Junge Bühne #5
Junge Bühne #5
Junge Bühne #5
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»Beobachten,<br />
beschreiben,<br />
beurteilen.«<br />
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Eigentlich gehe ich gern ins Theater. Die Aufregung, das Gemurmel, die<br />
<strong>Bühne</strong>nbilder… Trotzdem war ich in den vergangenen sechs Jahren<br />
genau zwei Mal dort. Ich gebe 15 Euro für Avatar in 3D aus und 40 Euro<br />
für ein Pokalspiel des FC Bayern, aber die 25 für Parkettplätze in den<br />
Münchner Kammerspielen sind ein Problem? Nein, Verschüchterung ist<br />
das Problem. Überfordert mich das, was die da auf der <strong>Bühne</strong> treiben?<br />
Bin ich ein kulturloser Banause, wenn ich’s nicht verstehe? Als die<br />
»Akademie der Bayerischen Presse« ein Seminar für Jungjournalisten<br />
beim Theaterkritiker der Zeit, Gerhard Jörder, anbietet, schreie ich<br />
also sofort »Hier«– endlich Handreichung!<br />
Noch bevor das Seminar losgeht, kommt eine E-Mail mit dem<br />
Skript des Stücks, das wir gemeinsam besuchen: 58 Seiten. Zu<br />
lesen bis morgen früh – na, danke. Die spontane Abwehrhaltung,<br />
die ich in vielen Schuljahren entwickelt habe, lässt sich nur mit<br />
Mühe unterdrücken. Im Seminarraum dann eine Reihe nervöser<br />
Volontäre – und kein Wissenstest. Jörder verlangt keineswegs, dass<br />
wir aus dem Stehgreif über die Schlüsselszenen parlieren. Er<br />
verschwendet obendrein keine Sekunde darauf, uns von seiner<br />
beeindruckenden Karriere als Theaterkritiker zu erzählen: Ein Vierteljahrhundert<br />
lang war er Leiter des Kulturressorts der Badischen<br />
Zeitung, dann der stellvertretende Feuilletonchef der Zeit, seit<br />
zehn Jahren schreibt er freischaffend für die Zeit, ist Mitglied<br />
mehrerer Theaterpreis-Jurys und leitet Kurse für Jungjournalisten.<br />
Anstatt eines Vortrags über sich selbst sagt Jörder einfach: »Schauen<br />
Sie sich dieses Video mal ohne Ton an. Der Mann, der interviewt<br />
wird, was ist an seinem Gesicht bemerkenswert? Würde er im Film<br />
einen Bösewicht spielen?« Ich bin am Haken.<br />
Am zweiten Tag zeigt uns Jörder auf einem winzigen Fernseher<br />
eine Aufnahme der »Hermannsschlacht«-Inzenierung von<br />
Links und rechts unten:<br />
Wiebke Puls und<br />
Peter Kurth auf der<br />
Kammerspiel-<strong>Bühne</strong>.<br />
Claus Peymann aus dem Jahr 1982. Die meisten von uns Volontären<br />
konnten damals noch nicht mal laufen. »Die Hermannsschlacht«<br />
von Heinrich von Kleist wurde in der Nazi-Zeit rauf<br />
und runter gespielt. Kleist schrieb sie 1808, um die Deutschen<br />
zum Widerstand gegen Napoleon aufzurufen. Gewalt, Skrupellosigkeit<br />
und Propaganda sind darin positiv besetzt. Peymann,<br />
erfahren wir von Jörder, hat das Stück, das nach dem Krieg<br />
unspielbar war, »wiederbelebt«. Der Ton ist blechern, die schöne<br />
Germanenfürstin Thusnelda sieht aus wie Mutter Beimer und<br />
literweise Kunstblut verteilt sich auf der <strong>Bühne</strong>. Meine schlimmsten<br />
Befürchtungen sind bestätigt. Wenn jetzt noch jemand nackt<br />
auftritt, denke ich, sind alle Klischees erfüllt.<br />
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Gruslig, packend, schmerzhaft war das.<br />
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Die Seelenpein der als baskenmützentragenden Guerilliakrieger<br />
interpretierten Germanen, die Bedrohung von Heim und Familie,<br />
die Brutalität der als sperrgespickte Phalanx anrückenden Römer<br />
