Fallbeispiel für WU-Vorlesung - Rechtsfragen der elektronischen ...
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Dr. Hans Peter Lehofer<br />
Telekommunikationsrecht<br />
<strong>Vorlesung</strong> 29. November 2007<br />
Materialien zum <strong>Fallbeispiel</strong><br />
Marktdefinition – Marktanalyse – spezifische<br />
Verpflichtungen<br />
„Markt <strong>für</strong> Auslandsgespräche <strong>für</strong> Nichtprivatkunden"<br />
Inhalt:<br />
1. Märkteempfehlung ................................................................... 2<br />
2. Leitlinien zur Marktanalyse ........................................................ 7<br />
3. TKMVO 2003 .......................................................................... 35<br />
4. Erläuterungen zur TKMVO 2003 ................................................ 38<br />
5. Bescheid <strong>der</strong> TKK vom 04.02.2005, M 6/03-60............................ 51<br />
6. Erkenntnis des VwGH vom 22.11.2005, 2005/03/0109................107<br />
7. Bescheid <strong>der</strong> TKK vom 20.03.2006, M 6/03-85...........................136
Märkteempfehlung <strong>der</strong> Europäischen Kommission<br />
<strong>Vorlesung</strong>smaterialien Seite 2
8.5.2003 DE<br />
Amtsblatt <strong>der</strong> Europäischen Union<br />
L 114/45<br />
EMPFEHLUNG DER KOMMISSION<br />
vom 11. Februar 2003<br />
über relevante Produkt- und Dienstmärkte des <strong>elektronischen</strong> Kommunikationssektors, die<br />
aufgrund <strong>der</strong> Richtlinie 2002/21/EG des Europäischen Parlaments und des Rates über einen<br />
gemeinsamen Rechtsrahmen <strong>für</strong> elektronische Kommunikationsnetze und -dienste <strong>für</strong> eine Vorabregulierung<br />
in Betracht kommen<br />
DIE KOMMISSION DER EUROPÄISCHEN GEMEINSCHAFTEN —<br />
gestützt auf den Vertrag zur Gründung <strong>der</strong> Europäischen<br />
Gemeinschaft,<br />
gestützt auf die Richtlinie 2002/21/EG des Europäischen Parlaments<br />
und des Rates vom 7. März 2002 über einen gemeinsamen<br />
Rechtsrahmen <strong>für</strong> elektronische Kommunikationsnetze<br />
und -dienste ( 1 ), insbeson<strong>der</strong>e auf Artikel 15,<br />
in Erwägung nachstehen<strong>der</strong> Gründe:<br />
(1) Die Richtlinie 2002/21/EG (nachstehend „Rahmenrichtlinie“<br />
genannt) gibt neue rechtliche Rahmenbedingungen<br />
<strong>für</strong> den Bereich <strong>der</strong> <strong>elektronischen</strong> Kommunikation vor,<br />
die den Konvergenzbestrebungen Rechnung tragen<br />
sollen, indem sie sämtliche elektronische Netze und<br />
Dienste abdecken. Die bereichsspezifischen Vorabregelungen<br />
sollen mit zunehmendem Wettbewerb schrittweise<br />
abgebaut werden.<br />
(2) Ziel dieser Empfehlung ist es, Produkt- und Dienstmärkte<br />
festzulegen, die <strong>für</strong> eine Vorabregulierung in Betracht<br />
kommen. Diese erste Empfehlung muss jedoch mit dem<br />
Übergang von den Rahmenbedingungen 1998 auf den<br />
neuen Rechtsrahmen vereinbar sein. Die Richtlinie<br />
2002/19/EG des Europäischen Parlaments und des Rates<br />
vom 7. März 2002 über den Zugang zu <strong>elektronischen</strong><br />
Kommunikationsnetzen und zugehörigen Einrichtungen<br />
sowie <strong>der</strong>en Zusammenschaltung ( 2 ) (nachfolgend<br />
„Zugangsrichtlinie“ genannt) und die Richtlinie 2002/22/<br />
EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 7.<br />
März 2002 über den Universaldienst und Nutzerrechte<br />
bei <strong>elektronischen</strong> Kommunikationsnetzen und -diensten<br />
( 3 ) (nachfolgend „Universaldienstrichtlinie“ genannt)<br />
definieren bereits bestimmte Marktsegmente, die zusätzlich<br />
zu den in dieser Empfehlung aufgeführten Märkten<br />
von den nationalen Regulierungsbehörden (NRB) zu<br />
analysieren sind. Aufgrund <strong>der</strong> Rahmenrichtlinie definieren<br />
die nationalen Regulierungsbehörden die relevanten<br />
geografischen Märkte in ihrem Hoheitsgebiet.<br />
(3) Der Rechtsrahmen 1998 sah eine Vorabregulierung in<br />
bestimmten Bereichen <strong>der</strong> Telekommunikation vor.<br />
Diese Bereiche wurden in den anwendbaren Richtlinien<br />
( 1 ) ABl. L 108 vom 24.4.2002, S. 33.<br />
( 2 ) ABl. L 108 vom 24.4.2002, S. 7.<br />
( 3 ) ABl. L 108 vom 24.4.2002, S. 51.<br />
(Bekannt gegeben unter Aktenzeichen K(2003) 497)<br />
(Text von Bedeutung <strong>für</strong> den EWR)<br />
(2003/311/EG)<br />
<strong>Vorlesung</strong>smaterialien Seite 3<br />
näher bestimmt, es handelt sich aber nicht durchgehend<br />
um „Märkte“ im Sinne des Wettbewerbsrechts und seiner<br />
Anwendung. Anhang I <strong>der</strong> Rahmenrichtlinie stellt eine<br />
Liste solcher Marktbereiche dar, die in eine erste Fassung<br />
<strong>der</strong> Empfehlung einzubeziehen sind.<br />
(4) Wie die Überschrift des Anhangs I verdeutlicht, sind alle<br />
darin aufgeführten Märkte in die erste Fassung <strong>der</strong><br />
Empfehlung aufzunehmen, damit die NRB eine Überprüfung<br />
<strong>der</strong> bestehenden, unter dem Regulierungsrahmen<br />
1998 auferlegten Verpflichtungen vornehmen können.<br />
(5) Artikel 15 Absatz 1 <strong>der</strong> Rahmenrichtlinie sieht vor, dass<br />
die Kommission die Bestimmung Märkte in Übereinstimmung<br />
mit den Grundsätzen des Wettbewerbsrechts<br />
vornimmt. Die Kommission hat daher die Märkte<br />
(entsprechend den im Anhang I <strong>der</strong> Rahmenrichtlinie<br />
aufgeführten Märkten) in Übereinstimmung mit den<br />
Grundsätzen des Wettbewerbsrechts bestimmt.<br />
(6) Im Bereich <strong>der</strong> <strong>elektronischen</strong> Kommunikation sind<br />
zumindest zwei Kategorien von relevanten Märkten zu<br />
betrachten: Märkte <strong>für</strong> Dienste o<strong>der</strong> Produkte <strong>für</strong><br />
Endnutzer (Endkundenmärkte) und Märkte <strong>für</strong> Vorleistungen,<br />
die Betreiber benötigen, die Endnutzern Dienste<br />
und Produkte bereitstellen (Großkundenmärkte). Innerhalb<br />
dieser Marktkategorien können weitere Unterscheidungen<br />
vorgenommen werden, je nach Nachfrage- und<br />
Angebotsbedingungen.<br />
(7) Ausgangspunkt <strong>für</strong> Definition und Identifikation von<br />
Märkten ist die Charakterisierung von Endkundenmärkten<br />
über einen bestimmten Zeitraum, wobei<br />
Substituierbarkeit auf Nachfrage- und Angebotsseite zu<br />
berücksichtigen ist. Wenn Endkundenmärkte charakterisiert<br />
sind, die Märkte darstellen, die durch das Angebot<br />
und durch die Nachfrage von Endnutzern entstehen, sind<br />
nachfolgend relevante Großkundenmärkte zu identifizieren,<br />
die durch Nachfrage nach und Angebot von<br />
Produkten <strong>für</strong> Dritte entstehen, die beabsichtigen, Angebote<br />
an Endkunden zu machen.
L 114/46 Amtsblatt <strong>der</strong> Europäischen Union<br />
DE<br />
(8) Die Bestimmung von Märkten in Übereinstimmung mit<br />
den Grundsätzen des Wettbewerbsrechts bewirkt, dass<br />
sich einige <strong>der</strong> Marktbereiche im Anhang I <strong>der</strong> Rahmenrichtlinie<br />
entsprechend ihrer Nachfragecharakteristika<br />
aus einer Anzahl getrennter Einzelmärkte zusammensetzen.<br />
Dies trifft zu <strong>für</strong> Produkte <strong>für</strong> den Zugang von<br />
Endkunden zum öffentlichen Telefonnetz an festen<br />
Standorten und <strong>für</strong> Telefondienste an festen Standorten.<br />
Der Marktbereich Mietleitungen <strong>für</strong> Großkunden in<br />
Anhang I setzt sich aus getrennten Märkten <strong>für</strong> Großkunden-Abschluss-Segmente<br />
und <strong>für</strong> Großkunden-Fernübertragungs-Segmente<br />
zusammen, sowohl aufgrund<br />
von nachfrageseitigen als auch aufgrund von angebotsseitigen<br />
Charakteristika.<br />
(9) Die Identifikation von Märkten in Übereinstimmung mit<br />
Grundsätzen des Wettbewerbsrechts soll auf Grundlage<br />
<strong>der</strong> folgenden drei Kriterien erfolgen. i) Es bestehen<br />
beträchtliche, anhaltende strukturell o<strong>der</strong> rechtlich<br />
bedingte Zugangshin<strong>der</strong>nisse. Angesichts des dynamischen<br />
Charakters und <strong>der</strong> Funktionsweise <strong>der</strong> Märkte<br />
<strong>für</strong> elektronische Kommunikation sind jedoch bei <strong>der</strong><br />
Erstellung einer vorausschauenden Analyse zur Ermittlung<br />
<strong>der</strong> relevanten Märkte <strong>für</strong> eine etwaige Vorabregulierung<br />
<strong>für</strong> Möglichkeiten zum Abbau <strong>der</strong> Hin<strong>der</strong>nisse<br />
vor einem bestimmten Zeithorizont zu berücksichtigen.<br />
Daher sind ii) nur diejenigen Märkte aufzuführen, die<br />
nicht innerhalb des betreffenden Zeitraums zu wirksamem<br />
Wettbewerb tendieren. Bei <strong>der</strong> Zugrundelegung<br />
dieses Kriteriums ist <strong>der</strong> Stand des Wettbewerbs hinter<br />
den Zugangsschranken zu prüfen. iii) Dem betreffenden<br />
Marktversagen kann mit Hilfe des Wettbewerbsrechts<br />
allein nicht entgegengewirkt werden.<br />
(10) Insbeson<strong>der</strong>e ist aufgrund dieser Empfehlung bei<br />
Zugangshin<strong>der</strong>nissen zu unterscheiden zwischen strukturell<br />
und rechtlich bedingten Hin<strong>der</strong>nissen.<br />
(11) Strukturbedingte Zugangshin<strong>der</strong>nisse ergeben sich aus<br />
<strong>der</strong> anfänglichen Kosten- o<strong>der</strong> Nachfragesituation, die zu<br />
einem Ungleichgewicht zwischen den etablierten Betreibern<br />
und Einsteigern führt, <strong>der</strong>en Marktzugang so behin<strong>der</strong>t<br />
o<strong>der</strong> verhin<strong>der</strong>t wird. Bedeutende strukturbedingte<br />
Hin<strong>der</strong>nisse liegen beispielsweise vor, wenn erhebliche<br />
mengen- und größenbedingte Vorteile und hohe Ist-<br />
Kosten <strong>der</strong> Vergangenheit <strong>für</strong> den Markt charakteristisch<br />
sind. Bislang treten <strong>der</strong>artige Hin<strong>der</strong>nisse noch immer im<br />
Zusammenhang mit <strong>der</strong> weit verbreiteten Entwicklung<br />
bzw. Bereitstellung von Ortsanschlussnetzen an festen<br />
Standorten auf. Ein entsprechendes strukturbedingtes<br />
Hin<strong>der</strong>nis kann auch vorliegen, wenn die Bereitstellung<br />
eines Dienstes eine Netzkomponente erfor<strong>der</strong>t, die sich<br />
technisch nicht o<strong>der</strong> nur zu hohen Kosten nachbauen<br />
lässt, so dass <strong>der</strong> Dienst <strong>für</strong> Mitbewerber unrentabel<br />
wird.<br />
(12) Rechtlich bedingte Hin<strong>der</strong>nisse basieren nicht auf den<br />
Wirtschaftsbedingungen, son<strong>der</strong>n ergeben sich aus legislativen,<br />
administrativen o<strong>der</strong> sonstigen staatlichen<br />
Maßnahmen, die sich unmittelbar auf die Zugangsbedingungen<br />
und/o<strong>der</strong> die Stellung von Betreibern auf dem<br />
betreffenden Markt auswirken. Beispiele hier<strong>für</strong> sind<br />
rechtliche Hin<strong>der</strong>nisse <strong>für</strong> den Marktzugang, wenn nur<br />
eine begrenzte Anzahl von Unternehmen Zugang zu<br />
<strong>Vorlesung</strong>smaterialien Seite 4<br />
8.5.2003<br />
Frequenzen <strong>für</strong> die Bereitstellung von Basisdiensten hat.<br />
Weitere Beispiele <strong>für</strong> rechtliche Hin<strong>der</strong>nisse sind Preiskontrollen<br />
o<strong>der</strong> an<strong>der</strong>weitige preisspezifische<br />
Maßnahmen, die den Unternehmen auferlegt werden<br />
und sich nicht nur auf ihren Zugang, son<strong>der</strong>n auch auf<br />
ihre Stellung auf dem Markt auswirken.<br />
(13) Zugangshin<strong>der</strong>nisse können bei innovativen, von<br />
stetigem technischen Fortschritt bestimmten Märkten an<br />
Bedeutung verlieren. Hier entsteht ein Wettbewerbsdruck<br />
häufig durch bevorstehende Innovationen möglicher<br />
Mitbewerber, die <strong>der</strong>zeit noch nicht auf dem Markt<br />
präsent sind. Auf <strong>der</strong>art innovationsbestimmten Märkten<br />
kann ein dynamischer o<strong>der</strong> längerfristiger Wettbewerb<br />
unter Firmen stattfinden, die nicht zwangsläufig auf<br />
einem vorhandenen „statischen“ Markt miteinan<strong>der</strong><br />
konkurrieren. Märkte, auf denen in absehbarer Zeit ein<br />
Abbau <strong>der</strong> Zugangshin<strong>der</strong>nissse zu erwarten steht, sind<br />
in dieser Empfehlung nicht berücksichtigt.<br />
(14) Selbst auf einem Markt mit beträchtlichen Zugangshin<strong>der</strong>nissen<br />
können an<strong>der</strong>e strukturelle Faktoren bewirken,<br />
dass <strong>der</strong> Markt über den betreffenden Zeitraum einen<br />
wirksamen Wettbewerb verspricht. Dies kann beispielsweise<br />
<strong>der</strong> Fall sein auf Märkten mit einer begrenzten —<br />
aber hinreichenden — Anzahl von Unternehmen mit<br />
abweichenden Kostenstrukturen, die sich mit einer preiselastischen<br />
Nachfrage konfrontiert sehen. Ferner kann es<br />
einen Kapazitätsüberschuss auf einem Markt geben, <strong>der</strong><br />
es konkurrierenden Firmen gestattet, ihre Leistung als<br />
Reaktion auf eine Preiserhöhung sehr rasch zu steigern.<br />
Auf solchen Märkten können sich die Marktanteile mit<br />
<strong>der</strong> Zeit verän<strong>der</strong>n und/o<strong>der</strong> sinkende Preise beobachtet<br />
werden.<br />
(15) Die Festlegung eines Marktes, <strong>der</strong> eine Vorabregulierung<br />
rechtfertigt, richtet sich ferner danach, ob das Wettbewerbsrecht<br />
ausreicht, um <strong>der</strong>artige Hin<strong>der</strong>nisse abzubauen<br />
bzw. zu beseitigen o<strong>der</strong> einen echten Wettbewerb<br />
wie<strong>der</strong>herzustellen. Überdies kommen neue und sich<br />
abzeichnende Märkte, auf denen Marktmacht aufgrund<br />
von „Vorreitervorteilen“ besteht, grundsätzlich nicht <strong>für</strong><br />
eine Vorabregulierung in Betracht.<br />
(16) Bei <strong>der</strong> regelmäßigen Überprüfung <strong>der</strong> in dieser Empfehlung<br />
identifizierten Märkte sollen die drei Kriterien<br />
zugrunde gelegt werden. Diese Kriterien sollen kumulativ<br />
angewandt werden, in <strong>der</strong> Weise, dass <strong>der</strong> Markt in<br />
nachfolgenden Empfehlungen nicht identifiziert wird,<br />
wenn eines <strong>der</strong> Kriterien nicht zutrifft. Wenn daher in<br />
mehreren aufeinan<strong>der</strong> folgenden Fassungen <strong>der</strong> Empfehlungen<br />
festgestellt wird, dass ein Markt <strong>für</strong> elektronische<br />
Kommunikation eine Vorabregulierung rechtfertigt, ist<br />
dies dadurch bedingt, dass weiterhin beträchtliche<br />
Zugangshin<strong>der</strong>nisse bestehen, die mangelnde Wettbewerbsdynamik<br />
da<strong>für</strong> spricht und schließlich das Wettbewerbsrecht<br />
(ohne Vorabregulierung) zur Beseitigung<br />
eines anhaltenden Marktversagens nicht ausreicht. Auch<br />
könnte ein Markt aus einer Empfehlung gestrichen<br />
werden, wenn ein soli<strong>der</strong>, wirksamer Wettbewerb in <strong>der</strong><br />
Gemeinschaft herrscht, sofern die Aufhebung rechtlicher<br />
Vorabverpflichtungen den Wettbewerb auf diesem Markt<br />
nicht einschränkt.
8.5.2003 DE<br />
Amtsblatt <strong>der</strong> Europäischen Union<br />
L 114/47<br />
(17) Der Anhang zu dieser Empfehlung zeigt, wie je<strong>der</strong><br />
einzelne Markt in <strong>der</strong> Empfehlung mit den Marktbereichen<br />
in Anhang I <strong>der</strong> Rahmenrichtlinie verbunden ist.<br />
Bei <strong>der</strong> Überprüfung von unter dem vorhergehenden<br />
Regulierungsrahmen auferlegten Verpflichtungen, um zu<br />
entscheiden, ob diese aufrechterhalten, ergänzt o<strong>der</strong><br />
aufgehoben werden, nehmen die NRB ihre Untersuchung<br />
auf <strong>der</strong> Grundlage <strong>der</strong> in dieser Richtlinie identifizierten<br />
Märkte vor, um dem Erfor<strong>der</strong>nis Rechnung zu tragen,<br />
dass die Marktdefinition zum Zweck <strong>der</strong> Vorabregulierung<br />
auf den Prinzipien des Wettbewerbsrechts basiert.<br />
Solange die erste Marktanalyse durch die NRB nicht<br />
abgeschlossen ist, bleiben bestehende Verpflichtungen in<br />
Kraft.<br />
(18) Abgesehen von den in dieser Empfehlung aufgeführten<br />
Märkten können in bestimmten Fällen Märkte nach dem<br />
Wettbewerbsrecht definiert werden.<br />
(19) Aufgrund unterschiedlicher Netztopologien und Technologien<br />
in <strong>der</strong> Gemeinschaft müssen die Regulierungsbehörden<br />
gelegentlich die exakten Grenzen zwischen<br />
bestimmten in <strong>der</strong> Empfehlung aufgeführten Märkten<br />
o<strong>der</strong> <strong>der</strong>en Bestandteile festlegen und dabei die<br />
Grundsätze des Wettbewerbsrechts einhalten. Die nationalen<br />
Regulierungsbehörden können unter Einhaltung<br />
von Artikel 7 <strong>der</strong> Rahmenrichtlinie Märkte festlegen, die<br />
von denen <strong>der</strong> Empfehlung abweichen. Da eine Vorabregulierung<br />
eines Marktes den Handel zwischen Mitgliedstaaten<br />
im Sinne <strong>der</strong> Erwägung 38 <strong>der</strong> Rahmenrichtlinie<br />
beeinträchtigen könnte, wäre nach Auffassung <strong>der</strong><br />
Kommission, wenn ein Markt abweichend von <strong>der</strong><br />
Empfehlung aufgeführt wird, das entsprechende<br />
Verfahren gemäß Artikel 7 <strong>der</strong> Rahmenrichtlinie einzuhalten.<br />
Wird ein Markt, <strong>der</strong> den Handel zwischen<br />
Mitgliedstaaten beeinflusst, nicht gemeldet, so kann ein<br />
Verstoßverfahren eingeleitet werden. Je<strong>der</strong> von den<br />
nationalen Regulierungsbehörden festgelegte Markt sollte<br />
den Wettbewerbsgrundsätzen <strong>der</strong> Bekanntmachung <strong>der</strong><br />
Kommission über die Definition des relevanten Marktes<br />
im Sinne des Wettbewerbsrechts <strong>der</strong> Gemeinschaft ( 1 )<br />
und den Leitlinien <strong>der</strong> Kommission zur Marktanalyse<br />
und Ermittlung beträchtlicher Marktmacht entsprechen<br />
und die obigen drei Kriterien erfüllen. Falls die Nachfrage-<br />
und Angebotsstrukturen nach Auffassung einer<br />
( 1 ) ABl. C 372 vom 9.12.1997, S. 5.<br />
<strong>Vorlesung</strong>smaterialien Seite 5<br />
NRB eine an<strong>der</strong>e Definition eines in dieser Empfehlung<br />
aufgeführten Marktes rechtfertigen, sind die Verfahren<br />
gemäß Artikel 6 und 7 <strong>der</strong> Rahmenrichtlinie einzuhalten.<br />
(20) Die vorliegende Festlegung von Produkt- und<br />
Dienstmärkten, die eine Vorabregulierung rechtfertigen<br />
können, besagt nicht, dass eine Regulierung stets angebracht<br />
ist o<strong>der</strong> <strong>für</strong> diese Märkte rechtliche Verpflichtungen<br />
aufgrund <strong>der</strong> spezifischen Richtlinien gelten. Eine<br />
Regulierung ist nicht gerechtfertigt, wenn auf diesen<br />
Märkten echter Wettbewerb herrscht. Rechtliche<br />
Verpflichtungen müssen vor allem sinnvoll, dem aufgezeigten<br />
Problem angemessen, verhältnismäßig und<br />
aufgrund <strong>der</strong> Ziele <strong>der</strong> Rahmenrichtlinie gerechtfertigt<br />
sein, dem Nutzer größtmögliche Vorteile bieten, Wettbewerbszerrungen<br />
o<strong>der</strong> -einschränkungen ausschließen,<br />
effiziente Infrastrukturinvestitionen und Innovationen<br />
sowie die effiziente Nutzung und Verwaltung von<br />
Frequenzen und Nummern för<strong>der</strong>n.<br />
(21) Die Kommission wird die Notwendigkeit von<br />
Än<strong>der</strong>ungen dieser Richtlinie bis spätestens 30. Juni<br />
2004 aufgrund <strong>der</strong> Marktentwicklungen überprüfen.<br />
(22) Die Öffentlichkeit, die nationalen Regulierungsbehörden<br />
und Wettbewerbsbehörden wurden zu dieser Empfehlung<br />
konsultiert —<br />
HAT DIE FOLGENDE EMPFEHLUNG ERLASSEN:<br />
1. Den nationalen Regulierungsbehörden wird empfohlen, bei<br />
<strong>der</strong> Festlegung relevanter Märkte gemäß Artikel 15 Absatz 3<br />
<strong>der</strong> Richtlinie 2002/21/EG die im Anhang aufgeführten<br />
Produkt- und Dienstmärkte zu prüfen.<br />
2. Diese Empfehlung ist an alle Mitgliedstaaten gerichtet.<br />
Brüssel, den 11. Februar 2003<br />
Für die Kommission<br />
Erkki LIIKANEN<br />
Mitglied <strong>der</strong> Kommission
L 114/48 Amtsblatt <strong>der</strong> Europäischen Union<br />
DE<br />
Endkundenmärkte<br />
ANHANG<br />
1. Zugang von Privatkunden zum öffentlichen Telefonnetz an festen Standorten<br />
2. Zugang an<strong>der</strong>er Kunden zum öffentlichen Telefonnetz an festen Standorten<br />
3. Öffentliche Orts- und/o<strong>der</strong> Inlandstelefonverbindungen <strong>für</strong> Privatkunden an festen Standorten<br />
4. Öffentliche Auslandstelefonverbindungen <strong>für</strong> Privatkunden an festen Standorten<br />
5. Öffentliche Orts- und/o<strong>der</strong> Inlandstelefonverbindungen <strong>für</strong> an<strong>der</strong>e Kunden an festen Standorten<br />
6. Öffentliche Auslandstelefonverbindungen <strong>für</strong> an<strong>der</strong>e Kunden an festen Standorten<br />
Die Märkte 1 bis 6 werden im Hinblick auf eine Analyse im Sinne des Artikels 17 <strong>der</strong> Universaldienstrichtlinie aufgeführt.<br />
Die Märkte 1 bis 6 zusammen entsprechen dem „Anschluss an das öffentliche Telefonnetz und dessen Nutzung an<br />
bestimmten festen Standorten“ gemäß Anhang I <strong>der</strong> Rahmenrichtlinie. Auf diesen Marktverbund wird auch in Artikel<br />
19 <strong>der</strong> Universaldienstrichtlinie eingegangen (mögliche Verpflichtung zur Betreiberauswahl bzw. -vorauswahl).<br />
7. Mindestangebot an Mietleitungen (mit bestimmten Mietleitungstypen bis einschließlich 2 Mb/s gemäß Artikel 18 und<br />
Anhang VII <strong>der</strong> Universaldienstrichtlinie)<br />
Dieser Markt entspricht Anhang I Punkt 1 <strong>der</strong> Rahmenrichtlinie in Verbindung mit Artikel 16 <strong>der</strong><br />
Universaldienstrichtlinie (Bereitstellung von Mietleitungen <strong>für</strong> Endnutzer).<br />
Es ist eine Marktanalyse nach Artikel 18 <strong>der</strong> Universaldienstrichtlinie durchzuführen, die Regulierungsmaßnahmen<br />
<strong>für</strong> die Bereitstellung des Mindestangebots an Mietleitungen umfasst.<br />
Großkundenmärkte<br />
8. Verbindungsaufbau im öffentlichen Telefonnetz an festen Standorten. Im Sinne dieser Empfehlung umfasst <strong>der</strong><br />
Verbindungsaufbau die Weiterleitung auf lokaler Ebene und ist so abzugrenzen, dass er <strong>der</strong> Abgrenzung <strong>der</strong> Märkte<br />
<strong>für</strong> Transitverbindungen und Anrufzustellung im öffentlichen Telefonnetz an festen Standorten entspricht.<br />
Dieser Markt entspricht Anhang I Punkt 2 <strong>der</strong> Rahmenrichtlinie in Verbindung mit <strong>der</strong> Richtlinie 97/33/EG (Verbindungsaufbau<br />
im öffentlichen Festtelefonnetz).<br />
9. Anrufzustellung in einzelnen öffentlichen Telefonnetzen an festen Standorten<br />
Im Sinne dieser Empfehlung umfasst die Anrufzustellung die lokale Anrufweiterleitung und ist so abzugrenzen, dass<br />
sie <strong>der</strong> Abgrenzung <strong>der</strong> Märkte <strong>für</strong> Verbindungsaufbau und Transitverbindungen im öffentlichen Telefonnetz an<br />
festen Standorten entspricht.<br />
Dieser Markt entspricht Anhang I Punkt 2 <strong>der</strong> Rahmenrichtlinie in Verbindung mit <strong>der</strong> Richtlinie 97/33/EG (Verbindungsaufbau<br />
im öffentlichen Festtelefonnetz).<br />
10. Transitdienste im öffentlichen Festtelefonnetz<br />
Im Sinne dieser Empfehlung sind Transitdienste so abzugrenzen, dass sie <strong>der</strong> Abgrenzung <strong>der</strong> Märkte <strong>für</strong> Verbindungsaufbau<br />
und Anrufzustellung im öffentlichen Telefonnetz an festen Standorten entsprechen.<br />
Dieser Markt entspricht Anhang I Punkt 2 <strong>der</strong> Rahmenrichtlinie in Verbindung mit <strong>der</strong> Richtlinie 97/33/EG (Transitdienste<br />
im öffentlichen Festtelefonnetz).<br />
11. Entbündelter Großkunden-Zugang (einschließlich des gemeinsamen Zugangs) zu Drahtleitungen und Teilleitungen<br />
<strong>für</strong> die Erbringung von Breitband- und Sprachdiensten<br />
Dieser Markt entspricht Anhang I Punkt 2 <strong>der</strong> Rahmenrichtlinie in Verbindung mit den Richtlinien 97/33/EG und<br />
98/10/EG (Zugang zum öffentlichen Festtelefonnetz einschließlich des entbündelten Zugangs zum Teilnehmeranschluss)<br />
sowie Anhang I Punkt 3 <strong>der</strong> Rahmenrichtlinie in Verbindung mit <strong>der</strong> Verordnung (EG) Nr. 2887/2000.<br />
12. Breitbandzugang <strong>für</strong> Großkunden<br />
Dieser Markt umfasst „Bitstrom-“Zugang, <strong>der</strong> die Breitband-Datenübertragung in beiden Richtungen gestattet und<br />
sonstigen Großkundenzugang, <strong>der</strong> über an<strong>der</strong>e Infrastrukturen erbracht wird, wenn sie dem „Bitstrom“-Zugang<br />
gleichwertige Einrichtungen bereitstellen. Er beinhaltet Netzzugang und Son<strong>der</strong>netzzugang gemäß Anhang I Punkt 2<br />
<strong>der</strong> Rahmenrichtlinie, nicht aber die unter Punkt 11 und 18 erwähnten Märkte.<br />
<strong>Vorlesung</strong>smaterialien Seite 6<br />
8.5.2003
8.5.2003 DE<br />
Amtsblatt <strong>der</strong> Europäischen Union<br />
L 114/49<br />
13. Abschluss-Segmente von Mietleitungen <strong>für</strong> Großkunden<br />
14. Fernübertragungs-Segmente von Mietleitungen <strong>für</strong> Großkunden<br />
Die Großkundenmärkte 13 und 14 zusammen entsprechen Anhang I Punkt 2 <strong>der</strong> Rahmenrichtlinie in Verbindung<br />
mit den Richtlinien 97/33/EG und 98/10/EG (Zusammenschaltung von Mietleitungen) sowie Anhang I Punkt 2 <strong>der</strong><br />
Rahmenrichtlinie in Verbindung mit <strong>der</strong> Richtlinie 92/44/EWG (Bereitstellung von Großkunden-Mietleitungskapazität<br />
<strong>für</strong> an<strong>der</strong>e Anbieter elektronischer Kommunikationsnetze o<strong>der</strong> -dienste).<br />
15. Zugang und Verbindungsaufbau in öffentlichen Mobiltelefonnetzen, (geson<strong>der</strong>t) aufgeführt in Anhang I Punkt 2 <strong>der</strong><br />
Rahmenrichtlinie in Verbindung mit den Richtlinien 97/33/EG und 98/10/EG<br />
16. Anrufzustellung in einzelnen Mobiltelefonnetzen<br />
Dieser Markt entspricht Anhang I Punkt 2 <strong>der</strong> Rahmenrichtlinie in Verbindung mit <strong>der</strong> Richtlinie 97/33/EG (Anrufzustellung<br />
in öffentlichen Mobiltelefonnetzen).<br />
17. Nationaler Großkundenmarkt <strong>für</strong> Auslands-Roaming in öffentlichen Mobiltelefonnetzen<br />
Dieser Markt entspricht Anhang I Punkt 4 <strong>der</strong> Rahmenrichtlinie.<br />
18. Rundfunk-Übertragungsdienste zur Bereitstellung von Sendeinhalten <strong>für</strong> Endnutzer<br />
Anmerkung<br />
Die nationalen Regulierungsbehörden haben bei <strong>der</strong> Analyse des Marktes <strong>für</strong> Zugangsberechtigungssysteme <strong>für</strong> digitale Fernseh- und<br />
Rundfunkdienste gemäß Artikel 6 Absatz 3 <strong>der</strong> Zugangsrichtlinie Ermessensfreiheit. Nach Artikel 6 Absatz 3 <strong>der</strong> Zugangsrichtlinie<br />
können die Mitgliedstaaten ihren nationalen Regulierungsbehörden gestatten, den Markt <strong>für</strong> Zugangsberechtigungssysteme <strong>für</strong> digitale<br />
Fernseh- und Rundfunkdienste unabhängig von <strong>der</strong> Art <strong>der</strong> Übertragung zu überprüfen.<br />
<strong>Vorlesung</strong>smaterialien Seite 7
Leitlinien zur Marktanalyse und Ermittlung<br />
beträchtlicher Marktmacht<br />
<strong>Vorlesung</strong>smaterialien Seite 8
DE<br />
C 165/6 Amtsblatt <strong>der</strong> Europäischen Gemeinschaften 11.7.2002<br />
1. EINLEITUNG<br />
Leitlinien <strong>der</strong> Kommission zur Marktanalyse und Ermittlung beträchtlicher Marktmacht nach dem<br />
gemeinsamen Rechtsrahmen <strong>für</strong> elektronische Kommunikationsnetze und -dienste<br />
1.1 Tragweite und Zweck <strong>der</strong> Leitlinien<br />
1. In diesen Leitlinien werden die Grundsätze beschrieben,<br />
die die nationalen Regulierungsbehörden (NRB) bei <strong>der</strong><br />
Analyse <strong>der</strong> Märkte und <strong>der</strong> Wirksamkeit des Wettbewerbs<br />
nach dem neuen Rechtsrahmen <strong>für</strong> elektronische<br />
Kommunikationsnetze und -dienste zugrunde legen sollen.<br />
2. Dieser neue Rechtsrahmen umfasst fünf Richtlinien: die<br />
Richtlinie 2002/21/EG des Europäischen Parlaments und<br />
des Rates vom 7. März 2002 über einen gemeinsamen<br />
Rechtsrahmen <strong>für</strong> elektronische Kommunikationsnetze<br />
und -dienste ( 1 ) (nachstehend die „Rahmenrichtlinie“),<br />
die Richtlinie 2002/20/EG des Europäischen Parlaments<br />
und des Rates vom 7. März 2002 über die Genehmigung<br />
elektronischer Kommunikationsnetze und -dienste ( 2 )<br />
(nachstehend die „Genehmigungsrichtlinie“), die Richtlinie<br />
2002/19/EG des Europäischen Parlaments und des Rates<br />
vom 7. März 2002 über den Zugang zu <strong>elektronischen</strong><br />
Kommunikationsnetzen und zugehörigen Einrichtungen<br />
sowie <strong>der</strong>en Zusammenschaltung ( 3 ) (nachstehend die<br />
„Zugangsrichtlinie“), die Richtlinie 2002/22/EG des Europäischen<br />
Parlaments und des Rates vom 7. März 2002<br />
über den Universaldienst und Nutzerrechte bei <strong>elektronischen</strong><br />
Kommunikationsnetzen und -diensten ( 4 ) (nachstehend<br />
die „Universaldienstrichtlinie)“), eine Richtlinie<br />
des Europäischen Parlaments und des Rates über die Verarbeitung<br />
personenbezogener Daten und den Schutz <strong>der</strong><br />
Privatsphäre in <strong>der</strong> <strong>elektronischen</strong> Kommunikation ( 5 ). Bis<br />
zur formellen Verabschiedung <strong>der</strong> zuletzt genannten<br />
Richtlinie bleibt jedoch weiterhin die Richtlinie 97/66/EG<br />
des Europäischen Parlaments und des Rates über die Verarbeitung<br />
personenbezogener Daten und den Schutz <strong>der</strong><br />
Privatsphäre im Bereich <strong>der</strong> Telekommunikation ( 6 )<br />
(nachstehend die „Datenschutzrichtlinie“) maßgeblich.<br />
3. Nach dem Rechtsrahmen aus dem Jahr 1998 waren die<br />
Sparten <strong>der</strong> Telekommunikationsindustrie, die einer Exante-Regulierung<br />
unterlagen, in den einschlägigen Richtlinien<br />
definiert. Allerdings waren diese Märkte nicht im<br />
Einklang mit den Grundsätzen des Wettbewerbsrechts<br />
ermittelt worden. In Bezug auf diese aufgrund des Rechtsrahmens<br />
aus dem Jahr 1998 ermittelten Bereiche hatten<br />
die NRB die Befugnis, Unternehmen als Unternehmen mit<br />
beträchtlicher Marktmacht zu bezeichnen, sobald <strong>der</strong>en<br />
Marktanteil bei 25 % lag. Allerdings hatten sie die Möglichkeit,<br />
von diesem Schwellenwert abzuweichen, um verschiedenen<br />
an<strong>der</strong>en Faktoren Rechnung zu tragen (z. B.<br />
den Möglichkeiten des Unternehmens, den Markt zu beeinflussen,<br />
dem Umsatz des Unternehmens im Verhältnis<br />
zu <strong>der</strong> Größe des Marktes, seiner Kontrolle über die Zugangsmöglichkeiten<br />
<strong>für</strong> Endnutzer, seinem Zugang zu<br />
Finanzmitteln sowie seinen Erfahrungen in <strong>der</strong> Bereitstellung<br />
von Produkten und Diensten auf dem betreffenden<br />
Markt).<br />
(2002/C 165/03)<br />
(Text von Bedeutung <strong>für</strong> den EWR)<br />
<strong>Vorlesung</strong>smaterialien Seite 9<br />
4. Nach dem neuen Rechtsrahmen werden die zu regulierenden<br />
Märkte im Einklang mit den Grundsätzen des<br />
europäischen Wettbewerbsrecht ermittelt. Sie werden<br />
von <strong>der</strong> Kommission in ihrer Empfehlung über relevante<br />
Produkt- und Dienstmärkte gemäß Artikel 15 Absatz 1<br />
<strong>der</strong> Rahmenrichtlinie (nachstehend die „Empfehlung“) definiert.<br />
Sofern beson<strong>der</strong>e nationale Gegebenheiten dies<br />
rechtfertigen, können die NRB entsprechend den in den<br />
Artikeln 6 und 7 <strong>der</strong> Rahmenrichtlinie festgelegten Verfahren<br />
noch weitere Märkte definieren. Im Fall län<strong>der</strong>übergreifen<strong>der</strong><br />
Märkte, <strong>der</strong>en Merkmale eine Ex-ante-Regulierung<br />
rechtfertigen, legt diese die Kommission in einer<br />
Entscheidung über die relevanten län<strong>der</strong>übergreifenden<br />
Märkte gemäß Artikel 15 Absatz 4 <strong>der</strong> Rahmenrichtlinie<br />
fest (nachstehend die „Entscheidung über län<strong>der</strong>übergreifende<br />
Märkte“).<br />
5. In Bezug auf all diese Märkte werden die NRB Unternehmen<br />
nur dann Verpflichtungen auferlegen, sofern <strong>der</strong><br />
Wettbewerb auf diesen Märkten als nicht wirksam angesehen<br />
wird ( 7 ), da es Unternehmen mit einer <strong>der</strong> Beherrschung<br />
gleichkommenden Stellung im Sinne von Artikel<br />
82 EG-Vertrag ( 8 ) gibt. Der Begriff <strong>der</strong> beherrschenden<br />
Stellung wurde in <strong>der</strong> Rechtsprechung des Gerichtshofs<br />
als eine Situation wirtschaftlicher Stärke definiert, die es<br />
einem Unternehmen gestattet, sich in beträchtlichem Umfang<br />
unabhängig von Mitbewerbern, Kunden und letztlich<br />
Verbrauchern zu verhalten. Aus diesem Grund werden<br />
sich die Kommission und die NRB — im Gegensatz<br />
zum Rechtsrahmen aus dem Jahr 1998 — bei <strong>der</strong> Definition<br />
<strong>der</strong> Märkte, die einer Ex-ante-Regulierung unterworfen<br />
werden sollten, sowie bei <strong>der</strong> Bewertung, ob Unternehmen<br />
auf den betreffenden Märkten über beträchtliche<br />
Marktmacht verfügen, auf die Grundsätze und Verfahren<br />
des Wettbewerbsrechts stützen.<br />
6. Die Leitlinien sollen die NRB bei <strong>der</strong> Wahrnehmung ihrer<br />
neuen Verantwortung im Hinblick auf die Marktdefinition<br />
und die Feststellung von beträchtlicher Marktmacht unterstützen.<br />
Sie werden von <strong>der</strong> Kommission gemäß Artikel<br />
15 Absatz 2 <strong>der</strong> Rahmenrichtlinie unter weitestgehen<strong>der</strong><br />
Berücksichtigung <strong>der</strong> Ergebnisse einer Anhörung <strong>der</strong><br />
Öffentlichkeit und <strong>der</strong> nationalen Regulierungsbehörden<br />
veröffentlicht.<br />
7. Gemäß Artikel 15 Absatz 3 <strong>der</strong> Rahmenrichtlinie sollen<br />
die NRB diesen Leitlinien weitestgehend Rechnung tragen.<br />
Dies wird vor dem Hintergrund <strong>der</strong> politischen Ziele<br />
gemäß Artikel 8 <strong>der</strong> Rahmenrichtlinie ein entscheiden<strong>der</strong><br />
Faktor bei <strong>der</strong> Beurteilung <strong>der</strong> Rechtmäßigkeit und Verhältnismäßigkeit<br />
<strong>der</strong> von den NRB vorgeschlagenen Maßnahmen<br />
durch die Kommission sein.<br />
8. In den Leitlinien werden insbeson<strong>der</strong>e die folgenden Themen<br />
behandelt: a) Marktdefinition, b) Würdigung beträchtlicher<br />
Marktmacht, c) Feststellung von beträchtlicher<br />
Marktmacht und d) Verfahrensfragen im Zusammenhang<br />
mit den genannten Themen.
DE<br />
11.7.2002 Amtsblatt <strong>der</strong> Europäischen Gemeinschaften C 165/7<br />
9. Die Leitlinien sollen von den NRB angewandt werden<br />
— zur Festlegung <strong>der</strong> räumlichen Tragweite <strong>der</strong> in <strong>der</strong><br />
Empfehlung ermittelten Produktmärkte. Die NRB werden<br />
nicht die räumliche Tragweite län<strong>der</strong>übergreifen<strong>der</strong><br />
Märkte definieren, da diese durch eine eventuelle<br />
Entscheidung über län<strong>der</strong>übergreifende Märkte bestimmt<br />
werden wird;<br />
— zur Durchführung einer Marktanalyse hinsichtlich <strong>der</strong><br />
auf den in <strong>der</strong> Empfehlung und in <strong>der</strong> Entscheidung<br />
definierten Märkten sowie <strong>der</strong> auf den von den NRB<br />
ermittelten Märkten vorherrschenden Wettbewerbsbedingungen<br />
nach dem in Abschnitt 3 <strong>der</strong> Leitlinien<br />
dargelegten Verfahren;<br />
— zur Feststellung <strong>der</strong> von <strong>der</strong> Empfehlung nicht erfassten<br />
relevanten nationalen o<strong>der</strong> subnationalen Produktmärkte<br />
gemäß dem in den Artikeln 6 und 7 <strong>der</strong><br />
Rahmenrichtlinie genannten Verfahren, sofern dies<br />
durch beson<strong>der</strong>e einzelstaatliche Gegebenheiten zu<br />
rechtfertigen ist;<br />
— zur Feststellung von Unternehmen mit beträchtlicher<br />
Marktmacht in einem relevanten Markt (nach Durchführung<br />
einer Marktanalyse) und zur Auferlegung verhältnismäßiger<br />
Vorabverpflichtungen in Übereinstimmung<br />
mit den Vorschriften des Rechtsrahmens gemäß<br />
den Abschnitten 3 und 4 <strong>der</strong> Leitlinien;<br />
— zur Unterstützung <strong>der</strong> Mitgliedstaaten und <strong>der</strong> NRB<br />
bei <strong>der</strong> Anwendung von Artikel 11 Absatz 1 Buchstabe<br />
f) <strong>der</strong> Genehmigungsrichtlinie und Artikel 5<br />
Absatz 1 <strong>der</strong> Rahmenrichtlinie, um somit sicherzustellen,<br />
dass die Unternehmen ihrer Verpflichtung<br />
nachkommen, den NRB alle Informationen zur Verfügung<br />
zu stellen, die diese zur Feststellung relevanter<br />
Märkte und beträchtlicher Marktmacht benötigen;<br />
— zur Unterstützung <strong>der</strong> NRB beim Umgang mit vertraulichen<br />
Informationen von<br />
— Unternehmen aufgrund von Artikel 11 Absatz 1<br />
Buchstabe f) <strong>der</strong> Genehmigungsrichtlinie und Artikel<br />
5 Absatz 1 <strong>der</strong> Rahmenrichtlinie;<br />
— nationalen Wettbewerbsbehörden (NWB) im Rahmen<br />
<strong>der</strong> in Artikel 3 Absatz 5 <strong>der</strong> Rahmenrichtlinie<br />
vorgesehenen Zusammenarbeit und<br />
— <strong>der</strong> Kommission und einer NRB aus einem an<strong>der</strong>en<br />
Mitgliedstaat im Rahmen <strong>der</strong> in Artikel 5 Absatz<br />
2 <strong>der</strong> Rahmenrichtlinie vorgesehenen Zusammenarbeit.<br />
10. Die Leitlinien sind wie folgt geglie<strong>der</strong>t:<br />
Abschnitt 1 gibt eine Einführung sowie einen Überblick<br />
über die Hintergründe, die Tragweite und die Zielsetzungen<br />
sowie über den Inhalt <strong>der</strong> Leitlinien. In Abschnitt 2<br />
wird die Methode beschrieben, die von den NRB <strong>für</strong> die<br />
Definition <strong>der</strong> räumlichen Tragweite <strong>der</strong> in <strong>der</strong> Empfehlung<br />
genannten Märkte sowie <strong>für</strong> die Definition weiterer<br />
in dieser Empfehlung nicht genannter relevanter Märkte<br />
angewandt werden soll. In Abschnitt 3 werden die Kri-<br />
<strong>Vorlesung</strong>smaterialien Seite 10<br />
terien zur Würdigung von beträchtlicher Marktmacht in<br />
einem relevanten Markt dargelegt. In Abschnitt 4 werden<br />
die möglichen Schlussfolgerungen, zu denen die NRB<br />
im Rahmen ihrer Marktanalysen gelangen können, sowie<br />
die Maßnahmen aufgeführt, die diese Erkenntnisse nach<br />
sich ziehen können. Abschnitt 5 nennt die Untersuchungsbefugnisse<br />
<strong>der</strong> NRB, empfiehlt Verfahren <strong>für</strong><br />
die Koordinierung unter den NRB sowie den NRB und<br />
NWB und behandelt die Verfahren <strong>der</strong> Koordinierung<br />
und Zusammenarbeit zwischen den NRB und <strong>der</strong> Kommission.<br />
Abschnitt 6 befasst sich schließlich mit den<br />
öffentlichen Anhörungsverfahren und <strong>der</strong> Veröffentlichung<br />
<strong>der</strong> Entscheidungsvorschläge <strong>der</strong> NRB.<br />
11. Mit diesen Leitlinien soll vor allem eine einheitliche Anwendung<br />
des neuen Rechtsrahmens durch die NRB gewährleistet<br />
werden, insbeson<strong>der</strong>e im Hinblick auf die Ermittlung<br />
von Unternehmen mit beträchtlicher Marktmacht.<br />
12. Durch die Veröffentlichung dieser Leitlinien will die Kommission<br />
außerdem allen interessierten Kreisen und auf<br />
dem Markt <strong>für</strong> elektronische Kommunikation tätigen Unternehmen<br />
erklären, wie die NRB beträchtliche Marktmacht<br />
aufgrund <strong>der</strong> Rahmenrichtlinie würdigen werden.<br />
Auf diese Weise sollen Transparenz und Rechtssicherheit<br />
bei <strong>der</strong> Anwendung <strong>der</strong> bereichsspezifischen Rechtsvorschriften<br />
optimiert werden.<br />
13. Die Kommission wird diese Leitlinien im Bedarfsfall unter<br />
Berücksichtigung <strong>der</strong> Erfahrungen mit <strong>der</strong> Anwendung<br />
des Rechtsrahmens und <strong>der</strong> künftigen Entwicklungen infolge<br />
<strong>der</strong> Rechtsprechung des Gerichts erster Instanz und<br />
des Europäischen Gerichtshofs än<strong>der</strong>n.<br />
14. Die Rechte des Einzelnen bzw. <strong>der</strong> Unternehmen aufgrund<br />
des Gemeinschaftsrechts werden durch diese Leitlinien<br />
in keiner Weise eingeschränkt. Ebensowenig berühren<br />
die Leitlinien we<strong>der</strong> die Anwendung des Gemeinschaftsrechts,<br />
insbeson<strong>der</strong>e <strong>der</strong> Wettbewerbsregeln, durch<br />
die Kommission und die zuständigen nationalen Behörden<br />
noch <strong>der</strong>en Auslegung durch den Europäischen Gerichtshof<br />
und das Gericht erster Instanz. Auch bleiben<br />
durch diese Leitlinien alle künftigen Maßnahmen <strong>der</strong><br />
Kommission sowie alle Leitlinien unberührt, die die Kommission<br />
im Hinblick auf die Anwendung des europäischen<br />
Wettbewerbsrechts veröffentlicht.<br />
1.2 Bereichsspezifische Maßnahmen: Grundsätze und politische<br />
Ziele<br />
15. Die NRB tragen den in Artikel 8 Absätze 2, 3 und 4 <strong>der</strong><br />
Rahmenrichtlinie genannten politischen Zielen Rechnung.<br />
Dabei werden drei Kategorien unterschieden:<br />
— För<strong>der</strong>ung eines offenen und wettbewerbsfähigen<br />
Marktes <strong>für</strong> elektronische Kommunikationsnetze und<br />
-dienste sowie zugehörige Einrichtungen,<br />
— Entwicklung des Binnenmarkts und<br />
— För<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Interessen <strong>der</strong> europäischen Bürger.
DE<br />
C 165/8 Amtsblatt <strong>der</strong> Europäischen Gemeinschaften 11.7.2002<br />
16. Indem Unternehmen mit beträchtlicher Marktmacht Vorabverpflichtungen<br />
auferlegt werden, soll gewährleistet<br />
werden, dass die Unternehmen ihre Marktmacht nicht<br />
dazu verwenden können, den Wettbewerb auf dem relevanten<br />
Markt einzuschränken o<strong>der</strong> zu verzerren, und dass<br />
Marktmacht dieser Art nicht auf Nachbarmärkte übertragen<br />
werden kann.<br />
17. Solche Vorabverpflichtungen sollten nur auferlegt werden,<br />
wenn <strong>der</strong> in Frage stehende elektronische Kommunikationsmarkt<br />
Merkmale aufweist, die eine bereichsspezifische<br />
Regulierung rechtfertigen können, und die zuständige<br />
NRB einen o<strong>der</strong> mehrere Betreiber mit beträchtlicher<br />
Marktmacht ermittelt hat.<br />
18. Die Produkt- und Dienstmärkte, die Merkmale aufweisen,<br />
welche eine bereichsspezifische Regulierung rechtfertigen<br />
können, sind von <strong>der</strong> Kommission in ihrer Empfehlung<br />
definiert worden. Sofern aufgrund nationaler Gegebenheiten<br />
die Festlegung an<strong>der</strong>er relevanter Märkte gerechtfertigt<br />
ist, werden diese von den NRB entsprechend den<br />
Verfahren gemäß den Artikeln 6 und 7 <strong>der</strong> Rahmenrichtlinie<br />
ermittelt ( 9 ). Außerdem werden in Artikel 6 <strong>der</strong> Zugangsrichtlinie<br />
und in den Artikeln 18 und 19 <strong>der</strong> Universaldienstrichtlinie<br />
eine Reihe weiterer Märkte spezifiziert.<br />
19. Die NRB werden bei jedem dieser relevanten Märkte untersuchen,<br />
ob es einen wirksamen Wettbewerb gibt. Dabei<br />
kommt die Schlussfolgerung, dass auf einem relevanten<br />
Markt echter Wettbewerb herrscht, <strong>der</strong> Feststellung<br />
gleich, dass auf diesem Markt kein Betreiber allein o<strong>der</strong><br />
gemeinsam mit an<strong>der</strong>en eine beherrschende Stellung einnimmt.<br />
Aus diesem Grund wird <strong>für</strong> die Anwendung des<br />
neuen Rechtsrahmens wirksamer Wettbewerb dahin gehend<br />
definiert, dass es auf dem relevanten Markt kein<br />
Unternehmen gibt, das allein o<strong>der</strong> zusammen mit an<strong>der</strong>en<br />
eine individuelle o<strong>der</strong> gemeinsame beherrschende<br />
Stellung einnimmt. Kommen die NRB zu dem Schluss,<br />
dass es auf einem relevanten Markt keinen echten Wettbewerb<br />
gibt, werden sie die Unternehmen mit beträchtlicher<br />
Marktmacht auf diesem Markt ermitteln und ihnen<br />
gemäß Artikel 16 Absatz 4 <strong>der</strong> Rahmenrichtlinie entwe<strong>der</strong><br />
spezielle Verpflichtungen auferlegen o<strong>der</strong> solche bereits<br />
bestehenden Verpflichtungen aufrechterhalten o<strong>der</strong><br />
än<strong>der</strong>n.<br />
20. Bei <strong>der</strong> Durchführung <strong>der</strong> Marktanalyse nach Artikel 16<br />
<strong>der</strong> Rahmenrichtlinie werden die NRB den relevanten<br />
Markt vorausschauend und strukturell evaluieren, wobei<br />
sie sich auf die bestehenden Marktverhältnisse stützen.<br />
Die NRB sollten feststellen, ob <strong>der</strong> Markt potenziell wettbewerbsorientiert<br />
ist, ob also <strong>der</strong> fehlende echte Wettbewerb<br />
von Dauer sein wird ( 10 ), und dabei wahrscheinlichen<br />
o<strong>der</strong> voraussehbaren Marktentwicklungen innerhalb<br />
eines angemessenen Zeitraums Rechnung tragen.<br />
Dieser Zeitraum sollte unter Berücksichtigung <strong>der</strong> beson<strong>der</strong>en<br />
Merkmale des Marktes und des nächsten Termins<br />
<strong>für</strong> die Überprüfung des relevanten Marktes durch die<br />
zuständige NRB gewählt werden. Die NRB sollten <strong>für</strong><br />
ihre Analyse auch Daten früherer Untersuchungen heranziehen,<br />
sofern diese Daten <strong>für</strong> die Entwicklungen auf<br />
diesem Markt in absehbarer Zukunft relevant sind.<br />
<strong>Vorlesung</strong>smaterialien Seite 11<br />
21. Stellen die NRB fest, dass Unternehmen über beträchtliche<br />
Marktmacht verfügen, müssen sie diesen in Übereinstimmung<br />
mit den einschlägigen Richtlinien und unter<br />
Beachtung des Grundsatzes <strong>der</strong> Verhältnismäßigkeit eine<br />
o<strong>der</strong> mehrere Vorabverpflichtungen auferlegen. In Ausnahmefällen<br />
können die NRB gemäß Artikel 8 Absatz 3<br />
<strong>der</strong> Zugangsrichtlinie Verpflichtungen in Bezug auf Zugang<br />
und Zusammenschaltung auferlegen, die über die in<br />
<strong>der</strong> Zugangsrichtlinie vorgesehenen Maßnahmen hinausgehen.<br />
Voraussetzung ist, dass zuvor die Zustimmung <strong>der</strong><br />
Kommission eingeholt wurde.<br />
22. Bei <strong>der</strong> Ausübung ihrer Befugnisse gemäß den Artikeln<br />
15 und 16 <strong>der</strong> Rahmenrichtlinie verfügen die NRB aufgrund<br />
<strong>der</strong> komplizierten ineinan<strong>der</strong>greifenden Faktoren<br />
(wirtschaftlicher, sachlicher und rechtlicher Art), die bei<br />
<strong>der</strong> Definition relevanter Märkte und bei <strong>der</strong> Ermittlung<br />
von Unternehmen mit beträchtlicher Marktmacht gewürdigt<br />
werden müssen, über einen weitreichenden Ermessensspielraum.<br />
Dieser Ermessensspielraum unterliegt jedoch<br />
weiterhin den in den Artikeln 6 und 7 <strong>der</strong> Rahmenrichtlinie<br />
vorgesehenen Verfahren.<br />
23. Alle Entscheidungen, die die NRB in Anwendung <strong>der</strong><br />
Richtlinien erlassen, werden Folgen <strong>für</strong> die Entwicklung<br />
des Binnenmarkts haben. Um nachteilige Auswirkungen<br />
auf das Funktionieren des Binnenmarkts zu vermeiden,<br />
müssen die NRB <strong>für</strong> eine übereinstimmende Anwendung<br />
<strong>der</strong> Bestimmungen Sorge tragen, <strong>für</strong> die die vorliegenden<br />
Leitlinien erarbeitet wurden. Eine solche Übereinstimmung<br />
ist nur durch eine enge Koordinierung und Zusammenarbeit<br />
mit den an<strong>der</strong>en NRB, den NWB und <strong>der</strong><br />
Kommission möglich, wie in <strong>der</strong> Rahmenrichtlinie und<br />
in Abschnitt 5.3 dieser Leitlinien vorgesehen ist.<br />
1.3 Verhältnis zum Wettbewerbsrecht<br />
24. Nach dem Rechtsrahmen erfolgen die Marktdefinition<br />
und die Ermittlung von beträchtlicher Marktmacht entsprechend<br />
den Verfahren des Wettbewerbsrechts. Aus<br />
diesem Grund sollte die Definition <strong>der</strong> räumlichen Tragweite<br />
<strong>der</strong> Märkte, die in <strong>der</strong> Empfehlung angeführt werden,<br />
gegebenenfalls die Definition sachlich relevanter<br />
Märkte <strong>für</strong> Waren und Dienstleistungen (Produktmärkte),<br />
die in <strong>der</strong> Empfehlung nicht genannt werden, sowie die<br />
Beurteilung wirksamen Wettbewerbs durch die NRB entsprechend<br />
<strong>der</strong> wettbewerbsrechtlichen Rechtsprechung<br />
und Praxis vorgenommen werden. Um übereinstimmende<br />
Ansätze zu gewährleisten, beruhen die vorliegenden Leitlinien<br />
auf 1. <strong>der</strong> Rechtsprechung des Gerichts erster Instanz<br />
und des Europäischen Gerichtshofs, was die Marktdefinition<br />
und den Begriff <strong>der</strong> beherrschenden Stellung<br />
im Sinne des Artikels 82 EG-Vertrag und Artikel 2 <strong>der</strong><br />
Fusionskontrollverordnung ( 11 ) betrifft, 2. den „Leitlinien<br />
<strong>für</strong> die Anwendung <strong>der</strong> EG-Wettbewerbsregeln im Telekommunikationssektor“<br />
( 12 ), 3. <strong>der</strong> „Bekanntmachung <strong>der</strong><br />
Kommission über die Definition des relevanten Marktes<br />
im Sinne des Wettbewerbsrechts <strong>der</strong> Gemeinschaft“ ( 13 )<br />
(nachstehend die „Bekanntmachung über die Marktdefinition“)<br />
und 4. <strong>der</strong> „Mitteilung über die Anwendung <strong>der</strong><br />
Wettbewerbsregeln auf Zugangsvereinbarungen im Telekommunikationsbereich“<br />
( 14 ) (nachstehend die „Zugangsmitteilung“).
DE<br />
11.7.2002 Amtsblatt <strong>der</strong> Europäischen Gemeinschaften C 165/9<br />
25. Die Anwendung <strong>der</strong>selben Methoden gewährleistet nicht,<br />
dass die <strong>für</strong> die Zwecke einer bereichsspezifischen Regulierung<br />
definierten Märkte meistens den Marktdefinitionen<br />
<strong>für</strong> wettbewerbsrechtliche Zwecke entsprechen. In<br />
den meisten Fällen und aus den in Abschnitt 2 dieser<br />
Leitlinien genannten Gründen können sich die von <strong>der</strong><br />
Kommission und den Wettbewerbsbehörden <strong>für</strong> wettbewerbsrechtliche<br />
Zwecke definierten Märkte von denen<br />
<strong>der</strong> Empfehlung und <strong>der</strong> Entscheidung unterscheiden.<br />
Dies gilt auch <strong>für</strong> die Märkte, die von den NRB gemäß<br />
Artikel 15 Absatz 3 <strong>der</strong> Rahmenrichtlinie definiert wurden.<br />
Artikel 15 Absatz 1 <strong>der</strong> Rahmenrichtlinie macht<br />
klar, dass die Marktdefinitionen <strong>der</strong> NRB zum Zweck<br />
<strong>der</strong> Ex-ante-Regulierung die von den NWB und <strong>der</strong> Kommission<br />
in Ausübung ihrer Befugnisse <strong>für</strong> wettbewerbsrechtliche<br />
Zwecke verwendeten Marktdefinitionen unberührt<br />
lassen.<br />
26. Im Hinblick auf die Anwendung des gemeinschaftlichen<br />
Wettbewerbsrechts wird in <strong>der</strong> Bekanntmachung <strong>der</strong><br />
Kommission über die Marktdefinition erläutert, dass <strong>der</strong><br />
Begriff des relevanten Marktes eng mit den Zielen verbunden<br />
ist, die mit <strong>der</strong> Gemeinschaftspolitik verfolgt werden.<br />
Die Definition von Märkten vor dem Hintergrund<br />
<strong>der</strong> Artikel 81 und 82 EG-Vertrag erfolgt im Allgemeinen<br />
im Rahmen einer Ex-post-Betrachtung, d. h., bei <strong>der</strong> Analyse<br />
werden Ereignisse auf dem Markt berücksichtigt, die<br />
bereits stattgefunden haben und nicht mehr durch potenzielle<br />
künftige Entwicklungen beeinflusst werden können.<br />
Im Gegensatz dazu werden nach <strong>der</strong> EG-Fusionskontrollverordnung<br />
Märkte generell vorausschauend definiert.<br />
27. An<strong>der</strong>erseits werden Märkte, die <strong>für</strong> die Zwecke <strong>der</strong> bereichsspezifischen<br />
Regulierung definiert werden, stets vorausschauend<br />
bewertet, da die NRB die künftige Entwicklung<br />
des Marktes in ihre Bewertungen einbeziehen. Doch<br />
sollten die NRB bei ihren Marktanalysen zur Beurteilung<br />
<strong>der</strong> künftigen Aussichten <strong>für</strong> den einschlägigen Markt<br />
eventuelle bisherige Entwicklungen nicht unberücksichtigt<br />
lassen (vgl. nachstehenden Abschnitt 2). Ausgangspunkt<br />
<strong>für</strong> die Durchführung einer Marktanalyse <strong>für</strong> die Zwecke<br />
von Artikel 15 <strong>der</strong> Rahmenrichtlinie ist we<strong>der</strong> das Bestehen<br />
von Vereinbarungen zwischen Unternehmen o<strong>der</strong><br />
aufeinan<strong>der</strong> abgestimmter Verhaltensweisen im Sinne<br />
von Artikel 81 EG-Vertrag noch das Bestehen von Unternehmenszusammenschlüssen<br />
im Sinne <strong>der</strong> Fusionskontrollverordnung.<br />
Auch die Vermutung einer missbräuchlichen<br />
Ausnutzung einer beherrschenden Stellung im<br />
Sinne von Artikel 82 EG-Vertrag ist nicht maßgeblich.<br />
Ausschlaggebend ist vielmehr eine generelle vorausschauende<br />
Analyse <strong>der</strong> Struktur und des Funktionierens des in<br />
Frage stehenden Marktes. Obwohl die NRB und die Wettbewerbsbehörden<br />
im Prinzip zu denselben Schlussfolgerungen<br />
gelangen sollten, wenn sie dieselben Fälle unter<br />
denselben Umständen mit identischen Zielen untersuchen,<br />
kann nicht ausgeschlossen werden, dass — in<br />
Anbetracht <strong>der</strong> oben dargestellten Unterschiede und insbeson<strong>der</strong>e<br />
durch die weiter gefasste Bewertung durch die<br />
NRB — die <strong>für</strong> wettbewerbsrechtliche Zwecke definierten<br />
Märkte und die Märkte, die <strong>für</strong> eine bereichsspezifische<br />
Regulierung definiert werden, nicht immer identisch sind.<br />
<strong>Vorlesung</strong>smaterialien Seite 12<br />
28. Obwohl auch die Analysen in Bezug auf Unternehmenszusammenschlüsse<br />
ex ante vorgenommen werden, so<br />
werden sie nicht regelmäßig durchgeführt, wie dies<br />
nach dem neuen Rechtsrahmen bei den von den NRB<br />
durchzuführenden Analysen <strong>der</strong> Fall ist. Die Wettbewerbsbehörden<br />
haben in <strong>der</strong> Regel keine Gelegenheit,<br />
eine regelmäßige Überprüfung ihrer Entscheidungen vor<br />
dem Hintergrund <strong>der</strong> jüngsten Marktentwicklungen vorzunehmen.<br />
Die NRB sind dagegen nach Artikel 16 Absatz<br />
1 <strong>der</strong> Rahmenrichtlinie dazu verpflichtet, ihre Entscheidungen<br />
in regelmäßigen Abständen zu überprüfen.<br />
Dies kann einen erheblichen Einfluss auf den Umfang<br />
und die Reichweite <strong>der</strong> von den NRB durchgeführten<br />
Marktanalysen und die Bewertung <strong>der</strong> Wettbewerbssituation<br />
haben. Genau aus diesem Grund können sich die<br />
Marktdefinitionen, die nach dem neuen Rechtsrahmen<br />
festgelegt werden, selbst in vergleichbaren Bereichen in<br />
einigen Fällen von denen <strong>der</strong> Wettbewerbsbehörden unterscheiden.<br />
29. Es wird davon ausgegangen, dass Märkte, die nicht in <strong>der</strong><br />
Empfehlung genannt werden, keiner bereichsspezifischen<br />
Ex-ante-Regulierung bedürfen, es sei denn, die NRB ist in<br />
<strong>der</strong> Lage, die Regulierung eines weiteren o<strong>der</strong> an<strong>der</strong>en<br />
relevanten Markts nach dem in Artikel 7 <strong>der</strong> Rahmenrichtlinie<br />
festgelegten Verfahren zu begründen.<br />
30. Die Ermittlung eines Unternehmens, das auf einem <strong>für</strong><br />
eine Ex-ante-Regulierung definierten Markt über beträchtliche<br />
Macht verfügt, bedeutet nicht zwangsläufig, dass<br />
dieses Unternehmen eine beherrschende Stellung entsprechend<br />
Artikel 82 EG-Vertrag o<strong>der</strong> vergleichbarer einzelstaatlicher<br />
Bestimmungen einnimmt. Außerdem bedeutet<br />
die Feststellung von beträchtlicher Marktmacht noch<br />
nicht, dass das Unternehmen diese beherrschende Stellung<br />
im Sinne von Artikel 82 EG-Vertrag o<strong>der</strong> vergleichbarer<br />
nationaler wettbewerbsrechtlicher Bestimmungen<br />
missbräuchlich ausgenutzt hat. Es bedeutet lediglich,<br />
dass <strong>der</strong> Betreiber aus struktureller Sicht kurz- bis mittelfristig<br />
in <strong>der</strong> Lage ist und sein wird, auf dem relevanten<br />
Markt eine wirtschaftlich sostarke Stellung einzunehmen,<br />
dass er sich in beträchtlichem Umfang unabhängig von<br />
Mitbewerbern, Kunden und letztlich Verbrauchern verhalten<br />
kann, und dies ausschließlich im Sinne von Artikel<br />
14 <strong>der</strong> Rahmenrichtlinie.<br />
31. In <strong>der</strong> Praxis ist es durchaus möglich, dass es bei verschiedenen<br />
Fragen auf bestimmten Märkten zu parallelen<br />
Verfahren <strong>der</strong> Ex-ante-Regulierung und des Wettbewerbsrechts<br />
kommt ( 15 ). Die Wettbewerbsbehörden können zusätzlich<br />
zu den bereichsspezifischen Maßnahmen <strong>der</strong><br />
NRB eigene Marktanalysen durchführen und geeignete<br />
wettbewerbsrechtliche Instrumente anwenden. Dennoch<br />
ist festzuhalten, dass eine <strong>der</strong>artige parallele Anwendung<br />
von Rechtsinstrumenten durch unterschiedliche Behörden<br />
auf solchen Märkten unterschiedliche Fragen betreffen<br />
würden. Mit den Vorabverpflichtungen, die die NRB Unternehmen<br />
mit beträchtlicher Marktmacht auferlegen, sollen<br />
die speziellen Ziele <strong>der</strong> einschlägigen Richtlinien erreicht<br />
werden, wohingegen die wettbewerbsrechtlichen<br />
Instrumente darauf abzielen, Vereinbarungen zwischen<br />
Unternehmen bzw. die missbräuchliche Ausnutzung einer<br />
beherrschenden Stellung zu sanktionieren, die den Wettbewerb<br />
auf dem betreffenden Markt einschränken o<strong>der</strong><br />
verzerren.
