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Die Länge des Rheins und seine Vermessung

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Peter Haas<br />

<strong>Die</strong> <strong>Länge</strong> <strong>des</strong> <strong>Rheins</strong><br />

<strong>und</strong> <strong>seine</strong> <strong>Vermessung</strong><br />

von H a n s H e r m a n n K u h r<br />

Dem Wanderer oder dem sonntäglichen Spaziergänger, der dem Ufer <strong>des</strong><br />

<strong>Rheins</strong> folgt, begegnen verschiedenartige Tafeln <strong>und</strong> Zeichen, von denen die Stromkilometrierungszeichen<br />

am meisten ins Auge springen (Abb.1). <strong>Die</strong>se Kilometrierung<br />

beginnt an der Rheinbrücke in Konstanz (Stromkilometer 0) <strong>und</strong> reicht bis zur Mündung<br />

<strong>des</strong> <strong>Rheins</strong> in die Nordsee (km 1032,8).<br />

Der interessierte Beobachter wird sich fragen, seit wann man sich mit der Ermittlung<br />

der <strong>Länge</strong> <strong>des</strong> Rheinlaufes befasst <strong>und</strong> wie man diese Aufgabe gelöst hat.<br />

Abb. 1 Rheinkilometrierung: Sichtzeichen bei einem<br />

vollen Kilometer<br />

Einleitend sei ein geographischer Oberblick<br />

gestattet, der in einfacher Form die wichtigsten<br />

Charakteristika <strong>des</strong> Rheinlaufes<br />

aufzeigt. Bekanntlich bilden den Rhein zwei<br />

Quellflüsse im Graubündener Land. Der<br />

Vorderrhein entfliesst dem Tomasee (St.<br />

Gotthard-Gruppe) <strong>und</strong> vereinigt sich nach<br />

einem Lauf von 68 km bei Reichenau mit<br />

dem Hinterrhein, der aus dem Zappert-Gletscher am Mascholhorn (Adula-Gruppe<br />

nahe dem Bernhardiner Pass) kommt. Nach dieser Vereinigung fließt der nunmehr<br />

Alpenrhein genannte Fluss nach weiteren 164 km in den Bodensee, den er bei Konstanz<br />

verlässt, um nach 6 km in den Untersee einzutreten. An <strong>des</strong>sen westlichem<br />

Ende bei Stein a. Rh. nimmt er wieder <strong>seine</strong>n Flusscharakter an, um eine Strecke<br />

von 141 km als Hochrhein bis Basel zurückzulegen. Nach 362 km als Oberrhein<br />

durchbricht der Fluss bei Bingen das Rheinische Schiefergebirge, um als Mittelrhein<br />

die 124 km lange Gebirgsstrecke zu durchströmen. Nach Verlassen der Mittelrheinregion<br />

bei Bonn weisen die großen Mäanderbildungen den Rhein als Niederungsfluss<br />

aus, der auf 369 km dann auch die Bezeichnung Niederrhein führt. Nach dem<br />

Übertritt in das Gebiet der Niederlande beginnt bei Pannerden das Deltagebiet, das<br />

mit dem der Maas verwoben ist. Der linke Arm verläuft dabei als Waal <strong>und</strong> Merwede<br />

bis in die Gegend von Dordrecht, von wo sich die Wasser auf verschiedene Mündungsarme<br />

verteilen. Für die Schiffahrt am wichtigsten ist der Nieuwe Waterweg, die<br />

Seeschiffszufahrt zum Hafen Rotterdam. Der rechte Arm verläuft bis Westervoort (oberhalb<br />

Arnheim) als Pannerdenscher Kanal, weiter als Nederrijn (bis Wijk bij<br />

Duurstede) <strong>und</strong> als Lek; er mündet in die Nieuwe Maas, die wiederum in den Nieuwe<br />

Waterweg übergeht.<br />

Nach dieser etwas schematischen Darstellung wollen wir uns der Frage zuwenden,<br />

wie weit die Arbeiten zur <strong>Länge</strong>nbestimmung zurückreichen.<br />

<strong>Die</strong> ersten Angaben über die länge <strong>des</strong> <strong>Rheins</strong> gehen auf Claudius Ptolemäus (etwa<br />

85 bis 160 n. Chr.) zurück, <strong>des</strong>sen Arbeiten u. a. auch Erdbeschreibungen <strong>und</strong> bereits<br />

Elemente der Kartographie enthalten. G. J. Caesar (100 bis 44 v. Chr.), Strabo<br />

(63 v. Chr. bis 20 n. Chr.), G. P. Sec. Plinius der Ältere (23 bis 79 n. Chr.) <strong>und</strong> P. C.<br />

Tacitus (55 bis 120 n. Chr.) beschrieben u. a. auch den Rhein. Nach Hassel geben<br />

