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Nr. 65 Mai 2013<br />

www.muenchner-stadtgespraeche.de<br />

Münchner<br />

Stadtgespräche<br />

Gentechnik<br />

in unserem Essen<br />

Ein Risiko für Mensch und Umwelt?<br />

ImkereI und GentechnIk<br />

Nach den Bienen<br />

sind wir dran<br />

SprItzmIttel<br />

Allestöter<br />

Roundup<br />

manIpulIerte tIere<br />

Neues aus dem<br />

Gentech-Zoo


2<br />

die seite zwei<br />

Bio und mehr<br />

aus dem referat für gesundheit und umwelt<br />

Gesunde Lebensmittel für <strong>München</strong>s Schulkinder<br />

Mit noch gesünderer und nachhaltigerer Verpflegung in Schulen<br />

und Kindergärten will die Landeshauptstadt <strong>München</strong><br />

künftig neue Standards bei Tisch schaffen. Als erste Stadt<br />

bundesweit hat <strong>München</strong> den Bioanteil in der Schulverpflegung auf 50<br />

Prozent festgesetzt. Mit der einstimmigen Entscheidung hat der Stadtrat<br />

im Februar einen beispielhaften Weg geebnet: Denn nicht nur der Bioanteil<br />

ist verbindlich; so hat sich <strong>München</strong> für weitere Auflagen stark gemacht<br />

und setzt zusätzlich auf einen Frischkostanteil von 30 Prozent sowie<br />

auf Regionalität und Produkte aus artgerechter Tierhaltung.<br />

Frisch, bio, regional und artgerecht – so kann man den Anspruch an<br />

die Schulverpflegung zusammenfassen. Neben den Vorgaben zur Tierhaltung,<br />

die Produkte wie Eier, Fisch und Fleisch betreffen, sind auch<br />

Siegel-Zertifizierungen und der Verzicht auf Gentechnik einzuhalten. So<br />

sollen leckere und qualitativ hochwertige Mahlzeiten auf dem Teller landen.<br />

Machbar und finanzierbar<br />

Ziel der Landeshauptstadt ist, eine nachhaltige und gesunde Verpflegung<br />

zu moderaten Preisen zu sichern. Dass diese hohen Anforderungen<br />

an eine Schul- und Kindergartenverpflegung in der Praxis umsetzbar<br />

sind, zeigen die Auswertungen des Projekts „Bio für Kinder“ des<br />

Referats für Gesundheit und Umwelt und von Tollwood. 2006 begonnen,<br />

setzt es auf einen Bioanteil von 100 Prozent bei ausgewählten Schul-<br />

und Kinderbetreuungseinrichtungen mit durchschnittlichen Mehrkosten<br />

von 0,14 Euro pro Mahlzeit und Kind.<br />

Die Ergebnisse zeigen, dass das Vorhaben, von nun an alle Münchner<br />

Schulen und Kindergärten mit einem Bioanteil von immerhin 50 Prozent<br />

zu versorgen, machbar und finanzierbar ist. Wie sich der zusätzliche<br />

Anspruch, weitere 50 Prozent aus ausschließlich artgerechter Tierhaltung<br />

zu beziehen, finanziell auswirkt, ist im Vorfeld mit einer Studie überprüft<br />

worden: Die Mehrkosten liegen hier bei 0,15 Euro pro Kind und<br />

Mahlzeit, wenn man typische Speisepläne der Schulverpflegung zugrunde<br />

legt.<br />

Der Gewinn dieses neuen Konzeptes: Der Fleischkonsum wird reduziert<br />

und Fertigprodukte oder ungesunde Lebensmittel auf den Tellern<br />

werden durch gesunde und nachhaltige Produkte ersetzt. Zudem werden<br />

bei deren Herstellung keine Giftstoffe in die Umwelt ausgebracht<br />

und die artgerechte Tierhaltung wird gewährleistet.<br />

Familien und Schulen in der Pflicht<br />

Neben einer gesunden Ernährung sollen Kinder und Jugendliche auch<br />

durch ernährungspädagogische Angebote ihre Kenntnisse rund um Lebensmittel<br />

und ihre Verwendung und Wirkung verbessern. Die Aufgabe<br />

darf aber nicht nur der Verantwortung von Schulen überlassen werden,<br />

sondern muss auch in den Familien aufgegriffen werden. Die europaweite<br />

Ausschreibung für die Vergabe des Caterings in den Einrichtungen wird<br />

aktuell vom Referat für Bildung und Sport vorbereitet und ist frühestens<br />

im Herbst 2013 geplant. Danach soll es losgehen und <strong>München</strong> Vorbild<br />

für neue Wege in der Schul- und Kindergartenverpflegung werden.<br />

text Katrin Zettler, Angelika Lintzmeyer<br />

Referat für Gesundheit und Umwelt (RGU)<br />

FotoS RGU, Fotolia<br />

<strong>München</strong> schmeckt Bio!<br />

Mit „<strong>München</strong> schmeckt Bio!“ lädt das Referat für Gesundheit<br />

und Umwelt Erwachsene und Kinder ein, den Weg unserer<br />

Biolebensmittel vom Anbau bis zum Ladenregal zu<br />

erleben. Beim Aktionsprogramm der Biostadt <strong>München</strong> ist<br />

Mitmachen angesagt: Hier wird gegärtnert, geforscht, gebacken<br />

und gekocht – und natürlich werden auch leckere<br />

Bioschmankerl gekostet.<br />

Stadtteilwoche Neuhausen/Nymphenburg im Hirschgarten<br />

vom 15.-17. Juni 2013; Kinderkultursommer Festival,<br />

Theresienhöhe vom 25.-28. Juli 2013.<br />

Infos unter: www.muenchen.de/bio-fair


Münchner Stadtgespräche Nr. 65 5/2013<br />

3<br />

Editorial<br />

Liebe Leserinnen und Leser,<br />

es ist eine verlockende Vorstellung: Durch die gezielte Veränderung des Erbguts erschaffen<br />

ForscherInnen im Labor neue Pflanzensorten, die Dürreperioden trotzen und resistent gegen<br />

Schädlinge sind – zum Wohl der hungernden Menschen weltweit.<br />

Genmanipulierte Pflanzen sind seit Jahrzehnten Realität und es wird immer deutlicher, dass statt<br />

der erhofften Verbesserungen ein ökologisches und soziales Desaster eingetreten ist, von dem<br />

nur einige Großkonzerne profitieren. Immer größer werden auch die Bedenken, was die gesundheitlichen<br />

Folgen dieser Manipulation des Lebens angeht: Einmal in die Natur entlassen, verbreiten<br />

sich Gen-Pflanzen unkontrolliert, obwohl die Risiken für Mensch und Umwelt nicht ausreichend<br />

untersucht wurden.<br />

Mit diesem Heft wollen wir Ihnen einen Überblick über den Einsatz von Gentechnik in der Landwirtschaft<br />

geben, auf Risiken und Nebenwirkungen hinweisen und Alternativen aufzeigen – denn<br />

europäische VerbraucherInnen wollen kein Genfood auf ihren Tellern.<br />

Eine spannende und aufschlussreiche Lektüre wünscht<br />

Fabian Holzheid<br />

Inhalt<br />

02<br />

04<br />

07<br />

09<br />

„Nach den Bienen sind wir dran“<br />

Imker engagieren sich weltweit gegen Gentechnik<br />

Glyphosat und Roundup<br />

Giftige Spritzmittel bedrohen Gesundheit und Artenvielfalt<br />

Kein Buch mit sieben Siegeln<br />

12<br />

Ausverkauf des Lebens?<br />

14<br />

Bio und mehr<br />

Gesunde Lebensmittel für <strong>München</strong>s Schulkinder<br />

Genfood auf unseren Tellern<br />

Die uneingelösten Versprechen der Gentechnik<br />

Diese Labels schützen zuverlässig vor Genfood<br />

Patente auf Tiere und Pflanzen<br />

15 Die Stecknadel im Heuhaufen<br />

16<br />

19<br />

20<br />

22<br />

07<br />

09<br />

22<br />

Darf Gentechnik Schule machen?<br />

Die fragwürdige Nachwuchsarbeit der Industrie<br />

Wie Kontrolleure nach verstecktem Genfood fahnden<br />

18 Die Saat des Zweifels<br />

Gemeinsam gegen Gentechnik<br />

Wie Sie aktiv werden können<br />

Der widerspenstige Filmemacher Bertram Verhaag<br />

Es geht auch ohne Genpflanzen!<br />

Erfolge im Kampf gegen Gentechnik auf dem Acker<br />

Mit Gentech in die Zukunft?<br />

Von Turbo-Lachs und emissionsarmen Schweinen


4<br />

<strong>Umweltinstitut</strong> <strong>München</strong> e.V. 5/2013<br />

Wohl bekomm‘s<br />

Genfood auf unseren Tellern<br />

Nach fast zwanzig Jahren kommerzieller Nutzung in der Landwirtschaft zeigen<br />

sich die verheerenden Auswirkungen der Gentechnik auf Mensch und Umwelt<br />

Vor etwa 10.000 Jahren begannen die Menschen, systematisch<br />

Pflanzen anzubauen. Verschiedene Sorten sind an unterschiedliche<br />

klimatische oder geographische Bedingungen<br />

angepasst und besitzen Resistenzen gegen bestimmte Schädlinge und<br />

Krankheiten. Diese Vielfalt ist die Grundlage jeder zukünftigen Landwirtschaft.<br />

Doch heute droht die gesamte landwirtschaftliche Erzeugung in die<br />

Hände weniger Großkonzerne zu geraten. Ihr Ziel ist es, mittels patentierbarer<br />

Pflanzen die Kontrolle über die weltweite Nahrungsmittelerzeugung<br />

zu erlangen – mit schwerwiegenden Folgen für Artenvielfalt,<br />

Umwelt und Gesundheit. Der erste und wichtigste Baustein in dieser<br />

Strategie ist das Saatgut. Ein Oligopol aus zehn Konzernen beherrscht<br />

mit patentierten Sorten aktuell 74 Prozent des Weltmarktes, dessen<br />

Volumen auf 27,4 Milliarden US-Dollar geschätzt wird. Die Konzerne<br />

Monsanto, Syngenta und DuPont kontrollieren dabei mehr als die Hälfte<br />

des weltweiten Saatgutmarktes. Und auch die deutsche Agro-Industrie<br />

ist dabei, so entwickeln die Unternehmen wie BASF, Bayer CropScience<br />

und KWS SAAT AG bereits eigene Gen-Konstrukte. In der EU wurden bereits<br />

mehr als 1000 Patente auf genmanipulierte Pflanzen erteilt, weltweit<br />

handelt es sich um ein Vielfaches.<br />

Durch die Konzentration auf wenige Sorten schrumpft jedoch der<br />

Genpool der Nutzpflanzen, standortangepasste Lokalsorten werden verdrängt.<br />

Die jahrtausendealte bäuerliche Tradition, einen Teil der Ernte<br />

Was ist Gentechnik?<br />

Gentechnik ist ein Teilgebiet der Biotechnologie. Sie befasst<br />

sich mit der Trennung, Beschreibung und Neuverbindung<br />

von Erbmaterial. Dieses ist in jeder Zelle in der<br />

Desoxyribonukleinsäure (DNS) fixiert. DNS-Abschnitte<br />

enthalten die Informationen für die Baupläne von Proteinen,<br />

über die die Eigenschaften eines jeden Organismus<br />

definiert werden. Diese nennt man Gene.<br />

Die Herstellung neuer Gen-Konstrukte erfolgt, indem fremdes<br />

Erbgut in lebende Organismen eingebaut wird. Gentechnik<br />

ermöglicht es, Artengrenzen zu umgehen: Bei der<br />

klassischen Züchtung können nur mehr oder weniger verwandte<br />

Arten miteinander gekreuzt werden. Mit gentechnischen<br />

Methoden werden in der Regel die Artengrenzen<br />

überschritten, Gene von Mensch und Tier werden auf<br />

Pflanzen übertragen. Das Gentechnikgesetz unterscheidet<br />

daher klar zwischen Gentechnik und Züchtung. Ein<br />

gentechnisch veränderter Organismus (GVO) wird dort<br />

definiert als „ein Organismus, dessen genetisches Material<br />

in einer Weise verändert worden ist, wie sie unter natürlichen<br />

Bedingungen durch Kreuzen oder natürliche Rekombination<br />

nicht vorkommt“.