DE<br />
C 165/10 Amtsblatt <strong>der</strong> Europäischen Gemeinschaften 11.7.2002<br />
32. In Bezug auf neu entstehende Märkte, auf denen <strong>der</strong><br />
Marktführer über einen beträchtlichen Marktanteil verfügen<br />
dürfte, wird in Erwägungsgrund 27 <strong>der</strong> Rahmenrichtlinie<br />
gesagt, dass diesem keine unangemessenen Verpflichtungen<br />
auferlegt werden sollten. Eine verfrühte Exante-Regulierung<br />
könnte die Wettbewerbsbedingungen<br />
auf einem neu entstehenden Markt unverhältnismäßig<br />
stark beeinflussen. Gleichzeitig sollte jedoch auf solchen<br />
neu entstehenden Märkten ein Wettbewerbsausschluss<br />
durch das führende Unternehmen verhin<strong>der</strong>t werden. Unbeschadet<br />
<strong>der</strong> Tatsache, dass eine Intervention <strong>der</strong> Wettbewerbsbehörden<br />
in Einzelfällen gerechtfertigt sein mag,<br />
sollten die NRB sicherstellen, dass sie jede Form einer<br />
frühen Ex-ante-Intervention auf einem neu entstehenden<br />
Markt begründen können, insbeson<strong>der</strong>e da sie im Rahmen<br />
<strong>der</strong> regelmäßigen Neubewertung <strong>der</strong> relevanten<br />
Märkte die Möglichkeit haben, auch noch zu einem späteren<br />
Zeitpunkt zu intervenieren.<br />
2. MARKTDEFINITION<br />
2.1 Einführung<br />
33. In den 1991 veröffentlichten Leitlinien ( 16 ) wies die Kommission<br />
wegen des raschen technologischen Wandels in<br />
einem Bereich wie <strong>der</strong> Telekommunikationsindustrie auf<br />
die Schwierigkeiten bei <strong>der</strong> Definition des relevanten<br />
Marktes hin. Diese Feststellung gilt, was das Geschäft<br />
mit <strong>der</strong> <strong>elektronischen</strong> Kommunikation betrifft, auch<br />
heute noch; allerdings hat die Kommission seit <strong>der</strong> Veröffentlichung<br />
<strong>der</strong> Leitlinien beachtliche Erfahrungen bei<br />
<strong>der</strong> Anwendung <strong>der</strong> Wettbewerbsregeln in <strong>der</strong> von ständiger<br />
technischer Verän<strong>der</strong>ung und von Innovation gekennzeichneten<br />
dynamischen Branche <strong>der</strong> <strong>elektronischen</strong><br />
Kommunikation gesammelt, da sie die Aufgabe hatte, in<br />
diesem Wirtschaftszweig den Übergang von monopolistischen<br />
zu wettbewerblichen Verhältnissen zu überwachen.<br />
In den vorliegenden Leitlinien soll jedoch nicht die Anwendung<br />
<strong>der</strong> Wettbewerbsregeln im <strong>elektronischen</strong> Kommunikationssektor<br />
generell erklärt, son<strong>der</strong>n sollen vielmehr<br />
einzelne Fragen im Zusammenhang mit 1. <strong>der</strong><br />
Marktdefinition und 2. <strong>der</strong> Bewertung beträchtlicher<br />
Marktmacht im Sinne des Artikels 14 <strong>der</strong> Rahmenrichtlinie<br />
behandelt werden.<br />
34. Bei <strong>der</strong> Feststellung, ob ein Unternehmen über beträchtliche<br />
Marktmacht verfügt, ob es also „eine wirtschaftlich<br />
starke Stellung einnimmt, die es ihm gestattet, sich in<br />
beträchtlichem Umfang unabhängig von Mitbewerbern,<br />
Kunden und letztlich Verbrauchern zu verhalten“ ( 17 ), ist<br />
die Definition des relevanten Marktes von grundlegen<strong>der</strong><br />
Bedeutung, da echter Wettbewerb nur unter Bezugnahme<br />
auf einen solchen relevanten Markt gewürdigt werden<br />
kann ( 18 ). Der Begriff des „relevanten Marktes“ setzt die<br />
Beschreibung <strong>der</strong> Produkte voraus, die diesen Markt ausmachen,<br />
sowie die Abgrenzung <strong>der</strong> räumlichen Tragweite<br />
dieses Marktes (<strong>der</strong> Begriff „Produkte“ umfasst in diesem<br />
Text sowohl Waren als auch Dienstleistungen). Hier ist<br />
daran zu erinnern, dass die aufgrund des Rechtsrahmens<br />
aus dem Jahr 1998 ermittelten relevanten Märkte nicht<br />
gleichbedeutend mit den <strong>für</strong> wettbewerbsrechtliche Zwecke<br />
ermittelten Märkten waren, da bei ersteren bestimmte<br />
Aspekte <strong>der</strong> lückenlosen Kommunikation und nicht die in<br />
wettbewerbsrechtlichen Untersuchungen verwendeten<br />
Kriterien des Angebots und <strong>der</strong> Nachfrage ausschlaggebend<br />
waren ( 19 ).<br />
<strong>Vorlesung</strong>smaterialien Seite 13<br />
35. Einen Markt zu definieren, ist kein automatischer o<strong>der</strong><br />
abstrakter Vorgang; um einen Markt abzugrenzen, müssen<br />
alle Beweise bisherigen Marktverhaltens untersucht<br />
und die Mechanismen in einem bestimmten Wirtschaftszweig<br />
generell begriffen werden. Für eine vorausschauende<br />
Marktanalyse ist ein dynamischer, kein statischer<br />
Ansatz erfor<strong>der</strong>lich ( 20 ). Insofern werden alle bei <strong>der</strong> Anwendung<br />
<strong>der</strong> Wettbewerbsregeln im Telekommunikationssektor<br />
von den NRB, den NWB o<strong>der</strong> <strong>der</strong> Kommission<br />
gemachten Erfahrungen <strong>für</strong> die Anwendung des Artikels<br />
15 <strong>der</strong> Rahmenrichtlinie sicherlich beson<strong>der</strong>s wertvoll<br />
sein. Alle Informationen und Feststellungen sowie Untersuchungen<br />
o<strong>der</strong> Berichte, die von den NRB (o<strong>der</strong> den<br />
NWB) bei <strong>der</strong> Untersuchung <strong>der</strong> Wettbewerbsbedingungen<br />
in den Telekommunikationsmärkten in Auftrag gegeben<br />
o<strong>der</strong> herangezogen wurden, sollten (vorausgesetzt<br />
natürlich, dass sich die Marktbedingungen seither nicht<br />
geän<strong>der</strong>t haben) Ausgangspunkt <strong>für</strong> die Anwendung des<br />
Artikels 15 <strong>der</strong> Rahmenrichtlinie und die Durchführung<br />
einer vorausschauenden Marktanalyse sein ( 21 ).<br />
36. Die wichtigsten Produktmärkte, die Merkmale aufweisen,<br />
welche die Auferlegung von Vorabverpflichtungen rechtfertigen<br />
könnten, werden in <strong>der</strong> Empfehlung ermittelt, die<br />
die Kommission aufgrund von Artikel 15 Absatz 1 <strong>der</strong><br />
Rahmenrichtlinie annehmen muss, sowie in einer eventuellen<br />
Entscheidung über län<strong>der</strong>übergreifende Märkte, die<br />
die Kommission aufgrund von Artikel 15 Absatz 4 <strong>der</strong><br />
Rahmenrichtlinie verabschieden kann. Aus diesem Grund<br />
wird die Aufgabe <strong>der</strong> NRB in <strong>der</strong> Praxis in <strong>der</strong> Regel<br />
darin bestehen, die geografische Tragweite <strong>der</strong> relevanten<br />
Märkte zu bestimmen, auch wenn sie aufgrund von Artikel<br />
15 Absatz 3 <strong>der</strong> Rahmenrichtlinie die Möglichkeit<br />
haben werden, im Einklang mit Artikel 7 <strong>der</strong> Rahmenrichtlinie<br />
an<strong>der</strong>e Märkte als die in <strong>der</strong> vorerwähnten<br />
Empfehlung zu definieren (siehe Abschnitt 6).<br />
37. Obwohl eine vorausschauende Analyse <strong>der</strong> Marktbedingungen<br />
in manchen Fällen zu einer an<strong>der</strong>en Marktdefinition<br />
als <strong>der</strong>jenigen führen kann, die aus einer Marktanalyse<br />
unter Zugrundelegung des bisherigen Verhaltens<br />
resultiert ( 22 ), sollten sich die NRB nach Möglichkeit um<br />
Übereinstimmung zwischen <strong>der</strong> zum Zweck <strong>der</strong> Auferlegung<br />
von Vorabverpflichtungen und <strong>der</strong> zum Zweck <strong>der</strong><br />
Anwendung <strong>der</strong> Wettbewerbsregeln erarbeiteten Marktdefinitionen<br />
bemühen. Nichtsdestotrotz werden die im<br />
Rahmen einer bereichsspezifischen Regulierung definierten<br />
Märkte — wie in Artikel 15 Absatz 1 <strong>der</strong> Rahmenrichtlinie<br />
und Abschnitt 1 <strong>der</strong> Leitlinien dargelegt — unbeschadet<br />
<strong>der</strong> Märkte ermittelt, die in bestimmten Fällen<br />
nach dem Wettbewerbsrecht definiert werden können.<br />
2.2 Hauptkriterien <strong>für</strong> die Definition des relevanten Marktes<br />
38. Inwieweit das Angebot eines Produkts in Form einer<br />
Ware o<strong>der</strong> einer Dienstleistung in einem bestimmten geografischen<br />
Gebiet den relevanten Markt darstellt, hängt<br />
von den Wettbewerbskräften ab, die das Preisverhalten<br />
<strong>der</strong> jeweiligen Hersteller o<strong>der</strong> Dienstleistungserbringer be-
DE<br />
11.7.2002 Amtsblatt <strong>der</strong> Europäischen Gemeinschaften C 165/11<br />
einflussen können. Bei <strong>der</strong> Beurteilung des Marktverhaltens<br />
von Unternehmen sind zwei wesentliche Wettbewerbskräfte<br />
zu berücksichtigen: 1. die Austauschbarkeit<br />
auf <strong>der</strong> Nachfrageseite und 2. die Angebotsumstellungsflexibilität.<br />
Eine dritte Wettbewerbskraft, die das Verhalten<br />
eines Betreibers beeinflussen kann, ist potenzieller<br />
Wettbewerb. Der Unterschied zwischen potenziellem<br />
Wettbewerb und Angebotsumstellungsflexibilität liegt darin,<br />
dass Letztere sofort auf eine Preiserhöhung reagiert,<br />
wohingegen potenzielle Markteinsteiger u. U. mehr Zeit<br />
benötigen, um ihr Angebot auf den Markt zu bringen.<br />
Angebotssubstituierbarkeit impliziert keine spürbaren Zusatzkosten,<br />
während ein potenzieller Markteintritt nur zu<br />
erheblich gesunkenen Kosten stattfindet ( 23 ). Die Frage, ob<br />
potenzieller Wettbewerb besteht, sollte daher untersucht<br />
werden, um festzustellen, ob in einem Markt echter Wettbewerb<br />
im Sinne <strong>der</strong> Rahmenrichtlinie besteht, ob also<br />
Unternehmen mit beträchtlicher Marktmacht vorhanden<br />
sind ( 24 ).<br />
39. Die Austauschbarkeit auf <strong>der</strong> Nachfrageseite ist ein Faktor,<br />
anhand dessen festgestellt wird, inwieweit die Verbraucher<br />
bereit sind, das fragliche Produkt durch an<strong>der</strong>e<br />
Produkte zu ersetzen ( 25 ), während die Angebotsumstellungsflexibilität<br />
besagt, ob an<strong>der</strong>e Anbieter als die des<br />
fraglichen Produkts o<strong>der</strong> Dienstes direkt o<strong>der</strong> kurzfristig<br />
bereit wären, ihre Produktion umzustellen bzw. die relevanten<br />
Produkte anzubieten, ohne dass erhebliche Zusatzkosten<br />
<strong>für</strong> sie entstehen.<br />
40. Ob Austauschbarkeit auf <strong>der</strong> Nachfrageseite o<strong>der</strong> Angebotsumstellungsflexibilität<br />
besteht, kann anhand des „hypothetischen<br />
Monopolistentests“ festgestellt werden ( 26 ).<br />
Bei diesem Test sollte sich die NRB die Frage stellen,<br />
was geschähe, wenn sich eine kleine, aber signifikante<br />
und anhaltende Preiserhöhung bei einem bestimmten<br />
Produkt ereignen würde und die Preise sämtlicher an<strong>der</strong>en<br />
Produkte konstant blieben (nachstehend „relative<br />
Preiserhöhung“). Ob eine Preiserhöhung signifikant ist,<br />
wird von jedem Einzelfall abhängen. In <strong>der</strong> Praxis sollten<br />
die NRB generell von den Auswirkungen einer Preiserhöhung<br />
von 5 bis 10 % ausgehen ( 27 ). Die Reaktion <strong>der</strong><br />
Verbraucher und Unternehmen wird erkennen lassen,<br />
ob substituierbare Produkte bestehen, und wenn ja, wie<br />
<strong>der</strong> relevante Produktmarkt abgegrenzt werden sollte ( 28 ).<br />
41. Zunächst sollten die NRB diesen Test auf ein in einem<br />
bestimmten geografischen Gebiet angebotenes elektronisches<br />
Kommunikationsprodukt anwenden, dessen<br />
Merkmale die Auferlegung von Verpflichtungen rechtfertigen<br />
könnten; anschließend sollten weitere Produkte o<strong>der</strong><br />
Gebiete in den Test einbezogen werden, je nachdem, ob<br />
von diesen Produkten o<strong>der</strong> Gebieten ein Wettbewerb ausgeht,<br />
<strong>der</strong> sich auf den Preis des anfangs untersuchten<br />
Produkts auswirkt. Da eine relative Preiserhöhung bei<br />
einer Produktreihe ( 29 ) voraussichtlich einen gewissen<br />
Umsatzrückgang zur Folge hat, muss vor allem untersucht<br />
werden, ob dieser Umsatzrückgang die erhöhten<br />
Gewinne, die durch die Preiserhöhung aus den Verkäufen<br />
erzielt worden wären, aufwiegt. Die Bewertung <strong>der</strong> Nachfragesubstituierbarkeit<br />
und <strong>der</strong> Angebotsumstellungsflexi-<br />
<strong>Vorlesung</strong>smaterialien Seite 14<br />
bilität bietet eine Möglichkeit, die voraussichtlichen Umsatzeinbußen<br />
zu messen und somit die Tragweite des<br />
relevanten Marktes zu ermitteln.<br />
42. Der „hypothetische Monopolistentest“ hat grundsätzlich<br />
nur bei Produkten einen Sinn, bei denen die Preise nicht<br />
reglementiert, son<strong>der</strong>n frei festgesetzt werden. Es wird<br />
alsodavon ausgegangen, dass die aktuellen Preise dem<br />
Wettbewerb Rechnung tragen. Wird jedoch ein Produkt<br />
zu einem reglementierten, kostenabhängigen Preis angeboten,<br />
wird — sofern keine gegenteiligen Anzeichen vorliegen<br />
— angenommen, dass dieser Preis <strong>der</strong> unter normalen<br />
Wettbewerbsbedingungen praktizierte Preis wäre,<br />
von dem also bei <strong>der</strong> Anwendung des „hypothetischen<br />
Monopolistentests“ ausgegangen werden sollte ( 30 ). Ist die<br />
Nachfrageelastizität bei einem bestimmten Produkt sogar<br />
bei relativ konkurrenzfähigen Preisen beträchtlich, so verfügt<br />
das fragliche Unternehmen theoretisch über keine<br />
Marktmacht. Ist jedoch die Elastizität sogar bei den aktuellen<br />
Marktpreisen hoch, bedeutet dies lediglich, dass<br />
das fragliche Unternehmen seine Marktmacht bereits so<br />
weit ausgenutzt hat, dass weitere Preiserhöhungen nicht<br />
mehr gewinnbringend sind. Wird in diesem Fall <strong>der</strong> „hypothetische<br />
Monopolistentest“ angewandt, so kann dies<br />
zu einer an<strong>der</strong>en Marktdefinition führen, als wenn von<br />
Wettbewerbspreisen ausgegangen würde ( 31 ). Aus diesem<br />
Grund muss diesem möglichen Problem bei je<strong>der</strong> Bewertung<br />
<strong>der</strong> Marktdefinition Rechnung getragen werden. Die<br />
NRB sollten jedoch von <strong>der</strong> Annahme ausgehen, dass das<br />
vorherrschende Preisniveau einen geeigneten Ausgangspunkt<br />
<strong>für</strong> die diesbezügliche Analyse bietet, sofern keine<br />
Anhaltspunkte da<strong>für</strong> vorliegen, dass dies nicht <strong>der</strong> Fall ist.<br />
43. Wenn sich eine NRB entscheidet, auf den „hypothetischen<br />
Monopolistentest“ zurückzugreifen, so sollte dieser bis zu<br />
dem Punkt angewandt werden, wonachgewiesen werden<br />
kann, dass eine relative Preiserhöhung innerhalb <strong>der</strong><br />
räumlich und sachlich relevanten Märkte die Verbraucher<br />
nicht dazu bewegen wird, auf an<strong>der</strong>e schnell verfügbare<br />
Produkte überzuwechseln o<strong>der</strong> sich an Anbieter in an<strong>der</strong>en<br />
geografischen Gebieten zu wenden.<br />
2.2.1 Sachlich relevanter Markt<br />
44. Der ständigen Rechtsprechung zufolge gehören zu dem<br />
sachlich relevanten Markt sämtliche Produkte (Waren<br />
o<strong>der</strong> Dienstleistungen), die hinreichend austausch- bzw.<br />
substituierbar sind, und zwar nicht nur wegen ihrer objektiven<br />
Merkmale, <strong>der</strong>entwegen sie anhaltenden Konsumbedürfnissen,<br />
den Preisen und/o<strong>der</strong> ihrem Zweck gerecht<br />
werden, son<strong>der</strong>n auch wegen <strong>der</strong> Wettbewerbsbedingungen<br />
und/o<strong>der</strong> <strong>der</strong> Struktur von Angebot und<br />
Nachfrage auf dem betreffenden Markt ( 32 ). Produkte,<br />
die nur in geringem Maß o<strong>der</strong> relativ austauschbar sind,<br />
gehören nicht demselben Markt an ( 33 ). Die NRB sollten<br />
alsomit <strong>der</strong> Definition des sachlich relevanten Markts<br />
beginnen, indem sie alle Produkte zusammenfassen, die<br />
von den Verbrauchern <strong>für</strong> denselben Zweck (Endzweck)<br />
verwendet werden.
DE<br />
C 165/12 Amtsblatt <strong>der</strong> Europäischen Gemeinschaften 11.7.2002<br />
45. Auch wenn <strong>der</strong> Endzweck eines Produkts unmittelbar<br />
von physischen Merkmalen abhängt, können doch unterschiedliche<br />
Arten von Produkten <strong>für</strong> denselben Zweck<br />
verwendet werden. Beispielsweise kann unterschiedliche<br />
Infrastruktur wie Kabel- und Satellitenverbindungen <strong>für</strong><br />
denselben Zweck verwendet werden, insbeson<strong>der</strong>e <strong>für</strong><br />
den Zugang zum Internet. Hier können alsobeide Übertragungswege<br />
(Kabel und Satellit) demselben Produktmarkt<br />
zugerechnet werden. Funkruf- und Sprachtelefondienste,<br />
die anscheinend dieselbe Dienstleistung erbringen<br />
können, nämlich den Austausch von Kurznachrichten,<br />
können hingegen wegen <strong>der</strong> unterschiedlichen Verbrauchervorstellungen<br />
von Leistung und Endzweck unterschiedlichen<br />
Produktmärkten zugeordnet werden.<br />
46. Unterschiedliche Preisgestaltungsmodelle und Angebote<br />
<strong>für</strong> ein bestimmtes Produkt lassen außerdem auf unterschiedliche<br />
Verbrauchergruppen schließen. Die NRB können<br />
daher bei <strong>der</strong> Untersuchung <strong>der</strong> Preise <strong>für</strong> eigentlich<br />
denselben Dienst geson<strong>der</strong>te Märkte <strong>für</strong> Geschäfts- und<br />
<strong>für</strong> Privatkunden ermitteln. Die Möglichkeit <strong>der</strong> Anbieter<br />
internationaler elektronischer Kommunikationsdienste an<br />
Endverbraucher, gegenüber Privat- und Geschäftskunden<br />
unterschiedliche Preise und Rabatte anzuwenden, hat z. B.<br />
die Kommission zu <strong>der</strong> Feststellung veranlasst, dass diese<br />
beiden Gruppen separate Märkte bilden (siehe unten). Um<br />
Produkte als Nachfragesubstitute zu betrachten, müssen<br />
sie jedoch nicht unbedingt zum selben Preis angeboten<br />
werden. Ein Produkt geringer Qualität, das zu einem<br />
niedrigen Preis angeboten wird, kann sehr wohl ein echtes<br />
Substitut <strong>für</strong> ein Produkt höherer Qualität sein, das zu<br />
einem höheren Preis verkauft wird. In diesem Fall kommt<br />
es auf die voraussichtliche Reaktion <strong>der</strong> Verbraucher auf<br />
eine relative Preiserhöhung an ( 34 ).<br />
47. Im Übrigen werden aufgrund <strong>der</strong> technologischen Konvergenz<br />
verschiedene elektronische Kommunikationsdienste<br />
in zunehmendem Maß austauschbar sein. Die<br />
Verwendung von Digitalsystemen hat zur Folge, dass<br />
sich die Leistungsfähigkeit und die Merkmale <strong>der</strong> mit<br />
unterschiedlichen Technologien operierenden Netzdienste<br />
immer stärker ähneln. Ein paketvermitteltes Netz wie Internet<br />
kann z. B. in Konkurrenz zu den herkömmlichen<br />
Sprachtelefondiensten zur Übertragung digitaler Sprachsignale<br />
verwendet werden ( 35 ).<br />
48. Zur Abrundung <strong>der</strong> Marktanalyse sollte die NRB daher<br />
im Rahmen des hypothetischen Monopolistentests abgesehen<br />
von den Produkten, die aufgrund objektiver Merkmale,<br />
<strong>der</strong> Preise und des Verwendungszwecks hinreichend<br />
austauschbar sind, auch gegebenenfalls die Voraussetzungen<br />
<strong>für</strong> Nachfrage- und Angebotssubstituierbarkeit untersuchen.<br />
2.2.1.1 Austauschbarkeit auf <strong>der</strong> Nachfrageseite<br />
49. Die NRB können anhand <strong>der</strong> Nachfragesubstituierbarkeit<br />
feststellen, welche Produkte o<strong>der</strong> Produktreihen, auf die<br />
die Verbraucher ohne weiteres bei relativen Preiserhöhungen<br />
überwechseln könnten, austauschbar sind. Bei <strong>der</strong><br />
Feststellung, ob Nachfragesubstituierbarkeit besteht, sollten<br />
sich die NRB auf alle Beweise aufgrund früheren Ver-<br />
<strong>Vorlesung</strong>smaterialien Seite 15<br />
braucherverhaltens stützen. Sind Daten verfügbar, sollten<br />
die NRB die Preisschwankungen bei potenziellen Konkurrenzerzeugnissen,<br />
alle Preisbewegungen und wichtigen<br />
Tarifinformationen untersuchen. Ist nachgewiesen, dass<br />
die Verbraucher bei früheren Preisverän<strong>der</strong>ungen schnell<br />
zu an<strong>der</strong>en Produkten übergegangen sind, so sollte diese<br />
Tatsache gebührend berücksichtigt werden. Sollten <strong>der</strong>artige<br />
Belege fehlen, somüssen die NRB in gegebenem<br />
Fall die voraussichtliche Reaktion <strong>der</strong> Verbraucher und<br />
<strong>der</strong> Anbieter auf eine relative Preiserhöhung des in Frage<br />
stehenden Produkts untersuchen und bewerten.<br />
50. Die Möglichkeit <strong>für</strong> den Verbraucher, ein Produkt wegen<br />
einer kleinen, aber signifikanten und anhaltenden Preiserhöhung<br />
durch eine Alternative zu ersetzen, kann jedoch<br />
durch erhebliche Kosten beeinträchtigt werden. Verbraucher,<br />
die in Technologie investiert o<strong>der</strong> an<strong>der</strong>e notwendige<br />
Investitionen vorgenommen haben, um ein Produkt<br />
in Anspruch nehmen zu können, sind vielleicht<br />
nicht bereit, die beim Wechsel zu einem austauschbaren<br />
Produkt anfallenden zusätzlichen Kosten auf sich zu nehmen.<br />
Außerdem können Kunden durch langfristige Verträge<br />
o<strong>der</strong> prohibitiv hohe Kosten beim Wechsel von<br />
Endgeräten die Hände gebunden sein. In einer Situation<br />
also, in <strong>der</strong> <strong>für</strong> den Endnutzer erhebliche Kosten entstehen,<br />
wenn er das Produkt A durch das Produkt B ersetzen<br />
will, sollten diese beiden Produkte nicht in ein und<br />
denselben relevanten Markt einbezogen werden ( 36 ).<br />
51. Die Nachfragesubstituierbarkeit kreist um den austauschbaren<br />
Charakter von Produkten aus Sicht des Käufers. Für<br />
eine saubere Abgrenzung des Produktmarkts kann es allerdings<br />
erfor<strong>der</strong>lich sein, auch die potenzielle Angebotsumstellungsflexibilität<br />
zu untersuchen.<br />
2.2.1.2 Angebotsumstellungsflexibilität<br />
52. Bei <strong>der</strong> Würdigung <strong>der</strong> Angebotsumstellungsflexibilität<br />
können die NRB auch mit <strong>der</strong> Wahrscheinlichkeit rechnen,<br />
dass bisher in dem relevanten Produktmarkt noch<br />
nicht tätige Unternehmen innerhalb eines angemessenen<br />
Zeitraums ( 37 ) infolge einer relativen Preiserhöhung, d. h.<br />
einer kleinen, aber signifikanten und anhaltenden Preiserhöhung,<br />
in den Markt eintreten wollen. Sind die Gesamtkosten<br />
<strong>für</strong> die Umstellung <strong>der</strong> Produktion auf das<br />
fragliche Produkt nicht beson<strong>der</strong>s hoch, dann kann dieses<br />
Produkt in die Produktmarktdefinition einbezogen werden.<br />
Die Tatsache, dass ein Konkurrenzunternehmen<br />
über bestimmte Aktiva verfügt, die <strong>für</strong> das Angebot eines<br />
bestimmten Produkts erfor<strong>der</strong>lich sind, ist unerheblich,<br />
sofern beträchtliche zusätzliche Investitionen notwendig<br />
sind, um das in Rede stehende Produkt zu vermarkten<br />
und gewinnbringend anzubieten ( 38 ). Außerdem müssen<br />
die NRB feststellen, ob ein bestimmter Anbieter tatsächlich<br />
seine Produktionsmittel <strong>für</strong> die Herstellung des relevanten<br />
Produkts verwenden o<strong>der</strong> umstellen würde (ob<br />
seine Kapazität z. B. aufgrund langfristiger Liefervereinbarungen<br />
ausgelastet ist usw.). Eine rein hypothetische<br />
Angebotsumstellungsflexibilität reicht <strong>für</strong> die Marktdefinition<br />
nicht aus.
DE<br />
11.7.2002 Amtsblatt <strong>der</strong> Europäischen Gemeinschaften C 165/13<br />
53. Außerdem sollten alle Anfor<strong>der</strong>ungen, die sich aus<br />
Rechts- und Verwaltungsvorschriften ergeben, berücksichtigt<br />
werden, da diese einen rechtzeitigen Eintritt in den<br />
relevanten Markt verhin<strong>der</strong>n und folglich die Umstellungsbereitschaft<br />
beeinträchtigen könnten. Verzögerungen<br />
und Hin<strong>der</strong>nisse beim Abschluss von Zusammenschaltungs-<br />
o<strong>der</strong> Kolokationsvereinbarungen, bei <strong>der</strong> Aushandlung<br />
an<strong>der</strong>er Formen des Netzzugangs o<strong>der</strong> beim<br />
Erhalt von Wegerechten <strong>für</strong> eine Netzerweiterung ( 39 )<br />
können z. B. <strong>der</strong> Erbringung neuer Dienste und <strong>der</strong> Errichtung<br />
neuer Netze durch potenzielle Wettbewerber<br />
zunächst einmal im Wege stehen.<br />
54. Hieraus ergibt sich, dass die Angebotsumstellungsflexibilität<br />
nicht nur dazu dient, den relevanten Markt zu definieren,<br />
son<strong>der</strong>n auch die Zahl <strong>der</strong> Marktteilnehmer zu<br />
ermitteln.<br />
2.2.2 Räumlich relevanter Markt<br />
55. Im Anschluss an die Definition des sachlich relevanten<br />
Markts (Produktmarkt) geht es darum, den geografischen<br />
Markt abzugrenzen. Erst wenn die räumliche Dimension<br />
des Produktmarkts bekannt ist, können die NRB die Bedingungen<br />
<strong>für</strong> einen echten Wettbewerb auf dem betreffenden<br />
Markt ordnungsgemäß würdigen.<br />
56. Nach ständiger Rechtsprechung umfasst <strong>der</strong> räumlich relevante<br />
Markt ein Gebiet, in dem die Unternehmen bei<br />
den relevanten Produkten an Angebot und Nachfrage<br />
beteiligt sind und die Wettbewerbsbedingungen einan<strong>der</strong><br />
gleichen o<strong>der</strong> hinreichend homogen sind und von Nachbargebieten<br />
unterschieden werden können, in denen erheblich<br />
an<strong>der</strong>e Wettbewerbsbedingungen bestehen ( 40 ).<br />
Für die Definition des geografischen Marktes ist es nicht<br />
erfor<strong>der</strong>lich, dass die Wettbewerbsbedingungen zwischen<br />
Anbietern und Händlern vollkommen homogen sind. Es<br />
reicht aus, dass diese Bedingungen einan<strong>der</strong> gleichen o<strong>der</strong><br />
hinreichend homogen sind. Somit können nur Gebiete, in<br />
denen die objektiven Wettbewerbsbedingungen „heterogen“<br />
sind, nicht als einheitlicher Markt angesehen werden<br />
( 41 ).<br />
57. Die Abgrenzung des räumlich relevanten Marktes erfolgt<br />
in <strong>der</strong>selben Weise wie die Würdigung <strong>der</strong> Nachfrageund<br />
Angebotssubstituierbarkeit als Reaktion auf eine relative<br />
Preiserhöhung.<br />
58. Was daher die Nachfragesubstituierbarkeit betrifft, sosollten<br />
die NRB vor allem die Präferenzen <strong>der</strong> Verbraucher<br />
sowie <strong>der</strong>en geografische Kaufgewohnheiten untersuchen.<br />
Denn es können insbeson<strong>der</strong>e sprachliche Gründe sein,<br />
wenn bestimmte Dienste nicht in verschiedenen Sprachgebieten<br />
verfügbar sind o<strong>der</strong> vermarktet werden. Was die<br />
Angebotsumstellungsflexibilität betrifft, so sollte die<br />
Marktdefinition, wenn Betreiber, die gegenwärtig auf<br />
dem relevanten Markt noch nicht tätig o<strong>der</strong> präsent sind,<br />
nachweislich aber bei einer relativen Preiserhöhung<br />
schnell in diesen Markt eintreten werden, auf diese „Outsi<strong>der</strong>“<br />
ausgedehnt werden.<br />
<strong>Vorlesung</strong>smaterialien Seite 16<br />
59. Im Bereich <strong>der</strong> <strong>elektronischen</strong> Kommunikation ist <strong>der</strong><br />
räumlich relevante Markt bisher aufgrund von zwei wesentlichen<br />
Kriterien bestimmt worden ( 42 ):<br />
a) dem von einem Netz erfassten Gebiet ( 43 ) und<br />
b) den bestehenden Rechts- und an<strong>der</strong>en Verwaltungsinstrumenten<br />
( 44 ).<br />
60. Anhand dieser beiden wesentlichen Kriterien ( 45 ) können<br />
die geografischen Märkte als lokal, regional, national o<strong>der</strong><br />
län<strong>der</strong>übergreifend <strong>für</strong> Gebiete, die sich auf zwei o<strong>der</strong><br />
mehrere Län<strong>der</strong> erstrecken, bezeichnet werden (z. B. paneuropäische,<br />
europaweite o<strong>der</strong> globale Märkte).<br />
2.2.3 An<strong>der</strong>e Fragen <strong>der</strong> Marktdefinition<br />
61. Zum Zweck <strong>der</strong> Ex-ante-Regulierung kann in bestimmten<br />
Ausnahmefällen <strong>der</strong> relevante Markt nach Strecken abgegrenzt<br />
werden. Bei <strong>der</strong> Untersuchung <strong>der</strong> räumlichen Dimension<br />
von Märkten <strong>für</strong> internationale elektronische<br />
Kommunikationsdienste an Endverbraucher o<strong>der</strong> Diensteanbieter<br />
kann es ratsam sein, Län<strong>der</strong>- o<strong>der</strong> Städtepaare<br />
als geson<strong>der</strong>te Märkte zu behandeln ( 46 ). Von <strong>der</strong> Nachfrageseite<br />
her betrachtet, ist die Zustellung eines Anrufs<br />
in einem Land selbstverständlich kein Substitut <strong>für</strong> die<br />
Zustellung desselben Anrufs in einem an<strong>der</strong>en Land.<br />
Die Frage, ob indirekte Übertragungsdienste, also die<br />
Um- o<strong>der</strong> Durchleitung desselben Anrufs über ein Drittland,<br />
wirkliche Angebotssubstitute sind, hängt allerdings<br />
von den Beson<strong>der</strong>heiten des Marktes ab und sollte je<br />
nach Fall entschieden werden ( 47 ). Allerdings hätte ein<br />
Markt <strong>für</strong> ein Diensteangebot auf einer bilateralen Strecke<br />
lediglich nationale Tragweite, da das Angebots- und<br />
Nachfragemuster an den beiden Endpunkten <strong>der</strong> Strecke<br />
aller Voraussicht nach den unterschiedlichen Marktstrukturen<br />
entsprechen würde ( 48 ).<br />
62. In ihrer Bekanntmachung über die Marktdefinition<br />
machte die Kommission auf bestimmte Fälle aufmerksam,<br />
in denen die Grenzen des relevanten Marktes soweit gesteckt<br />
werden können, dass Produkte o<strong>der</strong> geografische<br />
Gebiete erfasst werden, die zwar nicht unmittelbar austauschbar<br />
sind, aber wegen <strong>der</strong> sogenannten „Substitutionsketten“<br />
( 49 ) in die Marktdefinition einbezogen werden<br />
sollten. Substitutionsketten liegen vor, wenn nachgewiesen<br />
werden kann, dass zwar die Produkte A und C nicht<br />
unmittelbar austauschbar sind, das Produkt B aber ein<br />
Substitut sowohl <strong>für</strong> das Produkt A als auch <strong>für</strong> das<br />
Produkt C ist und folglich die Produkte A und C demselben<br />
Produktmarkt zugeordnet werden können, da <strong>der</strong><br />
Preis dieser Produkte durch die Substitutionsmöglichkeit<br />
aufgrund des Produktes B beeinflusst werden könnte. Dieselben<br />
Überlegungen gelten <strong>für</strong> die Definition des räumlich<br />
relevanten Marktes. Wegen <strong>der</strong> Gefahr einer zu großen<br />
Ausdehnung des relevanten Marktes sollte die Existenz<br />
von Substitutionsketten allerdings hinreichend nachgewiesen<br />
werden ( 50 ).
DE<br />
C 165/14 Amtsblatt <strong>der</strong> Europäischen Gemeinschaften 11.7.2002<br />
2.3 Die Entscheidungspraxis <strong>der</strong> Kommission<br />
63. Die Kommission hat eine Reihe von Entscheidungen auf<br />
<strong>der</strong> Grundlage <strong>der</strong> Verordnung Nr. 17 und <strong>der</strong> Fusionskontrollverordnung<br />
erlassen, die das Geschäft mit <strong>der</strong><br />
<strong>elektronischen</strong> Kommunikation zum Gegenstand haben.<br />
Diese Entscheidungen dürften <strong>für</strong> die NRB im Hinblick<br />
auf die von <strong>der</strong> Kommission angewandten Methode zur<br />
Definition des relevanten Marktes von beson<strong>der</strong>er Bedeutung<br />
sein ( 51 ). Wie schon erwähnt, muss jedoch bei einem<br />
durch ständige Innovation und rapide technologische<br />
Konvergenz charakterisierten Wirtschaftszweig stets berücksichtigt<br />
werden, dass zu einem bestimmten Zeitpunkt<br />
getroffene Marktdefinitionen schon in kurzer Zeit ungenau<br />
o<strong>der</strong> irrelevant werden können ( 52 ). Außerdem bleiben<br />
Märkte, die <strong>für</strong> wettbewerbsrechtliche Zwecke definiert<br />
wurden, von den Märkten, die nach dem neuen<br />
Rechtsrahmen definiert wurden, unberührt, da <strong>der</strong> Kontext<br />
und <strong>der</strong> Zeitrahmen, in dem eine Marktanalyse<br />
durchgeführt wird, unterschiedlich sein können ( 53 ).<br />
64. Wie die Kommission in <strong>der</strong> Mitteilung über den Zugang<br />
ausführte, sind im Bereich <strong>der</strong> <strong>elektronischen</strong> Kommunikation<br />
mindestens zwei relevante Märkte zu betrachten:<br />
<strong>der</strong> Markt <strong>für</strong> eine Dienstleistung, die <strong>für</strong> Endbenutzer<br />
erbracht wird (Dienstleistungsmarkt), und <strong>der</strong> Markt <strong>für</strong><br />
den Zugang zu den Einrichtungen, die zur Erbringung<br />
dieser Dienstleistung erfor<strong>der</strong>lich sind (Zugangsmarkt)<br />
( 54 ). Innerhalb dieser groben Unterglie<strong>der</strong>ung<br />
sind aufgrund von Nachfrage- und Angebotsmustern weitere<br />
Unterscheidungen zu treffen.<br />
65. Insbeson<strong>der</strong>e wird die Kommission in ihren Entscheidungen<br />
in <strong>der</strong> Regel unterscheiden zwischen <strong>der</strong> Erbringung<br />
von Dienstleistungen und <strong>der</strong> Bereitstellung <strong>der</strong> zugrunde<br />
liegenden Netzinfrastruktur. So hat die Kommission z. B.,<br />
was die Bereitstellung <strong>der</strong> Infrastruktur betrifft, geson<strong>der</strong>te<br />
Märkte <strong>für</strong> die Bereitstellung von Teilnehmeranschlüssen<br />
und von Infrastruktur <strong>für</strong> Fern- und Auslandsverbindungen<br />
( 55 ) ausgemacht. In Bezug auf feste<br />
Telefondienste unterscheidet die Kommission zwischen<br />
dem Zugang <strong>für</strong> Teilnehmer (Endverbraucher) zu vermittelten<br />
Sprachtelefondiensten (Orts-, Fern- und Auslandsgespräche),<br />
dem Zugang <strong>für</strong> Betreiber (Großverbraucher)<br />
zu Netzen (Orts-, Fern- und Auslandsgespräche) und Unternehmensdatenkommunikationsdienste<br />
( 56 ). Auf dem<br />
Markt <strong>für</strong> festnetzgestützte Telefondienste an Endabnehmer<br />
hat die Kommission zwischen den Dienstleistungen<br />
Anschlussgebühr und monatliche Miete unterschieden<br />
( 57 ). Diese Dienstleistungen werden zwei unterschiedlichen<br />
Gruppen von Endabnehmern angeboten, nämlich<br />
privaten und beruflichen Nutzern, wobei Letztere Kleino<strong>der</strong><br />
Großunternehmen sind ( 58 ). Bei den festen Telefondienstleistungen<br />
<strong>für</strong> Privatkunden deuten die Nachfragemuster<br />
darauf hin, dass zur Zeit im Wesentlichen zwei<br />
Dienstleistungen angeboten werden, nämlich die herkömmlichen<br />
festen Telefondienste (Sprach- und Schmalband-Datenübertragungen)<br />
und schnelle Telekommunikationsdienste<br />
(<strong>der</strong>zeit vor allem in Form von xDSL-Diensten)<br />
( 59 ).<br />
66. Bei <strong>der</strong> Bereitstellung von Mobilfunkdiensten hat die<br />
Kommission aus Nachfragesicht Mobilfunk-Dienstleistungen<br />
und festnetzgestützte Dienstleistungen als separate<br />
<strong>Vorlesung</strong>smaterialien Seite 17<br />
Märkte eingestuft ( 60 ). Innerhalb des Mobilfunkmarkts hat<br />
die Kommission Beweise gefunden, dass <strong>der</strong> Markt <strong>für</strong><br />
Mobilfunkdienste sowohl die GSM-900- und GSM-<br />
1800-Dienste als auch mögliche analoge Plattformen einschließt<br />
( 61 ).<br />
67. Zum Zugangsmarkt zählt die Kommission jede Infrastruktur,<br />
die <strong>für</strong> eine bestimmte Dienstleistung verwendet<br />
werden kann ( 62 ). Ob <strong>der</strong> Markt <strong>für</strong> Netzinfrastruktur in<br />
genau soviele geson<strong>der</strong>te Teilmärkte unterteilt werden<br />
kann, wie es Netzinfrastruktur-Kategorien gibt, hängt eindeutig<br />
vom Ausmaß <strong>der</strong> Substituierbarkeit zwischen diesen<br />
(alternativen) Netzen ab ( 63 ). Dabei sollte die Marktdefinition<br />
die verschiedenen Nutzergruppen berücksichtigen,<br />
<strong>für</strong> die <strong>der</strong> Netzzugang angeboten wird. Unterschieden<br />
werden sollte beispielsweise zwischen dem Angebot<br />
von Infrastruktur an Betreiber (Großkunden) und an Endnutzer<br />
(Einzelkunden) ( 64 ). Bei den Einzelkunden wird ferner<br />
zwischen Geschäfts- und Privatkunden unterschieden<br />
( 65 ).<br />
68. Wird <strong>der</strong> Dienst lediglich <strong>für</strong> an ein bestimmtes Netz<br />
abonnierte Endnutzer erbracht, kann <strong>der</strong> Zugang zu<br />
den Abschlusspunkten dieses Netzes den relevanten Produktmarkt<br />
darstellen. Dies wäre dann nicht <strong>der</strong> Fall, wenn<br />
festgestellt wird, dass die gleichen Leistungen <strong>für</strong> die gleiche<br />
Endnutzer-Kategorie über alternative, leicht zugängliche<br />
konkurrierende Netze angeboten wird. In ihrer Mitteilung<br />
über den entbündelten Zugang zum Teilnehmeranschluss<br />
( 66 ) stellt die Kommission fest, dass Alternativen<br />
zum öffentlichen Telefonnetz <strong>für</strong> Hochgeschwindigkeits-<br />
Dienstleistungen an Privatkunden zwar existieren (Glasfasernetze,<br />
drahtlose Teilnehmeranschlüsse o<strong>der</strong> aufgerüstete<br />
Kabelfernsehnetze), aber keinen Ersatz <strong>für</strong> das Ortsnetz<br />
bieten ( 67 ). Innovationen und technische Verän<strong>der</strong>ungen<br />
können jedoch in Zukunft zu an<strong>der</strong>en Schlussfolgerungen<br />
führen ( 68 ).<br />
69. Der Zugang zu Mobilfunknetzen kann auch in zwei möglicherweise<br />
geson<strong>der</strong>te Märkte unterteilt werden, einen<br />
Markt <strong>für</strong> den Gesprächsursprung und einen Markt <strong>für</strong><br />
den Gesprächsabschluss. Die Frage, ob <strong>der</strong> Markt <strong>für</strong> den<br />
Zugang zur Mobilfunkinfrastruktur den Zugang zu einem<br />
individuellen Mobilfunknetz o<strong>der</strong> zu sämtlichen Mobilfunknetzen<br />
einschließt, sollte aufgrund einer Analyse<br />
<strong>der</strong> Struktur und des Funktionierens des Marktes entschieden<br />
werden ( 69 ).<br />
3. WÜRDIGUNG BETRÄCHTLICHER MARKTMACHT<br />
70. Gemäß Artikel 14 <strong>der</strong> Rahmenrichtlinie „verfügt ein Unternehmen<br />
über beträchtliche Marktmacht, wenn es entwe<strong>der</strong><br />
allein o<strong>der</strong> gemeinsam mit an<strong>der</strong>en eine wirtschaftlich<br />
starke Stellung einnimmt, die es ihm gestattet, sich in
DE<br />
11.7.2002 Amtsblatt <strong>der</strong> Europäischen Gemeinschaften C 165/15<br />
beträchtlichem Umfang unabhängig von Mitbewerbern,<br />
Kunden und letztlich Verbrauchern zu verhalten“. Mit<br />
diesen Worten hat <strong>der</strong> Gerichtshof den Begriff <strong>der</strong> beherrschenden<br />
Stellung gemäß Artikel 82 EG-Vertrag beschrieben<br />
( 70 ). Durch den neuen Rechtsrahmen wurde die Definition<br />
<strong>der</strong> beträchtlichen Marktmacht mit <strong>der</strong> vom Gerichtshof<br />
vorgegebenen Definition <strong>der</strong> beherrschenden<br />
Stellung im Sinne von Artikel 82 EG-Vertrag in Einklang<br />
gebracht ( 71 ). Bei <strong>der</strong> Anwendung <strong>der</strong> neuen Definition<br />
<strong>der</strong> beträchtlichen Marktmacht werden die NRB folglich<br />
gewährleisten müssen, dass ihre Entscheidungen mit <strong>der</strong><br />
Fallpraxis <strong>der</strong> Kommission und <strong>der</strong> einschlägigen Rechtsprechung<br />
des Gerichtshofs und des Gerichts erster Instanz<br />
übereinstimmen ( 72 ). Bevor diese neue Definition ex<br />
ante angewendet werden kann, ist jedoch die Methode<br />
zur Ermittlung <strong>der</strong> Marktmacht anzupassen. Bei <strong>der</strong> Exante-Beurteilung,<br />
ob Unternehmen alleine o<strong>der</strong> gemeinsam<br />
auf dem relevanten Markt eine beherrschende Stellung<br />
einnehmen, sind die NRB grundsätzlich auf an<strong>der</strong>e<br />
Hypothesen und Annahmen angewiesen als eine Wettbewerbsbehörde<br />
bei <strong>der</strong> Ex-Post-Anwendung von Artikel<br />
82 im Hinblick auf eine angebliche missbräuchliche Ausnutzung<br />
( 73 ). Da Beweise <strong>für</strong> o<strong>der</strong> Aufzeichnungen über<br />
vergangenes Verhalten oftmals fehlen dürften, muss sich<br />
die Marktanalyse hauptsächlich auf Prognosen stützen.<br />
Die Genauigkeit <strong>der</strong> Marktanalyse durch die NRB hängt<br />
daher entscheidend von den Informationen und Daten ab,<br />
die zum Zeitpunkt <strong>der</strong> einschlägigen Entscheidung zur<br />
Verfügung stehen.<br />
71. Der Umstand, dass sich die ursprüngliche Marktprognose<br />
<strong>der</strong> NRB in einem gegebenen Fall nicht bestätigt, bedeutet<br />
nicht notwendigerweise, dass diese Entscheidung, zu dem<br />
Zeitpunkt, als sie erlassen wurde, mit <strong>der</strong> Richtlinie unvereinbar<br />
war. Bei <strong>der</strong> Vorabanwendung des Marktmachtkonzepts<br />
müssen den NRB weitgehende Ermessensbefugnisse<br />
zugestanden werden, die dem komplexen Charakter<br />
<strong>der</strong> wirtschaftlichen, sachlichen und rechtlichen Lage<br />
Rechnung tragen, die es zu beurteilen gilt. Nach den<br />
Bestimmungen <strong>der</strong> Richtlinie müssen die NRB ihre<br />
Marktanalysen regelmäßig durchführen. Damit haben<br />
die NRB die Möglichkeit, auf Marktentwicklungen zu reagieren<br />
und erfor<strong>der</strong>lichenfalls geeignete Maßnahmen zu<br />
ergreifen.<br />
3.1 Kriterien zur Ermittlung beträchtlicher Marktmacht<br />
72. Wie <strong>der</strong> Gerichtshof betont hat, schließt eine marktbeherrschende<br />
Stellung einen gewissen Wettbewerb auf<br />
dem relevanten Markt nicht aus. Sie versetzt lediglich<br />
das Unternehmen in die Lage, die Bedingungen, unter<br />
denen sich dieser Wettbewerb entwickeln kann, zu bestimmen<br />
o<strong>der</strong> wenigstens merklich zu beeinflussen und<br />
auf jeden Fall in seinem Verhalten solange keine Rücksicht<br />
nehmen zu müssen, wie ihm dies nicht zum Schaden<br />
gereicht ( 74 ).<br />
73. In einer Ex-post-Analyse kann sich die Wettbewerbsbehörde<br />
u. U. auf unterschiedliche Beispiele von Marktverhalten<br />
stützen, die jedes <strong>für</strong> sich auf Marktmacht im<br />
Sinne von Artikel 82 EG-Vertrag hindeuten. Bei einer<br />
Ex-ante-Beurteilung ist jedoch häufig die Frage entscheidend,<br />
inwieweit das betroffene Unternehmen durch Einschränkung<br />
seiner Produktion o<strong>der</strong> Leistungen die Preise<br />
<strong>Vorlesung</strong>smaterialien Seite 18<br />
erhöhen kann, ohne nennenswerte Umsatz- o<strong>der</strong> Einnahmeverluste<br />
be<strong>für</strong>chten zu müssen.<br />
74. Die Marktmacht eines Unternehmens kann durch das<br />
Vorhandensein potenzieller Wettbewerber eingeschränkt<br />
werden ( 75 ). Die NRB sollten daher berücksichtigen, ob<br />
<strong>der</strong> mittelfristige Marktzutritt von Unternehmen, die auf<br />
dem sachlich relevanten Markt noch nicht tätig sind, infolge<br />
einer kleinen, aber signifikanten und anhaltenden<br />
Preiserhöhung wahrscheinlich ist. Unternehmen, die bei<br />
einer <strong>der</strong>artigen Preiserhöhung in <strong>der</strong> Lage wären, ihre<br />
Produkt- o<strong>der</strong> Dienstleistungspalette umzustellen o<strong>der</strong> zu<br />
erweitern, um auf dem relevanten Markt tätig zu werden,<br />
sollten von den NRB als potenzielle Marktteilnehmer behandelt<br />
werden, auch wenn sie zum Zeitpunkt <strong>der</strong> Würdigung<br />
das fragliche Produkt noch nicht herstellen bzw.<br />
die fragliche Dienstleistung noch nicht anbieten.<br />
75. Wie nachstehend erläutert, kann eine beherrschende Stellung<br />
anhand einer Reihe von Kriterien festgestellt werden.<br />
Die Würdigung beruht wie oben beschrieben auf einer<br />
vorausschauenden Marktanalyse, die sich auf die bestehenden<br />
Marktverhältnisse stützt. Marktanteile werden oftmals<br />
als Marktmachtindikator verwendet. Ein hoher<br />
Marktanteil allein bedeutet noch nicht, dass das betreffende<br />
Unternehmen über beträchtliche Marktmacht verfügt.<br />
Allerdings ist auch nicht anzunehmen, dass ein Unternehmen<br />
ohne einen hohen Marktanteil eine beherrschende<br />
Stellung einnimmt. Bei Marktanteilen von nicht<br />
mehr als 25 % dürften die betreffenden Unternehmen auf<br />
dem relevanten Markt alsokeine (alleinige) beherrschende<br />
Stellung haben ( 76 ). In ihrer Fallpraxis hat die Kommission<br />
die Schwelle <strong>für</strong> eine beherrschende Stellung in <strong>der</strong> Regel<br />
erst ab einem Marktanteil von über 40 % angesetzt, obwohl<br />
sie in einigen Fällen auch bei einem niedrigeren<br />
Marktanteil eine beherrschende Stellung annehmen<br />
kann ( 77 ), da eine Marktbeherrschung manchmal auch<br />
ohne einen hohen Marktanteil vorliegt. Nach ständiger<br />
Rechtsprechung des Gerichtshofs liefern beson<strong>der</strong>s hohe<br />
Marktanteile — über 50 % — ohne Weiteres, von außergewöhnlichen<br />
Umständen abgesehen — den Beweis <strong>für</strong><br />
das Vorliegen einer beherrschenden Stellung ( 78 ). Einem<br />
Unternehmen mit einem hohen Marktanteil kann beträchtliche<br />
Marktmacht unterstellt werden, wenn dieser<br />
Marktanteil über längere Zeit stabil geblieben ist ( 79 ).<br />
Der Umstand, dass ein mächtiges Unternehmen allmählich<br />
Marktanteile verliert, kann durchaus auf zunehmenden<br />
Wettbewerb auf diesem Markt hindeuten, schließt<br />
aber die Feststellung einer beträchtlichen Marktmacht<br />
nicht aus. Längerfristig schwankende Marktanteile können<br />
jedoch wie<strong>der</strong>um ein Anzeichen <strong>für</strong> fehlende Macht<br />
auf dem relevanten Markt sein.<br />
76. Bei <strong>der</strong> Berechnung <strong>der</strong> Marktgröße und <strong>der</strong> Marktanteile<br />
ist sowohl <strong>der</strong> mengen- als auch <strong>der</strong> wertmäßig berechnete<br />
Umsatz eine nützliche Information ( 80 ). Bei Massenprodukten<br />
sind Mengenangaben zu bevorzugen, bei differenzierten<br />
Produkten (z. B. Markenprodukten) sollte <strong>der</strong><br />
wertmäßige Umsatz und <strong>der</strong> damit verbundene Marktanteil<br />
herangezogen werden, da er die relative Marktstellung<br />
und -macht <strong>der</strong> einzelnen Anbieter besser wi<strong>der</strong>spiegelt.<br />
Bei Ausschreibungsmärkten kann auch die Zahl <strong>der</strong><br />
verlorenen/gewonnenen Ausschreibungen als Anhaltspunkt<br />
<strong>für</strong> die Einschätzung des Marktanteils herangezogen<br />
werden ( 81 ).
DE<br />
C 165/16 Amtsblatt <strong>der</strong> Europäischen Gemeinschaften 11.7.2002<br />
77. Die Kriterien zur Berechnung des Marktanteils des o<strong>der</strong><br />
<strong>der</strong> betroffenen Unternehmen hängen von den Merkmalen<br />
des relevanten Marktes ab. Ihre Festlegung ist Sache<br />
<strong>der</strong> NRB. Mögliche Kriterien zur Berechnung <strong>der</strong> relativen<br />
Marktmacht eines Unternehmens z. B. auf dem Markt <strong>für</strong><br />
Mietleitungen sind Mieteinnahmen, die vermieteten Kapazitäten<br />
o<strong>der</strong> die Zahl <strong>der</strong> Netzabschlusspunkte von Mietleitungen.<br />
Wie schon angedeutet, wird bei <strong>der</strong> bloßen<br />
Zahl <strong>der</strong> Netzabschlusspunkte von Mietleitungen nicht<br />
die Unterschiedlichkeit <strong>der</strong> auf dem Markt erhältlichen<br />
Mietleitungen berücksichtigt, die von analogen Fernsprechleitungen<br />
hin zu Hochgeschwindigkeitsleitungen<br />
bzw. von Kurzstreckenverbindungen bis zu Fernleitungen<br />
reichen können. Von diesen beiden Kriterien dürften die<br />
Einnahmen aus Mietleitungen transparenter und leichter<br />
zu messen sein. Ebensokönnen Einnahmen auf Einzelhandelsebene,<br />
Nutzungszeiten o<strong>der</strong> Zahl <strong>der</strong> Festleitungen<br />
o<strong>der</strong> Abonnenten von öffentlichen Netzbetreibern Kriterien<br />
<strong>für</strong> die Berechnung <strong>der</strong> Marktanteile sein ( 82 ). Auf<br />
dem Zusammenschaltungsmarkt hingegen wären die Einnahmen<br />
aus <strong>der</strong> Durchstellung zum Gesprächsteilnehmer<br />
bei Fest- o<strong>der</strong> Mobilfunknetzen ein realistischerer Parameter.<br />
Im Gegensatz etwa zur reinen Sprechzeit berücksichtigen<br />
die Einnahmen auch den Umstand, dass die Sprechzeiten<br />
unterschiedliche Preise haben können (z. B. <strong>für</strong><br />
Orts- o<strong>der</strong> Ferngespräche und Auslandsgespräche), und<br />
sind Ausdruck einer Marktpräsenz, die sowohl die Zahl<br />
<strong>der</strong> Kunden als auch den Abdeckungsgrad des Netzes<br />
wi<strong>der</strong>spiegelt ( 83 ). Aus den gleichen Gründen dürfte sich<br />
die Marktmacht <strong>der</strong> Mobilfunkbetreiber am besten anhand<br />
<strong>der</strong> Einnahmen aus <strong>der</strong> Durchstellung von Gesprächen<br />
an die Mobilfunkteilnehmer ermessen lassen ( 84 ).<br />
78. Es ist wichtig, hervorzuheben, dass eine beherrschende<br />
Stellung nicht allein anhand <strong>der</strong> Marktanteile ermittelt<br />
werden kann. Wie bereits oben ausgeführt, bedeutet ein<br />
großer Marktanteil lediglich, dass <strong>der</strong> in Frage stehende<br />
Betreiber eine marktbeherrschende Stellung einnehmen<br />
könnte. Aus diesem Grund sollten die NRB die wirtschaftlichen<br />
Merkmale des betreffenden Markts eingehend und<br />
umfassend untersuchen, bevor sie Schlussfolgerungen<br />
hinsichtlich des Vorhandenseins von beträchtlicher<br />
Marktmacht ziehen. In diesem Zusammenhang können<br />
auch die folgenden Kriterien zugrunde gelegt werden,<br />
um die Marktmacht eines Unternehmens und dessen<br />
Möglichkeiten festzustellen, sich in erheblichen Maße unabhängig<br />
von seinen Konkurrenten, Kunden und Verbrauchern<br />
zu verhalten. Zu diesen Kriterien zählen:<br />
— Gesamtgröße des Unternehmens,<br />
— Kontrolle über nicht leicht zu duplizierende Infrastruktur,<br />
— technologische Vorteile o<strong>der</strong> Überlegenheit,<br />
— Fehlen o<strong>der</strong> geringe ausgleichende Nachfragemacht,<br />
— leichter o<strong>der</strong> privilegierter Zugang zu Kapitalmärkten/<br />
finanziellen Ressourcen,<br />
<strong>Vorlesung</strong>smaterialien Seite 19<br />
— Diversifizierung von Produkten/Dienstleistungen (z. B.<br />
Bündelung von Produkten und Dienstleistungen),<br />
— Größenvorteile,<br />
— Verbundvorteile,<br />
— vertikale Integration,<br />
— hochentwickeltes Vertriebs- und Verkaufsnetz,<br />
— Fehlen von potenziellem Wettbewerb,<br />
— Expansionshemmnisse.<br />
79. Eine beherrschende Stellung kann aus einer Kombination<br />
<strong>der</strong> oben genannten Kriterien abgeleitet werden, die <strong>für</strong><br />
sich alleine genommen nicht notwendigerweise entscheidend<br />
sind.<br />
80. Die Feststellung einer marktbeherrschenden Stellung<br />
hängt auch davon ab, wie leicht <strong>der</strong> Marktzugang ist.<br />
Fehlende Marktzutrittsschranken halten z. B. ein Unternehmen<br />
mit einem beträchtlichen Marktanteil davon ab,<br />
sich unabhängig vom Markt wettbewerbswidrig zu verhalten.<br />
In <strong>der</strong> Branche <strong>der</strong> <strong>elektronischen</strong> Kommunikation<br />
sind die Marktzutrittsschranken aufgrund rechtlicher<br />
o<strong>der</strong> sonstiger Anfor<strong>der</strong>ungen, die die Zahl <strong>der</strong> verfügbaren<br />
Lizenzen o<strong>der</strong> Dienstleistungen (z. B. Mobilfunkleistungen<br />
<strong>der</strong> zweiten o<strong>der</strong> dritten Generation) einschränken<br />
können, oftmals hoch. Ferner können die Notwendigkeit<br />
umfangreicher Investitionen o<strong>der</strong> die Verplanung<br />
von Kapazitäten über lange Zeiträume aus Rentabilitätsgründen<br />
Marktzutrittsschranken darstellen ( 85 ). Allerdings<br />
können hohe Marktzutrittsschranken bei Märkten,<br />
die sich durch fortlaufende technologische Neuerungen<br />
auszeichnen, an Bedeutung verlieren. Auf <strong>elektronischen</strong><br />
Kommunikationsmärkten kann Wettbewerbsdruck<br />
durch die Innovationskraft potenzieller Mitbewerber<br />
entstehen, die auf den Markt drängen. Bei solchen<br />
Märkten sollte sich die Bewertung des Wettbewerbs auf<br />
einen vorausschauenden Ansatz stützen.<br />
81. Was die Bedeutung des Begriffs <strong>der</strong> „wesentlichen Einrichtungen“<br />
<strong>für</strong> die Anwendung <strong>der</strong> neuen Definition<br />
von beträchtlicher Marktmacht betrifft, so gibt es bisher<br />
keine Rechtsprechung mit Bezug auf den Sektor <strong>der</strong> <strong>elektronischen</strong><br />
Kommunikation. Dieser Begriff ist im Wesentlichen<br />
im Zusammenhang mit <strong>der</strong> Überprüfung einer<br />
missbräuchlichen Ausnutzung einer beherrschenden Stellung<br />
gemäß Artikel 82 EG-Vertrag von Bedeutung, weniger<br />
jedoch <strong>für</strong> die Ex-ante-Würdigung von beträchtlicher<br />
Marktmacht im Sinne von Artikel 14 <strong>der</strong> Rahmenrichtlinie.<br />
Die Doktrin <strong>der</strong> „wesentlichen Einrichtungen“ ist<br />
vor allem als Ergänzung zu den allgemeinen Verpflichtungen<br />
zu sehen, die einem Unternehmen in beherrschen<strong>der</strong><br />
Stellung auferlegt werden können, wie beispielsweise<br />
die Verpflichtung zur Nichtdiskriminierung. Sie ist<br />
bisher unter außergewöhnlichen Umständen bei Verstößen<br />
gegen Artikel 82 angewandt worden, z. B., wenn die<br />
Einschränkung des Absatzes o<strong>der</strong> die Weigerung eines<br />
Unternehmens, Dritten Zugang zu gewähren, die Entstehung<br />
neuer Märkte (o<strong>der</strong> die Entwicklung neuer Produkte)<br />
im Sinne von Artikel 82 Buchstabe b) EG-Vertrag
DE<br />
11.7.2002 Amtsblatt <strong>der</strong> Europäischen Gemeinschaften C 165/17<br />
eingeschränkt o<strong>der</strong> verhin<strong>der</strong>t hätte. Das Konzept <strong>der</strong><br />
„wesentlichen Einrichtungen“ wird demnach vor allem<br />
in Fällen im Zusammenhang mit dem Marktzutritt o<strong>der</strong><br />
mit einer Einschränkung des Absatzes und <strong>der</strong> Erzeugung<br />
gemäß Artikel 82 EG-Vertrag angewandt, und zwar unter<br />
Ausschluss je<strong>der</strong> Diskriminierung. Nach <strong>der</strong> ständigen<br />
Rechtsprechung kann ein Produkt o<strong>der</strong> ein Dienst nur<br />
dann als „notwendig“ o<strong>der</strong> „grundlegend“ bezeichnet werden,<br />
wenn es kein echtes o<strong>der</strong> potenzielles Substitut gibt.<br />
Es ist richtig, dass ein Unternehmen, das über „grundlegende<br />
Einrichtungen“ verfügt, in Bezug auf diese Einrichtung<br />
definitionsgemäß auf dem Markt eine beherrschende<br />
Stellung einnimmt. Der Umkehrschluss ist jedoch<br />
nicht immer zutreffend. Die Tatsache, dass eine<br />
bestimmte Einrichtung <strong>für</strong> eine wirtschaftliche Tätigkeit<br />
auf einem Markt nicht „grundlegend“ o<strong>der</strong> „unverzichtbar“<br />
ist, bedeutet nach <strong>der</strong> ständigen Rechtsprechung ( 86 )<br />
nicht, dass <strong>der</strong> Eigentümer dieser Einrichtung keine beherrschende<br />
Stellung innehaben kann. Beispielsweise<br />
kann ein Netzbetreiber eine beherrschende Stellung einnehmen,<br />
obwohl es alternative Konkurrenznetze gibt,<br />
wenn die Größe o<strong>der</strong> die Bedeutung seines Netzes ihn<br />
in die Lage versetzt, sich unabhängig von an<strong>der</strong>en Netzbetreibern<br />
zu verhalten ( 87 ). Mit an<strong>der</strong>en Worten: Es muss<br />
lediglich festgestellt werden, ob eine bestimmte Einrichtung<br />
ihrem Eigentümer beträchtliche Marktmacht verleiht.<br />
Es ist nicht notwendig, weiter zu ermitteln, ob die<br />
besagte Einrichtung als „grundlegend“ o<strong>der</strong> „unverzichtbar“<br />
im Sinne <strong>der</strong> ständigen Rechtsprechung bezeichnet<br />
werden kann.<br />
82. Aus dem zuvor Gesagten ergibt sich, dass <strong>der</strong> Grundsatz<br />
<strong>der</strong> „wesentlichen Einrichtungen“ <strong>für</strong> eine Ex-ante-Anwendung<br />
von Artikel 14 <strong>der</strong> Rahmenrichtlinie weniger<br />
relevant ist als <strong>für</strong> die Ex-post-Anwendung von Artikel<br />
82 EG-Vertrag.<br />
3.1.1 Die Übertragung von Marktmacht auf Nachbarmärkte<br />
83. In Artikel 14 Absatz 3 <strong>der</strong> Rahmenrichtlinie heißt es:<br />
„Verfügt ein Unternehmen auf einem bestimmten Markt<br />
über beträchtliche Marktmacht, sokann davon ausgegangen<br />
werden, dass es auch auf einem benachbarten Markt<br />
beträchtliche Marktmacht besitzt, wenn die Verbindungen<br />
zwischen beiden Märkten es gestatten, diese von dem<br />
einen auf den an<strong>der</strong>en Markt zu übertragen und damit<br />
die gesamte Marktmacht des Unternehmens zu verstärkt“.<br />
84. Diese Bestimmung dient <strong>der</strong> Erfassung einer Marktlage<br />
wie jener, die zu dem Urteil des Gerichtshofs in <strong>der</strong><br />
Rechtssache Tetra Pak II geführt hat ( 88 ). Der Gerichtshof<br />
hatte festgestellt, dass ein Unternehmen, das auf einem<br />
Markt über eine beherrschende Stellung verfügte und auf<br />
einem an<strong>der</strong>en, aber eng mit dem ersten verbundenen<br />
Markt führend war, in eine Lage geriet, die <strong>der</strong> einer<br />
beherrschenden Stellung auf den fraglichen Märkten in<br />
ihrer Gesamtheit gleich kam. Dank seiner beherrschenden<br />
Stellung auf dem ersten Markt und seiner Präsenz auf<br />
dem mit diesem verbundenen Nebenmarkt kann ein Unternehmen<br />
die Marktmacht, die es auf dem ersten Markt<br />
genießt, auf den zweiten übertragen und sich dort unabhängig<br />
von seinen Abnehmern verhalten ( 89 ). Obwohl es<br />
sich bei den Märkten, auf denen Tetra Pak eine beherr-<br />
<strong>Vorlesung</strong>smaterialien Seite 20<br />
schende Stellung hatte, insgesamt um horizontale Märkte<br />
handelte, wird eine enge Interdependenz <strong>der</strong> Märkte im<br />
Sinne <strong>der</strong> Rechtsprechung des Gerichtshofs am häufigsten<br />
bei vertikal integrierten Märkten vorliegen. Dies ist im<br />
Telekommunikationssektor vielfach <strong>der</strong> Fall, wo die Betreiber<br />
oftmals auf dem Infrastrukturmarkt über eine beherrschende<br />
Stellung verfügen und auf dem nachgelagerten<br />
Dienstleistungsmarkt stark vertreten sind ( 90 ). Unter<br />
diesen Umständen können die NRB zu <strong>der</strong> Feststellung<br />
gelangen, dass <strong>der</strong> Betreiber auf beiden Märkten in ihrer<br />
Gesamtheit über eine beträchtliche Marktmacht verfügt.<br />
Wenn bei einem Unternehmen beträchtliche Marktmacht<br />
auf einem vorgelagerten Großhandels- o<strong>der</strong> Zugangsmarkt<br />
ermittelt wurde, haben die NRB in <strong>der</strong> Praxis jedoch<br />
normalerweise die Möglichkeit, einen möglichen<br />
Spill-over o<strong>der</strong> eine Machtübertragung auf die nachgelagerten<br />
Einzelhandels- o<strong>der</strong> Dienstleistungsmärkte zu verhin<strong>der</strong>n,<br />
und zwar, indem sie diesem Unternehmen eine<br />
<strong>der</strong> Verpflichtungen auferlegt, die zu diesem Zweck in<br />
<strong>der</strong> Zugangsrichtlinie vorgesehen sind. Daher sollten die<br />
NRB eine Anwendung von Artikel 14 Absatz 3 nur in<br />
den Fällen prüfen, in denen auch dann, wenn dem Unternehmen,<br />
das auf einem vorgelagerten (Zugangs-)Markt<br />
eine beherrschende Stellung einnimmt, Vorabverpflichtungen<br />
auferlegt würden, kein wirksamer Wettbewerb<br />
auf dem (Einzelhandels-)Markt eintreten würde.<br />
85. Die vorstehenden Erwägungen sind auch in Bezug auf<br />
horizontale Märkte relevant ( 91 ). Außerdem sollte es sich<br />
— unabhängig davon, ob es sich bei den in Frage stehenden<br />
Märkten um vertikale o<strong>der</strong> horizontale Märkte<br />
handelt — jeweils um elektronische Kommunikationsmärkte<br />
im Sinne von Artikel 2 <strong>der</strong> Rahmenrichtlinie handeln,<br />
und beide sollten Merkmale aufweisen, die eine<br />
Auferlegung von Vorabverpflichtungen ( 92 ) rechtfertigen.<br />
3.1.2 Gemeinsame beherrschende Stellung<br />
86. Gemäß Artikel 82 EG-Vertrag kann eine beherrschende<br />
Stellung nicht nur von einem, son<strong>der</strong>n auch von mehreren<br />
Unternehmen ausgeübt werden („gemeinsame beherrschende<br />
Stellung“). Auch gemäß Artikel 14 Absatz 2 <strong>der</strong><br />
Rahmenrichtlinie kann ein Unternehmen sowohl allein<br />
als auch gemeinsam mit an<strong>der</strong>en über beträchtliche<br />
Marktmacht und damit über eine beherrschende Stellung<br />
verfügen.<br />
87. In <strong>der</strong> Mitteilung über den Zugang hat die Kommission<br />
erklärt, wenngleich sich die EG-Rechtsprechung und die<br />
Entscheidungspraxis <strong>der</strong> Kommission damals noch in <strong>der</strong><br />
Entwicklung befanden, dass sich zwei o<strong>der</strong> mehr Unternehmen<br />
in einer gemeinsamen beherrschenden Stellung<br />
befinden, wenn sie im Wesentlichen dieselbe Stellung<br />
gegenüber ihren Kunden und Wettbewerbern haben wie<br />
ein einzelnes Unternehmen in marktbeherrschen<strong>der</strong> Stellung,<br />
sofern kein tatsächlicher Wettbewerb zwischen ihnen<br />
besteht. Der fehlende Wettbewerb könnte in <strong>der</strong><br />
Praxis dadurch begründet sein, dass zwischen den Unternehmen<br />
bestimmte Verbindungen bestehen. Solche Verbindungen<br />
waren jedoch keine rechtliche Voraussetzung<br />
<strong>für</strong> das Vorliegen einer gemeinsamen beherrschenden<br />
Stellung ( 93 ).
DE<br />
C 165/18 Amtsblatt <strong>der</strong> Europäischen Gemeinschaften 11.7.2002<br />
88. Seit Veröffentlichung <strong>der</strong> Mitteilung über den Zugang<br />
wurde das Konzept <strong>der</strong> gemeinsamen Marktbeherrschung<br />
von <strong>der</strong> Kommission in einer Reihe von Entscheidungen<br />
auf <strong>der</strong> Grundlage <strong>der</strong> Verordnung Nr. 17 und <strong>der</strong> Fusionskontrollverordnung<br />
angewandt. Außerdem haben das<br />
Gericht erster Instanz (EuGeI) und <strong>der</strong> Gerichtshof <strong>der</strong><br />
Europäischen Gemeinschaften (EuGH) mit einschlägigen<br />
Urteilen zu einer weiteren Klärung <strong>der</strong> genauen Abgrenzung<br />
dieses Begriffs beigetragen.<br />
3.1.2.1 Die Rechtsprechung des EuGeI und des EuGH<br />
89. Der Begriff „ein o<strong>der</strong> mehrere Unternehmen“ in Artikel<br />
82 EG-Vertrag bedeutet, dass zwei o<strong>der</strong> mehrere rechtlich<br />
und wirtschaftlich von einan<strong>der</strong> unabhängige wirtschaftliche<br />
Einheiten eine beherrschende Stellung einnehmen<br />
können ( 94 ).<br />
90. Bis zum Urteil des EuGH in <strong>der</strong> Rechtssache Compagnie<br />
Maritime Belge ( 95 ) und dem Urteil des EuGeI in <strong>der</strong><br />
Rechtssache Gencor ( 96 ) (siehe unten) hätte argumentiert<br />
werden können, dass die Feststellung einer gemeinsamen<br />
beherrschenden Stellung wirtschaftliche (d. h. strukturelle)<br />
Verbindungen o<strong>der</strong> an<strong>der</strong>e Faktoren, die Anlass zu einer<br />
Verbindung zwischen den betreffenden Unternehmen geben<br />
könnten, vorausgesetzt hätte ( 97 ). In <strong>der</strong> Rechtssache<br />
Gencor wurde erstmals die Frage aufgeworfen, ob <strong>der</strong><br />
Begriff einer beherrschenden Stellung auch auf einen oligopolistischen<br />
Markt, d. h. einen Markt mit wenigen Anbietern,<br />
Anwendung finden könnte, wenn zwischen den<br />
dort präsenten Unternehmen keinerlei Verbindungen bestünden.<br />
Das Verfahren betraf die Rechtmäßigkeit einer<br />
Entscheidung gemäß <strong>der</strong> Fusionskontrollverordnung, in<br />
<strong>der</strong> die Kommission das angemeldete Vorhaben mit <strong>der</strong><br />
Begründung verboten hatte, dass es zu einem Duopol mit<br />
einer marktbeherrschenden Stellung führen würde ( 98 ).<br />
Vor dem EuGeI machten die Parteien geltend, dass die<br />
Kommission nicht die Existenz von „Verbindungen“ zwischen<br />
den Mitglie<strong>der</strong>n des Duopols im Sinne <strong>der</strong> bestehenden<br />
Rechtsprechung nachgewiesen hatte.<br />
91. Das EuGeI wies diesen Einwand u. a. mit <strong>der</strong> Ausführung<br />
zurück, dass es <strong>für</strong> die Beschränkung des Begriffs <strong>der</strong><br />
wirtschaftlichen Verbindungen auf strukturelle Verbindungen<br />
zwischen den betroffenen Unternehmen keinerlei<br />
Präzedenzfälle gebe: „Außerdem besteht rechtlich o<strong>der</strong><br />
wirtschaftlich gesehen kein Grund, in den Begriff <strong>der</strong><br />
wirtschaftlichen Verbindung nicht auch die Wechselbeziehung<br />
zwischen den Mitglie<strong>der</strong>n eines beschränkten Oligopols<br />
mit einzubeziehen, in dessen Rahmen diese auf einem<br />
Markt mit den entsprechenden Merkmalen insbeson<strong>der</strong>e<br />
im Hinblick auf Marktkonzentration, Transparenz<br />
und Homogenität des Erzeugnisses in <strong>der</strong> Lage sind,<br />
ihre jeweiligen Verhaltensweisen vorherzusehen, und daher<br />
unter einem starken Druck stehen, ihr Marktverhalten<br />
einan<strong>der</strong> anzupassen, um insbeson<strong>der</strong>e ihren gemeinsamen<br />
Gewinn durch eine auf Preiserhöhung abzielende<br />
Produktionsbeschränkung zu maximieren. In einem solchen<br />
Kontext weiß nämlich je<strong>der</strong> Marktbeteiligte, dass<br />
jede auf Vergrößerung seines Marktanteils gerichtete,<br />
stark wettbewerbsorientierte Maßnahme (z. B. eine Preissenkung)<br />
seinerseits die gleiche Maßnahme seitens <strong>der</strong><br />
an<strong>der</strong>en auslösen würde, sodass er keinerlei Vorteil aus<br />
<strong>Vorlesung</strong>smaterialien Seite 21<br />
seiner Initiative ziehen könnte. Folglich hätten alle Marktbeteiligten<br />
die Absenkung des Preisniveaus hinzunehmen“<br />
( 99 ). Der Gerichtshof verwies in diesem Zusammenhang<br />
insbeson<strong>der</strong>e auf Marktbedingungen, „bei denen je<strong>der</strong><br />
Marktteilnehmer die gemeinsamen Interessen wahrnehmen<br />
und insbeson<strong>der</strong>e die Preise erhöhen kann,<br />
ohne zuvor eine Vereinbarung treffen o<strong>der</strong> auf eine abgestimmte<br />
Verhaltensweise zurückgreifen zu müssen“ ( 100 ).<br />
92. Das Urteil des EuGeI in <strong>der</strong> Rechtssache Gencor wurde<br />
später durch die Rechtsprechung des EuGH in <strong>der</strong><br />
Rechtssache Compagnie Maritime Belge bestätigt, in <strong>der</strong><br />
<strong>der</strong> Gerichtshof die Deutung des Begriffs <strong>der</strong> gemeinsamen<br />
Marktbeherrschung und die Voraussetzungen <strong>für</strong><br />
ihr Vorliegen weiter präzisierte. Zur Feststellung, ob zwei<br />
o<strong>der</strong> mehrere Unternehmen eine kollektive beherrschende<br />
Stellung einnehmen, ist demnach zu prüfen, ob die betreffenden<br />
Unternehmen zusammen gegenüber ihren<br />
Konkurrenten, ihren Geschäftspartnern und den Verbrauchern<br />
auf einem bestimmten Markt eine kollektive Einheit<br />
darstellen ( 101 ). Dies wäre <strong>der</strong> Fall, wenn a) zwischen den<br />
betreffenden Unternehmen kein wirksamer Wettbewerb<br />
stattfinden würde und b) die Unternehmen ein einheitliches<br />
Verhalten hätten o<strong>der</strong> eine gemeinsame Geschäftspolitik<br />
auf dem relevanten Markt ausüben würden ( 102 ).<br />
Erst wenn dies bejaht wird, ist zu prüfen, ob diese kollektive<br />
Einheit tatsächlich eine beherrschende Stellung<br />
einnimmt ( 103 ). Dabei ist insbeson<strong>der</strong>e zu prüfen, ob zwischen<br />
den betreffenden Unternehmen wirtschaftliche Bindungen<br />
bestehen, die es ihnen erlauben, gemeinsam unabhängig<br />
von ihren Konkurrenten, ihren Abnehmern und<br />
den Verbrauchern zu handeln. Insofern kann die Durchführung<br />
einer Vereinbarung, eines Beschlusses o<strong>der</strong> einer<br />
abgestimmten Verhaltensweise (unabhängig von einer<br />
Freistellung nach Artikel 81 Absatz 3 EG-Vertrag) zweifelsohne<br />
zu einer <strong>der</strong>artigen Bindung unter den beteiligten<br />
Unternehmen führen, dass sie durch ihr Verhalten auf<br />
einem bestimmten Markt gegenüber ihren Konkurrenten,<br />
ihren Geschäftspartnern und den Verbrauchern den Eindruck<br />
einer kollektiven Einheit vermitteln ( 104 ).<br />
93. Der bloße Umstand, dass zwei o<strong>der</strong> mehrere Unternehmen<br />
durch eine Vereinbarung, einen Beschluss von Unternehmensvereinigungen<br />
o<strong>der</strong> eine abgestimmte Verhaltensweise<br />
im Sinne von Artikel 81 Absatz 1 EG-Vertrag<br />
miteinan<strong>der</strong> verbunden sind, kann <strong>für</strong> sich genommen<br />
keine ausreichende Grundlage <strong>für</strong> eine solche Feststellung<br />
sein. „Die Feststellung einer gemeinsamen beherrschenden<br />
Stellung kann sich aus an<strong>der</strong>en verbindenden Faktoren<br />
ergeben und hängt von einer wirtschaftlichen Beurteilung<br />
und insbeson<strong>der</strong>e einer Beurteilung <strong>der</strong> Struktur des fraglichen<br />
Marktes ab“ ( 105 ).<br />
94. Aus den Urteilen in den Rechtssachen Gencor und Compagnie<br />
Maritime Belge folgt, dass sich die Feststellung<br />
einer gemeinsamen Marktbeherrschung zwar auf das Vorhandensein<br />
struktureller Verbindungen stützen kann, jedoch<br />
auch im Zusammenhang mit einem oligopolistischen<br />
Markt o<strong>der</strong> einem Markt mit einem hohen Konzentrationsgrad<br />
getroffen werden kann, dessen Struktur<br />
insbeson<strong>der</strong>e den dort vertretenen Unternehmen Anreize<br />
<strong>für</strong> eine Koordinierung ihres Verhaltens gibt ( 106 ).
DE<br />
11.7.2002 Amtsblatt <strong>der</strong> Europäischen Gemeinschaften C 165/19<br />
3.1.2.2 Die Entscheidungspraxis <strong>der</strong> Kommission und Anhang<br />
II <strong>der</strong> Rahmenrichtlinie<br />
95. Die Kommission hat den Begriff <strong>der</strong> gemeinsamen Marktbeherrschung<br />
in mehreren Entscheidungen auf <strong>der</strong><br />
Grundlage <strong>der</strong> Fusionskontrollverordnung ( 107 ) im Zusammenhang<br />
mit oligopolistischen Märkten geprüft, <strong>der</strong>en<br />
Struktur ihrer Auffassung nach in diesen Fällen Anreize<br />
<strong>für</strong> eine Koordinierung des Wettbewerbsverhaltens<br />
auf dem relevanten Markt bot.<br />
96. Bei <strong>der</strong> Ex-ante-Beurteilung <strong>der</strong> Frage, ob es Märkte gibt<br />
o<strong>der</strong> Märkte entstehen, die einer gemeinsamen Marktbeherrschung<br />
in Form von stillschweigen<strong>der</strong> Koordinierung<br />
för<strong>der</strong>lich sind bzw. sein könnten, sollten die NRB<br />
untersuchen:<br />
a) ob die Merkmale des Marktes einen Anreiz <strong>für</strong> eine<br />
stillschweigende Koordinierung bieten und<br />
b) ob eine solche Koordinierung nachhaltig ist, das heißt,<br />
ob 1. einer <strong>der</strong> Oligopolisten in <strong>der</strong> Lage ist und einen<br />
Anreiz sieht, sich über die Koordinierung hinwegzusetzen<br />
(unter Prüfung <strong>der</strong> Frage, ob <strong>der</strong> an<strong>der</strong>e Oligopolist,<br />
in <strong>der</strong> Lage ist und einen Anreiz sieht, Gegenmaßnahmen<br />
zu ergreifen) und 2. die Käufer/Mitbewerber/potenziellen<br />
Markteinsteiger in <strong>der</strong> Lage sind<br />
und einen Anreiz sehen, sich den wettbewerbsschädlichen<br />
koordinierten Effekten entgegenzustellen ( 108 ).<br />
97. Diese Untersuchung wird durch die Prüfung einer Reihe<br />
von Kriterien erleichtert, die in Anhang II <strong>der</strong> Rahmenrichtlinie<br />
aufgeführt sind und von <strong>der</strong> Kommission bereits<br />
im Zusammenhang mit <strong>der</strong> Fusionskontrollverordnung<br />
<strong>für</strong> die Bewertung einer gemeinsamen beherrschenden<br />
Stellung verwendet wurden. Nach Anhang II <strong>der</strong> Rahmenrichtlinie<br />
kann bei „zwei o<strong>der</strong> mehr Unternehmen<br />
[. . .] davon ausgegangen werden, dass sie gemeinsam<br />
eine marktbeherrschende Stellung im Sinne des Artikels<br />
14 einnehmen, wenn sie — selbst bei Fehlen struktureller<br />
o<strong>der</strong> sonstiger Beziehungen untereinan<strong>der</strong> — in einem<br />
Markt tätig sind, dessen Struktur als för<strong>der</strong>lich <strong>für</strong> koordinierte<br />
Effekte angesehen wird ( 109 ). Unbeschadet <strong>der</strong><br />
Rechtsprechung des Gerichtshofs im Bereich <strong>der</strong> gemeinsamen<br />
Marktbeherrschung ist dies voraussichtlich <strong>der</strong><br />
Fall, wenn <strong>der</strong> Markt eine Reihe entsprechen<strong>der</strong> Merkmale<br />
aufweist, insbeson<strong>der</strong>e in Bezug auf die Marktkonzentration,<br />
die Transparenz und die folgenden weiteren<br />
Merkmale:<br />
— gesättigter Markt,<br />
— stagnierendes o<strong>der</strong> begrenztes Wachstum auf <strong>der</strong><br />
Nachfrageseite,<br />
— geringe Nachfrageelastizität,<br />
— gleichartiges Erzeugnis,<br />
— ähnliche Kostenstrukturen,<br />
— ähnliche Marktanteile,<br />
— Fehlen technischer Innovation, ausgereifte Technologie,<br />
<strong>Vorlesung</strong>smaterialien Seite 22<br />
— keine Überkapazität,<br />
— hohe Marktzutritthemmnisse,<br />
— Fehlen eines Gegengewichts auf <strong>der</strong> Nachfrageseite,<br />
— Fehlen eines potenziellen Wettbewerbs,<br />
— Verschiedene Arten informeller o<strong>der</strong> sonstige Verbindungen<br />
zwischen den betreffenden Unternehmen,<br />
— Mechanismen <strong>für</strong> Gegenmaßnahmen,<br />
— Fehlen<strong>der</strong> Preiswettbewerb o<strong>der</strong> begrenzter Spielraum<br />
<strong>für</strong> Preiswettbewerb.“<br />
98. In Anhang II <strong>der</strong> Rahmenrichtlinie ist ausdrücklich erklärt,<br />
dass die vorstehende Liste nicht erschöpfend ist<br />
und dass es sich nicht um kumulative Kriterien handelt.<br />
Die Liste soll vielmehr veranschaulichen, auf welchen<br />
Beweisen sich Behauptungen einer gemeinsamen (oligopolistischen)<br />
Marktbeherrschung in Form stillschweigen<strong>der</strong><br />
Koordinierung stützen könnten ( 110 ). Wie gesagt, zeigt<br />
die Liste darüber hinaus auch, dass strukturelle Verbindungen<br />
zwischen den betroffenen Unternehmen keine<br />
unerlässliche Voraussetzung <strong>für</strong> die Feststellung einer gemeinsamen<br />
beherrschenden Stellung sind. Sind solche<br />
Verbindungen jedoch vorhanden, können sie zusammen<br />
mit einem o<strong>der</strong> mehreren <strong>der</strong> oben genannten Kriterien<br />
erklären, warum auf einem bestimmten oligopolistischen<br />
Markt ein koordiniertes Verhalten wahrscheinlich ist. Sind<br />
solche Verbindungen nicht vorhanden, so muss <strong>für</strong> die<br />
Untersuchung, ob ein Markt Anreize <strong>für</strong> eine gemeinsame<br />
Beherrschung in Form von stillschweigen<strong>der</strong> Koordinierung<br />
bietet, eine Reihe von Marktmerkmalen geprüft<br />
werden. Auch wenn diese Merkmale häufig wie oben in<br />
<strong>der</strong> Form von Listen dargestellt werden, dürfen diese<br />
nicht als „Checklisten“ <strong>für</strong> eine rein mechanische Prüfung<br />
betrachtet werden. Es müssen vielmehr alle Merkmale<br />
sorgfältig geprüft und eine umfassende Bewertung vorgenommen<br />
werden. In Abhängigkeit von dem konkreten<br />
Fall ist es <strong>für</strong> die Feststellung eines koordinierten Verhaltens<br />
an sich ohne Bedeutung, wenn das eine o<strong>der</strong> an<strong>der</strong>e<br />
strukturelle Merkmal, das <strong>für</strong> gewöhnlich mit einer gemeinsamen<br />
beherrschenden Stellung einhergeht, nicht<br />
eindeutig ermittelt werden kann ( 111 ).<br />
99. In einem oligopolistischen Markt, auf dem die meisten,<br />
wenn nicht sogar alle <strong>der</strong> oben genannten Kriterien erfüllt<br />
sind, sollte insbeson<strong>der</strong>e untersucht werden, ob<br />
starke Anreize <strong>für</strong> die Marktteilnehmer bestehen, zu einer<br />
Koordinierung des Marktgeschehens beizutragen und auf<br />
wettbewerbliches Verhalten zu verzichten. Dies ist <strong>der</strong><br />
Fall, wenn die langfristigen Vorteile eines wettbewerbswidrigen<br />
Verhaltens die kurzfristigen durch Wettbewerb<br />
erzielbaren Gewinne bei weitem überwiegen.<br />
100. Die bloße Feststellung einer Marktkonzentration lässt<br />
nicht zwangsläufig den Schluss zu, dass die Struktur Anreize<br />
<strong>für</strong> eine gemeinsame Marktbeherrschung in Form<br />
von stillschweigen<strong>der</strong> Koordinierung bietet ( 112 ).
