972 An diesem Dienstag Szene W. Borchert<br />
1972 Zirkus Komödie E. Autengruber<br />
1973 Die verzauberten Brüder Märchen J. Schwarz<br />
1973 Halleluja Billy Songstück Lange/Ernst<br />
1974 Der Lügner und die Nonne Komödie C. Götz<br />
1974 Dunkelrote Rosen Parodie P. Nicolai<br />
1975 Charlys Tante Schwank B. Thomas<br />
1975 Ein Wort für das Andere Szene J. Tadieu<br />
1975 Die Glocke Szene P. Slavik<br />
1975 Box und Cox Komödie J. M. Morton<br />
1975 Schwarz auf Weiß Komödie M. Brett<br />
1976 Fazz und Zwoo Kinderstück K. Campell<br />
1976 Ich will Muissow sehen Komödie V. Katajew<br />
1977 Zwischen den Stühlen Kabarett Tucholsky etc.<br />
1977 Das Rennen Drama K. Hughes<br />
1977 Charlys Tante Schwank B. Thomas<br />
1978 Die Maus Komödie P. King<br />
1979 Von Mäusen und Menschen Schauspiel J. Steinbeck<br />
1980 Was Sie wollen Einakter E.m Kishon<br />
1981 Werdende Väter Einakter E. Kishon<br />
1981 Heiraten ist <strong>im</strong>mer ein Risiko Komödie S. O‘Hara<br />
1981 Abseits Szene E. Kishon<br />
1982 Der Dompteur Szene H. Wiener<br />
1982 Schattenspiele Szenen Eig. Produktion<br />
1982 Ritter Unkenstein Parodie K. Valentin<br />
1982 Masch<strong>im</strong>aschine Kinderstück P. Maar<br />
Schinderhannes 1966<br />
Halleluja Billy 1973<br />
Von Mäusen und Menschen<br />
1979
1982 Ehemann auf nüchternen Magen Komödie J. Mitchell<br />
1984 Zufäll. Tod eines Anarchisten Farce D. Fo<br />
1984 Lasst uns Lügen erzählen Komödie A. Paso<br />
1984 Szenario Sketche Kishon/Loriot<br />
1985 Antigone Tragödie Jean Anouilh<br />
1985 Musik und Dichtung lit. Kabarett Eig. Produktion<br />
1985 Picknick <strong>im</strong> Felde Farce F. Arrabal<br />
1986 Lauf doch nicht <strong>im</strong>mer weg Komödie P. King<br />
1987 Spiel‘s nochmal Sam Komödie W. Allen<br />
1987 Kurzstücke Szenen div. Autoren<br />
1988 Arsen und Spitzenhäubchen Komödie J. Kesselring<br />
1988 Kurzstücke Szenen div. Autoren<br />
1989 Biedermann u. d. Brandstifter Schauspiel M. Frisch<br />
1989 Kurzstücke Szenen div. Autoren<br />
1990 Vorsicht Trinkwasser Komödie W. Allen<br />
1990 Kurzstücke Szenen div. Autoren<br />
1991 Hier sind Sie richtig Komödie M.Camoletti<br />
1991 <strong>Theater</strong> v. Kindern für Kinder* Szenen div. Autoren<br />
1992 Warte bis es dunkel ist Kr<strong>im</strong>i F. Knott<br />
1992 Kabarett, Satire, Mundart Szenen div. Autoren<br />
1993 Der nackte Wahnsinn Komödie M. Frayn<br />
1993 Kabarett, Satire, Mundart II Szenen div. Autoren<br />
1993 Traum-<strong>Theater</strong> v. Kindern* Szenen div. Autoren<br />
1994 Wunschmaschine v. Kindern* Kinderstück Eig. Produktion<br />
1994 Karate Billy kehrt zurück Schauspiel K. Pohl<br />
1994 Kurzstücke Szenen div. Autoren<br />
1995 Außer Kontrolle Komödie R. Cooney<br />
1995 Der kleine Prinz* Märchen S. Exùpery<br />
1995 Gemalte Fensterscheiben Rezitation div. Autoren<br />
1996 Die Maus Komödie P. King<br />
1996 Der Kontrabass Stück P. Süßkind<br />
1996 Kurzstücke Szenen div. Autoren<br />
1997 He<strong>im</strong>atlos Schauspiel Gruber/Reinh.<br />
1997 Momo* Märchen M. Ende<br />
1997 Ich Narr des Glücks Rezitation H. Heine<br />
1997 Prinzessin von Oz* Märchen L.. F. Brown<br />
1998 Hexenschuss Komödie J. Graham<br />
1998 Kurzstücke Szenen div. Autoren<br />
1999 Die deutschen Kleinstädter Stück A. v. Kotzebue<br />
1999 <strong>Theater</strong> Comics I Sketche div. Autoren<br />
1999 Das Kabinett der Dr. Caligari Grusical C. Trafik<br />
1999 Der 35. Mai* Stück E. Kästner<br />
2000 Ewig rauschen die Gelder Komödie M. Cooney<br />
2000 Kugeln und Kisten v. Kindern* Stück Eig. Text<br />
2000 Übergangszeit Rezitation div. Autoren<br />
2001 Pension Schöller Schwank Laufs/Jakobi<br />
2001 <strong>Theater</strong>comics II Sketche div. Autoren<br />
2001 Liebe in jeder Beziehung Revue Eig. Texte<br />
2002 Die Brautwerber von Loches Komödie G. Feydeau<br />
