trinität - MINORITEN KULTUR Graz, herzlich willkommen ...
trinität - MINORITEN KULTUR Graz, herzlich willkommen ...
trinität - MINORITEN KULTUR Graz, herzlich willkommen ...
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
Reines Bedeuten<br />
Pure Bilder - ohne Material. Joseph Marsteurer klebt drei Vierecke in den Raum. Das eine verzerrt sich,<br />
während das andere zum Quadrat wird. Wann wird man gleichzeitig erkennen können? raucHenBerger<br />
Kann man Gott erkennen? Das ist die<br />
Urfrage der Glaubens. Vielleicht auch des<br />
Zweifelns. Jedenfalls aber ist es die Sehnsucht<br />
jener, denen Religion etwas bedeutet. Augustinus<br />
hat dazu in seiner 15 Bücher schweren<br />
Abhandlung über die Trinität einen starken<br />
Satz verfasst. „Gott wird treffender gedacht<br />
als ausgesprochen, und er ist wirklicher, als<br />
er gedacht wird.“ Im <strong>Graz</strong>er Augustinum<br />
hat ihn der deutsche Künstler Klaus G. Gaida<br />
neulich auf eine Wand geschrieben. Ich finde<br />
ihn sehr zeitgenössisch – hier das Denken,<br />
wenn man es als Privates meint, die Scham<br />
vor Öffentlichkeit und Bekenntnis, was<br />
nicht nur sein Schlechtes haben muss. Dann<br />
die Beschwörung des Denkens gegenüber<br />
leichtfertiger Rede. Aber auch der Einwand<br />
gegen den Missbrauch des Sprechens über<br />
Gott – seit jeher Bestandteil der Grundmuster<br />
von Kultkritik. Wie aber kann man Gott<br />
erkennen, ohne von ihm zu sprechen, ohne<br />
von ihm ein Bild zu machen? Wie kann man<br />
sich vorstellen, dass er nur mehr das Reine<br />
Bedeuten ist?<br />
Perspektivenfrage. Darüber nachzudenken<br />
gelingt in dieser Ausstellung am schärfsten<br />
8 <strong>trinität</strong><br />
Joseph Marsteurer.In einem der Galerieräume<br />
des Kulturzentrums bei den Minoriten hat er<br />
drei verzerrte Vierecke an den Wänden angebracht.<br />
Verändert man als Betrachter seine<br />
Position, verändert sich auch das Viereck. An<br />
einem Punkt wird es zum Quadrat. An einem<br />
anderen wird ein anderes zum Quadrat. An<br />
einem dritten das dritte. Die Annäherung an<br />
das eine Quadrat geht einher mit der Deformierung<br />
des anderen.<br />
Veränderung notwendig. Der Faktor<br />
Materialität ist bei Marsteurer beinahe ausgeschaltet.<br />
Dafür steht ein reines, werkloses<br />
Bedeuten als Angebot im Raum. Es entsteht<br />
in der Veränderung der Sichtweise. Die Bewegung<br />
ist integraler Bestandteil des Vorgangs.<br />
Eine Summe von Zerrbildern – drei Punkte,<br />
drei Quadrate und die Unmöglichkeit der<br />
gleichzeitigen Verfügbarkeit – markiert dabei<br />
die Grenzen des Erkennens und des Denkens.<br />
Eine zunächst gesehene und als solche<br />
wahrgenommene Realität, so erfahren wir es<br />
sinnlich, ist eine einzige große Verzerrung.<br />
Wer also Realität eindimensional behauptet,<br />
muss sich seiner sinnlichen Beschränkung<br />
gewärtig sein. Diese kann auch moralisch<br />
Ausstellung<br />
n 08. Juni bis 24. Juli 2011<br />
im Kulturzentrum bei den Minoriten in<br />
<strong>Graz</strong>, geöffnet von Dienstag bis Freitag<br />
10-17 Uhr und Samstag und Sonntag von<br />
11-16 Uhr.<br />
Information: www.kultum.at<br />
n Teilnehmende KünstlerInnen<br />
Helga Chibidziura, Enigma (Anna und<br />
Maria Obernosterer), Manfred Erjautz,<br />
Heribert Friedl, Fritz Ganser, Christoph<br />
und Markus Getzner, Bertram Hasenauer,<br />
Caroline Heider, Werner Hofmeister,<br />
Walter Kratner, Yvonne Manfreda, Joseph<br />
Marsteuer, Oswald Putzer, Franz Sattler,<br />
Anneliese Schrenk, Tobias Trutwin, Markus<br />
Wilfling, Leo Zogmayer, Zweintopf<br />
n Führungen für unterschiedliche Altersgruppen<br />
werden angeboten. Anmeldung:<br />
0316/711133<br />
office@kultum.at<br />
werden! Die Bedeutung, so formuliert es das<br />
intensive Nachdenken über die Bildlichkeit<br />
der Bilder von Joseph Marsteurer, verdichtet<br />
sich in Zwischenräumen und Brüchen.<br />
Simultanes Erfassen? Und zuletzt findet<br />
alles im Raum des unkontrollierten, das<br />
heißt nicht reduzierten Seins, dem Ort von<br />
Denk- und Sprachlosigkeit, seine notwendige<br />
Begrenzung. Denn je intensiver die<br />
Auseinandersetzungen sind, desto zahlreicher<br />
sind auch die Bilder, aber auch desto<br />
konkreter das Wissen um deren Verzerrung.<br />
Eine Ahnung also ist mit diesen Zerrbildern<br />
im Entstehen, dass irgendwo ein simultanes<br />
Erfassen möglich wird. Wer sich allerdings<br />
nicht bewegt, wird weder mit sich selbst,<br />
noch mit Gott und noch weniger mit dem<br />
Begriff der Trinität weiterkommen. Das gilt<br />
auch für die Haltung der Distanz und des<br />
Abwartens. Man muss durch den Raum<br />
gehen, um eine Ahnung davon zu bekommen.<br />
l JoHannes raucHenBerger