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„Ich lebe wie<strong>der</strong>“<br />

Interview mit Corina Heinel,<br />

Bewohnerin von Haus Noah<br />

Corina Heinel ist 48 Jahre alt und<br />

seit März 2009 im Haus Noah,<br />

nachdem sie sich vorher einer Alkoholentgiftung<br />

unterzogen hatte.<br />

Anke Kück-Adamski, Mitarbeiterin<br />

in Haus Noah, sprach mit ihr über<br />

ihre Erfahrungen.<br />

Können Sie sich noch an Ihre Gefühle<br />

erinnern, als Sie im Frühjahr<br />

2009 hier in Haus Noah ankamen?<br />

Ich war wütend auf alle an<strong>der</strong>en, auf<br />

mich auch, und war unzufrieden mit<br />

Gott und <strong>der</strong> Welt und allem. Zum<br />

ersten Mal habe ich meine Situation<br />

erkannt: Ich war einfach am Boden.<br />

Als ich nach <strong>der</strong> Alkoholentgiftung<br />

zum Vorstellungsgespräch kam,<br />

kam ich zuerst die Treppe gar nicht<br />

hoch, solche dicken Füße hatte ich.<br />

Ich habe gepustet wie ein Ofenloch.<br />

Kaputt war ich, fertig, und gab allen<br />

an<strong>der</strong>en die Schuld an allem, nur mir<br />

selbst nicht.<br />

Was ist an<strong>der</strong>s geworden, seit Sie<br />

hier sind?<br />

Früher konnte ich nur mal gerade<br />

das Nötigste einkaufen gehen, habe<br />

sonst nur geschlafen, getrunken<br />

und so gut wie gar nichts gegessen.<br />

Teilnahmslos war ich. Seit <strong>der</strong><br />

Entgiftung bin ich trocken geblieben.<br />

Ich überblicke seither alles viel klarer<br />

und habe keine Angst mehr. Ich ziehe<br />

mich nicht mehr so schnell in mein<br />

Schneckenhaus zurück, son<strong>der</strong>n<br />

gehe auf an<strong>der</strong>e Menschen zu, kann<br />

mich ihnen gegenüber auch viel<br />

besser ausdrücken.<br />

Sehen Sie sonst noch Verän<strong>der</strong>ungen?<br />

Ich rauche weniger, und ich habe<br />

einen Platz in <strong>der</strong> Arbeitstherapie.<br />

Das hätte ich früher nie geschafft.<br />

Zehn Stunden die Woche arbeite ich<br />

jetzt in <strong>der</strong> Bäckerei und kümmere<br />

mich dort um die Wäsche, die ganze<br />

Arbeitsbekleidung.<br />

Sie setzen sich aber nicht nur dort<br />

Interview<br />

2/2010<br />

ein. Auch bei uns in Haus Noah<br />

ergreifen Sie oft die Initiative. Viele<br />

unserer Salate kommen ja von<br />

Ihnen!<br />

Ja, ich mochte schon immer gern in<br />

<strong>der</strong> Küche rumwerkeln. Und wenn<br />

ich nachmittags nichts an<strong>der</strong>es vorhabe,<br />

gucke ich gern mal nach, was<br />

wir noch an Resten vom Mittagessen<br />

haben, Kartoffeln o<strong>der</strong> Nudeln, und<br />

dann bastele ich einen Salat daraus.<br />

Für bis zu 24 Personen! Und an<strong>der</strong>e<br />

Dinge stellen Sie ja auch noch auf<br />

die Beine.<br />

Stimmt, wir waren mal mit einer<br />

Gruppe Leuten im Kino, ohne Mitarbeiter.<br />

Nächste Woche gehen ein<br />

paar Leute von uns ohne Mitarbeiter<br />

zum Griechen zum Essen, und vor einiger<br />

Zeit waren wir beim Chinesen.<br />

Und Sie organisieren viel im Haus,<br />

sprechen Leute an, halten die Fäden<br />

