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REISE OFFROAD ABRUZZEN<br />

Auf der Straße gen Osten, Richtung Assergi, sind wir hin-<br />

und hergerissen. Sollen wir Kurven unterschiedlichster Radien<br />

oder atemberaubende Ausblicke auf die wilde, zerklüftete<br />

<br />

als einer Hand voll Autos.<br />

Eine Schranke versperrt die Straße zum Aussichtspunkt Monte<br />

Portella, die weiter oben noch unter einer dicken Schneedecke<br />

begraben liegt. Also biegen wir nach rechts Richtung<br />

Filetto ab. Zwei schmale Lehmspuren führen durch die raue,<br />

ausgesetzte Bergwelt. In der Ferne glühen weiße Hügelketten<br />

für ein paar magische Momente rosa im Abendlicht. Die kargen,<br />

braunen Hänge sind mit seltenen Silberdisteln übersät. Im<br />

Schutz der einzigen Bäume weit und breit errichten wir unser<br />

<br />

<br />

Schlafsäcke. Zum Einschlafen pfeift uns der Wind ein Lied.<br />

Tags darauf rollen wir in L’Aquila, der geschichtsträchtigen<br />

Hauptstadt der Abruzzen, ein. Sie thront auf einem Plateau<br />

über dem weiten Aterno Tal und zwischen den mächtigen Bergrücken<br />

von Gran Sasso und Monte Velino. Auf der Piazza del<br />

Duomo kehren große Besen gerade die Reste des bunten Wochenmarktes*<br />

weg. Von einem der vielen Cafés am Domplatz<br />

aus beobachten wir das rege Leben. Halbwüchsige bestaunen<br />

unsere voll bepackten Motorräder. Der Betreiber eines Delikatessengeschäfts,<br />

das regionale Köstlichkeiten wie Käse, Schinken<br />

und Salami anbietet, schenkt uns zwei kleine Rauchkäse<br />

als Proviant für die Weiterfahrt.<br />

Da wir zu der Sorte Mensch gehören, die die Einsamkeit<br />

der Berge dem Trubel der Stadt vorzieht, machen wir uns auf<br />

den Weg nach »Klein-Tibet«. So wird die bizarre Landschaft<br />

des Campo Imperatore oft bezeichnet, die stark an die Mon-<br />

<br />

no Grande, der höchsten Erhebung des gesamten Apennin. Im<br />

Frühling, Sommer und Herbst weiden auf den Wiesen dieses<br />

<br />

fe. Ohne Zäune.<br />

Schon von weitem bietet sich uns ein spektakulärer Blick auf<br />

das mittelalterliche Castel del Monte, dessen einfache, graue<br />

Steinhäuser sich rund um eine Burg an die schroff aufragenden<br />

Hänge klammern. Dazwischen liegt ein Labyrinth verwinkelter<br />

Gassen, Steintreppen und Brunnen. Steil windet sich die Pass-<br />

<br />

serlichen Feldes“. Die steinerne Einöde ist von einer spröden<br />

Schönheit. Wir können nur erahnen, wie erbarmungslos hart<br />

der Winter hier oben sein muss. Der Kurvenrausch wird jäh unterbrochen,<br />

als sich der markante, schneebedeckte Felszacken<br />

des Corno Grande ins Visier schiebt. Zu seinen Füßen liegen<br />

Blütenteppiche voller lila Krokusse und gelber Schlüsselblumen.<br />

U<br />

<br />

<br />

Auch hier zwingt uns Schnee zur Umkehr. Es ist Wochenende,<br />

und so begegnen wir auf der Schwindel erregenden Fahrt in<br />

dichter bevölkerte Täler auf Frühlingswiesen picknickenden Familien.<br />

Zusehends wird es wärmer und grüner. Liebliche Olivenhaine<br />

mit rotem Klatschmohn wechseln mit knallgelben<br />

Senffeldern. Kuhglocken läuten auf saftig grünen Weiden. Dazwischengestreut<br />

liegen Gehöfte und Pferdekoppeln. Das Land<br />

atmet auf und erholt sich vom strengen Winter.<br />

<br />

<br />

ßergewöhnlichen Zeltplatz – ein kleiner ebener Fleck auf einem<br />

überhängenden Felsvorsprung. Umgeben von Schneebergen,<br />

blicken wir von unserem »Adlerhorst« auf ein tief eingeschnittenes<br />

Flusstal mit ausgedehnten Buchenwäldern. Über uns ziehen<br />

zwei Greifvögel majestätisch ihre Kreise. In der sternenklaren<br />

<br />

Morgen weckt uns das Klopfen eines Spechts.<br />

Inzwischen hat sich ein gewisser Reisealltag eingestellt. Jeden<br />

Morgen planen wir bei einer Tasse Kaffee vorm roten Zelt<br />

die Strecke. Erfahrungsgemäß führen die auf unserer Karte ein-<br />

<br />

strecken) zu den spektakulärsten Orten. Wo und ob wir abends<br />

irgendwo ankommen, ist unwichtig. Unsere Art von Abenteuer<br />

ist, den Zufall geschehen, sich einfach treiben zu lassen.<br />

Auf der Weiterfahrt warnen Schilder »Strada di Montagna«<br />

entlang des engen, löchrigen Asphaltbands, das sich<br />

durch dichte Buchenwälder zum Abzweig Richtung »Blockhütte«<br />

schlängelt. Rechterhand lugen schroffe, weiße Gipfel durch<br />

die Baumkronen. Vor uns huscht eine grün schillernde Eidechse<br />

über die Straße. Auf der anderen<br />

Seite des Berges überziehen Ses-<br />

Bei Contigliano wähnen wir<br />

uns im Dschungel (o.).<br />

Die Steinhäuser von Santo<br />

Stéfano di Sessanio scheinen<br />

aus dem Fels zu wachsen<br />

(u.li.).<br />

Immer mit dabei: der Kocher<br />

für den Koffeinkick (u.r.).<br />

sellifte die immer noch verschneiten<br />

<br />

und ohne den Trubel des Skizirkus<br />

wirken die verwaisten Skiorte<br />

hässlich. Schmelzbäche rinnen tal-<br />

<br />

eine Stunde später ist die Eiszeit<br />

dem Frühling gewichen. Hinter lan-<br />

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