2002 Die Physiker Stück F. Dürrenmatt<br />
Der zufällige Tod eines<br />
Anarchisten 1984<br />
Spiels nochmal Sam 1987<br />
Die deutschen Kleinstädter<br />
1999<br />
68
69<br />
2003 Eine Woche voller SamsTage* Stück P. Maar<br />
2003 Warten auf Godot Stück S. Becket<br />
2003 <strong>Theater</strong>comics III Sketche div. Autoren<br />
2003 Kein Platz für Idioten Volksstück F. Mitterer<br />
2004 Bunbury Komödie O. Wild<br />
2004 Die verflixte Hexenprüfung* Kinderstück S. Rippegather<br />
2004 Ein wahrer Held Tragikomödie J. M. Synge<br />
2005 Alles „K“ na klar* Mitmachkr<strong>im</strong>i Eig. Produktion<br />
2005 <strong>Theater</strong>comics IV Sketche div. Autoren<br />
2005 Hinter verschlossenen Türen Komödie Eig. Produktion<br />
2005 Das Festkomitee Komödie A. Ayckbourn<br />
2005 Gretchen 89ff Komödie L. Hübner<br />
2005 Liebeslust Lyrik div. Autoren<br />
2006 Blue Box* Komödie Eig. Produktion<br />
2006 Ibrah<strong>im</strong> u.d. Blumen d. Koran Phantasie E. Schmitt<br />
2006 Schaurige Beauty-Woche* Komödie E. Karl<br />
2006 Shake... Macbeth Dramödie H. Laier<br />
2006 Oh(je) du Fröhliche Komödie W. Binder<br />
2006 Yvonne, Burgunderprinzessin* Märchen W. Gombrovic<br />
2007 Banden, Tod und Freunde* Improvisation Eig. Produktion<br />
2007 Offene Zweierbeziehung Farce Fo/Rame<br />
2007 <strong>Theater</strong>comics V Sketche div. Autoren<br />
2007 Die Sache mit dem Bild* Stück E. Karl<br />
2007 Otello darf nicht platzen Komödie K. Ludwig<br />
2008 Trotzdem Comedy H. Laier<br />
2008 Leonce und Lena Stück G. Büchner<br />
2008 Der zerbrochne Krug Lustspiel H. v. Kleist<br />
2009 Bezahlt wird nicht Farce Dario Fo<br />
2009 Kraftvoll <strong>im</strong> Abgang Komödie Wolf, Siegel<br />
2009 Mit aller Freundschaft Comedy Laier/Stier<br />
2009 Die 8 Frauen Stück R. Thomas<br />
2010 Ganz nah dran Comedy Laier/Stier<br />
2010 Der widerspenstigen Zähmung Schauspiel Shakespeare<br />
2010 Es war die Lerche Komödie E. Kishon<br />
2010 Josef und Maria Stück P. Turini<br />
2011 Dazwischen Comedy Laier/Stier<br />
2011 Sieghard&Gr<strong>im</strong>m Dramödie H. Laier<br />
2011 Der Revisor Komödie N. Gogol<br />
2012 Kurz vor knapp Comedy Laier/Stier<br />
2012 Die spanische Fliege Schwank Arnold/Bach<br />
2013 Urmel aus dem Eis* Kinderstück Kruse/Pinkus<br />
2013 Antigone Tragödie Jean Anouilh<br />
2013 Der Hauptmann von Köpenik Tragödie C. Zuckmayer<br />
*Aufführungen unserer <strong>Bahnhof</strong>kids <strong>im</strong> Alter von 8 bis 16 <strong>Jahre</strong>n.<br />
Kein Platz für Idioten 2003<br />
Der zerbrochne Krug 2008<br />
Der Revisor 2011<br />
Die spanische Fliege 2012
5zig <strong>Jahre</strong><br />
<strong>Theater</strong> <strong>im</strong> <strong>Bahnhof</strong><br />
Merkwürdiges in Zahlen von 1963 bis 2013<br />
Kaum zu glauben, aber so war es.<br />
Arbeitsnachweise So richtig müssen wir natürlich niemandem etwas nachweisen. Doch interessant<br />
ist es schon, einmal das „nebenbei“ Geschehene aufzuschlüsseln. Erstaunliches kommt so zutage;<br />
selbst für uns, die wir dabei waren. Auch wir hatten vergessen, dass wir einmal die Dielhe<strong>im</strong>er<br />
Straßenkerwe und den Maiausschank „erfanden“ oder den „Tanz in den Mai“ und den „Ostertanz“<br />
lange <strong>Jahre</strong> gepflegt haben, oder auch, dass wir Gastgeber des Lofoten-<strong>Theater</strong>s aus Norwegen<br />
und einer <strong>Theater</strong>gruppe aus Japan waren. Stichwort „Gastgeber“: Wir haben auch die Deutsch-<br />
Französischen <strong>Theater</strong>tage und die Kraichgauer <strong>Theater</strong>tage nach Dielhe<strong>im</strong> geholt. Auch waren<br />
wir Initiatoren der „Hobby und Kunst-Austellungen“. Besonders stolz sind wir auch darauf, dass wir<br />
schon viele kulturelle „Hochkaräter“ nach Dielhe<strong>im</strong> holen konnten. Unvergessen ist dabei eine der<br />