in <strong>der</strong> Hand, telefonieren…<br />

Ja, wenn mir etwas Spaß macht,<br />

dann mache ich einfach drauflos.<br />

Ich finde es phänomenal, wie gut<br />

Sie unsere Impulse zur Selbständigkeit<br />

für sich genutzt haben. Wie<br />

kam es dazu?<br />

Seit ich wie<strong>der</strong> nüchtern bin, habe<br />

ich gemerkt: Ich lebe wie<strong>der</strong>! Ich<br />

kriege wie<strong>der</strong> was auf die Reihe, ich<br />

kann mir mehr zutrauen. Geholfen<br />

hier im Haus Noah haben mir viele<br />

Gespräche, Gedankenaustausch,<br />

Beobachtungen – wie <strong>der</strong> eine sein<br />

Leben regelt und wie <strong>der</strong> an<strong>der</strong>e.<br />

Haben Sie schon Pläne für die<br />

Zukunft?<br />

Entwe<strong>der</strong> möchte ich in eine eigene<br />

kleine Wohnung, wo ab und zu mal<br />

ein Betreuer nach mir sieht, o<strong>der</strong><br />

in eine Zweier-WG. Vielleicht so in<br />

einem Jahr könnte ich das mal in<br />

Angriff nehmen.<br />

Gibt es etwas, was Sie bis dahin<br />

noch gern erreichen würden?<br />

Noch mehr Selbstbewusstsein und<br />

Durchsetzungsvermögen. Manch-<br />

mal lasse ich mich noch zu schnell<br />

einschüchtern. Das ist das Wichtigste.<br />

Und ich möchte weiterhin Gruppen<br />

aufsuchen. Früher fiel mir das zu<br />

schwer, da hab ich die Zeit dann<br />

abgesessen und mir hinterher eine<br />

Buddel gekauft.<br />

Bei uns im Haus hat sich in den<br />

letzten Jahren einiges verän<strong>der</strong>t.<br />

Es sind neue Ideen entwickelt<br />

worden, und die Bewohner haben<br />

mehr Freiheiten bekommen. Was<br />

halten Sie davon?<br />

Ich kenne das Haus nur so mit vielen<br />

Freiheiten. Ich finde es zum Beispiel<br />

gut, dass wir das Wochenende ab<br />

Sonnabend Mittag frei haben. Dann<br />

kann ich meinen Bru<strong>der</strong> besuchen,<br />

meinen Freund, und ich kann meinen<br />

Bekanntenkreis außerhalb von Haus<br />

Noah wie<strong>der</strong> neu aufbauen und<br />

pflegen, so dass ich auch da Kontakte<br />

habe. Man ist ja hier nicht festgebunden,<br />

wir können alle raus.<br />

Wenn Sie drei Ideen für uns im<br />

Haus hätten, was Sie verän<strong>der</strong>n<br />

möchten, ganz egal, ob es sich<br />

realisieren ließe o<strong>der</strong> nicht: Was<br />

wäre das?<br />

Zum einen dürfen wir ja keine Handys<br />

haben, was ich auch für sinnvoll<br />

halte. Aber ich fände es gut, wenn<br />

diejenigen Bewohner, die gut denken<br />

können, ein Handy mitnehmen<br />

könnten, wenn man unterwegs ist,<br />

eine Art Notfallhandy. Dann könnten<br />

sie problemlos einfach anrufen, wenn<br />

zwischendurch irgendetwas ist. Zum<br />

an<strong>der</strong>en wäre es gut, wenn die Bewohner<br />

ständig einen Überblick über<br />

ihren aktuellen Kontostand hätten,<br />

ohne dass man erst in <strong>der</strong> Verwaltung<br />

nachfragen muss. Das ist alles<br />

für den Moment.<br />

Die Hinweise nehme ich gerne mit!<br />

Herzlichen Dank für das Gespräch!

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