1


die antiken Schriftsteller die Rheinlänge mit Werten zwischen 550 <strong>und</strong> 1.100 km<br />

nach heutigen Maßen an. An keiner Stelle ist aber etwas über Ermittlungen oder definitive<br />

Angaben mitgeteilt, was für die vorstehende Arbeit verwertbar gewesen wäre.<br />

Weiterhin ist es dem Verfasser nicht gelungen, etwas über Arbeiten zur Bestimmung<br />

der Stromlänge <strong>des</strong> <strong>Rheins</strong> in den folgenden Jahrh<strong>und</strong>erten aufzuspüren. So kann<br />

man nur unterstreichen, was Eckoldt hierzu bemerkt: "Es ist auffällig, dass man sich<br />

1741 noch auf ihn (gemeint ist Ptolemäus) berufen kann. Doch hatte offenbar nach<br />

ihm niemand versucht, die länge <strong>des</strong> <strong>Rheins</strong> zu bestimmen. ... So stark war im Sinne<br />

<strong>des</strong> Humanismus immer noch die Ehrfurcht vor der Antike <strong>und</strong> das unbedingte Vertrauen<br />

in ihre Aussagen."<br />

Es ist jedoch sicher, dass der Rhein durch Verlagerungen <strong>seine</strong>s Strombettes sich<br />

mehrfach auch in <strong>seine</strong>r <strong>Länge</strong> geändert hat. Untersuchungen darüber sind von<br />

Scheller angestellt worden. Danach lenkte häufiges <strong>und</strong> höheres Hochwasser zwischen<br />

1250 <strong>und</strong> 1700 den Strom in neue Bahnen, so dass z. B. bei Zons eine Laufverkürzung<br />

von 7 km <strong>und</strong> bei Essenberg von 5 km eintrat. Scheller kommt zu dem<br />

Schluss, dass zwischen der spätrömischen Zeit <strong>und</strong> etwa 1200 wenig Änderungen<br />

stattgef<strong>und</strong>en haben, nach der Verkürzung im 13. Jahrh<strong>und</strong>ert der Lauf aber wieder<br />

länger wurde, bis er um 1800 <strong>seine</strong> alte <strong>Länge</strong> erreichte.<br />

<strong>Die</strong> nächsten Beschreibungen, auf die der Verfasser bei <strong>seine</strong>n Studien gestoßen ist,<br />

stammen aus dem 17. <strong>und</strong> 18. Jahrh<strong>und</strong>ert.<br />

Zeiller (1589-1661) schreibt in <strong>seine</strong>m "Itinerarium Germaniae", in dem er sich auf<br />

Ptolemäus beruft, dass der Rhein.... "in <strong>seine</strong>m gekrümten lauf bey die h<strong>und</strong>ert <strong>und</strong><br />

vierzig deutsche Meilen" zurücklege. Das entspricht 1.040 Kilometern (<strong>Die</strong> frühere<br />

Meile hat in Deutschland (auch Geographische Meile) eine <strong>Länge</strong> von 7.420,4 m.).<br />

<strong>Die</strong>selben Werte finden sich auch 1741 bei <strong>Die</strong>lhelm in <strong>seine</strong>m Werk "Allgemeines<br />

hydrographisches Wörterbuch aller Ströme <strong>und</strong> Flüsse in Ober- <strong>und</strong> Niederdeutschland.<br />

...“.<br />

<strong>Die</strong> Identität zwischen den Angaben in den drei letztgenannten Büchern verstärkt die<br />

bereits erwähnten Auffassungen von der Antike bzw. die Tatsache <strong>des</strong> bloßen Zusammentragens<br />

von verfügbarem Material durch die Autoren.<br />

1816 erschien bei Kupferberg in Mainz ein Buch von Joh. Fr. Ockhardt mit dem Titel<br />

"Der Rhein nach der <strong>Länge</strong> <strong>seine</strong>s Laufs". Ockhardt zum <strong>Rheins</strong>chiffahrts-Inspektor<br />

bei der Verwaltung <strong>des</strong> "<strong>Rheins</strong>chifffahrtsoctroi" berufen, hatte sich bereits literarisch<br />

durch verschiedene Werke über die napoleonischen Kriege <strong>und</strong> deren Folgen einen<br />

Namen gemacht <strong>und</strong> plante die Ausarbeitung eines größeren Buches "Über das gesammte<br />

Flussgebiet <strong>des</strong> <strong>Rheins</strong>". Da über den Rhein "... bisher so wenig bekannt<br />

geworden ist, was in hydrographischer <strong>und</strong> statistischer Hinsicht vorzüglich wichtig<br />

wäre", nahm er die Artikel <strong>des</strong> Pariser Friedens vom 30. 5. 1814 <strong>und</strong> die Beschlüsse<br />