Münchner Stadtgespräche Nr. 65 5/2013<br />

5<br />

wieder auszusäen oder Saatgut zu tauschen, wird durch diese Patente<br />

zu einer kriminellen Tat: Bauern dürfen das Saatgut nur als Lizenznehmer<br />

nutzen und sind gezwungen, es jedes Jahr neu zu erwerben. Das<br />

endgültige Aus für kleinbäuerliche Betriebe bedeuten aber „Terminator“-Pflanzen,<br />

die so manipuliert werden, dass sie keine keimfähigen<br />

Samen mehr produzieren.<br />

Vollmundige Versprechen und zweifelhafte<br />

Errungenschaften<br />

Ihre markigen Versprechen wie die Linderung des Welthungers oder die<br />

Bekämpfung der Mangelernährung konnte die Agro-Gentechnik bisher<br />

nicht einmal ansatzweise einlösen. Heute, nach knapp 40 Jahren Genmanipulation,<br />

gibt es auf dem Markt transgener Pflanzen praktisch nur<br />

zwei „neue“ Eigenschaften: Insektengiftigkeit und Herbizidresistenz.<br />

Manipulierte Pflanzen, die mit einem Gen des Bodenbakteriums Bacillus<br />

thuringiensis (Bt) versehen wurden, produzieren permanent ein Gift,<br />

das Schadinsekten abtöten soll. Andere Gen-Pflanzen überleben eine<br />

Dusche mit Pflanzengiften wie Roundup: Beim Spritzen zerstören diese<br />

Totalherbizide alles pflanzliche Leben - bis auf die genmanipulierten<br />

und damit resistenten Pflanzen.<br />

Für Umwelt und Landwirtschaft erweist sich der Anbau von Gen-Pflanzen<br />

dabei zunehmend als Katastrophe: So wirkt das Toxin insektengiftiger<br />

Pflanzen nicht nur auf Schädlinge, sondern auch auf Nutzinsekten.<br />

Und die andauernde Giftproduktion in jeder Zelle lässt Schadinsekten<br />

resistent werden. Gen-Pflanzen sind für die industrialisierte Landwirtschaft<br />

„designed“, was die Entstehung lebensfeindlicher Monokulturen<br />

nach sich zieht. So wird heute der Regenwald in Südamerika insbesondere<br />

für den großflächigen Anbau von Gen-Soja geopfert. Die Folge ist<br />

die Beschleunigung von Artensterben und Klimawandel.<br />

Der großflächige Pestizideinsatz bei herbizidresistenten Gen-Pflanzen<br />

führt zur Bildung von resistenten Unkräutern und wiederum zu steigendem<br />

Pestizidverbrauch. Der Einsatz von Gen-Saatgut führt Landwirte<br />

damit in die Abhängigkeit von Pestizidproduzenten. Und hier<br />

Gentechnik manipuliert an den Grundbausteinen des Lebens,<br />

ohne deren Funktion und Zusammenwirken genau<br />

zu kennen. Zahlreiche Pannen sowie unvorhersehbare, oft<br />

viel später auftretende Effekte bestätigen, dass diese Risikotechnologie<br />

außerordentlich unpräzise ist. Inzwischen ahnt<br />

die Wissenschaft, dass das Genom kein Baukasten ist, in<br />

den man nach Belieben neue Gene einfügen kann, sondern<br />

als hochkomplexes Netzwerk funktioniert.<br />

Die gentechnischen Verfahren zeigen bislang nur eine äußerst<br />

geringe Erfolgsquote. Tausende von Versuchen müssen<br />

unternommen werden, bis eine transgene Pflanze mit<br />

den gewünschten Eigenschaften entsteht. Zusätzlich wird<br />

eine Vielzahl an weiteren DNS-Abschnitten eingeschleust,<br />

ohne dass beeinflusst werden kann, an welcher Stelle im<br />

schließt sich der Kreis: Die größten Gentech-Konzerne spielen auch<br />

im Pestizidmarkt eine führende Rolle. Glyphosat, das weltweit am häufigsten<br />

eingesetzte Pflanzengift, steht dabei besonders in der Kritik<br />

(siehe S. 9).<br />

Vollendete Tatsachen: Gen-Pflanzen<br />

in der freien Natur<br />

Genmanipulierte Pflanzen wurden im Jahr 2012 laut Industrieangaben<br />

in 31 Ländern und auf rund 170 Millionen Hektar angebaut. 94 Prozent<br />

des Gentechnikanbaus finden in nur sechs Ländern statt, trauriger Spitzenreiter<br />

sind die USA. Großflächig genutzt werden dabei nur vier Pflanzen:<br />

Soja, Mais, Baumwolle und Raps.<br />

Schon seit Jahren sind schwerwiegende Probleme durch den Anbau<br />

dieser Pflanzen bekannt: Pollen oder Samen, vom Wind verweht,<br />

lassen sich nicht in einer „Rückholaktion“ wieder einsammeln, wenn<br />

sich später schädliche Auswirkungen der Agro-Gentechnik zeigen. Verunreinigungen<br />

basieren jedoch nicht nur auf Pollenflug, sondern auch<br />

auf Insektenbestäubung, Deklarationsfehlern, verunreinigten Maschinen,<br />

dem Vertauschen von Saatgut, Transport und nicht zuletzt auf<br />

„Nahrungsmittelhilfen“ in die Länder des Südens. Kontaminationen<br />

durch transgene Konstrukte sind schon heute weltweit Realität und bedrohen<br />

gentechnikfrei wirtschaftende Bauern in ihrer Existenz.<br />

Ein unkontrollierbares Risiko<br />

Erbgut das artfremde Genkonstrukt eingebaut wird.<br />

Die Folgen für die Gesundheit von Menschen und Tieren<br />

sind unabsehbar. Trotz der Behauptung, genmanipulierte<br />

Nahrung sei unbedenklich, fehlen bis heute Daten, die die<br />

Unbedenklichkeit von Gen-Pflanzen beweisen.<br />

Im Gegenteil: Bei Tierversuchen fanden Wissenschaftler<br />

Bruchstücke des Erbguts sowohl von Gen-Mais als auch<br />

-Soja im Blut und in verschiedenen Organen von Schweinen<br />

und Ziegen. Veränderungen in Zellkernen von Leberzellen<br />

waren festzustellen, bei Versuchstieren wurden starke allergische<br />

Reaktionen ausgelöst. Störungen von Enzymfunktionen<br />

und Immunsystem, Gewebeschäden, Veränderungen<br />

bei Wachstum, Nieren- und Leberfunktion sowie des Blutbildes<br />

sind Folgen der Fütterung mit Gen-Pflanzen.


6<br />

Ökologischer und konventioneller Rapsanbau sind in Kanada mittlerweile<br />

unmöglich geworden. In den Genmais-Gebieten Spaniens haben<br />

Bauern den Anbau von ökologischem Mais fast gänzlich aufgegeben.<br />

Auf alle Landwirte kommen erhebliche Zusatzkosten für Tests, Kontrollen<br />

und Voruntersuchungen zu. Die Agro-Gentechnik verdrängt auf diese<br />

Weise alle anderen Formen der Landbewirtschaftung.<br />

Aus den Erfahrungen lässt sich der klare Schluss ziehen: „Koexistenz“<br />

ist nicht praktikabel. Selbst in Ländern, in denen keine Gen-Pflanzen<br />

angebaut werden, treten Kontaminationen auf. Die Agro-Gentechnik<br />

ist längst außer Kontrolle geraten.<br />

Erfolgreicher Widerstand<br />

<strong>Umweltinstitut</strong> <strong>München</strong> e.V. 5/2013<br />

Seit 1973 die erste Manipulation bei Mikroorganismen erfolgte, steht<br />

die Gentechnik weltweit in der Kritik. Bereits vor den ersten Anbauversuchen<br />

mit Genpflanzen (1987 in den USA, 1991 in Deutschland) hatten<br />

sich viele Umweltverbände mit den Gefahren der neuen Technologie<br />

auseinandergesetzt. Das <strong>Umweltinstitut</strong> <strong>München</strong> gehört zu den<br />

Gentechnik-Kritikern der ersten Stunde: Seit 1988 bekämpft der Verein<br />

die Einführung der Risikotechnologie und stellt seither unermüdlich<br />

kritische Informationen für Verbraucher zur Verfügung. In dieser<br />

Zeit sammelte das <strong>Umweltinstitut</strong> über 250.000 Einwendungen gegen<br />

die Anbauversuche der Industrie. Mit Erfolg: In Deutschland finden<br />

derzeit keine Freisetzungen von Gen-Pflanzen statt. Anders als in den<br />

USA und Kanada wurden bislang nur wenige transgene Mais-, Soja-<br />

und Rapslinien als Lebens- und Futtermittel zugelassen. Zwar besteht<br />

für Nahrungsmittelproduzenten theoretisch die Möglichkeit,<br />

diese zu verarbeiten. Weil europäische Verbraucher aber keine Gentechnik<br />

in Lebensmitteln wollen, sind solche Produkte im Handel de<br />

facto nicht zu finden. Auch transgene Obst-, Gemüse- oder Getreidesorten<br />

wie Tomaten, Äpfel, Reis oder Kartoffeln sind nicht auf dem<br />

Markt. Dennoch werden auch in Deutschland jährlich etwa fünf Millionen<br />

Tonnen genmanipulierte Pflanzen als Futtermittel eingesetzt.<br />

Auf diesem Umweg landet Genfood somit auch auf unseren Tellern.<br />

Die Gentechnik konnte auch nach 40 Jahren keine ihrer Versprechungen<br />

einlösen und hat sich als unbeherrschbare Technologie erwiesen.<br />

Statt Gentechnik und Agrarindustrie brauchen wir eine vielfältige<br />

Landwirtschaft, die Ressourcen schont, keine gesellschaftlichen Folgekosten<br />

verursacht und in regionale Wirtschaftskreisläufe eingebunden<br />

ist. Nur ein generelles Verbot genmanipulierter Pflanzen und Tiere und<br />

der Patentierung von Leben kann den Weg zu einer solchen, wirklich<br />

nachhaltigen Produktionsweise ermöglichen.<br />

text Anja Sobczak<br />

FotoS Fotolia, BASF<br />

Auch deutsche Unternehmen haben Patente auf „Terminator“-Saatgut angemeldet, das keine keimfähigen Samen mehr produziert.<br />

Landwirte werden so zu Lizenznehmern, die das Saatgut Jahr für Jahr neu kaufen müssen.


Münchner Stadtgespräche Nr. 65 5/2013<br />

7<br />

„Nach den Bienen<br />

sind wir dran“<br />

Freisetzung und Anbau von genmanipulierten Pflanzen bedrohen weltweit die Existenz von<br />

Imkern. Anja Sobczak vom <strong>Umweltinstitut</strong> <strong>München</strong> spricht mit Walter Haefeker, Präsident des<br />

Europäischen Berufsimkerbundes, über Gentechnik, Verbraucherschutz und „grüne Wüsten“<br />

