Download - Sozialwerk der Freien Christengemeinde Bremen eV
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Ein Leben voller Neuanfänge<br />
„Etwa alle fünf Jahre hat es mich<br />
gejuckt, und dann spürte ich, es war<br />
etwas Neues dran.“ Schon immer<br />
wollte Elmar Seiwert dazu lernen, an<strong>der</strong>e<br />
Orte sehen, neue Erfahrungen<br />
machen. So ist wohl kaum ein Lebensweg<br />
auf so vielfältige Weise mit<br />
dem <strong>Sozialwerk</strong> verbunden wie das<br />
von Elmar Seiwert. In guten und in<br />
schlechten Zeiten hat es füe ihn eine<br />
entscheidende Rolle gespielt.<br />
Anfang <strong>der</strong> 80er Jahre ist er Sozialarbeiter<br />
und Supervisor in Berlin, als er<br />
den Drang nach etwas Neuem spürt.<br />
<strong>Bremen</strong> möchte er kennenlernen<br />
und zuvor mal etwas ganz an<strong>der</strong>es<br />
machen: Ein halbes Jahr lang reisen<br />
er und seine Frau mit dem Campingbus<br />
durch Nordafrika.<br />
Über eine Arbeitsvermittlung lernt er<br />
dann das <strong>Sozialwerk</strong> <strong>der</strong> <strong>Freien</strong> <strong>Christengemeinde</strong><br />
kennen. Es ist 1982,<br />
und das <strong>Sozialwerk</strong> steckte noch in<br />
den Kin<strong>der</strong>schuhen. Pionierarbeit ist<br />
zu leisten, auch das ist ein Abenteuer<br />
nach seinem Geschmack. „Angefangen<br />
habe ich noch in <strong>der</strong> Privatwohnung<br />
von Heinz Bonkowski.“<br />
Überall gibt es etwas zu tun. Seiwert<br />
arbeitet sich schnell ein. Er kümmert<br />
sich um Bürokratie und Gelddinge,<br />
beschäftigt sich mit den Bewohnern,<br />
organisiert Feste und gründet die<br />
erste Mitarbeitervertretung. Überall<br />
ist Aufbruchsstimmung, und das<br />
Leben macht Spaß. Er fühlt sich zur<br />
richtigen Zeit am richtigen Platz.<br />
Eines freut ihn beson<strong>der</strong>s: „Ich war<br />
<strong>der</strong> erste Mitarbeiter des <strong>Sozialwerk</strong>s,<br />
<strong>der</strong> nicht Mitglied <strong>der</strong> Pfingstgemeinde<br />
war. Das empfinde ich noch heute<br />
als große Ehre.“ Mit den Zielen des<br />
Erfahrungsbericht<br />
2/2010<br />
<strong>Sozialwerk</strong>s und dem Leitsatz „Nehmt<br />
einan<strong>der</strong> an!“ kann er sich genauso<br />
identifizieren. „Ich glaube auch nicht,<br />
dass es irgendjemandem aufgefallen<br />
ist, dass ich kein Pfingstler war.“<br />
Seine Frau Liebgard lässt sich gern<br />
von ihm für seine Unternehmungen<br />
begeistern. „Er hat mich zum Glück<br />
immer mitgerissen. Sonst hätte ich<br />
im Leben nie so viel kennengelernt“,<br />
sagt sie. 1986 kommt auch sie zum<br />
<strong>Sozialwerk</strong>. Sie betreut Menschen mit<br />
seelischen Erkrankungen. In diesen<br />
Jahren wird die große Klinik Blankenburg<br />
aufgelöst und die Patienten<br />
kommen dezentral unter, unter an<strong>der</strong>em<br />
im <strong>Sozialwerk</strong>. Es zeigt sich, dass<br />
schon damals „Empowerment“ (s. S.<br />
10/11) ein wichtiges Thema ist, ohne<br />