<strong>des</strong> Wiener Kongresses bezüglich der freien Schiffahrt auf den Strömen <strong>und</strong> Flüssen<br />

zum Anlass, in diesem Buch vorweg dasjenige "dem Publicum mitteilen zu müssen,<br />

was besonders dazu geeignet ist, um eine nähere Aufklärung über die <strong>Länge</strong> <strong>des</strong><br />

Laufs dieses Stromes (d. h. <strong>des</strong> <strong>Rheins</strong>) ... zu geben. "<br />

Ockhardt gibt in <strong>seine</strong>n Erläuterungen den Hinweis, dass die Daten über die <strong>Länge</strong>n<br />

aus Sammlungen entstanden sind, die bis zu diesem Zeitpunkt vorlagen. Er verweist<br />

ausdrücklich auf unterschiedliche Meinungen, die aus den verschiedenen Bestimmungsmethoden<br />

herrühren, gibt aber gleichzeitig als beste Methode an, wenn man<br />

die wahre <strong>Länge</strong> der schiffbaren Ströme ermittelt, indem man genau bekannte Entfernungen<br />

der Leinpfade an den Ufern zugr<strong>und</strong>e legt. Tabelle 1 zeigt das Ergebnis<br />

der Ockhardt'schen Ermittlung, vermutlich der ersten Berechnung der Gesamtlänge,<br />

2


die so genannt zu werden verdient. Er stützt sich dabei auf tabellarische Gegenüberstellungen<br />

von Rheinlängen, die in Toisen (<strong>Die</strong> Toise als altes französisches <strong>Länge</strong>nmaß<br />

entspricht 1,949 m; sie wurde in Frankreich bei Übergang auf die Metereinheit<br />

zu 2 m gerechnet. Den bei Ockhardt benutzten Tabellen mit Angaben in Toisen<br />

<strong>und</strong> Metern ist der erste Wert zugr<strong>und</strong>e gelegt.), St<strong>und</strong>en, Myriametern (Myriameter<br />

nach dem Griechischen = 10.000 m.) Kilometern <strong>und</strong> Metern angegeben sind. <strong>Die</strong>se<br />

sind zu den verschiedensten Zwecken gemacht worden <strong>und</strong> stimmen im Großen <strong>und</strong><br />

Ganzen etwa überein. Er kommt durch Vergleich aller Werte zu einer umfangreichen<br />

Übersichtstabelle, die die Entfernungen zwischen ca. 150 bekannten Orten am Rhein<br />

angibt <strong>und</strong> in der Summe die in Tabelle 1 gezeigten 303 1/2 St<strong>und</strong>en ergeben.<br />

Als Erläuterung für die Entfernungsangabe in St<strong>und</strong>en gibt Ockhardt dabei folgende<br />

Übersicht über die <strong>Länge</strong>nmaße:<br />

Provinzen <strong>des</strong> linken Myriameterangaben : 1 Std. = 5 km<br />

Rheinufers - 10kmzuje1000m = 5.000 m<br />

Schweitzerst<strong>und</strong>e - 20 auf 1 Grad = 5.555 m<br />

franz. Lieue - 25 auf 1 Grad = 4.444 m<br />

gewöhnliche 1 m entspricht:<br />

deutsche St<strong>und</strong>e - 3 Schuh, 2 Zoll = 3.703,5 m<br />

In <strong>seine</strong>r eigenen Ermittlung rechnet Ockhardt mit "St<strong>und</strong>en" zu 5.000 m. Er kommt<br />

so auf eine Rheinlänge vom Ursprung bis zur Mündung von 1.518 km, einem Wert,<br />

der erheblich zu groß ist. An anderer Stelle sagt Ockhardt aber auch: "In<strong>des</strong> wird ohne<br />

wirkliche geometrische Messungen der Uferstrecken, wobei dermalen die betheiligten<br />

Lan<strong>des</strong>herrschaften so sehr interessiert sind, an eine genauere Bestimmung<br />