herr haefeker, warum engagieren sich<br />

Imker weltweit gegen Gentechnik?<br />

Die Bienenhaltung ist ein offenes System, die<br />

Bienen entscheiden selbst, wohin sie fliegen<br />

und wo sie sich mit Nektar und Pollen versorgen.<br />

Bienen können bis zu zehn Kilometer<br />

weit fliegen. Sind dort Gentechnik-Felder,<br />

dann sammeln die Bienen auch deren Pollen<br />

ein. Die Kunden bekommen dann nicht mehr<br />

den gewünschten gentechnikfreien Honig. Sobald<br />

das Risiko besteht, unser Honig könnte<br />

kontaminiert sein, haben wir sofort Analysekosten<br />

und müssen prüfen, ob wir den Honig<br />

überhaupt noch verkaufen dürfen.<br />

Wann darf der honig nicht mehr verkauft<br />

werden?<br />

Wenn er Pollen einer gentechnisch veränderten<br />

Pflanze enthält, die keine Lebensmittelzulassung<br />

hat. Wir hatten schon einen Fall,<br />

da ist Honig in der Müllverbrennungsanlage<br />

gelandet. Eine Untersuchung hatte ergeben,<br />

dass Pollen des Gen-Maises MON810 von<br />

Monsanto darin waren, denn ganz in der Nähe<br />

hatte der Freistaat Bayern einen Erprobungsanbau<br />

durchgeführt. Der Amtsveterinär entschied,<br />

dass der Honig entsorgt werden muss.<br />

haben die Imker sich das einfach so gefallen<br />

lassen?<br />

Nein, einer der betroffenen Imker hat mit unserer<br />

Unterstützung den Freistaat Bayern verklagt.<br />

Der Anbau wurde dann auch gestoppt,<br />

aber nicht wegen uns, sondern weil die CSU<br />

inzwischen eingesehen hatte, dass sie einen<br />

gentechnikfreien Freistaat braucht. Das Gerichtsverfahren<br />

brachte allerdings eine sehr<br />

interessante Wende. Es bestätigte, dass auch<br />

Honigkunden ein Recht darauf haben, zu erfahren,<br />

ob Gentechnik im Honig ist oder nicht.<br />

Leider hat das Gericht aber auch auf einen Interessenausgleich<br />

zwischen dem Gentechnik-Anbau<br />

und der Gentechnikfreiheit des Honigs<br />

bestanden und vorgeschlagen, dass man<br />

die Bienen ja wegbringen kann, was mit dem<br />

Acker schwieriger sei.<br />

Wenn in deutschland wieder Genpflanzen<br />

angebaut werden, müssen die Imker<br />

ihre Bienen dann einpacken und wegbringen?<br />

Grundsätzlich lehnen wir Imker es natürlich<br />

ab, uns auf die Flucht zu begeben. Eine Lösung,<br />

bei der die Imker weichen müssen, ist<br />

völliger Unsinn. Wir schlagen vor, dass der<br />

Gentechnikanbau einen ausreichenden Abstand<br />

zur Imkerei halten muss. Deshalb haben<br />

wir diese Entscheidung nicht akzeptiert<br />

und sind bis vor den Europäischen Gerichtshof<br />

gezogen. Der hat uns Ende 2011 auch Recht<br />

gegeben, Gen-Honig muss gekennzeichnet<br />

werden. Die Ausnahmeregelung zur Kennzeichnungspflicht<br />

gilt nur für Milch, Eier und<br />

Fleisch. Es musste also gar nicht die Rechtslage<br />

geändert, sondern nur geltendes Recht<br />

umgesetzt werden.<br />

Deshalb muss der Bienenflug auch endlich<br />

in die Anbauregeln für Gen-Pflanzen aufgenommen<br />

werden. Der damalige Bundeslandwirtschaftsminister<br />

Horst Seehofer sagte<br />

nach dem Urteil einen Satz, den ich nie vergessen<br />

werde: Meine Herren, ich verspreche<br />

Ihnen, bei Ihnen wird niemand kontrollieren.<br />

na prima, da können wir Verbraucher<br />

uns ja richtig sicher fühlen!<br />

Ja, in den vielen Jahren meiner Tätigkeit für<br />

die Imker bin ich zu dem Schluss gekommen,<br />

dass Verbraucherschutz von verschiedenen<br />

Ministern verwechselt wird mit dem Schutz<br />

der Industrie vor den Verbrauchern. Dass die<br />

Imker vor dem EuGH gewonnen haben, damit


8<br />

hatten weder die EU-Kommission noch Mon-<br />

santo gerechnet, und seitdem versuchen sie,<br />

das EuGH-Urteil auszuhebeln.<br />

Sind Gen-pflanzen auch direkt gefährlich<br />

für die Bienen?<br />

Da muss man sich die einzelnen Pflanzen anschauen.<br />

Die Maispflanze MON810 ist eine<br />

sogenannte Bt-Pflanze, sie produziert ein Insektengift.<br />

Nun ist es normalerweise so, dass<br />

vorgeschriebene Tests zur Bienengefährlichkeit<br />

gemacht werden müssen, wenn ein Pestizid<br />

zugelassen werden soll. Das ist eben nicht<br />

passiert, hier existiert eine gesetzliche Lücke.<br />

Dann gibt es noch die zweite große Gruppe von<br />

herbizidresistenten Pflanzen. Hier könnte man<br />

davon ausgehen, dass ein Pflanzengift für Insekten<br />

unschädlich ist, das trifft aber so nicht<br />

zu. In Südamerika lässt sich beobachten, dass<br />

Gen-Pflanzen für ein bestimmtes Anbausystem<br />

„designed“ sind, sie produzieren Grüne Wüsten<br />

anstelle der vielfältigen Pampa. Die Gen-Soja<br />

hat dort die traditionelle Imkerei vertrieben.<br />

Wie viele Bienenvölker gibt es noch in<br />

deutschland?<br />

Vor 100 Jahren hatten wir etwa vier Millionen<br />

Bienenvölker, jetzt sind wir etwa bei<br />

700.000 angekommen. Der ehemalige Bauernverbandspräsident<br />

Sonnleitner hat es geschafft,<br />

in seiner Amtszeit die Zahl der landwirtschaftlichen<br />

Betriebe zu halbieren. In der<br />

gleichen Zeit hat sich auch die Zahl der Bienenvölker<br />

halbiert, hier besteht eindeutig ein<br />

Zusammenhang. Zu einer gesunden Imkerei<br />

gehört eine bäuerliche Kulturlandschaft.<br />

Warum sind Bienen so wichtig für die<br />

landwirtschaft und unsere kulturlandschaft?<br />

<strong>Umweltinstitut</strong> <strong>München</strong> e.V. 5/2013<br />

Die volkswirtschaftliche Leistung der Bienen<br />

durch Bestäubung beträgt ungefähr das Zehnfache<br />

dessen, was der Imker für seinen Honig<br />

erlöst. Es gibt sehr viele Kulturpflanzen, die auf<br />

die Bestäubung durch Bienen und andere Insekten<br />

angewiesen sind, z.B. hier bei uns der<br />

Apfel oder die Mandel in den USA. Es gibt weitere<br />

Kulturen, die zwar auch durch Wind bestäubt<br />

werden, allerdings steigen Qualität und<br />

Ertrag durch zusätzliche Bestäubung. So werden<br />

in Ländern, in denen Bienen nicht heimisch<br />

sind, an Rapsfeldern immer mehrere Bienenvölker<br />

aufgestellt und der Imker dafür bezahlt.<br />

es gibt also schon Fälle, wo die Bienen<br />

der landwirtschaft hinterherziehen?<br />

Wenn wir eine vielfältige und gesunde Kulturlandschaft<br />

mit Hecken und Sträuchern hätten,<br />

dann gäbe es ausreichend Lebensraum für<br />

Wildbienen und andere Bestäuber und dann<br />

wären die Bienen auch gar nicht so wichtig.<br />

Wenn man aber absolut lebensfeindliche<br />

Agrar-Wüsten produziert, dann ist die vorletzte<br />

Chance für eine Bestäubung, die Bienen dort<br />

hineinzubringen.<br />

und was ist die letzte chance?<br />

Menschen, die mit dem Pinsel die Pflanzen bestäuben.<br />

Wenn wir die Bienen auch noch umgebracht<br />

haben, dann sind wir selber dran.<br />

Das ist auch der Grund, warum der Berufsimkerverband<br />

jedes Jahr den „Schwarzen Pinsel“<br />

verleiht, einen Negativpreis für denjenigen, der<br />

der Imkerei durch seine politischen Aktivitäten<br />

am meisten geschadet hat.<br />

Wer hat den preis in diesem Jahr bekommen?<br />

Das war Frau Merkel, denn sie lässt sich ausschließlich<br />

von der Agrar-Industrie beraten. Sie<br />

hat einmal in einer Bundestagsdebatte zum<br />

Thema Gentechnik geäußert: „Wir brauchen<br />

die Gentechnik, denn Deutschland ist ein Chemiestandort“.<br />

Von staatlicher Seite haben wir<br />

also keine Unterstützung zu erwarten, der beste<br />

Schutz für die Imker ist der Widerstand der<br />

Zivilgesellschaft.<br />

Was können Verbraucherinnen und Verbraucher<br />

hier in münchen noch tun, um<br />

die Imker zu unterstützen?<br />

Ganz klar, zum einen gentechnikfreie Lebensmittel<br />

einkaufen, besonders auch die aus gentechnikfreier<br />

Fütterung. Darüber hinaus gibt es<br />

noch eine neue Möglichkeit, wie der Verbraucher<br />

erkennen kann, dass ein Landwirt bienenfreundlich<br />

arbeitet. Dazu gehört ja nicht nur<br />

die Gentechnikfreiheit, sondern auch der Verzicht<br />

auf bienenschädliche Pflanzengifte oder<br />

die Vermeidung von Mähverlusten. Landwirte<br />

erhalten dann unser neues internationales Siegel<br />

„certified bee friendly“ für zertifiziert bienenfreundliche<br />

Produktion. In verschiedenen<br />

Supermärkten in <strong>München</strong>, z.B. bei REWE<br />

oder Tengelmann, kann man schon regionale<br />

gesiegelte Milchprodukte unter der Marke<br />

„Sternenfair“ bekommen. Und natürlich sollte<br />

auch jeder Verbraucher gegenüber der Politik<br />

zum Ausdruck bringen, dass diese Technologie<br />

überflüssig und unerwünscht ist.<br />

InterVIeW Anja Sobczak<br />

FotoS Fotolia, Walter Haefeker<br />

<strong>Zur</strong> Person<br />

Walter Haefeker ist Präsident<br />

des Europäischen Berufsimkerbundes<br />

(EPBA) und Vorstandsmitglied<br />

im Deutschen Berufs-<br />

und Erwerbsimkerbund (DBIB).<br />

Er ist Koordinator der Arbeitsgruppe<br />

Gentechnik des Weltimkerverbandes<br />

Apimondia und<br />

arbeitet als Imker in Bayern.


Münchner Stadtgespräche Nr. 65 5/2013<br />

9<br />

Glyphosat<br />

und<br />

Roundup<br />

Roundup und andere glyphosathaltige Spritzmittel gehören<br />

zum System der industriellen Landwirtschaft. Sie bedrohen die<br />

menschliche Gesundheit und die Artenvielfalt<br />

Glyphosat ist der weltweit am meisten eingesetzte pflanzentötende<br />

(herbizide) Wirkstoff. Bekannt wurde er unter dem Mon-<br />

santo-Handelsnamen „Roundup“, es gibt aber zahlreiche<br />

weitere Hersteller und Produkte. So sind allein in Deutschland 78 glyphosathaltige<br />

Mittel zugelassen – z. B. für die Anwendung im Acker-,<br />

Obst- und Weinbau, Zierpflanzen- und Forstbereich sowie im Haus- und<br />

Kleingarten. 2010 wurden in Deutschland 15.000 Tonnen verbraucht.<br />

Der Glyphosat-Gehalt in den Produkten ist sehr unterschiedlich und<br />

reicht von unter zehn bis zu 450 Gramm pro Liter.<br />

Die fertigen Spritzmittel enthalten häufig Hilfsstoffe, die die Aufnahme<br />

von Glyphosat erleichtern, aber sehr giftig sind, wie etwa Tallowamin<br />

in Roundup. In Deutschland ist deshalb inzwischen die Verfütterung von<br />

tallowaminbehandelten Pflanzenteilen wie Stroh eingeschränkt oder sogar<br />

untersagt. Firmen müssen die Hilfsstoffe aber nicht im Detail offenlegen.<br />

Glyphosat wird im großen Stil bei glyphosatresistenten Pflanzen,<br />

auch „RoundupReady (RR)“-Pflanzen genannt, eingesetzt, denen gentechnisch<br />

eine Resistenz gegen das Totalherbizid übertragen wurde.<br />

Über 80 Prozent der global angebauten Gentech-Pflanzen sind resistent<br />

gegen Herbizide, zumeist gegen Glyphosat. Dessen Verbrauch schoss<br />

deshalb in den letzten Jahren in die Höhe (weltweit ca. 750.000 Tonnen<br />

im Jahr 2010). Aber auch ohne RR-Pflanzen wird Glyphosat vermehrt<br />

gespritzt, etwa zur sogenannten Sikkation, dem Abspritzen der Pflanzen<br />

vor der Ernte oder zur Beseitigung von unerwünschtem Aufwuchs.<br />

Zulassungsverfahren<br />

Die 2002 nach der EU-Pestizidrichtlinie 91/414/EWG erteilte Zulassung<br />

von Glyphosat sollte nur bis 2012 gelten, wurde von der EU-Kommission<br />

aber bis Ende 2015 verlängert. Derzeit läuft das Verfahren der Wiederzulassung,<br />

Deutschland ist Berichterstatter für die EU und damit entscheidend<br />

verantwortlich für die Risikobewertung. Schon lange gibt es<br />

Kritik am Zulassungsverfahren für Pestizide, da es intransparent ist und<br />

den von der Industrie gelieferten Daten ein massives Übergewicht einräumt.<br />

Von unabhängigen Wissenschaftlern erstellte Studien spielen<br />

nur eine geringe Rolle. So blieben 105 (78 Prozent) der 134 Studien zu<br />

Gesundheitswirkungen von Glyphosat, die von der Bundesregierung in<br />

einer Antwort auf die Anfrage von Bündnis90/Die Grünen genannt werden,<br />

unveröffentlicht – und selbst unter den 29 veröffentlichten Studien<br />

wurden etliche im Auftrag von Monsanto erstellt.<br />

Wirkungen von Glyphosat<br />

Glyphosat hemmt ein in Pflanzen an der Bildung aromatischer Aminosäuren<br />

beteiligtes Enzym. Fehlen diese Aminosäuren, bricht die Proteinsynthese<br />

ab, die Pflanzen stellen das Wachstum ein und sterben.<br />

Auch andere Prozesse werden beeinträchtigt, z. B. die Bildung von Abwehrstoffen<br />

gegen Krankheitserreger. Glyphosat tötet alle Pflanzen bis<br />

auf jene, die durch gentechnische Veränderung glyphosatresistent sind.<br />

Beim Spritzen und über die behandelten Pflanzen gelangt es in den<br />

Boden. Dort dauert sein Abbau länger als von Monsanto angegeben, zudem<br />

ist dieser stark von den jeweiligen Bodenverhältnissen abhängig.<br />

Wie neuere Studien zeigen, findet sich Glyphosat auch im Grund- und<br />

Oberflächenwasser.<br />

Glyphosat wirkt auf das Bodenleben, denn sein Zielenzym ist auch<br />

bei Mikroorganismen für die Bildung der aromatischen Aminosäuren<br />

notwendig und längst nicht alle von ihnen sind unempfindlich gegen<br />

den Stoff. Bestimmte Bakterien, die im Boden eine wichtige Rolle spielen<br />

oder für die Stickstoffbindung bei Schmetterlingsblütlern (Leguminosen)<br />

zuständig sind, werden beeinträchtigt: Dies kann Wachstum und<br />

Ertrag der Pflanzen verringern. Manche Pilzarten werden gehemmt,<br />

etwa nützliche Pilze der Mycorrhiza, die die Aufnahme von Mineral- und<br />

Nährstoffen erleichtern, andere Pilze werden gefördert, wie bestimmte<br />

Fusarienpilze, die toxische Stoffe produzieren. Da Glyphosat auch die<br />

Bildung pflanzlicher Abwehrstoffe reduziert, können sich die Pflanzen


10<br />

weniger effektiv gegen Krankheitserreger wehren. Glyphosat bindet Mineralien<br />

wie Eisen und Mangan sehr stark und behindert deren Aufnahme<br />

in die Pflanze. Mangan beispielsweise ist für viele Prozesse in den<br />

Pflanzen wichtig, ein Mangel beeinträchtigt deshalb Ertrag und Abwehrkraft.<br />

So wurden nach langjährigem Glyphosat-Einsatz in Dauerkulturen<br />

(z.B. Obstplantagen) Gesundheits- und Ertragsprobleme beobachtet.<br />

Einfluss auf die Artenvielfalt<br />

<strong>Umweltinstitut</strong> <strong>München</strong> e.V. 5/2013<br />

Monokulturen, so weit das Auge reicht: Glyphosat tötet alle Pflanzen, die nicht durch Genmanipulation resistent gemacht<br />

wurden. Der großflächige Einsatz führt zu lebensfeindlichen Agrarwüsten und Monokulturen.<br />