letzten Lesungen der großen deutschen Lyrikerin Hilde Domin auf der Dielhe<strong>im</strong>er <strong>Bahnhof</strong>-Bühne.<br />
Zahlen die es in sich haben<br />
Inszenierungen 172<br />
Zuschauer bis heute 65.000*<br />
Proben 7<strong>50</strong>0<br />
Gastspiele <strong>im</strong> Ausland 2<br />
Gastspiele <strong>Theater</strong>tage Inland 9<br />
Sitzungen bis heute 300*<br />
Feste mit Volksfestcharakter 30<br />
Große Faschingsbälle 15<br />
Ausflüge u. große Wanderungen 100*<br />
Kleinkunstfestivals 5<br />
Deutsch-Französische <strong>Theater</strong>tage 1<br />
Kraichgauer-<strong>Theater</strong>tage 3<br />
Hobby u. Kunstausstellungen 3<br />
Kunstausstellungen 3<br />
Jazzfrühschoppen 1<br />
Hinzu kommen Lesungen, Buchvorstellungen,<br />
Kabarett- und Mundartabende, kleinere Konzerte<br />
mit moderner oder klassischer Ausrichtung<br />
und A-Cappella-Chorkonzerte.<br />
Von uns initiiert und eine Zeit lang realisiert<br />
Dielhe<strong>im</strong>er Straßenkerwe<br />
Hobby- und Kunstausstellungen<br />
Große Tanzveranstaltungen an Ostern<br />
Großer „Tanz in den Mai“<br />
Maiausschank<br />
und viele, viele weitere Aktionen.<br />
...und dazu unzählige vereinsinterne Aktionen<br />
Gastpiele außerhalb der Region<br />
<strong>Theater</strong>besuche<br />
Kulturbegegnungen<br />
Festivalbesuche<br />
Kleinere Wanderungen und Ausflüge<br />
Silvesterpartys<br />
Grill- und andere Partys<br />
und vieles mehr.<br />
*Die Zahlen sind auf- bzw. abgerundet.<br />
70
71<br />
Dabei sein ist nicht alles<br />
Von dicken Brettern, die die Welt bedeuten<br />
Wer sie oft betreten hat, um zu spielen, kennt die Standfestigkeit, die sie vermitteln. Er kennt aber<br />
auch die Barriere, die sie bilden, das unsichtbare Hindernis, das sich auftut, wenn man sie zum<br />
ersten Mal betritt. Da ist das flaue Gefühl <strong>im</strong> Magen, die kurze innere Unsicherheit, wenn das Herz<br />
<strong>im</strong> Hals schlägt statt in der Brust. Da ist auch das Gefühl des Ausgeliefert-Seins, das sich kurz nach<br />
dem ersten Satz aus dem Staube macht, um Platz zu schaffen für das Spiel zwischen dem Ich und<br />
dem Publikum. Wer Erfahrung hat <strong>im</strong> Betreten dieser „Bretter, die die Welt bedeuten“, kennt das<br />
alles. Er hat erlebt, dass ihn dieser Schritt stärkt; nicht nur <strong>im</strong> Spiel, sondern auch draußen <strong>im</strong> rauhen<br />
„Spiel des Lebens“, in vielfältiger Weise und in unterschiedlicher Intensität.<br />
Er hat gelernt, dass dieses ständige Überschreiten<br />
der Grenze zwischen Realität und der <strong>im</strong>mer<br />
wieder neu zu erschaffenden Wirklichkeit<br />
<strong>im</strong> Spiel in ihm etwas bewirkt: Selbstsicherheit.<br />
Mit dem Begehen der Bühnenbretter, die ihm<br />
stets festen Halt geben, gewinnt er zunehmend<br />
Vertrauen in die eigene Stärke. Innere Barrieren<br />
werden als überwindbar gesehen, er überspringt<br />
sie leichter. So beginnt sich etwas zu<br />
drehen: das vermeintliche Bretter-Hindernis wird<br />
unversehens zum Sprungbrett für vielgestaltiges<br />
Erleben. Ein Schatz an tiefen, reichen Erfahrungen<br />
winkt als Lohn. Immer neu positiv „aufgeladen“<br />
kann er so auch die unausweichlichen,<br />
unsäglichen Widrigkeiten, die eine freiwillige<br />
Vereinigung von Menschen nun mal mit sich<br />
bringt, nicht nur ertragen, sondern vom Negativen<br />
ins Positive kehren. Denn er weiß auch: Dabei<br />
sein ist wirklich nicht alles. Vor diesen Erfahrungen<br />
riecht es auf den Amateurbühnen der<br />
Welt nicht nur nach Schminke, Farbe und alten<br />
Klamotten, sondern <strong>im</strong>mer auch nach Schweiß.<br />
Das kommt von den „dicken Brettern“, die gebohrt<br />
werden müssen, bevor sie zu den Brettern,<br />
die die Welt bedeuten, werden können.<br />
Vieldeutige Bretter Sie sind die bauliche<br />
Grundlage für unser Spiel. Die metaphorische Bedeutung<br />
müssen wir ihnen selbst be<strong>im</strong>essen.