DE<br />
C 165/20 Amtsblatt <strong>der</strong> Europäischen Gemeinschaften 11.7.2002<br />
101. Schließlich werden in Bezug auf die Feststellung einer<br />
gemeinsamen Marktbeherrschung in Form von stillschweigen<strong>der</strong><br />
Koordinierung die Kriterien ausschlaggebend<br />
sein, die <strong>für</strong> das Entstehen koordinierter Effekte<br />
auf dem jeweils in Frage stehenden Markt entscheidend<br />
sind. So kam die Kommission in <strong>der</strong> Sache Nr.<br />
COMP/M.2499 — Norske Skog/Parenco/Walsum beispielsweise<br />
zu dem Schluss, dass die Möglichkeiten <strong>für</strong><br />
eine stillschweigende Koordinierung zwischen den Oligopolisten<br />
unwahrscheinlich und nicht tragfähig waren ( 113 ),<br />
obwohl auf den Märkten <strong>für</strong> Zeitungspapier und holzhaltigem<br />
Zeitschriftenpapier eine hohe Marktkonzentration<br />
festzustellen war, die Produkte homogen sind, die<br />
Nachfrage extrem unelastisch ist und eine nur begrenzte<br />
Kaufkraft und hohe Marktzutrittsschranken festgestellt<br />
wurde. Begründet wurde dies durch die begrenzte Stabilität<br />
<strong>der</strong> Marktanteile, das Fehlen symmetrischer Kostenstrukturen<br />
und schließlich durch die fehlende Transparenz<br />
bei Investitionsentscheidungen und das Fehlen eines<br />
glaubhaften Mechanismus <strong>für</strong> Gegenmaßnahmen.<br />
3.1.2.3 Der Begriff <strong>der</strong> gemeinsamen Marktbeherrschung im<br />
Telekommunikationssektor<br />
102. Bei <strong>der</strong> Anwendung des Begriffs <strong>der</strong> gemeinsamen Marktbeherrschung<br />
können die NRB auch auf die den <strong>elektronischen</strong><br />
Kommunikationssektor betreffenden Entscheidungen<br />
aufgrund <strong>der</strong> Fusionskontrollverordnung zurückgreifen,<br />
in denen die Kommission geprüft hat, ob ein<br />
angemeldetes Vorhaben zu einer gemeinsamen Marktbeherrschung<br />
führen konnte.<br />
103. In <strong>der</strong> Sache MCI WorldCom/Sprint hat die Kommission<br />
geprüft, ob die fusionierte Einheit zusammen mit Concert<br />
Alliance eine gemeinsame beherrschende Stellung auf<br />
dem Markt <strong>für</strong> globale Telekommunikationsdienste (GTS)<br />
einnehmen könnte. In Anbetracht <strong>der</strong> Tatsache, dass die<br />
Betreiber auf diesem Markt über Ausschreibungsverfahren<br />
miteinan<strong>der</strong> im Wettbewerb stehen (in denen die Anbieter<br />
in <strong>der</strong> Regel aufgrund ihrer Möglichkeiten, hohe Qualität<br />
und maßgeschnei<strong>der</strong>te Spitzendienste anzubieten,<br />
und nicht aufgrund ihres Preisangebots ausgewählt werden),<br />
konzentrierten sich die Untersuchungen <strong>der</strong> Kommission<br />
darauf, inwieweit <strong>der</strong> Markt den Marktteilnehmern<br />
Anreize <strong>für</strong> ein paralleles Verhalten im Hinblick<br />
auf die Frage bietet, wer gewinnt welche Ausschreibung<br />
(und wer hat welche Ausschreibungen gewonnen) ( 114 ).<br />
Nach einer umfassenden Untersuchung des Marktes (homogene<br />
Produkte, hohe Zutrittsschranken, Gegengewicht<br />
<strong>der</strong> Nachfrageseite usw.) kam die Kommission zu dem<br />
Schluss, dass ein Fehlen von Wettbewerb zwischen den<br />
Konkurrenten nicht festzustellen war. Dieses Kriterium ist<br />
jedoch <strong>für</strong> die Feststellung von parallelem Verhalten erfor<strong>der</strong>lich.<br />
Die Kommission hat daher entschieden, ihre<br />
Einwände in Bezug auf diesen Markt nicht aufrechtzuerhalten<br />
( 115 ).<br />
104. In <strong>der</strong> Sache BT/Esat ( 116 ) hat die Kommission u. a. geprüft,<br />
ob die Bedingungen auf dem irischen Markt <strong>für</strong><br />
Internetanschlüsse über das Telefonnetz zwangsläufig<br />
zur Entstehung eines Duopols des ehemaligen staatlichen<br />
Betreibers Eircom und des fusionierten Unternehmens<br />
führen würden. Dies konnte sie jedoch aus mehreren<br />
Gründen ausschließen. Erstens waren die Marktanteile<br />
nicht konstant, zweitens verdoppelte sich die Nachfrage<br />
alle sechs Monate; drittens galten Internet-Zugangspro-<br />
<strong>Vorlesung</strong>smaterialien Seite 23<br />
dukte nicht als homogen, und schließlich waren technische<br />
Neuerungen eines <strong>der</strong> Hauptmerkmale des Marktes<br />
( 117 ).<br />
105. In <strong>der</strong> Sache Vodafone/Airtouch ( 118 ) stellte die Kommission<br />
fest, dass das fusionierte Unternehmen die gemeinsame<br />
Kontrolle ausüben würde über zwei <strong>der</strong> vier Mobilfunkbetreiber<br />
auf dem deutschen Mobilfunkmarkt (nämlich<br />
D2 und E-Plus; die an<strong>der</strong>en beiden waren T-Mobil<br />
und VIAG Interkom). Da <strong>der</strong> Marktzutritt in hohem Maß<br />
durch die frequenzbedingt begrenzte Zahl von Lizenzen<br />
reguliert war und die Marktbedingungen transparent waren,<br />
konnten die Entstehung eines Duopols und folglich<br />
eine Koordinierung des Wettbewerbsverhaltens nicht ausgeschlossen<br />
werden ( 119 ).<br />
106. In <strong>der</strong> Sache France Telecom/Orange stellte die Kommission<br />
fest, dass vor dem Eintritt von Orange in den belgischen<br />
Mobilfunkmarkt die beiden Anbieter Proximus und<br />
Mobistar in <strong>der</strong> Lage waren, eine gemeinsame Marktbeherrschung<br />
auszuüben. In den vier Jahren vor dem<br />
Marktzutritt von Orange praktizierten beide Betreiber<br />
fast dieselben und transparente Preise, die genau den<br />
gleichen Trends folgten ( 120 ). In dieser Entscheidung<br />
wies die Kommission Einwände von Dritten zurück,<br />
dass auf dem Markt <strong>der</strong> europaweiten Mobilfunkdienste<br />
<strong>für</strong> internationale Mobilfunkkunden eine kollektive beherrschende<br />
Stellung von Vodafone und France Telecom<br />
gedroht hätte. Ausschlaggebend hier<strong>für</strong> war neben den<br />
sehr unterschiedlichen Marktanteilen <strong>der</strong> beiden Betreiber<br />
<strong>der</strong> Umstand, dass es sich um einen aufstrebenden Markt<br />
mit hohem Nachfragewachstum und zahlreichen unterschiedlichen<br />
Angeboten und Preisen handelte ( 121 ).<br />
4. AUFERLEGUNG, BEIBEHALTUNG, ÄNDERUNG ODER AUF-<br />
HEBUNG VON VERPFLICHTUNGEN IM SINNE DES RECHTS-<br />
RAHMENS<br />
107. Abschnitt 3 dieser Leitlinien beschäftigte sich mit <strong>der</strong><br />
Analyse <strong>der</strong> relevanten Märkte, die die NRB gemäß Artikel<br />
16 <strong>der</strong> Rahmenrichtlinie vornehmen müssen, um zu<br />
ermitteln, ob auf einem relevanten Markt wirksamer<br />
Wettbewerb herrscht d. h., ob es auf diesem Markt Unternehmen<br />
gibt, die eine beherrschende Stellung einnehmen.<br />
Dieser Abschnitt enthält Leitlinien zu den Maßnahmen,<br />
die die NRB im Anschluss an ihre Analyse ergreifen<br />
können, sprich zu <strong>der</strong> Auferlegung, Beibehaltung, Än<strong>der</strong>ung<br />
o<strong>der</strong> Aufhebung (je nach Fall) von bereichsspezifischen<br />
Verpflichtungen <strong>für</strong> Unternehmen, die über beträchtliche<br />
Marktmacht verfügen. Ferner ist in diesem<br />
Abschnitt dargelegt, unter welchen Umständen in Ausnahmefällen<br />
auch Unternehmen, die nicht über beträchtliche<br />
Marktmacht verfügen, ähnliche Verpflichtungen auferlegt<br />
werden können, wie dies bei Betreibern mit solcher<br />
Marktmacht <strong>der</strong> Fall ist.<br />
108. Die beson<strong>der</strong>en Verpflichtungen, die Unternehmen mit<br />
beträchtlicher Marktmacht auferlegt werden können, betreffen<br />
sowohl Großkunden- als auch Endnutzermärkte.<br />
Die Verpflichtungen in Bezug auf die Großkundenmärkte<br />
sind grundsätzlich in den Artikeln 9 bis 13 <strong>der</strong> Zugangsrichtlinie<br />
definiert. Die Verpflichtungen in Bezug auf die<br />
Endnutzermärkte sind in den Artikeln 17 bis 19 <strong>der</strong> Universaldienstrichtlinie<br />
festgelegt.
DE<br />
11.7.2002 Amtsblatt <strong>der</strong> Europäischen Gemeinschaften C 165/21<br />
109. Die in <strong>der</strong> Zugangsrichtlinie festgelegten Verpflichtungen<br />
sind: Transparenz (Artikel 9), Gleichbehandlung (Artikel<br />
10), getrennte Buchführung (Artikel 11), Verpflichtungen<br />
in Bezug auf den Zugang zu bestimmten Netzeinrichtungen<br />
und <strong>der</strong>en Nutzung (Artikel 12) und Verpflichtungen<br />
zur Preiskontrolle und Kostenrechnung (Artikel 13). Außerdem<br />
sieht Artikel 8 <strong>der</strong> Zugangsrichtlinie vor, dass die<br />
NRB auch Verpflichtungen auferlegen können, die über<br />
die vorgenannten hinausgehen. Zu diesem Zweck müssen<br />
die NRB <strong>der</strong> Kommission einen entsprechenden Antrag<br />
unterbreiten. Die Kommission wird dann nach Beratung<br />
mit dem Kommunikationsausschuss eine Entscheidung<br />
darüber treffen, ob es <strong>der</strong> betreffenden NRB gestattet<br />
ist, solche Verpflichtungen aufzuerlegen o<strong>der</strong> nicht.<br />
110. Die in <strong>der</strong> Universaldienstrichtlinie festgelegten Verpflichtungen<br />
sind: Regulierungsmaßnahmen in Bezug auf<br />
Dienste <strong>für</strong> Endnutzer (Artikel 17), Bereitstellung eines<br />
Mindestangebots an Mietleitungen (Artikel 18 und Anhang<br />
VII) und Betreiberauswahl und Betreibervorauswahl<br />
(Artikel 19).<br />
111. Mit Ausnahme <strong>der</strong> in Abschnitt 4.3 genannten Fälle sollten<br />
nach dem Rechtsrahmen diese Verpflichtungen nur<br />
Unternehmen auferlegt werden, die auf einem relevanten<br />
Markt erwiesenermaßen über beträchtliche Marktmacht<br />
verfügen.<br />
4.1 Auferlegung, Beibehaltung, Än<strong>der</strong>ung o<strong>der</strong> Aufhebung<br />
von Verpflichtungen <strong>für</strong> Betreiber mit beträchtlicher<br />
Marktmacht<br />
112. Wie in Abschnitt 1 dargelegt, bedeutet „wirksamer Wettbewerb“,<br />
dass es auf dem relevanten Markt kein marktbeherrschendes<br />
Unternehmen gibt. Mit an<strong>der</strong>en Worten:<br />
Die Feststellung, dass <strong>der</strong> Wettbewerb auf einem relevanten<br />
Markt wirksam ist, kommt in <strong>der</strong> Tat <strong>der</strong> Feststellung<br />
gleich, dass es auf diesem Markt kein Unternehmen gibt,<br />
das allein o<strong>der</strong> gemeinsam mit an<strong>der</strong>en eine beherrschende<br />
Stellung einnimmt. Umgekehrt lässt die Feststellung,<br />
dass <strong>der</strong> Wettbewerb auf einem relevanten Markt<br />
nicht wirksam ist, den Schluss zu, dass es auf dem betreffenden<br />
Markt Unternehmen gibt, die allein o<strong>der</strong> gemeinsam<br />
mit an<strong>der</strong>en eine beherrschende Stellung einnehmen.<br />
113. Stellt eine NRB fest, dass auf einem relevanten Markt<br />
echter Wettbewerb herrscht, sodarf sie gemäß Artikel<br />
16 keinem auf diesem Markt tätigen Betreiber Verpflichtungen<br />
auferlegen. Wurden einem Unternehmen auf diesem<br />
Markt von <strong>der</strong> NRB bereits zu einem früheren Zeitpunkt<br />
Verpflichtungen auferlegt, somüssen diese aufgehoben<br />
werden. Die NRB darf dem/den betreffenden<br />
Unternehmen keine neue Verpflichtung auferlegen. Wie<br />
in Artikel 16 Absatz 3 <strong>der</strong> Rahmenrichtlinie festgelegt, ist<br />
den betroffenen Parteien die Aufhebung <strong>der</strong> bestehenden<br />
Verpflichtungen innerhalb einer angemessenen Frist im<br />
Voraus anzukündigen.<br />
114. Stellt eine NRB fest, dass auf einem relevanten Markt kein<br />
wirksamer Wettbewerb herrscht, da sich ein o<strong>der</strong> mehrere<br />
Unternehmen in einer beherrschenden Stellung befinden,<br />
muss die Behörde in Übereinstimmung mit Artikel<br />
16 Absatz 4 <strong>der</strong> Rahmenrichtlinie das/die Unternehmen<br />
mit beträchtlicher Marktmacht ermitteln und dem/<br />
den betreffenden Unternehmen geeignete spezielle Ver-<br />
<strong>Vorlesung</strong>smaterialien Seite 24<br />
pflichtungen auferlegen. Die Feststellung allein, dass ein<br />
Unternehmen über beträchtliche Marktmacht verfügt,<br />
ohne die Auferlegung geeigneter Verpflichtungen, ist jedoch<br />
nicht mit den Bestimmungen des neuen Rechtsrahmens<br />
vereinbar, insbeson<strong>der</strong>e nicht mit Artikel 16 Absatz<br />
4 <strong>der</strong> Rahmenrichtlinie. Mit an<strong>der</strong>en Worten, die NRB<br />
müssen einem Unternehmen, das als Unternehmen mit<br />
beträchtlicher Marktmacht eingestuft wurde, mindestens<br />
eine Verpflichtung auferlegen. Stellt eine NRB fest, dass<br />
sich mehr als ein Unternehmen in einer beherrschenden<br />
Stellung befindet, alsoeine gemeinsame beherrschende<br />
Stellung vorkommt, sollte sie unter Beachtung des<br />
Grundsatzes <strong>der</strong> Verhältnismäßigkeit ebensogeeignete<br />
Verpflichtungen auferlegen.<br />
115. Wurden einem Unternehmen bereits unter dem Rechtsrahmen<br />
von 1998 Verpflichtungen auferlegt, muss die<br />
betreffende NRB im Rahmen einer neuen, in Übereinstimmung<br />
mit diesen Leitlinien durchzuführenden Marktanalyse<br />
prüfen, ob diese Verpflichtungen auch unter dem<br />
neuen Rechtsrahmen geeignet sind. Wird festgestellt,<br />
dass ein Unternehmen auch nach dem neuen Rechtsrahmen<br />
auf einem relevanten Markt über beträchtliche<br />
Marktmacht verfügt, können die Verpflichtungen, die<br />
nach dem Rechtsrahmen aus dem Jahr 1998 auferlegt<br />
wurden, beibehalten werden. Ferner können die NRB<br />
diese Verpflichtungen än<strong>der</strong>n o<strong>der</strong> auch neue geeignete<br />
Verpflichtungen entsprechend dem neuen Rechtsrahmen<br />
auferlegen.<br />
116. Wurde auf einem Markt kein wirksamer Wettbewerb festgestellt,<br />
müssen die NRB eine <strong>der</strong> Verpflichtungen wählen,<br />
die in den Richtlinien <strong>für</strong> die Lösung des betreffenden<br />
Problems genannt sind. Eine Ausnahme stellen die Fälle<br />
dar, in denen die Wahl <strong>der</strong> Vorabverpflichtung durch die<br />
internationalen Verpflichtungen <strong>der</strong> Gemeinschaft im<br />
Rahmen internationaler Verträge vorgegeben ist (siehe<br />
Abschnitt 4.4) o<strong>der</strong> in denen die Richtlinien beson<strong>der</strong>e<br />
Maßnahmen vorsehen wie beispielsweise in den Artikeln<br />
18 und 19 <strong>der</strong> Universaldienstrichtlinie. Beabsichtigen die<br />
NRB, an<strong>der</strong>e Verpflichtungen hinsichtlich Zugang und<br />
Zusammenschaltung aufzuerlegen, als sie in <strong>der</strong> Zugangsrichtlinie<br />
aufgeführt sind, müssen sie <strong>der</strong> Kommission<br />
einen entsprechenden Antrag vorlegen. Die Kommission<br />
holt den Rat des Kommunikationsausschusses ein, bevor<br />
sie eine Entscheidung trifft.<br />
117. Das Gemeinschaftsrecht und insbeson<strong>der</strong>e Artikel 8 <strong>der</strong><br />
Rahmenrichtlinie schreiben den NRB vor, sicherzustellen,<br />
dass die Maßnahmen, die sie Betreibern mit beträchtlicher<br />
Marktmacht gemäß Artikel 16 <strong>der</strong> Rahmenrichtlinie auferlegen,<br />
in Bezug auf die in Artikel 8 genannten Ziele<br />
gerechtfertigt und angemessen sind. Demzufolge muss<br />
jede Verpflichtung, die von den NRB auferlegt wird, in<br />
einem angemessenen Verhältnis zu dem Problem stehen,<br />
das es zu lösen gilt. Nach Artikel 7 <strong>der</strong> Rahmenrichtlinie<br />
sind die NRB verpflichtet, die geplante Maßnahme zu<br />
begründen, wenn sie die an<strong>der</strong>en NRB und die Kommission<br />
über diese in Kenntnis setzen. Demnach müssen die<br />
NRB — neben <strong>der</strong> Durchführung einer Marktanalyse zur<br />
Ermittlung von beträchtlicher Marktmacht — ihre Entscheidung<br />
<strong>für</strong> eine in Bezug auf die in Artikel 8 genannten<br />
Ziele geplante Maßnahme begründen und erläutern,<br />
warum die Entscheidung als verhältnismäßig zu betrachten<br />
ist.
DE<br />
C 165/22 Amtsblatt <strong>der</strong> Europäischen Gemeinschaften 11.7.2002<br />
118. Bei <strong>der</strong> Würdigung <strong>der</strong> von den NRB nach dem Verfahren<br />
gemäß Artikel 7 <strong>der</strong> Rahmenrichtlinie vorgeschlagenen<br />
Maßnahmen wird die Kommission dem Kriterium<br />
<strong>der</strong> Verhältnismäßigkeit einen hohen Stellenwert einräumen.<br />
Das Verhältnismäßigkeitsprinzip ist im Gemeinschaftsrecht<br />
fest verankert. Es besagt im Wesentlichen,<br />
dass die Mittel, die zur Erreichung eines bestimmten<br />
Zwecks eingesetzt werden, nicht über das hinausgehen<br />
sollten, was zur Erreichung dieses Zwecks angemessen<br />
und erfor<strong>der</strong>lich ist. Um sicherzustellen, dass die vorgeschlagene<br />
Maßnahme mit dem Verhältnismäßigkeitsprinzip<br />
vereinbar ist, muss die geplante Maßnahme ein<br />
berechtigtes Ziel verfolgen. Die Mittel, die zur Erreichung<br />
dieses Ziels eingesetzt werden, müssen notwendig sein,<br />
sollten aber keine unzumutbare Belastung darstellen, d.<br />
h. bei den ergriffenen Maßnahmen sollte es sich um das<br />
Minimum handeln, was zur Erreichung des in Frage stehenden<br />
Ziels erfor<strong>der</strong>lich ist.<br />
119. Insbeson<strong>der</strong>e in <strong>der</strong> ersten Phase <strong>der</strong> Umsetzung des<br />
neuen Rechtsrahmens geht die Kommission nicht davon<br />
aus, dass die NRB bestehende Vorabverpflichtungen, die<br />
sie Betreibern mit beträchtlicher Marktmacht zum Zwecke<br />
einer rechtmäßigen Regulierung auferlegt haben und<br />
die weiterhin relevant sind, aufheben, ohne dass eindeutig<br />
nachgewiesen ist, dass die Verpflichtungen ihren Zweck<br />
erfüllt haben und nicht länger erfor<strong>der</strong>lich sind, da <strong>der</strong><br />
Wettbewerb auf dem relevanten Markt als wirksam erachtet<br />
wird. Im neuen Rechtsrahmen sind verschiedene<br />
Rechtsinstrumente <strong>für</strong> die Lösung unterschiedlicher Probleme<br />
vorgesehen und sollten jeweils den speziellen Problemen<br />
angepasst werden.<br />
120. Wird die Kommission gemäß Artikel 7 Absatz 3 <strong>der</strong><br />
Rahmenrichtlinie von den NRB über geplante Maßnahmen<br />
unterrichtet, soprüft sie, ob diese mit dem Rechtsrahmen<br />
vereinbar sind und welche Auswirkungen sie auf<br />
den Binnenmarkt haben werden.<br />
121. Die Kommission wird die NRB in ihren Bemühungen<br />
unterstützen, einen möglichst einheitlichen Ansatz in Bezug<br />
auf die Wahl <strong>der</strong> Rechtsinstrumente <strong>für</strong> vergleichbare<br />
Situationen in den verschiedenen Mitgliedstaaten sicherzustellen.<br />
Außerdem müssen sich die NRB gemäß Artikel<br />
7 Absatz 2 <strong>der</strong> Rahmenrichtlinie bemühen, Einvernehmen<br />
über die geeignetsten Mittel und Wege zur Bewältigung<br />
beson<strong>der</strong>er Situationen auf dem Markt zu erreichen.<br />
4.2 Län<strong>der</strong>übergreifende Märkte: gemeinsame Analyse<br />
durch die NRB<br />
122. Artikel 15 Absatz 4 <strong>der</strong> Rahmenrichtlinie ermächtigt die<br />
Kommission, eine Entscheidung zur Festlegung län<strong>der</strong>übergreifen<strong>der</strong><br />
relevanter Produktmärkte zu verabschieden,<br />
die die Gemeinschaft o<strong>der</strong> einen wesentlichen Teil<br />
davon umfassen. Gemäß Artikel 16 Absatz 5 <strong>der</strong> Rahmenrichtlinie<br />
führen die betreffenden NRB die Marktanalyse<br />
gemeinsam durch und stellen einvernehmlich fest, ob<br />
Verpflichtungen aufzuerlegen sind. Es wird davon ausgegangen,<br />
dass in <strong>der</strong> Praxis die Gruppe europäischer<br />
Regulierungsstellen ein geeignetes Forum <strong>für</strong> solche gemeinsamen<br />
Analysen bieten wird.<br />
123. Im Allgemeinen sollten die gemeinsamen Analysen <strong>der</strong><br />
NRB nach ähnlichen Verfahren (z. B. in Bezug auf die<br />
öffentliche Anhörung) durchgeführt werden, wie sie <strong>für</strong><br />
<strong>Vorlesung</strong>smaterialien Seite 25<br />
die Marktanalyse einzelner NRB vorgesehen sind. Es müssen<br />
präzise Durchführungsvorschriften in Bezug auf die<br />
gemeinsame Analyse und Entscheidungsfindung erarbeitet<br />
werden.<br />
4.3 Auferlegung bestimmter spezieller Verpflichtungen<br />
<strong>für</strong> Betreiber ohne beträchtlicher Marktmacht<br />
124. In den vorstehenden Teilen dieses Abschnitts wurden die<br />
Verfahren dargelegt, nach denen Unternehmen, die über<br />
beträchtliche Marktmacht verfügen, bestimmte spezielle<br />
Verpflichtungen entsprechend den Artikeln 7 und 8 <strong>der</strong><br />
Zugangsrichtlinie und den Artikeln 16 bis 19 <strong>der</strong> Universaldienstrichtlinie<br />
auferlegt werden können. In Ausnahmefällen<br />
kann auch Betreibern, die nicht als Unternehmen<br />
mit beträchtlicher Marktmacht eingestuft werden,<br />
entsprechend Artikel 8 Absatz 3 <strong>der</strong> Zugangsrichtlinie<br />
ähnliche Verpflichtungen auferlegt werden:<br />
— Verpflichtungen u. a. in Bezug auf Zugangsberechtigungssysteme,<br />
Verpflichtungen in Bezug auf die Zusammenschaltung,<br />
um den End-zu-End-Verbund von<br />
Diensten zu gewährleisten, sowie hinsichtlich des Zugangs<br />
zu Anwendungsprogramm-Schnittstellen und<br />
<strong>elektronischen</strong> Programmführern, um den Zugang<br />
<strong>der</strong> Endnutzer zu vom Mitgliedstaat festgelegten digitalen<br />
Rundfunk- und Fernsehdiensten zu gewährleisten<br />
(Artikel 5 Absätze 1 und 2 sowie Artikel 6 <strong>der</strong><br />
Zugangsrichtlinie);<br />
— Verpflichtungen, die die NRB in Bezug auf die Kolokation<br />
auferlegen können, sofern an<strong>der</strong>e Unternehmen<br />
aus Gründen des Umweltschutzes, <strong>der</strong> öffentlichen<br />
Gesundheit und Sicherheit o<strong>der</strong> <strong>der</strong> Städteplanung<br />
und <strong>der</strong> Raumordnung keinen Zugang zu tragfähigen<br />
Alternativen zur Kolokation haben (Artikel 12<br />
<strong>der</strong> Rahmenrichtlinie);<br />
— Verpflichtungen hinsichtlich einer getrennten Rechnungslegung<br />
<strong>für</strong> Unternehmen, die elektronische<br />
Kommunikationsdienste anbieten und ausschließliche<br />
Rechte <strong>für</strong> die Erbringung von Diensten in an<strong>der</strong>en<br />
Wirtschaftszweigen besitzen (Artikel 13 <strong>der</strong> Rahmenrichtlinie);<br />
— Verpflichtungen im Zusammenhang mit beson<strong>der</strong>en<br />
Verpflichtungen, die ein Unternehmen im Laufe eines<br />
auf Wettbewerb o<strong>der</strong> auf Vergleich beruhenden Auswahlverfahrens<br />
hinsichtlich <strong>der</strong> Nutzungsrechte <strong>für</strong><br />
Funkfrequenzen eingegangen ist (Bedingung B7 des<br />
Anhangs zur Genehmigungsrichtlinie, in Verbindung<br />
mit Artikel 6 Absatz 1 eben dieser Richtlinie);<br />
— Verpflichtungen im Hinblick auf die Verwaltung von<br />
Anrufen zu Teilnehmern mit Hilfe spezieller Nummerierungsressourcen<br />
und Verpflichtungen, die <strong>für</strong><br />
die Nummernübertragbarkeit erfor<strong>der</strong>lich sind (Artikel<br />
27, 28 und 30 <strong>der</strong> Universaldienstrichtlinie);<br />
— Verpflichtungen aufgrund <strong>der</strong> einschlägigen Bestimmungen<br />
<strong>der</strong> Datenschutzrichtlinie und<br />
— Verpflichtungen, die Unternehmen ohne beträchtliche<br />
Marktmacht auferlegt werden müssen, um den internationalen<br />
Verpflichtungen <strong>der</strong> Gemeinschaft nachzukommen.
DE<br />
11.7.2002 Amtsblatt <strong>der</strong> Europäischen Gemeinschaften C 165/23<br />
4.4. Verhältnis zu WTO-Verpflichtungen<br />
125. Die EU und ihre Mitgliedstaaten sind im Rahmen <strong>der</strong><br />
WTO-Verpflichtungen in Bezug auf Unternehmen eingegangen,<br />
die bedeutende Anbieter von grundlegenden Telekommunikationsdiensten<br />
sind ( 122 ). Diese Unternehmen<br />
unterliegen daher allen WTO-Verpflichtungen <strong>für</strong> grundlegende<br />
Telekommunikationsdienste. Durch die Bestimmungen<br />
des neuen Rechtsrahmens, insbeson<strong>der</strong>e in Bezug<br />
auf den Zugang und die Zusammenschaltung, ist<br />
sichergestellt, dass die NRB die relevanten Verpflichtungen<br />
in Übereinstimmung mit den Zusagen <strong>der</strong> Gemeinschaft<br />
und ihrer Mitgliedstaaten im Rahmen <strong>der</strong> WTO<br />
weiterhin auf Unternehmen anwenden, die bedeutende<br />
Anbieter sind.<br />
5. UNTERSUCHUNGSBEFUGNISSE UND VERFAHREN DER ZU-<br />
SAMMENARBEIT ZUM ZWECK DER MARKTANALYSE<br />
5.1 Überblick<br />
126. Dieser Abschnitt <strong>der</strong> Leitlinien befasst sich mit den Verfahren,<br />
die anwendbar sind, damit die NRB die zur<br />
Durchführung einer Marktanalyse erfor<strong>der</strong>lichen Informationen<br />
erlangen.<br />
127. Der Rechtsrahmen enthält Bestimmungen, aufgrund <strong>der</strong>en<br />
die NRB von Unternehmen, die elektronische Kommunikationsnetze<br />
o<strong>der</strong> -dienste anbieten, sämtliche Angaben<br />
einschließlich vertraulicher Informationen einfor<strong>der</strong>n<br />
können, die sie benötigen, um den Wettbewerb<br />
auf den relevanten Märkten zu bewerten, angemessene<br />
Verpflichtungen aufzuerlegen und somit die Einhaltung<br />
des Rechtsrahmens zu gewährleisten.<br />
128. Ferner gibt dieser Abschnitt Anleitungen hinsichtlich <strong>der</strong><br />
Maßnahmen, die eine wirksame Zusammenarbeit zwischen<br />
den NRB und NWB auf nationaler Ebene, zwischen<br />
den NRB untereinan<strong>der</strong> sowie zwischen den verschiedenen<br />
NRB und <strong>der</strong> Kommission auf Gemeinschaftsebene<br />
gewährleisten sollen. Der Abschnitt beschäftigt sich vor<br />
allem mit dem Informationsaustausch zwischen diesen<br />
Behörden.<br />
129. Zahlreiche elektronische Kommunikationsmärkte sind in<br />
einem raschen Wandel begriffen, und ihre Strukturen<br />
verän<strong>der</strong>n sich schnell. Die NRB sollten da<strong>für</strong> Sorge tragen,<br />
dass die Prüfung <strong>der</strong> Wettbewerbslage, die öffentliche<br />
Anhörung und die Feststellung, ob bestimmte Betreiber<br />
über beträchtliche Marktmacht verfügen, innerhalb<br />
eines angemessenen Zeitraums ausgeführt werden.<br />
Unnötige Verzögerungen in <strong>der</strong> Entscheidung könnten<br />
die Investitionsanreize <strong>für</strong> Unternehmen auf dem relevanten<br />
Markt und somit die Interessen <strong>der</strong> Verbraucher beeinträchtigen.<br />
5.2 Marktanalyse und Untersuchungsbefugnisse<br />
130. Gemäß Artikel 16 Absatz 1 <strong>der</strong> Rahmenrichtlinie führen<br />
die NRB sobald wie möglich nach <strong>der</strong> Verabschiedung<br />
<strong>der</strong> Empfehlung und einer diesbezüglichen Entscheidung<br />
o<strong>der</strong> <strong>der</strong>en etwaiger Aktualisierung eine Analyse <strong>der</strong> relevanten<br />
Märkte durch. Die Schlussfolgerungen <strong>der</strong> Analyse<br />
<strong>der</strong> einzelnen relevanten Märkte und die Vorschläge<br />
hinsichtlich <strong>der</strong> zu ergreifenden Maßnahmen sind zu veröffentlichen.<br />
Ferner ist eine Anhörung nach dem in Abschnitt<br />
6 beschriebenen Verfahren durchzuführen.<br />
131. Um eine Marktanalyse durchführen zu können, werden<br />
die NRB zunächst alle Informationen einholen müssen,<br />
<strong>Vorlesung</strong>smaterialien Seite 26<br />
die sie <strong>für</strong> eine Bewertung <strong>der</strong> Marktmacht auf einem<br />
bestimmten Markt <strong>für</strong> erfor<strong>der</strong>lich halten. Sofern diese<br />
Informationen von den Unternehmen direkt eingeholt<br />
werden müssen, sind diese im Rahmen ihrer Allgemeingenehmigung<br />
nach Artikel 11 <strong>der</strong> Genehmigungsrichtlinie<br />
verpflichtet, den NRB alle Informationen zur Verfügung<br />
zu stellen, die diese <strong>für</strong> eine Marktanalyse im<br />
Sinne von Artikel 16 Absatz 2 <strong>der</strong> Rahmenrichtlinie benötigten.<br />
Dies wird durch die eher allgemeine Verpflichtung<br />
nach Artikel 5 Absatz 1 <strong>der</strong> Rahmenrichtlinie untermauert,<br />
nach <strong>der</strong> die Mitgliedstaaten da<strong>für</strong> sorgen müssen,<br />
dass Unternehmen, die elektronische Kommunikationsnetze<br />
und -dienste anbieten, den NRB alle Informationen<br />
zur Verfügung stellen, die diese Behörden benötigen,<br />
um eine Übereinstimmung mit dem Gemeinschaftsrecht<br />
zu gewährleisten.<br />
132. Verlangen die NRB eine Auskunft von einem Unternehmen,<br />
begründen sie ihr Ersuchen und setzen dem Unternehmen<br />
eine Frist <strong>für</strong> die Übermittlung <strong>der</strong> Angaben. Wie<br />
in Artikel 10 Absatz 4 <strong>der</strong> Genehmigungsrichtlinie vorgesehen,<br />
können die NRB ermächtigt werden, Geldstrafen<br />
gegen diejenigen Unternehmen zu verhängen, die <strong>der</strong><br />
Verpflichtung zur Mitteilung von Angaben nicht nachkommen.<br />
133. In Übereinstimmung mit Artikel 5 Absatz 4 <strong>der</strong> Rahmenrichtlinie,<br />
müssen die NRB sämtliche Informationen veröffentlichen,<br />
die zu einem offenen, wettbewerbsorientierten<br />
Markt beitragen, unter Einhaltung <strong>der</strong> einzelstaatlichen<br />
Vorschriften über den Zugang <strong>der</strong> Öffentlichkeit<br />
zu Informationen sowie <strong>der</strong> Rechtsvorschriften <strong>der</strong> Gemeinschaft<br />
und <strong>der</strong> Mitgliedstaaten zur Wahrung von<br />
Geschäftsgeheimnissen.<br />
134. Was vertrauliche Informationen betrifft, sind die NRB<br />
jedoch nach Artikel 5 Absatz 3 <strong>der</strong> Rahmenrichtlinie<br />
verpflichtet, die Vertraulichkeit solcher Informationen in<br />
Übereinstimmung mit den Rechtsvorschriften <strong>der</strong> Gemeinschaft<br />
und <strong>der</strong> Mitgliedstaaten zur Wahrung von<br />
Geschäftsgeheimnissen zu gewährleisten. Diese Vertraulichkeitsverpflichtung<br />
gilt auch <strong>für</strong> alle Informationen,<br />
die von einer an<strong>der</strong>en öffentlichen Behörde vertraulich<br />
übermittelt wurden.<br />
5.3 Verfahren <strong>der</strong> Zusammenarbeit<br />
Zusammenarbeit von NRB und NWB<br />
135. Artikel 16 Absatz 1 <strong>der</strong> Rahmenrichtlinie schreibt vor,<br />
dass die NRB gegebenenfalls die NWB an den Marktanalysen<br />
beteiligen. Die Mitgliedstaaten haben die erfor<strong>der</strong>lichen<br />
Verfahren einzuführen, um sicherzustellen, dass die<br />
Analyse gemäß Artikel 16 <strong>der</strong> Rahmenrichtlinie ordnungsgemäß<br />
durchgeführt wird. Da die NRB ihre Marktanalysen<br />
nach wettbewerbsrechtlichen Methoden durchführen,<br />
sind die Erfahrungen <strong>der</strong> NWB bei <strong>der</strong> Bewertung<br />
<strong>der</strong> Wettbewerbslage von großer Bedeutung. Die Zusammenarbeit<br />
zwischen NRB und NWB wird eine wesentliche<br />
Rolle spielen, doch bleiben die NRB rechtlich gesehen<br />
<strong>für</strong> die Durchführung <strong>der</strong> jeweiligen Analyse verantwortlich.<br />
Werden die Aufgaben gemäß Artikel 16 <strong>der</strong> Rahmenrichtlinie<br />
nach den nationalen Rechtsvorschriften von<br />
zwei o<strong>der</strong> mehr getrennten Regulierungsbehörden durchgeführt,<br />
sosollten die Mitgliedstaaten eine deutliche Aufgabentrennung<br />
gewährleisten und Verfahren <strong>für</strong> die Konsultierung<br />
und Zusammenarbeit zwischen den Regulierungsbehörden<br />
einführen, um eine kohärente Analyse<br />
<strong>der</strong> relevanten Märkte sicherzustellen.
DE<br />
C 165/24 Amtsblatt <strong>der</strong> Europäischen Gemeinschaften 11.7.2002<br />
136. Artikel 3 Absatz 5 <strong>der</strong> Rahmenrichtlinie verpflichtet die<br />
NRB und NWB, miteinan<strong>der</strong> Informationen auszutauschen,<br />
die <strong>für</strong> die Anwendung des Rechtsrahmens notwendig<br />
sind. Dabei ist die Behörde, die Informationen<br />
einholt, an den gleichen Grad an Vertraulichkeit gebunden<br />
wie die Auskunft erteilende Behörde. Aus diesem<br />
Grund sollten die NWB den NRB alle relevanten Informationen<br />
(auch vertrauliche) zur Verfügung stellen, die<br />
sie aufgrund ihrer Untersuchungs- und Vollstreckungsbefugnisse<br />
erhalten haben.<br />
137. Informationen, die in Übereinstimmung mit den Rechtsvorschriften<br />
<strong>der</strong> Gemeinschaft und <strong>der</strong> Mitgliedstaaten<br />
zur Wahrung von Geschäftsgeheimnissen von einer<br />
NWB als vertraulich eingestuft werden, sollten nur dann<br />
mit NRB ausgetauscht werden, wenn dies <strong>für</strong> die Anwendung<br />
<strong>der</strong> Bestimmungen des Rechtsrahmens erfor<strong>der</strong>lich<br />
ist. Der Informationsaustausch sollte sich auf die Informationen<br />
beschränken, die im Hinblick auf das verfolgte<br />
Ziel relevant sind und in einem angemessenen Verhältnis<br />
dazu stehen.<br />
Zusammenarbeit von Kommission und NRB<br />
138. Um eine effektive und effiziente Anwendung des Rechtsrahmens<br />
sicherzustellen, ist ein hohes Maß an Zusammenarbeit<br />
zwischen <strong>der</strong> Kommission und den NRB absolut<br />
erfor<strong>der</strong>lich. Dabei ist eine effektive informelle Zusammenarbeit<br />
von größter Bedeutung. Hier wird <strong>der</strong><br />
Gruppe europäischer Regulierungsstellen als Forum <strong>für</strong><br />
eine solche Zusammenarbeit und im Rahmen ihrer beratenden<br />
Unterstützung <strong>der</strong> Kommission eine wichtige Aufgabe<br />
zukommen. Die Zusammenarbeit wird voraussichtlich<br />
<strong>für</strong> beide Seiten von gegenseitigem Nutzen sein, da<br />
die Wahrscheinlichkeit minimiert wird, dass die NRB —<br />
insbeson<strong>der</strong>e hinsichtlich <strong>der</strong> Rechtsinstrumente, die in<br />
Bezug auf ein und dasselbe Problem eingesetzt werden<br />
— unterschiedliche Ansätze wählen ( 123 ).<br />
139. Gemäß Artikel 5 Absatz 2 <strong>der</strong> Rahmenrichtlinie, übermitteln<br />
die NRB <strong>der</strong> Kommission sämtliche Informationen,<br />
die diese zur Wahrnehmung ihrer Aufgaben aufgrund<br />
des EG-Vertrags benötigt. Dazu zählen auch Angaben<br />
über den Rechtsrahmen (um die Vereinbarkeit <strong>der</strong><br />
NRB-Maßnahmen mit dem Gemeinschaftsrecht zu prüfen)<br />
und Informationen, die die Kommission z. B. zwecks<br />
Einhaltung <strong>der</strong> WTO-Verpflichtungen anfor<strong>der</strong>t.<br />
140. Wenn die NRB Informationen, die sie von Unternehmen<br />
eingeholt haben, an die Kommission weiterleiten, so müssen<br />
sie sicherstellen, dass die betreffenden Unternehmen<br />
darüber in Kenntnis gesetzt werden.<br />
141. Sofern kein ausdrücklicher begründeter gegenteiliger Antrag<br />
<strong>der</strong> übermittelnden Behörde vorliegt, kann die Kommission<br />
die bereitgestellten Informationen einer an<strong>der</strong>en<br />
Behörde eines an<strong>der</strong>en Mitgliedstaats zur Verfügung stellen.<br />
Auch wenn in dieser Hinsicht keine gesetzliche Verpflichtung<br />
besteht, wird die Kommission das Unternehmen,<br />
das die Informationen ursprünglich übermittelt hat,<br />
in <strong>der</strong> Regel darüber unterrichten, dass diese an eine<br />
weitere NRB weitergeleitet wurden.<br />
<strong>Vorlesung</strong>smaterialien Seite 27<br />
Zusammenarbeit zwischen NRB<br />
142. Es ist von überragen<strong>der</strong> Bedeutung, dass die NRB eine<br />
gemeinsame Regulierungspraxis innerhalb <strong>der</strong> Mitgliedstaaten<br />
erarbeiten, die zur Entwicklung eines echten Binnenmarkts<br />
<strong>für</strong> elektronische Kommunikation beitragen<br />
wird. Zu diesem Zweck sind die NRB gemäß Artikel 7<br />
Absatz 2 <strong>der</strong> Rahmenrichtlinie verpflichtet, miteinan<strong>der</strong><br />
und mit <strong>der</strong> Kommission auf transparente Weise zu kooperieren,<br />
um in allen Mitgliedstaaten eine kohärente<br />
Anwendung des neuen Rechtsrahmens zu gewährleisten.<br />
Man geht davon aus, dass <strong>der</strong> Gruppe europäischer Regulierungsstellen<br />
in diesem Zusammenhang eine wichtige<br />
Aufgabe zukommen wird.<br />
143. Artikel 5 Absatz 2 <strong>der</strong> Rahmenrichtlinie sieht ferner vor,<br />
dass die NRB Informationen direkt miteinan<strong>der</strong> austauschen,<br />
sofern ein begründeter Antrag vorliegt. Dies wird<br />
insbeson<strong>der</strong>e <strong>für</strong> die Analyse von län<strong>der</strong>übergreifen<strong>der</strong><br />
Märkte, aber auch im Hinblick auf die Zusammenarbeit<br />
innerhalb <strong>der</strong> Gruppe europäischer Regulierungsstellen<br />
erfor<strong>der</strong>lich sein. Wann immer die NRB Informationen<br />
miteinan<strong>der</strong> austauschen, sind sie zur Wahrung <strong>der</strong> Vertraulichkeit<br />
verpflichtet.<br />
6. KONSULTATIONSVERFAHREN UND VERÖFFENTLICHUNG<br />
DER NRB-ENTSCHEIDUNGSENTWÜRFE<br />
6.1 Öffentliche Anhörung<br />
144. Außer in dringlichen Angelegenheiten (siehe unten) geben<br />
die NRB interessierten Parteien innerhalb einer angemessenen<br />
Frist Gelegenheit zur Stellungnahme zum Entwurf<br />
von Maßnahmen, die sie zu treffen gedenken und<br />
die beträchtliche Auswirkungen auf den betreffenden<br />
Markt haben werden. Zu diesem Zweck müssen die<br />
NRB öffentliche Anhörungen zu den geplanten Maßnahmen<br />
veranstalten. Betrifft <strong>der</strong> Entwurf einer Maßnahme<br />
eine Entscheidung in Bezug auf beträchtliche Marktmacht,<br />
sosollten in diesem<br />
— die zugrunde gelegte Marktdefinition genannt und begründet<br />
werden (mit Ausnahme von Informationen,<br />
die in Übereinstimmung mit den Rechtsvorschriften<br />
<strong>der</strong> Gemeinschaft und <strong>der</strong> Mitgliedstaaten zur Wahrung<br />
von Geschäftsgeheimnissen als vertraulich gelten);<br />
— Beweise <strong>für</strong> die Existenz beträchtlicher Marktmacht<br />
vorgetragen werden (mit Ausnahme von Informationen,<br />
die in Übereinstimmung mit den Rechtsvorschriften<br />
<strong>der</strong> Gemeinschaft und <strong>der</strong> Mitgliedstaaten<br />
zur Wahrung von Geschäftsgeheimnissen als vertraulich<br />
gelten) und die Unternehmen genannt werden,<br />
die als Unternehmen mit beträchtlicher Marktmacht<br />
eingestuft werden sollen;<br />
— umfassende Einzelheiten zu den bereichsspezifischen<br />
Verpflichtungen, <strong>der</strong>en Auferlegung, Beibehaltung,<br />
Än<strong>der</strong>ung o<strong>der</strong> Aufhebung die NRB erwägt, sowie<br />
eine Bewertung <strong>der</strong> Verhältnismäßigkeit <strong>der</strong> vorgeschlagenen<br />
Maßnahmen dargelegt werden.
DE<br />
11.7.2002 Amtsblatt <strong>der</strong> Europäischen Gemeinschaften C 165/25<br />
145. Für die Konsultation ist ein angemessener Zeitraum vorzusehen.<br />
Allerdings sollten die Entscheidungen <strong>der</strong> NRB<br />
nicht übermäßig verzögert werden, da dies die Entwicklung<br />
des Marktes behin<strong>der</strong>n könnte. Aus Gründen, die<br />
mit <strong>der</strong> Ausübung beträchtlicher Marktmacht durch ein<br />
Unternehmen und <strong>der</strong> entsprechenden Feststellung im<br />
Zusammenhang stehen, hält die Kommission einen Zeitraum<br />
von zwei Monaten <strong>für</strong> die öffentliche Anhörung <strong>für</strong><br />
angemessen. Allerdings kann in einigen, begründeten Fällen<br />
eine an<strong>der</strong>e Frist zur Anwendung kommen. An<strong>der</strong>erseits<br />
kann die Dauer <strong>der</strong> Konsultationsphase auch weniger<br />
als zwei Monate betragen, wenn sich <strong>der</strong> Entwurf <strong>für</strong><br />
eine Entscheidung hinsichtlich beträchtlicher Marktmacht<br />
auf die Ergebnisse einer früheren Konsultation stützt.<br />
6.2 Mechanismen zur Konsolidierung des Binnenmarkts<br />
<strong>für</strong> elektronische Kommunikation<br />
146. Wenn eine NRB eine Maßnahme zu treffen beabsichtigt,<br />
die in den Bereich <strong>der</strong> Marktdefinition o<strong>der</strong> -analyse gemäß<br />
den Artikeln 15 und 16 <strong>der</strong> Rahmenrichtlinie fällt,<br />
o<strong>der</strong> wenn sie bestimmte an<strong>der</strong>e spezielle Artikel des<br />
Rechtsrahmens anwendet ( 124 ) und die Maßnahmen Auswirkungen<br />
auf den Handel zwischen den Mitgliedstaaten<br />
haben, muss die NRB <strong>der</strong> Kommission und den NRB <strong>der</strong><br />
an<strong>der</strong>en Mitgliedstaaten den Entwurf <strong>der</strong> Maßnahme zusammen<br />
mit einer Begründung gemäß Artikel 7 Absatz 3<br />
<strong>der</strong> Rahmenrichtlinie zur Verfügung stellen. Dies sollte<br />
zeitgleich mit dem Beginn des öffentlichen Anhörungsverfahrens<br />
erfolgen. Die betreffende NRB muss den an<strong>der</strong>en<br />
NRB und <strong>der</strong> Kommission Gelegenheit geben, zu <strong>der</strong><br />
geplanten Maßnahme Stellung zu nehmen, bevor sie ihre<br />
endgültige Entscheidung trifft. Die Zeit, die den an<strong>der</strong>en<br />
NRB und <strong>der</strong> Kommission zur Stellungnahme eingeräumt<br />
wird, sollte dem Zeitraum entsprechen, <strong>der</strong> von <strong>der</strong> NRB<br />
<strong>für</strong> das nationale Anhörungsverfahren vorgesehen ist, sofern<br />
dieses nicht kürzer ist als die in Artikel 7 Absatz 3<br />
vorgesehene Mindestfrist von einem Monat. Die Kommission<br />
kann in begründeten Fällen entscheiden, ihre Stellungnahme<br />
öffentlich bekannt zu machen.<br />
147. Was Maßnahmen betrifft, die Auswirkungen auf den<br />
Handel zwischen den Mitgliedstaaten haben können, so<br />
sollten darunter Maßnahmen verstanden werden, die unmittelbar<br />
o<strong>der</strong> mittelbar, tatsächlich o<strong>der</strong> potenziell einen<br />
<strong>der</strong>artigen Einfluss auf das Handelsmuster zwischen Mitgliedstaaten<br />
haben können, dass ein Hemmnis <strong>für</strong> den<br />
Binnenmarkt geschaffen wird ( 125 ). Daher können wohl<br />
sehr zahlreiche Maßnahmen Auswirkungen auf den Handel<br />
zwischen Mitgliedstaaten haben.<br />
148. Die NRB müssen die Ergebnisse <strong>der</strong> öffentlichen Anhörung<br />
veröffentlichen, sofern es sich nicht um Informationen<br />
handelt, die in Übereinstimmung mit den Rechtsvorschriften<br />
<strong>der</strong> Gemeinschaft und <strong>der</strong> Mitgliedstaaten zur<br />
Wahrung von Geschäftsgeheimnissen als vertraulich gelten.<br />
149. Mit Ausnahme <strong>der</strong> beiden Spezialfälle, die im folgenden<br />
Abschnitt beschrieben werden, kann die betreffende NRB<br />
die endgültige Maßnahme beschließen, nachdem sie den<br />
Stellungnahmen, die im Rahmen des obligatorischen<br />
Konsultationsverfahrens abgegeben wurden, Rechnung<br />
getragen hat. Die Entscheidung über die endgültige Maßnahme<br />
ist <strong>der</strong> Kommission unverzüglich mitzuteilen.<br />
<strong>Vorlesung</strong>smaterialien Seite 28<br />
6.3 Befugnis <strong>der</strong> Kommission, die NRB zur Rücknahme<br />
eines Maßnahmenentwurfs aufzufor<strong>der</strong>n<br />
150. Gemäß den Bestimmungen von Artikel 7 Absatz 4 <strong>der</strong><br />
Rahmenrichtlinie gibt es zwei Situationen, in denen die<br />
Kommission die Möglichkeit hat, eine NRB aufzufor<strong>der</strong>n,<br />
einen Entwurf einer Maßnahme gemäß Artikel 7 Absatz<br />
3 zurückzuziehen, und zwar wenn<br />
— die geplante Maßnahme die Festlegung eines relevanten<br />
Marktes betrifft, <strong>der</strong> sich von jenen unterscheidet,<br />
die in <strong>der</strong> Empfehlung definiert wurden, o<strong>der</strong><br />
— die geplante Maßnahme die Festlegung betrifft, inwieweit<br />
ein Unternehmen allein o<strong>der</strong> zusammen mit an<strong>der</strong>en<br />
eine beträchtliche Marktmacht hat.<br />
151. Hat die Kommission im Laufe des Konsultationsverfahrens<br />
in Bezug auf die beiden oben genannten Situationen<br />
gegenüber <strong>der</strong> NRB erklärt, dass sie <strong>der</strong> Auffassung ist,<br />
dass <strong>der</strong> Maßnahmenentwurf ein Hemmnis <strong>für</strong> den Binnenmarkt<br />
schaffen würde, o<strong>der</strong> hat sie ernsthafte Zweifel<br />
an <strong>der</strong> Vereinbarkeit mit dem Gemeinschaftsrecht, dann<br />
wird <strong>der</strong> Beschluss über den Maßnahmenentwurf um<br />
höchstens zwei weitere Monate aufgeschoben.<br />
152. Innerhalb dieses Zeitraums kann die Kommission — nach<br />
Beratung mit dem Kommunikationsausschuss entsprechend<br />
dem Beratungsverfahren ( 126 ) — beschließen, die<br />
betreffende NRB aufzufor<strong>der</strong>n, den Entwurf zurückzuziehen.<br />
In dem Beschluss muss detailliert und objektiv analysiert<br />
sein, weshalb die Kommission <strong>der</strong> Auffassung ist,<br />
dass <strong>der</strong> Maßnahmenentwurf nicht angenommen werden<br />
sollte, und es sind zugleich spezielle Vorschläge zur Än<strong>der</strong>ung<br />
des Maßnahmenentwurfs vorzulegen. Hat die<br />
Kommission nach Ablauf dieser Frist keine Entscheidung<br />
erlassen, sokann die NRB die Maßnahme in Kraft setzen.<br />
6.4 Dringliche Angelegenheiten<br />
153. Bei Vorliegen außergewöhnlichen Umständen können die<br />
NRB Dringlichkeitsmaßnahmen ergreifen, um den Wettbewerb<br />
zu gewährleisten und die Nutzerinteressen zu<br />
schützen. Die NRB können somit in Ausnahmefällen angemessene<br />
und einstweilige Maßnahmen erlassen, ohne<br />
die interessierten Parteien, die NRB in den übrigen Mitgliedstaaten<br />
o<strong>der</strong> die Kommission zu konsultieren. Hat<br />
eine NRB solche dringlichen Maßnahmen ergriffen,<br />
muss sie diese <strong>der</strong> Kommission und den übrigen NRB<br />
unverzüglich mit einer vollständigen Begründung mitteilen.<br />
Die Kommission prüft die Vereinbarkeit dieser Maßnahmen<br />
mit dem Gemeinschaftsrecht und insbeson<strong>der</strong>e<br />
ihre Verhältnismäßigkeit im Zusammenhang mit den in<br />
Artikel 8 <strong>der</strong> Rahmenrichtlinie genannten politischen Ziele.<br />
154. Will die NRB diese einstweiligen Maßnahmen dauerhaft<br />
machen o<strong>der</strong> ihre Geltungsdauer verlängern, muss sie das<br />
oben beschriebene normale Konsultationsverfahren einhalten.<br />
Es ist schwer, vorherzusehen, unter welchen Umständen<br />
in Bezug auf die Festlegung eines relevanten<br />
Marktes o<strong>der</strong> die Feststellung eines Betreibers mit beträchtlicher<br />
Marktmacht eine Dringlichkeitsmaßnahme erfor<strong>der</strong>lich<br />
sein wird, da solche Maßnahmen in <strong>der</strong> Regel<br />
nicht unverzüglich umgesetzt werden können. Die Kommission<br />
geht daher nicht davon aus, dass die NRB diese<br />
Regelung in Bezug auf die genannten Fälle anwenden<br />
werden.