Die Giftwirkung von Glyphosat/Roundup ist für zahlreiche Organismen<br />

belegt. Amphibien sind besonders empfindlich: ihre Embryonalentwicklung<br />

wird gestört, viele Kaulquappen sterben. Da Glyphosat effektiver<br />

ist und breiter wirkt als selektive Herbizide, verschwindet die Ackerbegleitflora.<br />

Weniger Wildpflanzen auf und neben den Ackerflächen bedeuten<br />

aber weniger Insekten und weniger andere Tiere, etwa Vögel,<br />

die direkt oder indirekt von den Wildpflanzen leben. Gezeigt wurde dies<br />

in mehrjährigen Studien mit herbizidresistenten Pflanzen in England,<br />

wo als Kontrolle nicht biologisch, sondern konventionell bewirtschaftete<br />

Flächen dienten.<br />

Neuerdings wird aus den USA berichtet, dass die Zahl der Monarchfalter<br />

– Wanderfalter, die in Mexiko überwintern und im Frühling zur<br />

Fortpflanzung bis nach Kanada fliegen – in den letzten Jahren extrem<br />

gesunken ist. Wichtige Ursache hierfür ist der intensive Einsatz von Glyphosat<br />

auf Millionen von Hektar von RR-Pflanzen im Mittleren Westen,<br />

der zum weitgehenden Verschwinden der Seidenpflanze, der Futterpflanze<br />

der Monarch-Falter, führte. Inzwischen zeigt sich auch, dass der<br />

massive Einsatz die Entwicklung von resistenten Unkräutern begünstigt:<br />

Varianten von mindestens 24 glyphosatresistenten Unkrautarten breiten<br />

sich auf riesigen Flächen aus. Die Folge ist, dass immer mehr Herbizide<br />

verwendet werden und die Artenvielfalt weiter reduziert wird.<br />

Rückstände in Lebensmitteln<br />

Glyphosat wird in behandelten Pflanzen praktisch nicht abgebaut, mit<br />

Rückständen in Lebens- und Futtermitteln ist deshalb zu rechnen. Die<br />

für Lebensmittel maximal zulässigen Rückstandswerte reichen von<br />

0,1 µg/kg (die meisten Gemüse- und Obstarten) bis zum 200fachen<br />

Wert von 20 µg/kg (Soja, Hafer, Gerste und Sonnenblume). In der Vergangenheit<br />

wurden Lebensmittel relativ selten auf Glyphosat-Rückstände<br />

untersucht, neuere Daten zeigen aber, dass nicht nur in RR-Pflanzen<br />

Rückstände zu finden sind, sondern durchaus auch in nicht-gentechnisch<br />

veränderten Pflanzen, die vor der Ernte zwecks Sikkation behandelt<br />

wurden. Von Mensch und Tier aufgenommenes Glyphosat kann<br />

über den Urin ausgeschieden werden: Glyphosat wurde nicht nur im<br />

Urin von Nutztieren und Menschen, die in der Landwirtschaft arbeiten,<br />

nachgewiesen, sondern in geringen Mengen auch im Urin von Stadtbewohnern.<br />

Wie lange Glyphosat im Körper verbleibt und ob tatsächlich alles<br />

ausgeschieden wird, ist strittig.


Münchner Stadtgespräche Nr. 65 5/2013<br />

11<br />

Gesundheitliche Wirkungen<br />

Wissenschaftliche Studien der letzten Jahre erbrachten mehr und mehr<br />

Belege für toxische Effekte von glyphosathaltigen Herbiziden:<br />

f Sie können die Bakterien-Gemeinschaft im Darm verändern, da<br />

manche Bakterien tolerant sind (z.B. Krankheitserreger wie Clostridium-<br />

oder Salmonella-Arten), während andere empflindlich sind, wie<br />

beispielsweise die Gegenspieler dieser Krankheitserreger.<br />

f Sie verändern die Aktivität vieler Enzyme und schädigen das Erbmaterial<br />

menschlicher Zellen, was zu deren Tod führen kann.<br />

f Sie hemmen ein für die Hormonbildung wichtiges Enzym – mit<br />

möglicherweise negativen Effekten auf die menschliche Fortpflanzung.<br />

Auch geringe Konzentrationen, wie sie in der Landwirtschaft auftreten,<br />

sind offenbar wirksam.<br />

f Sie stehen im Verdacht, bestimmte Krebserkrankungen wie das<br />

Non-Hodgkin-Lymphom (Krebserkrankung des Lymphsystems, Teil<br />

des Immunsystems) zu fördern; bei Mäusen wurde die Entstehung von<br />

Hauttumoren begünstigt.<br />

f Besonders toxisch sind Hilfsmittel wie Tallowamin.<br />

f Laut jüngster Langzeituntersuchungen über zwei Jahre entwickelten<br />

Ratten, die mit RR-Mais gefüttert wurden oder deren Trinkwasser<br />

Roundup enthielt, früher und häufiger Krebs als Kontrolltiere und<br />

zeigten Veränderungen der inneren Organe.<br />

f Glyphosat kann die menschliche Plazenta überwinden. Es greift in<br />

die frühe Embryonalentwicklung von Wirbeltieren ein: Selbst bei sehr<br />

geringen Konzentrationen wurden Missbildungen im Kopfbereich und<br />

Nervensystem von Kaulquappen und Küken beobachtet.<br />

Das <strong>Umweltinstitut</strong> <strong>München</strong> e.V.<br />

warnt vor den Folgen des Gebrauchs<br />

von Roundup und Glyphosat in Landwirtschaft<br />

und Hausgarten. Jüngere<br />

Studien widerlegen die bisherige Einschätzung,<br />

Glyphosat sei weniger gefährlich<br />

als andere Herbizide. Sogar<br />

das Umweltbundesamt stuft den Einsatz<br />

von Glyphosat zur Vorerntebehandlung<br />

als kritisch ein. Leider werden<br />

die bekannten Gefahren von Glyphosat<br />

für die Gesundheit von Mensch<br />

und Umwelt von deutschen Behörden<br />

ignoriert. Das Gift sei schließlich zuge-<br />

lassen und werde streng kontrolliert.<br />

Doch genau das muss bezweifelt werden.<br />

Tatsächlich werden immer öfter<br />

Pestizid-Rückstände in Lebensmitteln,<br />

Gewässern und sogar im menschlichen<br />

Körper nachgewiesen. Damit<br />

muss Schluss sein.<br />

Schon länger gibt es Berichte aus Lateinamerika über stark erhöhte<br />

Krebsraten oder mehr DNA-Schäden bei Menschen, die dem Mittel<br />

ausgesetzt sind. Dort werden auf ca. 40 Mio. Hektar RR-Sojabohnen<br />

angebaut und dabei jährlich Hunderttausende Tonnen glyphosathaltige<br />

Herbizide ausgebracht – häufig aus der Luft. Vielfach wurden Fehlgeburten<br />

beobachtet – Missbildungen bei Neugeborenen sollen um 400<br />

Prozent, die Krebsrate bei Kindern um 300 Prozent zugenommen haben.<br />

Der Verdacht, Glyphosat störe die Embryonalentwicklung, wurde<br />

schon früher geäußert, in die Zulassung von Glyphosat flossen die entsprechenden<br />

wissenschaftlichen Daten aber nicht ein.<br />

Selbst aktiv werden<br />

Gift und Gentechnik sind keine<br />

Lösung. Die Mehrheit der Verbraucherinnen<br />

und Verbraucher will gesunde<br />

Lebensmittel, eine nachhaltig-ökologische<br />

Landwirtschaft und eine intakte<br />

Umwelt. Wir fordern deshalb ein endgültiges<br />

Verbot von Roundup und anderen<br />

glyphosathaltigen Spritzmitteln!<br />

Sagen auch Sie NEIN zu Gentechnik<br />

und Roundup und beteiligen Sie sich<br />

an unserer Aktion „Allestöter Roundup<br />

verbieten!“<br />

Den Flyer „Allestöter – Roundup und<br />

Glyphosat“ können Sie ebenfalls bestellen.<br />

Darüber hinaus stehen weiterführende<br />

Informationen, Studien und<br />

Berichte zur Verfügung.<br />

Weitere Infos und Bestellmöglichkeit<br />

unter: www.umweltinstitut.org<br />

Eine umwelt- und gesundheitsverträgliche Landwirtschaft sieht anders<br />

aus! Was können Sie tun?<br />

f Kaufen Sie Biolebensmittel, denn bei deren Produktion ist der Einsatz<br />

von Gentechnik und chemischen Pestiziden wie Glyphosat verboten.<br />

f Setzen Sie selbst keine glyphosathaltigen Spritzmittel ein.<br />

f Fordern Sie ein Verbot glyphosathaltiger Spritzmittel.<br />

f Fordern Sie ein Verbot von Anbau und Import gentechnisch veränderter<br />

Pflanzen.<br />

text Dr. Martha Mertens<br />

BUND Naturschutz in Bayern (BN)<br />

FotoS Fotolia, Fotolia/<strong>Umweltinstitut</strong> <strong>München</strong> e.V.<br />

Allestöter Roundup verbieten!


12<br />

<strong>Umweltinstitut</strong> <strong>München</strong> e.V. 5/2013<br />

Kein Buch mit<br />

sieben Siegeln<br />

Gütesiegel können Verbraucher vor genmanipulierten Inhaltsstoffen<br />

schützen. Experten erklären, was sich hinter den wichtigsten Labels<br />

verbirgt und warum Bio-Produkte besonders sicher sind<br />

Seit Mai 2008 ist in Deutschland eine Regelung zur „Ohne Gentechnik“-Kennzeichnung<br />

von Lebensmitteln in Kraft, die Verbrauchern<br />

die Orientierung beim Einkauf erleichtert. Lebensmittelproduzenten,<br />

die mit der Abwesenheit gentechnischer Methoden im<br />

Herstellungsprozess werben möchten, dürfen nur noch die einheitliche<br />

Kennzeichnung „Ohne Gentechnik“ benutzen.<br />

Seit 2009 gibt es zudem ein „Ohne Gentechnik“-Siegel. Herstellern ist<br />

es freigestellt, dieses einheitliche Zeichen oder eine Eigenkreation einzusetzen.<br />

In jedem Fall müssen die gleichen strengen Produktionsbedingungen<br />

eingehalten werden, sobald die Worte „Ohne Gentechnik“<br />

auf dem Etikett stehen.<br />

So gekennzeichnete Lebensmittel enthalten keine Bestandteile<br />

gentechnisch veränderter Pflanzen. Grenzwerte für Verunreinigungen<br />

gibt es nicht. Zusätze wie Vitamine, Enzyme, Farbstoffe, etc. dürfen<br />

nicht durch gentechnisch veränderte Mikroorganismen wie Bakterien<br />

oder Pilze hergestellt werden. Darüber hinaus müssen die Tiere zur Herstellung<br />

von Milch, Eiern und Fleisch innerhalb strenger Fristen ohne<br />

gentechnisch veränderte Pflanzen gefüttert werden.<br />

Indem sie Lebensmittel mit dem Siegel „Ohne Gentechnik“ kaufen, können<br />

Verbraucher aktiv dazu beitragen, dass weltweit weniger gentechnisch veränderte<br />

Pflanzen angebaut werden. Nutzen Sie die tägliche Abstimmung<br />

am Einkaufsregal, um eine gentechnikfreie Landwirtschaft zu fördern.<br />

Weiterführende Informationen: www.ohnegentechnik.org<br />

text Alexander Hissting<br />

Verband Lebensmittel ohne Gentechnik e.V. (VLOG)<br />

Foto www.ohnegentechnik.org<br />

Lebensmittel mit dem Siegel<br />

„Ohne Gentechnik“<br />

enthalten keine Bestandteile gentechnisch<br />

veränderter Pflanzen


Münchner Stadtgespräche Nr. 65 5/2013<br />

13<br />

V<br />

iele Verbraucher fragen sich: Sind Bio-Produkte grundsätzlich<br />

gentechnikfrei? Denn bei den meisten Produkten findet<br />

sich keine zusätzliche Information auf den Verpackungen.<br />

Das hat einen einfachen Grund: Der Einsatz von Gentechnik ist im ökologischen<br />

Landbau und bei Bio-Lebensmitteln in jedem Fall verboten.<br />

Dafür gibt es auch eine europaweit geltende gesetzliche Regelung, die<br />

sogenannte EG-Öko-Verordnung.<br />

Damit Verbraucherinnen und Verbraucher die Produkte, die nach<br />

diesen Regeln hergestellt wurden, eindeutig identifizieren können, hat<br />

die EU im Jahr 2010 ein in allen Ländern Europas verpflichtend zu nutzendes<br />