5zig <strong>Jahre</strong><br />
<strong>Theater</strong> <strong>im</strong> <strong>Bahnhof</strong><br />
Unsere <strong>Theater</strong>jugend<br />
„Es gibt keine Jugend ohne <strong>Theater</strong> und es gäbe auch längst kein<br />
<strong>Theater</strong> mehr auf der Welt oder hätte es nie gegeben, wäre es nicht<br />
zu jeder Zeit und in jeder Generation vor allem eine Sache und ein<br />
Gebot der Jugend, die es neu erleben, neu erproben, neu zu<br />
schaffen best<strong>im</strong>mt und berufen ist.“<br />
Carl Zuckmayer<br />
1993, das <strong>Theater</strong> <strong>im</strong> <strong>Bahnhof</strong> in Dielhe<strong>im</strong><br />
erkennt die Zeichen der Zeit und ergreift<br />
die Initiative: Ab sofort sollen Kinder und<br />
Jugendliche an das Bühnenspiel herangeführt<br />
werden, in einer möglichst professionellen<br />
Form. Schnell war klar, aus eigener Kraft konnte<br />
dieses Vorhaben nicht gestemmt werden. Nach<br />
kurzem Suchen fand man mit der Musikschule<br />
Horrenberg-Dielhe<strong>im</strong> den idealen Kooperationspartner.<br />
Zusammen wurde ein <strong>Theater</strong>-<br />
Unterrichts-Projekt ins<br />
Jung und Alt<br />
in Kooperation<br />
Leben gerufen, um<br />
Kindern und Jugendlichen<br />
die Möglichkeit<br />
zu eröffnen, die<br />
Grundtechniken des <strong>Theater</strong>spiels zu erlernen<br />
und natürlich auch selbst Stücke auf die Bühne<br />
zu bringen. Unterrichtet werden die jungen<br />
TeilnehmerInnnen von speziell ausgebildeten<br />
<strong>Theater</strong>pädagogen und Lehrern. Der Unterricht<br />
besteht aus Übungsspielen und aus<br />
Proben für das aktuelle Stück. Atemtechniken,<br />
St<strong>im</strong>m- und Sprachübungen, Ausdrucksspiele,<br />
die die gestischen, m<strong>im</strong>ischen und st<strong>im</strong>mlichen<br />
Darstellungsmöglichkeiten fördern, sind weitere<br />
Bestandteile des Unterrichts. Wenn ein Stück<br />
schon weit gediehen ist, wird nur noch geprobt,<br />
viel geprobt. Dann müssen auch die Bühne<br />
gestaltet, die Kostüme genäht und die Requisiten<br />
beschafft werden. Selbst das Bühnenbild<br />
und die Beleuchtung, alles gehört zur Aufgabe<br />
und kommt, wenn möglich, aus eigener<br />
Hand. Manchmal gehen auch Eltern oder<br />
andere Erwachsenen hilfreich zur Hand, wenn<br />
die eigenen Möglichkeiten nicht ausreichen.<br />
Be<strong>im</strong> Bühnenbau und bei der Beleuchtung<br />
ist logischerweise öfter die Hilfe der Fachleute<br />
vom <strong>Theater</strong> <strong>im</strong> <strong>Bahnhof</strong> gefragt. Nicht ohne<br />
Grund: Unter ihrer Anlei-<br />
tung sollen die jungen<br />
Spieler auch hinter den<br />
Kulissen aktiv werden,<br />
selbst Bühnenbauer<br />
oder Beleuchter werden. Das Miteinander in<br />
allen Bereichen, das Arbeiten auf ein gemeinsames<br />
Ziel hin ist gewollt und wird gefördert.<br />
Musikalisch steht den jungen <strong>Theater</strong>leuten<br />
ebenfalls professionelle Hilfe zur Seite. Hansjörg<br />
Widmer, Klavierlehrer der Musikschule, hat<br />
schon manche Inszenierung begleitet und ihr<br />
die musikalische Note verliehen. Wie überall,<br />
so kommt es auch hier auf das verlässliche<br />
Zusammenspiel an; zwischen den Kooperationspartnern,<br />
den Kindern und Jugendlichen<br />
und ihren Lehrkräften. Das Projekt ist erfolgreich<br />
und läuft gut, aber wie alles, nie ganz<br />
72
73<br />
störungsfrei, das ist klar. Doch wenn sich alle,<br />
wie bisher geschehen, verständigen und auch<br />