hierunter nicht zu denken seyn!"<br />

Tabelle 1<br />

Nach gewöhnlicher Meinung ist die Distanz<br />

<strong>des</strong> Vorderrheins von der Quelle bis Chur 19 ½ Std.<br />

die <strong>des</strong> Mittelrheines 20 Std<br />

die <strong>des</strong> Hinterrheines ungefähr 21 Std<br />

1. als Mittel 20 Std.<br />

2. Chur bis Einlauf in den Bodensee 24 Std.<br />

3. Bodensee bis Konstanz 9 Std.<br />

4. Konstanz bis Schaffhausen 9 Std.<br />

5. Schaffhausen bis Basel 33 Std.<br />

6. Basel bis Straßburg 32 Std.<br />

7. Straßburg bis Mannheim 39 ½ Std.<br />

8. Mannheim bis Mainz 15 ½ Std.<br />

9. Mainz bis Kaub 9 ½ Std.<br />

10. Kaub bis Koblenz 10 ¼ Std.<br />

11 Koblenz bis Andernach 5 ¼ Std.<br />

12. Andernach bis Linz 4 ½ Std.<br />

13. Linz bis Köln 12 ¼ Std.<br />

14. Köln bis Düsseldorf 10 ½ Std.<br />

15. Düsseldorf bis Homberg 7 ½ Std.<br />

16. Homberg bis Wesel 7 Std.<br />

17. Wesel bis Emmerich 9 ¾ Std.<br />

18. Emmerich bis Lobith 3 Std.<br />

19. Lobith bis Nimwegen 4 Std.<br />

20. Nimwegen bis Dordrecht 24 Std.<br />

21. Dordrecht bis zum Meer 14 Std.<br />

Zusammen 303 ½ Std.<br />

3


Tabelle 2<br />

Lässt man in Tab. 2 die die <strong>Länge</strong>nangaben verfälschenden Werte unter 10 bis 40<br />

<strong>und</strong> 60 heraus, bezieht also nur die Strecke von Schenkenschanz / Lobith bis Rotterdam<br />

ein, der dann aber noch die Entfernung von Rotterdam bis Hoek van Holland mit<br />

rd. 28 km hinzugefügt werden muss, dann ergibt sich aus diesen Daten eine Gesamtlänge<br />

<strong>des</strong> <strong>Rheins</strong> von etwa 277 St<strong>und</strong>en zu 5 km = 1.413 km zum Zeitpunkt vor<br />

Einwirkung der Rheinkorrektion. Leider konnten dieser Arbeit keine Hinweise auf die<br />

Art der <strong>Länge</strong>nermittlung entnommen werden; der <strong>Länge</strong>nwert ist jedoch plausibler<br />

als der von Ockhardt ermittelte.<br />

4


Im Jahre 1830 erschien eine "Topographisch-Statistische Beschreibung der Königlich<br />

Preußischen Rheinprovinzen" (9). Der Verfasser F. v. Restorff gibt in Kapitel B eine<br />

Beschreibung der Gewässer. Neben den geographischen Erläuterungen finden sich<br />

hier Angaben über <strong>Länge</strong>n <strong>des</strong> <strong>Rheins</strong> <strong>und</strong> einzelner Abschnitte.<br />

R. schreibt u. a. auf S. 77: "... Der Vorder-Rhein nimmt nach einem achtstündigen<br />

Lauf unweit Dissentis den Mittel-Rhein auf, <strong>und</strong> bei Reichenau, 1 ½ St<strong>und</strong>e oberhalb<br />

Chur, vereinigen sich beide mit dem Hinter-Rhein, <strong>des</strong>sen Lauf 21 St<strong>und</strong>en beträgt.<br />

Nach dieser Vereinigung erhält der Strom den gemeinschaftlichen Namen Rhein.<br />

Derselbe fließt von hier nach dem Bodensee, bei Basel, Straßburg, Mainz vorbei,<br />

<strong>und</strong> betritt nach einem Lauf von 187 ¾ St<strong>und</strong>en bei Bingen das Preußische Gebiet.<br />

Auf S.79 fährt er fort: "... <strong>Die</strong> Distanz, welche der Rhein von <strong>seine</strong>m Ursprung bis zu<br />

<strong>seine</strong>r Teilung im Königreich der Niederlande, <strong>und</strong> von da bis zu dem Ausfluss <strong>seine</strong>r<br />

verschiedenen Arme in das Meer durchläuft, beträgt 303 ½ St<strong>und</strong>en. (Anm. <strong>Die</strong>se<br />

Werte decken sich genau mit den von Ockhardt ermittelten.) Davon kommen auf den<br />

Preußischen Anteil 83 ½ St<strong>und</strong>en, nämlich von Bingen bis Coblenz 21, bis Cöln 23,<br />

bis Düsseldorf 11 ½ , bis Wesel 14 ½ , <strong>und</strong> bis zur Niederländischen Grenze 13 ¾<br />

St<strong>und</strong>en." (<strong>Die</strong>se Werte sind anders als die von Ockhardt).<br />

Rechnet man die St<strong>und</strong>enangaben anhand der h e u t i g e n Stromkilometrierung<br />

um, so führt dies zu einem mittleren Wert von ziemlich genau 4,0 km für eine St<strong>und</strong>e.<br />

(<strong>Die</strong> Maßangabe findet sich in dem Buch nicht.) Das bedeutet, dass R. die Gesamtlänge<br />