– alles verfehlt seine Wirkung auf dem kleinen quäkenden Fernsehschirm.<br />
Die Konserve hat keine Kraft. Doch dann: Szenenwechsel.<br />
Sphärische Klänge, die Figuren sind verhüllt und tragen<br />
ausdruckslose weiße Masken auf dem Scheitel. Die leeren Augenhöhlen<br />
starren ins Publikum. Für diesen unnatürlichen Effekt<br />
müssen alle nach vorn gebeugt stehen, gekrümmt, den Blick auf<br />
den Boden geheftet. Dort liegt ein Mädchen, von vielen Schichten<br />
Schleiern bedeckt. Es ist eine berühmte Szene. Bei Kleist wurde<br />
Beim linken Seminarfoto im<br />
Hintergrund: Gerhard Jörder.<br />
Rechts: Veronika Fläxl (rechts).<br />
das Mädchen von den Römern geschändet, der Vater erspart<br />
ihr ein Leben in Schande, indem er sie ersticht. Hermann,<br />
skrupellos und listig, lässt ihren Körper in Stücke hacken und<br />
jedem der zerstrittenen Germanenstämme eines bringen. Zorn<br />
über die Greueltaten der Römer vereint die Krieger unter<br />
seinem Banner. Bei Peymann ist es ein irritierendes Bild, verfremdet<br />
und verstörend. Ich werde es nicht mehr los.<br />
Für den folgenden Tag ist unser Theaterbesuch angesetzt:<br />
Kammerspiele, »Die Hermannsschlacht«, neu inszeniert von<br />
Armin Petras. Die Münchner Kammerspiele sind ein kleines<br />
Theater, Jugendstil, die erste Reihe sitzt den Schauspielern<br />
quasi auf dem Schoß, von der Empore aus kann man den<br />
Damen ins Dekolletee sehen. »Sehr intim«, sagt Jörder. Regisseur<br />
Petras hat dem Stück von Kleist noch Passagen aus Christian<br />
Dietrich Grabbes Drama gleichen Namens hinzugefügt.<br />
Lange Monologe, in denen der Held Hermann sein Seelenleben<br />
offenlegt. Auch Grabbes Variante von »Arminius vernichtet die<br />
Römer im Teutoburger Wald« war ein Liebling der Nazis. Mir<br />
graust‘s. Armin Petras ist Intendant des Maxim Gorki Theaters in<br />
Berlin (siehe ein Porträt über ihn in junge bühne 2009). Er ist<br />
bekannt für atemlose Inszenierungen, für Metaphernlast, alles<br />
auf der <strong>Bühne</strong> ist bei ihm bunt.<br />
Wir Volontäre gehen gemeinsam Abendessen: Burger,<br />
Pommes und Bier. Wir reißen Witze auf dem Weg in die Kammerspiele,<br />
wir sind unser eigener Comic Relief. Im Theater<br />
füllen sich die Reihen. Links von mir zücken die Volontäre ihre<br />
Notizblöcke, rechts riecht jemand nach Kamillentee. Die <strong>Bühne</strong><br />
hat keinen Vorhang, im völlig schwarzen <strong>Bühne</strong>nraum liegt ein<br />
riesiger Berg Schaumstoffquader in schmutzigen Pastelltönen.<br />
Rosa, gelb, grün, grau, wie zerstückelte Matratzen sieht das<br />
<strong>Junge</strong>s Theater am Gärtnerplatz: Ab heute heißt du Sara – Foto: Lioba Schöneck<br />
Spielzeit 2011 / 12<br />
Staatsintendant Dr. Ulrich Peters<br />
www.gaertnerplatztheater.de<br />
Musiktheater<br />
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Smetana<br />
DER MiKADo<br />
Gilbert & Sullivan | Münchner EA<br />
JoSEPh SüSS<br />
Glanert | Münchner EA<br />
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Kverndokk, Schjoldager, Wiik | Münchner EA<br />
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<strong>Junge</strong> Choreografen | UA<br />
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<strong>Junge</strong>s Publikum willkommen!..<br />
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x 50% zu jeder Zeit für alle Plätze<br />
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