ein wenig Kindsein bewahrt haben, dann wird<br />
noch lange Erfolg beschieden sein. Schon ist<br />
mehr als eine ganze Generation durch diese<br />
<strong>Theater</strong>schule gegangen und herangereift, um<br />
bei den Erwachsenen spielen zu können; zugegeben,<br />
es bleiben nicht so viele wie erhofft,<br />
das ist wohl dem Zeitgeist geschuldet, aber sie<br />
tragen <strong>im</strong>mer die Liebe zum <strong>Theater</strong> <strong>im</strong> Herzen;<br />
eine Affinität, die alle TeilnehmerInnen ein<br />
Leben lang zu ihrem persönlichen, beruflichen<br />
und gesellschaftlichen Vorteil begleiten wird.<br />
Antigone - 2013<br />
Bunbury - 2004 Warten auf Godot - 2003<br />
Urmel aus dem Eis - 2013
5zig <strong>Jahre</strong><br />
<strong>Theater</strong> <strong>im</strong> <strong>Bahnhof</strong><br />
Unsere <strong>Theater</strong>jugend<br />
Aufgeschlossen, lernbegierig und einfach gut!<br />
Das <strong>Theater</strong>-Unterrichtprojekt für Kinder und Jugendliche Seit nunmehr 20 <strong>Jahre</strong>n lebt dieses Projekt<br />
als Kooperation zwischen dem <strong>Theater</strong> <strong>im</strong> <strong>Bahnhof</strong> und der Musikschule Horrenberg-Dielhe<strong>im</strong> und<br />
zeigt, was bewirkt werden kann, wenn zwei an einem Strang ziehen und wenn die Ziele und die<br />
Zuordnungen klar definiert sind: Hier die pädagogischen Fachkräfte, die mit den jungen Menschen<br />
arbeiten, und dort die persönliche Hilfe in der Organisation und Administration, das Vorhalten der<br />
Infrastruktur, wie Bühne, Technik, Fundus, Werkstatt und vielem mehr. Das alles ergibt in der Summe<br />
junge Menschen mit Selbstsicherheit und Vertrauen in die eigene Stärke.; jene Stärke, die befähigt,<br />
Ziele zu formulieren und diese auch zu erreichen. Hinzu kommen die heute so geschätzten Dinge,<br />
wie Sicherheit <strong>im</strong> Sprechen und Präsentieren. Und nicht zuletzt lernen und erleben alle TeilnehmerInnen<br />
soziale Intelligenz und erkennen, wie wichtig Phantasie und Krativität sind; alles gute<br />
Voraussetzungen für ein achtsames Leben in Beruf, Gesellschaft und Freizeit.<br />
Das <strong>Theater</strong>-Unterrichtprojekt in Zahlen<br />
Gründung 1993<br />
Inszenierungen 25<br />
Eigene Stücke 3<br />
Die Partner<br />
<strong>Theater</strong> <strong>im</strong> <strong>Bahnhof</strong>, Dielhe<strong>im</strong><br />
Musikschule Horrenberg-Dielhe<strong>im</strong><br />
Die Lehrkräfte aktuell<br />
Matthias Paul<br />
Petra Kirsch<br />
Die Lehrkräfte bislang<br />
Vera Bühl<br />
Jutta Werbelow<br />
Ariane Hellinger<br />
Yvonne Zahn<br />
Ann Kristin Ebert<br />
Jan-Bart de Clerc<br />
Gisela Sieron<br />
In 20 <strong>Jahre</strong>n wurden durch das <strong>Theater</strong>-<br />
Unterrichtprojekt 80 Kinder und Jugendliche<br />
ausgebildet!<br />
Die Aufführungsorte<br />
Kulturhalle, Dielhe<strong>im</strong><br />
<strong>Theater</strong> <strong>im</strong> <strong>Bahnhof</strong>, Dielhe<strong>im</strong><br />
Rathaus II, Innenhof, Dielhe<strong>im</strong><br />
Beteiligungen<br />
Schultheaterwochen, Mannhe<strong>im</strong><br />
Spezielle Aufführungen<br />
Le<strong>im</strong>bachtalschule, Dielhe<strong>im</strong><br />
Ottheinrich Gymnasium, Wiesloch<br />
Johann-Philipp-Bronner-Schule, Wiesloch<br />
Berta-Benz Realschule, Wiesloch<br />
Aufführungen pro Inszenierung<br />
Zwischen 4 und 10 Aufführungen<br />
Die Gruppen aktuell<br />
