MeerZeit 2010-42.indd - KONTOR3 Werbeagentur
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Unternehlmungen<br />
Windspiel von Stephan Rykena<br />
Kaum droht die Bikinizeit, sind die Gazetten wieder<br />
voll von „Wie werde ich schlank in sieben Tagen“,<br />
„Meine Feinde, die Kalorien“, „Diät ohne Reue“, ja<br />
– es gibt sogar schon Fernseh-Shows, die sich stundenlang<br />
mit systematischen Spaßverzicht beschäftigen<br />
und dabei sogar Einschaltquoten erzielen, die<br />
weit über den gleichzeitig laufenden Kochduellen<br />
oder Prominenten-küchen liegen.<br />
Parallel dazu laufen knochige wandelnde Kleiderständer<br />
durch die Zeitschriften und vermitteln uns,<br />
was in diesem Sommer Trend ist.<br />
„Ich geh nicht mit schwimmen“, sagte mir neulich<br />
eine vierzehnjährige Schülerin am Eingang einer<br />
traumhaft schönen Badelandschaft mit Riesenrutschen<br />
und Wellnessbereich. „Ich warte hier<br />
draußen“.<br />
Mein stirnrunzelnder Frage-Blick ließ keine billige<br />
Ausrede zu, das wusste sie. Also seufzte sie einmal<br />
tief und meinte dann: „Ich bin zu fett. Sehen Sie<br />
doch nur, hier, alles Fett.“<br />
Dabei raffte sie mit beiden Händen ein winzig-kleines<br />
Hautröllchen an ihrer Hüfte zusammen, was zur<br />
Folge hatte, dass sich ihre Gesichtshaut verzog und<br />
die Fußnägel nach hinten gezogen wurden.<br />
Ich grinste sie kopfschüttelnd an und schob sie<br />
beiseite. „Wer hat dir denn so einen Mist erzählt?“,<br />
fragte ich ruhig. „Hast du vor in der Geisterbahn als<br />
Skelett aufzutreten oder wird euch sowas in diesen<br />
bescheuerten Jugendzeitschriften eingetrichtert? Du<br />
bist vierzehn, siehst gut aus, hast meiner Meinung<br />
nach mindestens drei Kilo Untergewicht und<br />
kommst jetzt mit uns allen ins Schwimmbad und<br />
amüsierst dich. Hier draußen kannst du nicht bleiben.<br />
Es ist nämlich Sturm angesagt und ich möchte<br />
nicht, dass du wegfl iegst.“<br />
Sie sah mich einen Augenblick überrascht an und<br />
gab dann lachend auf. „Sie immer mit ihren blöden<br />
Bemerkungen. Aber es stimmt doch. Ich bin zu dick!“<br />
Einige Tage später. Meine Cousine Carola am Telefon.<br />
„Ich wünsch dir alles Gute zum Geburtstag und muss<br />
dir leider mitteilen, dass ich heute Abend zu deiner<br />
Feier nicht kommen kann. Es ist nämlich etwas total<br />
Verrücktes passiert. Ich trau mich gar nicht es zu<br />
erzählen, aber es ist wirklich echt wahr.“<br />
„Lass mich raten. Du bist bei Günther Jauch, stehst<br />
kurz vor der Millionenfrage und musst morgen<br />
wiederkommen.“<br />
Lachende Zustimmung an der anderen Seite der<br />
Leitung. „Fast richtig, aber noch verrückter. Hat was<br />
mit einem deiner Sprüche zu tun.“<br />
Kurze Stille. „Du magst doch keine dünnen Frauen,<br />
sagst du immer. Also, diese Klappergestelle von<br />
diesen Modenschauen. Diese Models.“<br />
Fragende Stille. „Du sagst doch immer, dass die bei<br />
Wind nicht raus dürfen, oder? – Also, meine Schwiegermutter<br />
ist siebzig und spindeldürr. Die ist zurzeit<br />
auf Norderney im Urlaub und, wenn du mal aus dem<br />
Fenster siehst ...“<br />
Tiefes Einatmen. „ ... also wenn du aus dem Fenster<br />
schaust, dann siehst du, dass es stürmt. Und auf<br />
Norderney ist jetzt Windstärke 10, Tendenz steigend<br />
und meine Schwiegermutter ...“<br />
„ist auf Norderney“, vollende ich den Satz, „und<br />
sie hat Angst, wegzufl iegen. – Das ist doch nicht<br />
dein Ernst, oder? Ich hab das doch immer nur aus<br />
Quatsch gesagt.“<br />
„Das ist ernst! Meine Schwiegermutter will sofort<br />
abgeholt werden, weil sie nicht aus dem Haus<br />
kann, weil sie befürchtet wegzufl iegen. Die Realität<br />
hat deinen blöden Spruch eingeholt. Ich hab doch<br />
gesagt, dass es verrückt ist.“<br />
Szenenwechsel: Zu Hause. „Vor unserm Barbados-<br />
Urlaub will ich unbedingt noch zehn Pfund abnehmen.<br />
So kann ich nicht an den Strand ... “<br />
„Oh Gott, Schatz, bitte nicht. Das kann uns den<br />
ganzen Urlaub verderben. Denk an Carolas Schwiegermutter.<br />
Barbados gehört doch zu den Inseln über<br />
dem Wind!“<br />
Stephan Rykena<br />
Lesung der besonderen ART.<br />
Stephan Rykena schreibt seit über<br />
20 Jahren Kriminelles und Humorvolles.<br />
Er hat über 200 Kurzgeschichten für Zeitungen,<br />
fürs Radio und im Internet geschrieben.<br />
Mit kritischem Blick und spitzer Feder<br />
begleitet er das Leben in seiner Umgebung.<br />
Seine Kommissare Petra Paulus und<br />
Ulli Werschow ermitteln im Kleinstadtmilieu<br />
rund um das Steinhuder Meer. Oft fl ießt<br />
die Erfahrung aus über 25 Jahren Arbeit<br />
in der Jugendpsychiatrie in die Handlung<br />
ein. Rykena ist in zahlreichen Anthologien<br />
auch überregional und sogar international<br />
vertreten. Seine Bücher sind im Verlag der<br />
Criminale erschienen.<br />
Stephan Rykena ist<br />
bei der Veranstaltung<br />
Kultur im Bürgerpark<br />
in Wunstorf dabei.<br />
Weitere Informationen zu der Veranstaltung<br />
Kultur im Bürgerpark erfahren Sie<br />
auf den Seiten 52 bis 57.<br />
An der Liebfrauenkirche 8<br />
31535 Neustadt<br />
Tel. 0 50 32 / 46 11, 0 50 32 / 98 41 46<br />
www.ikone.net<br />
Gruppen/Führungen gern nach Vereinbarung<br />
Geschlossen vom 1. Jan. bis 31. März<br />
Ö� nungszeiten: Di / Do 15.00 bis 18.00 Uhr<br />
16 17<br />
Unternehmungen