<strong>des</strong> <strong>Rheins</strong> mit etwa 1.215 km ermittelt haben kann. <strong>Die</strong>se Zahl erscheint zu<br />

klein, zumal eine wesentliche Beeinflussung durch Korrektionsarbeiten noch nicht<br />

vorhanden gewesen ist. Andererseits stimmt aber die Angabe von 83 ¾ St<strong>und</strong>en<br />

Laufzeit in den ehemals preußischen Gebieten zwischen Bingen <strong>und</strong> der deutschniederländischen<br />

Grenze - das entspricht 333 Stromkilometern - mit den heutigen<br />

Verhältnissen gut überein.<br />

Demgegenüber weist das Universal Lexikon vom Großherzogtum Baden 1844 eine<br />

<strong>Länge</strong> <strong>des</strong> <strong>Rheins</strong> von 303 St<strong>und</strong>en aus. Eine badische Weg-St<strong>und</strong>e ist 4,444... km;<br />

das ist ein Wert, der der bereits erwähnten franz. Lieue entspricht. <strong>Die</strong> daraus ermittelte<br />

Stromlänge beläuft sich dann auf 1.345 km.<br />

Wenn oben schon auf die Änderungen der Rheinlänge hingewiesen worden ist, die<br />

der Strom durch Verlegungen <strong>seine</strong>s Laufs bewirkt hat, so traf eine weitere Beeinflussung<br />

durch die verschiedenen Rheinkorrektionen ein.<br />

Im Gebiet <strong>des</strong> Niederrheins sind verschiedene Durchstiche angelegt worden. Angaben<br />

darüber finden sich bei Jasm<strong>und</strong> in der "Denkschrift anlässlich <strong>des</strong> 50jährigen<br />

Bestehens der <strong>Rheins</strong>trombauverwaltung. Erwähnt werden sollen nur der "Büdericher-,<br />

Flürensche-, Bislicher-, Griether- <strong>und</strong> Emmericher Kanal" sowie der "Reeser<br />

Durchstich". <strong>Die</strong>se Korrektionen wurden im 18. <strong>und</strong> 19. Jahrh<strong>und</strong>ert ausgeführt; der<br />

Reeser Durchstich war sogar schon 1677 fertig gestellt worden.<br />

<strong>Die</strong> durch die erwähnten Arbeiten hervorgerufene Laufverkürzung von nur wenigen<br />

Kilometern ist hinsichtlich der Unsicherheit älterer <strong>Länge</strong>nangaben nicht gravierend.<br />

Einen weit stärkeren Einfluss auf die Rheinlänge übte die Tullasche Korrektion am<br />

Oberrhein aus, die in den Jahren zwischen 1817 <strong>und</strong> 1875 ausgeführt wurde. Ohne<br />

auf Einzelheiten einzugehen - in der einschlägigen Literatur sind Angaben über Tullas<br />

Arbeiten <strong>und</strong> die durch die Durchstiche bewirkten Verkürzungen der Lauflänge<br />

vorhanden; beträgt die Verkürzung der Oberrheinstrecke fast 1/4 <strong>des</strong> ursprünglichen<br />

Laufes oder rd. 100 km. Der kartographisch interessierte Leser findet in einem 1885<br />

erschienenen badischen Atlas über die Korrektion <strong>des</strong> Oberrheins den Vergleich <strong>des</strong><br />

Rheinlaufes vor der Regulierung (mit Einzeichnung der geplanten Begradigung sowie<br />

5


Varianten dazu) mit dem nach Abschluss der Korrekturarbeiten. Einige dieser Darstellungen<br />

werden in den "Topographischen Atlas Rheinland-Pfalz" übernommen,<br />

der im Sommer 1973 im Wachholz-Verlag, Neumünster, erscheinen wird.<br />

Erläuterungen <strong>und</strong> Bilder aus dem erstgenannten Atlas gab auch bereits Spiess in<br />

dem Werk "Der Rhein, Ausbau, Verkehr, Verwaltung".<br />

In diesem Buch ist auch von Schneider ausführlich über die "<strong>Länge</strong>nmessung im<br />

Talweg <strong>des</strong> Rheines (Kilometrierung)" berichtet worden. Es genügt daher, wenn hier<br />

zur Vervollständigung der chronologischen Übersicht nur das Wesentliche wiedergegeben<br />

wird.<br />

Ausgehend von den Tullaschen Bauvorbereitungen <strong>und</strong> den Grenzregelungen im 19.<br />

Jahrh<strong>und</strong>ert begannen die genauen <strong>Länge</strong>nvermessungen am Oberrhein im Jahre<br />