DE<br />
C 165/26 Amtsblatt <strong>der</strong> Europäischen Gemeinschaften 11.7.2002<br />
6.5 Erlass <strong>der</strong> endgültigen Entscheidung<br />
155. Sobald die Entscheidung einer NRB endgültig erlassen<br />
wurde, teilt die NRB <strong>der</strong> Kommission die Namen <strong>der</strong><br />
Unternehmen mit, die nach ihrer Feststellung über beträchtliche<br />
Marktmacht verfügen, sowie die Verpflichtungen,<br />
die ihnen gemäß Artikel 36 Absatz 2 <strong>der</strong> Universaldienstrichtlinie<br />
sowie Artikel 15 Absatz 2 und Artikel 16<br />
Absatz 2 <strong>der</strong> Zugangsrichtlinie auferlegt wurden. Die<br />
Kommission macht diese Information in schnell abrufbarer<br />
Form verfügbar und leitet sie gegebenenfalls an<br />
den Kommunikationsausschuss weiter.<br />
156. Auch die NRB veröffentlichen die Namen <strong>der</strong> Unternehmen<br />
mit beträchtlicher Marktmacht und die ihnen auferlegten<br />
Verpflichtungen. Sie tragen da<strong>für</strong> Sorge, dass<br />
aktuelle Informationen so veröffentlicht werden, dass sie<br />
allen interessierten Parteien leicht zugänglich sind.<br />
( 1 ) ABl. L 108 vom 24.4.2002, S. 33.<br />
( 2 ) ABl. L 108 vom 24.4.2002, S. 21.<br />
( 3 ) ABl. L 108 vom 24.4.2002, S. 7.<br />
( 4 ) ABl. L 108 vom 24.4.2002, S. 51.<br />
( 5 ) Muss noch verabschiedet werden.<br />
( 6 ) ABl. L 24 vom 30.1.1998, S. 1.<br />
( 7 ) Außer in den Fällen, in denen <strong>der</strong> neue Rechtsrahmen ausdrücklich zulässt, dass Verpflichtungen unabhängig vom Ausmaß des Wettbewerbs auf<br />
dem Markt auferlegt werden.<br />
( 8 ) Artikel 14 <strong>der</strong> Rahmenrichtlinie.<br />
( 9 ) Außerdem kann die Kommission in einer Entscheidung über län<strong>der</strong>übergreifende Märkte län<strong>der</strong>übergreifende Märkte feststellen, die Merkmale<br />
aufweisen, welche eine bereichsspezifische Regulierung rechtfertigen können.<br />
( 10 ) Erwägungsgrund 27 <strong>der</strong> Rahmenrichtlinie.<br />
( 11 ) Verordnung (EWG) Nr. 4064/89 über die Kontrolle von Unternehmenszusammenschlüssen (ABl. L 395 vom 30.12.1989, S. 1), zuletzt geän<strong>der</strong>t<br />
durch die Verordnung (EG) Nr. 1310/97 des Rates vom 30. Juni 1997 (ABl. L 180 vom 9.7.1997, S. 1) (nachstehend die „Fusionskontrollverordnung“).<br />
( 12 ) Leitlinien <strong>für</strong> die Anwendung <strong>der</strong> EG-Wettbewerbsregeln im Telekommunikationssektor (ABl. C 233 vom 6.9.1991, S. 2).<br />
( 13 ) Bekanntmachung <strong>der</strong> Kommission über die Definition des relevanten Marktes im Sinne des Wettbewerbsrechts <strong>der</strong> Gemeinschaft (ABl. C 372<br />
vom 9.12.1997, S. 5).<br />
( 14 ) Mitteilung über die Anwendung <strong>der</strong> Wettbewerbsregeln auf Zugangsvereinbarungen im Telekommunikationsbereich (ABl. C 265 vom 22.8.1998,<br />
S. 2).<br />
( 15 ) Erwartet wird, dass eine wirksame Zusammenarbeit zwischen NRB und NWB die Parallelisierung <strong>der</strong> Verfahren bezüglich gleicher Marktfragen<br />
verhin<strong>der</strong>n würde.<br />
( 16 ) Leitlinien <strong>für</strong> die Anwendung <strong>der</strong> EG-Wettbewerbsregeln im Telekommunikationssektor (ABl. C 233 vom 6.9.1991, S. 2).<br />
( 17 ) Artikel 14 Absatz 2 <strong>der</strong> Rahmenrichtlinie.<br />
( 18 ) Rechtssache C-209/98, Entreprenørforeningens Affalds, Slg. 2000, I-3743, Rn. 57, und Rechtssache C-242/95, GT-Link, Slg. 1997, I-4449, Rn.<br />
36. Die Marktdefinition ist kein Selbstzweck, son<strong>der</strong>n Teil eines Vorgangs, <strong>der</strong> darauf abzielt, die Marktmacht eines Unternehmens zu bemessen.<br />
( 19 ) Siehe Richtlinie 97/33/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 30. Juni 1997 über die Zusammenschaltung in <strong>der</strong> Telekommunikation<br />
im Hinblick auf die Sicherstellung eines Universaldienstes und <strong>der</strong> Interoperabilität durch Anwendung <strong>der</strong> Grundsätze <strong>für</strong> einen offenen<br />
Netzzugang (ONP) (ABl. L 199 vom 26.7.1997, S. 32) (die „Zusammenschaltungsrichtlinie“), Richtlinie 90/387/EWG des Rates vom 28. Juni<br />
1990 zur Verwirklichung des Binnenmarktes <strong>für</strong> Telekommunikationsdienste durch Einführung eines offenen Netzzugangs (ABl. L 192 vom<br />
24.7.1990, S. 1) (die „ONP-Rahmenrichtlinie“), Richtlinie 92/44/EWG des Rates vom 5. Juni 1992 zur Einführung des offenen Netzzugangs bei<br />
Mietleitungen (ABl. L 165 vom 19.6.1992, S. 27) (die „Mietleitungen-Richtlinie“), Richtlinie 95/62/EG des Europäischen Parlaments und des Rates<br />
vom 13. Dezember 1995 zur Einführung des offenen Netzzugangs (ONP) beim Sprachtelefondienst (ABl. L 321 vom 30.12.1995, S. 6), ersetzt<br />
durch die Richtlinie 98/10/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Februar 1998 über die Anwendung des offenen Netzzugangs<br />
(ONP) beim Sprachtelefondienst und den Universaldienst im Telekommunikationsbereich in einem wettbewerbsorientierten Umfeld (ABl. L 101<br />
vom 1.4.1998, S. 24) (die „ONP-Sprachtelefondienst-Richtlinie“).<br />
( 20 ) Verbundene Rechtssachen C-68/94 und C-30/95, Frankreich und an<strong>der</strong>e/Kommission, Slg. 1998, I-1375. Siehe auch Bekanntmachung über die<br />
Marktdefinition, Rn. 12.<br />
( 21 ) Da <strong>der</strong> Sektor elektronische Kommunikation technologie- und innovationsorientiert ist, können bestimmte Marktdefinitionen zu einem späteren<br />
Zeitpunkt bereits überholt sein.<br />
( 22 ) Bekanntmachung über die Marktdefinition, Rn. 12.<br />
( 23 ) Siehe auch Bekanntmachung über die Marktdefinition, Rn. 20-23, und Sache Nr. IV/M.1225 — Enso/Stora (ABl. L 254 vom 29.9.1999), Rn. 40.<br />
( 24 ) Siehe Bekanntmachung über die Marktdefinition, Rn. 24. Die Unterscheidung zwischen Angebotsumstellungsflexibilität und potenziellem Wettbewerb<br />
dürfte auf dem <strong>elektronischen</strong> Kommunikationsmarkt in Anbetracht seines sehr dynamischen Charakters komplizierter sein als auf<br />
an<strong>der</strong>en Märkten. Wichtig ist vor allem, dass <strong>der</strong> potenzielle Marktzutritt an<strong>der</strong>er Anbieter zu irgendeinem Zeitpunkt in <strong>der</strong> Analyse des<br />
relevanten Marktes berücksichtigt wird, sprich — entwe<strong>der</strong> bei <strong>der</strong> eigentlichen Marktdefinition o<strong>der</strong> bei <strong>der</strong> darauf folgenden Ermittlung<br />
beträchtlicher Marktmacht.<br />
( 25 ) Dabei ist es nicht erfor<strong>der</strong>lich, dass alle Verbraucher zu einem Konkurrenzprodukt wechseln. Es reicht vollkommen aus, wenn eine gewisse o<strong>der</strong><br />
ein hinreichendes Maß an Umstellung stattfindet, sodass eine relative Preiserhöhung nicht gewinnbringend ist. Diese Anfor<strong>der</strong>ung entspricht dem<br />
Grundsatz <strong>der</strong> „ausreichenden Austauschbarkeit“, <strong>der</strong> in <strong>der</strong> Rechtsprechung des Gerichtshofs definiert wurde (siehe Fußnote 32).<br />
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( 26 ) Siehe auch Mitteilung über den Zugang, Rn. 46, und Rechtssache T-83/91, Tetra Pak/Kommission, Slg. 1994, II-755, Rn. 68. Dieser Test ist auch<br />
bekannt unter <strong>der</strong> Abkürzung „SSNIP“ (small but significant non transitory increase in price — kleine, aber signifikante und anhaltende Preiserhöhung).<br />
Obwohl <strong>der</strong> SSNIP-Test lediglich ein Beispiel <strong>für</strong> die Methoden ist, die <strong>für</strong> die Definition des relevanten Marktes — ungeachtet seines<br />
formalen ökonometrischen Charakters o<strong>der</strong> seiner Fehleranfälligkeit (<strong>der</strong> so genannten „cellophane fallacy“, siehe unten) — liegt seine Bedeutung<br />
vor allem in seiner Verwendung als konzeptionelles Instrument <strong>für</strong> die Bewertung des Wettbewerbs zwischen verschiedenen Produkten o<strong>der</strong><br />
Diensten.<br />
( 27 ) Siehe Bekanntmachung über die Marktdefinition, Rn. 17—18.<br />
( 28 ) Mit an<strong>der</strong>en Worten kann bei einer großen Kreuzelastizität <strong>der</strong> Nachfrage zwischen zwei Erzeugnissen darauf geschlossen werden, dass die<br />
Verbraucher diese Erzeugnisse als verwandte Substitute ansehen. Wird die Wahl <strong>der</strong> Verbraucher durch an<strong>der</strong>e Erwägungen als Preiserhöhungen<br />
beeinflusst, soist <strong>der</strong> SSNIP-Test unter Umständen kein geeignetes Instrument <strong>für</strong> die Messung <strong>der</strong> Produktsubstituierbarkeit; siehe Rechtssache<br />
T-25/99, Colin Arthur Roberts und Valerie Ann Roberts/Kommission, Slg. 2001, II-1881.<br />
( 29 ) Für die Anwendung des SSNIP-Tests im Rahmen einer Marktdefinition in Bezug auf Artikel 82 EG-Vertrag wird von einer Wettbewerbsbehörde<br />
o<strong>der</strong> einem Gericht anhand des Preises, <strong>der</strong> von dem angeblichen Monopolisten erhoben wird, ein „Ausgangspreis“ ermittelt. In vergleichbarer<br />
Weise wird bei <strong>der</strong> vorausschauenden Bewertung <strong>der</strong> Auswirkungen, die ein Zusammenschluss auf den Wettbewerb haben könnte, <strong>der</strong> Ausgangspreis<br />
anhand <strong>der</strong> marktüblichen Preise <strong>der</strong> fusionierenden Parteien berechnet. Wenn eine NRB eine Marktanalyse <strong>für</strong> die Anwendung von Artikel<br />
14 <strong>der</strong> Rahmenrichtlinie durchführt, kann es jedoch vorkommen, dass das in Frage stehende Produkt von mehreren Unternehmen angeboten<br />
wird. In diesem Fall sollte <strong>der</strong> Ausgangspreis dem „Durchschnittspreis“ entsprechen.<br />
( 30 ) In diesem Zusammenhang muss erwähnt werden, dass Preise, die aufgrund einer Preisregulierung festgelegt werden, die nicht darauf abzielt,<br />
kostenabhängige Preise son<strong>der</strong>n ein erschwingliches Angebot in Bezug auf die Bereitstellung von Universaldiensten sicherzustellen, wahrscheinlich<br />
nicht wettbewerbsfähig sind und auch nicht als Ausgangspunkt <strong>für</strong> die Anwendung des SSNIP-Tests herangezogen werden sollten.<br />
( 31 ) In <strong>der</strong> Tat ist ein Nachteil des SSNIP-Tests, dass in manchen Fällen eine große Kreuzelastizität <strong>der</strong> Nachfrage bedeutet, dass ein Unternehmen<br />
bereits seine Marktmacht ausnutzt — eine Situation, die im Wettbewerbsrecht und in <strong>der</strong> Praxis als „cellophane fallacy“ bekannt ist. In diesem Fall<br />
entspricht <strong>der</strong> marktübliche Preis nicht dem Wettbewerbspreis. Die Feststellung, ob <strong>der</strong> marktübliche Preis über dem Niveau des wettbewerbsfähigen<br />
Preises liegt, ist zugegebenermaßen einer <strong>der</strong> schwierigsten Aspekte des SSNIP-Tests. Die NRB, die mit solchen Problemen konfrontiert<br />
sind, sollten <strong>für</strong> die Bewertung <strong>der</strong> Nachfrage- und Angebotsubstituierbarkeit auf an<strong>der</strong>e Kriterien zurückgreifen, wie beispielsweise die Funktionalität<br />
<strong>der</strong> Dienste, technische Merkmale usw. Wenn jedoch Beweise da<strong>für</strong> vorliegen, dass sich ein Unternehmen in <strong>der</strong> Vergangenheit<br />
wettbewerbsfeindlich verhalten (Preisabsprache) o<strong>der</strong> seine Marktmacht ausgenutzt hat, sollte dies als Anhaltspunkt da<strong>für</strong> gesehen werden,<br />
dass die Preise nicht den Wettbewerbskräften unterliegen und folglich über dem Wettbewerbspreis liegen dürften.<br />
( 32 ) Rechtssache C-333/94 P, Tetra Pak/Kommission, Slg. 1996, I-5951, Rn. 13, Rechtssache 31/80 L'Oréal, Slg. 1980, 3775, Rn. 25, Rechtssache<br />
322/81, Michelin/Kommission, Slg. 1983, 3461, Rn. 37, Rechtssache C-62/86, AkzoChemie/Kommission, Slg. 1991, I-3359, Rechtssache<br />
T-504/93, Tiercé Ladbroke/Kommission, Slg. 1997, II-923, Rn. 81, Rechtssache T-65/96, Kish Glass/Kommission, Slg. 2000, II-1885, Rn. 62,<br />
Rechtssache C-475/99, Ambulanz Glöckner und Landkreis Südwestpfalz, Slg. 2001, I-0000, Rn. 33. Die Untersuchung <strong>der</strong> ausreichenden<br />
Substituierbarkeit o<strong>der</strong> Austauschbarkeit wurde vom Gerichtshof zum ersten Mal festgelegt in <strong>der</strong> Rechtssache 6/72, Europemballage und<br />
Continental Can/Kommission, Slg. 1973, 215, Rn. 32, und Rechtssache 85/76, Hoffmann La-Roche/Kommission, Slg. 1979, 461, Rn. 23.<br />
( 33 ) Rechtssache C-333/94 P, Tetra Pak/Kommission, Slg. 1996, I-5951, Rn. 13, Rechtssache 66/86, Ahmed Saeed, Slg. 1989, 803, Rnrn. 39 und 40;<br />
Rechtssache United Brands/Kommission, Slg. 1978, 207, Rnrn. 22, 29 und 12; Rechtssache T-229/94, Deutsche Bahn/Kommission, Slg. 1997,<br />
II-1689, Rn. 54. In <strong>der</strong> Rechtssache Tetra Pak hat <strong>der</strong> Gerichtshof bestätigt, dass die Tatsache, dass die Nachfrage nach aseptischen und nicht<br />
aseptischen Kartons <strong>für</strong> die Verpackung von Fruchtsäften zu vernachlässigen und im Vergleich zu <strong>der</strong> Nachfrage nach Kartons, die <strong>für</strong> Milch<br />
verwendet werden, über die Zeit gleichbleibend war, als Beleg da<strong>für</strong> zu sehen ist, dass es nur eine ganz geringe Austauschbarkeit zwischen dem<br />
Milch- und dem Nichtmilchsektor gab, a.a.O., Rnrn. 13 und 15.<br />
( 34 ) Sokönnten bei einer relativen Preiserhöhung zum Beispiel die Nutzer eines Dienstes niedrigeren Preises/geringerer Qualität zu einem Dienst mit<br />
höherem Preis/besserer Qualität wechseln, wenn durch die Preiserhöhung die Kosten <strong>für</strong> einen solchen Schritt (d. h. <strong>der</strong> zu zahlende Mehrpreis)<br />
aufgewogen werden. Im Gegensatz dazu könnten die Nutzer eines Produkts höherer Qualität eine erhöhte Gebühr nicht länger mittragen und zu<br />
einem Dienst geringerer Qualität wechseln. In diesen Fällen scheinen Produkte geringerer und höherer Qualität echte Substitute zu sein.<br />
( 35 ) Mitteilung <strong>der</strong> Kommission — Status <strong>der</strong> Sprachübermittlung im Internet nach Maßgabe des Gemeinschaftsrechts und insbeson<strong>der</strong>e <strong>der</strong> Richtlinie<br />
90/388/EWG — Ergänzung zur Mitteilung <strong>der</strong> Kommission an das Europäische Parlament und den Rat über den Stand <strong>der</strong> Umsetzung <strong>der</strong><br />
Richtlinie 90/388/EWG über den Wettbewerb auf dem Markt <strong>für</strong> Telekommunikationsdienste (ABl. Nr. C 369 vom 22.12.2000, S. 3). Ebenso<br />
kann nicht ausgeschlossen werden, dass in <strong>der</strong> Zukunft die xDSL-Technologie und Multipoint-Videodistributionsdienste über drahtlose Teilnehmeranschlüsse<br />
<strong>für</strong> die Übertragung von TV-Material verwendet werden, in direktem Wettbewerb mit an<strong>der</strong>en bestehenden TV-Übertragungssystemen<br />
über Kabelsysteme, „Direct-To-Home“-Satellitenübertragung und terrestrischen analogen o<strong>der</strong> digitalen Übertragungsplattformen.<br />
( 36 ) Umstellungskosten, die eher auf strategische Entscheidungen seitens <strong>der</strong> Unternehmen und weniger auf exogene Faktoren zurückzuführen sind,<br />
sollten — zusammen mit einigen an<strong>der</strong>en möglichen Zutrittsschranken — in <strong>der</strong> darauf folgenden Phase <strong>der</strong> Ermittlung von beträchtlicher<br />
Marktmacht erwogen werden. Auf einem Markt, <strong>der</strong> sich noch im Wachstum befindet, könnten die Umstellungskosten <strong>für</strong> die bereits „gebundenen“<br />
Verbraucher noch unerheblich sein und somit die Nachfragesubstituierbarkeit und Angebotsumstellungsflexibilität nicht beeinträchtigen.<br />
( 37 ) Der Zeitraum, <strong>der</strong> <strong>für</strong> die Untersuchung <strong>der</strong> wahrscheinlichen Reaktion an<strong>der</strong>er Anbieter bei einer relativen Preiserhöhung zugrunde gelegt<br />
werden sollte, hängt unweigerlich von den Merkmalen des jeweiligen Marktes ab und sollte je nach Fall festgelegt werden.<br />
( 38 ) Siehe auch Rechtssache Nr. C-333/94, Tetra Pak/Kommission, a.a.O., Rn. 19. Wie bereits erwähnt, sollten die erfor<strong>der</strong>lichen Investitionen<br />
innerhalb eines angemessenen Zeitraums getätigt werden.<br />
( 39 ) Siehe auch Sache Nr. COMP/M.2574 — Pirelli/Edizione/Olivetti/Telecom Italia, Rn. 58.<br />
( 40 ) United Brands, a.a.O., Rn. 44; Michelin, a.a.O., Rn. 26; Rechtssache 247/86, Alsatel/Novasam, Slg. 1988, 5987, Rn. 15; Tiercé Ladbroke/Kommission,<br />
a.a.O., Rn. 102.<br />
( 41 ) Deutsche Bahn/Kommission, ebda., Rn. 92; Rechtssache T-139/98, AAMS/Kommission, Slg. 2001, II-0000, Rn. 39.<br />
( 42 ) Siehe z. B. Sache Nr. IV/M.1025, Mannesmann/Olivetti/Infostrada, Rn. 17; Sache Nr. COMP/JV.23 — Telefónica Portugal Telecom/Médi Telecom.<br />
( 43 ) Dieses Gebiet entspricht normalerweise dem Gebiet, in dem ein Betreiber tätig sein darf. In <strong>der</strong> Sache Nr. COMP/M.1650 — ACEA/Telefónica<br />
stellte die Kommission fest, dass <strong>der</strong> räumliche Markt ein lokaler Markt war, da das angemeldete Gemeinschaftsunternehmen über eine Lizenz<br />
verfügen würde, die sich auf das Gebiet von Rom beschränkt; Rn. 16.<br />
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( 44 ) Die Tatsache, dass Mobilfunkbetreiber nur in den Gebieten Dienste anbieten können, <strong>für</strong> die sie über eine Lizenz verfügen, und die Tatsache, dass<br />
eine Netzarchitektur die geografische Tragweite <strong>der</strong> Mobilfunklizenzen wi<strong>der</strong>spiegelt, erklärt, warum Mobilfunkmärkte als nationale Märkte<br />
angesehen werden. Die zusätzlichen Verbindungs- und Kommunikationskosten, die die Verbraucher bei Auslandsgesprächen tragen müssen,<br />
gekoppelt mit dem Verlust bestimmter zusätzlicher Leistungen (z. B. keine Voice-Mail) untermauern noch diese Definition; siehe Sache Nr.<br />
IV/M.1439 — Telia/Telenor, Rn. 124; Sache Nr. IV/M.1430 — Vodafone/Airtouch, Rnrn. 13—17; Sache Nr. COMP/JV.17 — Mannesmann/Bell<br />
Atlantic/Omnitel, Rn. 15.<br />
( 45 ) Zusammenschaltungsvereinbarungen können auch bei <strong>der</strong> räumlichen Abgrenzung des Marktes berücksichtigt werden; Sache Nr. IV/M.570 —<br />
TBT/BT/TeleDanmark/Telenor, Rn. 35.<br />
( 46 ) Sache Nr. IV/M.856 — British Telecom/MCI (II), Rn. 19s; Sache Nr. IV/JV.15 — BT/AT & T, Rnrn. 84 und 92; Sache Nr. COMP/M.2257 —<br />
France Telecom/Equant, Rn. 32. Es ist höchst unwahrscheinlich, dass das Angebot elektronischer Kommunikationsdienste nach nationalen (o<strong>der</strong><br />
lokalen) bilateralen Strecken unterteilt werden kann.<br />
( 47 ) Beispielsweise <strong>der</strong> Markt <strong>für</strong> Backhaul-Kapazitäten auf internationalen Strecken (eine Kabelstation im Land A bedient Land E), wo ein Substitutionspotenzial<br />
zwischen Kabelstationen besteht, die <strong>für</strong> mehrere Län<strong>der</strong> tätig sind (z. B. Kabelstationen, die Land A mit Land B, A mit C und<br />
A mit D verbinden), und woein Anbieter von Backhaul-Kapazitäten <strong>für</strong> die Strecke A nach E aufgrund <strong>der</strong> Möglichkeit <strong>der</strong> Verbraucher, eine <strong>der</strong><br />
an<strong>der</strong>en „Routen“ zu wählen, auf <strong>der</strong> ebenfalls Verkehr von o<strong>der</strong> nach dem Land E möglich ist, eingeengt wird o<strong>der</strong> würde.<br />
( 48 ) Wird ein Markt aufgrund einer bilateralen Strecke definiert, könnte seine räumliche Tragweite über die nationalen Grenzen hinausreichen, sofern<br />
die Anbieter an beiden Endpunkten des Marktes zugegen sind und die Nachfrage an beiden Endpunkten <strong>der</strong> betreffenden Strecke befriedigen<br />
können.<br />
( 49 ) Siehe Bekanntmachung über die Marktdefinition, Rnrn. 57 und 58. Substitutionsketten können beispielsweise entstehen, wenn ein Unternehmen,<br />
das Dienste auf nationaler Ebene anbietet, die Preisbildung von Diensteanbietern auf an<strong>der</strong>en geografischen Märkten beeinflusst. Dies wäre zum<br />
Beispiel <strong>der</strong> Fall, wenn ein auf nationaler Ebene tätiges Unternehmen, das eine beherrschende Stellung innehat, Druck auf die von Kabelnetzanbietern<br />
in bestimmten Bereichen erhobenen Preise ausübt; siehe auch Sache Nr. COMP/M.1628 — TotalFina/Elf (ABl. L 143 vom 29.5.2001, S.<br />
1), Rn. 188.<br />
( 50 ) Eine klare gegenseitige Preisabhängigkeit an den beiden Endpunkten <strong>der</strong> Kette und das Ausmaß <strong>der</strong> Substituierbarkeit zwischen den relevanten<br />
Produkten o<strong>der</strong> geografischen Gebieten müssen eindeutig nachgewiesen werden.<br />
( 51 ) Die Kommission hat in ihren Entscheidungen u. a. folgende Märkte festgestellt: internationale Sprachtelefondienste (Sache Nr. IV/M.856 —<br />
BritishTelecommunications/MCI (II). ABl. L 336 vom 8.12.1997), fortgeschrittene Telekommunikationsdienstleistungen an Unternehmenskunden<br />
(Sache Nr. IV/35.337 — Atlas, ABl. L 239 vom 19.9.1996, Rnrn. 5—7; Sache Nr. IV/35617 — Phoenix/Global/One, ABl. L 239 vom 19.9.1996,<br />
Rn. 6; Sache IV/34.857 — BT-MCI (I), ABl. L 223 vom 27.8.1994), normierte einfache paketvermittelte Datenkommunikationsdienste, Wie<strong>der</strong>verkauf<br />
internationaler Übertragungskapazitäten (Sache Nr. IV/M.975 — Albacom/BT/ENI, Rn. 24, Audiokonferenzdienste (Albacom/BT/ENI, Rn.<br />
17), Dienste <strong>für</strong> satellitengestützte persönliche Kommunikationsdienste (Sache IV/350518 — Iridium, ABl. L 16 vom 18.1.1997), (erweiterte)<br />
weltweite Telekommunikationsdienste (Sache Nr. IV/JV.15 — BT/AT & T; Sache Nr. COMP/M.1741 — MCI WorldCom/Sprint, Rn. 84; Sache Nr.<br />
COMP/M.2257 — France Telecom/Equant, Rn. 18), Telefonauskunft (Sache Nr. IV/M.2468 — SEAT Pagine Gialle/ENIRO, Rn. 19; Sache Nr.<br />
COMP/M.1957 — VIAG Interkom/Telenor Media, Rn. 8), Internetzugangsdienste <strong>für</strong> Endnutzer (Sache Nr. IV/M.1439 — Telia/Telenor, Sache Nr.<br />
COMP/JV.46 — Blackstone/CDPQ/Kabel Nordrhein/Westfalen, Rn. 26; Sache Nr. COMP/M.1838 — BT/Esat, Rn. 7), erstrangige o<strong>der</strong> universelle<br />
Internet-Netzanschlussdienste (Sache Nr. COMP/M.1741 — MCI WorldCom/Sprint, Rn. 52), drahtlose europaweite Mobilfunkdienstleistungen <strong>für</strong><br />
international tätige Mobilfunkkunden (Sache Nr. COMP/M.1975 — Vodafone Airtouch/Mannesmann; Sache Nr. COMP/M.2016 — France<br />
Telecom/Orange, Rn. 15), Roaming-Dienste <strong>für</strong> Mobilfunkbetreiber (Sache COMP/M.1863 — Vodafone/Airtel, Rn. 17) und Markt <strong>für</strong> den<br />
Anschluss an das internationale Signalisierungsnetz (Sache Nr. COMP/M.2598 — TDC/CMG/Migway JV, Rnrn. 17—18).<br />
( 52 ) Siehe verbundene Rechtssachen T-125/97, und T-127/97 The Coca-Cola Company u. a./Kommission, Slg. 2000, II-1733, Rnrn. 81 und 82.<br />
( 53 ) Siehe auch Artikel 15 <strong>der</strong> Rahmenrichtlinie.<br />
( 54 ) Mitteilung über den Zugang, Rn. 45.<br />
( 55 ) Siehe Sache Nr. COMP/M.1439 — Telia/Telenor.<br />
( 56 ) Siehe Telia/Telenor, BT/AT & T, France Télécom/Equant, a.a.O. Siehe auch die Entscheidung <strong>der</strong> Kommission vom 20. Mai 1999 in <strong>der</strong> Sache<br />
Cégétel + 4 (ABl. L 218 vom 18.8.1999), Rn. 22. Zum aufstrebenden Markt <strong>der</strong> weltweiten Breitband-Datenkommunikationsdienstleistungen hat<br />
die Kommission festgestellt, dass diese im Wesentlichen über drei Netzarchitekturen erbracht werden: a) terrestrische Kabelsysteme, b) terrestrische<br />
drahtlose Systeme und c) satellitengestützte Systeme, und dass satellitengestützte Systeme aus Nachfragesicht als geson<strong>der</strong>ter Markt<br />
angesehen werden können, siehe Sache Nr. COMP/M.1564 — Astrolink, Rnrn. 20—23.<br />
( 57 ) Erwägungsgrund 20 <strong>der</strong> Richtlinie 96/19/EG (ABl. L 74 vom 22.3.1996, S. 13). Siehe auch die Mitteilung <strong>der</strong> Kommission: Entbündelter Zugang<br />
zum Teilnehmeranschluss: Wettbewerbsorientierte Bereitstellung einer vollständigen Palette von <strong>elektronischen</strong> Kommunikationsdiensten einschließlich<br />
multimedialer Breitband- und schneller Internet-Dienste (ABl. C 272 vom 23.9.2000, S. 55). Dort heißt es unter 3.2: „Die Dienstekategorien<br />
sind vor allem angesichts des raschen technologischen Wandels aufmerksam zu überwachen und regelmäßig von Fall zu Fall neu zu<br />
bewerten. Allerdings sind diese Dienste <strong>der</strong>zeit in <strong>der</strong> Regel nicht austauschbar und daher als unterschiedliche Märkte zu betrachten.“<br />
( 58 ) Die Kommission hat geson<strong>der</strong>te Märkte <strong>für</strong> Dienste <strong>für</strong> multinationale Großabnehmer definiert, da bei dieser Kundengruppe im Vergleich zu<br />
an<strong>der</strong>en privaten (beruflichen) Nutzern erhebliche Unterschiede in <strong>der</strong> Nachfrage (und im Angebot) von Diensten bestehen, siehe Sache Nr.<br />
IV/JV.15 — BT/AT & T; Sache Nr. COMP/M.1741 — MCI WorldCom/Sprint; Sache Nr. Comp/M.2257 — France Télécom/Equant.<br />
( 59 ) Siehe Mitteilung <strong>der</strong> Kommission über den entbündelten Zugang zum Teilnehmeranschluss, ebda, Abschnitt 3.2. Der Markt <strong>für</strong> schnelle<br />
Kommunikationsdienste könnte möglicherweise in Abhängigkeit von <strong>der</strong> Art <strong>der</strong> angebotenen Dienste noch in weitere Segmente unterteilt<br />
werden (d. h. Internetdienste, Video-on-Demand usw.).<br />
( 60 ) Sache Nr. Comp/M.2574 — Pirelli/Edizione/Olivetti/Telecom Italia, Rn. 33. Man könnte auch anführen, dass die Einwahl ins Internet über<br />
2G-Mobiltelefone gegenüber dem Internetzugang über das öffentliche Telekommunikationsnetz einen eigenständigen Markt darstellt. Nach<br />
Auffassung <strong>der</strong> Kommission ist es unwahrscheinlich, dass <strong>der</strong> Internetzugang über mobile Telefone die bestehenden Internetzugangsmethoden<br />
über den PC substituieren wird, was vor allem an <strong>der</strong> unterschiedlichen Bildschirmgröße und dem Format <strong>der</strong> übertragbaren Daten liegt; siehe<br />
Sache Nr. COMP/M.1982 — Telia/Oracle/Drutt, Rn. 15, und Sache Nr. COMP/JV.48 — Vodafone/Vivendi/Canal+.<br />
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( 61 ) Sache Nr. COMP/M.2469 — Vodafone/Airtel, Rn. 7; Sache Nr. IV/M.1430 — Vodafone/Airtouch; Sache Nr. IV/M.1669 Deutsche Telecom/<br />
One2One, Rn. 7. Ob dieser Markt weiter in einen Träger-(Netzbetreiber-)Markt und einen nachgelagerten Dienstleistungsmarkt unterteilt werden<br />
kann, ist von Fall zu Fall zu entscheiden; siehe Sache Nr. COMP/M.1760 Mannesmann/Orange, Rnrn. 8—10, und Sache Nr. COMP/M.2053 —<br />
Telenor/BellSouth/Sonofon, Rnrn. 9—10.<br />
( 62 ) In <strong>der</strong> Sache British Interactive Broadcasting/Open stellte die Kommission z. B. fest, dass <strong>der</strong> Infrastrukturmarkt <strong>für</strong> die Erbringung von Sprachtelefon-Dienstleistungen<br />
<strong>für</strong> Endverbraucher nicht nur das traditionelle Kupferkabelnetz <strong>der</strong> BT umfasst, son<strong>der</strong>n auch die Kabelnetze <strong>der</strong><br />
Kabelbetreiber, <strong>der</strong>en Verwendung <strong>für</strong> Sprachtelefondienste technisch möglich ist, sowie voraussichtlich auch die drahtlosen Festnetze (Sache<br />
Nr. IV/36.359, ABl. L 312 vom 6.12.1999, Rnrn. 33—38). In <strong>der</strong> Sache Nr. IV/M.1113 — Nortel/Norweb hatte die Kommission anerkannt, dass<br />
Stromnetze, die die „Digital Power Line“-Technik verwendeten, eine Alternative zu bestehenden herkömmlichen Ortsnetzen bieten könnten (Rnrn.<br />
28—29).<br />
( 63 ) Bei <strong>der</strong> Beurteilung <strong>der</strong> Wettbewerbsbedingungen auf dem irischen Netzmarkt nach Abschluss <strong>der</strong> Liberalisierung berücksichtigte die Kommission<br />
auch damalige potenzielle Anbieter alternativer Infrastrukturen im Bereich <strong>der</strong> Kabelfernseh- und Elektrizitätsnetze (Sache Telecom Eireann, ebda.,<br />
Rn. 30). Die Kommission ließ die Frage offen, ob eine auf dem Meeresboden verlegte Netzinfrastruktur gegenüber terrestrischen o<strong>der</strong> satellitengestützten<br />
Übertragungsnetzen als ein geson<strong>der</strong>ter Markt anzusehen war (Sache Nr. COMP/M.1926 — Telefónica/Tyco/JV, Rn. 8).<br />
( 64 ) Sache Nr. COMP/M.1439 — Telia/Telenor, Rn. 79. So hat die Kommission beispielsweise in <strong>der</strong> Sache Nr. COMP/2598 — TDC/CMG/Migway JV,<br />
Rnrn. 28—29, einen neu entstehenden europaweiten Markt <strong>für</strong> den Zugang <strong>für</strong> Großkunden (SMS) zu Mobilfunkinfrastruktur ausgemacht.<br />
( 65 ) Bei <strong>der</strong> Anwendung dieser Kriterien hat die Kommission festgestellt, dass die Vermietung von Übertragungskapazitäten und die Erbringung<br />
zugehöriger Dienstleistungen an an<strong>der</strong>e Betreiber im Bereich <strong>der</strong> Festnetz-Infrastruktur auf Großhandelsebene stattfindet (<strong>der</strong> Markt <strong>der</strong> Trägerdienste<br />
<strong>für</strong> Träger, siehe Sache Nr. IV/M.683 — GTS-HERMES Inc./HIT Rail BV, Rn. 14, Sache Nr. IV/M.1069 — WorldCom/MCI (ABl. L 116<br />
vom 4.5.1999, S. 1); Sache Unisource, ABl. L 318 vom 20.11.1997, S. 1; Sache Phoenix/Global One, ABl. L 239 vom 19.9.1996, S. 57; Sache<br />
Nr. IV/JV.2, Enel/FT/DT. In <strong>der</strong> Sache Nr. COMP/M.1439 — Telia/Telenor hat die Kommission unterschiedliche Nachfragemuster in Bezug auf<br />
den Zugang von Großkunden- und Einzelkunden (Endnutzer) zu Netzinfrastruktur festgestellt (Bereitstellung o<strong>der</strong> Zugang zu Teilnehmeranschlüssen,<br />
Bereitstellung o<strong>der</strong> Zugang zu Fernleitungs- und Auslandsleitungsnetzinfrastruktur), Rnrn. 75—83.<br />
( 66 ) Siehe Fußnote 58.<br />
( 67 ) Glasfasernetze sind <strong>der</strong>zeit nur auf vorgeschalteten Übertragungsstrecken wettbewerbsfähig, wohingegen drahtlose Teilnehmeranschlüsse, die<br />
noch zu verlegen sind, kurz- bis mittelfristig vor allem zur Deckung des Bedarfs professioneller Kunden und einzelner Endnutzer mit bestimmten<br />
Bedürfnissen geeignet sein werden. Mit Ausnahme bestimmter nationaler Märkte erfor<strong>der</strong>n Kabelnetze kostspielige Aufrüstungen <strong>für</strong> die Bereitstellung<br />
bidirektionaler Breitband-Telekommunikationsdienste, und im Vergleich zu Hochgeschwindigkeitstechnologien (DSL-Technologie) kann<br />
die Bandbreite nicht garantiert werden, da die Kunden den Kabelkanal miteinan<strong>der</strong> teilen.<br />
( 68 ) Siehe auch Sache Nr. IV/JV.11 — @Home Benelux BV.<br />
( 69 ) Wenn ein Unternehmen Gespräche an die Abonnenten eines bestimmten Netzes vermitteln will, hat es grundsätzlich keine an<strong>der</strong>e Wahl, als das<br />
Netz, bei dem <strong>der</strong> Gesprächsteilnehmer abonniert ist, anzurufen o<strong>der</strong> seine Infrastruktur mit diesem Netz zusammenzuschalten. So sehen<br />
beispielsweise — in Anbetracht des „calling party pays“-Prinzips — Betreiber von Mobilfunknetzen keinen Anreiz, hinsichtlich <strong>der</strong> Preise <strong>für</strong><br />
Abschlussdienste in einen Wettbewerb einzutreten. Siehe auch: OECD, „Competition issues in Telecommunications-Background Note for the<br />
Secretariat“, DAFFE/CLP/WP2(2001)3, und die Pressemitteilung IP/02/483 <strong>der</strong> Kommission.<br />
( 70 ) Rechtssache 27/76, United Brands/Kommission, Slg. 1978, 207.<br />
( 71 ) Siehe auch Erwägungsgrund 25 <strong>der</strong> Rahmenrichtlinie.<br />
( 72 ) Siehe Artikel 14 Absatz 2 und Erwägungsgrund 28 <strong>der</strong> Rahmenrichtlinie.<br />
( 73 ) Es wird darauf hingewiesen, dass die NRB keine missbräuchliche Ausnutzung einer beherrschenden Stellung feststellen müssen, um ein Unternehmen<br />
als Unternehmen mit beträchtlicher Marktmacht zu bezeichnen.<br />
( 74 ) Rechtssache 85/76, Hoffmann-La Roche/Kommission, Slg. 1979, 461, Rn. 39. An dieser Stelle sei darauf hingewiesen, dass — wenn einem<br />
Unternehmen zum Zweck einer Ex-ante-Regulierung bereits Vorabverpflichtungen auferlegt wurden — die Tatsache, dass <strong>der</strong> Wettbewerb auf<br />
dem relevanten Markt aufgrund eben dieser Vorabverpflichtungen wie<strong>der</strong>hergestellt wurde, nicht zwangsläufig bedeutet, dass das Unternehmen<br />
nicht länger eine beherrschende Stellung einnimmt und daher nicht mehr als Unternehmen mit beträchtlicher Marktmacht zu bezeichnen ist.<br />
( 75 ) Ist eine Dienstleistung o<strong>der</strong> ein Produkt nicht substituierbar, kann dies zur Feststellung einer wirtschaftlichen Abhängigkeit führen, die <strong>für</strong> das<br />
Vorhandensein einer beherrschenden Stellung charakteristisch ist; siehe die Entscheidungen <strong>der</strong> Kommission in den Sachen Decca Navigator<br />
System, ABl. L 43 vom 15.2.1987, S. 27, und Magill TV Guide: ITP, BBC, RTE, ABl. L 78 vom 21.3.1989, S. 43, sowie Rechtssache 22/78<br />
Hugin/Kommission, Slg. 1979, 1869, sowie Rechtssache 226/84, British Leyland/Kommission, Slg. 1986, 3263.<br />
( 76 ) Siehe auch Erwägungsgrund 15 <strong>der</strong> Fusionskontrollverordnung (EWG) Nr. 4064/89.<br />
( 77 ) United Brands/Kommission, a.a.O.; je größer <strong>der</strong> Unterschied zwischen dem Marktanteil des betroffenen Unternehmens und dem seiner Konkurrenten,<br />
umsowahrscheinlicher eine beherrschende Stellung des betroffenen Unternehmens. Sowurde in <strong>der</strong> Sache Nr. COMP/M.1741 — MCI<br />
WorldCom/Sprint beispielsweise festgestellt, dass die fusionierte Einheit auf dem Markt <strong>für</strong> erstrangige Internet-Netzanschlussdienste zusammen<br />
über einen absoluten Marktanteil von mehr als [35-45] % verfügen würde, d. h. über einen Anteil, <strong>der</strong> den ihres größten Konkurrenten um ein<br />
Mehrfaches überschreitet, wodurch sie in <strong>der</strong> Lage wäre, sich unabhängig von Mitbewerbern und Kunden zu verhalten (siehe Rnrn. 114, 123,<br />
126, 146, 155 und 196).<br />
( 78 ) Rechtssache C-62/86, AKZO/Kommission, Slg. 1991, I-3359, Rn. 60; Rechtssache T-228/97, Irish Sugar/Kommission, Slg. 1999, II-2969, Rn. 70;<br />
Rechtssache Hoffmann-La Roche/Kommission, a.a.O., Rn. 41; Rechtssache T-139/98, AAMS und an<strong>der</strong>e/Kommission, Slg. 2001, II-0000, Rn. 51.<br />
Große Marktanteile sind jedoch nur dann als genauer Gradmesser <strong>für</strong> Marktmacht anzusehen, wenn die Konkurrenten ihre Produktion o<strong>der</strong> ihre<br />
Leistungen nicht in ausreichendem Umfang erhöhen könnten, um den durch die Preiserhöhung des Konkurrenten bedingten Nachfrageumschwungs<br />
zu decken.<br />
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DE<br />
C 165/30 Amtsblatt <strong>der</strong> Europäischen Gemeinschaften 11.7.2002<br />
( 79 ) Rechtssache Hoffmann-La Roche/Kommission, s.o., Rn. 41, Rechtssache C-62/86, Akzo/Kommission, Slg. 1991, I-3359, Rnrn. 56 u. 59. „Ein<br />
Unternehmen, das längere Zeit einen beson<strong>der</strong>s hohen Marktanteil besitzt, befindet sich aufgrund seines Produktions- und Angebotsvolumens —<br />
ohne dass die Inhaber erheblich geringerer Anteile imstande wären, die Nachfrage, die sich von dem Unternehmen mit dem größten Anteil<br />
abwenden will, rasch zu befriedigen — in einer Machtposition, die aus diesem Unternehmen einen Zwangspartner macht und ihm bereits<br />
deswegen, jedenfalls während relativ langer Zeiträume, die Unabhängigkeit des Verhaltens sichert, die <strong>für</strong> eine beherrschende Stellung kennzeichnend<br />
ist“, Rechtssache AAMS und an<strong>der</strong>e/Kommission, a.a.O., Rn. 51.<br />
( 80 ) Bekanntmachung über die Marktdefinition, S. 5.<br />
( 81 ) Siehe Sache Nr. COMP/M.1741 — MCI WorlCom/Sprint, Rnrn. 239—240. Allerdings ist es bei Ausschreibungsmärkten wichtig, nicht nur auf die<br />
Marktanteile zu schauen, da diese nicht immer <strong>für</strong> die tatsächliche Position des Unternehmens repräsentativ sind. Zu weiteren Diskussionen, siehe<br />
auch Sache Nr. COMP/M.2201 — MAN/Auwärter.<br />
( 82 ) Siehe „Determination of Organizations with Significant Power (SMP) for the implementation of the ONP Directive“, GD XIII, 1. März 1999, auf<br />
<strong>der</strong> Website: http://europa.eu.int/ISPO/infosoc/telecompolicy/en/SMPdeter.pdf, Abschnitt 3.2.<br />
( 83 ) Ebda., Abschnitt 5.2.<br />
( 84 ) Auf dem Zusammenschaltungsmarkt sind sowohl beim Fest- als auch beim Mobilfunknetz zum einen die Gespräche innerhalb des unternehmenseigenen<br />
Netzes und zum an<strong>der</strong>en die eingehenden Gespräche aus sämtlichen an<strong>der</strong>en Fest- und Mobilfunknetzen im In- und Ausland zu<br />
berücksichtigen.<br />
( 85 ) Hoffmann-La Roche/Kommission, a.a.O., Rn. 48. Eine <strong>der</strong> bedeutendsten Zutrittsschranken ist ein niedriges Preisniveau. Dies ist in Anbetracht <strong>der</strong><br />
umfangreichen Investitionen, die beispielsweise <strong>für</strong> den Aufbau eines leistungsfähigen <strong>elektronischen</strong> Kommunikationsnetzes erfor<strong>der</strong>lich sind, <strong>für</strong><br />
den Bereich <strong>der</strong> <strong>elektronischen</strong> Kommunikation von beson<strong>der</strong>er Bedeutung. Es liegt auf <strong>der</strong> Hand, dass nur ein sehr geringer Teil <strong>der</strong> Investitionskosten<br />
wie<strong>der</strong> hereingeholt werden könnte, sollte sich ein Markteinsteiger entschließen, den Markt wie<strong>der</strong> zu verlassen. Die Zutrittshemmnisse<br />
werden durch Verbundvorteile und die Marktdichte verschärft, die solche Netze in <strong>der</strong> Regel auszeichnen. Demnach werden die Preise in großen<br />
Netzen immer unter denen kleiner Netze liegen. Das bedeutet, dass ein Markteinsteiger, <strong>der</strong> einen großen Marktanteil gewinnen möchte, seine<br />
Dienste zu einem niedrigeren Preis anbieten muss, als <strong>der</strong> auf dem Markt etablierte Betreiber. Dies aber macht es <strong>für</strong> den Markteinsteiger<br />
schwierig, seine Investitionen zu decken.<br />
( 86 ) Verbundene Rechtssachen C-241/91 P und C-242/91 P, RTE und ITP/Kommission, Slg. 1995, I-743; Rechtssache C-7/97, Oscar Bronner, Slg.<br />
1998, I-7791; verbundene Rechtssachen T-374/94, T-375/94, T-384/94 und T-388/94, European Night Services und an<strong>der</strong>e/Kommission, Slg.<br />
1998, II-3141.<br />
( 87 ) Sache Nr. COMP/M.1741 — MCI WorldCom/Sprint, Rn. 196.<br />
( 88 ) Rechtssache C-333/94 P, Tetra Pak/Kommission, Slg. 1996, I-5951.<br />
( 89 ) Siehe auch Sache Nr. COMP/M.2146 — Tetra Laval/Sidel, Rnrn. 325—389, rechtshängig, T-5/02.<br />
( 90 ) Siehe Mitteilung über den Zugang, Rn. 65.<br />
( 91 ) Bei horizontalen Märkten sollte sich die Marktanalyse auf die Ermittlung enger Interdependenzen konzentrieren, die es einem Unternehmen, das<br />
auf einem bestimmten Markt eine beherrschende Stellung einnimmt, ermöglichen, sich auch auf einem benachbarten Markt unabhängig von<br />
seinen Konkurrenten zu verhalten. Solche Interdependenzen können unter Umständen festgestellt werden, indem man das Verhalten von<br />
Anbietern und Nutzern auf den in Frage stehenden Märkten (identische Kundenkreise und/o<strong>der</strong> Anbieter, z. B. Kunden, die sowohl Sprachtelefondienste<br />
als auch Internetzugangsdienste <strong>für</strong> Endverbraucher in Anspruch nehmen) o<strong>der</strong> die Frage untersucht, ob das Input-Produkt bzw.<br />
<strong>der</strong> Dienst im Wesentlichen identisch sind (d. h. Bereitstellung einer Netzinfrastruktur durch einen etablierten Betreiber <strong>für</strong> Internetdiensteanbieter<br />
zum Zweck des Verbindungsaufbaus und <strong>der</strong> Anrufzustellung <strong>für</strong> Großverbraucher); siehe auch Rechtssache T-83/91, Tetra Pak/Kommission,<br />
a.a.O., Rn. 120, und Sache Nr. COMP/M.2416 — Tetra Laval/Sidel.<br />
( 92 ) Artikel 14 Absatz 3 <strong>der</strong> Rahmenrichtlinie sollte nicht in Bezug auf Marktmacht angewandt werden, die von einem „regulierten“ Markt auf einen<br />
neu entstehenden „nicht regulierten“ Markt übertragen wird. In diesem Fall fiele jegliche missbräuchliche Ausnutzung einer beherrschenden<br />
Stellung normalerweise unter Artikel 82 EG-Vertrag.<br />
( 93 ) Mitteilung über den Zugang, Rn. 79.<br />
( 94 ) Verbundene Rechtssachen C-395/96 P und C-396/96 P, Compagnie maritime Belge u. a./Kommission, Slg. 2000, I-1365.<br />
( 95 ) Ebda. Rn. 39.<br />
( 96 ) Rechtssache T-102/96, Gencor/Kommission, Slg. 1999, II-753.<br />
( 97 ) Siehe verbundene Rechtssachen T-68/89, T-77/89 und T-78/89, SIV u. a./Kommission, Slg. 1992, II-1403, Rn. 358; Rechtssache C-393/92<br />
Almelo, Slg. 1994, I-1477, Rn. 43; Rechtssache C-96/94, Centro Servizi Spediporto, Slg. 1995, I-2883, Rn. 33; verbundene Rechtssachen<br />
C-140/94, 141/94 und C-142/94, DIP, Slg. 1995, I-3257, Rn. 62; Rechtssache C-70/95, Sodemare, Slg. 1997, I-3395, Rn. 46; verbundene<br />
Rechtssachen C-68/94 und C-30/95, France u. a/Kommission, Slg. 1998, I-1375, Rn. 221.<br />
( 98 ) Sache Nr. IV/M.619, Gencor Lonrho (ABl. L 11 vom 14.1.1997, S. 30).<br />
( 99 ) Gencor/Kommission, a.a.O., Rn. 276.<br />
( 100 ) Ebda., Rn. 277.<br />
( 101 ) Compagnie Maritime Belge u. a., a.a.O., Rn. 39, siehe auch Rechtssache T-342/99 Airtours/Commission, Slg. 2002, II-0000, Rn. 76.<br />
( 102 ) Siehe insbeson<strong>der</strong>e Frankreich u a./Kommission, a.a.O., Rn. 221.<br />
( 103 ) Compagnie Maritime Belge u. a., a.a.O., Rn. 39.<br />
( 104 ) Ebda., Rn. 44.<br />
( 105 ) Ebda., Rn. 45.<br />
( 106 ) Der hier verwendete Begriff <strong>der</strong> „Koordinierung“ unterscheidet sich nicht von dem des „wettbewerbswidrigen Parallelverhaltens“, <strong>der</strong> ebenfalls in<br />
Entscheidungen <strong>der</strong> Kommission vorkommt, in denen <strong>der</strong> Begriff <strong>der</strong> kollektiven „oligopolistischen“ Marktbeherrschung verwendet wird.<br />
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DE<br />
11.7.2002 Amtsblatt <strong>der</strong> Europäischen Gemeinschaften C 165/31<br />
( 107 ) Siehe insbeson<strong>der</strong>e Sachen Nr. COMP/M.2498 — UPM-Kymmene/Haindl und COMP/M.2499 — Norske Skog/Parenco/Walsum; Sache Nr.<br />
COMP/M.2201 — MAN/Auwärter; Sache Nr. COMP/M. 2097 — SCA/Metsä Tissue; Sache Nr. COMP/M. 1882 — Pirelli/BICC; Sache Nr.<br />
COMP/M.1741 — MCI WorldCom/Sprint, rechtshängig, T-310/00; Sache Nr. IV/M.1524 — Airtours/First Choice (ABl. L 93 vom 13.4.2000,<br />
S. 1), rechtshängig T-342/99; Sache Nr. IV/M.1383 — Exxon/Mobil; Sache Nr IV/M.1313 — Danish Crown/Vestjyske Slagterier (ABl. L 20 vom<br />
25.1.2000, S. 1); Sache Nr. IV/M1225 — Enso/Stora (ABl. L 254 vom 29.9.1999, S. 9); Sache Nr. IV/M1016 — Price Waterhouse/Coopers & Lybrand<br />
(ABl. L 50 vom 26.2.1999, S. 27); Sache Nr. IV/M.619 — Gencor/Lonrho, a.a.O.; Sache Nr. IV/M.308, Kali + Salz/MdK/Treuhand (ABl.<br />
L 186 vom 21.7.1994, S. 38); Sache Nr. IV/M.190 — Nestlé/Perrier (ABl. L 356 vom 5.12.1992, S. 1).<br />
( 108 ) Dies entspricht im Wesentlichen den Untersuchungen, die die Kommission <strong>für</strong> ihre früheren Entscheidungen im Hinblick auf eine gemeinsame<br />
beherrschen<strong>der</strong> Stellung durchgeführt hat, siehe z. B. Sache Nr. IV/M.190 — Nestlé/Perrier (ABl. L 356 vom 5.12.1992, S. 1); Gencor/Lonrho,<br />
a.a.O.; Sache Nr. IV/M.1383 — Exxon/Mobil, Rn. 259; Sache Nr. IV/M.1524 — Airtours/First Choice (ABl. L 93 vom 13.4.2000, S. 1) und Sache<br />
Nr. COMP/M.2499 — Norske Skog/Parenco/Walsum, Rn. 76; siehe auch Airtours/Commission, a.a.O., Rn. 62.<br />
( 109 ) Siehe auch Erwägungsgrund 26 <strong>der</strong> Rahmenrichtlinie: „Bei zwei o<strong>der</strong> mehr Unternehmen kann davon ausgegangen werden, dass sie gemeinsam<br />
eine marktbeherrschende Stellung nicht nur dann einnehmen, wenn strukturelle o<strong>der</strong> sonstige Beziehungen zwischen ihnen bestehen, son<strong>der</strong>n<br />
auch, wenn die Struktur des betreffenden Marktes als för<strong>der</strong>lich <strong>für</strong> koordinierte Effekte angesehen wird, das heißt wenn hierdurch ein paralleles<br />
o<strong>der</strong> angeglichenes wettbewerbswidriges Verhalten auf dem Markt geför<strong>der</strong>t wird“.<br />
( 110 ) Siehe Sache Nr. COMP/M.2498 — UPM-Kymmene/Haindl und Sache Nr. COMP/M.2499 — Norske Skog/Parenco/Walsum, Rn. 77.<br />
( 111 ) Siehe z. B. Sache Nr. COMP/M.2097 — SCA/Metsä Tissue.<br />
( 112 ) So kam die Kommission beispielsweise in <strong>der</strong> Sache Nr. COMP/M.2201 — MAN/Auwärter trotz <strong>der</strong> Tatsache, dass die beiden Anbieter<br />
(MAN/Auwärter und EvoBus) den deutschen Markt <strong>für</strong> Stadtbusse jeweils zu fast 50 % beliefern, zu dem Schluss, dass keine Gefahr einer<br />
kollektiven Marktbeherrschung bestand. Die Kommission stellte insbeson<strong>der</strong>e fest, dass eine stillschweigende Marktaufteilung zwischen EvoBus<br />
und MAN/Auwärter unwahrscheinlich ist, da es keinen tragfähigen Koordinierungsmechanismus gibt. Außerdem gibt es erhebliche Unterschiede<br />
zwischen EvoBus und MAN/Auwärter (z. B. unterschiedliche Kostenstrukturen), die einen Wettbewerb zwischen den Unternehmen wahrscheinlicher<br />
machen als eine Kollusion. In ähnlicher Weise kam die Kommission in <strong>der</strong> Sache Alcoa/British Aluminium trotz <strong>der</strong> Tatsache, dass die<br />
beiden Anbieter auf dem relevanten Markt zusammen einen Anteil von 80 % innehaben, zu dem Schluss, dass <strong>der</strong> Markt keine Anreize <strong>für</strong> eine<br />
oligopolistische Marktbeherrschung bietet. Zum einen waren die Marktanteile nicht gleichbleibend und instabil; zum an<strong>der</strong>en war die Nachfrage<br />
ungleichmäßig, was eine stillschweigende Koordinierung des Verhaltens <strong>der</strong> Marktteilnehmer erschwert. Außerdem war <strong>der</strong> Markt in Bezug auf<br />
die Preise nicht transparent, und die Käufer verfügten über eine erhebliche Gegenmacht. Die Schlussfolgerungen <strong>der</strong> Kommission wurden zum<br />
einen durch das Fehlen eines glaubhaften Mechanismus <strong>für</strong> Gegenmaßnahmen bestätigt, <strong>der</strong> Rückschlüsse auf eine stillschweigende Koordinierung<br />
zugelassen hätte; zum an<strong>der</strong>en wurden sie bestätigt durch die Tatsache, dass <strong>der</strong> Wettbewerb auf dem Markt sich nicht nur über die Preise<br />
ausdrückt, son<strong>der</strong>n auch zu einem nicht unerheblichen Teil durch technologische Innovation und Kundenbetreuung gekennzeichnet ist, Sache Nr.<br />
COMP/M.2111 — Alcoa/British Aluminium.<br />
( 113 ) In ähnlicher Weise hat die Kommission in <strong>der</strong> Sache Nr. COMP/M.2348 — Outokumpu/Norzink festgestellt, dass — obwohl auf dem Zinkmarkt<br />
nur wenige Teilnehmer zu finden sind — die Zutrittsschranken hoch und die Aussichten <strong>für</strong> einen Anstieg <strong>der</strong> Nachfrage gering waren. Aus<br />
diesem Grunde war die Entstehung einer Marktstruktur, die Anreize <strong>für</strong> ein koordiniertes Verhalten bietet, unwahrscheinlich, sofern nachgewiesen<br />
werden konnte, dass 1. die Parteien keinen Einfluss auf die Preisbildung haben und 2. die Kostenstrukturen <strong>der</strong> Hersteller asymmetrisch sind<br />
und dass es keinen glaubhaften Mechanismus <strong>für</strong> Gegenmaßnahmen gibt.<br />
( 114 ) Siehe Sache Nr. COMP/M.1741 — MCI WorldCom/Sprint, Rn. 263.<br />
( 115 ) Ebda., Rnrn. 257—302.<br />
( 116 ) Sache Nr. COMP/M.1838 — BT/Esat.<br />
( 117 ) Ebda., Rnrn. 10—14.<br />
( 118 ) Sache Nr. IV/M.1430 — Vodafone/Airtouch.<br />
( 119 ) Ebda., Rn. 28. Die Wahrscheinlichkeit eines duopolistischen Marktes betraf lediglich die drei größten Mobilfunkbetreiber, nämlich D2 und E-Plus<br />
einerseits und T-Mobil an<strong>der</strong>erseits, da <strong>der</strong> Marktanteil von VIAG Interkom unter 5 % lag. Die Wettbewerbsbedenken <strong>der</strong> Kommission wurden<br />
mit <strong>der</strong> Zusage <strong>der</strong> Parteien ausgeräumt, die gesamte Beteiligung von Vodafone an E-Plus zu veräußern.<br />
( 120 ) Sache Nr. COMP/M.2016 — France Telecom/Orange, Rn. 26.<br />
( 121 ) Ebda., Rnrn. 39—40. In ihrer Arbeitsunterlage „On the initial findings of the sector inquiry into mobile roaming charges“ verwies die Kommission<br />
auf a) mehrere wirtschaftliche Bindungen zwischen den Mobilfunkbetreibern (u. a. ihre Zusammenschaltungsverträge, ihre gemeinsame<br />
Mitgliedschaft in <strong>der</strong> Mobilfunkvereinigung, dem WAP- und dem UMTS-Forum sowie auf die hohe Standardisierung <strong>der</strong> Konditionen in<br />
Roaming-Vereinbarungen) sowie b) auf die hohen Marktzutrittsschranken. In ihrer vorläufigen Bewertung betonte die Kommission ferner den<br />
Umstand, dass die allgemeine Technologielastigkeit des Mobilfunkmarkts die Wettbewerbsbedingungen auf dem internationalen Markt <strong>für</strong> das<br />
Roaming zwischen Mobilfunkbetreibern offensichtlich nicht beeinträchtigt hat; siehe: http://europa.eu.int/comm/competition/antitrust/others/<br />
sector_inquiries/roaming/, S. 24—25.<br />
( 122 ) Die GATS-Verpflichtungen <strong>der</strong> EG im Telekommunikationssektor können auf folgen<strong>der</strong> Internet-Seite abgerufen werden: http://gats-info.eu.int/<br />
gats-info/swtosvc.pl?&SECCODE=02.C.<br />
( 123 ) Auch <strong>der</strong> Kommunikationsausschuss gemäß Artikel 22 <strong>der</strong> Rahmenrichtlinie hat eine wirksame Zusammenarbeit zwischen <strong>der</strong> Kommission und<br />
den Mitgliedstaaten zum Ziel.<br />
( 124 ) Speziell handelt es sich dabei um die Artikel 15 und 16 <strong>der</strong> Rahmenrichtlinie, von denen sich <strong>der</strong> letztere auf die Artikel 16 bis 19 <strong>der</strong><br />
Universaldienstrichtlinie und die Artikel 7 und 8 <strong>der</strong> Zugangsrichtlinie bezieht, die Artikel 5 und 8 <strong>der</strong> Zugangsrichtlinie, von denen sich <strong>der</strong><br />
letztere auf die Verpflichtungen gemäß den Artikeln 9 bis 13 <strong>der</strong> Zugangsrichtlinie bezieht, und Artikel 16 <strong>der</strong> Universaldienstrichtlinie, <strong>der</strong> auf<br />
die Artikel 17 bis 19 <strong>der</strong> Universaldienstrichtlinie verweist. Wichtig ist außerdem auch Artikel 6 <strong>der</strong> Zugangsrichtlinie, auf den zwar in Artikel 7<br />
<strong>der</strong> Rahmenrichtlinie nicht ausdrücklich Bezug genommen wird, <strong>der</strong> aber seinerseits Verweise auf Artikel 7 <strong>der</strong> Rahmenrichtlinie enthält und <strong>für</strong><br />
den daher die dort genannten Verfahren gelten.<br />
( 125 ) Erwägungsgrund 38 <strong>der</strong> Rahmenrichtlinie.<br />
( 126 ) Gemäß Artikel 3 des Beschlusses 1999/468/EG des Rates zur Festlegung <strong>der</strong> Modalitäten <strong>für</strong> die Ausübung <strong>der</strong> <strong>der</strong> Kommission übertragenen<br />
Durchführungsbefugnisse berücksichtigt die Kommission die Stellungnahme des Ausschusses so weit wie möglich, ist jedoch nicht daran<br />
gebunden.<br />
<strong>Vorlesung</strong>smaterialien Seite 34
TKMVO 2003<br />
<strong>Vorlesung</strong>smaterialien Seite 35
1. Verordnung <strong>der</strong> Rundfunk und Telekom Regulierungs-GmbH, mit <strong>der</strong> die <strong>der</strong><br />
sektorspezifischen ex-ante Regulierung unterliegenden relevanten nationalen Märkte<br />
<strong>für</strong> den Telekommunikationssektor festgelegt werden (Telekommunikations-<br />
märkteverordnung 2003 – TKMVO 2003)<br />
Auf Grund des § 36 Abs. 1 und 2 des Bundesgesetzes, mit dem ein<br />
Telekommunikationsgesetz erlassen wird (Telekommunikationsgesetz 2003 - TKG 2003),<br />
BGBl I Nr. 70/2003, wird verordnet:<br />
§ 1. Folgende nationale Märkte werden als sachlich relevant festgelegt:<br />
1. Zugang von Privatkunden zum öffentlichen Telefonnetz an festen Standorten<br />
(Endkundenmarkt)<br />
2. Zugang von Nichtprivatkunden zum öffentlichen Telefonnetz an festen Standorten<br />
(Endkundenmarkt)<br />
3. Inlandsgespräche <strong>für</strong> Privatkunden über das öffentliche Telefonnetz an festen<br />
Standorten (Endkundenmarkt)<br />
4. Inlandsgespräche <strong>für</strong> Nichtprivatkunden über das öffentliche Telefonnetz an festen<br />
Standorten (Endkundenmarkt)<br />
5. Auslandsgespräche <strong>für</strong> Privatkunden über das öffentliche Telefonnetz an festen<br />
Standorten (Endkundenmarkt)<br />
6. Auslandsgespräche <strong>für</strong> Nichtprivatkunden über das öffentliche Telefonnetz an festen<br />
Standorten (Endkundenmarkt)<br />
7. Originierung im öffentlichen Telefonnetz an festen Standorten (Vorleistungsmarkt)<br />
8. Terminierung in individuellen öffentlichen Telefonnetzen an festen Standorten<br />
(Vorleistungsmarkt)<br />
9. Transitdienste im öffentlichen Festtelefonnetz (Vorleistungsmarkt)<br />
10. Mindestangebot an Mietleitungen mit bestimmten Mietleitungstypen bis einschließlich<br />
2 Mbit/s (Endkundenmarkt)<br />
11. Trunk-Segmente von Mietleitungen (Vorleistungsmarkt)<br />
12. Terminierende Segmente von Mietleitungen (Vorleistungsmarkt)<br />
<strong>Vorlesung</strong>smaterialien Seite 36
13. Entbündelter Zugang einschließlich gemeinsamer Zugang zu Drahtleitungen und<br />
Teilabschnitten davon <strong>für</strong> die Erbringung von Breitband- und Sprachdiensten<br />
(Vorleistungsmarkt)<br />
14. Zugang und Originierung in öffentlichen Mobiltelefonnetzen (Vorleistungsmarkt)<br />
15. Terminierung in individuellen öffentlichen Mobiltelefonnetzen (Vorleistungsmarkt)<br />
16. Nationaler Vorleistungsmarkt <strong>für</strong> internationales Roaming in öffentlichen<br />
Mobiltelefonnetzen (Vorleistungsmarkt)<br />
§ 2. Räumlich relevantes Ausdehnungsgebiet <strong>der</strong> in § 1 angeführten sachlich relevanten<br />
Märkte ist das Bundesgebiet.<br />
§ 3. Diese Verordnung tritt mit 17.10.2003 in Kraft.<br />
Rundfunk und Telekom Regulierungs-GmbH<br />
Wien, am 15.10.2003<br />
Dr. Georg Serentschy<br />
Geschäftsführer Fachbereich Telekommunikation<br />
<strong>Vorlesung</strong>smaterialien Seite 37
Erläuterungen zur TKMVO 2003<br />
<strong>Vorlesung</strong>smaterialien Seite 38
(UOlXWHUQGH %HPHUNXQJHQ ]XU<br />
7HOHNRPPXQLNDWLRQVPlUNWHYHURUGQXQJ ± 7.092<br />
Allgemeines:<br />
Diese Verordnung dient als Grundlage <strong>für</strong> die gem. § 37 TKG 2003 von <strong>der</strong> Telekom-<br />
Control-Kommission durchzuführenden Verfahren zur Ermittlung effektiven Wettbe-<br />
werbs bzw. <strong>der</strong> Feststellung von beträchtlicher Marktmacht eines o<strong>der</strong> mehrerer Unter-<br />
nehmen.<br />
Zu § 1:<br />
Die getroffene Reihung <strong>der</strong> Märkte erfolgt unter Berücksichtigung <strong>der</strong> aus ökonomi<br />
scher Sicht bestehenden Verbindungen zwischen den gegenständlichen Märkten, ins-<br />
beson<strong>der</strong>e im Verhältnis zwischen Vorleistungs- und Endkundenmärkten. Sie weicht<br />
insoferne von <strong>der</strong> in <strong>der</strong> Empfehlung <strong>der</strong> Europäischen Kommission vom 11.2.2003<br />
über relevante Produkt- und Dienstemärkte des <strong>elektronischen</strong> Kommunikationssek-<br />
tors, die aufgrund <strong>der</strong> Richtlinie 2002/21/EG des Europäischen Parlaments und des<br />
Rates über einen gemeinsamen Rechtsrahmen <strong>für</strong> elektronische Kommunikationsnet-<br />
ze und –dienste <strong>für</strong> eine Vorabregulierung in Betracht kommen (ABl L 114/45 v.<br />
8.5.2003; hinfort: „Märkteempfehlung <strong>der</strong> Europäischen Kommission“) vorgenomme-<br />
nen Reihung ab.<br />
Definitionen:<br />
Der Ausdruck „Privatkunden“ stammt aus <strong>der</strong> Märkteempfehlung <strong>der</strong> Europäischen<br />
Kommission. Er umfasst all jene Kunden, die nicht von <strong>der</strong> folgenden Definition um-<br />
fasst sind.<br />
Nichtprivatkunden im Sinne dieser Bestimmung sind alle juristischen Personen und<br />
Körperschaften des öffentlichen o<strong>der</strong> privaten Rechts, Personengesellschaften, eingetra-<br />
gene Erwerbsgesellschaften und Gesellschaften bürgerlichen Rechts sowie natürli-<br />
che und juristische Personen, die Unternehmer im Sinne von § 1 Konsumentenschutz-<br />
gesetz, BGBl Nr. 140/1979 idgF sind. Vorbereitungsgeschäfte im Sinne von § 1 Abs 3<br />
leg cit sind <strong>für</strong> Zwecke <strong>der</strong> gegenständlichen Marktabgrenzungen den jeweiligen Märk-<br />
ten <strong>für</strong> Nichtprivatkunden zuzurechnen.<br />
<strong>Vorlesung</strong>smaterialien Seite 39
Unter Mietleitungen werden Einrichtungen verstanden, die transparente Übertragungskapazität<br />
zwischen zwei in Österreich gelegenen Netzabschlusspunkten (symmetrisch<br />
bidirektional) zur Verfügung stellen. Ein weiteres Merkmal von Mietleitungen ist die<br />
fehlende Vermittlungsfunktion, dh. <strong>der</strong> Nutzer verfügt über keine Steuerungsmöglich-<br />
keiten (fehlende on demand switching-Funktion). Diese Definition gilt sowohl <strong>für</strong> Miet-<br />
leitungen auf Endkunden- als auch <strong>für</strong> solche auf Vorleistungsebene.<br />
Entsprechend dieser Definition gibt es drei Merkmale, die kumulativ vorliegen müssen,<br />
um eine Übertragungseinrichtung als Mietleitung zu klassifizieren:<br />
• Eine Mietleitung ist eine symmetrische bidirektionale Punkt-zu-Punkt-<br />
Verbindung, die Daten- und Sprachverkehr ermöglicht.<br />
• Eine Mietleitung ist eine transparente Übertragungseinrichtung: Transparenz<br />
bezeichnet die Eigenschaft, dass Nutzdatenbits von einer Übertragungseinrichtung<br />
unverän<strong>der</strong>t übertragen werden.<br />
• Eine Mietleitung ist eine Übertragungseinrichtung ohne Vermittlungsfunktion:<br />
Dies bedeutet, dass <strong>der</strong> Nutzer keine Möglichkeit zur Verbindungssteuerung<br />
besitzt. Das Fehlen <strong>der</strong> Vermittlungsfunktion ergibt sich daraus, dass inner-<br />
halb <strong>der</strong> Übertragungseinrichtung keine Verbindungssteuerungsinformatio-<br />
nen aus dem Bitstrom an <strong>der</strong> Nutzerschnittstelle ausgewertet werden.<br />
Für die Klassifikation einer Übertragungseinrichtung als Mietleitung ist es grundsätzlich<br />
unerheblich, über welche Technologie ihre Realisierung erfolgt.<br />
Entscheidend ist die Funktion <strong>für</strong> den Nutzer, nicht die technische Realisierung zwi-<br />
schen den beiden Kundenschnittstellen bzw. die Produktbezeichnung auf dem Markt<br />
(z.B. sind auch sog. Wavelength Services o<strong>der</strong> auf ATM-Technik realisierte Übertragungsstrecken<br />
mit kundenseitigen SDH- o<strong>der</strong> PDH-Schnittstellen Mietleitungen im obigen<br />
Sinn).<br />
Im Folgenden werden unter Kommunikationsnetzen- und –diensten öffentliche Kommunikationsnetze<br />
bzw. öffentlich angebotene Kommunikationsdienste verstanden.<br />
Erläuternde Bemerkungen in Bezug auf einzelne Märkte:<br />
1. Zugang von Privatkunden zum öffentlichen Telefonnetz an festen Standorten<br />
Dieser Markt entspricht Markt Nr. 1 <strong>der</strong> Märkteempfehlung <strong>der</strong> Europäischen<br />
Kommission.<br />
Bestandteil des Zugangsmarktes zum öffentlichen Telefonnetz an festen<br />
Standorten sind analoge und digitale Zugangsrealisierungen zum öffentli-<br />
chen Telefonnetz über ein eigenes Kupferdoppela<strong>der</strong>- bzw. Glasfasernetz,<br />
entbündelte Leitungen, Mietleitungen und über Kabelnetze (CATV-<br />
Anschlüsse). Der Zugang umfasst Anschluss und Erreichbarkeit <strong>für</strong> ankom-<br />
<strong>Vorlesung</strong>smaterialien Seite 40<br />
2
mende Verbindungen. Zugangsrealisierungen zum öffentlichen Telefonnetz<br />
über Mobiltelefonnetze sind nicht Bestandteil dieses Marktes.<br />
Aufgrund unterschiedlicher Nachfragecharakteristik und an<strong>der</strong>en Formen <strong>der</strong><br />
Marktbearbeitung durch Anbieter sind Privat- und Nichtprivatkunden getrenn-<br />
ten Märkten zuzurechnen.<br />
2. Zugang von Nichtprivatkunden zum öffentlichen Telefonnetz an festen Standorten<br />
Dieser Markt entspricht Markt Nr. 2 <strong>der</strong> Märkteempfehlung <strong>der</strong> Europäischen<br />
Kommission.<br />
Hinsichtlich <strong>der</strong> umfassten Zugangsrealisierungen siehe die EB zu Markt Nr.<br />
1. Hinsichtlich <strong>der</strong> Abgrenzung zum Endkundenmarkt <strong>für</strong> den Zugang von<br />
Privatkunden siehe die vorangestellten Definitionen.<br />
3. Inlandsgespräche <strong>für</strong> Privatkunden über das öffentliche Telefonnetz an festen<br />
Standorten<br />
Dieser Markt entspricht Markt Nr. 3 <strong>der</strong> Märkteempfehlung <strong>der</strong> Europäischen<br />
Kommission.<br />
Sämtliche Verbindungen zu im Inland gelegenen Standorten bilden einen<br />
einheitlichen Markt. Aufgrund unterschiedlicher Nachfragecharakteristik und<br />
an<strong>der</strong>en Formen <strong>der</strong> Marktbearbeitung durch Anbieter sind Privat- und<br />
Nichtprivatkunden getrennten Märkten zuzurechnen.<br />
Dieser Markt beinhaltet auch Wählverbindungen über Fax und Modem.<br />
4. Inlandsgespräche <strong>für</strong> Nichtprivatkunden über das öffentliche Telefonnetz an festen<br />
Standorten<br />
Dieser Markt entspricht Markt Nr. 5 <strong>der</strong> Märkteempfehlung <strong>der</strong> Europäischen<br />
Kommission.<br />
Zur Abgrenzung des Marktes <strong>für</strong> Inlandsgespräche siehe die EB zu Markt<br />
Nr. 3.<br />
Zur Abgrenzung Privatkunden - Nichtprivatkunden siehe die vorangestellten<br />
Definitionen.<br />
Dieser Markt beinhaltet auch Wählverbindungen über Fax und Modem.<br />
<strong>Vorlesung</strong>smaterialien Seite 41<br />
3
5. Auslandsgespräche <strong>für</strong> Privatkunden über das öffentliche Telefonnetz an festen<br />
Standorten<br />
Dieser Markt entspricht Markt Nr. 4 <strong>der</strong> Märkteempfehlung <strong>der</strong> Europäischen<br />
Kommission.<br />
Im Ausland tätige Kommunikationsnetzbetreiber, die aus dem Inland kom-<br />
menden Verkehr transitieren bzw. terminieren, sind gegebenenfalls an<strong>der</strong>en<br />
regulatorischen Bedingungen unterworfen als im Inland tätige Kommunikati-<br />
onsnetzbetreiber. Da im Inland tätige Betreiber zur Durchführung von Aus-<br />
landsgesprächen auf oben genannte Vorleistungen zurückgreifen müssen,<br />
unterschiedliche wettbewerbliche Gegebenheiten vorliegen und darüber hin-<br />
aus unterschiedliche Verrechnungsregimes (z.B. Accounting Rate Regime)<br />
zur Anwendung kommen, ist von einem eigenen und einheitlichen Markt <strong>für</strong><br />
Auslandsgespräche auszugehen.<br />
Aufgrund unterschiedlicher Nachfragecharakteristik und an<strong>der</strong>en Formen <strong>der</strong><br />
Marktbearbeitung durch Anbieter sind Privat- und Nichtprivatkunden getrenn-<br />
ten Märkten zuzurechnen.<br />
Zur Abgrenzung Privatkunden - Nichtprivatkunden siehe die vorangestellten<br />
Definitionen.<br />
Dieser Markt beinhaltet auch Wählverbindungen über Fax und Modem.<br />
6. Auslandsgespräche <strong>für</strong> Nichtprivatkunden über das öffentliche Telefonnetz an festen<br />
Standorten<br />
Dieser Markt entspricht Markt Nr. 6 <strong>der</strong> Märkteempfehlung <strong>der</strong> Europäischen<br />
Kommission.<br />
Zur Abgrenzung des Marktes <strong>für</strong> Auslandsgespräche siehe die EB zu Markt<br />
Nr. 5.<br />
Zur Abgrenzung Privatkunden - Nichtprivatkunden siehe die vorangestellten<br />
Definitionen.<br />
Dieser Markt beinhaltet auch Wählverbindungen über Fax und Modem.<br />
7. Originierung im öffentlichen Telefonnetz an festen Standorten<br />
Dieser Markt entspricht Markt Nr. 8 <strong>der</strong> Märkteempfehlung <strong>der</strong> Europäischen<br />
Kommission.<br />
<strong>Vorlesung</strong>smaterialien Seite 42<br />
4
Unter Originierung versteht man eine Vorleistung von Teilnehmernetzbetreibern,<br />
<strong>der</strong>en Zweck darin besteht, den von Nutzern an Netzabschlusspunkten<br />
des eigenen Kommunikationsnetzes initiierten Verkehr vom Netzabschlusspunkt<br />
bis zur nächstgelegenen mit an<strong>der</strong>en Netzen zusammenschaltungsfähigen<br />
Vermittlungsstelle zu führen. Eine zusammenschaltungsfähige Vermittlungsstelle<br />
ist eine Vermittlungsstelle, an <strong>der</strong> ein solcher Verkehr zumindest<br />
einem an<strong>der</strong>en Netzbetreiber übergeben wird.<br />
Nachfrager <strong>der</strong> Originierungsleistung sind hauptsächlich Verbindungsnetzbetreiber,<br />
die aufgrund von Betreiberauswahl bzw. –vorauswahl von Nutzern<br />
an<strong>der</strong>er Kommunikationsnetze ausgewählt werden, um abgehende Verbindungen<br />
abzuwickeln.<br />
Weitere Nachfrager <strong>der</strong> Originierungsleistung sind Dienstenetzbetreiber.<br />
Damit die in ihren Netzen betriebenen Dienste(nummern) von Nutzern ande-<br />
rer Kommunikationsnetze erreicht werden können, müssen Dienstenetzbetreiber<br />
auf die Originierungsleistung des betreffenden Teilnehmernetzbetreibers<br />
zurückgreifen.<br />
Teilnehmernetzbetreiber erbringen Originierungsleistungen an sich selbst,<br />
auch dann, wenn die Originierung nicht über eine mit an<strong>der</strong>en Netzen zusammenschaltungsfähige<br />
Vermittlungsstelle erfolgt.<br />
Dies ist jeweils unabhängig davon, ob die Originierungsleistung als Vorleistungsbestandteil<br />
eines Endkundenprodukts dem eigenen Kommunikationsdienstebetreiber<br />
o<strong>der</strong> einem Dritten angeboten wird.<br />
Dieser Markt inkludiert Gesprächs- sowie Fax- und Modemwählverbindun-<br />
gen.<br />
Der relevante Markt inkludiert die Originierungsleistungen aller Teilnehmernetzbetreiber.<br />
8. Terminierung in individuellen öffentlichen Telefonnetzen an festen Standorten<br />
Dieser Markt entspricht Markt Nr. 9 <strong>der</strong> Märkteempfehlung <strong>der</strong> Europäischen<br />
Kommission.<br />
Terminierung ist eine Vorleistung jedes einzelnen Teilnehmernetzbetreibers,<br />
<strong>der</strong>en Zweck darin besteht, ankommenden Verkehr <strong>für</strong> im eigenen Netz liegende<br />
Netzabschlusspunkte von <strong>der</strong> letzten vor dem Netzabschlusspunkt<br />
liegenden und mit an<strong>der</strong>en Netzen zusammenschaltungsfähigen Vermitt-<br />
lungsstelle bis zum Netzabschlusspunkt zu führen. Eine zusammenschal-<br />
tungsfähige Vermittlungsstelle ist eine Vermittlungsstelle, an <strong>der</strong> ein solcher<br />
Verkehr zumindest von einem an<strong>der</strong>en Netzbetreiber übergeben wird.<br />
<strong>Vorlesung</strong>smaterialien Seite 43<br />
5
Nachfrager <strong>der</strong> Terminierungsleistung sind Verbindungsnetz- und Teilnehmernetzbetreiber,<br />
die Verbindungen realisieren.<br />
Teilnehmernetzbetreiber, die über Zugänge zum öffentlichen Telefonnetz an<br />
festen Standorten verfügen, erbringen innerhalb je<strong>der</strong> netzinternen Verbin-<br />
dung eine Terminierungsleistung an sich selbst, auch dann, wenn <strong>der</strong> terminierende<br />
Verkehr nicht über eine mit an<strong>der</strong>en Netzen zusammenschaltungsfähige<br />
Vermittlungsstelle bis zum Netzabschlusspunkt geführt wird.<br />
Dies ist jeweils unabhängig davon, ob die Terminierung als Vorleistungsbestandteil<br />
eines Endkundenprodukts dem eigenen Kommunikationsdienstebetreiber<br />
o<strong>der</strong> einem Dritten angeboten wird.<br />
Dieser Markt inkludiert Gesprächs- sowie Fax- und Modemwählverbindungen<br />
mit Ausnahme von Einwahlverbindungen zum Internet.<br />
Die Vorleistung <strong>der</strong> Terminierung kann durch keinen an<strong>der</strong>en Anbieter er-<br />
bracht werden als den, an dessen Netz <strong>der</strong> Teilnehmer angeschaltet ist. So-<br />
hin handelt es sich um netzbetreiberindividuelle Terminierungsmärkte.<br />
9. Transitdienste im öffentlichen Festtelefonnetz<br />
Dieser Markt entspricht Markt Nr. 10 <strong>der</strong> Märkteempfehlung <strong>der</strong> Europäi-<br />
schen Kommission.<br />
Mit Transit wird <strong>der</strong> Transport des Verkehrs zwischen zwei mit an<strong>der</strong>en Net-<br />
zen zusammenschaltungsfähigen Vermittlungsstellen o<strong>der</strong> zwischen zwei<br />
Einzugsbereichen von zusammenschaltungsfähigen Vermittlungsstellen be<br />
zeichnet. Somit können als Transitleistungen diejenigen Leistungen bezeich-<br />
net werden, die von Kommunikationsnetzbetreibern zur Überwindung von<br />
Streckenabschnitten erbracht werden und we<strong>der</strong> als Originierung noch als<br />
Terminierung im Sinn obiger Ausführungen zu erfassen sind.<br />
Transitleistungen werden dann erbracht, wenn <strong>der</strong> durch einen Nutzer im Be-<br />
reich einer mit an<strong>der</strong>en Netzen zusammenschaltungsfähigen Vermittlungs-<br />
stelle initiierte Verkehr nicht über dieselbe Vermittlungsstelle an den vom<br />
Nutzer adressierten Netzabschlusspunkt zugestellt wird. Dies ist immer dann<br />
<strong>der</strong> Fall, wenn <strong>für</strong> die Herstellung einer Verbindung innerhalb eines öffentli-<br />