dass es dieses Schlagwort schon gibt:<br />
Die Menschen, die sich über Jahre<br />
o<strong>der</strong> gar Jahrzehnte dem großen<br />
Klinikbetrieb anpassen mussten, sind<br />
unselbständig geworden. Es ist ein<br />
hartes Stück Arbeit, dass sie wie<strong>der</strong><br />
lernen, wenigstens etwas Verantwortung<br />
zu übernehmen: „Essen wollten<br />
sie, aber einkaufen nicht!“, so Liebgard<br />
Seiwert.<br />
1987 aber trennt Elmar Seiwert sich<br />
erst einmal wie<strong>der</strong> vom <strong>Sozialwerk</strong>.<br />
Warum? War etwas vorgefallen?<br />
„Nein, überhaupt nicht! Das war<br />
wohl mein Fünf-Jahres-Rhythmus.<br />
Etwas Neues war dran, es juckte mich<br />
eben wie<strong>der</strong>.“ Und so verließ er das<br />
<strong>Sozialwerk</strong>, machte er sich als Sozialarbeiter<br />
selbständig. 14 Jahre lang<br />
gibt es wenig Berührungspunkte mit<br />
dem <strong>Sozialwerk</strong>. Dann kommt es zu<br />
einem großen Umbruch im Leben<br />
des Paares. Elmar Seiwert erleidet<br />
einen Unfall mit schwerem Schädel-<br />
Elmar Seiwert<br />
trauma. Er überlebt, aber alles wird<br />
an<strong>der</strong>s. Er ist gelähmt, kann nicht<br />
mehr sprechen, nichts mehr verstehen.<br />
Nun erlebt er das <strong>Sozialwerk</strong><br />
aus einer ganz an<strong>der</strong>en Perspektive.<br />
2003 kommt er als Tagesgast in die<br />
Tagespflege Grambke. „Es war zunächst<br />
seltsam, in <strong>der</strong> genau entgegengesetzten<br />
Position wie früher zu<br />
sein. Ich konnte selbst nichts mehr<br />
anpacken, son<strong>der</strong>n musste mir von<br />
meinen ehemaligen Kollegen helfen<br />
lassen.“<br />
Doch genau das ist auch hilfreich. Er<br />
kommt unter Freunde. Man kennt ihn<br />
und schätzt ihn, auch einige Tagesgäste<br />
kennt er bereits. Er wird so<br />
akzeptiert, wie er ist, mit seinen Behin<strong>der</strong>ungen<br />
und Einschränkungen.<br />
Er ist langsam, ja, na und? Hier darf er<br />
so sein, man stellt sich drauf ein.<br />
Die Tagestruktur hilft, wie<strong>der</strong> ins<br />
Gleichgewicht zu kommen. Er<br />
gewinnt an Zuversicht, nimmt mehr<br />
und mehr sein eigenes Leben wie<strong>der</strong><br />
in die Hand. Allmählich kommt er<br />
wie<strong>der</strong> auf die Beine. „Ich weiß nicht,<br />
was ohne die Tagespflege aus mir<br />
geworden wäre. Alle Menschen dort<br />
haben mir unendlich viel geholfen.“<br />
Heute lebt das Paar in <strong>der</strong> Seniorenwohnanlage<br />
am Oslebshauser Park.<br />
Liebgard Seiwert ist regelmäßig<br />
ehrenamtlich als Clownin in <strong>der</strong><br />
Tagespflege Oslebshausen, ihr Mann<br />
besucht weiterhin die Tagespflege<br />
Grambke. Alles geht langsamer<br />
als früher, aber dass ihr Lebensalltag<br />
wie<strong>der</strong> so viel normal werden<br />
könnte, hätten sie in den schweren<br />
Phasen nicht gedacht. „Insgesamt ist<br />
es ein Wun<strong>der</strong>, dass sich die Dinge so<br />
positiv entwickelt haben“, so Liebgard<br />
Seiwert.