1817, während diese Arbeiten am Mittel- <strong>und</strong> Niederrhein erst später in Angriff genommen<br />

wurden. Maßgebend waren vor ollem Forderungen der emporstrebenden<br />

<strong>Rheins</strong>chiffahrt <strong>und</strong> der Zollverwaltungen, die wegen der Abhängigkeit der Zolltarife<br />

von Transportlängen an genauer <strong>Länge</strong>nermittlung interessiert waren.<br />

Noch dem Beschluss der Central-Kommission für die <strong>Rheins</strong>chiffahrt von 1863 sollten<br />

sowohl ein Gesamtnivellement als auch Stromkarten im einheitlichen Maßstab<br />

von 1 :20000 geschaffen werden. Hierfür waren neue, <strong>und</strong> zwar durchgehende <strong>Länge</strong>nmessungen<br />

erforderlich, die von den Uferstaaten vorzunehmen waren. Als Nullpunkt<br />

wurde die Mitte der Baseler Rheinbrücke festgesetzt. Boden <strong>und</strong> Frankreich<br />

mussten mit der Messung beginnen <strong>und</strong> ihre Ergebnisse an die stromab gelegenen<br />

Staaten weitergeben. Ein Beschluss von 1867 führte auch zu der ersten Vermarkung<br />

durch Myriametersteine (Abb. 2 <strong>und</strong> 3). Nach verschiedenen Fertigstellungsetappen<br />

waren 1910 die <strong>Länge</strong>nmessungen zwischen Basel <strong>und</strong> Rotterdam abgeschlossen.<br />

Ein großer Mangel war es jedoch, dass die Uferstaaten für die Stromkilometerangaben<br />

trotz <strong>des</strong> Beschlusses von 1863 keinen einheitlichen Nullpunkt verwendet hatten.<br />

Abb. 2 Myriameterstein XLII Abb. 3 Myriameterstein XLII<br />

Ansicht von der Stromseite Ansicht von der Landseite<br />

Schließlich wurde nach Verhandlungen <strong>und</strong> Oberwindung aller Schwierigkeiten eine<br />

einheitliche Stromkilometrierung geschaffen, die für das Deutsche Reich durch eine<br />

am 31. 3. 1939 vom Reichs- <strong>und</strong> Preußischen Verkehrsministerium erlassene "Bekanntmachung<br />

für die <strong>Rheins</strong>chiffahrt" (mit einer späteren Ergänzung vom 4.9.1941)<br />

6


ab 1. 4. 1939 wirksam wurde. Wegen eines geplanten Hochrheinausbaus wurde der<br />

Nullpunkt von Basel in die Achse der Brücke in Konstanz verlegt, die vorhandenen<br />

Vermarkungen wurden weitgehend beibehalten <strong>und</strong> ein Ausgleich durch Einführung<br />

von drei Fehlstrecken (sogenannte „kurze Kilometer“) (ca. 400 m zwischen km 22<br />

<strong>und</strong> 23; ca. 365 m zwischen km 436,00 <strong>und</strong> 437,00; ca. 475 m zwischen km 529,00<br />

<strong>und</strong> 530,00) sowie eine Umkilometrierung von km 502 bis 530 geschaffen. <strong>Die</strong>se Kilometrierung<br />

wird heute benutzt; sie hat internationale Gültigkeit. <strong>Die</strong> Einteilung bezieht<br />

sich auf der deutsch-französischen <strong>Rheins</strong>trecke zwischen Basel <strong>und</strong> Lauterburg<br />

auf das rechte Ufer, auf der übrigen Strecke auf die Strommitte. <strong>Die</strong> vollen Kilometer<br />

sind durch weiße, rechteckige Tafeln mit schwarzer Kilometerzahl (Abb.1),<br />

die halben Kilometer durch kleinere, quadratische Tafeln mit schwarzem Kreuz auf<br />

weißem Gr<strong>und</strong> <strong>und</strong> die zwischen diesen liegenden Hektometer durch weiße, senkrechte<br />

Balken oder Steine an den Ufern gekennzeichnet. Letztere sind durchnumeriert<br />

<strong>und</strong> tragen die Hektometerzahl 1 – 4 <strong>und</strong> 6 - 9. <strong>Die</strong> genaue Vermarkung dieser<br />

Uferpunkte geschieht durch Hektometersteine mit einer Eisenplatte, die neben einem<br />

Höhenpunkt die Kilometer- <strong>und</strong> Hektometerzahlen in Form eines Bruches enthalten<br />