Logo für Bioprodukte eingeführt.<br />

Wenn Sie ein Produkt kaufen, das mit diesem Logo gekennzeichnet<br />

ist, können Sie sicher sein, dass keine Gentechnik, keine Pestizide und<br />

keine synthetischen Dünger eingesetzt wurden. Darüber hinaus müssen<br />

grundlegende Bio-Standards bei Anbau, Tierhaltung und der Verarbeitung<br />

von Lebensmitteln eingehalten werden.<br />

Was macht Verbands-Bio-Produkte dann noch besser? Bei den Verbänden<br />

muss der ganze Hof vollständig auf ökologischen Landbau umgestellt<br />

sein. Im Stall ökologisch und auf dem Acker konventionell arbeiten,<br />

wie das die EG-Öko-Verordnung erlaubt, geht nicht. Tiere bekommen<br />

mehr Auslauf sowie hofeigene Futtermittel und bei der Verarbeitung<br />

von Lebensmitteln wird strenger auf deren Naturbelassenheit geachtet.<br />

Außerdem werden Bio-Produkte mit Verbandszeichen überwiegend<br />

in Deutschland angebaut und produziert.<br />

Das europäische Bio-Siegel ist verbindlich für alle vorverpackten,<br />

ökologisch erzeugten Lebensmittel aus der EU.<br />

Weiterführende Informationen: www.lvoe.de<br />

text Harald Ulmer<br />

Landesvereinigung für den ökologischen Landbau<br />

in Bayern e.V. (LVÖ)<br />

FotoS Harald Ulmer<br />

Der Einsatz von Gentechnik ist bei der Herstellung<br />

von Bio-Lebensmitteln grundsätzlich verboten


14<br />

<strong>Umweltinstitut</strong> <strong>München</strong> e.V. 5/2013<br />

Ausverkauf<br />

des Lebens?<br />

Verbraucherschützer warnen vor Bio-Patenten auf Tiere und Pflanzen<br />

Die Bilanz ist erschreckend: Bereits 2250 Pflanzen und 1330<br />

Tiere sind durch das Europäische Patentamt in den letzten<br />

20 Jahren patentiert worden. Die meisten dieser sogenannten<br />

Bio-Patente betreffen gentechnisch manipulierte Lebewesen. Denn<br />

die Gentechnik hat die Patentierung von Leben überhaupt erst möglich<br />

gemacht. Durch Einfügen fremder Gene, sogenannte Genmanipulationen,<br />

galten Pflanzen und Tiere von einem Tag auf den anderen als<br />

Erfindung von Konzernen wie Monsanto, Syngenta, Bayer oder BASF.<br />

Doch es kommt noch schlimmer: Ob Brokkoli, Tomaten, Melonen oder<br />

Schweine – seit etwa zehn Jahren geraten auch immer mehr Pflanzen<br />

und Tiere aus konventioneller Zucht, also ohne gentechnische Manipulation,<br />

in den Fokus von Agrarkonzernen und werden patentiert.<br />

Marktmonopole und steigende Preise<br />

Ein Patent gilt für 20 Jahre ab Anmeldedatum. In diesem Zeitraum hat<br />

der Patentinhaber das alleinige Recht auf die Herstellung und Vermarktung<br />

„seines“ Produkts. Auf diese Weise wollen die Agrarkonzerne die<br />

Kontrolle über die gesamte Lebensmittelproduktion an sich reißen. Bäuerinnen<br />

und Bauern auf der ganzen Welt bekommen die Auswirkungen<br />

der Privatisierung von Leben am heftigsten zu spüren. Denn die Patente<br />

verbieten den eigenen Nachbau und den Austausch von Saatgut sowie<br />

die Weiterzüchtung der vorhandenen Pflanzensorten. Die Landwirte<br />

müssen ihr Saatgut nun jedes Jahr erneut den Konzernen abkaufen.<br />

Die Folgen sind steigende Saatgut- und Produktionskosten und der<br />

Verlust von eigenen, lokal angepassten Sorten. Denn Hochertragssorten<br />

benötigen einen hohen Einsatz von Pestiziden und Düngemitteln –<br />

eine Katastrophe für die Umwelt und für unsere Ernährungssicherheit.<br />

Info<br />

Weitere Informationen zu Patenten auf Saatgut finden Sie<br />

auf der folgenden Internetseite:<br />

www.no-patents-on-seeds.org<br />

Die Broschüre des <strong>Umweltinstitut</strong> <strong>München</strong> e.V. „Wer<br />

hat‘s erfunden? - Patente auf Pflanzen & Tiere“ können<br />

Sie unter www.umweltinstitut.org bestellen.<br />

Widerstand regt sich<br />

Unsere Lebensmittelproduktion in der Hand von einigen wenigen Großkonzernen?<br />

Viele Landwirte, Züchter und Verbraucher wollen das nicht<br />

zulassen. Unabhängige Organisationen klagen gegen die Erteilung von<br />

Bio-Patenten und fordern ihr grundsätzliches Verbot. Anhand eines Tomaten-Patents<br />

wird derzeit am Europäischen Patentamt entschieden,<br />

ob auch in Zukunft Patente auf konventionell gezüchtete Pflanzen und<br />

Tiere erteilt werden dürfen. Das Ergebnis ist noch offen.<br />

Während der rechtliche Durchbruch noch auf sich warten lässt,<br />

nimmt eine andere Bewegung seit Jahren an Fahrt auf: Anstatt sich<br />

von Agrarkonzernen vorschreiben zu lassen, was auf den Teller kommt,<br />

greifen immer mehr Menschen einfach selbst zu Hacke und Spaten.<br />

Selbst angebautes ökologisches Obst und Gemüse liegt im Trend. Und<br />

das Saatgut dafür wird nicht einfach im Gartenmarkt gekauft. Auf sogenannten<br />

Saatgutbörsen wird Saatgut von alten, regionalen und selbstgezüchteten<br />

Sorten ausgetauscht. Dies ist ein wichtiger Schritt zu mehr<br />

Ernährungssouveränität und Vielfalt auf unseren Äckern und Tellern.<br />

text Dr. Ruth Tippe<br />

Kein Patent auf Leben!<br />

FotoS Fotolia, <strong>Umweltinstitut</strong> <strong>München</strong> e.V.


Münchner Stadtgespräche Nr. 65 5/2013<br />

15<br />

Darf Gentechnik Schule machen?<br />

Die fragwürdige Nachwuchsarbeit der Gentech-Industrie<br />

Wäre es nicht toll, mit neuen Super-Pflanzen eine wachsende<br />

Weltbevölkerung trotz Dürreperioden und Unwettern ernähren<br />

zu können? Diese Frage stellt sich nicht nur für<br />

Wissenschaftler und Marketing-Profis milliardenschwerer Gentechnikkonzerne.<br />

Auch an manchen Schulen wird das Thema behandelt. Doch<br />

was zunächst sinnvoll scheint, kann sich bei näherem Hinsehen als einseitige<br />

Werbeshow entpuppen.<br />

In den USA hat Branchen-Primus Monsanto, der weltweit über ein<br />

Viertel des Saatgutmarktes kontrolliert, im letzten Sommer großzügig<br />

Schecks verteilt. Klamme Schulen wetteiferten um Finanzspritzen von<br />

25.000 Dollar für den Naturwissenschaftsunterricht. Auch ein Lehrbuch<br />

steht zur Verfügung, das jede Menge Spaß mit einem „echt prima Thema“<br />

verspricht – der Biotechnologie (statt dem Reizwort „Gentechnik“).<br />

Herausgegeben und verteilt wird es vom „Council for Biotechnology Information“,<br />

einem Lobbyverband der Gentech-Industrie. „Die Biotechnologie<br />

kann Bauern und der Umwelt in vielerlei Hinsicht helfen“, heißt<br />

es in dem bunten Heft. Leere Versprechungen, sagen Umweltorganisationen<br />

und unabhängige Wissenschaftler.<br />

Auch in Deutschland steht die Agro-Gentechnik auf manchen<br />

Lehrplänen. Die Internetseite biosicherheit.de bietet dazu Unterrichts-<br />

material an – im Auftrag des Bundesministeriums für Bildung und Forschung.<br />

Die Inhalte kommen jedoch von zwei PR-Agenturen. Eine zählt<br />

die Agrochemie-Riesen Bayer CropScience, BASF und Syngenta zu ihren<br />

Kunden, die andere betreibt einschlägige Websites, beispielsweise<br />

für den Schaugarten Üplingen, wo transgene Pflanzen getestet werden.<br />

Das Bildungsministerium tourt außerdem mit seiner „Mobilen Erlebniswelt“<br />

zur Biotechnologie durchs Land, einem LKW mit Labor und Lern-<br />

computern. Damit sollen Schüler für die „Schlüsseltechnologie des 21.<br />

Jahrhunderts“ begeistert werden – Agro-Gentechnik eingeschlossen.<br />

In Niedersachsen richteten CDU und FDP auf Kosten des Landes<br />

eigens Labore an Schulen ein, in denen Schüler mit gentechnischen<br />

Methoden experimentierten – eine willkommene Abwechslung im<br />

Schulalltag. Auch der Saatgut-Hersteller KWS, der mit seinen Gentechnik-Zuckerrüben<br />

auf Erfolgskurs ist, beteiligte sich an der Finanzierung.<br />

Kritiker glauben, den Schülern werde ein trügerisches Bild der Risikotechnologie<br />

vermittelt: Einfach zu machen, unproblematisch und notwendig.<br />

Eine Ausweitung des Laborprogramms, die sich Schwarz-Gelb<br />

13 Millionen Euro kosten lassen wollte, wird es nun aber nicht geben.<br />

Die neue Regierung von SPD und Grünen will das Projekt einstellen.<br />

text Daniel Hertwig<br />

Informationsdienst Gentechnik<br />

FotoS Fotolia<br />

Infos für Lehrkräfte<br />

f Informationsdienst Gentechnik<br />

www.schule-und-gentechnik.de<br />

f <strong>Umweltinstitut</strong> <strong>München</strong> e.V.<br />

www.umweltinstitut.org/lehrmaterial-gentechnik.htm<br />

f Bayerischer Lehrer- und Lehrerinnenverband<br />

www.bllv.de/Gentechnik.5257.0.html<br />

f Agrarkoordination (Jugendprojekt Biopoli)<br />

www.agrarkoordination.de/biopoli-jugendbildung


16<br />

Die Stecknadel im<br />

Heuhaufen<br />

herr dr. Busch, das Bayerische landesamt<br />

für Gesundheit und lebensmittelsicherheit<br />

(lGl) ist für die lebensmittel-<br />

überwachung in ganz Bayern zuständig.<br />

Was genau sind die aufgaben im Bereich<br />

Gentechnik?<br />

Wir haben im LGL drei Bereiche, die sich<br />

mit der Gentechnik beschäftigen. Zum einen<br />

überprüfen wir die korrekte Kennzeichnung<br />

von gentechnisch veränderten Lebens- und<br />

Futtermitteln. Das heißt, wir analysieren Lebens-<br />

und Futtermittel auf gentechnisch veränderte<br />

Bestandteile. Der zweite Bereich ist<br />

für das Saatgut zuständig. Gentechnisch verändertes<br />

Saatgut ist ja in Deutschland komplett<br />

verboten.<br />

<strong>Zur</strong> Person<br />

Dr. Ulrich Busch ist Sachbereichsleiter<br />

für Molekularbiologie am<br />

Bayerischen Landesamt für Gesundheit<br />

und Lebensmittelsicherheit<br />

in Oberschleißheim.<br />

<strong>Umweltinstitut</strong> <strong>München</strong> e.V. 5/2013<br />

Bei der Suche nach genmanipulierten Inhaltsstoffen arbeiten Lebensmittel-<br />

kontrolleure wie die Kriminalpolizei. Ein Gespräch mit Dr. Ulrich Busch vom<br />

Bayerischen Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit<br />

Der dritte Bereich überwacht die Sicherheit<br />

der über 700 geschlossenen Gentechnik-Anlagen,<br />

in denen mit nicht zugelassenen gentechnisch<br />

veränderten Organismen (GVO) gearbeitet<br />

wird.<br />

Wie genau läuft die Überwachung im<br />

lebensmittelbereich ab?<br />

Wir erstellen halbjährig einen sogenannten<br />

Probenplan. In diesem legen wir fest, welche<br />

Lebensmittel innerhalb der nächsten sechs<br />

Monate kontrolliert werden sollen. Danach<br />

gehen Mitarbeiter der zuständigen Landrats-<br />

ämter in die Supermärkte oder direkt zu den<br />

Herstellern und entnehmen Proben der gewünschten<br />

Lebensmittel.<br />

Gibt es bestimmte lebensmittel, auf die<br />

Sie besonders achtgeben?<br />

Ja, auf jeden Fall. Unsere Probenplanung ist<br />

risikoorientiert. Unsere Mitarbeiter recherchieren,<br />

welche gentechnisch veränderten Pflanzen<br />

weltweit angebaut werden und welche<br />

Pflanzen wo neu zugelassen wurden. Wir fordern<br />

also vor allem solche Lebensmittel an,<br />

bei denen wir wissen, dass ein potenzielles Risiko<br />

besteht. Von besonderem Interesse sind<br />

für uns Soja aus Amerika, Reis aus Asien, Papaya<br />

aus den USA oder Thailand und Raps aus<br />

Kanada.<br />

Wie funktioniert die analyse der lebensmittel?<br />

Wir arbeiten mit molekularbiologischen Verfahren,<br />

vergleichbar mit dem genetischen Fin-<br />

gerabdruck in der Kriminalistik. Wir isolieren<br />

aus den Lebensmitteln die Erbsubstanz und<br />

untersuchen diese auf Genmanipulationen.<br />

Das ist wie die Suche nach der Stecknadel im<br />

Heuhaufen. Wenn der Befund positiv ist, dann<br />

geht es im nächsten Schritt an die Quantifizierung:<br />

Wieviel gentechnisch veränderte Bestandteile<br />

sind in der Probe enthalten? Dieses<br />

Verfahren ist dann noch mal um einiges<br />

aufwändiger als die rein qualitative Untersuchung.<br />

Wie sicher sind die Verfahren zum qualitativen<br />

und quantitativen nachweis von<br />

Gentechnik in lebensmitteln?<br />

Die besten Ergebnisse liefert die Untersuchung<br />

von unverarbeiteten Rohstoffen. Je<br />

weiter ein Rohstoff verarbeitet wurde, umso<br />

schwieriger wird auch der Nachweis von gentechnisch<br />

veränderten Bestandteilen. Das Verfahren<br />

ist etwa bei 90 Prozent der verarbeiteten<br />

Lebensmittel anwendbar.<br />

Bei Ketchup, sauren Gurken oder bei<br />

hochraffinierten Ölen ist ein Nachweis z.B.<br />

meist nicht mehr möglich. In solchen Fällen<br />

müssen dann die Zutaten bis zu ihren Rohstoffen<br />

rückverfolgt und diese anschließend<br />

untersucht werden. Obwohl wir am LGL mit<br />

modernsten Geräten arbeiten, sind der Analytik<br />

Grenzen gesetzt: Ein absoluter Null-Wert<br />

ist nicht messbar. Ich kann aufgrund unserer<br />

Verfahren nie mit 100-prozentiger Sicherheit<br />

sagen, dass ein Lebensmittel völlig gentechnikfrei<br />

ist. Deshalb arbeiten wir in der Analytik<br />

immer mit Grenzwerten.