Altersklasse 10-17 <strong>Jahre</strong> mit 10 Teilnehmern<br />
Altersklasse 18-25 <strong>Jahre</strong> mit 7 Teilnehmern<br />
Anzahl der Gruppen und Teilnehmer<br />
Die Anzahl bewegt sich zwischen 2 und 3,<br />
die Teilnehmerzahl zwischen 15 und über 30.<br />
74
75<br />
Aufgaben <strong>im</strong> <strong>Theater</strong> gibt es viele und ganz<br />
spezielle wie die Bühnentechnik, der Kulissenbau,<br />
die Herstellung der Requisiten und Kostüme. Alles<br />
aber dient nur einem großen Ziel: der Aufführung.<br />
Eine Unterrichtstunde bei den <strong>Bahnhof</strong>kids<br />
ist, von außen betrachtet, etwas chaotisch.<br />
Doch dahinter steckt System. Denn <strong>Theater</strong><br />
ist zunächst mal das Spiel mit Kreativität und<br />
Phantasie. Wenn alles in die richtigen Bahnen<br />
gelenkt wird, entstehen daraus Tragödien, Komödien<br />
oder auch Kinderstücke, wie bei den<br />
<strong>Bahnhof</strong>kids. Deshalb lautet die Devise: Spaß<br />
muss es machen! So erklärt sich auch das<br />
scheinbare Chaos. Ja, da wird oft gelacht und<br />
herumgealbert, was sich aber be<strong>im</strong> genaueren<br />
Betrachten als bewusste Improvisationsübung<br />
herausstellt, mit dem Ziel, Selbstsicherheit und<br />
Vertrauen zu fördern. Da ist auch die Lust<br />
am Verkleiden, dem In-eine-andere-Rolleschlüpfen<br />
zu spüren. Dazu werden gezielt aber<br />
spielerisch Ausdrucksmöglichkeiten erarbeitet,<br />
Bewegungs- und Haltungsformen und die<br />
Wahrnehmung trainiert, um alles später in der<br />
Rolle abrufbereit zu haben. Auch das macht<br />
Spaß. Es macht auch Freude festzstellen, was<br />
man aus abgelegter Kleidung und Schaumstoff<br />
an phantastischen Gebilden erschaffen kann.<br />
Und das geht weiter, wenn es darum geht, <strong>im</strong><br />
Kleister zu matschen und mit Farbe dem kreativen<br />
Spiel freien Lauf zu lassen für das Bühnenbild,<br />
oder Gags und Ideen entstehen zu lassen,<br />
um sie dann in das Stück einzubauen. Doch es<br />
ist auch die Freude am Tag der Aufführung, die<br />
Gewissheit, etwas Großes geleistet zu haben,<br />
die freudigen Gesichter <strong>im</strong> Publikum und die<br />
herzliche Umarmung zu erleben, wenn alles<br />
geklappt hat. Das alles lohnt die Mühe - die<br />
Mühe? Ja, es ist auch Mühe. Aber gern getane<br />
Mühe ist Freude. Auf die richtige Balance<br />
kommt es an. Und darum sorgen und kümmeen<br />
sich bei uns in Dielhe<strong>im</strong> speziell ausgebildete<br />
<strong>Theater</strong>lehrerinnen und -lehrer zusammen<br />
mit dem <strong>Theater</strong> <strong>im</strong> <strong>Bahnhof</strong>.
Darstellendes Spiel in Bildern<br />
<strong>Theater</strong> mit jungen Menschen <strong>im</strong> <strong>Theater</strong> <strong>im</strong> <strong>Bahnhof</strong><br />
<strong>Bahnhof</strong>skids und Junge Erwachsene Unter diesen Namen firmiert der Nachwuchs <strong>im</strong> <strong>Theater</strong> <strong>im</strong><br />
<strong>Bahnhof</strong>. Unter professioneller Führung ausgebildet, geben die jungen Menschen Zeugnis davon,<br />
was heute <strong>im</strong> Jugendtheater möglich ist: Aufführungen, die berühren, die vor Spielfreude sprühen<br />
und die spüren lassen, wie sinnvoll kreatives Tun für die Entwicklung von Menschen ist.<br />
Links von oben nach unten:<br />
„Ferienspaß“ freie Improvisationen -<br />
„Bühnentechnik“ für Kinder<br />
„Der Widerspenstigen Zähmung“ - 2010<br />
Rechts von oben nach unten:<br />
„Eine Woche voller Samstage“ - 2003<br />
