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50 Jahre Theater im Bahnhof

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für Kinder eingestuft und kurzerhand ins Freie<br />

befördert. Die Antwort darauf war ein offener<br />

Brief in Form eines Flugblattes, der Ärger und<br />

eine Gerichtsverhandlung einbrachte. Dessen<br />

ungeachtet ging der Spielbetrieb weiter: Immer<br />

mehr gab es „Tourneen“ mit Stücken, wie der<br />

„Meisterlügner“, die zunächst <strong>im</strong> Pfarrsaal<br />

Premiere feierten, und <strong>im</strong> Spätherbst gab man<br />

ein aufwändiges Stück auf der großen Bühne<br />

der heutigen Kulturhalle. Der Erfolg war schwer<br />

erkauft: ohne Raum zum Proben, auch nicht<br />

für den Bau und die Lagerung der Kulissen. In<br />

allen Sälen herrschte „Bauverbot“, und nicht<br />

der kleinste Nagel durfte in den Bühnenboden<br />

versenkt werden. Es brauchte Erfindergeist und<br />

Glück, denn dieser Zustand gefährdete das<br />

<strong>Theater</strong>projekt. Das Glück kam<br />

in Gestalt einer kleinen ehemaligen<br />

Bäckerei und wurde<br />

be<strong>im</strong> Schopf gepackt: Besichtigen,<br />

Pläne schmieden, Preis<br />

verhandeln, zuschlagen. In<br />

dieser Reihenfolge kam man<br />

zum ersehnten Clubraum und<br />

einer Scheune als Lager. Die<br />

Freude war groß und legte<br />

sich schnell: Der riesige Backofen<br />

störte und musste raus.<br />

Überlegungen halfen nichts;<br />

Muskelkraft war angesagt. Das so he<strong>im</strong>elig<br />

aussehende Teil mit seiner riesigen Brotluke<br />

erwies sich als hartnäckiges Unikum. Viel<br />

Schweiß, gepaart mit einem unbeugsamen<br />

Willen, zwangen den Backofen raus und einen<br />

ansehlichen Clubraum rein. Diese Maßnahme<br />

wirke sich strukturell und personell positiv aus:<br />

Zu der inzwischen zum e.V. mutierten „Spielgruppe<br />

63“ stießen <strong>im</strong>mer mehr Mitglieder,<br />

was hochfliegenden Plänen Auftrieb verlieh.<br />

So gerüstet, wurden jetzt ganz große „Brötchen“<br />

gebacken: gesprochener Text allein<br />

auf der Bühne genügte plötzlich nicht mehr,<br />

jetzt sollten es auch Lieder sein. Das Musical<br />

„Halleluja Billy“, bescheiden als „Songstück“<br />

angekündigt, entsprach den Vorstellungen und<br />

geriet unversehens zum „Gesellenstück“ oder,<br />

besser gesagt, zum Start in eine Ära, die bis<br />

heute in ihren Grundzügen noch besteht. Den<br />

über 40 Mitwirkenden gelang es spielend,<br />

singend und tanzend und unterstützt von der<br />

6 Mann starken Band „Blue Dominos“, die<br />

Herzen der Zuschauer zu erobern. Obgleich<br />

bei den Vorbereitungen wegen der D<strong>im</strong>ensionen<br />

fast gescheitert, wurde mit „Halleluja Billy“<br />

ein Meilenstein gesetzt. Eine Einladung zu den<br />

Deutsch-Französischen-<strong>Theater</strong>tagen in Barle-Duc<br />

(Frankreich) war die Folge. Auch dort<br />

erregte die Inszenierung Aufsehen und<br />

Plakat und Szenenbilder aus Halleluja Billy, 1973<br />

wurde mit einer Goldmedaille ausgezeichnet.<br />

Ereignisreiche Tage und eine kleine Tournee<br />

schlossen sich an. Im Rückblick lässt sich<br />

feststellen, das Stück war ein Kraftakt in allen<br />

Bereichen und brachte die Mitwirkenden an<br />

die Grenze des Machbaren, auf der Bühne<br />

und in der Organisation. Gleichzeitig wurde<br />

ein deutliches Zeichen gesetzt, nach innen wie<br />

nach außen; nach innen, weil es gelang, auch<br />

mit Hilfe von Fachkräften in der Choreografie<br />

und der Musik die eigenen Grenzen weit<br />

hinauszuschieben; und nach außen, weil die

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