Münchner Stadtgespräche Nr. 65 5/2013<br />

17<br />

mit welchem Grenzwert arbeiten Sie,<br />

wenn es um gentechnisch manipulierte<br />

Bestandteile in lebensmitteln geht?<br />

In Europa hat man sich auf den Grenzwert<br />

0,9 Prozent pro Lebensmittelzutat geeinigt.<br />

In diesem Prozentbereich ist die Kontamination<br />

auch bei verarbeiteten Produkten noch gut<br />

nachweisbar.<br />

Ich gebe Ihnen mal ein konkretes Beispiel:<br />

Gentechnisch veränderte Soja ist in Europa<br />

zum Verzehr zugelassen. Wenn eine Schokolade<br />

Sojalecithin enthält, dann dürfen zufällig<br />

oder technisch unvermeidbar bis zu 0,9 Prozent<br />

des Sojalecithins gentechnisch verändert<br />

sein. Sind es mehr als 0,9 Prozent, muss das<br />

Nahrungsmittel entsprechend gekennzeichnet<br />

werden.<br />

Wie viele lebensmittelproben werden<br />

jährlich auf gentechnisch manipulierte<br />

Bestandteile untersucht?<br />

In Deutschland müssen jährlich pro 1000 Einwohner<br />

fünf Lebensmittelproben analysiert<br />

werden. In Bayern kommen wir jährlich auf<br />

rund 63.000 Proben. Davon wird aber nur ein<br />

kleiner Teil auf Gentechnik untersucht. Es gibt<br />

ja noch viele andere Aspekte der Lebensmittelsicherheit<br />

wie Allergene, Zusatzstoffe, Dioxine,<br />

Salmonellen, EHEC oder irreführende<br />

Kennzeichnungen. Die Proben werden nach<br />

ihrer aktuellen Relevanz eingeteilt.<br />

Wie viele Beanstandungen haben Sie<br />

pro Jahr?<br />

Wir finden nur sehr wenige Produkte, die gentechnische<br />

Bestandteile über dem Grenzwert<br />

beinhalten und nicht gekennzeichnet sind. Das<br />

sind nicht mehr als zwei, drei Proben pro Jahr.<br />

Was passiert mit den beanstandeten lebensmitteln?<br />

Für die Folgemaßnahmen einer Beanstandung<br />

sind die örtlichen Vollzugsbehörden zuständig.<br />

Nachdem wir eine Probe analysiert<br />

haben, schreiben wir ein Gutachten mit den<br />

Analyseergebnissen für das zuständige Landratsamt.<br />

Wenn der GVO zugelassen ist, weist<br />

das Landratsamt den Hersteller darauf hin,<br />

dass er das Produkt entsprechend kennzeichnen<br />

muss oder es nicht weiter vertreiben darf.<br />

Wenn es sich um einen nicht zugelassenen<br />

GVO handelt, muss standardmäßig überprüft<br />

werden, ob die Gesundheit der Bevölkerung<br />

gefährdet ist und eine Rückrufaktion gestartet<br />

werden muss.<br />

und was ist mit den lebensmitteln, die<br />

weniger als 0,9 prozent GVos enthalten?<br />

Diese Lebensmittel beanstanden wir nicht.<br />

Das Landratsamt muss trotzdem überprüfen,<br />

ob die Kontamination technisch unvermeidbar<br />

oder zufällig war. Wenn zum Beispiel das kon-<br />

taminierte Sojaprodukt aus den USA kommt,<br />

ist eine technische Unvermeidbarkeit oder Zufälligkeit<br />

wahrscheinlicher als bei einem Produkt<br />

aus Deutschland. Aber das muss dann<br />

vom Hersteller glaubhaft dargelegt werden.<br />

mit welchen Strafen müssen die hersteller<br />

rechnen, wenn sie die Vorschriften<br />

nicht einhalten?<br />

Dass eine Straftat vorliegt, ist im Lebensmittelrecht<br />

sehr selten. Es handelt sich meistens<br />

um sogenannte Ordnungswidrigkeiten, die mit<br />

einem Bußgeld belegt werden. Die Höhe des<br />

Bußgeldes ist natürlich vom Tatbestand abhängig:<br />

Wie hoch ist die Kontamination? Ist<br />

der GVO zugelassen oder nicht? Hat der Hersteller<br />

vorsätzlich oder fahrlässig gehandelt?<br />

Was ist Ihre einschätzung: Sind Verbraucherinnen<br />

und Verbraucher in Bayern vor<br />

Gentechnik in lebensmitteln sicher?<br />

Sie können auf jeden Fall sicher sein, dass die<br />

geltenden Gesetze und Grenzwerte eingehalten<br />

werden. Wenn jemand auch keine minimalen<br />

Spuren in seinen Lebensmitteln möchte,<br />

dann zeigen unsere Untersuchungen,<br />

dass Bio-Produkte und Produkte mit dem Label<br />

„Ohne Gentechnik“ auf jeden Fall die sicherste<br />

Wahl sind. Hier finden wir noch seltener<br />

und deutlich geringere Spuren von GVO<br />

als bei konventionellen Lebensmitteln.<br />

der anbau gentechnisch manipulierter<br />

pflanzen nimmt weltweit zu. damit steigt<br />

das risiko der kontamination von lebensmitteln<br />

und die Wichtigkeit der lebensmittelüberwachung.<br />

Gibt es pläne,<br />

Ihren arbeitsbereich dementsprechend<br />

auszuweiten?<br />

Die gentechnische Überwachung ist ein wichtiger<br />

Bestandteil der Überwachungstätigkeiten<br />

am LGL und wird auch in Zukunft entsprechend<br />

ausgestattet sein.<br />

InterVIeW Verena Schmitt<br />

Foto LGL, Fotolia


18<br />

Gemeinsam gegen Gentechnik<br />

Der Anbau genmanipulierter Pflanzen in der Landwirtschaft<br />

stellt ein unkalkulierbares Risiko für unsere Umwelt und Gesundheit<br />

dar und bietet keinerlei Vorteile – weder für Landwirte<br />

noch für den Verbraucher. Alleinige Gewinner sind Agrarkonzerne<br />

wie Monsanto, DuPont und Syngenta, die mit dem Einsatz von<br />

Agro-Gentechnik immense Gewinne verzeichnen können. Kein Wunder,<br />

dass der Widerstand in der Bevölkerung gegen die Gentechnik ungebrochen<br />

ist und weltweit wächst: Laut Eurobarometer 2010 sprechen<br />

sich 71 Prozent der Deutschen und 66 Prozent der Europäer gegen<br />

Gentechnik im Essen aus. Im Vergleich zu einer 2005 durchgeführten<br />

Studie sind die Bedenken in allen EU-Ländern – außer Großbritannien<br />

– nochmals gestiegen.<br />

So wehren sich immer mehr engagierte Bürgerinnen und Bürger<br />

erfolgreich gegen die Gentechnik auf unseren Äckern und in unserem<br />

Essen. Ihr Protest hat bereits zahlreiche Etappensiege errungen:<br />

In Deutschland werden derzeit keine Gen-Pflanzen angebaut. In Europa<br />

gilt zudem eine Kennzeichnungspflicht für Lebens- und Futtermittel<br />

und in den Regalen der Supermärkte sind keine Gen-Produkte zu finden.<br />

Doch die Konzerne wollen auf diesen lukrativen Markt nicht freiwillig<br />

verzichten und üben nach wie vor Druck auf Handel und Politik<br />

aus. Bürgerschaftliches Engagement bleibt also weiterhin sehr wichtig.<br />

Jeder kann sich dafür einsetzen, dass unsere Äcker und Teller frei von<br />

Gentechnik bleiben. Wer Lebensmittel mit dem Bio- oder „Ohne-Gentechnik“-Siegel<br />

kauft, gibt der Agro-Gentechnik keine Chance. Doch<br />

auch über den Einkaufskorb hinaus können Sie aktiv werden:<br />

Zeigen Sie Zivilcourage<br />

<strong>Umweltinstitut</strong> <strong>München</strong> e.V. 5/2013<br />

Lokale Gruppen anerkannter Umweltschutz- und Verbraucherschutzverbände<br />

sowie kirchliche und politische Vereinigungen engagieren<br />

sich seit vielen Jahren gegen Gentechnik in <strong>München</strong>. Neu hinzuge-<br />

Wie Sie aktiv werden können<br />

kommen ist die Arbeitsgruppe Zivilcourage für eine gentechnikfreie<br />

Stadt und einen gentechnikfreien Landkreis <strong>München</strong>. Die Gruppe von<br />

Gentechnik-Gegnern aus <strong>München</strong> und Umgebung informiert mit Infoständen,<br />

Vorträgen und Podiumsdiskussionen interessierte Verbraucher<br />

und Landwirte über die Agro-Gentechnik und motiviert zum Handeln.<br />

Die Initiative trifft sich regelmäßig jeden dritten Mittwoch im Monat um<br />

19:30 Uhr im Eine-Welt-Haus in der Schwanthalerstraße 80 in <strong>München</strong>.<br />

Weitere Mitstreiter sind auch hier herzlich willkommen!<br />

Pflanzen Sie ein Zeichen gegen Gentechnik<br />

Die Aktion „Bantam!“ lädt alle Gärtner, Bauern und Balkonbesitzer ein,<br />

die gentechnikfreie und samenfeste Maissorte „Golden Bantam“ anzupflanzen<br />

und den Standort in die Goldene Bantam-Karte einzutragen.<br />

Bereits an über 60.000 Orten in Deutschland wächst Bantam. Erklären<br />

auch Sie ihren Garten oder Balkon zur gentechnikfreien Zone und beteiligen<br />

Sie sich an der Aktion unter www.bantam-mais.de.<br />

Demonstrieren Sie für eine gentechnikfreie<br />

Landwirtschaft<br />

Unter dem Motto „Mir hams satt – Agrarindustrie und Flächenfraß stoppen“<br />

findet am 13. Juli 2013 eine Großdemonstration in <strong>München</strong> statt.<br />

Tausende Menschen werden sich um 11 Uhr auf dem Odeonsplatz versammeln,<br />

um für eine ökologische und bäuerliche Landwirtschaft zu<br />

demonstrieren. Weitere Informationen zum Ablauf der Demonstration<br />

und eine Bestellmöglichkeit für Infomaterial finden Sie unter<br />

www.mir-hams-satt.de.<br />

text Verena Schmitt<br />

Foto Jörg Farys


Münchner Stadtgespräche Nr. 65 5/2013<br />

19<br />

Die Saat des Zweifels<br />

Widerstand ist sein Thema: Vor 37 Jahren gründete Bertram Verhaag gemeinsam<br />

mit Claus Strigel die Produktionsfirma Denkmal-Film. Als Produzent, Autor und<br />

Regisseur drehte er seither mehr als 120 Filme, die zum Nachdenken anregen<br />

In den 1980er-Jahren begann Bertram Verhaag, sich mit dem Thema<br />

Atomkraft zu beschäftigen und aufzuzeigen, wie Atomlobby und<br />

Politik sich anschickten, die Demokratie auszuhebeln. Auch die<br />

Gentechnik beschäftigt den Absolventen der Münchner Hochschule für<br />

Film und Fernsehen: Seit er in den 1990er-Jahren eher beiläufig auf<br />

das Thema stieß – ursprünglich wollte er einen Film über die als erstes<br />

Lebewesen patentierte „Krebsmaus“ drehen – wird der Münchner<br />

Dokumentarfilmer nicht müde, die fragwürdigen Machenschaften der<br />

Agrarkonzerne zum Gegenstand seines Schaffens zu machen. Ein Artikel<br />

in der französischen Zeitung „Le Monde“ über „Terminatorsaatgut“<br />

wurde zum Auslöser seiner Wut darüber, dass die Industrie sich anmaßt,<br />

Saatgut aus Profitgründen unfruchtbar zu machen. Einmal gekeimt, ist<br />

dessen Reproduktionskraft erschöpft, die Bauern müssen für die nächste<br />

Aussaat wieder bei den Konzernen kaufen. „Ich habe schnell erkannt,<br />

welche Gefahr hierin für die Demokratie liegt“, stellt Verhaag fest.<br />

Sein Film „Leben außer Kontrolle“ (2004) avancierte schnell zu einer<br />

der meistgesehenen Produktionen zum Thema Gentechnik.<br />

Im Visier der Saatgut-Industrie<br />

In seinen Filmen beschränkt Verhaag sich nicht auf die rein fachliche,<br />

informative Ebene, sondern bettet seine Sujets in ein sehr persönlich<br />

und zeitweise sogar intim gestaltetes emotionales Umfeld ein. Eine dramaturgische<br />

Entscheidung, die nicht selten seine Gegner auf den Plan<br />

ruft mit dem Vorwurf, seine Filme seien „unseriös“ und daher nicht aussagekräftig.<br />

