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Lesen Sie den Aufsatz von Matthias Potthoff - JP|KOM GmbH

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Zum Nutzen des Framing-Ansatzes im Rahmen des Issue Managements<br />

Von <strong>Matthias</strong> <strong>Potthoff</strong> M.A.<br />

„Frame“ – dieser Begriff steht für eine spezifische Sichtweise, die ein Akteur zu einer<br />

öffentlich diskutierten Streitfrage einnimmt. Der dahinter stehende Theorieansatz<br />

erhält derzeit in mehreren Wissenschaftsdisziplinen eine starke Beachtung, wird <strong>von</strong><br />

der Praxis jedoch weitgehend ignoriert. Zu Unrecht, <strong>den</strong>n strategisches Framing und<br />

Frame-Analysen haben durchaus das Potenzial, zu nützlichen Instrumenten des Issue<br />

Managements zu wer<strong>den</strong>.<br />

Jedes Thema kann <strong>von</strong> verschie<strong>den</strong>en Seiten beleuchtet wer<strong>den</strong>. Ein Beispiel zu dem<br />

Thema „Rauchverbot in der Gastronomie“:<br />

Der Urheber des Gesetzesentwurfes sieht die Lage so:<br />

Wenn in Gaststätten geraucht wird, sind deren Angestellte mehr oder weniger<br />

unfreiwillig dem Rauch ausgesetzt. Dieser kann gesundheitliche Schä<strong>den</strong><br />

verursachen. Derartige Folgen einer Arbeit in Gastronomiebetrieben sind<br />

allgemein unerwünscht. Daher sollte das Rauchen hier verboten wer<strong>den</strong>.<br />

Die Gastwirte selbst jedoch halten völlig andere Aspekte für relevant – zum Beispiel diese:<br />

Wenn das Rauchen in Gaststätten verboten wird, bleibt ein großer Teil der<br />

Kundschaft aus. Damit sind viele Betriebe wirtschaftlich in ihrer Existenz bedroht.<br />

Ein Rauchverbot ist somit kein geeignetes Mittel, um die Arbeitsbedingungen in<br />

der Gastronomie zu verbessern, sondern sorgt allenfalls für eine höhere<br />

Arbeitslosigkeit. Daher darf ein Rauchverbot auf keinen Fall beschlossen wer<strong>den</strong>.<br />

Die bei<strong>den</strong> Sichtweisen des Themas Rauchverbot sind völlig unterschiedlich. Die<br />

Wissenschaft spricht hier <strong>von</strong> zwei verschie<strong>den</strong>en Frames.<br />

Was ist ein Frame?<br />

Der Begriff des Frames wird nicht in einheitlicher Weise verwendet. Den meisten Definitionen<br />

ist jedoch der Gedanke gemeinsam, dass es sich dabei um eine Perspektive handelt, aus<br />

der ein bestimmtes Thema betrachtet wird. Der Frame bestimmt, welche Aspekte relevant<br />

sind und welche nicht. Damit reduziert er die Komplexität öffentlicher Kommunikation und<br />

eröffnet einen konsistenten Sinnhorizont, der dem Rezipienten Orientierung anbietet. Er geht<br />

also über Einzelaussagen oder ein bloßes Pro und Contra hinaus, sondern legt vielmehr eine<br />

bestimmte Interpretation einer Sachlage nahe. Anders ausgedrückt: “A frame is a central


organizing idea for news content that supplies a context and suggests what the issue is<br />

through the use of selection, emphasis, exclusion, and elaboration.” (Tankard et al. 1991: 11)<br />

Frames existieren sowohl als menschliche Kognition sowie auch als Merkmal eines Textes.<br />

Im ersten Fall bestimmt der Frame, welche Themenaspekte einer Person schneller einfallen<br />

und welche sie als wichtiger empfindet, stellenweise wer<strong>den</strong> Frames auch mit Schemata<br />

gleichgesetzt. Im zweiten Fall zeigen sie sich in sprachlichen, inhaltlichen oder strukturellen<br />

Merkmalen eines Textes, die alle gleichsam relevant sein können.<br />

Im oben skizzierten Beispiel zum Rauchverbot könnte man <strong>den</strong> ersten Frame – die<br />

Perspektive, die sich aus der Gesamtheit der genannten Aussagen ergibt – mit<br />

»gesundheitliche Schä<strong>den</strong>« bezeichnen. Er legt eine positive Bewertung und eine möglichst<br />

schnelle Umsetzung des Rauchverbotes nahe. Der zweite Frame – nennen wir ihn<br />