„Momo“ - 1997<br />
76
77<br />
Links oben bis unten:<br />
„Urmel aus dem Eis“<br />
- 2013<br />
„Bunbury“ - 2004<br />
„Eine Woche voller<br />
Samstage“ - 2003<br />
Rechts Mitte u. unten:<br />
„Warten auf Godot“<br />
- 2003<br />
„Momo“ - 1997
Drei Wörter, zwei Bedeutungen, ein Haus<br />
<strong>Theater</strong> <strong>im</strong> <strong>Bahnhof</strong> Diese drei Worte sind nicht nur ein Name, sondern Programm. Möglich wurde<br />
dies durch etwas Glück, gute Ideen, beherzte Entscheidungen, Hilfe von außen und eine Menge<br />
Tatkraft. <strong>Theater</strong> <strong>im</strong> <strong>Bahnhof</strong> steht nicht nur für eine Vereinigung von <strong>Theater</strong>freunden, sondern auch<br />
für ein <strong>Theater</strong>haus; klein, fein, überschaubar und unendlich wichtig für den Verein „<strong>Theater</strong> <strong>im</strong> <strong>Bahnhof</strong>“.<br />
Wir sind überzeugt: Dieses Haus ist darüberhinaus ein wichtiger kultureller Beitrag für unsere<br />
Gemeinde und die nahe Region. Die Bilder zeigen, worauf wir alle ein wenig Stolz sein dürfen.<br />
78
79<br />
Der Hauptmann von Köpenik von Carl Zuckmayer<br />
Eine Tragikomödie - Jubiläumsaufführung zum 5zigsten<br />
Manfred Maier Schuster Wilhelm Voigt<br />
Peter Laier Schwager Friedrich Hoprecht<br />
Sabine Rachel Frau Marie Hoprecht<br />
Willi Mann Bürgermeister Obermüller, Kallenberg und Gefangener<br />
Gudrun Göhler Frau Mathilde Obermüller und Tingel-Tangel-Sängerin<br />
Bernd Winter Adolf Wormser, Prokurist Knell, Buttje, Zuchthausdirektor, 1. Bahnbeamter<br />
Edgar Sauer Zuschneider Wabschke, Jellinek, Gefangener, 2. Bahnbeamter, Soldat<br />
Sophie Herrmann Krankes Mädchen, Kellnerin<br />
Winfried Fuchs Krakauer, Gebweiler, Gefangener, Rosencrantz, Kr<strong>im</strong>inaldirektor<br />
Tobias Behner Hauptmann von Schlettow, Feldwebel, Kr<strong>im</strong>inalinspektor<br />
Hildegund Sauer Herbergsmutter, Tingel-Tangel-Sängerin<br />
Edgar Greulich Oberwachtmeister, Grenadier, Gefangener, Zeck<br />
Hannelore Weinmann Fanny, Tingel-Tangel-Sängerin, Bänkelsängerin<br />
Rudolf Sauer Arbeitsuchender, Solojodler, Gefangener, Stadtschutzmann Killian<br />
Gill Herrmann Plörösenmieze, Sängerin<br />
Eberhard Weinmann Soldat, Bulcke, Zivilist, Gefangener, Gefreiter<br />
Tatjana Stadter Tingel-Tangel-Direktorin, Bänkelsängerin<br />
Klaus Hofstetter Zivilist, Soldat, Gefangener<br />
Hristina Wagner Kellnerin, Tingel-Tangel-Tänzerin<br />
Gilbert Ritz Bänkelsänger, Schlangenbeschwörer, Aufseher<br />
Dieter Fuchs Zivilist, Gefangener, Dienstmann<br />
Franz Mann Schutzmann<br />
Masken, Frisuren Waltraud Kloé, Lore Becht, Gabriele Sauer, Annerose Sutter<br />
Kostüme Loni Rössler, Roswita Ferdinand<br />
Bühne Peter Knopf, Harald Rudolf, Rudolf Sauer<br />
Technik Roland Laier, Malte Kappelhoff<br />
Souffleuse Evelyne Sauer<br />
Regieassistenz Hildegund Sauer<br />
Inszenierung Manfred Maier<br />
Carl Zuckmayer entlarvt in dem Stück „Der Hauptmann von Köpenick“ die Obrigkeitsgläubigkeit<br />
<strong>im</strong> Deutschen Reich. So wie David sich Goliath stellt und ihn besiegt, führt der „Hauptmann von<br />
Köpenick“ pfiffig und unerschrocken einen Schelmenstreich gegen die Staatsmacht durch. Das<br />
dient Carl Zuckmayer dazu, sowohl den Bürokratismus als auch den Militarismus in Preußen<br />
satirisch aufs Korn zu nehmen. Geschickt entwickelt er neben der eigentlichen Handlung auch<br />
die gegenläufige Geschichte der Hauptmanns-Uniform.