Was aber nichts daran ändert, dass die Fakten, die Verhaag<br />

präsentiert, akribisch recherchiert und entsprechend belastbar sind. So<br />

sehr, dass seinen Darstellungen auch von den betroffenen Firmen und<br />

Institutionen nicht widersprochen werden kann: „Dass selbst Angriffe<br />

von Monsanto ohne Erfolg blieben, ist für mich ein besonderes Güte-<br />

siegel meiner Arbeit“ meint Verhaag dazu und sieht im aggressiven Verhalten<br />

der Saatgut-Industrie den Beleg dafür, dass diesen für ihre Vorgehensweise<br />

zur Durchsetzung ihrer Interessen jegliche Rechtfertigung<br />

abgeht.<br />

Die Mär von der „neutralen Wissenschaft“<br />

Verhaags neuester Film zum Thema Gentechnik heißt „Gekaufte Wahrheit<br />

– Gentechnik im Magnetfeld des Geldes“. Er lief 2011 mit großem<br />

Erfolg in den deutschen und österreichischen Kinos. In „Gekaufte Wahrheit“<br />

schildert der Filmemacher, was passieren kann, wenn Forschung<br />

und Wissenschaft nicht mehr ausreichend öffentlich finanziert werden,<br />

sondern auch staatliche Institute mehr und mehr von „Drittmitteln“ abhängig<br />

werden und unter den Einfluss von Konzernen gelangen. Der<br />

Kampf gegen Lobbyismus und die rücksichtslose Durchsetzung von Interessen<br />

in Wissenschaft, Wirtschaft und Politik ist ihm ein persönliches<br />

Anliegen. Denn nichts ist so sehr eine Mär wie die angebliche „Neutralität“<br />

der Wissenschaft, wie gerade die Anfälligkeit für Ideologie bei ihren<br />

größten Verfechtern zeigt.<br />

Weitere Informationen über die Filme von Bertram Verhaag und Claus<br />

Strigel finden Sie unter www.denkmal-film.com.<br />

text Johannes Bucej<br />

Slow Food Deutschland e.V.<br />

Foto Bertram Verhaag<br />

Dieser Artikel basiert auf einer gekürzten Version des Artikels „Gekaufte<br />

Wahrheit“ von Johannes Bucej, erschienen 2011 in „Slow Food – Zeitschrift<br />

der Slow Food Bewegung in Deutschland“.


20<br />

Es geht auch ohne<br />

Gen-Pflanzen!<br />

Greenpeace organisiert seit Jahren Kampagnen gegen Gen-Pflanzen auf dem<br />

Acker und für eine gentechnikfreie Lebensmittelproduktion – ein Überblick<br />

Verbraucher wollen keine Gentechnik.<br />

Eine Forsa-Umfrage im Auftrag des<br />

Bundesministeriums für Landwirtschaft,<br />

Ernährung und Verbraucherschutz hat<br />

im Juni 2012 ergeben, dass 83 Prozent der<br />

deutschen Verbraucher gentechnisch veränderte<br />

Lebensmittel ablehnen. Wenn Gen-Mais,<br />

Gen-Soja oder Gen-Zucker von Herstellern direkt,<br />

z.B. zur Herstellung von Süßigkeiten, Fertigprodukten<br />

oder Ölen verarbeitet wurden,<br />

<strong>Umweltinstitut</strong> <strong>München</strong> e.V. 5/2013<br />

muss dies auf dem Produkt in der Zutatenliste<br />

gekennzeichnet werden. Die großen Lebensmittelhersteller<br />

wissen um die Ablehnung<br />

durch die Verbraucher, weshalb es heute in<br />

Deutschland kaum Produzenten gibt, die Zutaten<br />

aus Gen-Pflanzen direkt verarbeiten.<br />

Nur Siegel geben Sicherheit<br />

Die Kennzeichnungsvorschrift hat jedoch Lücken.<br />

Ein Großteil der weltweit angebauten<br />

Gen-Pflanzen wird zu Tierfutter verarbeitet.<br />

Produkte wie Milch, Fleisch und Eier von Tieren,<br />

die Gen-Pflanzen gefressen haben, müssen<br />

nicht gekennzeichnet werden. So landen<br />

indirekt und vom Verbraucher unbemerkt<br />

Gen-Pflanzen auch wieder in unserer Nahrungskette.<br />

Bei konventionellen tierischen<br />

Produkten hat der Verbraucher daher oft keine<br />

Wahlfreiheit. Es sei denn, er achtet auf das<br />

Siegel „Ohne Gentechnik“ (siehe S. 12/13).


Münchner Stadtgespräche Nr. 65 5/2013<br />

21<br />

Unerwünschte<br />

Nebenwirkungen<br />

Anders als bei konventioneller Züchtung wird<br />

bei der Gentechnik das Erbmaterial der Pflanzen<br />

so verändert, wie es auf natürlichem Wege<br />

nie passieren würde. So werden beispielsweise<br />

Gene aus Bakterien oder Viren in das Erbgut<br />

von Pflanzen eingebaut, um sie unempfindlich<br />

gegen Insektenfraß oder Spritzmittel<br />

zu machen. Studien belegen, dass der Einsatz<br />

bestimmter Spritzmittel seit dem Anbau von<br />

Gen-Pflanzen rapide gestiegen ist.<br />

Gene sind zudem komplex und meist<br />

gleichzeitig für mehrere Aufgaben oder Eigenschaften<br />

verantwortlich. So können bei<br />

der Genmanipulation unerwartete Nebenwirkungen<br />

nicht ausgeschlossen werden. Langzeitstudien<br />

zu Risiken von Gen-Food gibt es<br />

bisher allerdings nicht.<br />

Wer gentechnisch veränderte Pflanzen im<br />

Tierfutter einsetzt, fördert deren riskanten Anbau<br />

und zerstört damit die Artenvielfalt. Er unterstützt<br />

eine klimafeindliche Landwirtschaft<br />

mit hohem Einsatz von Düngemitteln und Pestiziden,<br />

die Ackerböden vernichtet und Gewässer<br />

verschmutzt.<br />

Leider sind noch längst nicht alle Unternehmen<br />

bereit, verantwortungsbewusst<br />

und nachhaltig zu handeln und<br />

auf Gen-Futter zu verzichten. Dazu gehört<br />

auch ein große Molkerei wie Weihenstephan.<br />

Greenpeace hat seine Kampagne für<br />

gentechnikfreie Milch 2004 bei Müllermilch<br />

gestartet. Ein harter Brocken<br />

– bis heute. Das Unternehmen und<br />

das Tochterunternehmen Weihenstephan<br />

halten offensichtlich nichts von<br />

Verbrauchertransparenz und nachhaltiger<br />

Produktion, wenn es um Gentechnik<br />

geht. Müller verklagte Greenpeace<br />

und wollte so verhindern, dass<br />

das Wort Gen-Milch im Zusammenhang<br />

mit Müllermilch-Produkten verwendet<br />

werden darf, wenn Gen-Pflan-<br />

Die Verantwortung<br />

beginnt im Stall<br />

Produktqualität und -verantwortung beginnen<br />

also nicht erst im Supermarktregal, sondern<br />

bereits im Stall und auf dem Acker. Die Fütterung<br />

ohne Gen-Pflanzen ist möglich und umsetzbar,<br />

denn gentechnikfreies Tierfutter wird<br />

weltweit nach wie vor ausreichend angeboten.<br />

Immer mehr Firmen haben das Problem<br />

in den letzten Jahren ernst genommen und<br />

bereits vorgemacht, dass es auch im Tierfutter<br />

ohne Gentechnik geht. Nach vielen Jahren<br />

Überzeugungsarbeit und vielfachem Verbraucherprotest<br />

setzen in Deutschland immer<br />

mehr Molkereien, Eierhersteller und auch der<br />

Lebensmitteleinzelhandel auf eine Erzeugung<br />

ohne gentechnisch verändertes Tierfutter.<br />

Erste Erfolge<br />

Als erste große Molkerei in Deutschland hat<br />

Campina im Oktober 2008 seine Milchmarke<br />

„Landliebe“ auf eine Fütterung ohne Gentechnik<br />

umgestellt. Andere Molkereien sind dem<br />

guten Beispiel gefolgt, zum Beispiel Bauer-<br />

Joghurt, Zott-Mozzarella, Grünländer Käse,<br />

Milch von Schwarzwälder oder die Upländer<br />

Weihenstephan - die Scheinheiligen<br />

zen im Futtertrog eingesetzt wurden.<br />

Ohne Erfolg, Müller verlor in letzter Instanz<br />

vor dem Bundesverfassungsgericht.<br />

2008 startete Greenpeace mit<br />

der Aktion „Der Cent macht’s!“ erneut<br />

einen Anlauf, das Tochterunternehmen<br />

Weihenstephan davon zu überzeugen,<br />

dass Milch auch ohne Gen-Pflanzen im<br />

Tierfutter hergestellt werden kann und<br />

deshalb nicht einmal wesentlich teurer<br />

sein muss. Denn schon mit einem<br />

Cent können die Tierfuttermehrkosten<br />

für einen Liter Milch ohne Gentechnik<br />

gedeckt werden. Zehntausende von<br />

Verbrauchern schickten Briefumschläge<br />

mit einem Cent an Weihenstephan.<br />

Das Unternehmen verweigerte die Annahme<br />

und sprach Greenpeace „jegliche<br />

Legitimation ab, im Namen der<br />

Verbraucher zu handeln“. Für Weihen-<br />

Bauernmolkerei. Auch große Babymilchhersteller<br />

haben sich verpflichtet, nur noch Magermilchpulver<br />

oder Molke aus Kuhmilch ohne<br />

versteckte Gen-Pflanzen im Tierfutter zu beziehen.<br />

Dieser Trend kommt auch langsam<br />

im Einzelhandel an, der circa 70 Prozent der<br />

deutschen Milch zu seinen Eigenmarken verarbeitet.<br />

Die Firma Tegut hat als erste Supermarktkette<br />

ihre Eigenmarken bei Milch, Sahne,<br />

Schmand und Joghurt mit dem Label<br />

„Ohne Gentechnik“ ausgezeichnet. Große Zukunftspläne<br />

hat auch das Unternehmen REWE:<br />

Es beginnt die Umstellung auf gentechnikfreie<br />

Futtermittel mit Milchprodukten der Marke Pro<br />

Planet in Mittel- und Westdeutschland. Langfristig<br />

sollen weitere Produkte folgen.<br />

Bio ist immer noch die beste Wahl. Gentechnik<br />

in Lebensmitteln oder im Tierfutter sowie<br />

chemische Spritzmittel sind in der ökologischen<br />

Landwirtschaft tabu, artgerechte<br />

Tierhaltung ist Pflicht.<br />

text Stephanie Töwe<br />

Greenpeace Deutschland<br />

FotoS Fotolia, Jens Küsters/Greenpeace<br />

stephan waren die Teilnehmenden keine<br />

Verbraucher, so hieß es in einem<br />

Schreiben frech: „Verbraucher sind für<br />

uns allerdings nicht Greenpeace-Mitglieder<br />

oder -Sympathisanten, die als<br />

Verbraucher getarnt auftreten.“ Trotz<br />

Alpenidylle in der Weihenstephan-Werbung<br />

landet auch weiterhin Gen-Soja<br />

im Futtertrog der Milchkühe. Die Milch<br />

kommt zum Teil noch nicht einmal aus<br />

dem Alpengebiet.


22<br />

<strong>Umweltinstitut</strong> <strong>München</strong> e.V. 5/2013<br />

Mit Gentech in die Zukunft?<br />

2013 ist ein wichtiges Jahr für die Gentechnik in der Landwirtschaft: Vor 60 Jahren wurde die<br />

DNA entschlüsselt, vor 30 Jahren wurden die ersten gentechnisch veränderten Pflanzen hergestellt<br />

und seit etwa 20 Jahren werden diese in den USA kommerziell angebaut. Jetzt steht eine<br />

neue Runde von Entscheidungen an<br />

I<br />

n diesem Jahr könnte erstmals in den USA auch gentechnisch veränderter<br />

Fisch zur Zulassung anstehen. Es drohen zudem weitere<br />

Freisetzungen gentechnisch veränderter Insekten. Auf den Philippinen<br />

soll der sogenannte „Goldene Reis“ zum ersten Mal auf größerer<br />

Fläche angebaut werden. Und in der EU arbeiten Industrie und EU-Kommission<br />

mit Hochdruck an neuen Zulassungen für den Anbau.<br />

Erfahrungen aus der US-Landwirtschaft<br />

Wohin die Reise beim Anbau von gentechnisch veränderten Pflanzen<br />

langfristig geht, zeigt sich am Beispiel USA: Die US-Landwirte hatten zunächst<br />

Vorteile beim Anbau herbizidresistenter Pflanzen. Die positiven<br />

Effekte (Arbeitszeitersparnis, geringere Aufwendungen an Spritzmitteln<br />

bei der Unkrautbekämpfung) haben sich jedoch ins Gegenteil verkehrt:<br />

Da sich die Unkräuter an den Anbau der gentechnisch veränderten<br />

Pflanzen angepasst haben, steigt sowohl die Menge an Spritzmittel als<br />

auch der Arbeitszeitaufwand deutlich. Auch beim Anbau von insekten-<br />

giftproduzierenden Pflanzen zeigen sich ähnliche Entwicklungen: Nachdem<br />

sich neue Schädlinge im Maisanbau ausgebreitet haben, werden<br />

die Pflanzen jetzt mit mehreren Giftstoffen gleichzeitig ausgestattet.<br />

Das bekannteste Produkt ist der Mais „SmartStax“, entwickelt von<br />

Monsanto und Dow AgroSciences. In den USA wird dieser Mais bereits<br />

auf Millionen Hektar angebaut. „SmartStax“ produziert sechs verschiedene<br />

Insektengifte, zudem sind die Pflanzen gegen die Unkrautvernichtungsmittel<br />

Glyphosat und Glufosinat tolerant gemacht. Mit Produkten<br />

wie „SmartStax“ führt die US-Landwirtschaft eine Art Wettrüsten gegen<br />

Schädlinge und Unkräuter, die sich an Spritzmittel und Insektengifte anpassen.<br />