(Abb.4). <strong>Die</strong>se Steine sind sowohl Lagemäßig<br />

(d. h. nach Koordinaten) als auch Höhenmäßig<br />

(Höhen über Normalnull im neuen<br />

Höhensystem) bestimmt. Im Gebiet der Niederlande<br />

sind die Kilometerangaben durch<br />

schwarze Sichtzeichen mit weißen Zahlen<br />

auf einem der Ufer angebracht. Hier sind nur<br />

die vollen Kilometer ausgewiesen.<br />

Abb. 4 Hektometerstein (Platte mit Stationierungsmarke<br />

<strong>und</strong> Höhenpunkt),<br />

<strong>Die</strong> Angaben der verschiedenen Quellen über die Gesamtlänge <strong>des</strong> <strong>Rheins</strong> wurden<br />

der besseren Übersicht halber in Tabelle 3 zusammengestellt. <strong>Die</strong> heutige <strong>Länge</strong> <strong>des</strong><br />

<strong>Rheins</strong> beträgt also 1 237,6 km.<br />

Da bislang nur auf die E r g e b n i s s e der <strong>Länge</strong>nbestimmung eingegangen wurde,<br />

soll im Folgenden die Art der Bestimmungen geschildert werden. <strong>Die</strong> Literatur sagt<br />

darüber bis zum 18. Jahrh<strong>und</strong>ert nichts aus. Es darf aber angenommen werden,<br />

dass die Bestimmung der <strong>Länge</strong>n auf den Ufern vorgenommen wurde. Erstmals bei<br />

Ockhardt findet sich der Hinweis, dass den <strong>Länge</strong>nbestimmungen zweckmäßigerweise<br />

die Leinpfadlängen zugr<strong>und</strong>e gelegt werden sollen. Erst mit den modernen<br />

<strong>und</strong> zuverlässigeren Methoden der Geodäsie <strong>und</strong> Kartographie konnten diese Arbeiten<br />

in befriedigender Form durchgeführt werden.<br />

Hinweise wurden in den Akten <strong>des</strong> Staatsarchivs Koblenz gef<strong>und</strong>en. Ein umfangreicher<br />

Schriftverkehr zwischen der Kgl. Regierung, den Oberpräsidien Koblenz <strong>und</strong><br />

Aachen sowie dem Wasserbauinspektor Röhsler dokumentiert um 1835 die Herstellung<br />

eines neuen Stromkartenwerkes <strong>des</strong> <strong>Rheins</strong>.<br />

<strong>Die</strong> dazu notwendigen Anweisungen sind in den Akten mit angegeben z. T. in Abschriften.<br />

<strong>Die</strong> Karten sollten auch Gr<strong>und</strong>lagen der Rheinlängen-Vermesssung sein.<br />

Es heißt z. B. in einem Schreiben an den Kgl. Bauinspektor Röhsler zu Aachen am<br />

26. 11. 1835:<br />

"In Betreff der Rheinlängen-<strong>Vermessung</strong> ist der abschriftlich anliegende Instruktionsentwurf<br />

bei der <strong>Rheins</strong>chiffahrts Comißion zur Vorlage gekommen. In Betreff der darin<br />

behandelten Punkte 7 <strong>und</strong> 8 neigt sich die Weisung dahin, das gelieferte Karten-<br />

Material zu einer <strong>Vermessung</strong> als Zimmerarbeit als genügend zu erkennen, sich darüber<br />

gegenseitig verbindlich zu erklären <strong>und</strong> demnächst eine bloße <strong>Vermessung</strong> auf<br />

der Karte, mit Ausschluss aller Lokal-Erörterungen, zu verordnen.<br />

7


Ich ersuche Ew. Exc. um gef: Aeusserung, inwiefern das vorhandene Karten-Material<br />

dazu genügt oder welche Unvollkommenheiten <strong>und</strong> für welche Strecken etwa entgegenstehen<br />

könnten".<br />

Tabelle 3<br />

Gesamtlängen <strong>des</strong> <strong>Rheins</strong> aus verschiedenen Veröffentlichungen<br />

Im Anschluss daran ist eine Kostenaufstellung verlangt worden, damit " . . . ein für alle<br />

Mal eine bestimmte Summe ausgesetzt werden kann,..."<br />

<strong>Die</strong> in Abschrift beigefügte Instruction ist "Anlage zu Protokoll No XXX vom 31. July<br />

1835". In 14 Punkten sind die Ausführungsanweisungen fixiert; das Wesentliche soll<br />

hier wiedergegeben werden:<br />

1. <strong>Die</strong> Ermittlungen der <strong>Länge</strong>n <strong>des</strong> <strong>Rheins</strong> von Basel bis resp. Gorum oder Krimpen<br />

geschieht durch die <strong>Vermessung</strong> der Mittellinie <strong>des</strong> Stromes.<br />