chen Festnetzes mehrere (mit an<strong>der</strong>en Netzen) zusammenschaltungsfähige<br />
Vermittlungsstellen in Anspruch genommen werden o<strong>der</strong> aber die Zusam-<br />
menschaltung eines Fest- bzw. Mobiltelefonnetzes mit einem an<strong>der</strong>en Fest-<br />
bzw. Mobiltelefonnetz (Verkehr über joining link) erfor<strong>der</strong>lich ist.<br />
<strong>Vorlesung</strong>smaterialien Seite 44<br />
6
Als Transitleistung ist schließlich <strong>der</strong> von einer mit an<strong>der</strong>en Netzen zusam-<br />
menschaltungsfähigen Vermittlungsstelle nach einer ausländischen Destina-<br />
tion bzw. <strong>der</strong> von einer Destination im Ausland zu einer zusammenschal-<br />
tungsfähigen Vermittlungsstelle geführte Verkehr zu klassifizieren. Transit-<br />
leistungen innerhalb eines Netzes werden dem betreffenden Netz zugerech-<br />
net. Transitleistungen zwischen Netzen (joining link) werden jenem Kommu-<br />
nikationsnetzbetreiber zugerechnet, dem <strong>für</strong> diese Leistung ein Transitentgelt<br />
zufließt. Fließt kein Transitentgelt, so werden Transitleistungen jenem Kom-<br />
munikationsnetzbetreiber zugerechnet, dessen mit ihm in wirtschaftlicher<br />
Verbindung stehen<strong>der</strong> Kommunikationsdienstebetreiber das Endkundenent-<br />
gelt <strong>für</strong> die betreffende Verbindung festlegt.<br />
Dieser Markt inkludiert Gesprächs- sowie Fax- und Modemwählverbindun-<br />
gen.<br />
Der relevante Markt inkludiert die Transitleistungen aller Kommunikations-<br />
netzbetreiber.<br />
10. Mindestangebot an Mietleitungen mit bestimmten Mietleitungstypen bis einschließ-<br />
lich 2 Mbit/s<br />
Dieser Markt entspricht Markt Nr. 7 <strong>der</strong> Märkteempfehlung <strong>der</strong> Europäischen<br />
Kommission.<br />
Der Markt <strong>für</strong> Mietleitungen auf Endkundenebene umfasst einerseits analoge<br />
Mietleitungen mit einer Bandbreite <strong>für</strong> Sprache in normaler o<strong>der</strong> beson<strong>der</strong>er<br />
Qualität, an<strong>der</strong>erseits digitale Mietleitungen mit 64 kbit/s sowie 2048 kbit/s<br />
(letztere strukturiert und unstrukturiert). Darüber hinaus sind Mietleitungen<br />
mit einer Kapazität eines Vielfachen von 64 kbit/s bis zu einer Obergrenze<br />
von 2048 kbit/s Teil des Marktes.<br />
Dieser Markt umfasst weiters unbeschaltete Kupferdoppela<strong>der</strong>n zwischen<br />
Netzabschlusspunkten, die von Kommunikationsnetz- und<br />
–dienstebetreibern vermietet worden sind.<br />
Dieser Markt enthält nicht Verbindungen mit nutzerseitigen X.25-, ATM-, IP-<br />
und Frame-Relay-Schnittstellen an den Netzabschlusspunkten.<br />
11. Trunk-Segmente von Mietleitungen<br />
Dieser Markt entspricht Markt Nr. 14 <strong>der</strong> Märkteempfehlung <strong>der</strong> Europäi-<br />
schen Kommission.<br />
<strong>Vorlesung</strong>smaterialien Seite 45<br />
7
Bei Trunk-Segmenten handelt es sich um Mietleitungen o<strong>der</strong> Mietleitungsab<br />
schnitte auf Vorleistungsebene, die <strong>für</strong> die Nutzung durch an<strong>der</strong>e Kommuni-<br />
kationsnetz- bzw. -dienstebetreiber bereitgestellt werden, und welche die<br />
Trunk-Segment-Übergabepunkte des bereitstellenden Betreibers in zwei von<br />
jenen 28 österreichischen Städten verbinden, in denen die Telekom Austria<br />
ihre Netzübergabepunkte (Points of Interconnection) <strong>für</strong> das Telefonnetz rea-<br />
lisiert hat.<br />
Für Trunk-Segmente ist charakteristisch, dass sie in <strong>der</strong> Regel nicht bis zum<br />
Netzabschlusspunkt des Nutzers reichen.<br />
Bei den Städten, die die oben genannten Kriterien erfüllen und somit als Ab<br />
grenzungskriterium <strong>für</strong> die Trunk-Segmente Verwendung finden, handelt es<br />
sich um folgende: Wien, Graz, Linz, Salzburg, Innsbruck, Klagenfurt, Villach,<br />
Wels, Sankt Pölten, Dornbirn, Steyr, Wiener Neustadt, Feldkirch, Baden,<br />
Amstetten, Mödling, Spittal an <strong>der</strong> Drau, Bruck an <strong>der</strong> Mur, Telfs, Lienz,<br />
Vöcklabruck, Ried im Innkreis, Eisenstadt, Korneuburg, Wörgl, Hollabrunn,<br />
Judenburg, Bruck an <strong>der</strong> Leitha.<br />
In diesem Markt sind weiters unbeschaltete Glasfaserleitungen, die von<br />
Kommunikationsnetz- und –dienstebetreibern vermietet o<strong>der</strong> verkauft worden<br />
sind, enthalten.<br />
In den relevanten Markt sind auch jene Trunk-Segmente miteinzubeziehen,<br />
die ein Kommunikationsnetzbetreiber einem im selben Unternehmen inte-<br />
grierten Kommunikationsdienstebetreiber <strong>für</strong> das Anbieten von Mietleitungen<br />
auf Endkundenebene zur Verfügung stellt.<br />
Dieser Markt enthält nicht Verbindungen mit nutzerseitigen X.25-, ATM-, IP-<br />
und Frame-Relay-Schnittstellen an den Netzabschlusspunkten.<br />
12. Terminierende Segmente von Mietleitungen<br />
Dieser Markt entspricht Markt Nr. 13 <strong>der</strong> Märkteempfehlung <strong>der</strong> Europäischen<br />
Kommission.<br />
Als terminierende Segmente gelten alle Mietleitungen o<strong>der</strong> Mietleitungsab-<br />
schnitte auf Vorleistungsebene, die <strong>für</strong> die Nutzung durch an<strong>der</strong>e Kommuni-<br />
kationsnetz- bzw. –dienstebetreiber bereitgestellt werden und nicht als<br />
Trunk-Segmente zu klassifizieren sind.<br />
In diesem Markt sind weiters unbeschaltete Kupferdoppela<strong>der</strong>n zwischen<br />
Netzabschlusspunkten und unbeschaltete Glasfaserleitungen, die von Kom-<br />
<strong>Vorlesung</strong>smaterialien Seite 46<br />
8
munikationsnetz- bzw. –dienstebetreibern vermietet o<strong>der</strong> verkauft worden<br />
sind, enthalten.<br />
In den relevanten Markt sind auch jene terminierenden Segmente miteinzube<br />
ziehen, die ein Kommunikationsnetzbetreiber einem im selben Unterneh-<br />
men integrierten Kommunikationsdienstebetreiber <strong>für</strong> das Anbieten von Miet-<br />
leitungen auf Endkundenebene zur Verfügung stellt.<br />
Dieser Markt enthält nicht Verbindungen mit nutzerseitigen X.25-, ATM-, IP-<br />
und Frame-Relay-Schnittstellen an den Netzabschlusspunkten.<br />
13. Entbündelter Zugang einschließlich gemeinsamer Zugang zu Drahtleitungen und<br />
Teilabschnitten davon <strong>für</strong> die Erbringung von Breitband- und Sprachdiensten<br />
Dieser Markt entspricht Markt Nr. 11 <strong>der</strong> Märkteempfehlung <strong>der</strong> Europäi-<br />
schen Kommission.<br />
Der diesem Markt zurechenbare vollständig entbündelte Zugang zur Teil-<br />
nehmeranschlussleitung (TASL) umfasst metallene Leitungen vom Hauptver-<br />
teiler (HVt) bis zum Netzabschlusspunkt beim Endkunden. Eine <strong>für</strong> den<br />
Markt relevante Entbündelungsleistung liegt auch dann vor, wenn lediglich<br />
Teilabschnitte <strong>der</strong> Teilnehmeranschlussleitung entbündelt werden.<br />
In diesen Markt fallen auch jene metallenen Teilnehmeranschlussleitungen,<br />
die Kommunikationsnetzbetreiber selbst herstellen, um Teilnehmer mittels<br />
eigener Infrastruktur an ihr Netz anzuschalten.<br />
In allen Fällen ist es unerheblich, ob diese Teilnehmeranschlussleitungen als<br />
Vorleistung <strong>für</strong> die Erbringung von Endkundenprodukten wie z.B. ADSL-<br />
Internetzugang, Sprachtelefonie o<strong>der</strong> <strong>für</strong> Vorleistungsprodukte wie z.B.<br />
Bitstream Access o<strong>der</strong> Mietleitungsdiensten Verwendung finden.<br />
Für den relevanten Markt sind sohin alle metallenen Teilnehmeranschlusslei<br />
tungen unabhängig von <strong>der</strong>en Nutzungsart zu erfassen, sofern sie entwe<strong>der</strong><br />
entbündelt worden sind, als selbst erbrachte Vorleistung genutzt werden, o<strong>der</strong><br />
dem gemeinsamen Zugang (shared access) dienen.<br />
Dieser Markt umfasst nicht Kabelnetze (CATV).<br />
<strong>Vorlesung</strong>smaterialien Seite 47<br />
9
14. Zugang und Originierung in öffentlichen Mobiltelefonnetzen<br />
Dieser Markt entspricht Markt Nr. 15 <strong>der</strong> Märkteempfehlung <strong>der</strong> Europäi-<br />
schen Kommission.<br />
Mit Zugang wird die physische und logische Anbindung eines Teilnehmers<br />
an ein Mobiltelefonnetz bezeichnet, die es ihm ermöglicht, sich in ein Mobil-<br />
telefonnetz einzubuchen und Anrufe entgegenzunehmen und abzusetzen.<br />
Originierung besteht im Austausch von Signalisierungsinformationen bzw.<br />
dem Aufbau eines Nutzkanals zwischen dem Endgerät des rufenden Teil-<br />
nehmers und einer zusammenschaltungsfähigen Vermittlungseinrichtung.<br />
Netzzugang und Originierung stehen zueinan<strong>der</strong> in keinem substitutiven,<br />
son<strong>der</strong>n einem komplementären Verhältnis. Da die beiden Leistungen aber<br />
in <strong>der</strong> Regel von ein und demselben Kommunikationsnetzbetreiber im Bün-<br />
del angeboten werden, sind sie demselben Markt zuzurechnen.<br />
Originierung bezieht sich auf mobile Sprachdienste sowie SMS (Short Message<br />
Service), da beide Dienste auf Vorleistungsebene als Bündelprodukte<br />
erstellt bzw. nachgefragt werden, um sie auf Endkundenebene im Bündel<br />
anbieten zu können.<br />
Die Nachfrage auf Vorleistungsebene erfolgt, um beispielsweise die Erreich-<br />
barkeit von Diensterufnummern des eigenen Netzes auch aus an<strong>der</strong>en Net-<br />
zen sicherzustellen.<br />
Mobiltelefonnetzbetreiber erbringen Zugangs- und Originierungsleistungen<br />
an sich selbst, auch dann, wenn die Originierung nicht über eine mit an<strong>der</strong>en<br />
Netzen zusammenschaltungsfähige Vermittlungsstelle erfolgt.<br />
Dies ist jeweils unabhängig davon, ob die Zugangs- und Originierungs-<br />
leistung als Vorleistungsbestandteil eines Endkundenprodukts dem eigenen<br />
Kommunikationsdienstebetreiber o<strong>der</strong> einem Dritten angeboten wird.<br />
Der Markt inkludiert die Zugangs- und Originierungsleistungen aller Mobiltelefonnetzbetreiber.<br />
Leistungen aus Nationalem Roaming sind nicht Teil dieses<br />
Marktes.<br />
15. Terminierung in individuellen Mobiltelefonnetzen<br />
Dieser Markt entspricht Markt Nr. 16 <strong>der</strong> Märkteempfehlung <strong>der</strong> Europäi-<br />
schen Kommission.<br />
Terminierung stellt eine Vorleistung dar, die darin besteht, dass Anrufe über<br />
eine zusammenschaltungsfähige Vermittlungsstelle zum angewählten Mobil-<br />
<strong>Vorlesung</strong>smaterialien Seite 48<br />
10
telefonanschluss zugestellt werden. Die Nachfrage nach Terminierung seitens<br />
eines Kommunikationsnetzbetreibers auf <strong>der</strong> Vorleistungsebene ist von <strong>der</strong><br />
Nachfrage des Teilnehmers auf <strong>der</strong> Endkundenebene abgeleitet: Je<strong>der</strong> Teilnehmer<br />
eines Kommunikationsnetzbetreibers benötigt zur Durchführung eines<br />
Anrufes zu einem an<strong>der</strong>en Teilnehmer – gleichgültig, ob dieser beim selben<br />
o<strong>der</strong> bei einem an<strong>der</strong>en Kommunikationsnetzbetreiber angeschlossen ist - Anrufzustellung<br />
als Vorleistung.<br />
Mobiltelefonnetzbetreiber erbringen innerhalb je<strong>der</strong> netzinternen Verbindung<br />
eine Terminierungsleistung an sich selbst, auch dann, wenn <strong>der</strong> terminierende<br />
Verkehr nicht über eine mit an<strong>der</strong>en Netzen zusammenschaltungsfähige Vermittlungsstelle<br />
bis zum Netzabschlusspunkt geführt wird.<br />
Dies ist jeweils unabhängig davon, ob die Terminierung als Vorleistungsbestandteil<br />
eines Endkundenprodukts dem eigenen Kommunikationsdienstebetreiber<br />
o<strong>der</strong> einem Dritten angeboten wird.<br />
Da diese Vorleistung durch keinen an<strong>der</strong>en Anbieter erbracht werden kann als<br />
durch den, an dessen Netz <strong>der</strong> Teilnehmer angeschaltet ist und die Terminierungsentgelte<br />
bereits auf Grund des Calling-Party-Pays-Prinzips keine hinreichende<br />
Berücksichtigung bei <strong>der</strong> Auswahl des Netzes finden, handelt es sich<br />
um betreiberindividuelle Terminierungsmärkte. Der Markt umfasst nicht die Zustellung<br />
von SMS, da SMS und mobile Sprachdienste nicht zwangsläufig als<br />
Bündelprodukt nachgefragt werden und die Zustellung von SMS im Gegensatz<br />
zu mobilen Sprachdiensten nicht zeitkritisch ist.<br />
16. Nationaler Vorleistungsmarkt <strong>für</strong> internationales Roaming in öffentlichen Mobiltelefon-<br />
netzen<br />
Dieser Markt entspricht Markt Nr. 17 <strong>der</strong> Märkteempfehlung <strong>der</strong> Europäischen<br />
Kommission.<br />
Internationales Roaming bezeichnet eine Vorleistung eines österreichischen an<br />
einen ausländischen Mobiltelefonnetzbetreiber, wodurch letzterer seinen End-<br />
kunden die Möglichkeit bietet, in Österreich aktiv und passiv mobile Kommuni-<br />
kationsdienste zu nutzen.<br />
Die Vorleistung „Internationales Roaming“ umfasst sowohl mobile Sprachdiens-<br />
te als auch SMS: Die beiden Dienste werden auf <strong>der</strong> Vorleistungsebene als<br />
Bündelprodukte erstellt bzw. nachgefragt, um sie auf <strong>der</strong> Endkundenebene im<br />
Bündel anbieten zu können.<br />
<strong>Vorlesung</strong>smaterialien Seite 49<br />
11
Zu § 2:<br />
Der Markt inkludiert internationale Roamingleistungen aller österreichischen<br />
Mobiltelefonnetzbetreiber.<br />
Grundsätzlich umfasst <strong>der</strong> räumlich relevante Markt dasjenige Gebiet, in dem objektiv<br />
ähnliche Wettbewerbsbedingungen (zB regulatorischer Rahmen) <strong>für</strong> die Anbieter von<br />
Kommunikationsdienstleistungen vorliegen. Bei den gegenständlichen Märkten ist dies im<br />
gesamten Bundesgebiet gegeben.<br />
<strong>Vorlesung</strong>smaterialien Seite 50<br />
12
Bescheid <strong>der</strong> TKK vom 04.02.2005, M 6/03-60<br />
<strong>Vorlesung</strong>smaterialien Seite 51
M 6/03-60<br />
Die Telekom-Control-Kommission hat durch Dr. Eckhard Hermann als Vorsitzenden<br />
sowie durch Dr. Erhard Fürst und Univ. Prof. DI Dr. Gottfried Magerl als weitere<br />
Mitglie<strong>der</strong> in <strong>der</strong> Sitzung vom 4.2.2005 nach amtswegiger Einleitung des Verfahrens<br />
M 6/03 einstimmig folgenden<br />
beschlossen:<br />
Bescheid<br />
I. Spruch<br />
1. Gemäß § 37 Abs. 2 erster Satz TKG 2003 wird festgestellt, dass die<br />
Telekom Austria AG auf dem Markt <strong>für</strong> Auslandsgespräche <strong>für</strong> Nichtprivatkunden<br />
über das öffentliche Telefonnetz an festen Standorten (Endkundenmarkt)<br />
gemäß § 1 Z 6 <strong>der</strong> Telekommunikationsmärkteverordnung 2003 über beträchtliche<br />
Marktmacht verfügt.<br />
2. Telekom Austria AG werden gemäß § 37 Abs. 2 TKG 2003 folgende<br />
spezifische Verpflichtungen auferlegt:<br />
2.1. Die Telekom Austria AG hat gemäß § 43 Abs. 1 iVm Abs. 2 iVm Abs. 3<br />
TKG 2003 ihre Allgemeinen Geschäftsbedingungen inklusive Dienstebeschreibungen<br />
sowie ihre Endkundenentgelte, ausgenommen Aktionsangebote bis zu<br />
einer Dauer von drei Monaten, <strong>der</strong> Regulierungsbehörde vorab zur Genehmigung<br />
vorzulegen. Die Endkundenentgelte müssen dem Maßstab <strong>der</strong> Kostenorientierung<br />
entsprechen.<br />
<strong>Vorlesung</strong>smaterialien Seite 52
Von <strong>der</strong> Kostenorientierung sind folgende Verbindungsentgelte umfasst:<br />
a) Tarife <strong>für</strong> Gespräche zu allen Auslandszonen und zu ausländischen<br />
Mobilnetzen,<br />
b) Tarife <strong>für</strong> Gespräche innerhalb VPNs, sofern die Kommunikation über Netzab-<br />
schlusspunkte des öffentlichen Telefonnetzes erfolgt,<br />
c) Verbindungsnetzbetrieb durch Telekom Austria AG („Dial 1001“) betreffend die<br />
genannten Verbindungsprodukte gemäß a) – b)<br />
d) Rabatte betreffend a) - c).<br />
2.2. Die Telekom Austria AG hat gemäß § 40 Abs. 1 TKG 2003 zur Verhin<strong>der</strong>ung unerlaubter<br />
Quersubventionierung erstmals bezogen auf das Jahr 2004 ihre Kosten und Erträge<br />
auf dem vorliegenden Markt getrennt von den übrigen von ihr angebotenen Produkten und<br />
geglie<strong>der</strong>t nach den Märkten <strong>der</strong> Telekommunikationsmärkteverordnung 2003 in einem Kostenrechnungssystem<br />
aufzuschlüsseln („getrennte Buchführung“). In diesem Zusammenhang<br />
sind entsprechend den Anfor<strong>der</strong>ungen <strong>der</strong> Regulierungsbehörde zumindest folgende Informationen<br />
bereitzustellen:<br />
• Erträge,<br />
• Kosten (unterscheidbar nach Personalkosten, Kosten <strong>für</strong> Abschreibungen von Anlagegütern,<br />
Kapitalkosten und sonstigen Kosten),<br />
• detaillierter Anlagenspiegel des Unternehmens, Personalkennzahlen, Kostentreiber<br />
wie insbeson<strong>der</strong>e die Verkehrsmengen und sonstige <strong>für</strong> die Überprüfung <strong>der</strong> Kostenrechnung<br />
notwendigen Informationen.<br />
3. Sämtliche auf Grund <strong>der</strong> festgestellten marktbeherrschenden Stellung nach § 33 TKG<br />
(1997) iVm § 133 Abs. 7 TKG 2003 bis zur Rechtskraft dieses Bescheides geltenden Verpflichtungen<br />
<strong>der</strong> Telekom Austria AG in Bezug auf die Leistungen hinsichtlich des Spruchpunktes<br />
2.1. werden gemäß § 37 Abs. 2 S 2 TKG 2003 mit Rechtskraft dieses Bescheides<br />
aufgehoben.<br />
A. Verfahrensablauf<br />
II. Begründung<br />
Mit Beschluss <strong>der</strong> Telekom-Control-Kommission vom 20.10.2003 wurde das gegenständliche<br />
Verfahren zu M 6/03 gemäß § 37 TKG 2003 amtswegig eingeleitet.<br />
Darüber hinaus wurden Dr. Wolfgang Briglauer, Dr. Po-Wen Liu, Dr. Martin Lukanowicz,<br />
Mag. Martin Pahs und DI Kurt Reichinger gemäß § 52 Abs. 1 AVG zu Amtssachverständigen<br />
bestellt und mit <strong>der</strong> Erstellung eines wirtschaftlichen Gutachtens (in <strong>der</strong> Folge Marktanalyse-<br />
Gutachten) zur Frage beauftragt, ob auf dem Markt „Auslandsgespräche <strong>für</strong> Nichtprivatkun-<br />
<strong>Vorlesung</strong>smaterialien Seite 53<br />
2
den über das öffentliche Telefonnetz an festen Standorten (Endkundenmarkt)“ gemäß<br />
§ 1 Z 6 <strong>der</strong> Telekommunikationsmärkteverordnung 2003 (TKMVO 2003) aus wirtschaftlicher<br />
Sicht Wettbewerb herrscht bzw. ob ohne Regulierung aus wirtschaftlicher Sicht selbsttragen<strong>der</strong><br />
Wettbewerb vorläge. In diesem Zusammenhang waren auch jene Faktoren und Wettbewerbsprobleme<br />
zu identifizieren, die einem solchen gegebenenfalls entgegenstehen. Ferner<br />
war durch die Gutachter das Vorliegen ökonomischer Marktmacht zu untersuchen, wobei<br />
insbeson<strong>der</strong>e die Kriterien des § 35 Abs. 2 und 4 TKG 2003 nach Maßgabe ihrer Relevanz<br />
<strong>für</strong> den gegenständlichen Markt zu berücksichtigen waren.<br />
Weiters hat die Telekom-Control-Kommission die Rundfunk und Telekom Regulierungs-<br />
GmbH (RTR-GmbH) am 20.10.2003 ersucht, die <strong>für</strong> die Gutachtenserstellung erfor<strong>der</strong>lichen<br />
Daten in Abstimmung mit den Amtssachverständigen beizuschaffen.<br />
Die RTR-GmbH leitete daraufhin das Verfahren VBAF2003 zur Ermittlung des entscheidungsrelevanten<br />
Sachverhalts im gegenständlichen Verfahren ein. Im Zuge dieses Verfahrens<br />
wurde an alle betroffenen Unternehmen ein Auskunftsersuchen zur Übermittlung <strong>der</strong> <strong>für</strong><br />
die Entscheidung in diesem Verfahren notwendigen Daten gerichtet. Teilweise wurden von<br />
<strong>der</strong> Telekom-Control-Kommission Auskunftsbescheide gemäß § 37 iVm. § 90 Abs. 1 Z 4<br />
TKG 2003 beschlossen, in denen die betroffenen Unternehmen aufgefor<strong>der</strong>t wurden, fehlende<br />
Daten zu übermitteln. Alle <strong>für</strong> dieses Verfahren notwendigen Informationen wurden<br />
schlussendlich übermittelt.<br />
TA übermittelte am 16.4.2004 eine Stellungnahme unter Beischluss eines Gutachtens von<br />
European Economic & Marketing Consultants (EE&MC) („Implikationen des TKG 2003 <strong>für</strong><br />
die TA“), in dem auch Ausführungen zum gegenständlichen Markt getätigt wurden (ON 20).<br />
Das Marktanalyse-Gutachten (ON 25) wurde <strong>der</strong> Telekom Austria AG (TA) am 15.6.2004 zur<br />
Stellungnahme zugestellt (ON 27).<br />
Am 7.6.2004 fasste die Telekom-Control-Kommission im Verfahren M 6/03 (Marktanalyse<br />
Auslandsgespräche <strong>für</strong> Nichtprivatkunden über das öffentliche Telefonnetz an festen Standorten)<br />
den vorläufigen Beschluss, dass die TA auf dem Markt „Auslandsgespräche <strong>für</strong> Nichtprivatkunden<br />
über das öffentliche Telefonnetz an festen Standorten (Endkundenmarkt)“ iSd §<br />
1 Z 6 TKMVO 2003 vorläufig über beträchtliche Marktmacht gemäß §§ 35, 37 TKG 2003<br />
verfügt.<br />
In ihrer Sitzung am 7.6.2004 wurden ferner von <strong>der</strong> Telekom-Control-Kommission in Bezug<br />
auf die gemäß § 37 Abs. 2 TKG 2003 aufzuerlegenden Regulierungsinstrumente Dr. Wolfgang<br />
Briglauer, Dr. Po-Wen Liu, Dr. Martin Lukanowicz, Mag. Martin Pahs und Mag. Paul<br />
Pisjak gemäß § 52 Abs. 1 AVG zu Amtssachverständigen bestellt und mit <strong>der</strong> Erstellung eines<br />
Gutachtens (in <strong>der</strong> Folge Regulierungsinstrumente-Gutachten) zur Frage beauftragt,<br />
welche spezifischen Verpflichtungen gemäß §§ 38 bis 46 und bzw. o<strong>der</strong> § 47 Abs. 1 TKG<br />
2003 <strong>für</strong> TA aus ökonomischer Sicht geeignet wären, den im Marktanalyse-Gutachten aufgezeigten<br />
Wettbewerbsproblemen auf dem gegenständlichen Markt zu begegnen. In diesem<br />
Zusammenhang war durch die Gutachter auch eine qualitative Bewertung <strong>der</strong> Auswirkungen<br />
geeigneter spezifischer Verpflichtungen in Bezug auf das Prinzip <strong>der</strong> Verhältnismäßigkeit<br />
vorzunehmen und ihr Beitrag zur För<strong>der</strong>ung effektiven Wettbewerbs bzw. zur Beschränkung<br />
<strong>der</strong> Auswirkungen <strong>der</strong> identifizierten Wettbewerbsprobleme zu erörtern.<br />
TA übermittelte am 16.7.2004 eine Stellungnahme (ON 30) zum Marktanalyse-Gutachten<br />
unter Beischluss eines Gutachtens von EE&MC („Expertise zum Gutachten „Marktanalyse<br />
Festnetz-Sprachtelefonie“).<br />
Das Regulierungsinstrumente-Gutachten wurde am 16.8.2004 an die Telekom-Control-<br />
Kommission übermittelt und von dieser zum Akt genommen (ON 32).<br />
Die Amtssachverständigen griffen im Zuge <strong>der</strong> Gutachtenserstellungen (ON 25, ON 32) auf<br />
die im Zuge des Verfahrens VBAF2003 ermittelten Daten zurück.<br />
<strong>Vorlesung</strong>smaterialien Seite 54<br />
3
Das Regulierungsinstrumente-Gutachten wurde <strong>der</strong> TA am 17.8.2004 zur Stellungnahme<br />
zugestellt. Gleichzeitig wurde TA ein von <strong>der</strong> European Regulators Group erstelltes Dokument<br />
(„Common Position on the approach to appropriate remedies in the new regulatory<br />
framework“) zur Kenntnisnahme zugestellt (ON 33).<br />
Am 6.9.2004 wurde TA von <strong>der</strong> Telekom-Control-Kommission gehört und überreichte in <strong>der</strong><br />
Anhörung weitere Unterlagen (ON 37), darunter auch eine „Kommentierung des wirtschaftlichen<br />
Gutachtens <strong>der</strong> RTR bezüglich Regulierungsinstrumente“ von EE&MC.<br />
TA übermittelte (ON 38) ferner am 7.9.2004 eine Stellungnahme zum Regulierungsinstrumente-Gutachten.<br />
Die Protokollrüge <strong>der</strong> Telekom Austria vom 17.09.2004 zur mündlichen Verhandlung am<br />
6.9.2004, eingelangt am 20.09.2004, wurde zum Akt genommen.<br />
Am 19.10.2004 wurde beim Oberlandesgericht Wien als Kartellgericht <strong>der</strong> Zusammenschluss<br />
<strong>der</strong> UTA Telekom AG (UTA) und <strong>der</strong> Tele2 Telecommunication Services GmbH (Tele2)<br />
angezeigt. Innerhalb <strong>der</strong> vierwöchigen Frist des § 42 b Abs. 1 KartG wurde von keiner<br />
<strong>der</strong> Amtsparteien ein Prüfantrag gemäß § 42b Abs. 1 KartG gestellt.<br />
Ferner wurde von TA am 5.11.2004 und am 2.12.2004 eine Stellungnahme zu den Auswirkungen<br />
des Zusammenschlusses von Tele2 und UTA übermittelt.<br />
Der Entwurf einer Vollziehungshandlung wurde gemäß § 128 Abs. 1 TKG 2003 am<br />
17.12.2004 auf <strong>der</strong> Homepage <strong>der</strong> Rundfunk und Telekom Regulierungs-GmbH veröffentlicht.<br />
Die Europäische Kommission übermittelte am 14.1.2005 ihre Stellungnahme gemäß Art. 7<br />
Abs. 3 Rahmenrichtlinie (ON 53). Diese Stellungnahme stützt das Ergebnis <strong>der</strong> Telekom-<br />
Control-Kommission.<br />
Es wurden von folgenden Organisationen Stellungnahmen im Rahmen des Verfahrens nach<br />
§ 128 TKG 2003 abgegeben: Verband Alternativer Telekom-Netzbetreiber - VAT (ON 54),<br />
Interessensverband Telekommunikation - IVTK (ON 55) sowie von Telekom Austria AG (ON<br />
56).<br />
Stellungnahmen an<strong>der</strong>er Regulierungsbehörden <strong>der</strong> Mitgliedstaaten <strong>der</strong> Europäischen Union<br />
beziehungsweise <strong>der</strong> Bundeswettbewerbsbehörde langten nicht ein.<br />
B. Festgestellter Sachverhalt<br />
1. Zur Marktabgrenzung des Marktes „Auslandsgespräche <strong>für</strong> Nichtprivatkunden<br />
über das öffentliche Telefonnetz an festen Standorten (Endkundenmarkt)“<br />
1.1. TKMVO 2003<br />
In § 1 Z 6 TKMVO 2003 wird <strong>der</strong> Markt „Auslandsgespräche <strong>für</strong> Nichtprivatkunden über das<br />
öffentliche Telefonnetz an festen Standorten (Endkundenmarkt)“ genannt. Die erläuternden<br />
Bemerkungen <strong>der</strong> TKMVO 2003 halten dazu wie folgt fest:<br />
„Dieser Markt entspricht Markt Nr. 6 <strong>der</strong> Märkteempfehlung <strong>der</strong> Europäischen Kommission.<br />
Nichtprivatkunden im Sinne dieser Bestimmung sind alle juristischen Personen und<br />
Körperschaften des öffentlichen o<strong>der</strong> privaten Rechts, Personengesellschaften, eingetragene<br />
Erwerbsgesellschaften und Gesellschaften bürgerlichen Rechts sowie natürliche<br />
und juristische Personen, die Unternehmer im Sinne von § 1 Konsumenten-<br />
4<br />
<strong>Vorlesung</strong>smaterialien Seite 55
schutzgesetz, BGBl Nr. 140/1979 idgF sind. Vorbereitungsgeschäfte im Sinne von § 1<br />
Abs. 3 leg cit sind <strong>für</strong> Zwecke <strong>der</strong> gegenständlichen Marktabgrenzungen den jeweiligen<br />
Märkten <strong>für</strong> Nichtprivatkunden zuzurechnen.<br />
Aufgrund unterschiedlicher Nachfragecharakteristik und an<strong>der</strong>en Formen <strong>der</strong> Marktbearbeitung<br />
durch Anbieter sind Privat- und Nichtprivatkunden getrennten Märkten<br />
zuzurechnen.<br />
Im Ausland tätige Kommunikationsnetzbetreiber, die aus dem Inland kommenden<br />
Verkehr transitieren bzw. terminieren, sind gegebenenfalls an<strong>der</strong>en regulatorischen<br />
Bedingungen unterworfen als im Inland tätige Kommunikationsnetzbetreiber. Da im<br />
Inland tätige Betreiber zur Durchführung von Auslandsgesprächen auf oben genannte<br />
Vorleistungen zurückgreifen müssen, unterschiedliche wettbewerbliche Gegebenheiten<br />
vorliegen und darüber hinaus unterschiedliche Verrechnungsregimes (z.B. Accounting<br />
Rate Regime) zur Anwendung kommen, ist von einem eigenen und einheitlichen<br />
Markt <strong>für</strong> Auslandsgespräche auszugehen.<br />
Dieser Markt beinhaltet auch Wählverbindungen über Fax und Modem.“<br />
§ 2 TKMVO 2003 legt als räumliches Ausdehnungsgebiet des gegenständlichen Marktes das<br />
Bundesgebiet fest.<br />
1.2. Zum Markt „Auslandsgespräche <strong>für</strong> Nichtprivatkunden über das öffentliche Telefonnetz<br />
an festen Standorten (Endkundenmarkt)“ und zum Verhältnis zu benachbarten<br />
Märkten<br />
Der gegenständliche Markt steht sowohl horizontal als auch vertikal mit an<strong>der</strong>en Märkten <strong>der</strong><br />
TKMVO 2003 in Beziehung.<br />
Es bestehen komplementäre Beziehungen zwischen dem vorliegenden Markt und dem Zugangsmarkt<br />
<strong>für</strong> Nichtprivatkunden (§ 1 Z 2 TKMVO 2003). Anschlussleistungen gemäß den<br />
Märkten § 1 Z 1 und 2 <strong>der</strong> TKMVO 2003 werden, unter <strong>der</strong> Voraussetzung, dass <strong>der</strong> betreffende<br />
Betreiber seine Endkunden entwe<strong>der</strong> selbst angeschlossen hat o<strong>der</strong> über entbündelte<br />
Leitungen verfügt, vielfach im Bündel mit Leistungen <strong>für</strong> Gesprächsverbindungen, sohin auch<br />
mit Leistungen des gegenständlichen Marktes, angeboten.<br />
Die komplementären Beziehungen <strong>der</strong> Märkte gemäß § 1 Z 1 – 9 <strong>der</strong> TKMVO 2003 lassen<br />
sich anschaulich durch die Logik <strong>der</strong> Abwicklung eines Telefongesprächs erläutern:<br />
Um ein Telefongespräch (bzw. allgemeiner einen Verbindungsaufbau) führen zu können,<br />
benötigt <strong>der</strong> Endkunde zunächst einen Zugang, <strong>der</strong> in Form eines Anschlusses (POTS,<br />
ISDN, Multi-ISDN, Kabel, wireless) an das feste öffentliche Netz bereitgestellt wird. Dieser<br />
kann grundsätzlich auf zwei Arten bereitgestellt werden: i) <strong>der</strong> Anbieter errichtet (bzw. entbündelt)<br />
selbst den entsprechenden Zugang zum Teilnehmer (Teilnehmernetzbetreiber),<br />
o<strong>der</strong> aber ii) er benutzt vorhandene Zugangsmöglichkeiten eines an<strong>der</strong>en Anbieters (Verbindungsnetzbetreiber).<br />
Von zentraler Bedeutung ist auch <strong>der</strong> Umstand, dass es sich bei Telekommunikationsdienstleistungen<br />
um Ende-zu-Ende Beziehungen handelt, d.h., dass gleichzeitig eine Verbindung<br />
zwischen Endteilnehmern (allenfalls) auch verschiedener Netze herzustellen ist. Dies setzt<br />
den wechselseitigen terminierenden Zugang zu allen an<strong>der</strong>en Netzen (bzw. Teilnehmern)<br />
voraus. Für die Erstellung von Endkundenprodukten ist daher – seitens <strong>der</strong> Anbieter – jedenfalls<br />
eine entsprechende Terminierungsleistung Voraussetzung. Weiters wird <strong>für</strong> alle nicht<br />
direkt angeschlossenen Teilnehmer <strong>der</strong> Bezug einer Originierungsleistung von jenem Betreiber<br />
benötigt, an dessen Netz <strong>der</strong> entsprechende Teilnehmer angeschlossen ist und von dem<br />
<strong>Vorlesung</strong>smaterialien Seite 56<br />
5
das Gespräch ausgeht. Je nach Verkehrsführung können auch Transitleistungen notwendig<br />
sein.<br />
Die Art <strong>der</strong> Beziehung zwischen den Vorleistungsmärkten (upstream / wholesale) und den<br />
Endkundenmärkten (downstream / retail) ist zentral von Parametern wie zum Beispiel <strong>der</strong><br />
Qualität, den Tarifen, dem Zeitpunkt <strong>der</strong> Bereitstellung und den wettbewerblichen Gegebenheiten<br />
abhängig. So ist etwa die mögliche technische Qualität <strong>für</strong> Endkundenprodukte direkt<br />
von <strong>der</strong> Qualität <strong>der</strong> bereitgestellten Vorleistungen abhängig. Endkundentarife enthalten an<strong>der</strong>erseits<br />
die auf den Vorleistungsmärkten zugekauften Leistungen als wesentliche Kostenparameter.<br />
Anbieter, die sowohl auf Vorleistungs- als auch auf Endkundenmärkten tätig sind,<br />
haben somit grundsätzlich an<strong>der</strong>e Möglichkeiten <strong>der</strong> Angebotserstellung (Integration, Entwicklung<br />
neuer Dienste etc.) als Anbieter, die ausschließlich auf den Zukauf von Vorleistungsprodukten<br />
zur Erstellung von Endkundenprodukten angewiesen sind.<br />
Als marktrelevant gelten Festnetzgespräche ins Ausland ebenso wie die Gespräche in ausländische<br />
Mobilfunknetze. Die bei öffentlichen Sprechstellen anfallenden Verkehrsvolumina<br />
<strong>für</strong> Auslandsgespräche werden dabei aus Plausibilitätsüberlegungen zu 100 % dem Privatkundenmarkt<br />
<strong>für</strong> Auslandsgespräche (§ 1 Z 5 TKMVO 2003) zugerechnet und sind sohin <strong>für</strong><br />
den gegenständlichen Markt nicht relevant.<br />
2. Zum Vorliegen von beträchtlicher Marktmacht<br />
2.1. Die einzelnen Marktmachtindikatoren<br />
2.1.1. Marktentwicklung und Marktanteile<br />
Die größten vier am Nichtprivatkundenmarkt tätigen Anbieter (inklusive Telekom Austria)<br />
vereinigen mehr als 85 % <strong>der</strong> Umsatzmarktanteile auf sich. Aus Abbildung 1 geht zudem<br />
hervor, dass i) sich die Marktanteile <strong>der</strong> Telekom Austria seit dem Jahr 2002 stabilisiert haben,<br />
und diese ii) zudem nach wie vor über 60 % <strong>der</strong> in Umsätzen gemessenen Marktanteile<br />
auf sich vereinigt.<br />
Prozent<br />
70<br />
60<br />
50<br />
40<br />
30<br />
20<br />
10<br />
0<br />
Jan 2002<br />
Feb 2002<br />
Mrz 2002<br />
Apr 2002<br />
Mai 2002<br />
Jun 2002<br />
ABBILDUNG 1: VERTEILUNG DER UMSATZMARKTANTEILE BEI NICHTPRIVATKUNDEN<br />
Jul 2002<br />
Aug 2002<br />
Sep 2002<br />
Okt 2002<br />
6<br />
Nov 2002<br />
tele.ring eTel Austria AG UTA Telekom AG Telekom Austria Rest<br />
<strong>Vorlesung</strong>smaterialien Seite 57<br />
Dez 2002<br />
Jan 2003<br />
Feb 2003<br />
Mrz 2003<br />
Apr 2003<br />
Mai 2003<br />
Jun 2003<br />
Jul 2003<br />
Aug 2003<br />
Sep 2003
Die Marktanteile <strong>der</strong> Telekom Austria am Markt <strong>für</strong> internationale Festnetzgespräche liegen<br />
im Wesentlichen auf dem Niveau <strong>der</strong> Vergleichsmärkte <strong>für</strong> Inlandsgespräche. Gesamt gesehen,<br />
tendiert <strong>der</strong> gegenständliche Markt in Richtung eines enger werdenden Oligopols. Es<br />
können keine Anzeichen da<strong>für</strong> ausgemacht werden, die zukünftig eine grundlegende Abkehr<br />
von dieser Entwicklung erwarten ließen. Auf dem gegenständlichen Markt zeigt sich (Abbildung<br />
1) eine im Laufe <strong>der</strong> letzten beiden Jahre sehr nachhaltig ausgeprägte Stabilisierung<br />
<strong>der</strong> Marktstruktur. Diese Feststellung wird auch durch den im Wesentlichen parallelen Verlauf<br />
<strong>der</strong> Konzentrationsraten bei den Verkehrsmengenwerten und den Umsätzen jeweils <strong>für</strong><br />
den gegenständlichen Markt bestätigt (Abbildung 2):<br />
5000<br />
4500<br />
4000<br />
3500<br />
3000<br />
2500<br />
2000<br />
1500<br />
1000<br />
500<br />
0<br />
Jan 2002<br />
Feb 2002<br />
Mrz 2002<br />
Apr 2002<br />
Mai 2002<br />
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Sep 2002<br />
Okt 2002<br />
7<br />
Nov 2002<br />
Minuten - Nichtprivat Minuten - Privat Umsätze - Nichtprivat Umsätze - Privat<br />
ABBILDUNG 2: HHI: KONZENTRATIONSRATEN FÜR AUSLANDSGESPRÄCHE<br />
Verbindungsnetzbetreiber(vor)auswahl war auch auf dem gegenständlichen Markt – neben<br />
<strong>der</strong> ex ante-Entgeltregulierung - das bedeutendste Regulierungsinstrument <strong>der</strong> bisherigen<br />
Regulierung. Die insbeson<strong>der</strong>e in den Jahren 1998-2001 erfolgten Marktanteilsgewinne <strong>der</strong><br />
alternativen Anbieter gingen mit einem spiegelbildlichen Anstieg in <strong>der</strong> Verwendung von Carrier<br />
Selection einher.<br />
2.1.2. Vertikale Integration<br />
Das Vorliegen von vertikaler Integration ist <strong>für</strong> die Beurteilung von Marktmacht insofern relevant,<br />
als vertikale Integration einem Unternehmen Vorteile gegenüber seinen Konkurrenten<br />
verschaffen kann, vor allem falls es sich auf <strong>der</strong> Vorleistungsebene um einen notwendigen<br />
und nicht leicht ersetzbaren Input (ON 25) handelt. Das Ausmaß <strong>der</strong> vertikalen Integration<br />
bestimmt auch in wesentlichem Maß die Anreize zu antikompetitivem Verhalten gegenüber<br />
Konkurrenten (ON 25). So können vor allem vertikal integrierte Unternehmen mit Marktmacht<br />
auf einem komplementären Anschlussmarkt einen Anreiz haben, Konkurrenten von komplementären<br />
Verbindungsmärkten zu verdrängen (ON 32, S 21).<br />
Für die Beurteilung des potentiellen Wettbewerbes am gegenständlichen Markt bei Abwesenheit<br />
von jeglicher Regulierung ist insbeson<strong>der</strong>e <strong>der</strong> Anreiz von TA relevant, durch die<br />
<strong>Vorlesung</strong>smaterialien Seite 58<br />
Dez 2002<br />
Jan 2003<br />
Feb 2003<br />
Mrz 2003<br />
Apr 2003<br />
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Aug 2003<br />
Sep 2003
grundsätzliche Verweigerung des Zugangs zur Teilnehmeranschlussleitung bzw. <strong>der</strong> Möglichkeit<br />
zur Verbindungsnetzbetreiber(vor)auswahl den möglichen Wettbewerb auf den horizontal<br />
nachgelagerten Verbindungsmärkten zu verhin<strong>der</strong>n. Auf dem gegenständlichen Markt<br />
reduziert sich allerdings die Abhängigkeit vom Vorleistungsanbieter Telekom Austria. Für die<br />
internationale Weiterleitung und Zustellung von Auslandsgesprächen – zumindest hinsichtlich<br />
<strong>der</strong> wesentlichsten Destinationen – stehen allen Betreibern (Telekom Austria wie auch<br />
den alternativen Anbietern) eine Reihe von internationalen Carriern zur Verfügung. Freilich<br />
muss aber auch hier von – teils größenabhängig – unterschiedlichen Einkaufsmöglichkeiten<br />
und Verhandlungspositionen ausgegangen werden.<br />
Der Zugang zur Teilnehmeranschlussleitung bzw. die Möglichkeit <strong>der</strong> Verbindungsnetzbetreiber(vor)auswahl<br />
stellt bezüglich des auf das Inland entfallenden Anteils <strong>der</strong> notwendigen<br />
Vorleistung eine notwendige Voraussetzung <strong>für</strong> die Diensterbringung auf den Verbindungsmärkten<br />
dar. Alternative Betreiber, die über keinen direkten Zugang zum Teilnehmer<br />
verfügen, können mit <strong>der</strong> Möglichkeit <strong>der</strong> Verbindungsnetzbetreiber(vor)auswahl den Endkunden<br />
im Wettbewerb mit <strong>der</strong> vertikal integrierten Telekom Austria Dienste anbieten.<br />
2.1.3. Marktzutrittsbarrieren<br />
Marktzutrittsbarrieren können definiert werden als all jene Faktoren, die es dem bzw. den auf<br />
dem Markt tätigen Unternehmen erlauben können, seine/ihre Preise über die Kosten anzuheben,<br />
ohne dass dadurch zusätzliche, disziplinierende Markteintritte erfolgen.<br />
Je höher also Marktzutrittsbarrieren sind (d.h. je schwieriger <strong>der</strong> Markteintritt ist), desto höher<br />
ist potentiell das Ausmaß an Marktmacht <strong>der</strong>/des etablierten Unternehmen(s).<br />
Die Existenz von langfristigen Markteintrittsbarrieren ist ein Schlüsselkriterium <strong>für</strong> das Vorliegen<br />
von beträchtlicher Marktmacht. Je höher Marktbarrieren sind (d.h. je schwieriger <strong>der</strong><br />
Markteintritt ist), desto höher ist potenziell das Ausmaß an Marktmacht <strong>der</strong> etablierten Unternehmen.<br />
In ihrer Empfehlung über relevante Märkte vom 11.02.2003. („Empfehlung über relevante<br />
Produkt- und Dienstemärkte des <strong>elektronischen</strong> Kommunikationssektors, die aufgrund <strong>der</strong><br />
Richtlinie 2002/21/EG des Europäischen Parlaments und des Rates über einen gemeinsamen<br />
Rechtsrahmen <strong>für</strong> elektronische Kommunikationsnetze und –dienste <strong>für</strong> eine Vorabregulierung<br />
in Betracht kommen“ (ABL L 114/45 vom 8.5.2003) unterscheidet die Europäische<br />
Kommission (Seite 9ff) zwischen strukturellen Marktbarrieren und rechtlich/regulatorisch bedingten<br />
Marktbarrieren.<br />
Im Gegensatz zu den Zugangsmärkten (vergleiche die Verfahren zu M 1/03 und M 2/03) ist<br />
die Frage nach <strong>der</strong> Höhe von Marktbarrieren im gegenständlichen Markt weniger eindeutig<br />
zu beantworten. Zwar sind die mit einem Marktauftritt verbundenen und versunkenen Kosten<br />
im Vergleich zu den Märkten im Anschlussbereich als gering einzustufen, dennoch bestehen<br />
auch hier gewisse und nicht vernachlässigbare Markteintrittsbarrieren. So sind auch <strong>für</strong> „reine“<br />
Verbindungsnetzbetreiber in <strong>der</strong> Regel Investitionen <strong>für</strong> eine Mindestnetzkonfiguration<br />
notwendig. Zudem entstehen spezifisch dem Retailbereich zurechenbare versunkene Kosten,<br />
da alternative Anbieter festnetzgebundener Sprachtelefonie hier typischerweise größere<br />
Werbekampagnen zu betreiben haben, um eine hinreichende Anzahl von Kunden über mögliche<br />
Wechselvorteile zu informieren und letztlich auch zu akquirieren. Diesbezüglich ist die<br />
Struktur <strong>der</strong> österreichischen Wirtschaft mit ihrer, international gesehen, übergroßen Anzahl<br />
an Klein- und Mittelbetrieben erschwerend <strong>für</strong> die Kundengewinnung. Die Tatsache, dass <strong>für</strong><br />
Bestandskunden des Incumbent oftmals ein über einen langen Zeitraum existierendes Vertragsverhältnis<br />
und damit verbunden entsprechende Loyalität besteht und somit ein <strong>für</strong> alternative<br />
Wettbewerber nur schwer o<strong>der</strong> nicht erreichbarer Bekanntheitsgrad des ehemaligen<br />
Monopolisten existiert, bzw. die Kundenbindung auf Seiten <strong>der</strong> Verbindungsnetzbetreiber<br />
typischerweise geringer ist, begründen signifikante Wechselbarrieren. Hinzu kommt die Mög-<br />
<strong>Vorlesung</strong>smaterialien Seite 59<br />
8
lichkeit, von den Erfolgen <strong>der</strong> Liberalisierung auch indirekt – ohne selbst zu wechseln – zu<br />
profitieren. Damit diese Barrieren überwunden werden, muss von den alternativen Betreibern<br />
ein entsprechend aggressiver Einsatz unternehmerischer Aktionsparameter, insbeson<strong>der</strong>e<br />
im Bereich des Preis-, Werbe-, Marketing- und Distributionswettbewerbs forciert werden.<br />
Derartige Kosten könnten typischerweise im Falle eines Marktaustritts nicht mehr wie<strong>der</strong>gewonnen<br />
werden. Umgekehrt können alternative Betreiber in <strong>der</strong> gegenwärtigen Marktsituation<br />
kaum eine enge Kundenbindung aufbauen, insbeson<strong>der</strong>e <strong>für</strong> Call by Call Kunden wird<br />
diese nur sehr gering sein.<br />
Die festgestellte Stagnation bzw. <strong>der</strong> leichte Rückgang von Marktein- bzw. austritten lässt<br />
sich jeweils anhand <strong>der</strong> aktuellen Marktphase, mit entsprechend hohem Verdrängungswettbewerb,<br />
enger werdenden Gewinnmargen und den einhergehenden Konsolidierungsprozessen,<br />
wie eben dem jüngst erfolgten Zusammenschluss von Tele2 und UTA, erklären. Ist eine<br />
hohe Zahl an Marktzutritten am Beginn <strong>der</strong> Liberalisierung geradezu typisch, so können sie<br />
in späteren Marktphasen nur mehr mit geringeren Erfolgschancen durchgeführt werden.<br />
Schließlich begründet <strong>der</strong> bereits beobachtbare Trend zum „One-Stop-Shopping“ eine Notwendigkeit,<br />
als Komplettanbieter auf den jeweiligen Märkten agieren zu können. Diejenigen,<br />
denen dies möglich ist, können auch mit entsprechenden Verbundvorteilen in <strong>der</strong> Produktion<br />
rechnen. Umgekehrt würde eine <strong>der</strong>artige Notwendigkeit, als Komplettanbieter agieren zu<br />
müssen, <strong>für</strong> potentielle Newcomer einen erhöhten Kapitalbedarf begründen und so die<br />
Wahrscheinlichkeit des Markteintritts reduzieren.<br />
Die Wettbewerbsproblematik liegt daher primär in <strong>der</strong> Beständigkeit <strong>der</strong> Marktbarrieren. Als<br />
Beleg da<strong>für</strong> zeichnete sich in letzter Zeit eine Phase <strong>der</strong> Konsolidierung <strong>der</strong> Marktanteile <strong>der</strong><br />
Telekom Austria auf hohem Niveau (rund 60%) ab. Alternative Anbieter können die Nachfrager<br />
nur mit spürbaren Preisvorteilen zum Überwinden <strong>der</strong> existierenden Wechselbarrieren<br />
bewegen. Diese sind im gegenständlichen Markt deshalb vergleichsweise hoch, als Zuverlässigkeitsanfor<strong>der</strong>ungen<br />
und sonstige Qualitätsmerkmale hier beson<strong>der</strong>s wichtig sind. Sowohl<br />
tatsächliche Qualitätsvorsprünge auf Seiten <strong>der</strong> Telekom Austria aufgrund höherwertiger<br />
und vor allem eigener Infrastruktur o<strong>der</strong> <strong>der</strong> historisch gewachsenen internationalen<br />
(Partner-)Netzstruktur als auch subjektiv von Nachfragern empfundene Vorteile erklären solche<br />
Wechselbarrieren. Letztere dürften vor allem im Zuge von Unternehmenskonkursen alternativer<br />
Anbieter noch verstärkt werden, da diesfalls mit negativen Reputationswirkungen<br />
auf die Gesamtheit aller alternativen Betreiber zu rechnen ist.<br />
Zur Bestreitbarkeit von Märkten:<br />
Im Rahmen <strong>der</strong> Theorie <strong>der</strong> „bestreitbaren Märkte (contestable markets)“ wird unterstellt,<br />
dass unter bestimmten (idealisierten) Annahmen die Drohung eines potenziellen<br />
Markteintritts (potenzieller Wettbewerb) eine hinreichend disziplinierende Wirkung auf die<br />
aktiven Marktteilnehmer ausübt, sodass auch auf Märkten mit geringer Zahl an aktiven<br />
Marktteilnehmern bzw. einer asymmetrischen Verteilung <strong>der</strong> Marktanteile o<strong>der</strong> aber auch in<br />
Monopolsituationen sowohl allokative wie technische Effizienz sichergestellt ist.<br />
Dabei müssen freilich entsprechend restriktive Annahmen getroffen werden: (1) wird von <strong>der</strong><br />
Abwesenheit jeglicher Markteintritts- und Marktaustrittsbarrieren ausgegangen und (2) wird<br />
angenommen, dass die Reaktionszeit <strong>der</strong> etablierten Unternehmen hinreichend lang ist, sodass<br />
ein Neueinsteiger in den Markt eintreten und (die von ihm vor dem Eintritt beobachteten)<br />
Profite realisieren kann („hit and run“-Strategie).<br />
Beide Annahmen sind auf dem gegenständlichen Markt nicht erfüllt:<br />
Zur ersten Annahme ist festzustellen, dass im Rahmen dieser Modelltheorie unter Abwesenheit<br />
von Marktbarrieren verstanden wird, dass keine exogenen (technisch bedingten) versunkenen<br />
Kosten existieren. Diese sind <strong>für</strong> die zugrunde liegenden Märkte tatsächlich ver-<br />
<strong>Vorlesung</strong>smaterialien Seite 60<br />
9
hältnismäßig gering (ON 25). Doch übersieht die konventionelle Theorie <strong>der</strong> bestreitbaren<br />
Märkte, dass auch eine Reihe von endogenen Marktbarrieren, die eben nicht Folge einer<br />
vorgegebenen Industriestruktur sind, son<strong>der</strong>n vielmehr durch das strategische Verhalten <strong>der</strong><br />
bereits am Markt aktiven Teilnehmer bestimmt werden, existieren. Es sei an dieser Stelle<br />
insbeson<strong>der</strong>e an die hohe Werbeintensität und Bedeutung <strong>der</strong> Kundenbindung auf den<br />
Kommunikationsendkundenmärkten verwiesen. Als beson<strong>der</strong>s problematisch erweist sich<br />
daher die im Modell <strong>der</strong> bestreitbaren Märkte implizit enthaltene For<strong>der</strong>ung, dass die Konsumentenseite<br />
keinerlei Präferenz bzw. Markentreue, aus welchen Gründen auch immer, <strong>für</strong><br />
die bestehenden Unternehmer aufweist. In dem Modell wird vielmehr davon ausgegangen,<br />
dass sich die Konsumenten vollkommen rational verhalten, d.h. auf den homogenen Produktmärkten<br />
orientieren sich die Konsumenten lediglich an den Preisen. Dies steht jedoch<br />
klar in Wi<strong>der</strong>spruch zu den Feststellungen, wonach TA zumindest teilweise in <strong>der</strong> Lage ist,<br />
im Durchschnitt höhere Preise zu setzen, ohne entsprechende Umsatz- bzw. Marktanteilsverluste<br />
in Kauf nehmen zu müssen.<br />
Freier Marktzutritt bedeutet ferner, dass keinerlei Asymmetrien zwischen potenziellen Markteintretern<br />
und aktuellen Marktteilnehmern bestehen, also keine unterschiedlichen Zugangsmöglichkeiten<br />
zu Faktormärkten, kein patentrechtlicher Schutz auf Seiten des/<strong>der</strong> Incumbent(s),<br />
keine Informationsnachteile hinsichtlich <strong>der</strong> Nachfrage sowie, dass keinerlei technologische<br />
Asymmetrien (etc.) existieren. Die völlige Marktgleichheit wird nicht zuletzt auch vor<br />
dem Hintergrund <strong>der</strong> diversen „foreclosure“ Taktiken zu einer rein hypothetischen For<strong>der</strong>ung.<br />
Zur zweiten Annahme ist festzustellen, dass diese unterstellt, dass das Zeitintervall zwischen<br />
dem Bekanntwerden eines neuen Marktzutritts und <strong>der</strong> tatsächlichen Möglichkeit, den Konsumenten<br />
Güter anzubieten („entry lag“), kleiner ist als die durch diverse Transaktionskosten<br />
(bspw. die Existenz langfristiger Verträge) bedingte Zeitverzögerung in <strong>der</strong> Preisanpassung<br />
(price lag). Zudem liegt diesem Vergleich die hypothetische Situation unregulierter Märkte<br />
zugrunde. Würde das SMP-Unternehmen jedoch keinerlei ex-ante Verpflichtungen unterliegen,<br />
so könnte es je<strong>der</strong>zeit, von internen Organisationsprozessen abgesehen bzw. in Abhängigkeit<br />
von diesen, ohne wesentliche zeitliche Verzögerung auf den Markteintritt reagieren.<br />
Es ist notwendig, die hypothetische Situation <strong>der</strong> Nichtregulierung als Vergleichsbasis<br />
heranzuziehen, da genau dies <strong>der</strong> Schlussfolgerung bzw. For<strong>der</strong>ung in als bestreitbar identifizierten<br />
Märkten entspräche. An dieser Stelle sei daher geson<strong>der</strong>t auf die regulatorische<br />
Bedeutung bzw. die Unterschiede zwischen einem ex-post und ex-ante Regulierungsregime<br />
verwiesen. Ex-post Kontrolle greift definitionsgemäß erst bei erfolgtem Schaden, <strong>der</strong> jedoch<br />
gerade in <strong>der</strong> Telekommunikationsbranche aufgrund <strong>der</strong> spezifischen Wettbewerbs- bzw.<br />
Marktstrukturprobleme (schwer zu duplizierende Infrastruktur als „essential facility“ in Händen<br />
des Incumbent) oftmals – nach teils langwierigen Verfahren – nicht mehr rückgängig<br />
gemacht werden kann. Eine Vorabregulierung wird zudem in jenen Fällen geeigneter sein, in<br />
denen zur Behebung des Wettbewerbsproblems zahlreiche Anfor<strong>der</strong>ungen nötig sind (detaillierte<br />
Buchhaltung, Kostenrechnung, generelles Monitoring) o<strong>der</strong> aber wenn etwa ein häufiges<br />
und/o<strong>der</strong> frühzeitiges Einschreiten unerlässlich ist.<br />
An<strong>der</strong>erseits ist <strong>für</strong> den entry-lag (Zeitverzögerung des Markteintritts) auf Seiten <strong>der</strong> Wettbewerber<br />
durchaus mit einer signifikanten Zeitspanne zu rechnen. Diese kann entstehen durch<br />
die Bereitstellung <strong>der</strong> <strong>für</strong> einen Verbindungsnetzbetrieb nötigen Netzelemente, die erfor<strong>der</strong>lichen<br />
Verhandlungsprozesse (Zusammenschaltungsvereinbarungen), die Erreichung eines<br />
hinreichend großen Bekanntheitsgrades, die Bereitstellung entsprechen<strong>der</strong> customer care<br />
sowie Billing-Einrichtungen, den Abschluss von Verträgen mit internationalen Carriern und<br />
die vielfältigen Verzögerungsmöglichkeiten des Incumbents, <strong>der</strong> eben in Bezug auf den inländischen<br />
Teil <strong>der</strong> Verkehrsführung im Besitz <strong>der</strong> nicht ersetzbaren Infrastruktur im Anschlussbereich<br />
ist (ON 25). In diesem Zusammenhang sei darauf hingewiesen, dass in an<strong>der</strong>en<br />
Industriezweigen ein Markteintritt eines Mitbewerbers oft erst mittelbar über die Marktbeobachtung<br />
feststellbar ist, im vorliegenden Markt jedoch auf Grund <strong>der</strong> Zusammenschaltung<br />
(Vorleistungsabhängigkeit) unmittelbar noch vor dem Markteintritt bekannt wird, und die<br />
Chance auf eine „hit and run“-Strategie schon im Ansatz zum Scheitern verurteilt ist.<br />
10<br />
<strong>Vorlesung</strong>smaterialien Seite 61
Ist nun aber Annahme 2 nicht bzw. nicht annähernd gegeben, so kommt es <strong>für</strong> die Entscheidung<br />
über einen allfälligen Markteintritt nicht mehr primär auf die gegenwärtigen Preise an,<br />
als vielmehr auf die im Falle eines erfolgten Marktzutritts und nach etwaigen preislichen Reaktionen<br />
<strong>der</strong> bereits am Markt etablierten Anbieter noch realisierbaren Preise und Gewinne.<br />
Bei ständigen Marktein- und austritten käme es zudem zu einer erheblichen Verunsicherung<br />
<strong>der</strong> Konsumenten gegenüber Angeboten alternativer Betreiber. Effektiver Wettbewerb, <strong>der</strong><br />
von <strong>der</strong> bloßen Drohung potentieller Konkurrenz ausgehen soll, erscheint unter diesen Bedingungen<br />
als eine unrealistische Annahme.<br />
Da diese Modellkritik mittlerweile auch überwiegend von <strong>der</strong> einschlägigen industrie- und<br />
wettbewerbsökonomischen Literatur geteilt wird (inter alia George et al. (2000), S. 279ff. und<br />
Borrmann/Finsinger (1999), S. 301ff. aber auch Tirole (2000), Armstrong et al. (1998), S.<br />
103ff., Viscusi et al. (2000), S. 161), ist dieses Modell als politisches Leitbild zur Beurteilung<br />
von Marktmacht auf Kommunikationsmärkten heute nur mehr von geringer Relevanz.<br />
In engem Kontext zur Bestreitbarkeit von Märkten steht die Frage nach <strong>der</strong> unternehmerischen<br />
Rationalität von Verdrängungspreisstrategien („predatory pricing“). Denn je höher die<br />
bereits getätigten versunkenen Investitionen alternativer Wettbewerber ausfallen, desto höher<br />
werden auch die potentiellen Marktaustrittskosten, was die Erfolgsaussichten von Verdrängungsstrategien<br />
wie<strong>der</strong>um min<strong>der</strong>t. Insofern würden Investitionen in die<br />
Infrastruktur, soweit diese eben ökonomisch sinnvoll getätigt werden können, die Notwendigkeit<br />
von regulatorischer Basisregulierung reduzieren.<br />
Insgesamt kann daher auf das Funktionieren <strong>der</strong> Bestreitbarkeit bzw. auf die disziplinierenden<br />
Effekte <strong>der</strong> potentiellen Konkurrenz nicht vertraut werden, die Marktbarrieren sind daher<br />
auch auf dem gegenständlichen Markt nicht vernachlässigbar. So stünde potentielle Konkurrenz<br />
insbeson<strong>der</strong>e auch in Wi<strong>der</strong>spruch mit dem nach wie vor jedenfalls in Ausschnitten zugunsten<br />
<strong>der</strong> Telekom Austria existierenden höheren Preisniveau.<br />
2.1.4. Preise<br />
Das Verhalten am Markt umfasst auch die Preissetzungspolitik eines Unternehmens. Die<br />
Preissetzungspolitik eines Unternehmens ist ein wesentlicher ökonomischer Verhaltensparameter<br />
und kann daher auch <strong>für</strong> die Beurteilung von Marktmacht relevant sein. So geben zB<br />
Preisbewegungen im Zeitverlauf, vorhandene Preisdifferentiale zwischen einzelnen Betreibern<br />
und beobachtete Preisreaktionsmuster wesentliche Hinweise auf die am Markt vorhandene<br />
Wettbewerbsintensität.<br />
In <strong>der</strong> bisherigen Regulierungspraxis <strong>der</strong> Genehmigung <strong>der</strong> Entgelte <strong>der</strong> TA wurde zwischen<br />
Grundentgelten, die die Kosten des Zugangsnetzes decken müssen, und den Verbindungsentgelten,<br />
die die auf sie entfallenden Kosten des Kernnetzes decken müssen, unterschieden.<br />
Im Gegensatz zur Vergleichssituation auf den Märkten <strong>für</strong> Inlandsgespräche kann die Telekom<br />
Austria auf dem gegenständlichen Markt bei stabil bleibenden Marktanteilen jedenfalls<br />
in Ausschnitten höhere Preisniveaus aufrechterhalten. Diese höheren Preisaufschläge gehen<br />
jedoch im Gegensatz zum Markt <strong>für</strong> Privatkunden auf dem vorliegenden Markt <strong>für</strong> Nichtprivatkunden<br />
deutlich weniger auf Kosten niedrigerer Marktanteilsniveaus (vgl. ON 25, Kapitel<br />
5.1.3.). Die Marktanteile <strong>der</strong> TA auf dem gegenständlichen Markt sind daher beträchtlich<br />
höher als auf dem Markt <strong>für</strong> Auslandsgespräche von Privatkunden.<br />
Auch auf dem gegenständlichem Markt verschiebt sich die eigentliche Wettbewerbsproblematik<br />
in den Fragenkomplex „Produktbündelung“ bzw. <strong>der</strong> Übertragung von Marktmacht („leveraging“)<br />
sowie „excessive pricing“. Telekom Austria, das als einziges Unternehmen flächendeckend<br />
als Komplettanbieter (Anschluss- und Verbindungsleistungen) agiert, entsteht<br />
genau dadurch ein relativer Vorteil in den Preisgestaltungsmöglichkeiten. Weiters muss dem<br />
11<br />
<strong>Vorlesung</strong>smaterialien Seite 62
Potential an Wohlfahrtszugewinnen, die mit <strong>der</strong> Produktbündelung einhergehen, die damit<br />
verbundene Problematik <strong>der</strong> Marktmachtübertragung gegenübergestellt werden. Nicht-<br />
Privatkunden fragen oftmals eine Vielfalt von unterschiedlichen Telekommunikationsleistungen<br />
nach, wobei die Auswahl des Betreibers oftmals im Zusammenhang mit <strong>der</strong> Abwicklung<br />
von Projektgeschäften erfolgt.<br />
Wie insbeson<strong>der</strong>e die nach Anschlussarten differenzierten Tarifstrukturen zeigen, offeriert<br />
Telekom Austria auch bei Auslandsgesprächen von Nichtprivatkunden eine höhere Tarifvielfalt.<br />
Auf Grund <strong>der</strong> je nach Tarifmodell unterschiedlichen Abrechnungsformen, z.B. die Art<br />
<strong>der</strong> Taktung (vgl. ON 25, Kapitel 5.5.2.), die diversen Vergünstigungen einzelner Tarifoptionen<br />
(etwa einheitliche Tarife zu ausländischen Fest- und Mobilnetzen) o<strong>der</strong> sonstiger Tarifspezifika<br />
ergibt sich nur eine eingeschränkte Vergleichbarkeit <strong>der</strong> unterschiedlichen Tarife.<br />
So können etwa bei dem <strong>für</strong> Geschäftskunden konzipierten Tarifmodell „TikTak Business“<br />
von TA individuell 3 internationale “Wunschdestinationen” mit entsprechend niedrigeren Tarifen<br />
gewählt werden.<br />
Das Problem <strong>der</strong> Vergleichbarkeit von unterschiedlichen Tarifpaketen kann umgangen werden,<br />
indem man eine „Preisgröße“ konstruiert und (die jeweils relevanten) Umsätze durch die<br />
zugehörigen Sprachminuten dividiert und so einen „impliziten Preisbasket“ errechnet. Der<br />
Vergleich <strong>der</strong> Preise auf dem gegenständlichen Markt <strong>für</strong> Nichtprivatkunden durch die Gutachter<br />
erfolgte sohin auf Basis <strong>der</strong> Berechnung von „impliziten Preisen“, wobei es auf Grund<br />
<strong>der</strong> nicht mehr isolierten Darstellung <strong>der</strong> Preis- und Mengeneffekte notwendig ist, Korrekturfaktoren<br />
in die Berechnung <strong>der</strong> impliziten Preise miteinzubeziehen.<br />
Im Gegensatz zur Vergleichssituation auf den Markt <strong>für</strong> Auslandsgespräche von Privatkunden<br />
kann Telekom Austria, den obigen Ausführungen zur Berechnung impliziter Preise folgend,<br />
auf dem gegenständlichen Markt <strong>für</strong> Nichtprivatkunden bei stabil bleibenden Marktanteilen<br />
zum Teil deutlich höhere Preisniveaus aufrecht erhalten. Diese höheren Preisaufschläge<br />
führen im Vergleich zu <strong>der</strong> Marktsituation bei Auslandsgesprächen von Privatkunden<br />
jedoch nicht zu einem niedrigeren Marktanteil (vgl. ON 25, Kapitel 5.1.3).<br />
Hinsichtlich <strong>der</strong> weiteren wettbewerblichen Entwicklung können nur schwer preisliche Än<strong>der</strong>ungstendenzen<br />
ausgemacht werden, auch nicht hinsichtlich <strong>der</strong> Richtung allfälliger Preisanpassungen.<br />
Am ehesten wird man auch hier – analog zu den Marktanteilsverläufen – mittelfristig<br />
von einer konstanten Fortentwicklung ausgehen müssen. Im Gegensatz zu den Märkten<br />
<strong>für</strong> Inlandsgespräche besteht bei gegenständlichem Markt allerdings nach wie vor ein<br />
Potential an Preisunterbietungen <strong>für</strong> alternative Anbieter, wenn auch in etwas geringerem<br />
Ausmaß als bei Privatkunden.<br />
2.1.5. Performance<br />
Die Wahl geeigneter Performance-Maße ist ein wichtiger Schritt, um Marktmacht von Unternehmen<br />
zu beschreiben. Exzessiv hohe Werte <strong>für</strong> ein Performance-Maß eines Unternehmens,<br />
das heißt eine hohe erreichte Rentabilität des eingesetzten Kapitals im Vergleich zu<br />
Konkurrenten, lassen gegebenenfalls den Schluss auf eine starke Marktposition zu.<br />
Unter einer Rentabilitätsgröße wird allgemein das Verhältnis einer Erfolgsgröße zu einer<br />
Einsatzgröße verstanden. Die erreichte Rentabilität errechnet sich aus dem Verhältnis des<br />
erreichten Gewinns im Verhältnis zu den da<strong>für</strong> notwendigerweise eingesetzten Mitteln (Eingangsgröße).<br />
Je nachdem, welche Eingangskomponenten <strong>für</strong> obigen Zusammenhang gewählt werden,<br />
lassen sich diverse traditionelle Rentabilitäts- bzw. Erfolgsgrößen ableiten:<br />
Umsatzrentabilität (ROS)<br />
12<br />
<strong>Vorlesung</strong>smaterialien Seite 63
Kapitalrentabilitäten<br />
o Gesamtkapitalrentabilität, Vermögensrentabilität (ROI, ROA, etc.)<br />
o Eigenkapitalrentabilität (ROE)<br />
Im Folgenden wird die Umsatzrentabilität, die das Verhältnis von EGT (Ergebnis <strong>der</strong> gewöhnlichen<br />
Geschäftstätigkeit) zum Umsatz bezeichnet, als Performancegröße herangezogen,<br />
da <strong>für</strong> diese Rentabilitätsgröße valide Werte <strong>für</strong> alternative Netzbetreiber vorliegen.<br />
Telekom Austria erreichte auf dem gegenständlichen Markt in den Jahren 2001 – 2003 basierend<br />
auf dem festgestellten erhöhten Preisniveau eine Umsatzrentabilität von etwa 30 %<br />
(auf Zehnerschritte gerundet). Dieser Wert beinhaltet bereits einen fiktiven Kapitalkostenzinssatz<br />
<strong>der</strong> Telekom Austria.<br />
Die relativ hohen Kostenüberdeckungsgrade in <strong>der</strong> Zone „Ausland“ <strong>der</strong> Kontrollmatrix (ON<br />
25, vgl. Annex 8.1.) bringen zum Ausdruck, dass hier Telekom Austria vergleichsweise hohe<br />
Preisgestaltungsspielräume zur Verfügung stehen.<br />
Die Feststellungen zur erzielten Performance (Rentabilität) ergeben daher, dass die im<br />
Durchschnitt höher gelegenen Preise von TA auch mit einer entsprechenden Kostenüberdeckung<br />
<strong>für</strong> das Produkt “Auslandsgespräche von Nichtprivatkunden“ korrelieren. Obgleich die<br />
Preissetzung <strong>der</strong> Telekom Austria einem ex-ante Entgeltgenehmigungsverfahren unterliegt,<br />
kann auf Grund <strong>der</strong> in <strong>der</strong> Kontrollmatrix (ON 32) implizit enthaltenen Preisgestaltungsspielräumen<br />
auch auf dem gegenständlichen Markt von gewissen Freiheitsgraden hinsichtlich<br />
Tarifstruktur im Sinne einer aktiv unternehmensinduzierten, strategischen Preisgestaltung<br />
ausgegangen werden.<br />
2.1.6. Technologisches Entwicklungspotential<br />
Hinsichtlich des technologischen Entwicklungspotentials ist ungewiss, welche Anbieter von<br />
den hier erwarteten Innovationsschüben, bspw. VOIP, am besten profitieren können. Bezüglich<br />
Nichtprivatkunden ist speziell darauf hinzuweisen, dass die Telekom Austria in <strong>der</strong> Regel<br />
über direkte und damit qualitativ hochwertige Leitungen in eine Vielzahl von Län<strong>der</strong>n verfügt.<br />
Auch aufgrund von Größenunterschieden muss hier mit einer gewissen Asymmetrie in den<br />
Gestaltungsmöglichkeiten gerechnet werden.<br />
2.1.7. Internationaler Tarifvergleich<br />
Aus den internationalen Tarifvergleichen (vgl. Kapitel 5.6.2.; ERG: „International Benchmarking“)<br />
können keine systematischen Schlüsse gezogen werden. Wenn auch keine groben<br />
Ausreißer festgestellt werden können, so ist dennoch festzuhalten, dass sich das Vergleichsprodukt<br />
<strong>der</strong> Telekom Austria bei Nichtprivatkunden preislich im oberen Bereich befindet;<br />
die Relevanz dieses Indikators wird jedoch aufgrund nur sehr eingeschränkter Vergleichbarkeit<br />
und teils fraglicher methodischer Validität entsprechend verringert.<br />
2.1.8. Nachfrageseitige Gegenmacht<br />
Verhandlungsstärke im Sinne einer nachfrageseitigen Gegenmacht ist bei Nichtprivatkunden<br />
prinzipiell denkbar. Auf dem gegenständlichen Markt hat allerdings selbst <strong>der</strong> größte Kunde<br />
weniger als 3% des Marktumsatzes <strong>der</strong> Telekom Austria (bzw. bei Bezug auf den Gesamtmarkt<br />
noch entsprechend weniger). Es gibt innerhalb <strong>der</strong> Gruppe <strong>der</strong> Geschäftskunden kei-<br />
13<br />
<strong>Vorlesung</strong>smaterialien Seite 64
nen einzigen <strong>der</strong> auf Grund seiner Größe eine <strong>für</strong> den Gesamtmarkt hinreichend disziplinierende<br />
Gegenmacht auf TA ausüben könnte.<br />
2.1.9. Weitere Indikatoren<br />
Die Feststellungen bezüglich weiterer, den Rahmenbedingungen zuordenbaren Indikatoren<br />
wurden bei <strong>der</strong> Analyse <strong>der</strong> geson<strong>der</strong>t ausgewiesenen Indikatoren entwe<strong>der</strong> mitberücksichtigt<br />
o<strong>der</strong> haben eine in <strong>der</strong> Gesamtbetrachtung zu vernachlässigende Bedeutung wie etwa<br />
<strong>der</strong> internationale Vergleich.<br />
Diese Indikatoren können daher nicht weiter zur Beurteilung <strong>der</strong> aktuellen Wettbewerbssituation<br />
beitragen.<br />
2.2. Ergebnis <strong>der</strong> Wettbewerbsanalyse am Markt <strong>für</strong> Auslandsgespräche von Nichtprivatkunden<br />
Die folgenden Wettbewerbsprobleme wurden durch die Telekom-Control-Kommission festgestellt:<br />
Die Wettbewerbsproblematik liegt am vorliegenden Markt, wie eingangs ausgeführt, primär in<br />
<strong>der</strong> Beständigkeit <strong>der</strong> Marktbarrieren. Als Beleg da<strong>für</strong> zeichnete sich in letzter Zeit eine Phase<br />
<strong>der</strong> Konsolidierung <strong>der</strong> Marktanteile <strong>der</strong> Telekom Austria auf hohem Niveau (rund 60%)<br />
ab. Alternative Anbieter können die Nachfrager nur mit spürbaren Preisvorteilen zum Überwinden<br />
<strong>der</strong> existierenden Wechselbarrieren bewegen. Diese sind im gegenständlichen Markt<br />
deshalb vergleichsweise hoch, als Zuverlässigkeitsanfor<strong>der</strong>ungen und sonstige Qualitätsmerkmale<br />
hier beson<strong>der</strong>s wichtig sind und marktrelevante Leistungen häufig in Form von<br />
Projektgeschäften bezogen werden. Sowohl tatsächliche Qualitätsvorsprünge auf Seiten <strong>der</strong><br />
Telekom Austria aufgrund höherwertiger und vor allem eigener Infrastruktur o<strong>der</strong> <strong>der</strong> historisch<br />
gewachsenen internationalen (Partner-)Netzstruktur als auch subjektiv von Nachfragern<br />
empfundene Vorteile erklären solche Wechselbarrieren.<br />
Aufgrund <strong>der</strong> Wechselkosten besteht die Gefahr, dass Telekom Austria ihre Marktmacht zum<br />
Nachteil <strong>der</strong> Nichtprivatkunden ausübt und überhöhte Endkundenpreise zur Anwendung<br />
bringt. Weiters besteht die Gefahr <strong>der</strong> horizontalen Marktmachtübertragung durch Anbieten<br />
von Bündelprodukten, die von Mitbewerbern nur bedingt repliziert werden können. Diese<br />
Problematik wird auf dem vorliegenden Markt durch die hohe Bedeutung individueller Gesamtlösungen<br />
noch verschärft (ON 25, Kapitel 7.1.6).<br />
Die Anreize von TA, den Wettbewerb auf dem gegenständlichen Markt nachhaltig zu beeinflussen,<br />
sind auf Grund <strong>der</strong> da<strong>für</strong> vorhandenen Möglichkeiten gegeben.<br />
3. Regulierungsinstrumente<br />
3.1. Auswahl und Bewertung <strong>der</strong> Regulierungsoptionen <strong>für</strong> den gegenständlichen<br />
Markt<br />
Ausgangspunkt <strong>für</strong> die Feststellung angemessener Regulierungsinstrumente sind die folgenden<br />
Wettbewerbsprobleme: (i) Vorhandensein von Marktbarrieren, (ii) überhöhte Preise zum<br />
Nachteil <strong>der</strong> Endkunden und (ii) Marktmachtübertragung durch Produktbündelung.<br />
14<br />
<strong>Vorlesung</strong>smaterialien Seite 65
3.1.1. Verpflichtungen auf Endkundenebene<br />
Die Verpflichtung zur Verbindungsnetzbetreiber(vor)auswahl auf dem komplementären Zugangsmarkt<br />
stellt von ihrer Intention her sicher, dass Wettbewerber <strong>der</strong> TA, die über keinen<br />
direkten Zugang zum Teilnehmer verfügen, gleichwohl im Wettbewerb mit <strong>der</strong> integrierten<br />
Telekom Austria Dienste anbieten können. Diese Verpflichtung bezieht sich daher ausschließlich<br />
auf Verbindungsleistungen und ist sohin eine wesentliche Voraussetzung <strong>für</strong> das<br />
erreichte Maß an Wettbewerb auf dem gegenständlichen Markt. Hinsichtlich <strong>der</strong> Verpflichtung<br />
zum Wie<strong>der</strong>verkauf <strong>der</strong> Teilnehmeranschlussleistung wird durch diese zwar eine Möglichkeit<br />
geschaffen, auf den komplementären Zugangsmärkten in preislicher Hinsicht mit Telekom<br />
Austria in Konkurrenz zu treten, sie kann aber nur in Teilbereichen (und auch da erst<br />
nach Annahme am Markt) wettbewerbliche Parität sicherstellen, wobei sich bestehende<br />
