50 Jahre Theater im Bahnhof
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Hinter einem großen Werk steckt <strong>im</strong>mer eine mehr oder weniger zündende Idee. Diese gilt es zu<br />
entwickeln. Dazu wird sie „abgeklopft“, geprüft, verworfen, verglichen, geformt, geändert, angepasst,<br />
feingeschliffen, realisiert und schließlich dem staunenden Publikum präsentiert. Die Rede ist hier nicht<br />
von einer erhabenen Inszenierung, sondern vom Bühnenbild schlechthin, dem Ort einer dramatischen<br />
Handlung. Genauer gesagt handelt es sich um ein Bild, das die Zuschauer sich vom Ort des<br />
Geschehens machen sollen, oder eben auch nicht. Und genau das ist die Crux. Deshalb ist die Idee<br />
wichtig, und zwar lange bevor die erste Schraube ihren Weg durch Holz windet.<br />
Den Spielort gibt der Autor des Stückes vor. Soweit,<br />
so gut. Wie ist er aber nun beschaffen?<br />
Was zeichnet ihn aus? Diese und viele weitere<br />
Fragen verschweigt uns der Autor. Und das ist<br />
gut so, denn nur so können die Männer vom<br />
Bühnenbau kreativ werden und eine Idee, in<br />
Absprache mit der Regie, gebären, entwickeln<br />
und... (siehe oben). Die Idee hat in unserem Falle<br />
viele Väter: das Stück, die Regie, den oder die<br />
Bühnenbildner. Ideen sind Produkte mit einer<br />
kurzen Verfallzeit. Deshalb werden sie festgehalten<br />
als Skizze und als Beschreibung. Danach<br />
wechselt die Idee ihren Aggregatzustand in<br />
kurzen Intervallen: vom Skizzenblatt in den Kopf<br />
und zurück in <strong>im</strong>mer kürzeren Zeitabständen.<br />
(Dazu bitte den Bildteil beachten). Der Vorgang<br />
hält an, bis schließlich der, erst auf den zweiten<br />
Blick weise, Satz fällt: „Wenn alles st<strong>im</strong>mig<br />
ist, dann passt es auch.“ Gemeint ist: Liegt eine<br />
Einheit zwischen Autor, Bühnenbildnerei und Regie<br />
vor und ist anzunehmen, dass alle Anliegen<br />
des Stückes fehlerlos zum Besucher transportiert<br />
werden und das Ganze alle praktischen,<br />
gesetzgeberischen, sicherheitstechnischen und<br />
natürlich auch alle künstlerischen Kriterien erfüllt,<br />
dann ist es an der Zeit, Holz, Nägel, Schrauben,<br />
Farbe und Textilien zu bestellen.<br />
Was ab jetzt passiert, ist Handwerkskunst, nicht<br />
vom Allerfeinsten, da alles nicht lange gebraucht<br />
wird, aber dafür vom Haltbarsten für kurze Zeit<br />
und von besonderen Nutzen und oft mit dem<br />
bei den Erbauern beliebten Ah- und Oh-Effekt.<br />
Vom Publikum geäußert, wird dieser als „beson-<br />
Von Bildern und Bauten<br />
ders wertvoll“ eingestuft. Und wenn be<strong>im</strong> Spiel<br />
das Bühnenbild hält, was seine Optik verspricht,<br />
dann lächelt sogar die Spielleitung unauffällig.<br />
Was aber, wenn verlangt wird, den Ort zu verschweigen,<br />
bzw. die Regie es für besser erachtet,<br />
der Zuschauer möge doch bitteschön den<br />
Ort in seinem Kopf herstellen und mit eigenen<br />
Farben ausmalen? Dann und wirklich nur dann,<br />
bleibt die Bühne leer; von ein paar Requisiten<br />
abgesehen. Aber auch diesem Zustand liegt<br />
eine Idee zu Grunde, die erst einmal geboren<br />
und entwickelt werden muss.<br />
Der profane Auf- und Abbau der Kulissen ist auf<br />
der nach oben offenen Genuss-Skala für Bautenteams<br />
unten angesiedelt. Trotzdem geschieht<br />
auch das ohne Murren, dafür aber rustikal und<br />
lautstark.<br />
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