2. <strong>Die</strong> Mittellinie <strong>des</strong> Stromes wird dadurch gef<strong>und</strong>en, dass die Breiten <strong>des</strong>selben<br />

von einem Ufer zum anderen aufgenommen, <strong>und</strong> die erhaltene Größe getheilt<br />

wird.<br />

8


3. <strong>Die</strong> Messung der Breiten, zur Findung der Mittellinie, geschieht an so vielen Stellen,<br />

als solche die mehrere oder geringere Breite <strong>des</strong> Stromes nöthig macht.<br />

4. <strong>Die</strong> Punkte, von denen die Breitenvermessungen ausgehen, sind diejenigen, welche<br />

die Ufer beim gewöhnlichen Wasserstande bilden.<br />

5. <strong>Die</strong>. . . . Inseln werden als zum Wasser-Spiegel gehörig betrachtet,<br />

6. <strong>Die</strong> <strong>Vermessung</strong> der Rhein-Strecken unterhalb Gorum <strong>und</strong> Krimpen geschieht<br />

dem Wasserwege entlang, welcher auf den vorhandenen Karten angegeben ist.<br />

7. Da das. . . . Karten-Material so vollständig ist, dass eine <strong>Vermessung</strong> auf den Karten<br />

selbst erfolgen kann, so ist eine <strong>Vermessung</strong> an Ort <strong>und</strong> Stelle von den Ufern<br />

aus oder im Strome selbst, nicht, oder ausnahmsweise nur da erforderlich, wo die.<br />

. . . . Karten solche Mängel angeben sollten, dass eine bloße <strong>Vermessung</strong> nach<br />

denselben, unrichtige Resultate geben würden, zu deren Vermeidung eine Anschauung<br />

der Lokalität. . . . , <strong>und</strong> vielleicht auch eine streckenweise <strong>Vermessung</strong><br />

im Strome selbst nützlich seyn möchte.<br />

8. ……<br />

9. ……. Auch die Entfernung von einer Zollstelle zur anderen ist darin anzumerken.<br />

10.-14.. . . .<br />

<strong>Die</strong> Karten wurden übrigens mit Schreiben vom 14. Juni 1841 dem Oberpräsidenten<br />

vorgelegt. <strong>Die</strong> Fertigstellung <strong>und</strong> Auslieferung erfolgte später. Den Blättern sind dann<br />

noch "Zusammenstellungen der Resultate der nivellitischen <strong>und</strong> trigonometrischen<br />

Aufnahme <strong>des</strong> <strong>Rheins</strong>" beigegeben worden, die nach Regierungsbezirken aufgestellt<br />

waren. Darin wurden Entfernungen zwischen interessanten Punkten in Ruthen angegeben<br />

(z. B. für den Reg. Bez. Köln mit dem Nullpunkt an der Grenze zum Reg. Bez.<br />

Koblenz). <strong>Die</strong>se Entfernungen dienten dem Nivellement, der Bestimmung <strong>des</strong> Gefälles<br />

sowie den Strom breiten (Orientierung der Profile).<br />

Am Prinzip der <strong>Länge</strong>nbestimmungen aus kartographischen Unterlagen hat sich seit<br />

der Zeit nicht viel geändert. Einheitliche Maßeinheiten sind vorhanden, Verfahren<br />

<strong>und</strong> Geräte sind erheblich besser <strong>und</strong> genauer geworden. So werden heute mit modernen<br />

photogrammetrischen Methoden <strong>und</strong> Geräten zur Aufnahme <strong>und</strong> Auswertung<br />

sowie Einsatz von EDV-Anlagen <strong>und</strong> automatischen Zeichengeräten die Karten<br />

schnell <strong>und</strong> präzise hergestellt. Aus ihnen lassen sich die <strong>Länge</strong>n rechnerisch ermitteln.<br />

Ein einheitliches Koordinatensystem ist vorhanden; die Mittellinie <strong>des</strong> Stromes<br />

ist bekannt oder lässt sich bestimmen. Krümmungen werden wegen der leichteren<br />

Berechnungen idealisiert, d. h. sie werden als Kreisbögen angesehen. Aus diesen<br />

Ausgangsdaten lassen sich somit Stationierungspunkte koordinatenmäßig bestimmen.<br />

<strong>Die</strong> anschließende Übertragung in die Örtlichkeit <strong>und</strong> die Vermarkung der<br />

Punkte in der schon beschriebenen Art ist dann leicht zu bewerkstelligen.<br />

<strong>Länge</strong>nvermessungen sind für die Schiffahrt ebenso wie für den Ausbau <strong>und</strong> die Unterhaltung<br />

<strong>des</strong> Stromes <strong>und</strong> für hydrologische Arbeiten nach wie vor unentbehrlich.<br />

Damit bleibt die Aktualität dieses Gebietes bestehen.<br />

Quelle: Beiträge zur Rheink<strong>und</strong>e 1972<br />

Rheinmuseum Koblenz<br />

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Peter Haas 2009<br />

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