Wettbewerbsdefizite auch auf dem gegenständlichen Verbindungsmarkt auswirken.<br />
Die Regulierungsinstrumente auf Vorleistungsebene sind im hier relevanten Zeitraum von<br />
etwa zwei Jahren nicht geeignet, den Wettbewerbsproblemen <strong>der</strong> überhöhten Preise, <strong>der</strong><br />
Behin<strong>der</strong>ung des Eintritts neuer Marktteilnehmer und <strong>der</strong> Marktmachtübertragung durch ungerechtfertigte<br />
Bündelung von Diensten zu begegnen. Die Regulierungsinstrumente des<br />
Wie<strong>der</strong>verkaufs <strong>der</strong> Teilnehmeranschlussleistung sowie die Möglichkeit <strong>der</strong> Verbindungsnetzbetreiber(vor)auswahl<br />
sind <strong>für</strong> sich alleine gegebenenfalls nicht geeignet, den festgestellten<br />
Wettbewerbsproblemen zu begegnen.<br />
Dem Wettbewerbsproblem überhöhter Preise kann gegenwärtig nur mit kostenorientierten<br />
Preisen in Form einer ex-ante-Entgeltgenehmigung effizient begegnet werden (ON 32). Neben<br />
<strong>der</strong> Hintanhaltung von überhöhten Preisen erfüllt die Verpflichtung, die Entgelte und Allgemeinen<br />
Geschäftsbedingungen sowie <strong>der</strong>en Än<strong>der</strong>ungen zur Genehmigung vorzulegen,<br />
auch den Zweck, dass <strong>der</strong> Eintritt neuer Marktteilnehmer nicht (etwa durch nicht nachbildbare<br />
Bündelung von Produkten) verhin<strong>der</strong>t wird.<br />
Die Eckpunkte <strong>der</strong> <strong>der</strong>zeitigen ex-ante-Tarifgenehmigung <strong>für</strong> TA ergeben sich aus <strong>der</strong> „Kontrollmatrix“<br />
des Regulierungsinstrumente-Gutachtens (ON 32, Kapitel 2.2.2 und dessen Annex<br />
8.1.) Daraus ergibt sich, dass innerhalb dieser Restriktionen hinreichend Preisgestaltungsspielräume<br />
zur Verfügung stehen, die Telekom Austria in Reaktion auf wettbewerbliche<br />
Marktprozesse entsprechend einsetzen kann. Aus ökonomischer Sicht erscheinen darauf<br />
aufbauend folgende Mindestkriterien <strong>der</strong> ex ante-Entgeltkontrolle als notwendig, um den festgestellten<br />
Wettbewerbsproblemen zu begegnen:<br />
Kriterium 1: Jede von TA angebotene Tarifzone muss, nach Berücksichtigung von Rabatten<br />
und an<strong>der</strong>en Vergünstigungen (z.B. Werbeaktionen), über alle Tarifoptionen hinweg kostendeckend<br />
sein.<br />
Kriterium 2: Je Tarifoption müssen die Tarifzonen in Summe, nach Berücksichtigung von<br />
Rabatten und an<strong>der</strong>en Vergünstigungen, kostendeckend sein.<br />
Kriterium 3: Die Entgelte <strong>für</strong> einzelne Tarifzonen innerhalb einzelner Tarifoptionen sowie die<br />
Entgelte <strong>für</strong> Grundentgelte einzelner Tarifoptionen müssen sich hinsichtlich ihrer Untergrenze<br />
an den Vorleistungskosten <strong>für</strong> das entsprechende Produkt orientieren.<br />
§ 45 TKG 2003 erwähnt unter an<strong>der</strong>em die grundsätzliche Möglichkeit einer Price-Cap-<br />
Regulierung von Endkundenpreisen. Price-Caps sind theoretisch zwar zur Begegnung exzessiver<br />
Preise geeignet, können allerdings am gegenständlichen Markt die oben genannten<br />
Wettbewerbsprobleme nicht adäquat bekämpfen, was aus <strong>der</strong> Konstruktion und Intention<br />
von Price-Caps hervorgeht, da diese primär darauf ausgerichtet sind, Effizienzverbesserungen<br />
an Nachfrager weiterzugeben (ON 32). Ineffizienzen sind jedoch in späteren Liberalisierungsphasen,<br />
in <strong>der</strong> sich <strong>der</strong> gegenständliche Markt bereits befindet, nicht das Hauptproblem,<br />
vielmehr muss (ON 32) mit <strong>der</strong> Übertragung von Marktmacht in Verbindungsmärkte gerechnet<br />
werden.<br />
15<br />
<strong>Vorlesung</strong>smaterialien Seite 66
Die unmittelbar bestehenden, horizontal-komplementär verbundenen Zusammenhänge zwischen<br />
Zugangs- und Gesprächsbereichen begründen die Notwendigkeit einer Genehmigung<br />
<strong>der</strong> Entgelte und Allgemeinen Geschäftsbedingungen <strong>für</strong> sämtliche Endkundenmärkte <strong>der</strong><br />
Sprachtelefonie, auf denen Telekom Austria (vorläufig) eine SMP-Stellung innehat, das sind<br />
die Märkte <strong>für</strong> Inlandsgespräche <strong>für</strong> (Nicht)Privatkunden, <strong>der</strong> <strong>für</strong> Auslandsgespräche von<br />
Nichtprivatkunden sowie die beiden Zugangsmärkte. Die gegenwärtigen Tarifangebote (Tarifpakete)<br />
<strong>der</strong> TA beinhalten teilweise Produkte von verschiedenen Märkten <strong>der</strong> TKMVO<br />
2003.<br />
3.1.2. Getrennte Buchführung<br />
Die Verpflichtung zur getrennten Buchführung soll mittels einer getrennten Aufschlüsselung<br />
von Kosten und Erlösen mögliche Quersubventionen aufzeigen. Sie ist als unterstützendes<br />
Element <strong>der</strong> Entgeltkontrolle zu betrachten, soweit die Verpflichtung <strong>der</strong> Entgeltkontrolle auf<br />
Kostenorientierung basiert. Weiters erlaubt sie eine zeitnahe Überprüfung <strong>der</strong>selben.<br />
Obwohl dieses Regulierungsinstrument nicht konkret auf ein Wettbewerbsproblem angewendet<br />
werden kann, trifft es notwendige Vorkehrungen zur Unterstützung <strong>der</strong> Einhaltung<br />
<strong>der</strong> Verpflichtung zur Entgeltkontrolle, die ihrerseits direkt <strong>der</strong> Begegnung eines Wettbewerbsproblems<br />
dient (siehe oben).<br />
Um diese sicherzustellen, ist eine Gesamtsicht hinsichtlich <strong>der</strong> Erlöse und Kosten auf aggregierter<br />
Ebene erfor<strong>der</strong>lich, wodurch Gewinn- o<strong>der</strong> Kostenverschiebungen von regulierten<br />
Bereichen zu nicht regulierten Bereichen (o<strong>der</strong> umgekehrt) transparent gemacht werden<br />
können. Ein Unternehmen könnte an<strong>der</strong>nfalls einen Anreiz haben, z.B. gemeinsame Kosten<br />
jenen Bereichen zuzuordnen, die einer Regulierung unterliegen. Da die Preiskontrolle nur die<br />
Produkte am relevanten Markt betrifft und dieser in <strong>der</strong> Regel nur einen kleinen Ausschnitt<br />
<strong>der</strong> Aktivitäten des integrierten Betreibers darstellt, ist eine getrennte Buchführung <strong>für</strong> das<br />
ganze Unternehmen notwendig (vgl. ERG 2004, S. 49 ff).<br />
Bei Unternehmen mit einer großen Anzahl an Produkten ist die Feststellung von Kostenorientierung<br />
im Rahmen von (kurzen) Verfahren nur möglich, wenn regelmäßig überprüfte "separated<br />
accounts" im Rahmen <strong>der</strong> getrennten Buchführung, zumindest geglie<strong>der</strong>t nach den<br />
Märkten <strong>der</strong> Telekommunikationsmärkteverordnung 2003, vorliegen. Nur damit ist sichergestellt,<br />
dass insbeson<strong>der</strong>e gemeinsame Kosten und Gemeinkosten auf alle Produkte verursachungsgerecht<br />
zugeordnet werden. Dadurch erst kann im Einzelfall eine Überprüfung auf<br />
Kostenorientierung einzelner Produkte o<strong>der</strong> Produktgruppen in kurzer Zeit durchgeführt und<br />
sichergestellt werden, dass Kosten nicht von unregulierten in regulierte Geschäftsfel<strong>der</strong><br />
(bzw. umgekehrt) verschoben werden. Im Rahmen <strong>der</strong> notwendigen Operationalisierung <strong>der</strong><br />
getrennten Buchführung sind zumindest folgende Informationen bereitzustellen:<br />
• Erträge,<br />
• Kosten (unterscheidbar nach Personalkosten, Kosten <strong>für</strong> Abschreibungen<br />
von Anlagegütern, Kapitalkosten und sonstigen Kosten),<br />
• detaillierter Anlagenspiegel des Unternehmens, Personalkennzahlen,<br />
Kostentreiber wie insb. Kapazitäten und sonstige <strong>für</strong> die Überprüfung <strong>der</strong><br />
Kostenrechnung notwendigen Informationen.<br />
Die Details <strong>der</strong> konkreten Ausgestaltung werden von <strong>der</strong> Regulierungsbehörde im Rahmen<br />
einer regelmäßigen Überprüfung spezifiziert.<br />
Da Telekom Austria <strong>der</strong>zeit auch auf an<strong>der</strong>en Märkten <strong>der</strong> TKMVO 2003 über beträchtliche<br />
Marktmacht verfügt (Mietleitungen terminierende Segmente, Entbündelung) bzw. sich entsprechende<br />
Maßnahmenentwürfe <strong>der</strong>zeit in Konsultation befinden (Originierung und Terminierung)<br />
und aus denselben Überlegungen wie oben dargestellt auf diesen Märkten ebenfalls<br />
16<br />
<strong>Vorlesung</strong>smaterialien Seite 67
zu getrennter Buchführung verpflichtet ist, bzw. werden könnte, sind die inkrementellen Kosten<br />
dieser Verpflichtung auf diesem Markt gering, da erhebliche Synergien bestehen.<br />
3.1.3. Fazit<br />
Folgende Maßnahmen sind daher grundsätzlich geeignet, die Wettbewerbsprobleme auf<br />
dem gegenständlichen Markt zu beseitigen:<br />
• Da sich Entgelte und Allgemeinen Geschäftsbedingungen sinnvollerweise nicht isoliert<br />
betrachten lassen und die Vorleistungsregulierung nicht ausreicht, um den festgestellten<br />
Wettbewerbsproblemen zu begegnen, sollten Entgelte und Allgemeine Geschäftsbedingungen<br />
des gegenständlichen Marktes und ihre Än<strong>der</strong>ungen mit Ausnahme<br />
von Aktionen von bis zu dreimonatiger Dauer <strong>der</strong> Regulierungsbehörde zur<br />
Genehmigung vorgelegt und u.a. auf ihre Kostenorientierung überprüft werden. Die<br />
Genehmigung hat unter Bedachtnahme auf § 45 TKG 2003 zu erfolgen, wobei die<br />
Nebenbestimmungen nach § 45 Abs. 5 TKG 2003 zu berücksichtigen sind.<br />
• Die ex-ante-Entgeltgenehmigung sollte auf Basis einer gesamt- und einheitlichen<br />
Kostenorientierung gemäß dem dargestellten Prüfmaßstab (ON 32) bzw. <strong>der</strong> darin<br />
enthaltenen Kostenrechnungsprinzipien erfolgen.<br />
• Getrennte Buchführung wird gemäß den obigen Überlegungen als notwendig <strong>für</strong> eine<br />
adäquate und zeitnahe Kostenüberprüfung erachtet.<br />
Die Verpflichtung zur Betreiber(vor)auswahl hängt nicht unmittelbar von <strong>der</strong> marktbeherrschenden<br />
Stellung <strong>der</strong> Telekom Austria auf dem gegenständlichen Markt ab, dennoch<br />
hat diese Verpflichtung ebenso wie die zur Bereitstellung eines Resale-Angebotes, wie in<br />
den Verfahren zu M 1/03 und M 2/03 auferlegt, weit reichende Folgen <strong>für</strong> den Wettbewerb<br />
auf dem gegenständlichen Markt, weil die Entwicklung in Richtung eines effektiven Wettbewerbs<br />
auf dem gegenständlichen Markt zentral von diesen Verpflichtungen abhängt. In<br />
Kombination sollten diese Regulierungsinstrumente langfristig geeignet sein, die gegenwärtig<br />
noch gegebene Notwendigkeit zur Entgeltkontrolle obsolet werden zu lassen.<br />
C. Beweiswürdigung<br />
Die Feststellungen zum gegenständlichen Markt in Bezug auf das Vorliegen von beträchtlicher<br />
Marktmacht ergeben sich aus den eingehenden, schlüssigen und nachvollziehbaren<br />
Untersuchungen <strong>der</strong> Amtssachverständigen im Marktanalyse-Gutachten (ON 25). Die aus<br />
ökonomischer Sicht geeigneten Regulierungsinstrumente ergeben sich aus dem Regulierungsinstrumente-Gutachten<br />
(ON 32).<br />
Hinsichtlich <strong>der</strong> Stellungnahmen und Urkundenvorlagen <strong>der</strong> TA, die auch im gegenständlichen<br />
Verfahren eingebracht wurden (ON 20, 30, 37 und 38), hält die Telekom-Control-<br />
Kommission fest, dass die vorgelegten Gutachten von European Economic & Marketing<br />
Consultants – EE & MC GmbH betreffend „Implikationen des TKG 2003 <strong>für</strong> die Telekom<br />
Austria“ vom April 2004 großteils nur auf internen Quellen und Schätzungen <strong>der</strong> TA beruhen<br />
und im Vergleich zu den im Rahmen des Marktanalyse-Gutachtens <strong>der</strong> Amtssachverständigen<br />
herangezogenen Daten, die auf Datenlieferungen sämtlicher Betreiber zurückgehen,<br />
nicht hinreichend repräsentativ erscheinen. Zu den in den Gutachten von EE & MC teils in<br />
sehr allgemeiner Form angesprochenen Punkten ist die Telekom-Control-Kommission auf<br />
<strong>der</strong> Grundlage des Marktanalysegutachtens <strong>der</strong> Amtssachverständigen daher zu an<strong>der</strong>en<br />
Feststellungen gelangt als sie in den EE & MC-Gutachten nahe gelegt werden.<br />
17<br />
<strong>Vorlesung</strong>smaterialien Seite 68
Die von <strong>der</strong> RTR-GmbH in einem aufwändigen Verfahren beigeschafften Daten wurden von<br />
den Gutachtern internen Plausibilitätskontrollen unterzogen und in einem wochenlangen<br />
Prozess ausgewertet. Unklarheiten konnten durch Rückfragen bei den beteiligten Unternehmen<br />
und – soweit erfor<strong>der</strong>lich – Plausibilitätskontrollen zwischen Vorleistungs- und korrespondierenden<br />
Endkundenmärkten ausgeräumt werden. In Bezug auf den gegenständlichen<br />
Markt gab es keine mangelhaften Datenlieferungen.<br />
Der Telekom-Control-Kommission liegen darüber hinaus keinerlei Hinweise vor, die an <strong>der</strong><br />
Vollständigkeit und <strong>der</strong> Qualität <strong>der</strong> gelieferten Daten zweifeln ließen.<br />
Die Protokollrüge <strong>der</strong> Telekom Austria vom 17.09.2004, eingelangt am 20.09.2004, wurde<br />
zum Akt genommen.<br />
TA kritisierte umfangreich und wie<strong>der</strong>holt das Marktanalyse-Gutachten (ON 25) sowie das<br />
Regulierungsinstrumente-Gutachten (ON 32): Die Telekom-Control-Kommission geht auf die<br />
vorgebrachten Kritikpunkte an den beiden Gutachten <strong>der</strong> Amtssachverständigen an dieser<br />
Stelle ein, sofern es sich um allgemeine Kritikpunkte handelt, sowie ergänzend an den entsprechenden<br />
Punkten <strong>der</strong> rechtlichen Begründung dieses Bescheides.<br />
Zum Vorwurf <strong>der</strong> Inkohärenz <strong>der</strong> verwendeten Datenreihen bzw. <strong>der</strong> lückenhaften Darstellungen<br />
im Marktanalyse-Gutachten:<br />
TA kritisiert unspezifisch, aber auch in Bezug auf den gegenständlichen Markt sinngemäß<br />
die Darstellungen <strong>der</strong> Datenreihen, die sich in ihrer Form, in den Zeitreihen und im Aggregationsniveau<br />
unterscheiden würden.<br />
Die Telekom-Control-Kommission verweist diesbezüglich auf den Umfang <strong>der</strong> von <strong>der</strong> RTR-<br />
GmbH erhobenen Daten und auf die Unabhängigkeit <strong>der</strong> Amtssachverständigen bei <strong>der</strong><br />
Auswahl <strong>der</strong> im Gutachten heranzuziehenden Grafiken. In diesem Zusammenhang wird<br />
auch auf die aufgrund <strong>der</strong> notwendigen Schlüssigkeit und Nachvollziehbarkeit eines Gutachtens<br />
zwangsläufig zu erfolgende Auswahl <strong>der</strong> in das Gutachten Eingang findenden Grafiken<br />
verwiesen.<br />
Die Telekom-Control-Kommission ist <strong>der</strong> Ansicht, dass sich aus den nicht immer durchgängig<br />
dargestellten Umsätzen und Minuten kein Mangel des Gutachtens ergibt, da sich nachvollziehen<br />
lässt, dass die Nichtdarstellung aus Gründen <strong>der</strong> Übersichtlichkeit erfolgte, die<br />
möglichen Zusatzinformationen nicht wesentlich o<strong>der</strong> aber in an<strong>der</strong>en Darstellungen bereits<br />
zum Großteil implizit enthalten waren.<br />
Zum Vorwurf unterschiedlicher Zeitreihen:<br />
Nach Ansicht <strong>der</strong> Telekom-Control-Kommission ziehen unterschiedliche Datenqualität, unterschiedliche<br />
zeitliche Verfügbarkeit (etwa bei Marktvolumensdaten einerseits und Tarifdaten<br />
an<strong>der</strong>erseits) sowie Strukturbrüche in den Datenmodellen selbst (etwa hinsichtlich <strong>der</strong><br />
Unterscheidung Privat- und Nichtprivatkunden) unterschiedliche Zeitreihen geradezu<br />
zwangsläufig nach sich. So ergibt sich <strong>für</strong> die Telekom-Control-Kommission in nachvollziehbarer<br />
Weise, dass, will man etwa historisch längere Zeiträume aufzeigen, es mitunter<br />
„zwangsläufig“ notwendig erscheint, auf eine höhere Aggregationsstufe umzusteigen.<br />
Inwiefern daraus eine systematische Einseitigkeit in den Gesamtbewertungen resultieren<br />
soll, ist <strong>für</strong> die Telekom-Control-Kommission nicht nachvollziehbar und erscheint nicht substanziiert<br />
vorgebracht.<br />
18<br />
<strong>Vorlesung</strong>smaterialien Seite 69
Zum Vorwurf <strong>der</strong> vermeintlichen Inkonsistenzen innerhalb des Marktanalysegutachtens:<br />
TA kritisiert, dass im Marktanalyse-Gutachten (ON 25) auf den Seiten 67-68 bezüglich <strong>der</strong><br />
Preisbeschreibung auf Seite 68 die Formulierung „…[dass es] von <strong>der</strong> Abschaffung des Minimumtarifs<br />
abgesehen, kaum mehr zu wesentlichen Preissenkungen gekommen ist“, auf<br />
Seite 67 hingegen die Formulierung „…brachte die Abschaffung des Minimumtarifs grundlegende<br />
Än<strong>der</strong>ungen mit sich“ verwendet wird. Aus diesen unterschiedlichen Ausdrucksweisen<br />
wird von TA folgende Inkonsistenz gefolgert (On 30, Beilage C, S.16): „Gerade hier wird also<br />
die Bedeutung <strong>der</strong> Tarifsenkung nach <strong>der</strong> Abschaffung des Minimumtarifs beson<strong>der</strong>s betont,<br />
während sie in <strong>der</strong> Zusammenfassung als nebensächlicher Effekt dargestellt wird“. Die Telekom-Control-Kommission<br />
merkt hierzu an, dass die von TA an dieser Stelle geäußerte Kritik<br />
als rein semantisch, sowie auf Grund <strong>der</strong> nur bedingten Relevanz dieses Marktmachtindikators<br />
als schlussendlich nicht geeignet erscheint, die getroffenen Schlussfolgerungen des<br />
Marktanalyse-Gutachtens in Frage zu stellen.<br />
Zum Pauschalvorwurf methodischer Unzulänglichkeiten:<br />
TA kritisiert (ON 30) das Marktanalyse-Gutachten in formeller Hinsicht bzw. bezieht ihre Kritik<br />
vielerorts auf rein Semantisches und erklärt darauf aufbauend das Gutachten letztendlich<br />
als methodisch unzulänglich.<br />
Würde man die Schlussfolgerungen <strong>der</strong> TA (ON 30, S. 168) heranziehen, („dies bedeutet,<br />
dass die Regulierungsmaßnahmen <strong>für</strong> die Endkundenmärkte eins bis sechs vollständig abgebaut<br />
werden können“), so ergäbe sich, dass sämtliche (!) Endkundenmärkte aus <strong>der</strong> ex<br />
ante Regulierung entlassen werden müssten: Gemäß <strong>der</strong> Gleichsetzungsthese wäre daher<br />
auf das Vorliegen von effektivem Wettbewerb auf allen Endkundenmärkten zu folgern. Nach<br />
Ansicht <strong>der</strong> Telekom-Control-Kommission erscheint diese Aussage angesichts <strong>der</strong> im Vorbringen<br />
von TA inkludierten de facto monopolistischen Zugangsmärkte als ökonomisch äußerst<br />
fragwürdig sowie diametral zur einschlägigen Literatur und zum nationalen und internationalen<br />
regulatorischen Erfahrungswissen.<br />
Die Tatsache, dass Marktanalysen gemäß dem neuen Rechtsrahmen nicht auf die Analyse<br />
<strong>der</strong> Marktanteile zu reduzieren sind, bedarf angesichts <strong>der</strong> Auflistung <strong>der</strong> in § 35 Abs. 2 TKG<br />
2003 enthaltenen Indikatoren <strong>für</strong> das Vorliegen von beträchtlicher Marktmacht keiner näheren<br />
Erläuterung, Entsprechendes kommt auch ganz offensichtlich im Marktanalysegutachten<br />
zum Ausdruck. Viel weniger klar (ON 30) dürfte hingegen nach Ansicht <strong>der</strong> Telekom-Control-<br />
Kommission die nach wie vor beson<strong>der</strong>e Bedeutung von Marktanteilen sein, so geht aus §<br />
35 TKG 2003 sowie den SMP-Leitlinien nach Ansicht <strong>der</strong> Telekom-Control-Kommission jedenfalls<br />
implizit hervor, dass beträchtliche Marktanteile eine notwendige, wenn auch nicht<br />
hinreichende Bedingung <strong>für</strong> die Feststellung von SMP sind.<br />
Zur Anmerkung <strong>der</strong> TA (ON 30, Beilage C, S.40ff.), dass die Gutachter den Wachstumsverlauf<br />
bei CPS-Ständen mit einer logarithmischen Trendlinie illustriert hatten, anstelle <strong>der</strong> von<br />
TA vorgeschlagenen linearen Trendlinie, merkt die Telekom-Control-Kommission an, dass<br />
nach ihrer Ansicht sich schon aus dem Vergleich zur vorgeschlagenen linearen Trendlinie<br />
(ON 30, Beilage C, S.41) ergibt, dass die in ON 25 gewählte Darstellungsweise treffen<strong>der</strong> ist.<br />
Weiters erscheint das von TA gegen die Verwendung <strong>der</strong> logarithmischen Trendlinie vorgebrachte<br />
Argument: „Diese Darstellungsform wird nur bei zweidimensionalen Funktionen angewandt“<br />
als mathematisch schlichtweg nicht nachvollziehbar.<br />
Zum Vorwurf logischer Vermischungen:<br />
19<br />
<strong>Vorlesung</strong>smaterialien Seite 70
TA kritisiert den Aufbau <strong>der</strong> Wettbewerbsanalyse in „logischer“ Hinsicht. Der von den Amtsgutachtern<br />
gewählte Zugang entspräche nicht <strong>der</strong> vom neuen Rechtsrahmen vorgebenen<br />
Vorgehensweise zur Durchführung einer Marktanalyse. Diesbezüglich führt die Telekom-<br />
Control-Kommission aus:<br />
Die gesetzlichen Grundlagen <strong>für</strong> die Durchführung von Marktdefinition und Marktanalyse<br />
finden sich im 5. Abschnitt des TKG 2003 in den §§ 34ff.<br />
Demzufolge beginnt <strong>der</strong> „Prozess“ <strong>der</strong> sektorspezifischen Wettbewerbsregulierung mit <strong>der</strong><br />
Marktabgrenzung gemäß § 36 TKG 2003, darauf aufbauend folgt die Wettbewerbsanalyse<br />
zur allfälligen Feststellung von beträchtlicher Marktmacht (§§ 35 und 37 TKG 2003) und anschließend<br />
die allfällige Auferlegung adäquater Regulierungsinstrumente nach §§ 38 bis 46<br />
o<strong>der</strong> nach § 47 Abs. 1 TKG 2003.<br />
Bei <strong>der</strong> Beurteilung wettbewerblicher Verhältnisse ist von <strong>der</strong> Prämisse auszugehen, dass<br />
keine Regulierung gegeben ist („Greenfield“-Ansatz). Das bedeutet nach Ansicht <strong>der</strong> Telekom-Control-Kommission<br />
allerdings nicht grundsätzlich, dass die bestehende ex ante Regulierung<br />
bei <strong>der</strong> Beurteilung <strong>der</strong> wettbewerblichen Verhältnisse überhaupt nicht berücksichtigt<br />
werden darf. So gebieten nach Ansicht <strong>der</strong> Telekom-Control-Kommission schon die aufgrund<br />
<strong>der</strong> Erfor<strong>der</strong>nisse <strong>der</strong> Angemessenheit und Verhältnismäßigkeit zu gewährleistende Sachlichkeit<br />
bei <strong>der</strong> Vollziehung des TKG 2003 eine (Mit)berücksichtigung <strong>der</strong> wettbewerblichen<br />
Ausgangslage, wie sie eben aufgrund <strong>der</strong> bestehenden Regulierung besteht.<br />
Dem Vorbringen von TA (ON 30 Beilage C, S 30, 31), dass es im Marktanalyse-Gutachten<br />
zu einer „Vermischung <strong>der</strong> Märkte“ und dadurch zu falschen Schlussfolgerungen gekommen<br />
sei, ist zu entgegnen, dass Privat- und Nichtprivatkunden primär aus den in ON 25 (Kapitel<br />
3) beschriebenen strukturellen Analogien in einem beschrieben wurden. Die Unterstellung,<br />
dass dies in ON 30 geschehen sei, weil „sie einem Markt angehörten“ erscheint <strong>für</strong> die Telekom-Control-Kommission<br />
bereits aufgrund <strong>der</strong> Kapitelstruktur <strong>der</strong> ON 25 als nicht nachvollziehbar.<br />
Einer gedanklichen Vermischung an<strong>der</strong>er Art unterliegt TA (ON 30 Beilage C, S. 30ff.) im<br />
Hinblick auf das Verhältnis von Marktdefinition und Marktanalyse. So war die Marktabgrenzung<br />
selbst nicht Gegenstand <strong>der</strong> Marktanalyse. Nach Ansicht <strong>der</strong> Telekom-Control-<br />
Kommission dient das Kapitel 2 <strong>der</strong> ON 25 lediglich als Hintergrundinformation, worauf eingangs<br />
dieses Kapitels von den Amtsgutachtern auch ausdrücklich hingewiesen wurde. Eine<br />
allfällige Überarbeitung <strong>der</strong> Marktdefinition erfolgt im Rahmen <strong>der</strong> nächsten Märkteverordnung<br />
durch die da<strong>für</strong> zuständige RTR-GmbH.<br />
In diesem Zusammenhang ist auch auf ON 38 (Seite 23f) hinzuweisen, in dem TA nach Ansicht<br />
<strong>der</strong> Telekom-Control-Kommission die Frage <strong>der</strong> Marktabgrenzung mit dem Konzept <strong>der</strong><br />
horizontalen Marktmachtübertragung verwechselt. Zur Auffassung von TA (ON 38), dass<br />
durch die Verflochtenheit <strong>der</strong> Märkte die Marktabgrenzung an<strong>der</strong>s durchgeführt hätte werden<br />
müssen, ist auf die mit <strong>der</strong> TKMVO 2003 erfolgten Marktabgrenzungen hinzuweisen. In <strong>der</strong><br />
Sache selbst merkt die Telekom-Control-Kommission dennoch an, dass die betroffenen<br />
Märkte zueinan<strong>der</strong> in einem horizontal-komplementären und nicht in einem horizontalsubstitutiven<br />
Verhältnis stehen. Produktbündelung stellt daher nach Ansicht <strong>der</strong> Telekom-<br />
Control-Kommission kein zwingend die Marktabgrenzung betreffendes Problem dar.<br />
An <strong>der</strong> angeführten Stelle, aber auch bspw. in ON 30, Beilage C S 93ff, wird von TA versucht,<br />
die bestehende Wettbewerbsproblematik in Form <strong>der</strong> horizontalen Marktmachtübertragung<br />
durch Bündelung von Grund- und Verbindungsentgelten als nicht existent erscheinen<br />
zu lassen.<br />
Telekom Austria hat aufgrund <strong>der</strong> überragenden Stellung am Zugangsmarkt diesbezüglich<br />
einzigartige Vorteile in <strong>der</strong> Preisgestaltung bzw. Bündelung. Die grundsätzliche Problematik<br />
aufgrund des de facto Monopols bei Teilnehmeranschlüssen ist nach Ansicht <strong>der</strong> Telekom-<br />
Control-Kommission in <strong>der</strong> marktübergreifenden Bündelung von Produkten <strong>der</strong> Festnetz-<br />
20<br />
<strong>Vorlesung</strong>smaterialien Seite 71
sprachtelephonie zu sehen. Die Telekom-Control-Kommission merkt dazu an, dass in ON 30<br />
(„Bibliographie“) die Arbeiten <strong>der</strong> deutschen Monopolkommission und des ERG-<br />
Arbeitspapiers „European Regulators Group (ERG) (2004), „Joint ERG/EC approach on appropriate<br />
remedies in the new regulatory framework“ zur Anwendung <strong>der</strong> Regulierungsinstrumente<br />
zwar zitiert, nicht aber <strong>der</strong>en Inhalte dazu verarbeitet wurden. Letztgenanntes Papier<br />
erwähnt nämlich ebenso explizit, wie das <strong>für</strong> die Festnetzsprachtelephonie erstellte Expertengutachten<br />
von C. Koboldt, das Wettbewerbsproblem <strong>der</strong> horizontalen Marktmachtübertragung<br />
innerhalb <strong>der</strong> Festnetzendkundenmärkte. „At the retail level, the incumbent<br />
might engage in bundling of access and call services in a way that discourages its access<br />
customers from obtaining call services from other provi<strong>der</strong>s, thus trying to un<strong>der</strong>mine the<br />
effects of CS and CPS obligations. For example, the incumbent might offer a bundle of free<br />
or heavily discounted call minutes with its line rental in exchange for a higher access charge,<br />
which might make its own offering more attractive than the alternative of buying calls from an<br />
CS or CPS operator “ (Koboldt, C. (2003) „Regulatory obligations to be imposed on operators<br />
with significant market power: narrowband services“, S. 11-12; nunmehr von <strong>der</strong> Europäischen<br />
Kommission publizierte und im Internet abrufbare Endfassung im Rahmen <strong>der</strong><br />
von <strong>der</strong> Kommission beauftragten Studien zu Regulierungsfragen).<br />
Angesichts <strong>der</strong> Ausführungen in ON 25 zur Problematik <strong>der</strong> horizontalen Marktmachtübertragung<br />
war den diesbezüglichen Argumenten von TA daher schlussendlich nicht Folge zu<br />
leisten.<br />
D. Rechtliche Beurteilung<br />
1. Zur Zuständigkeit <strong>der</strong> Telekom-Control-Kommission<br />
Gemäß § 117 Z 6 TKG 2003 kommt <strong>der</strong> Telekom-Control-Kommission die Zuständigkeit zur<br />
Feststellung, ob auf dem jeweils relevanten Markt ein o<strong>der</strong> mehrere Unternehmen über beträchtliche<br />
Marktmacht verfügen, und (gegebenenfalls) die Auferlegung spezifischer Verpflichtungen<br />
gemäß § 37 TKG 2003 zu. Vice versa kommt ihr auch die Zuständigkeit zur<br />
Feststellung effektiven Wettbewerbs auf einem relevanten Markt zu.<br />
2. Allgemeines<br />
Im Gegensatz zum bisherigen Regelwerk des TKG 1997 bzw. <strong>der</strong> ONP-Richtlinien hat <strong>der</strong><br />
neue Rechtsrahmen im Bereich <strong>der</strong> <strong>elektronischen</strong> Kommunikationsnetze und -dienste – das<br />
Telekommunikationsgesetz 2003 – einen differenzierteren Ansatz betreffend die Ermittlung<br />
von Unternehmen, die über beträchtliche Marktmacht verfügen, und die Auferlegung von ex<br />
ante-Verpflichtungen, um den – im Rahmen einer Marktanalyse – identifizierten wettbewerblichen<br />
Problemen zu begegnen.<br />
Die Systematik <strong>der</strong> neuen Regelungen sieht im Wesentlichen einen dreistufigen Prozess vor:<br />
Die erste Stufe beinhaltet die Abgrenzung von Kommunikationsmärkten, die möglicherweise<br />
<strong>der</strong> sektorspezifischen Regulierung unterliegen (§ 36 TKG 2003). Den einschlägigen Bestimmungen<br />
entsprechend hat die RTR-GmbH die Telekommunikationsmärkteverordnung<br />
2003 (TKMVO 2003) erlassen, die mit 17.10.2003 in Kraft getreten ist und 16 Telekommunikationsmärkte<br />
abgegrenzt hat.<br />
Die zweite Stufe sieht die Analyse dieser Märkte durch die Telekom-Control-Kommission mit<br />
dem Ziel vor, festzustellen, ob auf diesen Telekommunikationsmärkten effektiver Wettbewerb<br />
gegeben ist o<strong>der</strong> aber (zumindest) ein Unternehmen über beträchtliche Marktmacht verfügt<br />
(§ 37 TKG 2003).<br />
21<br />
<strong>Vorlesung</strong>smaterialien Seite 72
Die dritte Stufe beinhaltet schließlich – bei Vorliegen beträchtlicher Marktmacht – die Festlegung<br />
jener Maßnahmen – den "Regulierungsinstrumenten" (dh die spezifischen Verpflichtungen<br />
gemäß §§ 38 ff. TKG 2003) –, die zur Lösung <strong>der</strong> identifizierten aktuellen und potenziellen<br />
Wettbewerbsprobleme herangezogen werden können (§ 37 Abs. 1 und 2 TKG 2003).<br />
Entgegen dem Vorbringen von TA (ua ON 37) ist es nicht Inhalt des neuen Rechtsrahmens<br />
an sich, das Ausmaß <strong>der</strong> Regulierung zu reduzieren. Vielmehr ist es, wie in Punkt D 4 und D<br />
5 <strong>der</strong> Begründung dieses Bescheides ausgeführt, Aufgabe <strong>der</strong> Regulierungsbehörde bei <strong>der</strong><br />
Vollziehung <strong>der</strong> Vorgaben des neuen Rechtsrahmens, gemäß dem Verhältnismäßigkeitsprinzip<br />
<strong>für</strong> angemessen und effektiv befundene Regulierungsinstrumente aufzuerlegen, die<br />
am besten geeignet erscheinen, das (die) festgestellte(n) Wettbewerbsproblem(e) zu bekämpfen.<br />
3. Zur Marktabgrenzung des Marktes „Auslandsgespräche <strong>für</strong> Nichtprivatkunden<br />
über das öffentliche Telefonnetz an festen Standorten (Endkundenmarkt)“<br />
Gemäß § 36 TKG 2003 hat die Regulierungsbehörde – nach § 115 Abs. 1 TKG 2003 ist da<strong>für</strong><br />
die RTR-GmbH zuständig – durch Verordnung die <strong>der</strong> sektorspezifischen Regulierung<br />
unterliegenden relevanten nationalen Märkte entsprechend den nationalen Gegebenheiten<br />
im Einklang mit den Grundsätzen des allgemeinen Wettbewerbsrechts unter Berücksichtigung<br />
<strong>der</strong> Erfor<strong>der</strong>nisse sektorspezifischer Regulierung festzulegen. Die Festlegung <strong>der</strong> relevanten<br />
Märkte durch die Regulierungsbehörde hat unter Bedachtnahme auf die Bestimmungen<br />
<strong>der</strong> Europäischen Gemeinschaften zu erfolgen.<br />
Diesen Vorgaben entsprechend hat die RTR-GmbH die Telekommunikationsmärkteverordnung<br />
2003 (TKMVO 2003) erlassen, die mit 17.10.2003 in Kraft getreten ist und<br />
16 Telekommunikationsmärkte – in Übereinstimmung mit <strong>der</strong> Empfehlung <strong>der</strong> Europäischen<br />
Kommission vom 11.2.2003 über relevante Produkt- und Dienstemärkte des <strong>elektronischen</strong><br />
Kommunikationssektor – abgegrenzt hat.<br />
§ 1 Z 6 TKMVO 2003 sieht einen Endkundenmarkt „Auslandsgespräche <strong>für</strong> Nichtprivatkunden<br />
über das öffentliche Telefonnetz an festen Standorten“ vor; das räumlich relevante Ausdehnungsgebiet<br />
des Marktes ist dabei das Bundesgebiet (§ 2 TKMVO 2003).<br />
In einem weiteren Schritt hat sodann die Telekom-Control-Kommission diese – von <strong>der</strong> RTR-<br />
GmbH – vordefinierten Märkte, Analysen gemäß § 37 TKG 2003 zu unterziehen. Die Telekom-Control-Kommission<br />
ist dabei an die Marktabgrenzung gebunden, weswegen Parteienvorbringen<br />
im Zusammenhang mit <strong>der</strong> Marktdefinition bzw. gegen die TKMVO 2003 im gegenständlichen<br />
Verfahren keine Berücksichtigung finden können.<br />
4. Zum Marktanalyseverfahren gemäß § 37 TKG 2003<br />
§ 37 TKG 2003 normiert in Umsetzung des Art. 16 Rahmen-RL das „Marktanalyseverfahren“:<br />
Gemäß Abs. 1 leg. cit. führt die Telekom-Control-Kommission (§ 117 Z 6 TKG 2003) von<br />
Amts wegen unter Berücksichtigung <strong>der</strong> Bestimmungen <strong>der</strong> Europäischen Gemeinschaften<br />
in regelmäßigen Abständen, längstens aber in einem Abstand von zwei Jahren, eine Analyse<br />
<strong>der</strong> durch die Verordnung gemäß § 36 Abs. 1 TKG 2003 festgelegten relevanten Märkte –<br />
die Telekommunikationsmärkteverordnung 2003 <strong>der</strong> Rundfunk und Telekom Regulierungs-<br />
GmbH (TKMVO 2003) – durch.<br />
Primäres Ziel dieses Marktanalyseverfahrens ist die Feststellung, ob auf dem jeweils relevanten<br />
Markt ein o<strong>der</strong> mehrere Unternehmen über beträchtliche Marktmacht verfügen o<strong>der</strong><br />
22<br />
<strong>Vorlesung</strong>smaterialien Seite 73
aber effektiver Wettbewerb gegeben ist. Je nach Ergebnis sind im Anschluss daran die spezifischen<br />
Verpflichtungen aufzuheben, beizubehalten, zu än<strong>der</strong>n o<strong>der</strong> aufzuerlegen.<br />
Die Analyse eines Marktes kann folgende Ergebnisse bringen:<br />
Gelangt die Telekom-Control-Kommission zur Feststellung, dass auf dem relevanten Markt<br />
ein o<strong>der</strong> mehrere Unternehmen über beträchtliche Marktmacht verfügen und somit kein effektiver<br />
Wettbewerb besteht, hat sie diesem o<strong>der</strong> diesen Unternehmen geeignete spezifische<br />
Verpflichtungen nach §§ 38 bis 46 o<strong>der</strong> nach § 47 Abs. 1 TKG 2003 aufzuerlegen. Bereits<br />
bestehende spezifische Verpflichtungen <strong>für</strong> Unternehmen werden, sofern sie den relevanten<br />
Markt betreffen, von <strong>der</strong> Regulierungsbehörde nach Maßgabe <strong>der</strong> Ergebnisse des Verfahrens<br />
unter Berücksichtigung <strong>der</strong> Regulierungsziele geän<strong>der</strong>t o<strong>der</strong> neuerlich auferlegt (§ 37<br />
Abs. 2 TKG 2003).<br />
In Ziffer 114 <strong>der</strong> Leitlinien <strong>der</strong> Europäischen Kommission zur Marktanalyse und Ermittlung<br />
beträchtlicher Marktmacht nach dem gemeinsamen Rechtsrahmen <strong>für</strong> elektronische Kommunikationsnetze<br />
und –dienste, ABl L C 165/6 vom 11.7.2002 (im Folgenden: SMP-<br />
Leitlinien) wird in Bezug auf das Auferlegen von Regulierungsinstrumenten im Falle <strong>der</strong><br />
Feststellung von beträchtlicher Marktmacht wie folgt ausgeführt: „Die Feststellung allein,<br />
dass ein Unternehmen über beträchtliche Marktmacht verfügt, ohne die Auferlegung geeigneter<br />
Verpflichtungen, ist jedoch nicht mit den Bestimmungen des neuen Rechtsrahmens<br />
vereinbar, insbeson<strong>der</strong>e nicht mit Artikel 16 Absatz 4 <strong>der</strong> Rahmenrichtlinie. Mit an<strong>der</strong>en Worten,<br />
die NRB [nationalen Regulierungsbehörden, Anm.] müssen einem Unternehmen, das<br />
als Unternehmen mit beträchtlicher Marktmacht eingestuft wurde, mindestens eine Verpflichtung<br />
auferlegen.“<br />
Stellt die Telekom-Control-Kommission demgegenüber fest, dass auf dem relevanten Markt<br />
effektiver Wettbewerb besteht und somit kein Unternehmen über beträchtliche Marktmarkt<br />
verfügt, darf sie (mit Ausnahme von § 47 Abs. 2 TKG 2003) keine Verpflichtungen gemäß<br />
Abs. 2 leg. cit. auferlegen; diesfalls wird das Verfahren hinsichtlich dieses Marktes durch<br />
Beschluss <strong>der</strong> Regulierungsbehörde formlos eingestellt und dieser Beschluss veröffentlicht.<br />
Soweit <strong>für</strong> Unternehmen noch spezifische Verpflichtungen auf diesem Markt bestehen, werden<br />
diese mit Bescheid aufgehoben. In diesem Bescheid ist auch eine angemessene, sechs<br />
Monate nicht übersteigende Frist festzusetzen, die den Wirksamkeitsbeginn <strong>der</strong> Aufhebung<br />
festlegt.<br />
Zur Frage sich selbsttragen<strong>der</strong> vs. effektiver Wettbewerb:<br />
TA kritisierte, dass im Marktanalyse-Gutachten und im Regulierungsinstrumente-Gutachten<br />
die Begriffe des effektiven o<strong>der</strong> selbsttragenden Wettbewerbs nicht konsistent verwendet<br />
würden, wobei es <strong>der</strong> Verwendung des Begriffes des selbsttragenden Wettbewerbs überhaupt<br />
an einer gesetzlichen Grundlage mangle:<br />
Die Telekom-Control-Kommission stellt diesbezüglich fest, dass sich bezüglich dieser Wettbewerbskonzepte<br />
we<strong>der</strong> aus den einschlägigen nationalen o<strong>der</strong> internationalen Rechtsquellen<br />
noch aus <strong>der</strong> wirtschaftswissenschaftlichen Literatur ein einheitliches Begriffsverständnis<br />
des Konzepts des selbsttragenden Wettbewerbs ableiten lässt. Das Konzept des effektiven<br />
Wettbewerbs wird hingegen sowohl in <strong>der</strong> Rahmenrichtlinie (R-RL), dem TKG 2003, als auch<br />
in den SMP-Leitlinien <strong>der</strong> Europäischen Kommission dargestellt.<br />
Dieser Definition zufolge besteht effektiver Wettbewerb in <strong>der</strong> Abwesenheit von beträchtlicher<br />
Marktmacht. Art. 14 Abs. 2 <strong>der</strong> R-RL und daran angelehnt § 35 Abs. 1 TKG 2003 definieren<br />
den Begriff „beträchtliche Marktmacht“ als einen Zustand, in dem „ein Unternehmen<br />
allein o<strong>der</strong> mit an<strong>der</strong>en eine wirtschaftlich so starke Stellung einnimmt, die es ihm gestattet,<br />
sich in beträchtlichem Umfang unabhängig von Wettbewerbern, Kunden und letztlich Nutzern<br />
zu verhalten“.<br />
23<br />
<strong>Vorlesung</strong>smaterialien Seite 74
Bis dato gab es eine wesentliche Vorleistungsregulierung <strong>für</strong> die Endkundenmärkte <strong>der</strong><br />
Festnetzsprachtelefonie, nämlich die Verpflichtung zur Betreiber(vor)auswahl (ON 25).<br />
Nun ist es zwar denkbar, dass Endkundenmärkte insoweit in effektivem Wettbewerb stehen,<br />
dass sie keiner Endkundenregulierung bedürfen (wie es im Übrigen auf dem Auslandsprivatkundenmarkt<br />
<strong>der</strong> Fall ist), <strong>der</strong> Wettbewerb aber eben nicht selbsttragend ist, da er zentral<br />
von <strong>der</strong> Basisvorleistungsregulierung <strong>der</strong> Betreiber(vor)auswahl abhängt. Die begriffliche<br />
Unterscheidung zwischen effektivem und selbsttragendem Wettbewerb ist daher jedenfalls<br />
nicht als konstitutiv <strong>für</strong> die Beurteilung über das Vorliegen von beträchtlicher Marktmacht<br />
bzw. von effektivem Wettbewerb zu sehen. Die unterschiedlichen Begriffe zielen vielmehr auf<br />
eine Unterscheidung hinsichtlich <strong>der</strong> Abhängigkeit des bereits erreichten Wettbewerbsniveaus<br />
auf dem Endkundenmarkt vom Bestehen einer Regulierung auf den Vorleistungsmärkten<br />
ab.<br />
Die sachliche Rechtfertigung <strong>für</strong> dieses Wettbewerbsverständnis ergibt sich aus <strong>der</strong> de facto<br />
monopolistischen Marktmacht auf dem benachbarten Zugangsmarkt, auf Grund <strong>der</strong> es ohne<br />
Basisvorleistungsregulierung zu einem Zusammenbrechen <strong>der</strong> wettbewerblichen Strukturen<br />
auf den Verbindungsmärkten käme. Es kann nach Ansicht <strong>der</strong> Telekom-Control-Kommission<br />
we<strong>der</strong> dem europäischen noch dem österreichischen Gesetzgeber unterstellt werden, eine<br />
Definition von Wettbewerb gewählt zu haben, die nicht auf die Notwendigkeit von Basisvorleistungsregulierungen<br />
abstellt. Es würde den Regulierungszielen des TKG 2003 geradezu<br />
entgegenlaufen, wenn ein ausschließlich im reinen Wortsinn <strong>der</strong> Bestimmungen des Art. 14<br />
Abs. 2 R-RL bzw. des § 35 Abs. 1 TKG 2003 effektiver, aber eben nicht selbsttragen<strong>der</strong>,<br />
Endkundenmarkt keiner wie auch immer gearteten (auch nicht auf an<strong>der</strong>en Märkten) ex ante<br />
Regulierung unterliegen sollte. Diese Überlegung wird auch durch den Wortlaut des § 43<br />
TKG 2003 („Regulierungsmaßnahmen in Bezug auf Dienste <strong>für</strong> Endnutzer“) gestützt, in dem<br />
es in Bezug auf die Tatbestandsvoraussetzungen in Abs. 1 Z 1 leg cit heißt: „[…] kein Wettbewerb<br />
herrscht]“. Auch durch die fehlende Eingrenzung des Wettbewerbsbegriffs in <strong>der</strong> lex<br />
specialis <strong>für</strong> das Auferlegen von Regulierungsinstrumenten auf den Endkundenmärkten,<br />
kommt nach Ansicht <strong>der</strong> Telekom-Control-Kommission zum Ausdruck, dass die Definition<br />
des effektiven Wettbewerbs in § 35 Abs. 1 TKG 2003 das von <strong>der</strong> Telekom-Control-<br />
Kommission gewählte Wettbewerbsverständnis des selbsttragenden Wettbewerbs gerade<br />
nicht ausschließt.<br />
Nach Ansicht <strong>der</strong> Telekom-Control-Kommission ergibt sich daher bereits aus dem Charakter<br />
<strong>der</strong> ex ante Regulierung selbst, dass auch die Auswirkungen <strong>der</strong> Aufhebung von Regulierungsinstrumenten<br />
mitzuberücksichtigen sind. Die Telekom-Control-Kommission weist daher<br />
das Vorbringen <strong>der</strong> TA hinsichtlich <strong>der</strong> angeblichen fehlenden gesetzlichen Grundlage <strong>für</strong><br />
den gewählten Wettbewerbsbegriff zurück.<br />
TA stellte in diesem Zusammenhang auch die Behauptung auf, dass zuerst zwingend die<br />
Vorleistungsmärkte zu analysieren seien, und erst in einem zeitlich späteren Schritt die Analyse<br />
<strong>der</strong> Endkundenmärkte erfolgen dürfe. Diesbezüglich wird auf die Ausführungen zu Punkt<br />
D 6 zur Auslegung des Art. 17 Abs. 1 <strong>der</strong> Universaldienstrichtlinie bzw. des § 43 Abs. 1 TKG<br />
2003 verwiesen.<br />
Das Vorbringen von TA, dass das unterschiedliche Ergebnis <strong>der</strong> Marktanalysen mit <strong>der</strong> unterschiedlichen<br />
Würdigung dieser Vorleistungsregulierung zu tun habe, beruht offenbar auf<br />
einem irrtümlichen Verständnis <strong>der</strong> unterschiedlichen Vorleistungsmärkte. Die (regulierte)<br />
Betreiber(vor)auswahl bezieht sich auf den inländischen Vorleistungsanteil, welcher allerdings<br />
eben auch bei <strong>der</strong> Bereitstellung von Auslandsgesprächen an Endkunden von ANB,<br />
die über keine eigene Infrastruktur im Anschlussbereich verfügen, in Anspruch genommen<br />
wird. Bei Auslandsgesprächen existiert eben zusätzlich zur notwendigen Vorleistung im Inland<br />
noch ein verhältnismäßig kompetitiver Markt um die im Ausland gelegenen Vorleistungsanteile<br />
„einzukaufen“. Genau hierin zeigt sich nach Ansicht <strong>der</strong> Telekom-Control-<br />
Kommission die Unterschiedlichkeit hinsichtlich <strong>der</strong> gesamten Vorleistungsabhängigkeit sowie<br />
<strong>der</strong> Höhe <strong>der</strong> Markteintrittsbarrieren. Gerade hinsichtlich <strong>der</strong> Frage des sich selbsttragenden<br />
Wettbewerbs hat dieser Sachverhalt allerdings keine Auswirkungen: So sind auch<br />
24<br />
<strong>Vorlesung</strong>smaterialien Seite 75
alternative Anbieter von Auslandsgesprächen überwiegend auf die Betreiber(vor)auswahl<br />
angewiesen, um den Inlandsanteil des Auslandsgespräches abwickeln zu können. Es ist <strong>für</strong><br />
die Telekom-Control-Kommission daher nicht nachvollziehbar, worin hier ein unterschiedlicher<br />
Prüfmaßstab zur Anwendung gekommen sein soll.<br />
5. Unternehmen mit beträchtlicher Marktmacht<br />
Gemäß § 35 Abs. 1 TKG 2003 „[gilt] ein Unternehmen [ ] dann als Unternehmen mit beträchtlicher<br />
Marktmacht, wenn es entwe<strong>der</strong> allein o<strong>der</strong> gemeinsam mit an<strong>der</strong>en eine wirtschaftlich<br />
so starke Stellung einnimmt, die es ihm gestattet, sich in beträchtlichem Umfang<br />
unabhängig von Wettbewerbern, Kunden und letztlich Nutzern zu verhalten.“<br />
§ 35 TKG 2003 deckt sich weitgehend mit den einschlägigen europarechtlichen Vorgaben:<br />
So hält Art. 14 Abs. 2 <strong>der</strong> Richtlinie 2002/21/EG des Europäischen Parlaments und des Rates<br />
vom 07.03.2002 über einen gemeinsamen Rechtsrahmen <strong>für</strong> elektronische Kommunikationsnetze<br />
und -dienste („Rahmenrichtlinie“, Amtsblatt Nr. L 108 vom 24.04.2002) fest, dass<br />
ein Unternehmen dann als ein Unternehmen mit beträchtlicher Marktmacht gilt, „wenn es<br />
entwe<strong>der</strong> allein o<strong>der</strong> gemeinsam mit an<strong>der</strong>en eine <strong>der</strong> Beherrschung gleichkommende Stellung<br />
einnimmt, d. h. eine wirtschaftlich starke Stellung, die es ihm gestattet, sich in beträchtlichem<br />
Umfang unabhängig von Wettbewerbern, Kunden und letztlich Verbrauchern zu verhalten“.<br />
Bei <strong>der</strong> Beurteilung, ob ein Unternehmen beträchtliche Marktmacht hat („single dominance“),<br />
hat die Telekom-Control-Kommission „insbeson<strong>der</strong>e“ nachfolgende Kriterien zu berücksichtigen:<br />
1. die Größe des Unternehmens, seine Größe im Verhältnis zu <strong>der</strong> des relevanten Marktes<br />
sowie die Verän<strong>der</strong>ungen <strong>der</strong> relativen Positionen <strong>der</strong> Marktteilnehmer im Zeitverlauf,<br />
2. die Höhe von Markteintrittsschranken sowie das daraus resultierende Ausmaß an potenziellem<br />
Wettbewerb,<br />
3. das Ausmaß <strong>der</strong> nachfrageseitigen Gegenmacht,<br />
4. das Ausmaß an Nachfrage- und Angebotselastizität,<br />
5. die jeweilige Marktphase,<br />
6. <strong>der</strong> technologiebedingte Vorsprung,<br />
7. allfällige Vorteile in <strong>der</strong> Verkaufs- und Vertriebsorganisation,<br />
8. die Existenz von Skalenerträgen, Verbund- und Dichtevorteilen,<br />
9. das Ausmaß vertikaler Integration,<br />
10. das Ausmaß <strong>der</strong> Produktdifferenzierung,<br />
11. <strong>der</strong> Zugang zu Finanzmitteln,<br />
12. die Kontrolle über nicht leicht ersetzbare Infrastruktur,<br />
13. das Verhalten am Markt im Allgemeinen, wie etwa Preissetzung, Marketingpolitik, Bündelung<br />
von Produkten und Dienstleistungen o<strong>der</strong> Errichtung von Barrieren (Abs. 2 leg. cit.).<br />
Der nationale wie auch <strong>der</strong> europäische Rechtsrahmen lösen den Zusammenhang zwischen<br />
„beträchtlicher Marktmacht“ iSd § 35 TKG 2003 und „effektivem Wettbewerb“ iSd § 37 TKG<br />
2003 mit <strong>der</strong> so genannten „Gleichsetzungsthese“ auf, <strong>der</strong>zufolge bei Vorhandensein zumindest<br />
eines Unternehmens mit beträchtlicher Marktmacht iSd § 35 TKG 2003 kein effektiver<br />
Wettbewerb vorliegt. Definitionsgemäß existiert in so einem Fall mindestens ein, durch die<br />
Regulierungsbehörde abzustellendes, Wettbewerbsdefizit. So hält die Europäische Kommis-<br />
25<br />
<strong>Vorlesung</strong>smaterialien Seite 76
sion in ihren Leitlinien (Rz. 19, 112) fest, dass <strong>der</strong> Schlussfolgerung, dass auf einem relevanten<br />
Markt effektiver Wettbewerb herrscht, die Feststellung gleich kommt, dass auf diesem<br />
Markt kein Betreiber allein o<strong>der</strong> gemeinsam mit an<strong>der</strong>en eine beherrschende Stellung einnimmt.<br />
Für die Anwendung des neuen Rechtsrahmens wird „wirksamer Wettbewerb“ dahin<br />
gehend definiert, dass es auf dem relevanten Markt kein Unternehmen gibt, das allein o<strong>der</strong><br />
zusammen mit an<strong>der</strong>en eine individuelle o<strong>der</strong> gemeinsame beherrschende Stellung einnimmt<br />
(vgl. ebenso Erwägungsgrund 27 <strong>der</strong> RahmenRL).<br />
Für die Operationalisierung <strong>der</strong> Marktanalyse sind die vorerwähnten Leitlinien zur Marktanalyse<br />
und zur Bewertung beträchtlicher Marktmacht einschlägig: Im Gegensatz zum allgemeinen<br />
Wettbewerbsrecht verfolgt die sektorspezifische Regulierung eine ex ante-Betrachtung.<br />
Bei <strong>der</strong> Beurteilung wettbewerblicher Verhältnisse ist von <strong>der</strong> Prämisse auszugehen, dass<br />
keine Regulierung gegeben ist („Greenfield“-Ansatz). So hält auch die Europäische Kommission<br />
in ihren „Leitlinien zur Marktanalyse und Ermittlung beträchtlicher Marktmacht“ wie folgt<br />
fest: „Bei <strong>der</strong> Ex ante-Beurteilung, ob Unternehmen alleine o<strong>der</strong> gemeinsam auf dem relevanten<br />
Markt eine beherrschende Stellung einnehmen, sind die NRB grundsätzlich auf an<strong>der</strong>e<br />
Hypothesen und Annahmen angewiesen als eine Wettbewerbsbehörde bei <strong>der</strong> Ex-Post-<br />
Anwendung [ … ] muss sich die Marktanalyse hauptsächlich auf Prognosen stützen. [ … ]<br />
Der Umstand, dass sich die ursprüngliche Marktprognose <strong>der</strong> NRB in einem gegebenen Fall<br />
nicht bestätigt, bedeutet nicht notwendigerweise, dass diese Entscheidung zu dem Zeitpunkt,<br />
als sie erlassen wurde, mit <strong>der</strong> Richtlinie unvereinbar war.“ (Rz. 70, 71 <strong>der</strong> Leitlinien).<br />
Fußnote 73 zu den Leitlinien hält darüber hinaus fest, dass „die NRB keine missbräuchliche<br />
Ausnutzung einer beherrschenden Stellung feststellen müssen, um ein Unternehmen als<br />
Unternehmen mit beträchtlicher Marktmacht zu bezeichnen.“<br />
Die Telekom-Control-Kommission weist darauf hin, dass auch TA (ON 20, S 141) anmerkte,<br />
dass es nicht ausreiche, allein Marktanteile zu analysieren, son<strong>der</strong>n dass vielmehr die<br />
Marktanalyse „vorausschauend“ durchgeführt werden müsse.<br />
6. Zur Beurteilung effektiven Wettbewerbs am gegenständlichen Markt<br />
Eine wesentliche Zielsetzung <strong>der</strong> Regulierung ist die Schaffung von Wettbewerb auf den<br />
Märkten <strong>der</strong> TKMVO 2003. Der Kunde kann dann von Wettbewerbspreisen und einer erhöhten<br />
Angebotsvielfalt profitieren. Ist kein effektiver Wettbewerb auf einem dieser Märkte gegeben,<br />
sind regulatorische Maßnahmen zur Lösung aktueller bzw. potentieller Wettbewerbsprobleme<br />
zu ergreifen.<br />
Vor dem Hintergrund des § 37 Abs. 1 TKG 2003 wie auch gemäß Erwägungsgrund 27 <strong>der</strong><br />
Rahmenrichtlinie ergibt sich eine von <strong>der</strong> Regulierungsbehörde heranzuziehende dynamische<br />
Betrachtungsweise. Demgemäß sollte die Untersuchung <strong>der</strong> tatsächlichen Wettbewerbssituation<br />
auch die Frage umfassen, ob <strong>der</strong> Markt potentiell wettbewerbsorientiert ist<br />
und somit ob das Fehlen eines wirksamen Wettbewerbs ein dauerhaftes Phänomen ist. Liegt<br />
also kein effektiver Wettbewerb vor, so ist die Frage zu klären, ob <strong>der</strong> Markt eventuell im<br />
Zeitverlauf von selbst in Richtung effektiven Wettbewerb tendiert. Stützt sich <strong>der</strong> vorgefundene<br />
effektive Wettbewerb hingegen auf die Regulierung auf <strong>der</strong> Vorleistungsebene, so kann<br />
nicht von selbsttragendem Wettbewerb (ohne jegliche Regulierung) gesprochen werden. Der<br />
Wettbewerb am Endkundenmarkt kann also effektiv, aber zentral von Regulierungen auf<br />
an<strong>der</strong>en Märkten abhängig sein.<br />
Stellt man jedoch auf selbsttragenden infrastrukturbasierten Wettbewerb ab, so ist in diesem<br />
Zusammenhang (v.a. auf Vorleistungsmärkten) auch das Ausmaß und die Entwicklung <strong>der</strong><br />
Infrastrukturinvestitionen zu betrachten. In ihrer Einschätzung des Wettbewerbs hat die Regulierungsbehörde<br />
daher den voraussehbaren o<strong>der</strong> zumindest wahrscheinlichen Verän<strong>der</strong>ungen<br />
am jeweils gegenständlichen Markt im Rahmen ihrer zu treffenden Prognosebeurteilung<br />
<strong>für</strong> den jeweils relevanten Zeitraum Rechnung zu tragen.<br />
26<br />
<strong>Vorlesung</strong>smaterialien Seite 77
Diesem Verständnis des § 37 TKG 2003 Folge tragend, wurden die Gutachter des Marktanalyse-Gutachtens<br />
bereits im Gutachtensauftrag vom 20.10.2003 beauftragt, festzustellen, „ob<br />
aus wirtschaftlicher Sicht Wettbewerb herrscht bzw. ob ohne Regulierung aus wirtschaftlicher<br />
Sicht selbsttragen<strong>der</strong> Wettbewerb vorläge“.<br />
TA kritisierte diesbezüglich unter an<strong>der</strong>em in ON 30 unter dem Titel <strong>der</strong> fehlenden „Verhältnismäßigkeit“<br />
des Marktanalyse-Gutachtens unter Verweis auf § 34 TKG 2003 umfangreich<br />
die nicht adäquate Umsetzung des Gutachtensauftrages <strong>der</strong> Telekom-Control-Kommission:<br />
So wurde unter an<strong>der</strong>em vorgebracht, dass vor allem <strong>der</strong> zweite Teil des Gutachtensauftrages,<br />
nämlich die Untersuchung, ob die Auferlegung von Regulierungsinstrumenten allein auf<br />
den Vorleistungsmärkten ausreichen würde, um auf <strong>der</strong> Endkundenebene „effektiven Wettbewerb<br />
(bzw. selbsttragenden Wettbewerb)“ herstellen zu können, nicht erfolgt sei; in diesem<br />
Zusammenhang fehle eine Analyse <strong>der</strong> ökonomischen Effekte <strong>der</strong> Regulierungsinstrumentarien<br />
<strong>der</strong> Vorleistungsebene <strong>für</strong> den Endkundenmarkt, sowie würden anzustellende<br />
wettbewerbsrechtliche Hintergrundüberlegungen nicht getätigt: Zusammengefasst sei <strong>der</strong><br />
Vorrang <strong>der</strong> Regulierung <strong>der</strong> Vorleistungsmärkte nicht ausreichend berücksichtigt worden.<br />
Unter Zugrundelegung <strong>der</strong> Ausführungen zum Art. 17 <strong>der</strong> Universaldienst-Richtlinie kam die<br />
Telekom-Control-Kommission zum Schluss, dass dem Vorbringen <strong>der</strong> TA diesbezüglich nicht<br />
zu folgen war.<br />
Zum Vorbringen <strong>der</strong> TA hinsichtlich <strong>der</strong> angeblich inkonsistenten Verwendung <strong>der</strong> Begriffe<br />
„sich selbsttragen<strong>der</strong> Wettbewerb“ bzw. „effektiver Wettbewerb“ wird auf die Ausführungen<br />
zu Punkt C (Beweiswürdigung) dieses Bescheides verwiesen.<br />
Im Gegensatz zu einer ex-post-Anwendung <strong>der</strong> Regeln des allgemeinen Wettbewerbsrechtes<br />
ist das Bestehen von Marktmacht iSd § 35 TKG 2003 über eine „Vorabprüfung“ – eine ex<br />
ante-Betrachtung – zu beurteilen. Diese Vorgehensweise bedingt daher neben <strong>der</strong> Berücksichtigung<br />
vergangener Fakten auch das Anstellen von Prognosen. So halten die Leitlinien<br />
<strong>der</strong> Europäischen Kommission zur Marktanalyse und Ermittlung beträchtlicher Marktmacht<br />
(ABl. C 165, S. 5 vom 11.7.2002) fest, dass „bei <strong>der</strong> ex ante-Beurteilung, ob Unternehmen [ ]<br />
eine beherrschende Stellung einnehmen, [ ] die NRB grundsätzlich auf an<strong>der</strong>e Hypothesen<br />
und Annahmen angewiesen sind als eine Wettbewerbsbehörde bei <strong>der</strong> ex-post-Anwendung<br />
von Art. 82 im Hinblick auf eine angebliche missbräuchliche Ausnutzung“.<br />
Angemerkt wird darüber hinaus, dass „die Regulierungsbehörden keine missbräuchliche<br />
Ausnutzung einer beherrschenden Stellung im Sinne des allgemeinen Wettbewerbsrechts<br />
feststellen müssen, um ein Unternehmen als Unternehmen mit beträchtlicher Marktmacht zu<br />
bezeichnen“ (Abschnitt 3.1. <strong>der</strong> Leitlinien). Den diesbezüglichen Ausführungen <strong>der</strong> TA konnte<br />
daher von <strong>der</strong> Telekom-Control-Kommission bei <strong>der</strong> Entscheidung über die aufzuerlegenden<br />
Regulierungsinstrumente nicht gefolgt werden. TA selbst führt aus, dass es sich bei <strong>der</strong><br />
Beurteilung <strong>der</strong> Wettbewerbsverhältnisse auf dem gegenständlichen Markt um „theoretische,<br />
denkmögliche Wettbewerbsprobleme […] handelt, die somit präventiv mit tatsächlichen Regulierungsauflagen<br />
„bekämpft“ werden“. Diesbezüglich ist auszuführen, dass <strong>der</strong> Ausdruck<br />
<strong>der</strong> denkmöglichen Wettbewerbsprobleme seitens <strong>der</strong> TKK immer vor dem Hintergrund gegebener<br />
Anreizstrukturen und gegebener Regulierungsinstrumente angewendet wurde.<br />
TA kritisierte in diesem Zusammenhang (ON 20, S 140), dass die Amtssachverständigen im<br />
Marktanalyse-Gutachten feststellten, dass sich Wettbewerber auf den Endkundenmärkten<br />
[…] sehr rasch etablieren konnten. Es wäre unabdingbar gewesen, zu prüfen, ob die Maßnahmen<br />
auf den Vorleistungsmärkten ausreichen, um Wettbewerb sicherzustellen. Ferner<br />
seien <strong>für</strong> kurzfristig auftretende Wettbewerbsprobleme die Kartellgerichte bzw. die Bundeswettbewerbsbehörde<br />
zuständig. Im Zusammenhang mit obigen Ausführungen zum Thema<br />
selbsttragenden Wettbewerbs ist die Telekom-Control-Kommission <strong>der</strong> Ansicht, dass eine<br />
Regulierung des benachbarten Zugangsmarktes nach wie vor notwendig ist, um das erreichte<br />
Wettbewerbsniveau auf den Verbindungsmärkten durch die mögliche Übertragung von<br />
Marktmacht nicht zu schwächen. Die Frage des Ausreichens <strong>der</strong> Regulierung auf Vorleistungsmärkten<br />
ist zwar bei <strong>der</strong> Regulierung von Endkundenmärkten zu stellen (Primat <strong>der</strong><br />
27<br />
<strong>Vorlesung</strong>smaterialien Seite 78
Regulierung <strong>der</strong> Vorleistungsmärkte), allerdings weist die Telekom-Control-Kommission in<br />
Bezug auf das Vorbringen <strong>der</strong> TA zur Zuständigkeit <strong>der</strong> Kartellgerichte und <strong>der</strong> Bundeswettbewerbsbehörde<br />
im Falle von kurzfristig auftretenden Wettbewerbsproblemen darauf hin,<br />
dass es primär Aufgabe des allgemeinen Wettbewerbsrechts ist, auf Marktverhalten basierende<br />
Missbräuche einer marktbeherrschenden Stellung abzustellen. Das allgemeine Wettbewerbsrecht<br />
ist hingegen nach Ansicht <strong>der</strong> Telekom-Control-Kommission nicht ausreichend<br />
geeignet, aus wettbewerblicher Sicht problematische Marktstrukturen sowie die aus diesen<br />
Marktstrukturen sich ergebenden Verhaltensanreize zu wettbewerbsbeschränkendem Verhalten<br />
zu begegnen. Daher wurde dieser Markt auch als relevanter Markt in die Märkteempfehlung<br />
<strong>der</strong> Europäischen Kommission und letztlich in die TKMVO 2003 aufgenommen.<br />
Aus den genannten Gründen konnte daher den Ausführungen von TA nicht näher getreten<br />
werden.<br />
Die Feststellung von beträchtlicher Marktmacht <strong>der</strong> TA und die korrespondierende Auferlegung<br />
von Regulierungsinstrumenten auf dem gegenständlichen Endkundenmarkt entsprechen<br />
daher dem sowohl durch Art. 17 <strong>der</strong> Richtlinie 2002/22/EG über den Universaldienst<br />
und Nutzerrechte bei <strong>elektronischen</strong> Kommunikationsnetzen und –diensten (Universaldienstrichtlinie,<br />
Abl. L 108/51 vom 24.4.2002) als auch dem aus § 43 Abs. 1 Z 1 TKG 2003 ersichtlichen<br />
Prinzip des Vorranges <strong>der</strong> Regulierung <strong>der</strong> Vorleistungsmärkte vor einer Regulierung<br />
auf den jeweils nachgelagerten Endkundenmärkten.<br />
Die Eingrenzung <strong>der</strong> Untersuchung <strong>der</strong> Frage des Vorliegens beträchtlicher Marktmacht nur<br />
auf das Vorliegen einer alleinigen marktbeherrschenden Stellung im Sinne des § 35 Abs. 2<br />
TKG 2003 ergibt sich aus dem enormen Marktanteilsvorsprung auf Grund <strong>der</strong> asymmetrischen<br />
Marktanteilsverteilung auf dem gegenständlichen Verbindungsmarkt und dem unterschiedlichen<br />
Grad <strong>der</strong> Integration.<br />
Das Marktanalyse-Gutachten <strong>der</strong> Amtssachverständigen (ON 25) untersucht eingehend die<br />
Situation auf dem genannten Markt, insbeson<strong>der</strong>e an Hand <strong>der</strong> relevanten Marktmacht-<br />
Indikatoren aus ökonomischer Sicht und hält fest, welche Kriterien <strong>für</strong> o<strong>der</strong> gegen eine<br />
Marktbeherrschung (bzw. beträchtliche Marktmacht) sprechen (siehe unten).<br />
Vor diesem Hintergrund und angesichts des Umstandes, dass TA als integriertes Unternehmen<br />
flächendeckend tätig ist, ist die Frage zu beantworten, welche Konsequenzen die Aufhebung<br />
<strong>der</strong> bislang bestehenden Regulierungsverpflichtung <strong>für</strong> den Wettbewerb auf diesem<br />
Markt hätte. Aus dem Marktanalyse-Gutachten (ON 25) und aus dem Regulierungsinstrumente-Gutachten<br />
(ON 32) ergibt sich nach Ansicht <strong>der</strong> Telekom-Control-Kommission, dass<br />
eine Nichtauferlegung <strong>der</strong> Regulierungsinstrumente gemäß Punkt 2 des Spruches dieser<br />
Anordnung zu einer beträchtlichen Verschlechterung <strong>der</strong> Wettbewerbssituation auf dem gegenständlichen<br />
Markt führen würde, da angesichts <strong>der</strong> festgestellten Anreize <strong>für</strong> TA zu wettbewerbsbeschränkendem<br />
Verhalten bzw. zum Setzen überhöhter Preise mit einer Verschlechterung<br />
<strong>der</strong> wirtschaftlichen Ausgangsbedingungen <strong>für</strong> alternative Anbieter sowie <strong>für</strong><br />
Nichtprivatkunden zu rechnen wäre.<br />
6.1. Zur Analyse des Marktes entsprechend den Kriterien des § 35 Abs. 2 TKG 2003:<br />
6.1.1. Marktentwicklung und Marktanteile<br />
Im Kontext <strong>der</strong> Untersuchung einer beträchtlichen Marktmacht eines Unternehmens nennt<br />
§ 35 Abs. 2 Z 1 TKG 2003 „die Größe des Unternehmens, seine Größe im Verhältnis zu <strong>der</strong><br />
des relevanten Marktes sowie die Verän<strong>der</strong>ungen <strong>der</strong> relativen Positionen <strong>der</strong> Marktteilnehmer<br />
im Zeitverlauf“. Die Leitlinien <strong>der</strong> Europäischen Kommission (Rz. 75 - 78) nennen<br />
Marktanteile als einen von mehreren Marktmachtindikatoren. Die Leitlinien halten dabei fest,<br />
dass ein hoher Marktanteil allein noch nicht bedeutet, dass das betreffende Unternehmen<br />
über beträchtliche Marktmacht verfügt. Allerdings ist auch nicht anzunehmen, dass ein Un-<br />
28<br />
<strong>Vorlesung</strong>smaterialien Seite 79
ternehmen ohne einen bedeutenden Marktanteil eine alleinige beherrschende Stellung einnimmt.<br />
Die aus ökonomischer Sicht hohe Bedeutung des Indikators „Marktanteile“ <strong>für</strong> die Beurteilung<br />
einer alleinigen marktbeherrschenden Stellung (single dominance) leitet sich vor allem<br />
aus <strong>der</strong> Monopol- und Oligopoltheorie sowie aus empirischer Evidenz über den Zusammenhang<br />
zwischen Marktanteilen und Profitabilität (in Form <strong>der</strong> price-cost margin) ab. So gibt es<br />
sowohl theoretisch als auch empirisch einen positiven Zusammenhang zwischen (unternehmensindividuellem)<br />
Marktanteil und (unternehmensindividueller) price-cost margin. We<strong>der</strong><br />
die empirische noch die theoretische Literatur vermögen allerdings abschließende Auskunft<br />
darüber zu geben, ab welchem Marktanteil sich das Vorliegen von „beträchtlicher Marktmacht“<br />
vermuten lässt (o<strong>der</strong> gar erwiesen ist).<br />
Die Europäische Kommission hat in ihrer Fallpraxis die Schwelle <strong>für</strong> eine beherrschende<br />
Stellung in <strong>der</strong> Regel erst ab einem Marktanteil von über 40 % angesetzt, obwohl sie in einigen<br />
Fällen auch bei einem niedrigeren Marktanteil eine beherrschende Stellung<br />
angenommen hat, da eine Marktbeherrschung manchmal auch ohne einen hohen Marktanteil<br />
vorliegt.<br />
Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs liefern beson<strong>der</strong>s hohe Marktanteile —<br />
über 50 % — ohne Weiteres, von außergewöhnlichen Umständen abgesehen — den Beweis<br />
<strong>für</strong> das Vorliegen einer beherrschenden Stellung (78). Einem Unternehmen mit einem hohen<br />
Marktanteil kann beträchtliche Marktmacht unterstellt werden, wenn dieser Marktanteil über<br />
längere Zeit stabil geblieben ist (Z 75 <strong>der</strong> Leitlinien <strong>der</strong> Kommission zur Marktanalyse und<br />
Ermittlung beträchtlicher Marktmacht nach dem gemeinsamen Rechtsrahmen <strong>für</strong> elektronische<br />
Kommunikationsnetze und –dienste Abl 2002/C 165/03).<br />
Zur Frage <strong>der</strong> Marktanteilsberechnung:<br />
Zur Frage <strong>der</strong> Verwendung von Preisen (Umsatzmarktanteilen) o<strong>der</strong> von Mengenwerten<br />
(Verkehrsmengen je Zeiteinheit) bei <strong>der</strong> Berechnung von Marktanteilen auf dem gegenständlichen<br />
Markt hat die Telekom-Control-Kommission wie folgt erwogen:<br />
Die Verwendung von Preisen spiegelt die tatsächliche Preissetzungsmacht eines Unternehmens<br />
wi<strong>der</strong>. Durch die Fähigkeit, Preise über dem Wettbewerbsniveau aufrecht erhalten zu<br />
können, erlangt ein Unternehmen die Möglichkeit, höhere Umsätze zu generieren und damit<br />
zu einem verbesserten Betriebsergebnis beizutragen.<br />
Das Abstellen auf Mengenwerte alleine hingegen würde nicht auf die je nach Tarifangebot<br />
unterschiedlichen Minutenpreise (z.B. peak – off peak) abstellen. Es würde daher nicht auf<br />
die tatsächlich auf Grund <strong>der</strong> unterschiedlichen Preise generierten Umsätze abgestellt werden.<br />
Allerdings ist zu berücksichtigen, dass ein Abstellen auf die Preise alleine etwaige höhere<br />
Kosten nicht reflektieren würde. In diesem Fall würden erhöhte Preise nicht zu einem Gewinn<br />
über Wettbewerbsniveau führen (da eben entsprechend höhere Kosten gegenüber stehen).<br />
Die Telekom-Control-Kommission stellt daher primär auf die jeweils erzielten Umsatzmarktanteile<br />
ab, bezieht allerdings die erzielten Mengenwerte (hier Minutenanteile) in die Betrachtung<br />
mit ein.<br />
Da die größten vier am Nichtprivatkundenmarkt tätigen Anbieter (inklusive Telekom Austria)<br />
mehr als 85 % <strong>der</strong> Umsatzmarktanteile auf sich vereinigen und sich die Marktanteile <strong>der</strong> Telekom<br />
Austria seit dem Jahr 2002 nach wie vor deutlich in einer Höhe über 60 % <strong>der</strong> in Umsätzen<br />
gemessenen Marktanteile stabilisiert haben, spricht dieser Marktmachtindikator deutlich<br />
<strong>für</strong> das Vorliegen von beträchtlicher Marktmacht.<br />
29<br />
<strong>Vorlesung</strong>smaterialien Seite 80
Bei <strong>der</strong> Beurteilung des Vorliegens von beträchtlicher Marktmacht aufgrund <strong>der</strong> Verteilung<br />
<strong>der</strong> Marktanteile ist gemäß <strong>der</strong> Rechtsprechung <strong>der</strong> EK auch auf die Verteilung <strong>der</strong> Marktanteile<br />
<strong>der</strong> Wettbewerber, insbeson<strong>der</strong>e auch auf den Abstand zum nächstgrößten Wettbewerber<br />
abzustellen. In Umsätzen gemessen liegt <strong>der</strong> Marktanteil von TA viermal über dem des<br />
nächstgrößeren Unternehmens.<br />
Zum Vorbringen <strong>der</strong> TA (ON 30, S 3), dass das Marktanalyse-Gutachten keine wettbewerbsrechtlichen<br />
Hintergrundüberlegungen enthalte, führt die Telekom-Control-Kommission aus,<br />
dass solche Überlegungen nicht Bestandteil des Gutachtensauftrages waren, da diese Frage<br />
bereits mit <strong>der</strong> Marktdefinition entschieden war. Eines <strong>der</strong> Kriterien <strong>für</strong> die Aufnahme eines<br />
Marktes in die Liste <strong>der</strong> <strong>der</strong> ex ante Kontrolle zugänglichen Sektormärkte gründet in <strong>der</strong> Unzulänglichkeit<br />
von Maßnahmen des allgemeinen Wettbewerbsrechts (Märkteempfehlung <strong>der</strong><br />
EK, drittes Kriterium). Allfällige diesbezügliche Überlegungen sind daher im Stadium <strong>der</strong><br />
Feststellung von beträchtlicher Marktmacht nicht mehr anzustellen. Wie sich aus dem Gutachtensauftrag<br />
vom 20.10.2003 ergibt, handelt es sich um ein ökonomisches Gutachten. Im<br />
En<strong>der</strong>gebnis kann diesem Vorbringen von TA unter Verweis auf die obigen Ausführungen<br />
nicht gefolgt werden.<br />
Zum Vorbringen <strong>der</strong> TA, dass durch die zunehmende wirtschaftliche Bedeutung des Mobilnetzbetriebes<br />
weiterer Wettbewerbsdruck auf das Festnetz (ON 20, S 128 und S 135) ausgeübt<br />
würde, ist auszuführen, dass dieses Argument <strong>der</strong> TA die Frage <strong>der</strong> Marktabgrenzung<br />
zwischen Festnetz- und Mobilnetzmärkten auf allgemeinem Niveau berührt. Die Telekom-<br />