»wirtschaftliche Schä<strong>den</strong>« – empfiehlt eine <strong>von</strong> dem ersten Frame abweichende<br />

Herangehensweise an <strong>den</strong> Gesetzesentwurf, nämlich seine Abweisung. Dennoch sind beide<br />

Sichtweisen in gewissem Sinne zutreffend und auf Fakten gegründet. Somit ist es für die<br />

jeweiligen Parteien einer Debatte <strong>von</strong> hoher Relevanz, ihrer Deutung des Themas die<br />

höhere Aufmerksamkeit zu verschaffen und sie als verbindlich durchzusetzen. Damit treten<br />

sie in einen Wettstreit um die Deutungsmacht, bei dem es meist um die Mobilisierung <strong>von</strong><br />

Ressourcen und die Erhaltung oder Erweiterung <strong>von</strong> Handlungsspielräumen geht.<br />

Der praktische Nutzen des Framing-Ansatzes für das Issue Management<br />

Frames wer<strong>den</strong> in der Kommunikationswissenschaft und anderen Disziplinen in erster Linie<br />

als Phänomen und weniger als strategisches Instrument verstan<strong>den</strong>. Daher fin<strong>den</strong> sich in der<br />

Literatur auch nur selten praktisch umsetzbare Hinweise, sondern vielmehr Versuche, das<br />

Phänomen zu erfassen und zu verstehen. Jedoch spricht vieles dafür, dass sich<br />

gewinnbringende Handlungsempfehlungen aus diesen Erkenntnissen ableiten lassen – so<br />

eben auch für das Issue Management (vgl. Dahin<strong>den</strong> 2006: 216). Dies gilt insbesondere im<br />

Falle einer proaktiven Herangehensweise: Ist ein Issue im Sinne eines potenziell kritischen<br />

Themas einmal i<strong>den</strong>tifiziert, setzen sich viele Organisationen eigeninitiativ damit auseinander.<br />

Um ihre Interessen zu vertreten und ihre organisationsstrategischen Handlungsspielräume<br />

zu sichern, greifen sie offensiv in die Debatte ein. Ab diesem Punkt bietet der Framing-<br />

Ansatz mehrere Hilfestellungen: Zum einen eignet er sich, um die verschie<strong>den</strong>en<br />

Perspektiven, unter <strong>den</strong>en ein Thema öffentlich diskutiert wird, zu erfassen und zu<br />

systematisieren. Eine solche Analyse zeigt, wie sich die verschie<strong>den</strong>en Akteure in einer<br />

Kontroverse positionieren. Außerdem bietet der Ansatz Anhaltspunkte, aus welchen<br />

Bestandteilen Akteure eine eigene Sichtweise – einen eigenen Frame für ein Thema –<br />

entwickeln können und wie sie diese effektiv in einen Nachrichtenkontext integrieren.<br />

Schließlich stellt der Framing-Ansatz eine Methode zur Verfügung, mit der sich der Erfolg<br />

des Issue Managements evaluieren lässt.


Strategisches Framing<br />

Viele Personen und Organisationen entwerfen ohne Kenntnis des Framing-Ansatzes eigene<br />

Sichtweisen zu bestimmten Issues und kommunizieren diese strategisch. Ein bewusster<br />

Umgang mit dem Phänomen ist jedoch sicherlich gewinnbringender: Er ermöglicht ein<br />

erweitertes Verständnis des eigenen Handelns und stellt Entscheidungen auf eine<br />

wissenschaftliche, valide Basis.<br />

Ziel der strategischen Nutzung <strong>von</strong> Frames ist der so genannter Framing-Effekt, dessen<br />

genaue Wirkungsweise noch nicht vollständig erforscht ist. Die Grundidee lautet jedoch,<br />

dass eine Person, die mehrfach mit einem bestimmten Frame in Kontakt gerät, die durch ihn<br />

hervorgehobenen Aspekte als wichtiger empfindet und sich schneller an sie erinnert.<br />

Dementsprechend erhöht sich die Wahrscheinlichkeit, dass die Person diese und nicht<br />

andere Aspekte heranzieht, wenn sie sich ein Urteil bildet oder eine Entscheidung fällt. Auf<br />

einer übergeordneten Ebene kann dies also bedeuten: „Convincing others to accept one's<br />

framing means to a large extent winning the debate.” (Tankard 2001: 96)<br />

Der erste Schritt des strategischen Framings besteht darin, eine eigene Perspektive auf das<br />

betreffende Thema zu konstruieren. Auf der Grundlage der eigenen Ziele müssen die<br />