5zig <strong>Jahre</strong><br />
<strong>Theater</strong> <strong>im</strong> <strong>Bahnhof</strong><br />
Zu guter Letzt<br />
Zeit <strong>im</strong> Rampenlicht - eine wertvolle Zeit, auch in Zukunft<br />
Aus bescheidenen Anfängen heraus... Immer<br />
wieder werden solche Worte bemüht, wenn<br />
es um einen Rückblick geht, weil es meist auch<br />
st<strong>im</strong>mt. Doch viel wichtiger ist, was daraus<br />
geworden ist, und noch interessanter, was<br />
diese Zeit mit uns gemach hat, mit denjenigen,<br />
die eine weite Strecke mitgegangen sind,<br />
vielleicht sogar bis heute? Letzteres lässt sich<br />
nur feststellen, wenn man das Vergangene<br />
nicht nur betrachtet, sondern wertet, wenn<br />
man kaum sichtbaren Strängen folgend die<br />
dem System Amateurtheater innewohnenden<br />
Regeln erkennt, die wegweisend, best<strong>im</strong>mend,<br />
ausschlaggebend dafür waren und noch<br />
<strong>im</strong>mer sind. Oder ist es eher die freiwillige<br />
Organisationsform „Verein“, die stärker prägt<br />
als die zugrunde liegende Idee? Nach <strong>50</strong><br />
<strong>Jahre</strong>n <strong>Theater</strong> <strong>im</strong> <strong>Bahnhof</strong> lässt sich feststellen:<br />
Amateurtheater prägt die Beteiligten äußerst<br />
nachhaltig und sehr positiv. Da ist zunächst die<br />
Form: Bühnenspiel, angesiedelt zwischen Berufs-<br />
und Laienbühne; eine <strong>Theater</strong>form, die die<br />
Laienspieltradition nicht verneint, keinem kommerziellen<br />
Zwang unterliegt und die <strong>Theater</strong><br />
als Kunstform begreift, bereit, sich künstlerischen<br />
Kriterien zu stellen. Ein weiterer Aspekt ist für<br />
Amateure noch bedeutender: <strong>Theater</strong>spielen<br />
heißt nicht nur, anderen Menschen Unterhaltung<br />
zu bringen, sondern durch das Erarbeiten<br />
dramatischer Texte die eigene Persönlichkeit<br />
<strong>im</strong> Zusammenspiel mit Anderen zu entfalten. Es<br />
heißt auch, sich einordnen in das Gesetz des<br />
Kreises, in dem jeder seine Aufgabe erfüllt, die<br />
seiner Fähigkeit entspricht. So kann sich soziales<br />
Empfinden, Sensibilität, die Fähigkeit zur Empa-<br />
thie und zu künstlerischem Erleben entfalten;<br />
alles Dinge, die nicht verkümmern dürfen; ganz<br />
besonders in unserer Gesellschaft, in der Beliebigkeit<br />
triumphiert. Wenn wir Menschen uns in<br />
unserem Wesen verwirklichen wollen, brauchen<br />
wir das; um so dringlicher, je mehr die Beliebigkeit<br />
Raum greift. <strong>Theater</strong> verlangt körperliche<br />
Aktivität und fordert geistige Beweglichkeit<br />
be<strong>im</strong> Arbeiten mit Text und dem Umsetzen des<br />
Stoffes in die mediengerechte Form. Spieler, Regie,<br />
die Technik, die Maske und Werbung sehr<br />
direkt, aber auch indirekt die Administration<br />
und Verwaltung, also alle Beteiligten schaffen<br />
zusammen einen Wert, der durch die Präsentation<br />
vor Publikum zu einem starken Erlebnis<br />
wird. Das alles geschieht freiwillig, organisiert in<br />
einem Verein. Immer noch machen sich nur wenige<br />
Vereine Gedanken über ihre Vereinskultur:<br />
Wie ist das Miteinander beschaffen, was fügt<br />
zusammen, was trennt? Gibt es ungeschriebene<br />
Gesetze? Sind diese sinnvoll? Wie gut oder<br />
schlecht wird kommuniziert, nach innen und<br />
nach außen? Gehen wir achtsam miteinander<br />
um? Dies alles sind wichtige Kriterien, die über<br />
den Erfolg entscheiden und prägend wirken.<br />
Dass <strong>Theater</strong> zur Mitmenschlicheit erzieht, deutet,<br />
anregt, herausfordert, unterhält und erbaut,<br />
gilt für theaterschaffende Amateure und Publikum<br />
gleichermaßen. Die 5zig <strong>Jahre</strong> <strong>Theater</strong><br />
<strong>im</strong> <strong>Bahnhof</strong> haben allen Beteilgten auf ihrem<br />
Weg durch die Zeit geholfen, ihre Persönlichkeit<br />
zum Positiven für sich und die Gesellschaft zu<br />
entwickeln - eine wertvolle Zeit. Es bleibt zu<br />
wünschen, dass junge Menschen nachkommen<br />
und Gleiches empfinden und erleben.<br />
80
81<br />
Der Revisor - 2011<br />
Das Leben geht weiter. Annehmen, gute<br />
Entscheidungen treffen. Miteinander und für<br />
einander da sein. Und für unser Publikum.<br />
Danke<br />
unserem Publikum!
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www.theater<strong>im</strong>bahnhof.com<br />
„Wer bereit ist, aus Liebe zu einigen Quadratmeter Bretterboden und<br />
aus Begeisterung für das Stück Leben, das aus diesen Brettern entstehen<br />
kann, alles auf sich zu nehmen und jede Kleinigkeit und jede<br />
Schmutzarbeit mit der gleichen Liebe zu tun, mit der er eine große Rolle<br />
spielt oder faszinierende Regie führt – das ist ein <strong>Theater</strong>mensch.“<br />
J.B. Barrault