Control-Kommission verweist in diesem Punkt auf die Ausführungen zu Punkt D 3 dieses<br />
Bescheides (Bindung an die Märkteabgrenzung <strong>der</strong> TKMVO 2003). Auch dem Vorbringen<br />
<strong>der</strong> TA in Bezug auf die getroffene Marktabgrenzung zwischen Inlands- und Auslandsmärkten<br />
(ON 20, S 132), den Auswirkungen des Verbindungsnetzbetriebes auf die Verbindungsmärkte<br />
(ON 20, S 132) und in Bezug auf SMS und E-Mail (ON 20, S 136) ist unter Verweis<br />
auf die mit <strong>der</strong> TKMVO 2003 erfolgte Marktabgrenzung entgegen zu treten.<br />
Dem Argument von TA (ON 20, S 140), dass <strong>der</strong> Verhaltensspielraum von TA durch die am<br />
Markt befindliche Anzahl <strong>der</strong> Marktteilnehmer eingeschränkt sei, kann die Telekom-Control-<br />
Kommission unter Verweis auf die auch nach dem Zusammenschluss von Tele2 und UTA<br />
stark asymmetrische Marktstruktur insbeson<strong>der</strong>e auf dem komplementären Zugangsmarkt<br />
aber auch auf dem gegenständlichen Verbindungsmarkt nicht Folge leisten: TA ist <strong>der</strong> größte<br />
Anbieter von Festnetzkommunikationsleistungen und ist als einziger Anbieter von marktgegenständlichen<br />
Leistungen österreichweit flächendeckend vertikal integriert. Daneben gibt es<br />
wenige „mittelgroße“ Anbieter mit nur teilweise eigener, und auch nur regionaler Infrastruktur,<br />
sowie eine vergleichsweise große Anzahl von teils sehr kleinen Anbietern. Es ist daher <strong>für</strong><br />
die Telekom-Control-Kommission aus diesem Grund und unter Einbeziehung vorhandener<br />
Marktbarrieren nicht nachvollziehbar, warum TA vermeint, auf dem gegenständlichen Verbindungsmarkt,<br />
wenn auch unter den Gegebenheiten <strong>der</strong> ex ante Regulierung, in ihrem<br />
Handlungsspielraum eingeschränkt zu sein.<br />
TA führte in ihren Stellungnahmen zum gegenständlichen Markt sinngemäß aus, dass die<br />
Auswirkungen des Verbindungsnetzbetriebes (Carrier Preselection und Call by Call) bei <strong>der</strong><br />
Marktanalyse zu berücksichtigen seien, da durch den Verbindungsnetzbetrieb die wirtschaftliche<br />
Bedeutung des „Festnetzmarktes“ zurückgegangen sei und dies müsse im Rahmen<br />
dieses Verfahrens berücksichtigt werden.<br />
Diesbezüglich ist auf die Bestimmung des § 46 TKG 2003 zu verweisen. Diese Bestimmung<br />
normiert, dass die Regulierungsinstrumente <strong>der</strong> Betreiberauswahl und <strong>der</strong> Betreibervorauswahl<br />
gegebenenfalls „bei <strong>der</strong> Bereitstellung des Anschlusses“ aufzuerlegen sind. Die „Bereitstellung<br />
des Anschlusses“ wird durch § 1 Z 1 und 2 <strong>der</strong> TKMVO 2003 erfasst. Die dort enthaltenen<br />
Märkte sind die Märkte <strong>für</strong> den Zugang von Privatkunden bzw. Nichtprivatkunden,<br />
zum öffentlichen Telefonnetz an festen Standorten. Diese beiden Märkte sind Endkundenmärkte.<br />
Es ist daher nach Ansicht <strong>der</strong> Telekom-Control-Kommission davon auszugehen,<br />
dass gemäß Art. 19 Universaldienstrichtlinie (Richtlinie 2002/22/EG des Europäischen Parlaments<br />
und des Rates vom 7. März 2002 über den Universaldienst und Nutzerrechte bei<br />
30<br />
<strong>Vorlesung</strong>smaterialien Seite 81
<strong>elektronischen</strong> Kommunikationsnetzen und –diensten) bzw. § 46 Abs. 1 TKG 2003 die Regulierungsinstrumente<br />
<strong>der</strong> Betreiberauswahl und <strong>der</strong> Betreibervorauswahl ungeachtet etwaiger<br />
Auswirkungen auf den gegenständlichen Verbindungsmarkt als Regulierungsinstrumente auf<br />
den erwähnten Anschlussmärkten gemäß § 1 Z 1 und 2 <strong>der</strong> TKMVO 2003 anzusehen sind.<br />
Der Regulierung <strong>der</strong> Verbindungsnetzbetreiber(vor)auswahl wurde eingehend Rechnung<br />
getragen. Ohne dieses Regulierungsinstrument („Basisregulierung“) würde es mangels Anschlussnetzen<br />
<strong>der</strong> alternativen Anbieter zu einem Zusammenbrechen <strong>der</strong> wettbewerblichen<br />
Strukturen auf dem gegenständlichen Markt kommen. Dem diesbezüglichen Vorbringen <strong>der</strong><br />
TA war daher nicht näher zu treten, wiewohl festzustellen ist, dass die Verpflichtung zur Verbindungsnetzbetreiber(vor)auswahl<br />
<strong>für</strong> die wettbewerblichen Strukturen des gegenständlichen<br />
Markts von zentraler Bedeutung ist.<br />
Dieses Bild wird nach Ansicht <strong>der</strong> Telekom-Control-Kommission durch die jüngst veröffentlichten<br />
Quartalszahlen von TA (Quartal 1 – 3 / 2004) noch bestätigt. Wenn auch die dort veröffentlichten<br />
Zahlen nicht zwischen den einzelnen Verbindungsmärkten unterscheiden, es<br />
wird nur auf „Wireline“ bzw. „Fixed line market shares“ referenziert, so ergibt sich nach Ansicht<br />
<strong>der</strong> Telekom-Control-Kommission im Zusammenhang mit den getroffenen Feststellungen,<br />
dass TA auf dem gegenständlichen Verbindungsmarkt über beträchtliche Marktmacht<br />
verfügt.<br />
Bezüglich des Zusammenschlusses von Tele2 und UTA zeigen sich keine Auswirkungen, die<br />
hinsichtlich <strong>der</strong> Effektivität des Wettbewerbs auf dem gegenständlichen Markt unterschiedliche<br />
Schlüsse nahe legen würden. So hat UTA auf dem gegenständlichen Markt einen<br />
Marktanteil von unter 15 %. Tele2 war bisher auf dem gegenständlichen Markt kaum aktiv,<br />
sodass „Tele2/UTA“ zusammen keine höheren Marktanteile erreichen werden; <strong>der</strong> gegenständliche<br />
Markt wird dadurch hinsichtlich <strong>der</strong> Beurteilung des Wettbewerbs nicht nachhaltig<br />
beeinflusst.<br />
Nach Ansicht <strong>der</strong> Telekom-Control-Kommission spricht daher dieser Marktmachtindikator <strong>für</strong><br />
das Vorliegen von beträchtlicher Marktmacht.<br />
6.1.2. Vertikale Integration<br />
Der Marktmachtindikator „Vertikale Integration“ wird im TKG 2003 unter den Kriterien <strong>für</strong><br />
„single dominance“ genannt (§ 35 Abs. 2 Z 9 TKG 2003). Unter diesem Begriff wird verstanden,<br />
dass ein Unternehmer nicht nur auf dem gegenständlichen Markt, son<strong>der</strong>n auch auf<br />
weiteren Märkten tätig ist. Die wettbewerbliche Problematik kann sich dahingehend manifestieren,<br />
dass ein Unternehmen, das auf mehreren Märkten tätig ist, aufgrund <strong>der</strong> Verflechtung<br />
dieser Märkte Anreize hat, Wettbewerbern auf den benachbarten Märkten den Zugang zu<br />
diesen Märkten zu verschließen o<strong>der</strong> an<strong>der</strong>e wettbewerbsbeschränkende Praktiken zur Anwendung<br />
zu bringen.<br />
Auf dem gegenständlichen Markt reduziert sich die Abhängigkeit vom Vorleistungsanbieter<br />
Telekom Austria in Bezug auf die auf das Ausland entfallende Verbindungsleistung allerdings<br />
substantiell. Für die Weiterleitung und Zustellung von Auslandsgesprächen – zumindest hinsichtlich<br />
<strong>der</strong> wesentlichsten Destinationen – stehen allen Betreibern (Telekom Austria wie<br />
auch den alternativen Anbietern) eine Reihe von internationalen Carriern zur Verfügung.<br />
Freilich muss aber auch hier von – teils größenabhängig – unterschiedlichen Einkaufsmöglichkeiten<br />
und Verhandlungspositionen ausgegangen werden.<br />
Dieser Marktmachtindikator spricht ebenfalls <strong>für</strong> das Vorliegen von beträchtlicher Marktmacht,<br />
da durch die vertikale Integration <strong>der</strong> TA, die sowohl auf dem gegenständlichen Verbindungsmarkt<br />
als auch auf dem benachbarten Zugangsmarkt tätig ist, sich nach Ansicht <strong>der</strong><br />
Telekom-Control-Kommission die Kontrolle über nicht leicht ersetzbare Infrastruktur am Zugangsmarkt<br />
auch auf den gegenständlichen Verbindungsmarkt überträgt.<br />
31<br />
<strong>Vorlesung</strong>smaterialien Seite 82
Die Abhängigkeit <strong>der</strong> alternativen Anbieter von <strong>der</strong> Vorleistungsbereitstellung <strong>der</strong> TA reduziert<br />
sich allerdings auf dem gegenständlichen Verbindungsmarkt substantiell, da – zumindest<br />
hinsichtlich <strong>der</strong> wichtigsten Destinationen - eine Reihe von internationalen Carriern zur<br />
Verfügung stehen.<br />
Dieser Marktmachtindikator spricht daher in geringem Ausmaß <strong>für</strong> das Vorliegen von beträchtlicher<br />
Marktmacht.<br />
6.1.3. Marktzutrittsbarrieren und potentieller Wettbewerb<br />
§ 35 Abs. 2 Z 1 TKG 2003 nennt die „Höhe von Markteintrittsschranken“ sowie das daraus<br />
„resultierende Ausmaß an potenziellem Wettbewerb“ als einen Marktmachtindikator. Randziffer<br />
80 <strong>der</strong> SMP-Leitlinien nennt ebenfalls „Marktzutrittsschranken“ als einen Indikator <strong>für</strong> das<br />
Vorliegen von beträchtlicher Marktmacht.<br />
In ihrer Empfehlung über relevante Märkte unterscheidet die Europäische Kommission zwischen<br />
zwei Arten von Marktzutrittsbarrieren, nämlich strukturell bedingte und rechtlich bedingte<br />
Hin<strong>der</strong>nisse: Ein strukturbedingtes Zugangshin<strong>der</strong>nis liegt vor, wenn bei gegebenem<br />
Nachfrageniveau <strong>der</strong> Stand <strong>der</strong> Technik und die entsprechende Kostenstruktur so sind, dass<br />
sie Asymmetrien zwischen etablierten Betreibern und Markteinsteigern schaffen, sodass<br />
letztere am Marktzutritt gehin<strong>der</strong>t werden. Hohe strukturbedingte Marktzutrittsbarrieren bestehen<br />
beispielsweise, wenn erhebliche Skalen-, Verbund- und Dichtevorteile sowie hohe<br />
versunkene Kosten <strong>für</strong> den Markt charakteristisch sind. Rechtlich bedingte Hin<strong>der</strong>nisse basieren<br />
nicht auf wirtschaftlichen Bedingungen, son<strong>der</strong>n ergeben sich aus legislativen, administrativen<br />
o<strong>der</strong> sonstigen staatlichen Maßnahmen, die sich unmittelbar auf die Zugangsbedingungen<br />
und/o<strong>der</strong> die Stellung von Betreibern auf dem betreffenden Markt auswirken.<br />
Entscheidend <strong>für</strong> die Beurteilung von Marktmacht ist aber letztlich auch das Ausmaß an<br />
Wettbewerb, <strong>der</strong> hinter diesen Barrieren stattfindet. Das Vorliegen von Marktmacht kann<br />
daher insbeson<strong>der</strong>e dort vermutet werden, wo die Marktkonzentration hoch ist und gleichzeitig<br />
hohe Marktzutrittsbarrieren vorliegen.<br />
So halten die Leitlinien fest, dass die Feststellung einer marktbeherrschenden Stellung auch<br />
davon abhängt, wie leicht <strong>der</strong> Marktzugang ist. Hohe Marktzutrittsschranken können dazu<br />
führen, dass ein Unternehmen mit einem beträchtlichen Marktanteil sich unabhängig von<br />
seinen Wettbewerbern, seinen Abnehmern und schließlich den Verbrauchern (EuGH Rs.<br />
United Brands, 14.2.21978) verhalten und bspw. Preise über den Kosten verlangen kann.<br />
Höhere Marktzutrittsbarrieren können die Entstehung von effektivem Wettbewerb be- o<strong>der</strong><br />
verhin<strong>der</strong>n und stehen so den Regulierungszielen des § 1 Abs. 1 Z 2 TKG 2003 entgegen.<br />
Die Prüfung von Marktzutrittsschranken ist daher ein wesentliches Element je<strong>der</strong> Prüfung<br />
von Marktmacht (vgl EuGH Rs 6/72 – Continental Can/Kommission, Slg 1973, 215).<br />
Die von <strong>der</strong> Europäischen Kommission im Rahmen <strong>der</strong> Fusionskontrolle entwickelten Kriterien<br />
erkennen dem Ausmaß an potentiellem Wettbewerb nur dann eine die Markmacht eines<br />
Unternehmens beschränkende Wirkung zu, wenn die folgenden Kriterien erfüllt sind:<br />
1. Zur Wahrscheinlichkeit des Markteintrittes:<br />
Der Rechtsprechung <strong>der</strong> EK folgend, gilt ein Markteintritt eines potentiellen Wettbewerbs nur<br />
dann als hinreichend wahrscheinlich, um die Marktmacht eines marktmächtigen Unternehmens<br />
zu beschränken, wenn wahrscheinlich ist, dass ein solcher Markteintritt auch angesichts<br />
möglicher Gegenreaktionen des marktmächtigen Unternehmens als ausreichend rentabel<br />
erscheint (Entscheidungen <strong>der</strong> EK zu M.1383 – Exxon/Mobil, Rz 221ff; M 330 -<br />
McCormick/CPC/Rabobank/Ostmann, Rz 73 ff sowie M.269 – Shell/Montecatini, Rz 85ff).<br />
32<br />
<strong>Vorlesung</strong>smaterialien Seite 83
Nach Ansicht <strong>der</strong> Telekom-Control-Kommission sind zwar im Vergleich zu den Zugangsmärkten<br />
auf dem gegenständlichen Verbindungsmarkt die Markteintrittsbarrieren auf Grund<br />
<strong>der</strong> vergleichsweise geringeren Investitionskosten vergleichsweise gering, allerdings ist auch<br />
auf dem gegenständlichen Markt auf Grund zu tätigen<strong>der</strong> Investitionen (Werbung, Branding)<br />
und bestehen<strong>der</strong> Vorteile <strong>der</strong> TA von existierenden Markteintrittsbarrieren auszugehen, die<br />
gerade auch unter Berücksichtigung <strong>der</strong> späten Marktphase die Wahrscheinlichkeit <strong>für</strong><br />
Markteintritte entsprechend verringern.<br />
2. Kurzfristige Durchführbarkeit des Markteintritts und Erheblichkeit desselben:<br />
Die Geltungsdauer des gegenständlichen Bescheides ist mit dem Abschluss eines zukünftigen<br />
Verfahrens zur Feststellung beträchtlicher Marktmacht <strong>für</strong> den gegenständlichen Markt<br />
befristet. Die einem solchen zukünftigen Verfahren gemäß § 36 Abs. 1 TKG 2003 zugrunde<br />
liegende TKMVO 2003 muss alle zwei Jahre überprüft werden. Wenn nun auch keine eindeutige<br />
Frist, innerhalb <strong>der</strong>er ein Markteintritt erfolgen muss, aus <strong>der</strong> Entscheidungspraxis<br />
<strong>der</strong> EK abgeleitet werden kann, so ist nach Ansicht <strong>der</strong> Telekom-Control-Kommission tendenziell<br />
doch davon auszugehen, dass innerhalb des hier relevanten Zeitraums von ungefähr<br />
zwei Jahren im Gegensatz zum Beginn <strong>der</strong> Liberalisierung auf Grund des nunmehr gesättigten<br />
Marktes wenig ökonomische Anreize bestehen, dass zusätzliche Mitbewerber in<br />
den gegenständlichen Markt eintreten. Sollten solche Eintritte tatsächlich erfolgen, erscheint<br />
<strong>der</strong> Telekom-Control-Kommission auf Grund <strong>der</strong> obigen Argumente die Möglichkeit eines<br />
neu eintretenden Verbindungsnetzbetreibers zur Gewinnung signifikanter Marktanteile als<br />
sehr gering.<br />
TA brachte diesbezüglich (ON 20, S 143 – 150) zusammengefasst vor, dass Marktbarrieren<br />
auf den Endkundenmärkten nicht mehr gegeben seien, da es durch den nicht mehr bestehenden<br />
Zwang zur Konzession keine institutionellen Zugangsbarrieren mehr gebe. Ferner<br />
sei es sogar so, dass es durch die Entbündelung <strong>der</strong> Teilnehmeranschlussleitung samt „kostengünstigen<br />
Anbieten“ <strong>der</strong>selben, die ja ohne vergleichbare Anfangsinvestitionen möglich<br />
sei, keine strukturellen Barrieren im Anschlussnetz mehr gebe. Auf Grund <strong>der</strong> Verflochtenheit<br />
des benachbarten Anschlussmarktes mit dem gegenständlichen Verbindungsmarkt gebe<br />
es auf dem gegenständlichen Verbindungsmarkt auch keine strategischen Markteintrittsbarrieren,<br />
allenfalls solche, die durch alternative Anbieter errichtet worden wären. Darüberhinaus<br />
sei es durch die Trennung von Netzanschluss und Diensten zu einer Reduktion <strong>der</strong><br />
Markteintrittsbarrieren auf dem gegenständlichen Verbindungsmarkt durch TA gekommen.<br />
Diesbezüglich hat die Telekom-Control-Kommission wie folgt erwogen: Die Tatsache, dass<br />
mit dem TKG 2003 keine Konzessionspflicht <strong>für</strong> das Erbringen von Festnetzsprachtelefonieprodukten<br />
mehr besteht, bedeutet <strong>für</strong> sich genommen nur, dass tatsächlich allenfalls bestehende<br />
rechtlich/institutionelle Markteintrittsbarrieren nicht mehr in diesem Ausmaß existieren.<br />
Allerdings darf das nach Ansicht <strong>der</strong> Telekom-Control-Kommission nicht darüber hinwegtäuschen,<br />
dass es nur einer verhältnismäßig kleinen Anzahl von Anbietern gelungen ist,<br />
signifikante Marktanteile zu erobern – überdies gelang das nur auf den Verbindungsmärkten.<br />
Entgegen dem Vorbringen von TA bestehen auch <strong>für</strong> Verbindungsnetzbetreiber Markt-<br />
eintrittsbarrieren <strong>für</strong> den gegenständlichen Markt, sollten sie sich entschließen, in Zukunft als<br />
Teilnehmernetzbetreiber operativ sein zu wollen. Es bestehen <strong>für</strong> einen solchen Verbindungsnetzbetreiber<br />
angesichts <strong>der</strong> hohen versunkenen Kosten nach wie vor beträchtliche<br />
Markteintrittsbarrieren, die von <strong>der</strong> Errichtung eines eigenen flächendeckenden Festnetzes<br />
gerade im Anschlussbereich Abstand nehmen lassen (ON 25). Die daraus resultierende<br />
Notwendigkeit zur Erbringung von Verbindungsleistungen (Gespräche) durch Verbindungsnetzbetreiber(vor)auswahl<br />
bringt darüber hinaus auch am gegenständlichen Markt die Abhängigkeit<br />
<strong>der</strong> Verbindungsnetzbetreiber vom flächendeckenden Anschlussnetz <strong>der</strong> TA <strong>für</strong><br />
den auf das Inland entfallenden Teil <strong>der</strong> notwendigen Vorleistung zum Ausdruck. In diesem<br />
Zusammenhang wird auf das auferlegte Regulierungsinstrument <strong>der</strong> Verbindungsnetzbetreiber(vor)auswahl<br />
auf dem benachbarten Zugangsmarkt hingewiesen.<br />
33<br />
<strong>Vorlesung</strong>smaterialien Seite 84
Auf dem gegenständichen Markt sind die Markteintrittsbarrieren nach Ansicht <strong>der</strong> Telekom-<br />
Control-Kommission insbeson<strong>der</strong>e deshalb gegeben, da Zuverlässigkeitsanfor<strong>der</strong>ungen und<br />
sonstige Qualitätsmerkmale hier beson<strong>der</strong>s wichtig sind. Sowohl tatsächliche Qualitätsvorsprünge<br />
auf Seiten <strong>der</strong> Telekom Austria aufgrund höherwertiger und vor allem eigener Infrastruktur<br />
o<strong>der</strong> <strong>der</strong> historisch gewachsenen internationalen (Partner-)Netzstruktur, als auch<br />
subjektiv von Nachfragern empfundene Vorteile erklären solche Wechselbarrieren. Letzte<br />
Komponente dürfte vor allem im Zuge von Unternehmenskonkursen alternativer Anbieter<br />
noch verstärkt werden, da diesfalls mit negativen Reputationswirkungen auf die Gesamtheit<br />
aller alternativen Betreiber zu rechnen ist.<br />
Zum Vorbringen <strong>der</strong> TA, dass alternative Anbieter Marktbarrieren durch das Anbieten von<br />
Bündelprodukten samt dem mittelbaren Herbeiführen eines „one-stop-shop-Effektes“ errichten<br />
würden, hat die Telekom-Control-Kommission erwogen, dass das Anbieten von Bündeln,<br />
die mit denen <strong>der</strong> TA vergleichbar sind, aufgrund <strong>der</strong> vertikalen Integration <strong>der</strong> TA und den<br />
<strong>der</strong>zeit verfügbaren Vorleistungsprodukten (eben ohne Resale), nur jenen alternativen<br />
Betreibern möglich ist, die ebenfalls über ein Anschlussnetz verfügen. Die spezifische Wettbewerbsproblematik<br />
<strong>der</strong> Produktbündelung am gegenständlichen Verbindungsmarkt besteht<br />
eben in <strong>der</strong> Bereitstellung des Zugangs gebündelt mit <strong>der</strong> Verbindungsleistung (Gespräche)<br />
<strong>für</strong> den Endkunden bzw. in <strong>der</strong> Abwicklung von Projektgeschäften. Alternative Anbieter ohne<br />
eigenes Zugangsnetz, das sind die allermeisten <strong>der</strong> Wettbewerber <strong>der</strong> TA, können daher,<br />
wie ausgeführt, auf Grund <strong>der</strong> auch am gegenständlichen Verbindungsmarkt in Bezug auf<br />
den auf das Inland entfallenden Anteils <strong>der</strong> notwendigen Vorleistung keine Produktbündel<br />
aus Zugangsprodukten und Gesprächsleistungen anbieten. Das diesbezügliche Vorbringen<br />
<strong>der</strong> TA geht daher ins Leere.<br />
Die zudem spezifisch auf dem gegenständlichen Markt dem alternativen Anbieter entstehenden<br />
und spezifisch dem Retailbereich zurechenbaren versunkenen Kosten durch typischerweise<br />
intensive Werbekampagnen zur Information einer hinreichenden Anzahl von Kunden<br />
über mögliche Wechselvorteile und letztlicher Akquise, stellen nach Ansicht <strong>der</strong> Telekom-<br />
Control-Kommission ebenfalls Markteintrittsbarrieren dar.<br />
Die Tatsache, dass <strong>für</strong> Bestandskunden <strong>der</strong> TA oftmals ein über einen langen Zeitraum existierendes<br />
Vertragsverhältnis und damit verbunden entsprechende Loyalität besteht und somit<br />
ein <strong>für</strong> alternative Wettbewerber nur schwer o<strong>der</strong> nicht erreichbarer Bekanntheitsgrad des<br />
ehemaligen Monopolisten existiert, begründen nach Ansicht <strong>der</strong> Telekom-Control-<br />
Kommission ebenfalls signifikante Wechselbarrieren.<br />
Weiters ist auch nach Ansicht <strong>der</strong> Telekom-Control-Kommission typischerweise geringere<br />
Kundenbindung auf Seiten <strong>der</strong> Verbindungsnetzbetreiber, sowie die Möglichkeit <strong>für</strong> Endkunden,<br />
von den Erfolgen <strong>der</strong> Liberalisierung auch indirekt – ohne selbst zu wechseln – zu profitieren,<br />
als Markteintrittsbarriere <strong>für</strong> alternative Anbieter zu qualifizieren.<br />
Dem Vorbringen <strong>der</strong> TA, dass am gegenständlichen Endkundenmarkt die Berücksichtigung<br />
<strong>der</strong> seit langem bestehenden „Universaldienstverpflichtung“ <strong>der</strong> TA <strong>für</strong> diesen Markt und <strong>der</strong><br />
damit verbundenen Auswirkungen bei <strong>der</strong> Bewertung von Marktmacht nicht erfolgt sei und<br />
flächendeckende Infrastruktur und „Mächtigkeit“ <strong>der</strong> TA nicht zuletzt aufgrund <strong>der</strong> „Universaldienstverpflichtung“<br />
bestünden, ist entgegenzuhalten, dass die Verpflichtung <strong>der</strong> TA zur<br />
Erbringung des Universaldienstes <strong>der</strong>zeit gesetzlich vorgesehen ist und die Interessen <strong>der</strong><br />
Endnutzer för<strong>der</strong>t.<br />
Bezüglich des Vorbringens von TA hinsichtlich <strong>der</strong> Möglichkeit zur Entbündelung ist auszuführen,<br />
dass die Entbündelung dazu beitragen kann, dem bestehenden de facto Monopol im<br />
Zugangsbereich zu begegnen. Die Entbündelung fungiert daher als (eine) Möglichkeit, unter<br />
an<strong>der</strong>em auf dem gegenständlichen Verbindungsmarkt überhaupt erst die Vorraussetzungen<br />
<strong>für</strong> das Entstehen von Wettbewerb zu schaffen.<br />
Freilich kann die Entbündelung auf dem gegenständlichen Markt nach Ansicht <strong>der</strong> Telekom-<br />
Control-Kommission angesichts <strong>der</strong> Ausführungen zu den spezifischen Markteintrittsbarrie-<br />
34<br />
<strong>Vorlesung</strong>smaterialien Seite 85
en des gegenständlichen Verbindungsmarktes nicht substantiell zur Senkung <strong>der</strong><br />
Markteintrittsbarrieren beitragen.<br />
Zur Bestreitbarkeit von Märkten:<br />
Bezüglich des Vorbringens <strong>der</strong> TA im Hinblick auf die vorliegende Bestreitbarkeit des gegenständlichen<br />
Verbindungsmarktes hat die Telekom-Control-Kommission erwogen, dass das<br />
diesbezügliche Vorbringen von TA nicht geeignet ist, die getroffenen Feststellungen in Frage<br />
zu stellen.<br />
Dies vor allem deshalb, da die <strong>der</strong> Theorie <strong>der</strong> bestreitbaren Märkte zu Grunde liegenden<br />
restriktiven Annahmen, nämlich (1) Abwesenheit jeglicher Markteintritts- und Marktaustrittsbarrieren<br />
und (2) hinreichend lange Reaktionszeit <strong>der</strong> (des) etablierten Unternehmen, sodass<br />
ein Neueinsteiger in den Markt eintreten und die (von ihm vor dem Eintritt beobachteten)<br />
Profite realisieren kann („hit and run“ Strategie), auf dem gegenständlichen Verbindungsmarkt<br />
nicht vorliegen:<br />
In Bezug auf das Kriterium <strong>der</strong> Abwesenheit jeglicher Markteintritts- und Marktaustrittsbarrieren<br />
ist insbeson<strong>der</strong>e festzustellen, dass auf dem gegenständlichen Verbindungsmarkt eine<br />
Reihe von endogenen Marktbarrieren, die durch das strategische Verhalten <strong>der</strong> bereits am<br />
Markt aktiven Teilnehmer bestimmt werden, existieren. Die Telekom-Control-Kommission<br />
verweist an dieser Stelle insbeson<strong>der</strong>e auf die hohe Werbeintensität und Bedeutung <strong>der</strong><br />
Kundenbindung auf den Kommunikationsendkundenmärkten. Ferner geht die Telekom-<br />
Control-Kommission davon aus, dass Präferenzen bzw. Markentreue <strong>der</strong> Konsumenten <strong>für</strong><br />
die bereits am Markt aktiven Unternehmer existieren. Die Annahme des Modells <strong>der</strong> bestreitbaren<br />
Märkte, dass sich die Konsumenten vollkommen rational verhalten, d.h. sich lediglich<br />
an den Preisen orientieren, erscheint <strong>der</strong> Telekom-Control-Kommission als nicht den<br />
tatsächlichen Gegebenheiten entsprechend. Darüberhinaus würde diese Annahme in klarem<br />
Wi<strong>der</strong>spruch zu den Feststellungen stehen, wonach TA zumindest teilweise in <strong>der</strong> Lage ist,<br />
im Durchschnitt höhere Preise zu setzen.<br />
In Bezug auf die zweite Annahme, nämlich das Vorliegen einer <strong>der</strong>art langen Reaktionszeit<br />
<strong>der</strong> etablierten Unternehmen, sodass ein Neueinsteiger in den Markt eintreten und die (von<br />
ihm vor dem Eintritt beobachteten) Profite realisieren kann („hit and run“ Strategie), führt die<br />
Telekom-Control-Kommission wie folgt aus:<br />
Dem Modell <strong>der</strong> bestreitbaren Märkte liegt die hypothetische Situation unregulierter Märkte<br />
zugrunde. Würde das SMP-Unternehmen keinerlei ex-ante Verpflichtungen unterliegen, so<br />
könnte es je<strong>der</strong>zeit, von internen Organisationsprozessen abgesehen bzw. in Abhängigkeit<br />
von diesen, ohne wesentliche zeitliche Verzögerung auf den Markteintritt neuer Anbieter reagieren.<br />
Es ist daher nach Ansicht <strong>der</strong> Telekom-Control-Kommission notwendig, die hypothetische<br />
Situation <strong>der</strong> Nichtregulierung als Vergleichsbasis heranzuziehen, da genau dies<br />
<strong>der</strong> Schlussfolgerung bzw. For<strong>der</strong>ung in als bestreitbar identifizierten Märkten entspräche.<br />
An dieser Stelle sei daher geson<strong>der</strong>t auf die regulatorische Bedeutung bzw. die Unterschiede<br />
zwischen einem ex-post und ex-ante Regulierungsregime verwiesen. Ex-post Kontrolle greift<br />
definitionsgemäß erst bei erfolgtem Schaden, <strong>der</strong> jedoch gerade in <strong>der</strong> Telekommunikationsbranche<br />
aufgrund <strong>der</strong> spezifischen Wettbewerbs- bzw. Marktstrukturprobleme (schwer zu<br />
duplizierende Infrastruktur als „essential facility“ in Händen des Incumbent) oftmals – nach<br />
teils langwierigen Verfahren – nicht mehr rückgängig gemacht werden kann. Eine Vorabregulierung<br />
wird zudem nach Ansicht <strong>der</strong> Telekom-Control-Kommission in jenen Fällen geeigneter<br />
sein, in denen zur Behebung des Wettbewerbsproblems zahlreiche Anfor<strong>der</strong>ungen<br />
nötig sind (detaillierte Buchhaltung, Kostenrechnung, generelles Monitoring) o<strong>der</strong> wenn ein<br />
häufiges und/o<strong>der</strong> frühzeitiges Einschreiten unerlässlich ist.<br />
Darüberhinaus ist <strong>für</strong> den entry-lag (Zeitverzögerung des Markteintritts) auf Seiten <strong>der</strong> Wettbewerber<br />
von TA nach Ansicht <strong>der</strong> Telekom-Control-Kommission durchaus mit einer signifi-<br />
35<br />
<strong>Vorlesung</strong>smaterialien Seite 86
kanten Zeitspanne zu rechnen. Diese kann unter an<strong>der</strong>em durch die Bereitstellung <strong>der</strong> <strong>für</strong><br />
einen Verbindungsnetzbetrieb nötigen Netzelemente, die erfor<strong>der</strong>lichen Verhandlungsprozesse<br />
<strong>für</strong> Zusammenschaltungsvereinbarungen, die Erreichung eines hinreichend großen<br />
Bekanntheitsgrades, die Bereitstellung entsprechen<strong>der</strong> customer care- sowie Billing-<br />
Einrichtungen entstehen. Ferner besitzt <strong>der</strong> Incumbent über vielfältige Verzögerungsmöglichkeiten,<br />
da er eben im Besitz <strong>der</strong> nicht ersetzbaren Infrastruktur im Anschlussbereich ist<br />
(ON 25). In diesem Zusammenhang weist die Telekom-Control-Kommission darauf hin, dass<br />
in an<strong>der</strong>en Industriezweigen ein Markteintritt eines Mitbewerbers erst mittelbar über die<br />
Marktbeobachtung feststellbar ist, im vorliegenden Markt jedoch auf Grund <strong>der</strong> Zusammenschaltung<br />
(Vorleistungsabhängigkeit) unmittelbar noch vor dem Markteintritt bekannt wird,<br />
und daher die Chancen auf eine „hit and run“-Strategie schon im Ansatz zum Scheitern vereitelt<br />
sind.<br />
Aufgrund dieser Überlegungen kommt die Telekom-Control-Kommission zum Schluss, dass<br />
die Theorie <strong>der</strong> bestreitbaren Märkte auf dem gegenständlichen Verbindungsmarkt keine<br />
gegenteilige Evidenz über das Vorliegen von beträchtlicher Marktmacht beizubringen vermag.<br />
Den diesbezüglichen Argumenten <strong>der</strong> TA war daher nicht zu folgen.<br />
6.1.4. Preise und Performance<br />
§ 35 Abs. 2 Z 13 TKG 2003 nennt das „Verhalten am Markt“ als weiteres Kriterium <strong>für</strong> die<br />
Beurteilung einer alleinigen beträchtlichen Marktmacht. Exemplarisch nennt Z 13 leg. cit.<br />
Preissetzung, Marketingpolitik, Bündelung von Produkten und Dienstleistungen o<strong>der</strong> die Errichtung<br />
von Barrieren.<br />
Das Verhalten am Markt (§ 35 Abs. 1 Z 13 TKG 2003) umfasst daher auch die Preissetzungspolitik<br />
eines Unternehmens. Diese ist nach Ansicht <strong>der</strong> Telekom-Control-Kommission<br />
ein wesentlicher ökonomischer Verhaltensparameter und kann daher auch <strong>für</strong> die Beurteilung<br />
von Marktmacht relevant sein. So geben zB Preisbewegungen im Zeitverlauf, vorhandene<br />
Preisdifferentiale zwischen einzelnen Betreibern und beobachtete Preisreaktionsmuster<br />
wesentliche Hinweise auf die am Markt vorhandene Wettbewerbsintensität. Bei <strong>der</strong> Untersuchung<br />
des gegenständlichen Marktes ist aufgrund <strong>der</strong> engen Verbundenheit mit den Zugangsmärkten<br />
auch die Preissetzungspolitik eines Unternehmens auf den benachbarten<br />
Zugangsmärkten (Märkte gemäß § 1 Z 1 und 2 <strong>der</strong> TKMVO 2003) in Betracht zu ziehen.<br />
Reinen Verbindungsnetzbetreibern steht gemäß den Feststellungen ein im Vergleich zur<br />
Telekom Austria weitaus geringerer Preissetzungs- und Gestaltungsspielraum zu Verfügung.<br />
Da TA ein vollintegrierter Betreiber ist und sowohl auf dem Zugangs- als auch auf den Verbindungsmärkten<br />
aktiv ist, kann sie ihre wirtschaftliche Stärke auf Grund <strong>der</strong> äußerst hohen<br />
Marktanteile auf den benachbarten Zugangsmärkten mittels Bündelung <strong>der</strong> Leistung auf den<br />
gegenständlichen Verbindungsmarkt ausdehnen (Übertragung von Marktmacht). Das Preissetzungsverhalten<br />
kann nach Ansicht <strong>der</strong> Telekom-Control-Kommission Anhaltspunkte da<strong>für</strong><br />
liefern, wie ein Unternehmen versucht, sich gegenüber seinen Mitbewerbern zu positionieren.<br />
Je größer <strong>der</strong> Handlungsspielraum eines einzelnen Unternehmens dabei ist, desto eher<br />
kann daher vermutet werden, dass das Unternehmen über eine (gewisse) Marktmacht verfügt.<br />
Die Möglichkeit, Preise nachhaltig über dem Wettbewerbsniveau (bzw. dem Preisniveau<br />
<strong>der</strong> Mitbewerber) zu halten, ist daher ein wesentliches Indiz <strong>für</strong> Marktmacht.<br />
Die Feststellungen zeigen, dass im Gegensatz zur Vergleichssituation auf den Märkten <strong>für</strong><br />
Inlandsgespräche die Telekom Austria hier sowohl bei Privat- als auch Nichtprivatkunden bei<br />
stabil bleibenden Marktanteilen deutlich höhere Preisniveaus aufrechterhalten kann. Diese<br />
höheren Preisaufschläge gehen jedoch am vorliegenden Markt im Gegensatz zu Markt <strong>für</strong><br />
Inlandsgespräche von Privatkunden deutlich weniger auf Kosten niedrigerer Marktanteilsniveaus.<br />
36<br />
<strong>Vorlesung</strong>smaterialien Seite 87
Wie insbeson<strong>der</strong>e die nach Anschlussarten differenzierten Tarifstrukturen zeigen, offeriert<br />
Telekom Austria auch bei Auslandsgesprächen von Nichtprivatkunden eine höhere Tarifvielfalt.<br />
Sofern ANB etwa über Entbündelung Grundentgelt und Verbindungsentgelte gemeinsam<br />
verrechnen und kombinieren können, verringert sich die diesbezüglich bei Privatkunden festgestellte<br />
Ungleichheit in den Gestaltungsmöglichkeiten, wenn auch nicht gänzlich.<br />
Auch auf dem gegenständlichem Markt verschiebt sich die eigentliche Wettbewerbsproblematik<br />
in den Fragenkomplex „Produktbündelung“ bzw. <strong>der</strong> Übertragung von Marktmacht („leveraging“)<br />
sowie „excessive pricing“. Telekom Austria, das als einziges Unternehmen flächendeckend<br />
als Komplettanbieter (Anschluss- und Verbindungsleistungen) agiert, entsteht<br />
genau dadurch ein relativer Vorteil in den Preisgestaltungsmöglichkeiten. Weiters muss dem<br />
Potential an Wohlfahrtszugewinnen, die mit <strong>der</strong> Produktbündelung einhergehen, die damit<br />
verbundene Problematik <strong>der</strong> Marktmachtübertragung gegenübergestellt werden.<br />
Zur Performanceanalyse:<br />
Die von Telekom Austria in den Jahren 2001 – 2003 basierend auf dem festgestellten erhöhten<br />
Preisniveau erreichte Umsatzrentabilität von über 30 % auf dem gegenständlichen Markt<br />
(unter Berücksichtigung eines fiktiven Kapitalzinssatzes <strong>der</strong> Telekom Austria) spricht <strong>für</strong> das<br />
Vorliegen von beträchtlicher Marktmacht, da sie die Möglichkeit <strong>der</strong> TA wi<strong>der</strong>spiegelt, ihre<br />
Preise zumindest teilweise unabhängig von denen ihrer Mitbewerber zu gestalten.<br />
TA hat offensichtlich trotz ex ante Entgeltkontrolle Anreize, auf dem gegenständlichen Verbindungsmarkt<br />
exzessive Preise zu setzen.<br />
Zum Vorbringen <strong>der</strong> TA (ON 20, S 157), dass alle Unternehmen auf den Verbindungsmärkten<br />
das Wechseln des Betreibers durch ihre Endkunden („churn“) bekämpfen würden, ist<br />
auszuführen, dass dieser Sachverhalt <strong>für</strong> sich genommen dahingehend interpretiert werden<br />
kann, dass Wettbewerb vorliegt. Allerdings ist auch in diesem Zusammenhang auf die Abhängigkeit<br />
des Dienstewettbewerb am gegenständlichen Verbindungsmarkt von <strong>der</strong> Regulierung<br />
<strong>der</strong> Zugangsmärkte hinzuweisen. Die Tatsache, dass alternative Anbieter auf den Verbindungsmärkten<br />
zueinan<strong>der</strong> in Konkurrenz treten, darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass<br />
unter den gegebenen Umständen (siehe Punkt 2.1. dieses Bescheides) <strong>der</strong> Wettbewerb auf<br />
<strong>der</strong> Diensteebene von <strong>der</strong> Regulierung im Anschlussbereich sowie von <strong>der</strong> ex ante-<br />
Entgeltkontrolle auf dem gegenständlichen Verbindungsmarkt abhängig ist und TA auf Grund<br />
<strong>der</strong> Möglichkeit zur Bündelung von Produkten über klare wettbewerbliche Vorteile verfügt.<br />
Auch dem Vorbringen von TA (ON 20, S 157 und 158), dass die Innovationstätigkeit stark<br />
zugenommen habe, und Qualitäts- und Innovationswettbewerb herrsche, ist unter Bezugnahme<br />
auf das oben Ausgeführte zum Thema Abhängigkeit des Wettbewerbs auf den Verbindungsmärkten<br />
von <strong>der</strong> Regulierung im Anschlussbereich entgegen zu treten.<br />
Nach Ansicht <strong>der</strong> Telekom-Control-Kommission spricht aus allen diesen Gründen <strong>der</strong><br />
Marktmachtindikator <strong>der</strong> Preisgestaltung und des Performanceergebnisses <strong>für</strong> das Vorliegen<br />
von beträchtlicher Marktmacht von Telekom Austria AG.<br />
6.1.5. Technologische Entwicklung<br />
Hinsichtlich des technologischen Entwicklungspotentials (vgl. ON 25, Kapitel 5.4.4.) ist ungewiss,<br />
welche Unternehmen von den hier erwarteten Innovationsschüben (bspw. VOIP) am<br />
besten profitieren können. Bezüglich Nichtprivatkunden ist speziell darauf hinzuweisen, dass<br />
die Telekom Austria in <strong>der</strong> Regel über direkte und damit qualitativ hochwertige Leitungen in<br />
eine Vielzahl von Län<strong>der</strong>n verfügt. Auch aufgrund von Größenunterschieden muss hier mit<br />
einer gewissen Asymmetrie in den Gestaltungsmöglichkeiten gerechnet werden.<br />
37<br />
<strong>Vorlesung</strong>smaterialien Seite 88
Dieser Marktmachtindikator spricht daher prinzipiell <strong>für</strong> das Vorliegen von beträchtlicher<br />
Marktmacht <strong>der</strong> Telekom Austria auf dem gegenständlichen Markt. Seine tatsächliche Bedeutung<br />
hinsichtlich des Vorliegens von beträchtlicher Marktmacht ist allerdings im Hinblick<br />
auf den prinzipiell auch <strong>für</strong> Wettbewerber <strong>der</strong> Telekom Austria auf dem gegenständlichen<br />
Markt leichter möglichen Zugang zur infrastrukturbasierten Vorleistung stark zu relativieren.<br />
6.1.6. Internationaler Tarifvergleich<br />
Aus den internationalen Tarifvergleichen (vgl. ON 25, Kapitel 5.6.2.1.) können keine systematischen<br />
Schlüsse <strong>für</strong> das Vorliegen von beträchtlicher Marktmacht gezogen werden.<br />
Wenn auch hinsichtlich <strong>der</strong> untersuchten Destinationen keine „Ausreißer“ festgestellt werden<br />
können, so ist dennoch festzuhalten, dass sich das Vergleichsprodukt <strong>der</strong> Telekom Austria<br />
bei Nichtprivatkunden preislich im oberen Bereich befindet. Die Relevanz dieses Indikators<br />
wird jedoch aufgrund nur sehr eingeschränkter Vergleichbarkeit und teils fraglicher methodischer<br />
Validität entsprechend verringert.<br />
Aufgrund seiner bedingten Aussagekraft kann dieser Indikator daher nicht wesentlich zur<br />
Frage des Vorliegens von beträchtlicher Marktmacht durch Telekom Austria beitragen. Die<br />
festgestellte empirische Evidenz deutet nicht auf außergewöhnliche Marktmacht von Telekom<br />
Austria hin.<br />
6.1.7. Sonstige Anreize zu wettbewerbsbeschränkendem Verhalten<br />
Die Feststellungen bezüglich weiterer Indikatoren wurden bei <strong>der</strong> Analyse <strong>der</strong> geson<strong>der</strong>t<br />
ausgewiesenen Indikatoren entwe<strong>der</strong> mitberücksichtigt o<strong>der</strong> haben ein in <strong>der</strong> Gesamtbetrachtung<br />
zu vernachlässigendes Gewicht wie etwa <strong>der</strong> internationale Vergleich.<br />
Diese Indikatoren können daher nicht weiter zur Beurteilung <strong>der</strong> aktuellen Wettbewerbssituation<br />
beitragen.<br />
6.2. Zusammenfassende Beurteilung <strong>der</strong> wettbewerblichen Situation<br />
Aufgrund <strong>der</strong> in den Punkten 6.1.1 – 6.1.7 vorgenommenen Untersuchung <strong>der</strong> einzelnen<br />
Marktmachtindikatoren gelangt die Telekom-Control-Kommission zur Auffassung, dass TA<br />
als Unternehmen mit alleiniger beträchtlicher Marktmacht iSd § 37 Abs. 2 iVm § 35 Abs. 1<br />
und 2 TKG 2003 einzustufen ist.<br />
Die Wettbewerbsproblematik am gegenständlichen Markt liegt primär in <strong>der</strong> Beständigkeit<br />
<strong>der</strong> Marktbarrieren. Diese manifestieren sich insofern, als Zuverlässigkeitsanfor<strong>der</strong>ungen<br />
und sonstige Qualitätsmerkmale in <strong>der</strong> Wahrnehmung <strong>der</strong> Marktgegenseite auf dem gegenständlichen<br />
Markt beson<strong>der</strong>s wichtig sind. Sowohl tatsächliche Qualitätsvorsprünge auf Seiten<br />
<strong>der</strong> Telekom Austria aufgrund höherwertiger und vor allem eigener Infrastruktur o<strong>der</strong> <strong>der</strong><br />
historisch gewachsenen internationalen (Partner-)Netzstruktur, als auch subjektiv von Nachfragern<br />
empfundene Vorteile erklären die Wechselbarrieren <strong>für</strong> Endkunden <strong>der</strong> Telekom<br />
Austria.<br />
Aufgrund <strong>der</strong> Wechselkosten besteht die Gefahr, dass Telekom Austria ihre Marktmacht zum<br />
Nachteil <strong>der</strong> Nichtprivatkunden ausübt und überhöhte Preise verlangt. Weiters besteht die<br />
Gefahr <strong>der</strong> horizontalen Marktmachtübertragung durch Anbieten von Bündelprodukten, die<br />
von Mitbewerbern nicht repliziert werden können. Diese Problematik wird auf dem vorliegenden<br />
Markt durch die hohe Bedeutung individueller Gesamtlösungen (zB Bündelung mit Produkten,<br />
die außerhalb <strong>der</strong> TKMVO 2003 liegen) noch verschärft (vgl. ON 25, Kapitel 7.1.6).<br />
38<br />
<strong>Vorlesung</strong>smaterialien Seite 89
Der festgestellte Marktanteil <strong>der</strong> TA und <strong>der</strong> beträchtliche Abstand zu den Mitbewerbern<br />
spricht auch unter Berücksichtigung <strong>der</strong> Auswirkungen des Zusammenschlusses von Tele2<br />
und UTA <strong>für</strong> das Vorhandensein von beträchtlicher Marktmacht von TA.<br />
Weiters <strong>für</strong> das Vorliegen von beträchtlicher Marktmacht spricht das Performanceergebnis<br />
von über 30 % auf Grund <strong>der</strong> Fähigkeit, ein vergleichsweise erhöhtes Preisniveau aufrecht<br />
zu erhalten.<br />
Die Indikatoren „Technologische Entwicklung“ sowie <strong>der</strong> internationale Tarifvergleich konnten<br />
vergleichsweise nicht wesentlich zur abschließenden Wettbewerbsbeurteilung beitragen.<br />
Auch in <strong>der</strong> Marktverhaltensdimension verweisen die insbeson<strong>der</strong>e bei Nichtprivatkunden<br />
praktizierten Gesamtlösungen, sowie die auch im Rahmen von Rabatten nicht zu vernachlässigende<br />
Verdrängungsproblematik auf tatsächliche und potentielle Wettbewerbsprobleme,<br />
wie <strong>der</strong> Beständigkeit <strong>der</strong> Marktbarrieren, <strong>der</strong> Gefahr überhöhter Preise sowie <strong>der</strong> Gefahr <strong>der</strong><br />
horizontalen Marktmachtübertragung durch Anbieten von Bündelprodukten, die von Mitbewerbern<br />
nicht repliziert werden können.<br />
Die ausgewiesenen Marktanteilsverläufe verweisen auf keine grundlegende Än<strong>der</strong>ung innerhalb<br />
<strong>der</strong> nächsten (zwei) Jahre. Dennoch muss diesem Markt aufgrund <strong>der</strong> hohen Volatilität<br />
von Umsätzen bedeuten<strong>der</strong> Nichtprivatkunden in Verbindung mit möglichen technologischen<br />
Umbrüchen beson<strong>der</strong>e Aufmerksamkeit geschenkt werden.<br />
Insgesamt ist sohin festzuhalten, dass auf dem gegenständlichen Markt kein effektiver Wettbewerb<br />
herrscht und TA über alleinige beträchtliche Marktmacht gemäß § 35 Abs. 1 und 2<br />
TKG 2003 verfügt.<br />
7. Zu den Regulierungsinstrumenten<br />
7.1. Regulierungsinstrumente nach dem TKG 2003<br />
Unternehmen, die über beträchtliche Marktmacht verfügen, sind geeignete spezifische Verpflichtungen<br />
nach §§ 38 bis 46 o<strong>der</strong> nach § 47 Abs. 1 TKG 2003 aufzuerlegen. Dabei sind<br />
grundsätzlich folgende Verpflichtungen möglich:<br />
• § 38: Gleichbehandlungsverpflichtung<br />
• § 39: Transparenzverpflichtung<br />
• § 40: Getrennte Buchführung<br />
• § 41: Zugang zu Netzeinrichtungen und Netzfunktionen<br />
• § 42: Entgeltkontrolle und Kostenrechnung <strong>für</strong> den Zugang<br />
• § 43: Regulierungsmaßnahmen in Bezug auf Dienste <strong>für</strong> Endnutzer<br />
• § 44: Bereitstellung von Mietleitungen<br />
• § 45: Pflichten <strong>für</strong> Unternehmen mit beträchtlicher Marktmacht hinsichtlich Endkundenentgelten<br />
• § 46: Betreiberauswahl und Betreibervorauswahl<br />
• Laut § 47 Abs. 1 kann die Regulierungsbehörde bei Vorliegen außergewöhnlicher<br />
Umstände Unternehmen mit beträchtlicher Marktmacht an<strong>der</strong>e als die in den §§ 38<br />
39<br />
<strong>Vorlesung</strong>smaterialien Seite 90
is 42 festgelegten Verpflichtungen in Bezug auf Zugang auferlegen. Diesfalls hat die<br />
Regulierungsbehörde bei <strong>der</strong> Europäischen Kommission einen entsprechenden Antrag<br />
zu stellen. Die Entscheidung <strong>der</strong> Europäischen Kommission ist dann <strong>der</strong> Entscheidung<br />
<strong>der</strong> Regulierungsbehörde zugrunde zu legen.<br />
Bei <strong>der</strong> Wettbewerbsregulierung hat die Regulierungsbehörde bezüglich <strong>der</strong> Auferlegung von<br />
Regulierungsinstrumenten die Regulierungsziele des § 1 Abs. 2 Z 2 TKG 2003 sowie den<br />
Zielekatalog des § 34 TKG 2003 zu berücksichtigen. In den einschlägigen Bestimmungen<br />
des neuen europäischen Rechtsrahmens wird an mehreren Stellen auf das zu beachtende<br />
Verhältnismäßigkeitsprinzip hingewiesen (so in Art 8 Abs. 1 Rahmen-RL, Art. 8 Abs. 4 <strong>der</strong><br />
Zugangs-RL und in Art. 17 Abs. 2 <strong>der</strong> Universaldienst-RL). Das Verhältnismäßigkeitsprinzip<br />
besagt, dass die Mittel, die zur Erreichung eines bestimmten Zwecks eingesetzt werden,<br />
nicht über das hinausgehen dürfen, was zur Erreichung dieses Zwecks angemessen und<br />
erfor<strong>der</strong>lich ist. Damit eine Maßnahme <strong>der</strong> Regulierungsbehörde mit dem Verhältnismäßigkeitsprinzip<br />
vereinbar ist, muss somit erstens ein berechtigtes, in § 1 Abs. 2 TKG 2003 (bzw.<br />
dessen europarechtlichen Grundlagen) normiertes Ziel vorliegen. Die Maßnahme, die zur<br />
Erreichung dieses Ziels eingesetzt wird, muss zweitens zur Zielerreichung notwendig sein.<br />
Sie darf aber drittens keine unzumutbare Belastung <strong>für</strong> das betroffene Unternehmen darstellen.<br />
Bei <strong>der</strong> ergriffenen Maßnahme soll es sich daher um das Minimum (siehe auch Rz 118<br />
<strong>der</strong> SMP-guidelines <strong>der</strong> EK) handeln, was zur Erreichung des in Frage stehenden Ziels erfor<strong>der</strong>lich<br />
ist (Stratil, TKG 2003, Rn 3 zu § 34 TKG 2003).<br />
Im Rahmen dieser Verhältnismäßigkeitsprüfung ist von <strong>der</strong> Regulierungsbehörde ferner <strong>der</strong><br />
in Art 17 Universaldienst-RL bzw. in § 43 Abs. 1 Z 1 TKG 2003 enthaltene Grundsatz <strong>der</strong><br />
Regulierung <strong>der</strong> Endkundenmärkte nur <strong>für</strong> den Fall, dass die Auferlegung von spezifischen<br />
Verpflichtungen nach §§ 38 bis 42 o<strong>der</strong> § 46 TKG 2003 (Vorleistungsverpflichtungen) nicht<br />
zur Erreichung <strong>der</strong> Regulierungsziele des § 1 Abs. 2 TKG 2003 führen würde, zu beachten.<br />
Basierend auf den Zielen <strong>der</strong> Rahmenrichtlinie (Art. 8) und in Verbindung mit weiteren Bestimmungen<br />
in den relevanten Richtlinien (v.a. Art. 8 <strong>der</strong> Richtlinie 2002/19/EG des Europäischen<br />
Parlaments und des Rates vom 7.3.2002 über den Zugang zu <strong>elektronischen</strong> Kommunikationsnetzen<br />
und zugehörigen Einrichtungen sowie <strong>der</strong> Zusammenschaltung (Zugangsrichtlinie)<br />
sowie Art. 10 und 11 <strong>der</strong> Richtlinie 2002/20/EG des Europäischen Parlaments<br />
und des Rates vom 7.3.2002 über die Genehmigung elektronischer Kommunikationsnetze<br />
und –dienste (Genehmigungsrichtlinie) wurden von <strong>der</strong> European Regulators Group<br />
(ERG) in Zusammenarbeit mit den Diensten <strong>der</strong> Europäischen Kommission (GD Wettbewerb<br />
und GD Informationsgesellschaft) vier Prinzipien entwickelt, welche im Rahmen <strong>der</strong> europaweiten<br />
Harmonisierung <strong>der</strong> Regulierung elektronischer Kommunikationsmärkte zu berücksichtigen<br />
sind.<br />
Dieses – rechtlich unverbindliche - Dokument trägt den Titel “ERG Common Position on the<br />
approach to appropriate remedies in the new regulatory framework”, ist unter <strong>der</strong> Internet-<br />
Adresse http://www.erg.eu.int/doc/whatsnew/erg_0330rev1_remedies_common_position.pdf<br />
abrufbar, und wurde <strong>der</strong> TA zugestellt (ON 33).<br />
Die ERG wurde als beratendes Gremium <strong>der</strong> Europäischen Kommission durch den Beschluss<br />
202/627/EG <strong>der</strong> Europäischen Kommission vom 29. Juli 2002 (ABl L 200/38,<br />
30.07.2002) eingerichtet.<br />
Diese Prinzipien lassen sich wie folgt festhalten (ON 32, Beilage 1, S 57ff):<br />
40<br />
<strong>Vorlesung</strong>smaterialien Seite 91
7.1.1. Prinzip 1: Entscheidungen <strong>der</strong> nationalen Regulierungsbehörden sollen<br />
wohl begründet sein und in Einklang mit den Zielen und Verpflichtungen <strong>der</strong> Richtlinien<br />
stehen<br />
Die Entscheidung <strong>der</strong> Regulierungsbehörde soll transparent und ausreichend begründet<br />
sein. Durch Kooperation <strong>der</strong> nationalen Regulierungsbehörden untereinan<strong>der</strong> und mit <strong>der</strong><br />
Europäischen Kommission soll eine konsistente Regulierungspraxis innerhalb <strong>der</strong> EU sichergestellt<br />
werden.<br />
Die ausgewählten Regulierungsinstrumente müssen <strong>der</strong> Natur des Wettbewerbsproblems<br />
entsprechen. Das Aufzeigen von Wettbewerbsproblemen und den ihnen zugrundeliegenden<br />
Ursachen erfolgt in <strong>der</strong> Marktanalyse.<br />
Ein weiteres grundlegendes Prinzip ist das <strong>der</strong> Verhältnismäßigkeit. Die gewählte Verpflichtung<br />
muss demnach geeignet und notwendig sein sowie das gelindeste Mittel darstellen.<br />
Wird auf einem nach § 36 TKG 2003 definierten relevanten Markt eine SMP-Stellung festgestellt,<br />
gilt die Vermutung, dass die Anwendung von Regulierungsinstrumenten grundsätzlich<br />
wohlfahrtserhöhend wirkt. Dennoch muss, falls mehrere Regulierungsinstrumente (bzw.<br />
Kombinationen von Regulierungsinstrumenten) geeignet sind, jenes gewählt werden, welches<br />
– eine gleichwertige Zielerreichung vorausgesetzt – die geringste Belastung <strong>für</strong> das/die<br />
betroffene/n Unternehmen darstellt. Der Vergleich zwischen verschiedenen Regulierungsinstrumenten<br />
wird üblicherweise auf einer qualitativen Analyse beruhen, unterstützend können<br />
gegebenenfalls auch quantitative Analysen verwendet werden.<br />
Da bestimmte Regulierungsinstrumente erst im Laufe <strong>der</strong> Zeit ihre Wirksamkeit entfalten,<br />
kann es erfor<strong>der</strong>lich sein, in <strong>der</strong> Zwischenzeit an<strong>der</strong>e/zusätzliche Regulierungsinstrumente<br />
anzuwenden, um langfristig die Zielerreichung sicherzustellen.<br />
Werden mehrere Regulierungsinstrumente gleichzeitig auferlegt, so ist gegebenenfalls auch<br />
die Interaktion zwischen ihnen zu betrachten. Weiters sind auch die Rückwirkungen auf an<strong>der</strong>e<br />
Märkte und dort vorliegende Regulierungsmaßnahmen zu beachten.<br />
Bei <strong>der</strong> konkreten Gestaltung <strong>der</strong> Regulierungsinstrumente ist schließlich auf Ausgewogenheit<br />
zwischen Generalität und Spezifität zu achten. Während detaillierte Verpflichtungen ein<br />
höheres Maß an Rechtssicherheit schaffen, sind sie gleichzeitig unflexibel und laufen Gefahr,<br />
häufig überarbeitet bzw. angepasst werden zu müssen. Allgemeine Verpflichtungen<br />
sind zwar flexibler, schaffen jedoch Unsicherheiten bezüglich ihrer Auslegung und müssen<br />
oft im Nachhinein konkretisiert werden.<br />
7.1.2. Prinzip 2: Wo die Infrastruktur des marktbeherrschenden Unternehmens<br />
nicht repliziert werden kann, muss die Ausübung von Markmacht gegenüber den Konsumenten<br />
verhin<strong>der</strong>t werden<br />
Während in Prinzip 1 allgemeine Grundlagen <strong>für</strong> die Anwendung von Regulierungsinstrumenten<br />
dargelegt sind, beschäftigt sich Prinzip 2 mit einer Situation, in <strong>der</strong> das SMP-<br />
Unternehmen über <strong>für</strong> die Erbringung bestimmter Leistungen notwendige Infrastruktur verfügt,<br />
von <strong>der</strong> nicht angenommen werden kann, dass sie innerhalb eines angemessenen Zeitraums<br />
von an<strong>der</strong>en Unternehmen repliziert werden kann. Infrastruktur wird dann als replizierbar<br />
bezeichnet, wenn die Errichtung alternativer Infrastruktur(en) technisch möglich und<br />
ökonomisch sinnvoll ist sowie innerhalb eines angemessenen Zeitraumes erfolgen kann.<br />
Eine solche Burteilung kann allerdings vielfach nur im Einzellfall vorgenommen werden. In<br />
solchen Fällen müssen nationale Regulierungsbehörden die Ausübung von Marktmacht gegenüber<br />
den Konsumenten verhin<strong>der</strong>n.<br />
Dies kann insbeson<strong>der</strong>e dadurch erreicht werden, dass Zugang zur nichtersetzbaren Infrastruktur<br />
des SMP-Unternehmens <strong>für</strong> alternative Betreiber sichergestellt wird. Auf diese Art<br />
41<br />
<strong>Vorlesung</strong>smaterialien Seite 92
kann Markteintritt und Wettbewerb auf den nachgelagerten Wertschöpfungsstufen geför<strong>der</strong>t<br />
und die Ausübung von Marktmacht verhin<strong>der</strong>t werden. Gleichzeitig muss bei <strong>der</strong> Festlegung<br />
eines adäquaten Zugangspreises auch sichergestellt werden, dass das SMP-Unternehmen<br />
ausreichend Anreize hat, die bestehende Infrastruktur zu erhalten und zu verbessern.<br />
Ist Zugang zu den betreffenden Vorleistungsprodukten sichergestellt, muss weiters darauf<br />
geachtet werden, dass das SMP-Unternehmen nicht den Wettbewerb auf den nachgelagerten<br />
Märkten verzerrt o<strong>der</strong> verhin<strong>der</strong>t. Dies könnte z.B. durch Preisdiskriminierung auf <strong>der</strong><br />
Vorleistungsebene (welche zu einem margin-squeeze führen kann), Qualitätsdiskriminierung<br />
o<strong>der</strong> Verzögerungstaktiken geschehen, was jeweils durch die Anwendung geeigneter Regulierungsinstrumente<br />
zu verhin<strong>der</strong>n ist.<br />
Der Zugang zu Vorleistungsprodukten kann mittels § 41 TKG 2003 sichergestellt werden.<br />
Wird eine Zugangsverpflichtung auferlegt, wird es im Gefolge meist auch notwendig sein,<br />
einen adäquaten Preis <strong>für</strong> das Zugangsprodukt basierend auf § 42 TKG 2003 festzulegen.<br />
Insbeson<strong>der</strong>e um die Aktivitäten <strong>der</strong> Vorleistungsebene von jenen <strong>der</strong> Endkundenebene<br />
trennen zu können, kann unterstützend die Verpflichtung zur getrennten Buchführung (§ 40<br />
TKG 2003) zur Anwendung kommen. Um verschiedene Arten <strong>der</strong> Diskriminierung zwischen<br />
dem eigenen Unternehmen und den an<strong>der</strong>en Unternehmen, die am Endkundenmarkt mit<br />
dem SMP-Unternehmen in Wettbewerb stehen, zu verhin<strong>der</strong>n, kann § 38 TKG 2003 (Gleichbehandlungsverpflichtung)<br />
angewandt werden, <strong>der</strong> auch die Veröffentlichung eines Standardangebots<br />
beinhaltet. Falls – z.B. aufgrund von Wechselkosten – erwartet werden kann,<br />
dass sich Wettbewerber auf <strong>der</strong> Endkundenebene nur langsam etablieren können, können in<br />
<strong>der</strong> Übergangsperiode Verpflichtungen nach § 43 TKG 2003 (Regulierungsmaßnahmen in<br />
Bezug auf Dienste <strong>für</strong> Endnutzer) erfor<strong>der</strong>lich sein, um eine Ausübung von Marktmacht gegenüber<br />
den Konsumenten zu verhin<strong>der</strong>n.<br />
7.1.3. Prinzip 3: Wo die Infrastruktur des marktbeherrschenden Unternehmens<br />
ersetzbar ist, soll durch den Einsatz von Regulierungsinstrumenten <strong>der</strong> Übergang zu<br />
nachhaltigem, infrastrukturbasiertem Wettbewerb geför<strong>der</strong>t werden<br />
Prinzip 3 beschäftigt sich mit Situationen, in denen das SMP-Unternehmen zwar (weitgehend)<br />
alleine über <strong>für</strong> die Erbringung einer bestimmten Leistung notwendige Infrastruktur verfügt, jedoch<br />
angenommen werden kann, dass diese Infrastruktur von an<strong>der</strong>en Unternehmen innerhalb<br />
eines angemessenen Zeitraums repliziert werden kann. In solchen Fällen soll durch die Anwendung<br />
von Regulierungsinstrumenten <strong>der</strong> Übergang zu nachhaltigem, infrastrukturbasiertem Wettbewerb<br />
geför<strong>der</strong>t werden.<br />
Die Investitionsanreize <strong>der</strong> alternativen Betreiber können vor allem durch die Gestaltung <strong>der</strong> Zugangsprodukte<br />
(§ 41 TKG 2003) und <strong>der</strong> Zugangspreise (§ 42 TKG 2003) beeinflusst werden.<br />
Da sich neue Unternehmen üblicherweise erst allmählich am Markt etablieren können und<br />
sich zu Beginn höheren Kapitalkosten gegenübersehen, kann es angebracht sein, Zugang<br />
auf verschiedenen Ebenen <strong>der</strong> Netzwerkhierarchie zu ermöglichen, um neu in den Markt<br />
eintretenden Unternehmen die Möglichkeit zu geben, ihre Investitionen stufenweise vorzunehmen.<br />
Hat ein alternativer Betreiber einmal eine kritische Masse erreicht und ist es ihm<br />
möglich, die Vorleistung effizienter als das SMP-Unternehmen herzustellen, so kann angenommen<br />
werden, dass er weitere Netzwerkinvestitionen tätigen wird.<br />
Zusätzliche regulatorische Investitionsanreize <strong>für</strong> alternative Betreiber könnten z.B. durch<br />
dynamische (zu Beginn niedrige und im Zeitverlauf steigende) Zugangspreise und/o<strong>der</strong><br />
durch eine zeitlich limitierte Verfügbarkeit bestimmter Zugangsprodukte geschaffen werden.<br />
Allerdings besteht hier das Risiko, dass entwe<strong>der</strong> ineffiziente Investitionen getätigt werden,<br />
o<strong>der</strong> aber alternative Betreiber aus dem Markt ausscheiden, falls die entsprechende Infrastruktur<br />
des SMP-Unternehmens nicht wirtschaftlich replizierbar ist. Diese Möglichkeit ist<br />
gegen das Risiko abzuwägen, dass die Replizierung <strong>der</strong> Infrastruktur unterbleibt, obwohl sie<br />
gesamtwirtschaftlich wünschenswert wäre.<br />
42<br />
<strong>Vorlesung</strong>smaterialien Seite 93
Besteht große Unsicherheit über das Ausmaß <strong>der</strong> Ersetzbarkeit, ist ein „neutraler“ Ansatz zu<br />
bevorzugen, bei dem zwei o<strong>der</strong> mehrere Zugangsprodukte zu kostenorientierten Preisen<br />
verfügbar sind.<br />
Sind mehrere Zugangsprodukte gleichzeitig verfügbar, so ist insbeson<strong>der</strong>e auf die Konsistenz<br />
<strong>der</strong> Zugangspreise zu achten. Weiters muss sichergestellt sein, dass <strong>der</strong> Wechsel von<br />
einem Zugangsprodukt zum nächsten reibungslos (v.a. auch was die Wahrnehmung des<br />
Endkunden betrifft) möglich ist.<br />
7.1.4. Prinzip 4: Regulierungsinstrumente sollen so gestaltet sein, dass sie anreizkompatibel<br />
sind, d.h. <strong>der</strong> Anreiz zur Einhaltung soll größer sein, als <strong>der</strong> Anreiz zur<br />
Umgehung<br />
Stehen mehrere effektive Regulierungsoptionen zur Auswahl, so ist darauf zu achten, dass<br />
jene zur Anwendung kommt, die am ehesten anreizkompatibel ist. Sind Regulierungsinstrumente<br />
nicht anreizkompatibel, so kann dies in weiterer Folge den Bedarf an wie<strong>der</strong>holter<br />
Intervention o<strong>der</strong> zusätzlicher Regulierung induzieren. Regulierungsinstrumente sind daher<br />
so zu gestalten, dass <strong>der</strong> Nachteil bei Umgehung so groß ist, dass es optimal ist, die Regulierung<br />
einzuhalten.<br />
7.2. Zur Auswahl <strong>der</strong> Regulierungsinstrumente im Konkreten<br />
Basierend auf den aufgezeigten Zweck- und Zielbestimmungen des nationalen wie auch des<br />
europäischen Rechtsrahmens <strong>für</strong> elektronische Kommunikationsdienste und –netze sowie<br />
den vier Prinzipien des ERG-Dokuments soll im Weiteren die konkrete Begründung betreffend<br />
die Auswahl und Anwendung geeigneter Regulierungsinstrumente <strong>für</strong> den gegenständlichen<br />
Markt erfolgen.<br />
Das Regulierungsinstrumente-Gutachten (ON 32) folgt bei <strong>der</strong> Festlegung <strong>der</strong> aufzuerlegenden<br />
Regulierungsinstrumente den im erwähnten ERG-Dokument ausgearbeiteten Prinzipien.<br />
Die auferlegten Regulierungsinstrumente (ex ante Entgeltkontrolle sowie getrennte Buchführung)<br />
gelten <strong>für</strong> alle Auslandsgesprächsverbindungen, die gemäß <strong>der</strong> Marktdefinition in <strong>der</strong><br />
TKMVO 2003 vom gegenständlichen Verbindungsmarkt umfasst und von TA angeboten<br />
werden.<br />
Weitere Regulierungsinstrumente, die geeignet sind, die festgestellten Wettbewerbsprobleme<br />
zu entschärfen, existieren nicht (ON 32). Neue Produkte, die erst entwickelt werden, aber<br />
auch in diesen Markt fallen würden, sind ebenso von den Verpflichtungen umfasst, da sich<br />
an <strong>der</strong> geschil<strong>der</strong>ten wettbewerblichen Ausgangslage auch bei neuen „Verbindungsmarkt-<br />
Produkten“ in wettbewerblicher Hinsicht nichts än<strong>der</strong>n würde.<br />
Bei den vorliegenden Instrumenten handelt es sich um komplementäre und nicht alternative<br />
Instrumente. Jedes <strong>für</strong> sich dient <strong>der</strong> Begegnung bestimmter Teilprobleme im Zusammenhang<br />
mit den identifizierten Wettbewerbsproblemen. Nur beim Einsatz aller Instrumente ist<br />
sichergestellt, dass den Auswirkungen <strong>der</strong> identifizierten Wettbewerbsprobleme tatsächlich<br />
begegnet werden kann.<br />
7.2.1. Verpflichtungen auf Endkundenebene<br />
Gemäß § 43 TKG 2003 kann die Regulierungsbehörde Unternehmen mit beträchtlicher<br />
Marktmacht Maßnahmen zur Regulierung <strong>der</strong> Endkundenmärkte auferlegen. § 43 TKG 2003<br />
setzt den Artikel 17 <strong>der</strong> Universaldienstrichtlinie um. Demzufolge kommt in § 43 TKG 2003<br />
43<br />
<strong>Vorlesung</strong>smaterialien Seite 94
<strong>der</strong> Grundsatz des Vorranges <strong>der</strong> Regulierung auf Vorleistungsebene zum Ausdruck. Nur<br />
wenn die Regulierungsbehörde gemäß § 43 Abs. 1 Z 1 TKG 2003 festgestellt hat, dass das<br />
betreffende Unternehmen auf dem gegenständlichen Markt über beträchtliche Marktmacht<br />
verfügt und gemäß Z 2 leg cit spezifische Verpflichtungen nach §§ 38 bis 42 o<strong>der</strong> § 46 nicht<br />
zur Erreichung <strong>der</strong> in § 1 Abs. 2 TKG 2003 vorgegebenen Regulierungsziele führen würden,<br />
sind auf Endkundenmarktebene ex ante Regulierungsinstrumente aufzuerlegen.<br />
§ 43 Abs. 1 TKG 2003 stellt darauf ab, ob „auf dem relevanten Endkundenmarkt kein Wettbewerb<br />
herrscht“. Dieser Wortlaut ist nach Ansicht <strong>der</strong> Telekom-Control-Kommission dahingehend<br />
zu interpretieren, dass auf dem betreffenden Endkundenmarkt kein effektiver Wettbewerb<br />
iSv § 37 Abs. 2 TKG 2003 herrscht. Dieses Auslegungsergebnis wird auch durch<br />
den Verweis des Art. 17 Abs. 1 lit a <strong>der</strong> Universaldienstrichtlinie gestützt, <strong>der</strong> auf das Nichtvorliegen<br />
von wirksamem Wettbewerb iSv Art. 16 <strong>der</strong> Rahmenrichtlinie abstellt.<br />
Es ist daher von <strong>der</strong> Regulierungsbehörde eine Prognoseentscheidung über die Effekte einer<br />
Regulierung auf Vorleistungsebene auf die nachgelagerten Verbindungsmärkte zu treffen.<br />
Dies ergibt sich nach Ansicht <strong>der</strong> Telekom-Control-Kommission aus <strong>der</strong> Verwendung des<br />
Konjunktivs sowohl in Art. 17 Abs. 1 lit. b Universaldienstrichtlinie als auch in § 43 Abs. 1 Z 2<br />
TKG 2003. In beiden Normen ist darauf abzustellen, „ob die Regulierung auf Vorleistungsebene<br />
[…] nicht zur Erreichung […] <strong>der</strong> Regulierungsziele führen würde“.<br />
Die Verpflichtung zur Verbindungsnetzbetreiber(vor)auswahl stellt von ihrer Intention her<br />
sicher, dass Wettbewerber <strong>der</strong> TA, die über keinen direkten Zugang zum Teilnehmer verfügen,<br />
diesem gleichwohl im Wettbewerb mit <strong>der</strong> integrierten Telekom Austria Dienste anbieten<br />
können. Diese Verpflichtung bezieht sich auf Verbindungsleistungen und ist nach Ansicht<br />
<strong>der</strong> Telekom-Control-Kommission nicht geeignet, wettbewerblichen Defiziten im Anschlussbereich<br />
zu begegnen. Hinsichtlich <strong>der</strong> Verpflichtung zum Wie<strong>der</strong>verkauf <strong>der</strong> Teilnehmeranschlussleistung<br />
wird durch diese zwar eine Möglichkeit geschaffen, auf den komplementären<br />
Zugangsmärkten in preislicher Hinsicht mit Telekom Austria in Konkurrenz zu treten, sie<br />
kann aber nur in Teilbereichen (und auch da erst nach Annahme am Markt) wettbewerbliche<br />
Parität sicherstellen, wobei sich bestehende Wettbewerbsdefizite auch auf dem gegenständlichen<br />
Verbindungsmarkt auswirken. Trotz Bestehen <strong>der</strong> Verbindungsnetzbetreiber(vor)auswahl<br />
besteht auf dem gegenständlichen Markt das Wettbewerbsproblem <strong>der</strong> exzessiven<br />
Preise bei selektiver Rabattgewährung in Verbindung mit dem Weiterbestand von<br />
Markteintrittsbarrieren weiter. Nach Ansicht <strong>der</strong> Telekom-Control-Kommission besteht <strong>für</strong><br />
Telekom Austria gegebenenfalls die Möglichkeit, einzelne Anschlussprodukte und Verbindungsprodukte<br />
in einer Weise zu bündeln, sodass eine Replizierbarkeit seitens an<strong>der</strong>er Anbieter<br />
auf Basis <strong>der</strong> bestehenden Vorleistungsprodukte nicht möglich ist.<br />
Aus den genannten Gründen sind die auf dem komplementären Zugangsmarkt auferlegten<br />
Verpflichtungen zur Verbindungsnetzbetreiber(vor)auswahl und zum Wie<strong>der</strong>verkauf <strong>der</strong> Teilnehmeranschlussleistung<br />
nicht alleine zur effektiven Begegnung <strong>der</strong> festgestellten Wettbewerbsprobleme<br />
geeignet.<br />
Da die vorgesehenen Regulierungsinstrumente auf <strong>der</strong> Vorleistungsebene sohin aus den<br />
genannten Gründen nicht zur effektiven Begegnung <strong>der</strong> festgestellten Wettbewerbsprobleme<br />
ausreichen würden, sind nach Ansicht <strong>der</strong> Telekom-Control-Kommission beide Voraussetzungen<br />
<strong>der</strong> Anwendung des § 43 TKG 2003 gegeben. Nach Ansicht <strong>der</strong> Telekom-Control-<br />
Kommission sind daher die diesbezüglichen Einwände <strong>der</strong> TA, denen zufolge sich aus Art.<br />
17 Abs. 1 lit. b Universaldienstrichtlinie bzw. § 43 Abs. 1 TKG 2003 zwingend ergäbe, dass<br />
zuerst auf <strong>der</strong> Vorleistungsebene Regulierungsinstrumente auferlegt werden, sowie anschließend<br />
erst nach Beobachtung <strong>der</strong> Auswirkungen dieser Vorleistungsregulierung allenfalls<br />
Regulierungsinstrumente auf <strong>der</strong> Endkundenebenen auferlegt werden dürften, als nicht<br />
stichhaltig anzusehen.<br />
Sowohl <strong>der</strong> Wortlaut <strong>der</strong> europarechtlichen Bestimmung als auch des § 43 Abs. 1 TKG 2003<br />
stellen durch die Verwendung des Konjunktivs [… nicht … zur Erreichung <strong>der</strong> … vorgegebenen<br />
Ziele … führen würden…] nach Ansicht <strong>der</strong> Telekom-Control-Kommission eindeutig auf<br />
44<br />
<strong>Vorlesung</strong>smaterialien Seite 95
eine von <strong>der</strong> Regulierungsbehörde zu treffende Prognoseentscheidung ab. Das Fällen von<br />
Prognoseentscheidungen liegt geradezu im Wesen einer ex ante Regulierung. Nach Ansicht<br />
<strong>der</strong> Telekom-Control-Kommission stellt die im gegenständlichen Verfahren gewählte Vorgangsweise<br />
<strong>der</strong> gleichzeitigen Analyse <strong>der</strong> allfälligen Wettbewerbsprobleme auf Vorleistungs-<br />
und auch auf Endkundenebene in einem Schritt keine Abkehr vom Prinzip des<br />
Primats <strong>der</strong> Regulierung <strong>der</strong> Vorleistungsmärkte dar.<br />
TA brachte, unter Hinweis auf ihre Anhörung am 6.9.2004, vor (ON 38, S 13), dass aus <strong>der</strong><br />
Verbindung <strong>der</strong> lit. a und lit. b des Absatzes 1 des Art. 17 Universaldienstrichtlinie mit dem<br />
Wort „und“ sich ergebe, dass beide Bedingungen dieser Absätze vorliegen müssten, und<br />
dass vor dem Auferlegen von Verpflichtungen auf einem Endkundenmarkt, sohin nach dem<br />
Abschluss <strong>der</strong> Marktanalyse <strong>der</strong> Vorleistungsmärkte, zu prüfen sei, ob auch ohne Vorleistungsregulierung<br />
effizienter Wettbewerb auf dem jeweiligen Endkundenmarkt herrsche. Ferner<br />
verweist TA auf den Erwägungsgrund 26 <strong>der</strong> Universaldienstrichtlinie, aus dem sich ergebe,<br />
dass vor <strong>der</strong> Regulierung <strong>der</strong> Endkundenebene das Ausreichen <strong>der</strong> Regulierung <strong>der</strong><br />
Vorleistungsebene geprüft werden müsse.<br />
Die Telekom-Control-Kommission hält diesbezüglich fest, dass TA insofern beizupflichten ist,<br />
als § 43 Abs. 1 TKG 2003 tatsächlich zwei Tatbestandselemente (Bedingungen) enthält.<br />
Das Prinzip des Vorranges <strong>der</strong> Regulierung <strong>der</strong> Vorleistungsmärkte sagt allerdings nicht,<br />
