Ausgabe 1 - Deutsches Rotes Kreuz
Ausgabe 1 - Deutsches Rotes Kreuz
Ausgabe 1 - Deutsches Rotes Kreuz
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
Fotos: Drk (3)<br />
Das soziale Gewissen von Satrup<br />
„Kommen Sie einfach vorbei. Wir könnne<br />
uns gern unterhalten“, sagt Marianne Redlefsen<br />
am Telefon. Die ehemalige Vorsitzende<br />
des Ortsvereins Satrup feierte vor kurzem<br />
ihren 101. Geburtstag – und ist immer<br />
noch eine anregende Gesprächspartnerin.<br />
Sie gilt als das soziale Gewissen im Ort und<br />
ist als DRK-Mitglied aktiv. Grund genug,<br />
um sich mit ihr zu einem Gedankenaustausch<br />
zu treffen. Dieser fand vergangenen<br />
Oktober statt. Mit dabei war der Ortsvereinsvorsitzende<br />
Harald Krabbenhöft.<br />
Im Gespräch erzählt Marianne Redlefsen<br />
von den Anfängen ihres sozialen<br />
Engagements. Bei den Rotkreuzbällen in<br />
ihrer Heimatstadt Heidelberg half sie beim<br />
Kaffee- und Brötchenverkauf – so um 1920<br />
war das, kurz nach dem Ersten Weltkrieg.<br />
Marianne Redlefsens Vater führte damals<br />
in Heidelberg eine große Schlachterei;<br />
ein Betrieb, in dem auch die Mitarbeiter Teil<br />
der Familie waren. Passenderweise heiratete<br />
die als Marianne Gutermann geborene<br />
Heidelbergerin 1934 den Fleischwarenfabrikanten<br />
Hans Redlefsen und zog mit ihm<br />
ins schleswig-holsteinische Satrup.<br />
Mutig half sie Ns-opfern<br />
In den kleinen Ort wurden schwangere<br />
Zwangsarbeiterinnen während des Zweiten<br />
Weltkriegs verschleppt. „Fraternisierung<br />
war verboten und gefährlich, aber<br />
darum habe ich mich nie gekümmert“,<br />
sagt Marianne Redlefsen. Die heutige<br />
Ehrenbürgerin der Gemeinde Satrup versuchte<br />
Zwangsarbeiterinnen das Leben<br />
zu erleichtern, indem sie ihnen für deren<br />
Säuglinge Lebensmittel, Bekleidung und<br />
Spielzeug gab.<br />
Als 1948 eine neue Vorsitzende für<br />
den Ortsverein Satrup gesucht wurde, fiel<br />
die Wahl sofort auf Marianne Redlefsen.<br />
Unterstützt von Bezirksdamen nahm sie<br />
die Arbeit auf. Noch herrschte vielerorts<br />
Nachkriegsnot, Kleidung und Nahrungsmittel<br />
waren knapp. Die Mitarbeiter des<br />
Ortsvereins halfen, wo sie konnten: Kranke<br />
bekamen warmes Essen geliefert und für<br />
Bedürftige richteten die Helfer eine Kleiderkammer<br />
ein. Im Winter organisierten<br />
Marianne Redlefsen und ihre Mitarbeiter<br />
Wohltätigkeitsfeste. Zu diesen gesellschaftlichen<br />
Ereignissen kamen die Besucher aus<br />
Satrup und Umgebung in Scharen. Höhepunkt<br />
der jährlichen Veranstaltung war die<br />
Tombola mit gespendeten Gewinnen. Der<br />
Erlös ging an die Bedürftigen des Ortes.<br />
Bei jeder Jahreshauptversammlung<br />
als schlussrednerin dabei<br />
Und heute? „Frau Redlefsen nimmt noch<br />
immer an jeder Jahreshauptversammlung<br />
unseres Ortsvereins teil“, sagt der Vorsit-<br />
schleswig-holstein | rotkreuz regional<br />
Die 101-jährige Rotkreuzlerin Marianne Redlefsen half unter anderem NS-Zwangsarbeiterinnen<br />
und nach dem Krieg Bedürftigen im Ortsverein.<br />
Gedankenaustausch: Die 101-jährige ehrenvorsitzende Marianne redlefsen und der ortsvereinsvorsitzende<br />
harald krabbenhöft im Gespräch<br />
zende Harald Krabbenhöft. Am Schluss<br />
der Veranstaltung hat sie als Ehrenvorsitzende<br />
das letzte Wort. Sie selbst empfindet<br />
ihr jahrzehntelanges Engagement nicht als<br />
etwas Besonderes. „Was ich tue war und ist<br />
selbstverständlich. Dafür möchte ich nicht<br />
hochgejubelt werden, das ist mir unangenehm“,<br />
sagt sie, und man merkt, dass sie<br />
es ernst meint.<br />
Zum Abschied des Gesprächs gibt sie<br />
ihren Interviewpartnern ihre Lebenserinnerungen<br />
in zwei Bänden, die sie als Privatedition<br />
herausgegeben hat, mit. Der dritte<br />
Band ist in Arbeit. Marianne Redlefsen ist<br />
in Bewegung, ihr Leben durch ihr ehrenamtliches<br />
Engagement und die soziale Hingabe<br />
geprägt. Vielleicht macht sie deshalb<br />
mit ihren 101 Jahren einen so zufriedenen,<br />
in sich ruhenden Eindruck. g<br />
Paul Herholz<br />
1_12 drk schleswig-holstein VII