Die Folge: Die Umweltbelastung wächst, die Saatgutpreise gehen<br />

steil nach oben und die Ernteerträge stagnieren.<br />

Die Chancen für eine Wende in der US-Landwirtschaft sind gering,<br />

Konzerne wie Monsanto, DuPont und Syngenta kontrollieren den Saatgutmarkt<br />

bei Baumwolle, Mais und Soja weitgehend. Neues Saatgut<br />

kommt meist nur mit den patentgeschützten Genen auf den Markt. Die


Münchner Stadtgespräche Nr. 65 5/2013<br />

23<br />

Umsätze der Konzerne steigen angesichts teurer Saatgutmonopole und<br />

steigendem Spritzmitteleinsatz. Agrochemie-Konzerne wie Monsanto<br />

sind keine traditionellen Züchter. Erst die Einführung der Gentechnik mit<br />

der Möglichkeit, weitreichende Patente anzumelden und neue Strategien<br />

zur Gewinnmaximierung umzusetzen, war für diese Konzerne der<br />

Anreiz, in den Markt einzusteigen. Inzwischen dominieren diese Konzerne<br />

den internationalen Saatgutmarkt sogar im Bereich der konventionellen<br />

Züchtung. Die Preise für das Saatgut steigen, die Anzahl der<br />

Landwirte, die die eigene Ernte zur Wiederaussaat verwenden, ist stark<br />

zurückgegangen. Mögliche Patentverstöße der Landwirte werden unter<br />

anderem mit der Hilfe von Detektiven verfolgt.<br />

Entwicklung in der EU<br />

Bisher gibt es in der EU nur wenige Regionen (insbesondere Spanien), in<br />

denen gentechnisch veränderter Mais angebaut wird. Allerdings stehen<br />

2013 eine Reihe von weiteren Zulassungsentscheidungen an, darunter<br />

auch ein Antrag für den Anbau herbizidresistenter Soja und Mais. Angesichts<br />

der Folgen des Anbaus dieser Pflanzen in den USA werden diese<br />

anstehenden Entscheidungen richtungsweisend für die weitere Entwicklung<br />

der Landwirtschaft in der EU sein.<br />

Durch den Import von Millionen Tonnen an Futtermitteln gelangt<br />

auch eine große Palette an Produkten aus der US-Landwirtschaft in die<br />

Nahrungsmittelproduktion der EU. Mit diesen Produkten geraten kontinuierlich<br />

Rückstände von Pflanzenschutzmitteln und/oder Insektengiften<br />

ins Tierfutter, die bisher in Lebens- und Futtermitteln nicht oder<br />

nur in geringeren Mengen vorhanden waren. Welche Auswirkungen das<br />

langfristig auf die Gesundheit der Nutztiere und auf die von ihnen gewonnenen<br />

Produkte hat, wurde bisher nicht ausreichend untersucht.<br />

Immerhin gibt es in der EU aber eine Kennzeichnungspflicht. Gentechnisch<br />

veränderte Pflanzen in Lebensmitteln sind für den Verbraucher<br />

kenntlich zu machen, bisher verzichten die großen Lebensmittelhersteller<br />

auf ihren Einsatz. Auch hier könnte sich in Zukunft manches<br />

ändern: Kommt die EU-Freihandelszone mit den USA, besteht die Gefahr,<br />

dass Wahlfreiheit und Transparenz dem freien Warenverkehr geopfert<br />

werden.<br />

Frankenfish around the corner?<br />

Gentechnisch veränderte Tiere zur Produktion von Nahrungsmitteln sind<br />

weltweit noch nirgendwo zugelassen. <strong>Zur</strong> Zulassung in den USA angemeldet<br />

ist gentechnisch veränderter „Turbo-Lachs“ der Firma Aqua-<br />

Bounty, der mit einem zusätzlichen Gen für Wachstumshormone ausgestattet<br />

wurde und wesentlich schneller wächst als seine konventionell<br />

gezüchteten Artgenossen. Bereits 2010 hatte sich die US-Lebensmittelbehörde<br />

FDA (US Food and Drug Administration) positiv über die Si-<br />

cherheit der Fische geäußert. Über die Zulassung wird in den USA heftig<br />

diskutiert.<br />

In Kanada gezüchtete „Enviropig-Schweine“ produzieren in ihrem<br />

Speichel ein Enzym (Phytase), das Phosphorverbindungen abbaut. So<br />

soll die Futterverwertung verbessert und die Ausscheidung von Phosphor<br />

verringert werden. Ob und wann diese Schweine den Markt erreichen<br />

werden, lässt sich aber noch nicht absehen. Entwickelt wurden sie<br />

– ebenso wie der gentechnisch veränderte Lachs – schon vor über zehn<br />

Jahren. Angeblich wurde das Projekt Anfang 2012 aus Kostengründen<br />

eingestellt. Weitere im Bereich der Nahrungsmittelproduktion geplante<br />

Anwendungen sind beispielsweise virusresistente Nutztiere oder Kühe,<br />

deren Milch humanisiert wurde.<br />

Auch bei Insekten sind die Gentechnikfirmen aktiv: Die englische<br />

Firma Oxitec hat gentechnisch veränderte Insekten bereits in Brasilien,<br />

Malaysien und den Cayman Islands ausgesetzt. Oxitec preist ihre Mücken-Lösung<br />

als umweltfreundlich und effektiv an und will u.a. auch<br />

Weltweit wird an neuen Geschöpfen aus<br />

dem Gentechnik-Zoo gearbeitet<br />

Mücken zur Malariabekämpfung und zur Bekämpfung landwirtschaftlicher<br />

Schädlinge einsetzen. Gentechnisch veränderte Insekten, die in<br />

Gemüse- und Obstkisten gelangen, könnten dann auch zur Beilage von<br />

Lebensmitteln werden.<br />

Schöne neue synthetische Biologie<br />

Trotz allen Zweifeln an der Sicherheit der Produkte und der Ablehnung<br />

durch die Verbraucher wird also weltweit an neuen Geschöpfen aus<br />

dem Gentechnik-Zoo gearbeitet. Unterstützt werden die Träume der<br />

Gentechniker durch neue technische Verfahren zur Gensynthese und<br />

der Synthetischen Biologie, die es ermöglichen, am Computer neue<br />

DNA-Verbindungen herzustellen und in Lebewesen einzubauen, die es<br />

bisher in der Natur nicht gegeben hat. Beispiel ist der Mais SmartStax:<br />

Eines seiner Insektengifte wurde durch die Fusion der DNA mehrerer<br />

natürlicher Insektengifte synthetisiert. Diese künstlich synthetisierte<br />

DNA und das neue Gift gelangen mit den Pflanzen in die Nahrungskette<br />

und in die Umwelt, ohne dass die Langzeitfolgen untersucht wurden. Ein<br />

anderes Beispiel aus der pharmazeutischen Forschung sind Schimpansen,<br />

in deren Erbgut per Gensynthese DNA eingebaut wurde, die nach<br />

Vorlage von Insektenerbgut „designed“ wurde. Für das Europäische Patentamt<br />

ist das einfach nur eine patentwürdige Erfindung. Die Zivilgesellschaft<br />

sollte in diesem Beispiel aber einen deutlichen Warnhinweis<br />

sehen, dass die ethischen Grenzen überschritten werden.<br />

text Dr. Christoph Then<br />

Testbiotech e.V.<br />

Foto Fotolia


24<br />

Kontakte<br />

referat für Gesundheit und<br />

umwelt<br />

Öffentlichkeitsarbeit<br />

Bayerstraße 28a<br />

80335 <strong>München</strong><br />

Tel.: 089-233-47 524<br />

Fax: 089-233-47 508<br />

oeffentlichkeitsarbeit.rgu@muenchen.de<br />

www.muenchen.de/rgu<br />

Termine<br />

Seminarreihe: Genopoly - Gentechnik um jeden preis?<br />

Kaum einer will sie, ihr Nutzen ist nicht erkennbar, immer offensichtlicher treten<br />

die Risiken zutage - und dennoch scheint sie unaufhaltsam: Die Anwendung<br />

der Gentechnik bei Pflanzen, Tieren und Lebensmitteln. Die Agro-Gentechnik<br />

erweist sich immer deutlicher als erhebliches Risiko für die Gesundheit von<br />

Mensch und Tier, für die Umwelt und die Welternährung. Gemeinsam mit dem<br />

oekom e.V. will das <strong>Umweltinstitut</strong> <strong>München</strong> den interessierten Veranstaltungsteilnehmern<br />

die Basisinformationen für eine kritische Auseinandersetzung mit<br />

der Agro-Gentechnik liefern.<br />

anmeldung: Bitte melden Sie sich zu den Veranstaltungen unter<br />

Tel. 089/30 77 49-0 oder unter info@umweltinstitut.org an.<br />

ort: münchner zukunftssalon des oekom e. V., Waltherstr. 29 Rgb., <strong>München</strong><br />

Weitere Informationen: www.umweltinstitut.org/genopoly.htm<br />

Do., 13. Juni 2013, 19 - 21 Uhr<br />

Früchte des labors -<br />

Gentechnik bei pflanzen<br />

Referent: Dr. Christoph Then<br />

Testbiotech e.V.<br />

Impressum<br />

Herausgegeben vom <strong>Umweltinstitut</strong> <strong>München</strong> e.V.<br />

anschrift für Verlag, verantwortlichen Redakteur<br />

und Anzeigenverantwortlichen:<br />

<strong>Umweltinstitut</strong> <strong>München</strong> e.V.<br />

Verein zur Erforschung und Verminderung der<br />

Umweltbelastung<br />

Landwehrstr. 64a<br />

80336 <strong>München</strong><br />

Tel.: (089) 30 77 49-0<br />

Fax: (089) 30 77 49-20<br />

E-Mail: a21@umweltinstitut.org<br />

Internet: www.umweltinstitut.org<br />

<strong>Umweltinstitut</strong> <strong>München</strong> e.V. 5/2013<br />

Ökologisches<br />

Bildungszentrum<br />

Dr. Christian Suchomel<br />

Englschalkinger Str. 166<br />

81927 <strong>München</strong><br />

Tel.: 089-93 94 89 60<br />

Fax: 089-93 94 89 81<br />

mail@oebz.de<br />

www.oebz.de<br />

Do., 27. Juni 2013, 19 - 21 Uhr<br />

Wohl bekomm´s? Genfood im<br />

Supermarkt und auf dem teller<br />

Referentin: Anja Sobczak<br />

<strong>Umweltinstitut</strong> <strong>München</strong> e.V.<br />

redaktion Fabian Holzheid, Joy Mann, Katja<br />

Bachert, Christina Hacker (verantwortlich<br />

für Redaktion und Anzeigen)<br />

layout Fabian Holzheid, Joy Mann<br />

druck ulenspiegel druck gmbh<br />

Birkenstraße 3<br />

82346 Andechs<br />

anzeigen Es gilt die Anzeigenliste 2005<br />

Versand Klebeck und Partner, Kolbermoor<br />

auflage 15.000<br />

100% recyclingpapier<br />

Bürgerstiftung<br />

zukunftsfähiges münchen<br />

Klenzestraße 37/Rgb.<br />

80469 <strong>München</strong><br />

Tel.: 089-202 38-111<br />

Fax: 089-202 38-113<br />

mail@bszm.de<br />

www.bszm.de<br />

www.lifeguide-muenchen.de<br />

www.sinn-muenchen.de<br />

Do., 14. November 2013, 19 - 21 Uhr<br />

Blinde kuh - risiken und nebenwirkungen<br />

der Gentechnik<br />

Referentin: Dr. Martha Mertens<br />

BUND Naturschutz in Bayern e.V.<br />

Namentlich gekennzeichnete Artikel geben die<br />

Meinung der Verfasserin/des Verfassers und nicht<br />

in jedem Fall die der Redaktion wieder.<br />

Zitieren erwünscht, bitte mit Quellenangabe!<br />

Titelbild: W.R.Wagner/Pixelio<br />

Bild auf dieser Seite: Fotolia<br />

Redaktionsschluss für die nächste Ausgabe:<br />

01.08.2013<br />

newsletter der agenda 21<br />

Regelmäßige Informationen über die<br />

Agenda-Termine in <strong>München</strong> erhalten<br />

Sie im kostenfreien Newsletter unter<br />

www.muenchner-stadtgespraeche.de<br />

Do., 28. November 2013, 19 - 21 Uhr<br />

Schöne neue Welt? - die zukunft<br />

der Gentechnik<br />

Referent: Dr. Christoph Then<br />

Testbiotech e.V.<br />

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an folgendes Spendenkonto:<br />

<strong>Umweltinstitut</strong> <strong>München</strong> e.V.<br />

Bank für Sozialwirtschaft <strong>München</strong><br />

BLZ 700 205 00 - Konto 88 311 01<br />

Stichwort AGENDA 21<br />

Mit freundlicher Unterstützung der<br />

Die münchner Stadtgespräche entstehen in Zusammenarbeit<br />

und mit Förderung des Referates<br />

für Gesundheit und Umwelt der Landeshauptstadt<br />

<strong>München</strong>.<br />

Dieses Heft kann im Internet unter der Adresse<br />

www.muenchner-stadtgespraeche.de als pdf-Datei<br />

heruntergeladen werden.

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