Akteure hierbei entschei<strong>den</strong>, welche Aspekte sie für richtig und wichtig erachten. Die hierbei<br />

festgelegten Punkte sollten sich nicht widersprechen oder in Konkurrenz zueinander stehen,<br />

da sich ansonsten kein kohärenter Sinnzusammenhang ergibt. Auf die Frage, welcher Art die<br />

Aspekte sein müssen, hat die Framing-Forschung viele Antworten. Beispielhaft genannt sei<br />

hier eine sehr populäre Framing-Definition <strong>von</strong> Robert M. Entman. Laut Entman sollten bei<br />

der Konstruktion eines Frames folgende Aspekte berücksichtigt wer<strong>den</strong>: Definition des<br />

Problems, Darstellung der Ursache, moralische Bewertung und Verhaltensempfehlung (vgl.<br />

Entman 1993: 52; H.i.O.). Entman beschreibt Frames in idealtypischer Weise – man kann<br />

nicht da<strong>von</strong> ausgehen, dass sie sich regelmäßig in derart klarer Einteilung in<br />

Medienangeboten fin<strong>den</strong> lassen. Als Konstruktionshilfe bietet sich seine Definition damit<br />

jedoch umso mehr an.<br />

Im zweiten Schritt kommunizieren die Akteure – die Frame-Sponsoren – das entwickelte<br />

Deutungsmuster. Eine Verbreitung über die Medien ist dabei der klassische Weg. Ob es<br />

gelingt, die eigene Sichtweise hier zu lancieren und als verbindlich durchzusetzen (»framing<br />

potency«), kann dabei u. a. <strong>von</strong> folgen<strong>den</strong> Faktoren abhängen:<br />

� Macht und Ressourcen des Frame-Sponsors: <strong>Sie</strong> bestimmen, welche Art des Zugangs zu<br />

<strong>den</strong> Medien besteht.<br />

� Professionalität: Je besser die Nachricht, in die der Frame integriert ist, journalistischen<br />

Standards entspricht, desto höher ist die Chance, dass sowohl die Nachricht als auch der<br />

Frame beachtet wer<strong>den</strong>. (Beispiel: Ist der Frame die Perspektive einer Interessengruppe


auf das Thema Abtreibung, so wird eine Stellungnahme der Interessengruppe zu einem<br />

neuen Gesetzentwurf umso eher veröffentlicht, je besser die Nachricht journalistisch<br />

aufbereitet ist.)<br />

� Grad der journalistischen Eigenaktivität: Journalistische Medien können ebenfalls zu<br />

einem Akteur einer Debatte wer<strong>den</strong> und versuchen, einen eigenen Blickwinkel<br />

einzubringen. Ergibt sich hier keine Entsprechung mit dem gesponserten Frame, wirkt<br />

sich dies evtl. nachteilig aus.<br />

� Kulturelle Faktoren: Der Grad, zu dem sich der gesponserte Frame in die entsprechende<br />

Gesellschaftskultur einfügt, mit gesellschaftlichen Werten harmoniert oder an bereits<br />

bestehende Deutungsmuster anknüpft, kann ebenfalls wesentlich seine Akzeptanz<br />

bestimmen.<br />

� Zeitpunkt der Aktion: Ist eine Debatte bereits durch eine Vielzahl anderer Sichtweisen<br />

gesättigt, haben neue Frames es ggf. schwer, Beachtung zu fin<strong>den</strong>.<br />

Methodik und Nutzen der Frame-Analyse<br />

Die Frame-Analyse ermöglicht die I<strong>den</strong>tifizierung <strong>von</strong> Deutungsmustern anhand <strong>von</strong><br />

Medienangeboten oder PR-Materialien. Damit kann sie im Rahmen des Issue Managements<br />

in zweierlei Hinsicht nützlich sein:<br />

1. Zur I<strong>den</strong>tifizierung <strong>von</strong> Verbündeten und Kontrahenten: Vermitteln zwei Organisationen in<br />

einer Debatte die gleiche Deutung eines Themas, verfolgen sie zumindest ähnliche Ziele.<br />

2. Zur Erfolgsevaluation <strong>von</strong> Framing-Bemühungen: Der Grad der Beachtung, der dem<br />

eigenen Frame in der öffentlichen Debatte zukommt, stellt einen aussagekräftigen<br />

