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ühne<br />
schauspiel<br />
Gebrüll, Gewalt, Verwirrung<br />
Marc Lippuner inszeniert die verstörende Uraufführung zum Schauspiel „VaterMutterKindM/F“<br />
„Und du hast gesagt: Ihr sollt Mama und Papa sein.<br />
Und die beiden haben gelächelt. Und du hast gesagt:<br />
Ab heute sind wir eine Familie. Ab heute sind wir nie<br />
mehr alleine. Ab heute gibt es für uns ein zu Hause.<br />
Ab heute wird es nie mehr dunkel sein.“<br />
Zwischen Wunsch und Wirklichkeit bewegt sich<br />
das Experiment, das zwei Kinder mit ihren vermeintlichen<br />
Eltern wagen. Die Kinder bestimmen<br />
die Regeln und die Verhaltensmuster, die sie gerne<br />
an den hochstilisierten Eltern sehen möchten. Vater<br />
und Mutter kuschen, um dem Zorn und der Gewalt<br />
der Kinder zu entgehen. Kind F, ein klammerndes,<br />
dominantes und zugleich infantiles weibliches Wesen,<br />
kämpft zwischen Impulsivität und Instabilität<br />
um Aufmerksamkeit und Liebe der Eltern. Während<br />
„Kind M“, der „Schizo, der sein Leben nicht gebacken<br />
bekommt und gern Familie spielt“ die Figuren<br />
„Das soll ein bisschen traurig, dramatisch sein“,<br />
weist Boris Bansbach seinen Saxophon-Schüler<br />
Jonas an. Eine Tonfolge ertönt, doch der Lehrer, der<br />
sonst die FH-Big Band leitet, scheint nicht zufrieden.<br />
Er summt die Melodie lieber noch einmal vor,<br />
während er dazu mit der rechten Hand den Takt<br />
schnipst. In dem Proberaum in der MuFAB stehen<br />
vier Jugendliche mit ihren Instrumenten – Füße<br />
wackeln im Takt, die Augen heften sich an die Partitur<br />
auf den Notenblättern fest. Mit jeder Menge<br />
Enthusiasmus fachsimpeln die Bläser des Orchesters<br />
des Schülermusic<strong>als</strong> „hide!“ und üben ihre Parts.<br />
Heute proben sie das Thema des Inspektor Murrows.<br />
Die Professionalität, mit denen die Jugendlichen hier<br />
an ihre Arbeit gehen, kennzeichnet das Schülermusical,<br />
welches in Kooperation mit der MuFab Aachen<br />
sowie dem Theater 99 aufgeführt wird. 11 Schauspieler<br />
und 9 Musiker, zwischen 14 und 19 Jahren stellen<br />
die Inszenierung der berühmten Novelle rund um<br />
Dr. Jackyll und Mr. Hide auf die Beine.<br />
24<br />
<strong>Klenkes</strong> April 2010<br />
der Familie, wie auf einem Schachbrett aufstellt und<br />
sie dazu zwingt, heile Welt und glückliche Familie<br />
vorzutäuschen. Nach und nach wird deutlich, dass<br />
hier ein Experiment mit unerreichbarem Ziel stattfindet.<br />
Regisseur Marc Lippuner versucht mit distanziertem<br />
Blick auf familiäre Konstellationen und<br />
innerfamiliäre Dynamik zu werfen.<br />
Am stärksten spielt an diesem Abend Thomas<br />
Hamm <strong>als</strong> Vater, er schafft es durchweg, Ernst und<br />
Tragik zu vermitteln. Stefanie Dischinger <strong>als</strong> Mutter<br />
hat einige Flashbacks auf die Bühne zu bringen, zu<br />
Beginn schafft sie dies sehr authentisch, doch gerät<br />
sie im Laufe des Stücks des öfteren ins Hintertreffen<br />
und wirkt neben dem starken Vater wenig ausdrucksstark.<br />
Die inzestiös anmutende Szene, in der Bruder<br />
und Schwester ihre Innigkeit durch Streicheleinhei-<br />
musical<br />
„Fördern, nicht aussortieren!“<br />
Schülermusical „Hide“ feiert am 15. Mai im Bürgerzentrum Fronleichnam Premiere<br />
Angefangen hat es mit einem Casting, an dem das<br />
Interesse so groß war, dass sogar Jugendliche aus<br />
dem Ruhrpott angereist kamen. „Es ging nicht<br />
darum auszusortieren, sondern zu fördern“, erklärt<br />
Christian Wernekinck, der für Text, Musik und Dramaturgie<br />
verantwortlich ist und die Schülergruppe<br />
maßgeblich anleitet. Dem engagierten Gymnasiallehrer<br />
steht bei der Umsetzung des Projektes professionelle<br />
Unterstützung zu Seite. Theaterpädagogisch<br />
werden die Laienschauspieler von Ingrid<br />
Wiederhold betreut, während die Musiker durch<br />
qualifizierte Lehrer, Einzel- und Gruppenunterricht<br />
in der MuFab erhalten. Weiterhin wird die Produktion<br />
durch ein Kamerateam begleitet, das die Proben<br />
dokumentiert und die Aufführungen aufzeichnet.<br />
Die Songs werden mit den Musicalanwärtern<br />
zusammen komponiert und einstudiert; die Requisiten,<br />
die Maske sowie die Unmengen an Kunstblut<br />
werden in persönlicher Manufaktur hergestellt. Alle<br />
Beteiligten haben sich essentiell mit der Novelle, der<br />
ten sowie einen Kuss verdeutlichen wollen, erinnert<br />
den Zuschauer eher an eine Soap-Szene und wirft<br />
die Frage auf, ob Robert Seiler und Franziska Lehmann<br />
in den Rollen der beiden Kinder tatsächlich<br />
hier <strong>als</strong> Eckpfeiler des Stücks funktionieren.<br />
Am Ende bleibt die Frage: Warum tut man sich<br />
diesen Moral-Masochismus an? Zu Vater/Mutter/<br />
Kind gehört Gebrüll, Gewalt und Verwirrung. „Was<br />
tun wir jetzt? Wir haben uns lieb und sind eine<br />
Familie“! /// Sonja Ceri<br />
1., 10., 24. und 30.4.<br />
„VaterMutterKindM/F“<br />
20 Uhr, Theater Aachen, Mörgens<br />
im Kapuziner Karree<br />
Bei den Proben zu „Hide!“<br />
Problematik der Schizophrenie und natürlich mit<br />
der Musik auseinander gesetzt. Das Stück ist nominiert<br />
<strong>als</strong> herausragende Eigenleistung im Rahmen<br />
der 27. Kölner Schultheaterwoche. /// Sonja Ceri<br />
14.5. (Premiere)<br />
„Hide!“<br />
20 Uhr, Klangbrücke<br />
Foto: Carl Brunn