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9 Vorträge, 1924 - Rudolf Steiner Online Archiv

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ANTHROPOSOPHIE. EINE ZUSAMMENFASSUNG NACH 21 JAHREN<br />

Erster Vortrag<br />

________________________________________________________<br />

Schein in der Seele verdeckt das Sein, das ja ganz gewiß da ist,<br />

das der Mensch erfühlt, innerlich erlebt. Aber der Schein deckt<br />

es ihm zu, wie das Wasser der Wasserwoge ein Lebendiges zudeckt,<br />

das heraufkommt aus den Tiefen des Meeres, das man<br />

nicht kennt. Und der Mensch fühlt sein eigenes wahres Wesen<br />

verhüllt durch die Scheingebilde seiner eigenen Seele. Und es<br />

ist, als ob der Mensch sich fortwährend an sein Sein anklammern<br />

wollte, als ob er es irgendwo erfassen wollte. Er weiß, es<br />

ist da. Aber in dem Augenblicke, wo er es erfassen will, entschlüpft<br />

es ihm schon wieder, eilt von ihm fort. Der Mensch ist<br />

nicht imstande, das, was er weiß, was er ist, ein seiendes Wesen,<br />

in dem Gewoge seiner Seele zu erfassen. Und wenn dann der<br />

Mensch darauf kommt, daß dieses wogende Scheinleben der<br />

Seele etwas zu tun hat mit jener anderen Welt, die ihm vor die<br />

Vorstellung tritt, wenn er in die Natur hinausschaut, dann, dann<br />

tritt erst recht ein furchtbares Rätsel auf. Das Naturrätsel ist<br />

wenigstens ein solches, das sozusagen im Erleben vorhanden ist.<br />

Das Rätsel der eigenen Seele ist nicht im Erleben vorhanden,<br />

weil es selber lebt, weil es sozusagen lebendes Rätsel ist, weil es<br />

auf die fortdauernde Frage des Menschen: Was bin ich? - dasjenige<br />

vor ihn hinstellt, was bloßer Schein ist.<br />

Indem der Mensch in das eigene Innere blickt, wird er gewahr,<br />

daß dieses Innere ihm fortwährend die Antwort gibt: Ich zeige<br />

dir von dir selbst nur einen Schein; und schreibst du dich von<br />

einem geistigen Dasein her, ich zeige dir in deinem Seelenleben<br />

von diesem geistigen Dasein einen Schein.<br />

Und so treten prüfende Fragen von zwei Seiten an das Menschenleben<br />

heute heran. Die eine Frage, sie entsteht daraus, daß<br />

der Mensch gewahr wird (Tafelanschrift):<br />

Es giebt eine Natur, aber der Mensch kann an diese Natur nur<br />

heran, indem er sich von ihr vernichten läßt.<br />

Die andere:<br />

Es giebt eine Menschenseele, aber die Natur kann an diese Menschenseele<br />

nur heran, indem sie zum Scheingebilde wird.<br />

Diese beiden Erkenntnisse leben in dem Unterbewußtsein des<br />

heutigen Menschen.<br />

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