Wirksamkeitsindikator der eigenen Anstrengungen oder der <strong>von</strong> Verbündeten dar.<br />

Frame Analysen wer<strong>den</strong> in großer Zahl durchgeführt, jedoch unterschei<strong>den</strong> sie sich oft<br />

grundlegend in der Operationalisierung des Phänomens sowie in ihrer Methodik. Für die<br />

Zwecke des Issue Managements erscheint es sinnvoll, einen Frame als ein wiederholt<br />

auftretendes Muster <strong>von</strong> Einzelaussagen – wie beispielsweise Problemdefinitionen,<br />

Kausalattributionen, Handlungsempfehlungen und Bewertungen – zu begreifen. Eine<br />

entsprechende Analyse kann wie folgt ablaufen:<br />

1. I<strong>den</strong>tifizierung aller relevanten Problemdefinitionen, Kausalattributionen,<br />

Handlungsempfehlungen und Bewertungen in der Debatte mittels einer strukturieren<strong>den</strong><br />

Inhaltsanalyse zweckmäßig ausgewählter Materialen, anschließend Verdichtung der<br />

i<strong>den</strong>tifizierten Aussagen zu Kernaussagen.<br />

2. Übertragung der Kernaussagen in das Codebuch einer quantitativen Inhaltsanalyse,<br />

anschließend erneute Codierung des Materials und Eingabe der Daten in eine<br />

Statistiksoftware.


3. I<strong>den</strong>tifizierung <strong>von</strong> wiederholt auftreten<strong>den</strong> Aussagemustern mittels Anwendung einer<br />

Faktor- oder Clusteranalyse – ebenso kommt die Analyse latenter Klassen in Betracht.<br />

4. Interpretation der Ergebnisse und Benennung der Deutungsmuster.<br />

Frame-Analysen bringen einen hohen Arbeitsaufwand mit sich und funktionieren keineswegs<br />

immer. Ein Beispiel: Enthalten viele der ausgewählten Analyseeinheiten durchmischte<br />

Frames, kommt die Untersuchung zu keinem sinnvollen Ergebnis.<br />

Weiterführende Literatur: Matthes (2007), Matthes/Kohring (2004), Pan und Kosicki (2001).<br />

Literatur<br />

Dahin<strong>den</strong>, U. (2006): Framing. Eine integrative Theorie der Massenkommunikation.<br />

Konstanz.<br />

Entman, R. M. (1993): Framing: Toward Clarification of a Fractured Paradigm. In: Journal of<br />

Communication, 43. Jg., Nr. 4: 51-58.<br />

Matthes, J./M. Kohring (2004): Die empirische Erfassung <strong>von</strong> Medien-Frames. In: Medien &<br />

Kommunikationswissenschaft, 52. Jg., Nr. 1: 56-75.<br />

Matthes, J. (2007): Framing-Effekte. Zum Einfluss der Politikberichterstattung auf die<br />

Einstellungen der Rezipienten. München.<br />

Pan, Z./G. M. Kosicki (2001): Framing as a Strategic Action in Public Deliberation. In: Reese,<br />

Stephen D./Oscar H. Gandy/Auguste E. Grant (2001): Framing Public Life. Perspectives<br />

on Media and our Understanding of the So-cial World. Mahwah (NJ): Lawrence Erlbaum<br />

Associates.<br />

Tankard, J. W. (2001): The Empirical Approach to the Study of Media Framing. In: Reese,<br />

Stephen D./Oscar H. Gandy/August E. Grant (2001): Framing Public Life. Perspectives on<br />

Media and Our Understanding of the Social World. Mahwah (NJ): 95-106.<br />

Tankard, J. W./L. Hendrickson/J. Silberman/K. Bliss/S. Ghanem (1991): Media frames:<br />

Approaches to conceptualization and measurement. Paper presented to the Association<br />

for Education in Journalism and Mass Communication. Boston.<br />

Zum Autor<br />

<strong>Matthias</strong> <strong>Potthoff</strong> studierte Kommunikationswissenschaft, Kultur,<br />

Kommunikation und Management sowie Englische Philologie an der<br />

Westfälischen Wilhelms-Universität Münster und an der Hawaii Pacific<br />

University Honolulu. Praxiserfahrungen sammelte <strong>Potthoff</strong> bei RTL, Pleon<br />

und der MediaCompany Berlin. Derzeit promoviert <strong>Potthoff</strong> zum Thema<br />

Framing.<br />

Kontakt: matt.pott@uni-muenster.de.

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