dass die Wettbewerbsprobleme <strong>der</strong> beiden Wertschöpfungsstufen nicht in einem analysiert<br />
werden dürften. Ein solches Verständnis <strong>der</strong> einschlägigen Bestimmungen wäre nach Ansicht<br />
<strong>der</strong> Telekom-Control-Kommission nicht mit dem Wortlaut des Gesetzes in Einklang zu<br />
bringen. Ferner verweist die Telekom-Control-Kommission auf das Wesen einer Prognoseentscheidung,<br />
die es ja geradezu inhärent mit sich bringt, dass auf Grund <strong>der</strong> möglichen<br />
nachteiligen Auswirkungen auf den Wettbewerb einer Nicht-Regulierung <strong>der</strong> Endkundenmärkte<br />
eben ex ante Regulierungsinstrumente aufzuerlegen sind. Der Ansatz von TA würde<br />
im Ergebnis dazu führen, dass erst nach In-Kraft-Setzung <strong>der</strong> Regulierung <strong>der</strong> Vorleistungsmärkte,<br />
und einer darauffolgen<strong>der</strong> neuerlichen Marktanalyse Regulierungsinstrumente auf<br />
Endkundenmärkten auferlegt werden dürften. Eine solche „Mehrstufigkeit“ lässt sich § 43<br />
Abs. 1 TKG 2003 nicht entnehmen.<br />
Darüberhinaus ist das diesbezügliche Vorbringen <strong>der</strong> TA insofern nach Ansicht <strong>der</strong> Telekom-<br />
Control-Kommission nicht ausreichend spezifiziert, als nicht hinreichend dargetan wurde,<br />
was sich konkret durch die Untersuchung <strong>der</strong> Wettbewerbsprobleme auf den beiden Wertschöpfungsstufen<br />
durch zwei (hintereinan<strong>der</strong>) erstellte Gutachten geän<strong>der</strong>t hätte. Dem diesbezüglichen<br />
Vorbringen von TA war daher nicht Folge zu leisten.<br />
Es ist daher entgegen dem Vorbringen <strong>der</strong> TA nach Ansicht <strong>der</strong> Telekom-Control-<br />
Kommission gesetzlich nicht geboten, dass auf <strong>der</strong> Vorleistungsebene als geeignet festgestellte<br />
Regulierungsinstrumente zuerst angeordnet werden, sodann ihre Auswirkungen auf<br />
den nachgelagerten Endkundenmarkt untersucht werden und danach in einem weiteren<br />
Schritt auf den nachgelagerten Endkundenmärkten unter Umständen Regulierungsinstrumente<br />
auferlegt werden. Die Interpretation des § 43 Abs. 1 TKG 2003 im Sinne <strong>der</strong> Stellungnahme<br />
von TA (ON 30 und ON 38) findet nach Ansicht <strong>der</strong> Telekom-Control-Kommission<br />
bereits im Wortlaut des Gesetzes keine Deckung.<br />
Da gemäß den Gutachtern (ON 32) die Regulierungsinstrumente auf Vorleistungsebene<br />
nicht ausreichen, um den Wettbewerbsproblemen zu begegnen, ist die Genehmigung von<br />
Entgelten und Allgemeinen Geschäftsbedingungen sowie <strong>der</strong>en Än<strong>der</strong>ungen vorzusehen.<br />
Für das Wettbewerbsproblem <strong>der</strong> überhöhten Preise (bzw. selektiver Kampfpreise durch<br />
Rabatte) und <strong>der</strong> ungerechtfertigten Bündelung von Diensten sind die Bestimmungen des §<br />
43 Abs. 2 und 3 TKG 2003 einschlägig, da sie das Unternehmen verpflichten, solche Verhaltensweisen<br />
zu unterlassen. Damit wird den festgestellten Wettbewerbsproblemen gezielt<br />
begegnet und <strong>der</strong> beschriebene Marktmachtmissbrauch verhin<strong>der</strong>t.<br />
45<br />
<strong>Vorlesung</strong>smaterialien Seite 96
Im Konkreten kann dem Wettbewerbsproblem <strong>der</strong> überhöhten Preise nur mit kostenorientierten<br />
Preisen in Form einer ex-ante Entgeltgenehmigung effizient begegnet werden (ON 32).<br />
§ 45 TKG 2003 erwähnt auch die grundsätzliche Möglichkeit einer Price-Cap-Regulierung<br />
von Endkundenpreisen. Die Regulierung mit Price-Caps vermag den Wettbewerbsproblemen<br />
weniger bzw. nicht adäquat zu begegnen (ON 32, Kapitel 3.3.1.3.3). Die ex-ante Tarifgenehmigung<br />
<strong>für</strong> Än<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Tarife und des Tarifgefüges ist hingegen ein adäquates Mittel,<br />
um insbeson<strong>der</strong>e den Wettbewerbsproblemen überhöhter Preise und <strong>der</strong> Produktbündelung<br />
zu begegnen. Schließlich legt auch die gegebene horizontale Verflochtenheit <strong>der</strong> Zugangs-<br />
und Verbindungsmärkte eine gesamt- und einheitliche Untersuchungsmethodik und einen<br />
korrespondierenden einheitlichen Regulierungsansatz nahe.<br />
Ergänzend zu den Maßnahmen <strong>der</strong> Entgeltregulierung besteht weiters die Notwendigkeit<br />
einer getrennten Buchführung (nach § 40 TKG 2003), da diese die Basis <strong>für</strong> eine rasche<br />
Überprüfung <strong>der</strong> Entgelte schafft und auch Produktbündelung als (potentielles) Wettbewerbsproblem<br />
identifiziert wurde. Da die Preiskontrolle nur die Produkte am relevanten Markt<br />
betrifft und dieser in <strong>der</strong> Regel nur einen kleinen Ausschnitt <strong>der</strong> Aktivitäten des integrierten<br />
Betreibers darstellt, ist eine getrennte Buchführung <strong>für</strong> das ganze Unternehmen notwendig.<br />
Neben <strong>der</strong> Hintanhaltung von überhöhten Preisen erfüllt die Verpflichtung, die Entgelte und<br />
Allgemeinen Geschäftsbedingungen sowie <strong>der</strong>en Än<strong>der</strong>ung zur Genehmigung vorzulegen,<br />
auch den Zweck, dass <strong>der</strong> Eintritt neuer Marktteilnehmer nicht (etwa durch Bündelung von<br />
Produkten) verhin<strong>der</strong>t wird.<br />
Da die Regulierungsinstrumente auf Vorleistungsebene innerhalb des relevanten Zeitraums<br />
von ca. zwei Jahren nicht alleine dazu beitragen können, den festgestellten Wettbewerbsproblemen<br />
zu begegnen, sind die genannten Regulierungsinstrumente auf dem gegenständlichen<br />
Verbindungsmarkt notwendig, geeignet sowie das gelindeste (weil einzig effektive)<br />
Mittel, um die Ziele <strong>der</strong> Regulierung, das sind <strong>der</strong> Schutz <strong>der</strong> Konsumenten vor dem Missbrauch<br />
von Marktmacht, die Verhin<strong>der</strong>ung von Marktmachtübertragung und die För<strong>der</strong>ung<br />
von Markteintritten und des Wettbewerbs, zu för<strong>der</strong>n.<br />
Die Auferlegung <strong>der</strong> Verpflichtung zur ex ante Entgeltkontrolle erscheint ferner auch vor dem<br />
Hintergrund <strong>der</strong> bereits aufgrund des ONP-Rechtsrahmens bestehenden Verpflichtung zur<br />
ex ante-Entgeltkontrolle und <strong>der</strong> getrennten Buchführung als verhältnismäßig. Die Feststellungen<br />
des Marktanalyse-Gutachtens (ON 25) in Bezug auf das Vorliegen von effektivem<br />
Wettbewerb zeigen, dass das mittlerweile erreichte Wettbewerbsniveau auf dem gegenständlichen<br />
Verbindungsmarkt nach wie vor von <strong>der</strong> infrastrukturbasierten Abhängigkeit <strong>der</strong><br />
meisten alternativen Anbieter vom Zugang zur Infrastruktur <strong>der</strong> TA geprägt ist.<br />
Zur Tarifregulierung im Konkreten:<br />
Da die Regulierungsinstrumente auf Vorleistungsebene sowie die Verpflichtung zur Verbindungsnetzbetreiber(vor)auswahl<br />
und zum Wie<strong>der</strong>verkauf <strong>der</strong> Teilnehmeranschlussleistung<br />
im hier relevanten Zeitraum von etwa zwei Jahren aus den angeführten Gründen nicht ausreichen,<br />
um den festgestellten Wettbewerbsproblemen zu begegnen, ist im Hinblick auf die<br />
Kostenorientierung <strong>der</strong> Endkundenentgelte eine Verpflichtung zur Genehmigung von Entgelten<br />
und Allgemeinen Geschäftsbedingungen sowie <strong>der</strong>en Än<strong>der</strong>ungen gemäß den Bestimmungen<br />
des § 43 Abs. 2 und 3 TKG 2003 aufzuerlegen. Es ist darauf hinzuweisen, dass auf<br />
Grund <strong>der</strong> Komplementarität <strong>der</strong> beiden Regulierungsinstrumente in dem Ausmaß, indem<br />
<strong>der</strong> Wie<strong>der</strong>verkauf <strong>der</strong> Teilnehmeranschlussleistung (bzw. die Entbündelung) vom Markt<br />
angenommen wird, diesem Umstand im Rahmen <strong>der</strong> jeweils anzuwendenden ex ante-<br />
Entgeltkontrolle Rechnung zu tragen sein wird. In Bezug auf die mit Bescheiden zu M 1/03<br />
und M 2/03 auf den horizontal benachbarten Zugangsmärkte ebenfalls auferlegte Verpflichtung,<br />
den Wie<strong>der</strong>verkauf <strong>der</strong> Teilnehmeranschlussleistung (Resale) anzubieten, ist die Telekom-Control-Kommission<br />
<strong>der</strong> Auffassung, dass dem Wettbewerbsproblem <strong>der</strong> überhöhten<br />
46<br />
<strong>Vorlesung</strong>smaterialien Seite 97
Preise gegenwärtig nur mit kostenorientierten Preisen in Form einer ex ante Entgeltgenehmigung<br />
effizient begegnet werden kann.<br />
Auf Grund <strong>der</strong> horizontalen Verflochtenheit von Zugangs- und Verbindungsmärkten ergibt<br />
sich im Rahmen <strong>der</strong> Auferlegung <strong>der</strong> Verpflichtung zur ex ante Entgeltkontrolle die Notwendigkeit<br />
<strong>der</strong> Berücksichtigung <strong>der</strong> durch die Bündelung von Zugangs- und Verbindungsentgelten<br />
möglichen horizontalen Marktmachtübertragung (ON 32).<br />
Hinsichtlich des Umfangs <strong>der</strong> ex ante Entgeltverpflichtung erscheinen daher die nachfolgend<br />
zusammengefassten Leistungen als jene Leistungen des gegenständlichen Marktes, <strong>der</strong>en<br />
vorherige Entgeltkontrolle notwendig erscheint, um die beschriebenen Wettbewerbsprobleme<br />
<strong>der</strong> horizontalen Marktmachtübertragung und <strong>der</strong> exzessiven Preise zu bekämpfen:<br />
Von <strong>der</strong> Kostenorientierung sind umfasst:<br />
a) Tarife <strong>für</strong> Gespräche zu allen Auslandszonen und zu ausländischen Mobil-<br />
netzen,<br />
b) Tarife <strong>für</strong> Gespräche innerhalb VPNs, sofern die Kommunikation über Netzabschluss-<br />
punkte des öffentlichen Telefonnetzes erfolgt,<br />
c) Verbindungsnetzbetrieb durch Telekom Austria AG („Dial 1001“) betreffend die genann-<br />
ten Verbindungsprodukte gemäß a) – b) sowie<br />
d) Rabatte betreffend a) - c).<br />
Die Regulierungsbehörde kann gemäß § 45 Abs. 5 TKG 2003 beantragte Entgelte unter Auflagen<br />
o<strong>der</strong> Bedingungen befristet genehmigen. Die Notwendigkeit <strong>der</strong> Vorabgenehmigung<br />
<strong>der</strong> Entgelte von TA mit Ausnahme von (Werbe-)Aktionsangeboten bis zu dreimonatiger<br />
Laufzeit ergibt sich insbeson<strong>der</strong>e aus <strong>der</strong> Möglichkeit <strong>für</strong> TA, durch entsprechende Tarife auf<br />
<strong>der</strong> Endkundenebene zum Nachteil ihrer Endkunden überhöhte Preise zur Anwendung zur<br />
bringen. In Bezug auf die angeordnete Notwendigkeit <strong>der</strong> Vorabgenehmigung von Aktionsangeboten<br />
mit mehr als dreimonatiger Laufzeit hat die Telekom-Control-Kommission in Fortführung<br />
<strong>der</strong> bestehenden Spruchpraxis erwogen, dass angesichts des festgestellten Wettbewerbsproblems<br />
<strong>der</strong> möglichen Herbeiführung einer Preis-Kosten-Schere auf dem gegenständlichen<br />
Verbindungsmarkt die Auferlegung dieser Verpflichtung gemäß § 43 Abs. 2 Z 3<br />
TKG 2003 als angemessen und notwendig erscheint, da es ansonsten durch unmittelbar<br />
aufeinan<strong>der</strong> folgende Aktionsangebote mit einer Gesamtdauer von mehr als drei Monaten zu<br />
einer Umgehung <strong>der</strong> ex ante Tarifgenehmigungspflicht als solcher kommen kann.<br />
Integraler Bestandteil solcher Verfahren soll dabei im Bedarfsfall die Analyse von Auswirkungen<br />
geplanter Tarifän<strong>der</strong>ungen auf die Wettbewerbsfähigkeit <strong>der</strong> alternativen Netzbetreiber<br />
sein. Damit soll im Vorfeld, soweit regulatorisch möglich, die Gefahr selektiver Kampfpreise<br />
durch Rabattgewährung verhin<strong>der</strong>t werden.<br />
§ 45 TKG 2003 erwähnt unter an<strong>der</strong>em die grundsätzliche Möglichkeit einer Price-Cap-<br />
Regulierung von Endkundenpreisen. Dass diese den oben genannten Wettbewerbsproblemen<br />
jedoch nicht adäquat begegnet, geht aus <strong>der</strong> Konstruktion und Intention von Price-Caps<br />
hervor, die primär darauf ausgerichtet sind, Effizienzverbesserungen an Nachfrager weiterzugeben.<br />
Ineffizienzen sind jedoch in späteren Liberalisierungsphasen nicht das Hauptproblem,<br />
vielmehr muss – wie angeführt – mit <strong>der</strong> Übertragung von Marktmacht in wettbewerbsintensivere<br />
Verbindungsmärkte gerechnet werden. Allein schon die beschriebene horizontale<br />
Verflochtenheit von Zugangs- und Verbindungsmärkten zieht hier aber die Notwendigkeit<br />
einer gesamt- und einheitlichen Untersuchungsmethodik und eines korrespondierenden Regulierungsansatzes<br />
nach sich. Hinsichtlich exzessiver Preise ist das Prinzip <strong>der</strong> Kostenorientierung<br />
<strong>der</strong> Entgelte als ebenso effektiv anzusehen wie eine Price-cap-Regulierung. Insge-<br />
47<br />
<strong>Vorlesung</strong>smaterialien Seite 98
samt würden die freilich auch bei einer kostenorientierten Entgeltkontrolle vorhandenen Umsetzungsprobleme<br />
aber nur um die spezifischen Probleme im Rahmen <strong>der</strong> Implementierung<br />
von Price-Caps vermehrt werden.<br />
Der Kostenrechnungsstandard <strong>für</strong> die zur Genehmigung vorzulegenden Tarife hat sich gemäß<br />
<strong>der</strong> bisherigen Spruchpraxis am Konzept <strong>der</strong> „Prognosekosten“ – Kosten, die dem Anbieter<br />
durch den Aufbau, den Betrieb und die Wartung des Dienstes sowie durch dessen<br />
Vermarktung und Abrechnung direkt entstehen und die auch den dem Dienst zuordenbaren<br />
indirekten Kosten Rechnung tragen – zu orientieren. Prognosekosten sind voraussichtlich<br />
anfallende zukünftige Istkosten. Die Prognosekosten sind unter Bedachtnahme auf die<br />
Istkosten abgelaufener Zeiträume und die voraussichtliche Entwicklung zu ermitteln.<br />
Zum Verhältnis dieses Regulierungsinstruments zur getrennten Buchführung wird auf die<br />
Ausführungen zu Punkt 7.2.2 dieser Anordnung verwiesen.<br />
In Bezug auf die Konkretisierung <strong>der</strong> anzuwendenden Kostenrechnungsmethode wird daher<br />
auf die in ON 32 (Annex 5) enthaltene „Tarifmatrix“ bzw. die Ausführungen des Punktes 3.1.1<br />
dieser Anordnung verwiesen.<br />
Basierend auf dieser Matrix ergeben sich auch zukünftig folgende – kumulativ zu erfüllende –<br />
Kriterien:<br />
Kriterium 1: Jede von TA angebotene Tarifzone muss, nach Berücksichtigung von Rabatten<br />
und an<strong>der</strong>en Vergünstigungen (z.B. Werbeaktionen), über alle Tarifoptionen hinweg kostendeckend<br />
sein.<br />
Kriterium 2: Je Tarifoption müssen die Tarifzonen in Summe, nach Berücksichtigung von<br />
Rabatten und an<strong>der</strong>en Vergünstigungen, kostendeckend sein.<br />
Kriterium 3: Die Entgelte <strong>für</strong> einzelne Tarifzonen innerhalb einzelner Tarifoptionen sowie die<br />
Entgelte <strong>für</strong> Grundentgelte einzelner Tarifoptionen müssen sich hinsichtlich ihrer Untergrenze<br />
an den Vorleistungskosten <strong>für</strong> das entsprechende Produkt orientieren.<br />
Im Hinblick auf die angeordnete ex ante Endkundentarifgenehmigungspflicht <strong>für</strong> Aktionsangebote<br />
mit einer Dauer bis zu drei Monaten führt die Telekom-Control-Kommission aus, dass<br />
es das Kriterium <strong>der</strong> Kostenorientierung mit sich bringt, dass auch die aus Aktionsangeboten<br />
resultierende Erlösschmälerung bei <strong>der</strong> ex ante Tarifgenehmigung mitzuberücksichtigen ist.<br />
Das Ausmaß <strong>der</strong> auf Grund vorgesehener Aktionsangebote geschätzten Erlösschmälerung<br />
ist daher Bestandteil <strong>der</strong> ex ante Tarifgenehmigung. Die TKK geht davon aus, dass aufeinan<strong>der</strong><br />
folgende Aktionsangebote mit einer Gesamtdauer von mehr als 3 Monaten eine Än<strong>der</strong>ung<br />
des Tarifgefüges darstellen und daher eine Umgehung <strong>der</strong> ex-ante Tarifgenehmigungspflicht<br />
darstellen würden. Dementsprechend würde eine Kette von Aktionen, bei <strong>der</strong> <strong>der</strong> verbundene<br />
Zeitraum die Dauer von 3 Monaten überschreitet als einer Tarifgenehmigungsverpflichtung<br />
unterliegend angesehen.<br />
Im Hinblick auf die angeordnete ex ante Endkundentarifgenehmigungspflicht von VPNs (Virtuelle<br />
private Netze) hat die Telekom-Control-Kommission erwogen, dass die Verwendung<br />
des öffentlichen Netzes von TA bei <strong>der</strong> Bewerkstelligung eines VPNs, sofern die Kommunikation<br />
über Netzabschlusspunkte des öffentlichen Telefonnetzes bzw. (Points of Interconnection)<br />
erfolgt, im Hinblick auf die beschriebenen Wettbewerbsprobleme (Abhängigkeit von Vorleistungsprodukten)<br />
die Auferlegung <strong>der</strong> ex ante-Entgeltkontrolle rechtfertigt, um den Wettbewerbsproblemen<br />
effektiv zu begegnen.<br />
7.2.2. Getrennte Buchführung<br />
Gemäß § 40 TKG 2003 kann die Regulierungsbehörde Unternehmen mit beträchtlicher<br />
Marktmacht <strong>für</strong> bestimmte Tätigkeiten in Bezug auf den Zugang eine getrennte Aufschlüsse-<br />
48<br />
<strong>Vorlesung</strong>smaterialien Seite 99
lung <strong>der</strong> Kosten auferlegen, um unerlaubte Quersubventionierung zu verhin<strong>der</strong>n. Zu diesem<br />
Zweck kann insbeson<strong>der</strong>e ein vertikal integriertes Unternehmen aufgefor<strong>der</strong>t werden, seine<br />
Großhandelspreise und internen Verrechnungspreise transparent und nachvollziehbar zu<br />
gestalten (vgl. Art. 11 Zugangs-RL).<br />
Die spezifische Verpflichtung <strong>der</strong> getrennten Buchführung dient dazu, innerbetriebliche Aufwendungen,<br />
Kosten und Erlöse zwischen unterschiedlichen Tätigkeitsbereichen <strong>für</strong> die Regulierungsbehörde<br />
transparent zu machen, um so gegebenenfalls Quersubventionierung und<br />
Diskriminierung zwischen interner Bereitstellung (interner Transferpreis) und externem Verkauf<br />
(<strong>für</strong> die Regulierungsbehörde) erkennbar zu machen (vgl. ERG, S. 49ff, Erwägungsgrund<br />
18 Rahmen-RL).<br />
Dieses Instrument ist grundsätzlich als Ergänzung zu an<strong>der</strong>en Instrumenten, wie gegebenenfalls<br />
<strong>der</strong> Nichtdiskriminierungsverpflichtung o<strong>der</strong> auch <strong>der</strong> Preiskontrolle zu sehen. So<br />
hält auch die ERG (S. 49) wie folgt fest: „This obligation is specifically put in place to support<br />
the obligations of transparency and non-discrimination. It may also act to support the NRA in<br />
implementing price control and cost accounting obligations.“<br />
Bei Unternehmen mit einer großen Anzahl an Produkten ist die Feststellung von Kostenorientierung<br />
im Rahmen von (kurzen) Verfahren nur möglich, wenn regelmäßig überprüfte "separated<br />
accounts" im Rahmen <strong>der</strong> getrennten Buchführung vorliegen. Nur damit ist sichergestellt,<br />
dass insbeson<strong>der</strong>e gemeinsame Kosten und Gemeinkosten auf alle Produkte verursachungsgerecht<br />
zugeordnet werden. Dadurch erst kann im Einzelfall eine Überprüfung auf<br />
Kostenorientierung einzelner Produkte o<strong>der</strong> Produktgruppen in kurzer Zeit durchgeführt und<br />
sichergestellt werden, dass Kosten nicht von unregulierten in regulierte Geschäftsfel<strong>der</strong><br />
(bzw. umgekehrt) verschoben werden. Die getrennte Buchführung umfasst folglich alle Produkte<br />
des gegenständlichen Endkundenmarktes. Eine Trennung <strong>der</strong> auf diese Produkte entfallenden<br />
Kosten und Erlöse von den den an<strong>der</strong>en gegenüber Endkunden o<strong>der</strong> auf Vorleistungsebene<br />
angebotenen Produkten zuzuordnenden Kosten und Erlösen muss dabei gewährleistet<br />
sein.<br />
Aufgrund <strong>der</strong> Tatsache, dass die von TA beantragten Tarife unterschiedliche Märkte <strong>der</strong><br />
TKMVO 2003 betreffen, sind im Regelfall TA-Produkte auf unterschiedlichen relevanten<br />
Märkten <strong>der</strong> TKMVO 2003 betroffen, daher ist die getrennte Buchführung <strong>für</strong> das ganze Unternehmen<br />
zumindest entsprechend <strong>der</strong> Märkteglie<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> TKMVO 2003 erfor<strong>der</strong>lich.<br />
Ergänzend zu den Maßnahmen <strong>der</strong> Entgeltregulierung besteht daher weiters die Notwendigkeit<br />
einer getrennten Buchführung nach § 40 TKG 2003, da diese die Basis <strong>für</strong> eine rasche<br />
Überprüfung <strong>der</strong> Entgelte schafft und auch Produktbündelung als (potentielles) Wettbewerbsproblem<br />
identifiziert wurde.<br />
Die TA hat hierzu vorgebracht, dass sich eine Glie<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> getrennten Buchführung nach<br />
den Märkten <strong>der</strong> TKMVO 2003 nicht mit den TA-Geschäftsbereichen decke und eine Zuordnung<br />
<strong>der</strong> relevanten Kosten auf einzelne Märkte o<strong>der</strong> Geschäftsbereiche wegen <strong>der</strong> erfor<strong>der</strong>lichen<br />
Kosten- und Erlösermittlung auf Produktebene wegen des damit verbundenen Umsetzungsaufwandes<br />
unverhältnismäßig und nicht zumutbar sei. Überdies sei das dzt. von TA<br />
verwendete Kostenrechnungssystem „Gamma“ nicht in <strong>der</strong> Lage, die gefor<strong>der</strong>ten Funktionalitäten<br />
und Informationen in <strong>der</strong> gebotenen Granularität zu liefern, eine Modifikation bedürfe<br />
des Aufwands mehrerer Mannjahre. In diesem Zusammenhang hat TA auch um eine Modifikation<br />
<strong>der</strong> Kostenkategorien ersucht.<br />
Hierzu hat die Telekom-Control-Kommission Folgendes erwogen:<br />
Die getrennte Buchführung ist im vorliegenden Fall notwendig, um Kostenverschiebungen<br />
und unerlaubte Quersubventionierung zu verhin<strong>der</strong>n. Um die Verpflichtung zur Kostenorientierung<br />
innerhalb eines angemessenen Zeitraums überprüfen zu können, ist eine Glie<strong>der</strong>ung<br />
nach den Märkten <strong>der</strong> TKMVO 2003 erfor<strong>der</strong>lich. Eine Glie<strong>der</strong>ung etwa nach Geschäftsbereichen<br />
wäre demgegenüber ungeeignet, da diese von Verän<strong>der</strong>ungen <strong>der</strong> Unternehmens-<br />
49<br />
<strong>Vorlesung</strong>smaterialien Seite 100
struktur betroffen sein können und die Zuordnung von Kosten zu bestimmten Produkten in zu<br />
weit gehendem Maße in das Belieben des regulierten Unternehmens gestellt wird. Eine Glie<strong>der</strong>ung<br />
nach den Märkten <strong>der</strong> TKMVO 2003 ist auch deshalb zwingend, da sich die Überprüfung<br />
<strong>der</strong> Kostenorientierung bei regulierten Entgelten nur auf Produkte erstrecken kann, die<br />
dem relevanten Markt angehören. Dass die Verpflichtung zur getrennten Buchführung sich<br />
auch auf aggregierte Kosten und Erlöse in Bezug auf unregulierte Märkte wie beispielsweise<br />
Gemeinkosten <strong>für</strong> Trunk-Segmente von Mietleitungen erstreckt, liegt in <strong>der</strong> Natur <strong>der</strong> Sache,<br />
da ansonsten Kostenverschiebungen nicht transparent wären und die Effektivität <strong>der</strong> Regulierung<br />
nach Ansicht <strong>der</strong> Telekom-Control-Kommission nicht sichergestellt werden kann.<br />
TA unterliegt bereits <strong>der</strong>zeit <strong>der</strong> Verpflichtung zur getrennten Buchführung, da sie mit Bescheid<br />
<strong>der</strong> Telekom-Control-Kommission M 1/02-114 vom 20.9.2002 gemäß § 33 Abs. 4<br />
TKG (1997) als marktbeherrschend auf den Märkten <strong>für</strong> das Erbringen des öffentlichen<br />
Sprachtelefondienstes mittels eines festen Telekommunikationsnetzes sowie <strong>für</strong> das Erbringen<br />
des öffentlichen Mietleitungsdienstes mittels eines festen Telekommunikationsnetzes<br />
sowie auf dem nationalen Markt <strong>für</strong> Zusammenschaltungsleistungen festgestellt wurde. TA<br />
ist daher <strong>der</strong>zeit gemäß § 133 Z 7 TKG 2003 iVm § 43 Abs. 4 TKG (1997) auf den oben angeführten<br />
Märkten zur getrennten Buchführung verpflichtet.<br />
Da zudem aufgrund <strong>der</strong> Feststellungen <strong>der</strong> Telekom-Control-Kommission in parallelen<br />
Marktanalyseverfahren <strong>der</strong>zeit davon ausgegangen wird, dass TA auch auf an<strong>der</strong>en Märkten<br />
über Marktmacht verfügt (zB Originierung, Terminierung, Mindestangebot an Mietleitungen,<br />
Terminierende Segmente von Mietleitungen), erscheint die Verpflichtung zur getrennten<br />
Buchführung angemessen und verhältnismäßig, insb. auch, da die inkrementellen Kosten<br />
dieses Regulierungsinstruments aufgrund <strong>der</strong> bisherigen Regulierung von Endkundenentgelten<br />
gering sind und erhebliche Synergien bestehen.<br />
Bezüglich <strong>der</strong> Verpflichtung des § 90 TKG 2003 (Informationspflichten) ist darauf hinzuweisen,<br />
dass die Erhebung, Aufbereitung und Übermittlung <strong>der</strong> notwendigen Daten im Einzelfall<br />
<strong>für</strong> die Überprüfung des Quersubventionierungsverbotes gemäß dieser Bestimmung und<br />
gemäß <strong>der</strong> Kommunikations-Erhebungs-Verordnung, (BGBl II, 365/2004), nach Ansicht <strong>der</strong><br />
Telekom-Control-Kommission nicht ausreicht, um im Falle des Verdachts auf das Vorliegen<br />
von Quersubventionierung innerhalb eines vergleichsweise kurzen Zeitraums die notwendigen<br />
Informationen zu erhalten. Hier ist insbeson<strong>der</strong>e auf die Problematik <strong>der</strong> Preis-Kosten-<br />
Schere durch entsprechende Endkundenangebote hinzuweisen.<br />
Die getrennte Buchführung hat zumindest nach den Märkten <strong>der</strong> TKMVO 2003 geglie<strong>der</strong>t zu<br />
erfolgen. Im Rahmen <strong>der</strong> notwendigen Operationalisierung <strong>der</strong> getrennten Buchführung sind<br />
entsprechend den Anfor<strong>der</strong>ungen <strong>der</strong> Regulierungsbehörde zumindest folgende Informationen<br />
zur Überprüfung unerlaubter Quersubventionierung bereitzustellen:<br />
• Erträge,<br />
• Kosten (unterscheidbar nach Personalkosten, Kosten <strong>für</strong> Abschreibungen von Anlagegütern,<br />
Kapitalkosten und sonstigen Kosten),<br />
• detaillierter Anlagenspiegel des Unternehmens, Personalkennzahlen, Kostentreiber<br />
wie insbeson<strong>der</strong>e die Anzahl <strong>der</strong> Leitungen und sonstige <strong>für</strong> die Überprüfung <strong>der</strong><br />
Kostenrechnung notwendigen Informationen.<br />
Die Details <strong>der</strong> konkreten Ausgestaltung werden von <strong>der</strong> Regulierungsbehörde im Rahmen<br />
einer regelmäßigen Überprüfung spezifiziert.<br />
50<br />
<strong>Vorlesung</strong>smaterialien Seite 101
7.3. Zur Aufhebung <strong>der</strong> gem. § 133 Abs. 7 TKG 2003 weitergeltenden Verpflichtungen<br />
nach dem TKG 1997<br />
Soweit die Regulierungsbehörde vor In-Kraft-Treten dieses Bundesgesetzes festgestellt hat,<br />
dass ein Unternehmer marktbeherrschend im Sinne des § 33 TKG (1997) ist, gelten die sich<br />
aus dem TKG (1997) ergebenden Pflichten <strong>für</strong> marktbeherrschende Unternehmer<br />
§ 133 Abs. 7 TKG 2003 solange weiter, bis <strong>für</strong> das betreffende Unternehmen ein Bescheid<br />
nach § 37 Abs. 2 TKG 2003 ergangen ist o<strong>der</strong> die Aufhebung <strong>der</strong> Verpflichtungen nach § 37<br />
Abs. 3 TKG 2003 wirksam wird.<br />
Die Marktbeherrschung auf dem Markt <strong>für</strong> das Erbringen des öffentlichen festen Sprachtelefondienstes<br />
mittels eines festen Telekommunikationsnetzes nach § 33 TKG (1997 war ein<br />
Auslöser <strong>für</strong> die Verpflichtungen <strong>der</strong> TA gemäß TKG (1997). Da die TA vor In-Kraft-Treten<br />
des TKG 2003 am 20.08.2003 mit Bescheid M 1/02-114 <strong>der</strong> Telekom-Control-Kommission<br />
vom 20.09.2002 als marktbeherrschend auf dem Markt <strong>für</strong> das Erbringen des öffentlichen<br />
Festnetzsprachtelefondienstes iSd TKG (1997) festgestellt wurde, gelten dzt. die bislang<br />
bestehenden Verpflichtungen des TKG (1997) <strong>für</strong> die TA in Bezug auf die Leistungen des<br />
gegenständlichen Marktes weiter.<br />
§ 37 Abs. 2 S 2 TKG 2003 sieht vor, dass bereits bestehende spezifische Verpflichtungen <strong>für</strong><br />
Unternehmen, soweit sie den relevanten Markt betreffen, nach Maßgabe <strong>der</strong> Ergebnisse des<br />
Verfahrens unter Berücksichtigung <strong>der</strong> Regulierungsziele geän<strong>der</strong>t o<strong>der</strong> neuerlich auferlegt<br />
werden.<br />
Mit Spruchpunkt 2. des vorliegenden Bescheids werden TA spezifische Verpflichtungen auf<br />
dem gegenständlichen Markt auferlegt. Der Markt wurde durch § 1 Z 6 TKMVO 2003 abgegrenzt.<br />
Die gem. § 133 Abs. 7 TKG 2003 fortgeltenden Verpflichtungen <strong>der</strong> nach § 33 TKG (1997)<br />
als marktbeherrschend festgestellten TA treten mit Rechtskraft dieses Bescheides außer<br />
Kraft.<br />
8. Zu den Verfahren gemäß §§ 128, 129 TKG 2003<br />
Gemäß § 128 Abs. 1 TKG 2003 hat die Regulierungsbehörde interessierten Personen innerhalb<br />
einer angemessenen Frist Gelegenheit zu gewähren, zum Entwurf von Vollziehungshandlungen<br />
gemäß TKG 2003, die beträchtliche Auswirkungen auf den betreffenden Markt<br />
haben werden, Stellung zu nehmen („Konsultation“). Nach § 129 TKG 2003 sind Entwürfe<br />
von Vollziehungshandlungen gemäß § 128 TKG 2003, die Auswirkungen auf den Handel<br />
zwischen Mitgliedstaaten haben werden und die Marktanalyse betreffen (§ 129 Abs. 1 Z 2<br />
TKG 2003), gleichzeitig <strong>der</strong> Europäischen Kommission sowie den nationalen Regulierungsbehörden<br />
<strong>der</strong> Mitgliedstaaten <strong>der</strong> Europäischen Gemeinschaft zur Verfügung zu stellen<br />
(„Koordination“).<br />
Die vorliegende Anordnung gemäß § 37 ff TKG 2003 stellt eine <strong>der</strong>artige Vollziehungshandlung<br />
iSd §§ 128 f TKG 2003 dar, die sohin den beiden Verfahren <strong>der</strong> Konsultation und Koordination<br />
zu unterwerfen war.<br />
8.1. Zu den eingelangten Stellungnahmen im Rahmen des Verfahrens nach § 128<br />
TKG 2003<br />
Es wurde von folgenden Organisationen eine Stellungnahme abgegeben: Verband Alternativer<br />
Telekom-Netzbetreiber - VAT (ON 54), Interessensverband Telekommunikation (ON 55)<br />
und von TA (ON 56).<br />
51<br />
<strong>Vorlesung</strong>smaterialien Seite 102
Der VAT konzentrierte sich in seiner Stellungnahme auf die ex-ante Tarifgenehmigungsverpflichtung<br />
<strong>der</strong> TA. Im Detail wird kritisiert, dass die Anwendung <strong>der</strong> „Kontrollmatrix“ auch weiterhin<br />
die Übertragung von Marktmacht zulasse. Dies ergebe sich aus <strong>der</strong> fehlenden Kostendeckung<br />
<strong>der</strong> Grundentgelte je<strong>der</strong> einzelnen Tarifoption. Es würden sich Quersubventionierungen<br />
zwischen den Grundentgelten <strong>für</strong> den Anschluss und den Verbindungsentgelten,<br />
sowie zwischen Inlands- und Auslandsgesprächen ergeben.<br />
VAT führte ferner aus, dass die im Maßnahmenentwurf vorgesehene Ausnahme von Aktionen<br />
bis zu dreimonatiger Dauer von <strong>der</strong> ex-ante Tarifgenehmigung <strong>für</strong> TA die Möglichkeit zu<br />
„Kettenaktionsangeboten“ bei permanenter Kostenunterdeckung eröffne. Ferner müsse klargestellt<br />
werden, dass sich die Kostenorientierungspflicht auch auf Aktionsangebote beziehe.<br />
In diesem Zusammenhang wird eine engere Definition <strong>der</strong> <strong>für</strong> TA zulässigen Aktionsangebote<br />
vorgeschlagen.<br />
Diesbezüglich ist auszuführen, dass die Ausnahme von Aktionsangeboten mit einer Dauer<br />
von bis zu 3 Monaten sich lediglich auf die Verpflichtung zur Vorabgenehmigung von Allgemeinen<br />
Geschäftsbedingungen inklusive Dienstebeschreibung und Endkundenentgelte bezieht,<br />
nicht jedoch auf die Verpflichtung, dass die Endkundenentgelte insgesamt (also unter<br />
Einbeziehung von Aktionsangeboten) dem Maßstab <strong>der</strong> Kostenorientierung entsprechen<br />
müssen. Aus Punkt 7.2.1 <strong>der</strong> Begründung dieser Anordnung ist ersichtlich, dass auch Rabatte<br />
(und diesen gleichzusetzende erlösmin<strong>der</strong>nde Umstände, z.B. kurzfristige Werbeangebote)<br />
von <strong>der</strong> Verpflichtung zur Kostenorientierung umfasst sind und sohin in einer Überprüfung<br />
<strong>der</strong> Kostenorientierung <strong>der</strong> Endkundenentgelte berücksichtigt werden.<br />
Der Verweis auf die bestehende Regulierungspraxis, nämlich die Genehmigungsfreiheit von<br />
bis zu dreimonatigen Aktionsangeboten, stellt aus Sicht <strong>der</strong> Telekom-Control-Kommission<br />
eine angemessene Abwägung zwischen dem berechtigten Interesse <strong>der</strong> TA, im Endkundenwettbewerb<br />
agieren zu können, und den Interessen <strong>der</strong> vom Vorleistungsbezug <strong>der</strong> TA abhängigen<br />
Mitbewerber <strong>der</strong> TA an kostenorientierten Preisen am Endkundenmarkt dar. Hinsichtlich<br />
<strong>der</strong> von VAT eingemahnten Klarstellung, dass auch tarifgenehmigungsfreie Aktionsangebote<br />
von TA <strong>der</strong> Kostenorientierung unterliegen sollten ist gerade auch auf die Formulierung<br />
des Spruchpunktes 2.1. des gegenständlichen Bescheides zu verweisen: Dort wird<br />
angeordnet, dass „Endkundenentgelte dem Maßstab <strong>der</strong> Kostenorientierung entsprechen“<br />
müssen. Ferner wird ebendort angeordnet, dass „(…) Rabatte von <strong>der</strong> Kostenorientierung<br />
umfasst sind“. Auch die nicht von <strong>der</strong> ex-ante Tarifgenehmigungspflicht umfassten Aktionsangebote<br />
werden daher bei <strong>der</strong> Kostenorientierung im Rahmen <strong>der</strong> ex-ante Tarifkontrolle<br />
berücksichtigt und sind somit mittelbar <strong>der</strong> Kostenorientierung unterworfen.<br />
Bezüglich <strong>der</strong> Ausführungen des VAT zum dritten Kriterium <strong>der</strong> Kontrollmatrix ist auszuführen,<br />
dass dort festgelegt wird, dass sich einzelne Entgelte <strong>für</strong> einzelne Tarifzonen innerhalb<br />
einzelner Tarifoptionen sowie die Entgelte <strong>für</strong> Grundentgelte einzelner Tarifoptionen hinsichtlich<br />
ihrer Untergrenze an den Vorleistungskosten <strong>für</strong> das entsprechende Produkt zu orientieren<br />
haben. Wie ausgeführt, hat die Telekom-Control-Kommission eine Abwägung zwischen<br />
den Interessen <strong>der</strong> TA an einer wettbewerbsfähigen Tarifgestaltung auf Endkundenniveau<br />
und dem Interesse von alternativen Anbietern an einem diskriminierungsfreien Zugang zu<br />
notwendigen Vorleistungen zu treffen. Durch die Eingrenzung auf einzelne Tarifzonen innerhalb<br />
einzelner Tarifoptionen hinsichtlich ihrer Untergrenze, das heißt <strong>der</strong> Vorleistungskosten,<br />
wird diesem Umstand Rechnung getragen.<br />
Hinsichtlich <strong>der</strong> vom VAT angeregten Ergänzung des Entscheidungsentwurfs zur gebotenen<br />
Einhaltung des „EG-Wettbewerbsrechts“ bei <strong>der</strong> Endkundentarifgestaltung ist auszuführen,<br />
dass die Bestimmungen <strong>der</strong> Art. 81, 82 EG-Vertrag unmittelbar anwendbares Recht darstellen.<br />
Eine geson<strong>der</strong>te Verpflichtung von TA zur Beachtung dieser Bestimmungen im Rahmen<br />
dieses Bescheides erübrigt sich daher.<br />
Ergänzend weist die Telekom-Control-Kommission daraufhin, dass auch <strong>für</strong> alternative Anbieter<br />
die Möglichkeit besteht, durch das Anbieten entsprechen<strong>der</strong> Endkundenprodukte den<br />
52<br />
<strong>Vorlesung</strong>smaterialien Seite 103
auch Verbindungsnetzbetreibern zur Verfügungen stehenden Spielraum hinsichtlich <strong>der</strong> Gestaltung<br />
einzelner Verbindungsentgelte zu nutzen.<br />
Die Stellungnahme des Interessensverbandes Telekommunikation (IVTK) ist durch eine<br />
großteils durchgängige Vermischung von Wettbewerbsproblemen <strong>der</strong> Anschlussmärkte und<br />
<strong>der</strong> Verbindungsmärkte gekennzeichnet. Aus diesem Grund erscheint es <strong>der</strong> Telekom-<br />
Control-Kommission nur möglich, den in <strong>der</strong> Stellungnahme enthaltenen Kritikpunkten ein<br />
vergleichsweise geringes Gewicht einzuräumen. Hinsichtlich <strong>der</strong> eingemahnten Informationen<br />
bezüglich Teilnehmerstände <strong>der</strong> einzelnen Betreiber, CPS- und CbC-Ständen und Umsätzen<br />
einzelner Betreiber ist auf die Ausführungen zum Thema vertikale Integration und<br />
Übertragung von Marktmacht vom Anschlussbereich auf den gegenständlichen Markt bzw.<br />
auf die Entscheidung zum entsprechenden Markt des Anschlussbereichs (Markt gemäß § 1<br />
Z 2 TKMVO 2003) zu verweisen.<br />
Hinsichtlich <strong>der</strong> Aktivitäten von Tele2 am gegenständlichen Markt <strong>für</strong> Auslandsgespräche<br />
von Nichtprivatkunden über das feste öffentliche Telefonnetz ist dem IVTK dahingehend zuzustimmen,<br />
dass Tele2 auf dem Markt tatsächlich geringe Aktivitäten entfaltet (hat), was allerdings<br />
aufgrund des geringen Umfangs dieser Aktivitäten (Umsatzmarktanteil unter zwei<br />
Prozent) zu keiner geän<strong>der</strong>ten Einschätzung <strong>der</strong> wettbewerblichen Auswirkungen des Zusammenschlusses<br />
führt. Hinsichtlich <strong>der</strong> Ausführungen zum Preisniveau, das von Telekom<br />
Austria auf dem gegenständlichen Markt aufrechterhalten werden kann, ist festzuhalten,<br />
dass die Feststellungen hinsichtlich Preisgestaltung auf den im Marktanalyse-Gutachten getroffenen<br />
expliziten und impliziten Preisanalysen getroffen wurden.<br />
TA brachte in ihrer Stellungnahme unter Verweis auf das im bisherigen Verlauf des Verfahrens<br />
Vorgebrachte vor, dass die Auswirkungen des Zusammenschlusses von Tele2 und UTA<br />
hinsichtlich ihrer wettbewerblichen Effekte nicht ausreichend untersucht worden wären und<br />
kritisiert die Nichteinholung eines spezifischen Gutachtens. Diesbezüglich ist auf die Feststellungen<br />
hinsichtlich allfälliger Marktanteilsverschiebungen zu verweisen.<br />
Die Telekom-Control-Kommission weist neuerlich darauf hin, dass bei <strong>der</strong> Beurteilung allfälliger<br />
wettbewerblicher Auswirkungen ausschließlich auf den relevanten Zeitraum von ca.<br />
zwei Jahren abzustellen ist. Allfällige Auswirkungen auf den gegenständlichen Markt, beispielsweise<br />
durch gesteigerte Aktivitäten des neuen Unternehmens „Tele2/UTA“ im Bereich<br />
<strong>der</strong> Entbündelung, sind, wie festgestellt, <strong>für</strong> den hier relevanten Zeitraum von ca. zwei Jahren<br />
nicht in einem Ausmaß zu erwarten, dass die Feststellungen hinsichtlich des Vorliegens<br />
von beträchtlicher Marktmacht in Zweifel zu ziehen wären.<br />
Hinsichtlich des Verweises von TA auf die Veröffentlichung <strong>der</strong> Bundeswettbewerbsbehörde<br />
betreffend den Zusammenschluss von Tele2 und UTA und den dort getätigten Aussagen zur<br />
erwarteten Erhöhung des Wettbewerbsdruckes auf TA ist festzuhalten, dass die Bundeswettbewerbsbehörde<br />
zwar auf die einzelnen Märkte <strong>der</strong> TKMVO 2003 eingeht, allerdings<br />
festhält, dass nur auf dem Markt <strong>für</strong> Inlandsgespräche von Privatkunden gemäß § 1 Z 3<br />
TKMVO 2003 die kartellrechtlich relevante Vermutungsschwelle von 30 % Marktanteil (marginal)<br />
überschritten wird. Ferner hält die Bundeswettbehörde explizit fest, dass TA auch nach<br />
dem Zusammenschluss von Tele2 und UTA die „bei weitem stärkste Stellung auf diesem<br />
Markt einnehmen wird“. Die allgemein von <strong>der</strong> Bundeswettbewerbsbehörde getroffenen<br />
Feststellungen hinsichtlich zu erwartenden gesteigertem Wettbewerbsdruck durch das neue<br />
Unternehmen „Tele2/UTA“ erscheinen zu allgemein gehalten, um auf eine konkrete Auswirkung<br />
auf den gegenständlichen Markt schließen zu lassen. Ergänzend hält die Telekom-<br />
Control-Kommission fest, dass durch die getroffenen Feststellungen <strong>der</strong> Bundeswettbehörde<br />
hinsichtlich fehlen<strong>der</strong> wettbewerbsrechtlicher Bedenken durch den Zusammenschluss von<br />
Tele2 und UTA nicht geeignet erscheinen, die im gegenständlichen Verfahren getroffenen<br />
Feststellungen hinsichtlich des Vorliegens von beträchtlicher Marktmacht von TA iSd § 35<br />
Abs. 1 TKG 2003 in Zweifel zu ziehen.<br />
53<br />
<strong>Vorlesung</strong>smaterialien Seite 104
8.2. Zur eingelangten Stellungnahme <strong>der</strong> Europäischen Kommission im Rahmen<br />
des Verfahrens nach § 129 TKG 2003<br />
Diese Stellungnahme (ON 53) stützt das Ergebnis <strong>der</strong> Telekom-Control-Kommission. Die<br />
Europäische Kommission teilte mit, dass sie keine Anmerkungen habe. Hinsichtlich <strong>der</strong> im<br />
Zusammenhang mit ihren Ausführungen zur Marktdefinition des gegenständlichen Marktes<br />
gemachten Anmerkung <strong>der</strong> Europäischen Kommission, dass die Bundeswettbewerbsbehörde<br />
„in keiner <strong>der</strong> genannten Sachen konsultiert wurde“, hält die Telekom-Control-<br />
Kommission fest, dass <strong>der</strong> Maßnahmenentwurf am 17.12.2004 auf <strong>der</strong> Homepage <strong>der</strong> Rundfunk<br />
und Telekom Regulierungs-GmbH in vollem Umfang zum Download bereitgestellt wurde,<br />
und daher auch die Bundeswettbewerbsbehörde die Möglichkeit zur Abgabe einer Stellungnahme<br />
hatte.<br />
54<br />
<strong>Vorlesung</strong>smaterialien Seite 105
III. Rechtsmittelbelehrung<br />
Gegen diesen Bescheid ist gemäß § 121 Abs. 5 TKG 2003 kein ordentliches Rechtsmittel<br />
zulässig.<br />
IV. Hinweis<br />
Gegen diesen Bescheid kann binnen sechs Wochen ab <strong>der</strong> Zustellung Beschwerde an den<br />
Verfassungsgerichtshof und auch an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden, wobei<br />
jeweils eine Eingabengebühr in <strong>der</strong> Höhe von Euro 180,- zu entrichten ist. Die Beschwerde<br />
muss von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.<br />
Telekom-Control-Kommission<br />
Wien, am 4.2.2005<br />
Der Vorsitzende<br />
Dr. Eckhard Hermann<br />
55<br />
<strong>Vorlesung</strong>smaterialien Seite 106
Erkenntnis des VwGH vom 22.11.2005, 2005/03/0109<br />
<strong>Vorlesung</strong>smaterialien Seite 107
BKA/RIS VwGH - Volltext<br />
Gerichtstyp<br />
VwGH Erkenntnis<br />
Veröffentlichungsdatum<br />
20051207<br />
Geschäftszahl<br />
2005/03/0109<br />
Index<br />
E000 EU- Recht allgemein;<br />
E3D E08400000;<br />
E3L E13206000;<br />
E3L E15201000;<br />
E5XC E13206000;<br />
E6A;<br />
E6J;<br />
001 Verwaltungsrecht allgemein;<br />
10/07 Verwaltungsgerichtshof;<br />
40/01 Verwaltungsverfahren;<br />
91/01 Fernmeldewesen;<br />
Entscheidungsdatum<br />
20051122<br />
Norm<br />
32002L0021 Rahmen-RL Kommunikationsnetze Art14 Abs2;<br />
32002L0021 Rahmen-RL Kommunikationsnetze Art15 Abs2;<br />
32002L0021 Rahmen-RL Kommunikationsnetze Art16 Abs1;<br />
32002L0021 Rahmen-RL Kommunikationsnetze Art16 Abs4;<br />
32002L0021 Rahmen-RL Kommunikationsnetze<br />
Erwägungsgrund25; 32002L0022 Universaldienst-RL Art17<br />
Abs1; 32002L0022 Universaldienst-RL Erwägungsgrund26;<br />
32004D0271 Verbund/EnergieAllianz; 52002XC0711(02)<br />
Rechtsrahmen Kommunikationsnetze Abschn3; 52002XC0711<br />
(02) Rechtsrahmen Kommunikationsnetze Rz114;<br />
52002XC0711(02) Rechtsrahmen Kommunikationsnetze Rz20;<br />
52002XC0711(02) Rechtsrahmen Kommunikationsnetze Rz75;<br />
52002XC0711(02) Rechtsrahmen Kommunikationsnetze Rz79;<br />
52002XC0711(02) Rechtsrahmen Kommunikationsnetze;<br />
61976J0027 United Brands; 61976J0085 Hoffmann-La<br />
Roche; 61986J0062 AKZO; 61996A0102 Gencor; 61999A0342<br />
Airtours; 62001A0310 Schnei<strong>der</strong> Electric; AVG §58 Abs2;<br />
AVG §59 Abs1; AVG §60; EURallg; TKG 2003 §1 Abs2; TKG<br />
2003 §133 Abs7; TKG 2003 §34 Abs1; TKG 2003 §35 Abs1;<br />
TKG 2003 §35 Abs2 Z2; TKG 2003 §35 Abs2; TKG 2003 §35;<br />
TKG 2003 §36 Abs1; TKG 2003 §36 Abs2; TKG 2003 §37<br />
Abs1; TKG 2003 §37 Abs2; TKG 2003 §37 Abs3; TKG 2003<br />
§38; TKG 2003 §39; TKG 2003 §40; TKG 2003 §41; TKG<br />
2003 §42; TKG 2003 §43 Abs1 Z2; TKG 2003 §43 Abs2; TKG<br />
2003 §43 Abs3; TKG 2003 §45; TKG 2003 §46; TKMVO 2003<br />
§1 Z6; VwGG §42 Abs2 Z1; VwRallg;<br />
Betreff<br />
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden<br />
Senatspräsident Dr. Sauberer und die Hofräte Dr. Handstanger,<br />
Dr. Berger, Dr. Lehofer und Mag. Samm als Richter, im Beisein des<br />
Schriftführers Dr. Zeleny, über die Beschwerde <strong>der</strong> Telekom Austria<br />
AG in Wien, vertreten durch Cerha Hempel Spiegelfeld Hlawati<br />
Partnerschaft von Rechtsanwälten in 1010 Wien, Parkring 2, gegen<br />
den Bescheid <strong>der</strong> Telekom-Control-Kommission vom 4. Februar 2005,<br />
Zl M 6/03-60, betreffend Feststellung beträchtlicher Marktmacht<br />
und Auferlegung spezifischer Verpflichtungen nach dem TKG 2003, zu<br />
Recht erkannt:<br />
Spruch<br />
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines<br />
Inhaltes aufgehoben.<br />
<strong>Vorlesung</strong>smaterialien Seite 108<br />
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Seite 1 von 28<br />
01.06.2006
BKA/RIS VwGH - Volltext<br />
Der Bund hat <strong>der</strong> Beschwerdeführerin Aufwendungen in <strong>der</strong> Höhe<br />
von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu<br />
ersetzen.<br />
Begründung<br />
I.<br />
1. Mit dem angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde<br />
gemäß § 37 Abs 2 erster Satz TKG 2003 festgestellt, dass die<br />
Beschwerdeführerin auf dem Markt <strong>für</strong> Auslandsgespräche <strong>für</strong><br />
Nichtprivatkunden über das öffentliche Telefonnetz an festen<br />
Standorten (Endkundenmarkt) gemäß § 1 Z 6 <strong>der</strong><br />
Telekommunikationsmärkteverordnung 2003 (TKMVO 2003) über<br />
beträchtliche Marktmacht verfügt (Spruchpunkt 1.). Mit<br />
Spruchpunkt 2. des angefochtenen Bescheides wurden <strong>der</strong><br />
Beschwerdeführerin gemäß § 37 Abs 2 TKG 2003 folgende spezifische<br />
Verpflichtungen auferlegt:<br />
"2.1. Die Telekom Austria AG hat gemäß § 43 Abs. 1 iVm Abs. 2<br />
iVm Abs. 3 TKG 2003 ihre Allgemeinen Geschäftsbedingungen<br />
inklusive Dienstebeschreibungen sowie ihre Endkundenentgelte,<br />
ausgenommen Aktionsangebote bis zu einer Dauer von drei Monaten,<br />
<strong>der</strong> Regulierungsbehörde vorab zur Genehmigung vorzulegen. Die<br />
Endkundenentgelte müssen dem Maßstab <strong>der</strong> Kostenorientierung<br />
entsprechen.<br />
Von <strong>der</strong> Kostenorientierung sind folgende Verbindungsentgelte<br />
umfasst:<br />
a) Tarife <strong>für</strong> Gespräche zu allen Auslandszonen und zu<br />
ausländischen Mobilnetzen,<br />
b) Tarife <strong>für</strong> Gespräche innerhalb VPNs, sofern die<br />
Kommunikation über Netzabschlusspunkte des öffentlichen<br />
Telefonnetzes erfolgt,<br />
c) Verbindungsnetzbetrieb durch Telekom Austria AG<br />
('Dial 1001') betreffend die genannten Verbindungsprodukte gemäß<br />
a) - b)<br />
d) Rabatte betreffend a) - c).<br />
2.2. Die Telekom Austria AG hat gemäß § 40 Abs. 1 TKG 2003<br />
zur Verhin<strong>der</strong>ung unerlaubter Quersubventionierung erstmals bezogen<br />
auf das Jahr 2004 ihre Kosten und Erträge auf dem vorliegenden<br />
Markt getrennt von den übrigen von ihr angebotenen Produkten und<br />
geglie<strong>der</strong>t nach den Märkten <strong>der</strong> Telekommunikationsmärkteverordnung<br />
2003 in einem Kostenrechnungssystem aufzuschlüsseln ('getrennte<br />
Buchführung'). In diesem Zusammenhang sind entsprechend den<br />
Anfor<strong>der</strong>ungen <strong>der</strong> Regulierungsbehörde zumindest folgende<br />
Informationen bereitzustellen:<br />
- Erträge,<br />
- Kosten (unterscheidbar nach Personalkosten, Kosten <strong>für</strong><br />
Abschreibungen von Anlagegütern, Kapitalkosten und sonstigen Kosten),<br />
- detaillierter Anlagenspiegel des Unternehmens,<br />
Personalkennzahlen, Kostentreiber wie insbeson<strong>der</strong>e die<br />
Verkehrsmengen und sonstige <strong>für</strong> die Überprüfung <strong>der</strong> Kostenrechnung<br />
notwendigen Informationen."<br />
Mit Spruchpunkt 3. des angefochtenen Bescheides wurden<br />
sämtliche auf Grund <strong>der</strong> festgestellten marktbeherrschenden<br />
Stellung nach § 33 TKG (1997) iVm § 133 Abs 7 TKG 2003 bis zur<br />
Rechtskraft des angefochtenen Bescheides geltenden Verpflichtungen<br />
<strong>der</strong> Beschwerdeführerin "in Bezug auf die Leistungen hinsichtlich<br />
des Spruchpunktes 2.1." gemäß § 37 Abs 2 zweiter Satz TKG 2003<br />
aufgehoben.<br />
2. In <strong>der</strong> Begründung des angefochtenen Bescheides stellt die<br />
belangte Behörde - nach einer Darlegung des Verfahrensablaufes -<br />
zunächst fest, dass <strong>der</strong> Markt "Auslandsgespräche <strong>für</strong><br />
Nichtprivatkunden über das öffentliche Telefonnetz an festen<br />
Standorten (Endkundenmarkt)" sowohl horizontal als auch vertikal<br />
mit an<strong>der</strong>en Märkten <strong>der</strong> TKMVO 2003 in Beziehung stehe. Es<br />
bestünden komplementäre Beziehungen zwischen dem gegenständlichen<br />
<strong>Vorlesung</strong>smaterialien Seite 109<br />
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01.06.2006
BKA/RIS VwGH - Volltext<br />
Markt und dem Zugangsmarkt <strong>für</strong> Privatkunden. Anschlussleistungen<br />
gemäß den Märkten nach § 1 Z 1 und 2 <strong>der</strong> TKMVO 2003 würden - unter<br />
<strong>der</strong> Voraussetzung, dass <strong>der</strong> betreffende Betreiber seine Endkunden<br />
entwe<strong>der</strong> selbst angeschlossen habe o<strong>der</strong> über entbündelte Leitungen<br />
verfüge - vielfach im Bündel mit Leistungen <strong>für</strong><br />
Gesprächsverbindungen, sohin auch mit Leistungen des<br />
gegenständlichen Marktes angeboten. Anbieter, die sowohl auf<br />
Vorleistungs- als auch auf Endkundenmärkten tätig seien, hätten<br />
grundsätzlich an<strong>der</strong>e Möglichkeiten <strong>der</strong> Angebotserstellung<br />
(Integration, Entwicklung neuer Dienste, etc) als Anbieter, die<br />
ausschließlich auf den Zukauf von Vorleistungsprodukten zur<br />
Erstellung von Endkundenprodukten angewiesen seien.<br />
3. Zum Vorliegen beträchtlicher Marktmacht trifft <strong>der</strong><br />
angefochtene Bescheid Feststellungen zu einzelnen<br />
Markmachtindikatoren, die sich im Wesentlichen wie folgt<br />
zusammenfassen lassen:<br />
Zum Indikator "Marktentwicklung und Marktanteile" wird<br />
festgestellt, dass die größten vier am Nichtprivatkundenmarkt<br />
tätigen Anbieter inklusive <strong>der</strong> Beschwerdeführerin mehr als 85 %<br />
<strong>der</strong> Umsatzmarktanteile auf sich vereinigten; <strong>der</strong> Marktanteil <strong>der</strong><br />
Beschwerdeführerin habe sich seit dem Jahr 2002 stabilisiert und<br />
sie verfüge nach wie vor über 60 % <strong>der</strong> in Umsätzen gemessenen<br />
Marktanteile. Auf dem gegenständlichen Markt zeige sich eine im<br />
Laufe <strong>der</strong> letzten beiden Jahre sehr nachhaltig ausgeprägte<br />
Stabilisierung <strong>der</strong> Marktstruktur. Die<br />
Verbindungsnetzbetreiber(vor)auswahl sei auch auf dem<br />
gegenständlichen Markt - neben <strong>der</strong> ex ante-Entgeltregulierung -<br />
das bedeutendste Regulierungsinstrument <strong>der</strong> bisherigen Regulierung<br />
gewesen. Die insbeson<strong>der</strong>e in den Jahren 1998 bis 2001 erfolgten<br />
Marktanteilsgewinne <strong>der</strong> alternativen Anbieter gingen mit einem<br />
spiegelbildlichen Anstieg in <strong>der</strong> Verwendung von Betreiberauswahl<br />
einher.<br />
Zum Indikator "vertikale Integration" stellt die belangte<br />
Behörde fest, dass <strong>für</strong> die Beurteilung des potenziellen<br />
Wettbewerbs am gegenständlichen Markt bei Abwesenheit von<br />
jeglicher Regulierung insbeson<strong>der</strong>e <strong>der</strong> Anreiz <strong>der</strong><br />
Beschwerdeführerin relevant sei, durch die grundsätzliche<br />
Verweigerung des Zugangs zur Teilnehmeranschlussleitung bzw <strong>der</strong><br />
Möglichkeit zur Verbindungsnetzbetreiber(vor)auswahl den möglichen<br />
Wettbewerb auf den horizontal nachgelagerten Verbindungsmärkten zu<br />
verhin<strong>der</strong>n. Auf dem gegenständlichen Markt reduziere sich<br />
allerdings die Abhängigkeit von <strong>der</strong> Beschwerdeführerin als<br />
Vorleistungsanbieter. Für die internationale Weiterleitung und<br />
Zustellung von Auslandsgesprächen stünden allen Betreibern eine<br />
Reihe von internationalen Carriern zur Verfügung. Der Zugang zur<br />
Teilnehmeranschlussleitung bzw die Möglichkeit <strong>der</strong><br />
Verbindungsnetzbetreiber(vor)auswahl stelle bezüglich des auf das<br />
Inland entfallenden Anteils <strong>der</strong> notwendigen Vorleistung eine<br />
notwendige Voraussetzung <strong>für</strong> die Diensteerbringung auf den<br />
Verbindungsmärkten dar. Alternative Betreiber, die über keinen<br />
direkten Zugang zum Teilnehmer verfügten, könnten mit <strong>der</strong><br />
Möglichkeit <strong>der</strong> Verbindungsnetzbetreiber(vor)auswahl den Endkunden<br />
im Wettbewerb mit <strong>der</strong> vertikal integrierten Beschwerdeführerin<br />
Dienste anbieten.<br />
Zum Indikator "Marktzutrittsbarrieren" führt die belangte<br />
Behörde aus, dass im Gegensatz zu den Zugangsmärkten die Frage<br />
nach <strong>der</strong> Höhe von Marktbarrieren im gegenständlichen Markt<br />
"weniger eindeutig zu beantworten" sei. Zwar seien die mit einem<br />
Marktauftritt verbundenen und versunkenen Kosten im Vergleich zu<br />
den Märkten im Anschlussbereich als gering einzustufen, dennoch<br />
bestünden auch hier gewisse und nicht vernachlässigbare<br />
Markteintrittsbarrieren. So seien auch <strong>für</strong> "reine"<br />
Verbindungsnetzbetreiber in <strong>der</strong> Regel Investitionen <strong>für</strong> eine<br />
Mindestnetzkonfiguration notwendig. Zudem entstünden spezifisch<br />
<strong>Vorlesung</strong>smaterialien Seite 110<br />
http://www.ris.bka.gv.at/taweb-cgi/taweb?x=d&o=d&v=vwgh&d=VwGHT&i=62625...<br />
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01.06.2006
BKA/RIS VwGH - Volltext<br />
dem Retail-Bereich zurechenbare versunkene Kosten, da alternative<br />
Anbieter festnetzgebundener Sprachtelefonie hier typischerweise<br />
größere Werbekampagnen zu betreiben hätten, um eine hinreichende<br />
Anzahl von Kunden über mögliche Wechselvorteile zu informieren und<br />
letztlich auch zu akquirieren. Diesbezüglich sei die Struktur <strong>der</strong><br />
österreichischen Wirtschaft mit ihrer, international gesehen,<br />
übergroßen Anzahl an Klein- und Mittelbetrieben erschwerend <strong>für</strong><br />
die Kundengewinnung. Um bestehende Markteintrittsbarrieren zu<br />
überwinden, müsse von alternativen Betreibern "ein entsprechend<br />
aggressiver Einsatz unternehmerischer Aktionsparameter,<br />
insbeson<strong>der</strong>e im Bereich des Preis-, Werbe-, Marketing- und<br />
Distributionswettbewerbs forciert werden". Derartige Kosten<br />
könnten typischerweise im Fall eines Marktaustritts nicht mehr<br />
wie<strong>der</strong>gewonnen werden. Der bereits beobachtbare Trend zum "One-<br />
Stop-Shopping" begründe eine Notwendigkeit, als Komplettanbieter<br />
auf den jeweiligen Märkten agieren zu können. Dies begründe <strong>für</strong><br />
potenzielle Neueinsteiger einen erhöhten Kapitalbedarf und<br />
reduziere so die Wahrscheinlichkeit des Markteintritts. Die<br />
Wettbewerbsproblematik liege daher primär in <strong>der</strong> Beständigkeit <strong>der</strong><br />
Marktbarrieren. Als Beleg da<strong>für</strong> habe sich in letzter Zeit eine<br />
Phase <strong>der</strong> Konsolidierung <strong>der</strong> Marktanteile <strong>der</strong> Beschwerdeführerin<br />
auf hohem Niveau (rund 60 %) abgezeichnet. Alternative Anbieter<br />
würden die Nachfrager nur mit spürbaren Preisvorteilen zum<br />
Überwinden <strong>der</strong> existierenden Wechselbarrieren bewegen können. Auf<br />
das Funktionieren <strong>der</strong> Bestreitbarkeit des Marktes (im Sinne <strong>der</strong><br />
Theorie <strong>der</strong> "contestable markets") bzw auf die disziplinierenden<br />
Effekte potenzieller Konkurrenz könne nicht vertraut werden. Die<br />
"Marktbarrieren" seien daher auch auf dem gegenständlichen Markt<br />
nicht vernachlässigbar.<br />
Zum Indikator des Verhaltens am Markt stellt die belangte<br />
Behörde im Hinblick auf die Preissetzungspolitik fest, dass im<br />
Gegensatz zur Vergleichssituation auf den Märkten <strong>für</strong><br />
Inlandsgespräche die Beschwerdeführerin auf dem gegenständlichen<br />
Markt bei stabil bleibenden Marktanteilen jedenfalls in<br />
Ausschnitten höhere Preisniveaus aufrecht erhalten könne. Diese<br />
höheren Preisaufschläge würden jedoch im Gegensatz zum Markt <strong>für</strong><br />
Privatkunden auf dem vorliegenden Markt <strong>für</strong> Nichtprivatkunden<br />
deutlich weniger auf Kosten niedrigerer Marktanteilsniveaus gehen.<br />
Die Marktanteile <strong>der</strong> Beschwerdeführerin auf dem gegenständlichen<br />
Markt seien daher beträchtlich höher als auf dem Markt <strong>für</strong><br />
Auslandsgespräche von Privatkunden. Auch auf dem gegenständlichen<br />
Markt verschiebe sich die eigentliche Wettbewerbsproblematik in<br />
den Fragenkomplex "Produktbündelung" bzw <strong>der</strong> Übertragung von<br />
Marktmacht sowie "excessive pricing". Für die Beschwerdeführerin,<br />
die als einziges Unternehmen flächendeckend als Komplettanbieter<br />
(Anschluss- und Verbindungsleistungen) agiere, entstehe dadurch<br />
ein relativer Vorteil in den Preisgestaltungsmöglichkeiten. Dem<br />
Potenzial an Wohlfahrtszugewinnen, die mit <strong>der</strong> Produktbündelung<br />
einhergingen, müsse die damit verbundene Problematik <strong>der</strong><br />
Marktmachtübertragung gegenübergestellt werden. Nichtprivatkunden<br />
würden oftmals eine Vielfalt von unterschiedlichen<br />
Telekommunikationsleistungen nachfragen, wobei die Auswahl des<br />
Betreibers oftmals im Zusammenhang mit <strong>der</strong> Abwicklung von<br />
Projektgeschäften erfolge. Insbeson<strong>der</strong>e die nach Anschlussarten<br />
differenzierten Tarifstrukturen würden zeigen, dass die<br />
Beschwerdeführerin bei Auslandsgesprächen von Nichtprivatkunden<br />
eine höhere Tarifvielfalt offeriere. Auf Grund <strong>der</strong> je nach<br />
Tarifmodell unterschiedlichen Abrechnungsformen ergebe sich nur<br />
eine eingeschränkte Vergleichbarkeit <strong>der</strong> unterschiedlichen Tarife.<br />
Im Gegensatz zur Vergleichssituation auf dem Markt <strong>für</strong><br />
Auslandsgespräche von Privatkunden könne die Beschwerdeführerin<br />
auf dem gegenständlichen Markt <strong>für</strong> Nichtprivatkunden bei stabil<br />
bleibenden Marktanteilen zum Teil deutlich höhere Preisniveaus<br />
aufrecht erhalten. Diese höheren Preisaufschläge würden im<br />
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Vergleich zu <strong>der</strong> Marktsituation bei Auslandsgesprächen von<br />
Privatkunden jedoch nicht zu einem niedrigeren Marktanteil führen.<br />
Zum Indikator "Performance" stellt die belangte Behörde fest,<br />
dass die Beschwerdeführerin auf dem gegenständlichen Markt in den<br />
Jahren 2001 bis 2003 eine Umsatzrentabilität von etwa 30 %<br />
(einschließlich eines fiktiven Kapitalkostenzinssatzes) erreicht<br />
habe. Die relativ hohen Kostenüberdeckungsgrade würden zum<br />
Ausdruck bringen, dass <strong>der</strong> Beschwerdeführerin vergleichsweise hohe<br />
Preisgestaltungsspielräume zur Verfügung stünden. Die<br />
Feststellungen zur erzielten Performance (Rentabilität) würden<br />
daher ergeben, dass die im Durchschnitt höher gelegenen Preise <strong>der</strong><br />
Beschwerdeführerin auch mit einer entsprechenden Kostenüberdeckung<br />
<strong>für</strong> das Produkt "Auslandsgespräche von Nichtprivatkunden"<br />
korrelierten. Obgleich die Preissetzung <strong>der</strong> Beschwerdeführerin<br />
einem ex ante-Entgeltgenehmigungsverfahren unterliege, könne auf<br />
Grund <strong>der</strong> implizit enthaltenen Preisgestaltungsspielräume auch auf<br />
dem gegenständlichen Markt von gewissen Freiheitsgraden<br />
hinsichtlich Tarifstruktur im Sinne einer aktiv<br />
unternehmensinduzierten, strategischen Preisgestaltung ausgegangen<br />
werden.<br />
Zum Indikator "nachfrageseitige Gegenmacht" hält die belangte<br />
Behörde fest, dass auf dem gegenständlichen Markt selbst <strong>der</strong><br />
größte Kunde weniger als 3 % des Marktumsatzes <strong>der</strong><br />
Beschwerdeführerin habe. Es gebe innerhalb <strong>der</strong> Gruppe <strong>der</strong><br />
Geschäftskunden keinen einzigen, <strong>der</strong> auf Grund seiner Größe eine<br />
<strong>für</strong> den Gesamtmarkt hinreichend disziplinierende Gegenmacht auf<br />
die Beschwerdeführerin ausüben könnte.<br />
4. Im Anschluss an die Analyse <strong>der</strong> Marktmachtindikatoren<br />
stellt die belangte Behörde fest, dass die Wettbewerbsproblematik<br />
am vorliegenden Markt primär in <strong>der</strong> Beständigkeit <strong>der</strong><br />
Marktbarrieren liege. Als Beleg da<strong>für</strong> habe sich in letzter Zeit<br />
eine Phase <strong>der</strong> Konsolidierung <strong>der</strong> Marktanteile <strong>der</strong><br />
Beschwerdeführerin auf hohem Niveau (rund 60 %) abgezeichnet.<br />
Alternative Anbieter würden die Nachfrager nur mit spürbaren<br />
Preisvorteilen zum Überwinden <strong>der</strong> existierenden Wechselbarrieren<br />
bewegen können. Diese seien im gegenständlichen Markt deshalb<br />
vergleichsweise hoch, da Zuverlässigkeitsanfor<strong>der</strong>ungen und<br />
sonstige Qualitätsmerkmale hier beson<strong>der</strong>s wichtig seien und<br />
marktrelevante Leistungen häufig in Form von Projektgeschäften<br />
bezogen würden. Sowohl tatsächliche Qualitätsvorsprünge auf Seiten<br />
<strong>der</strong> Beschwerdeführerin auf Grund höherwertiger und vor allem<br />
eigener Infrastruktur o<strong>der</strong> <strong>der</strong> historisch gewachsenen<br />
internationalen (Partner-)Netzstruktur als auch subjektiv von<br />
Nachfragern empfundene Vorteile würden solche Wechselbarrieren<br />
erklären. Auf Grund <strong>der</strong> hohen Wechselkosten bestünde die Gefahr,<br />
dass die Beschwerdeführerin ihre Marktmacht zum Nachteil <strong>der</strong><br />
Nichtprivatkunden ausübe und überhöhte Endkundenpreise zur<br />
Anwendung bringe. Weiters bestehe die Gefahr <strong>der</strong> horizontalen<br />
Marktmachtübertragung durch Anbieten von Bündelprodukten, die von<br />
Mitbewerbern nur bedingt repliziert werden könnten. Diese<br />
Problematik werde auf dem vorliegenden Markt durch die hohe<br />
Bedeutung individueller Gesamtlösungen noch verschärft. Die<br />
Anreize <strong>für</strong> die Beschwerdeführerin, den Wettbewerb auf dem<br />
gegenständlichen Markt nachhaltig zu beeinflussen, seien auf Grund<br />
<strong>der</strong> da<strong>für</strong> vorhandenen Möglichkeiten gegeben.<br />
5. Zur Auswahl <strong>der</strong> Regulierungsinstrumente führt die belangte<br />
Behörde aus, dass die Regulierungsinstrumente auf<br />
Vorleistungsebene im hier relevanten Zeitraum von etwa zwei Jahren<br />
nicht geeignet seien, den Wettbewerbsproblemen <strong>der</strong> überhöhten<br />
Preise, <strong>der</strong> Behin<strong>der</strong>ung des Eintritts neuer Marktteilnehmer und<br />
<strong>der</strong> Marktmachtübertragung durch ungerechtfertigte Bündelung von<br />
Diensten zu begegnen. Die Regulierungsinstrumente des<br />
Wie<strong>der</strong>verkaufs <strong>der</strong> Teilnehmeranschlussleistung sowie die<br />
Möglichkeit <strong>der</strong> Verbindungsnetzbetreiber(vor)auswahl seien <strong>für</strong><br />
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sich alleine nicht geeignet, den festgestellten<br />
Wettbewerbsproblemen zu begegnen. Dem Wettbewerbsproblem<br />
überhöhter Preise könne gegenwärtig nur mit kostenorientierten<br />
Preisen in Form einer ex ante-Entgeltgenehmigung effizient<br />
begegnet werden. Neben <strong>der</strong> Hintanhaltung von überhöhten Preisen<br />
erfülle die Verpflichtung, die Entgelte und Allgemeinen<br />
Geschäftsbedingungen sowie <strong>der</strong>en Än<strong>der</strong>ungen zur Genehmigung<br />
vorzulegen, auch den Zweck, dass <strong>der</strong> Eintritt neuer<br />
Marktteilnehmer nicht (etwa durch nicht nachbildbare Bündelung von<br />
Produkten) verhin<strong>der</strong>t werde. Aus den Eckpunkten <strong>der</strong> <strong>der</strong>zeitigen ex<br />
ante Tarifgenehmigung <strong>für</strong> die Beschwerdeführerin ergebe sich, dass<br />
innerhalb dieser Restriktionen hinreichend<br />
Preisgestaltungsspielräume zur Verfügung stünden, die die<br />
Beschwerdeführerin in Reaktion auf wettbewerbliche Marktprozesse<br />
entsprechend einsetzen könne. Aus ökonomischer Sicht erschienen<br />
darauf aufbauend folgende Mindestkriterien <strong>der</strong> ex ante-<br />
Entgeltkontrolle als notwendig, um den festgestellten<br />
Wettbewerbsproblemen zu begegnen:<br />
Jede von <strong>der</strong> Beschwerdeführerin angebotene Tarifzone müsse,<br />
nach Berücksichtigung von Rabatten und an<strong>der</strong>en Vergünstigungen<br />
(zB Werbeaktionen), über alle Tarifoptionen hinweg kostendeckend<br />
sein. Je Tarifoption müssten die Tarifzonen in Summe, nach<br />
Berücksichtigung von Rabatten und an<strong>der</strong>en Vergünstigungen,<br />
kostendeckend sein. Die Entgelte <strong>für</strong> einzelne Tarifzonen innerhalb<br />
einzelner Tarifoptionen sowie die Entgelte <strong>für</strong> Grundentgelte<br />
einzelner Tarifoptionen müssten sich hinsichtlich ihrer<br />
Untergrenze an den Vorleistungskosten <strong>für</strong> das entsprechende<br />
Produkt orientieren.<br />
Price-Caps könnten am gegenständlichen Markt die<br />
Wettbewerbsprobleme nicht adäquat bekämpfen, da diese primär<br />
darauf ausgerichtet seien, Effizienzverbesserungen an Nachfrager<br />
weiterzugeben. Ineffizienzen seien jedoch in späteren<br />
Liberalisierungsphasen (wie im gegenständlichen Markt) nicht das<br />
Hauptproblem, vielmehr müsse mit <strong>der</strong> Übertragung von Marktmacht in<br />
Verbindungsmärkte gerechnet werden.<br />
Die "unmittelbar bestehenden, horizontal-komplementär<br />
verbundenen, Zusammenhänge zwischen Zugangs- und<br />
Gesprächsbereichen" würden die Notwendigkeit einer Genehmigung <strong>der</strong><br />
Entgelte und Allgemeinen Geschäftsbedingungen <strong>für</strong> sämtliche<br />
Endkundenmärkte <strong>der</strong> Sprachtelefonie, auf denen die<br />
Beschwerdeführerin über beträchtliche Marktmacht verfüge,<br />
begründen. Die gegenwärtigen Tarifangebote <strong>der</strong> Beschwerdeführerin<br />
würden teilweise Produkte von verschiedenen Märkten <strong>der</strong> TKMVO 2003<br />
beinhalten.<br />
Die Verpflichtung zur getrennten Buchführung solle mittels<br />
einer getrennten Aufschlüsselung von Kosten und Erlösen mögliche<br />
Quersubventionen aufzeigen. Sie sei als unterstützendes Element<br />
<strong>der</strong> Entgeltkontrolle zu betrachten, soweit die Verpflichtung <strong>der</strong><br />
Entgeltkontrolle auf Kostenorientierung basiere. Obwohl dieses<br />
Regulierungsinstrument nicht konkret auf ein Wettbewerbsproblem<br />
angewendet werden könne, treffe es notwendige Vorkehrungen zur<br />
Unterstützung <strong>der</strong> Einhaltung <strong>der</strong> Verpflichtung zur<br />
Entgeltkontrolle, die ihrerseits direkt <strong>der</strong> Begegnung eines<br />
Wettbewerbsproblems diene. Um die Entgeltkontrolle<br />
sicherzustellen, sei eine Gesamtsicht hinsichtlich <strong>der</strong> Erlöse und<br />
Kosten auf aggregierter Ebene erfor<strong>der</strong>lich, wodurch Gewinn- o<strong>der</strong><br />
Kostenverschiebungen von regulierten Bereichen zu nicht<br />
regulierten Bereichen (o<strong>der</strong> umgekehrt) transparent gemacht werden<br />
könnten. Ein Unternehmen könnte an<strong>der</strong>nfalls einen Anreiz haben,<br />
zB gemeinsame Kosten jenen Bereichen zuzuordnen, die einer<br />
Regulierung unterlägen. Da die Preiskontrolle nur die Produkte am<br />
relevanten Markt betreffe und diese in <strong>der</strong> Regel nur einen kleinen<br />
Ausschnitt <strong>der</strong> Aktivitäten des integrierten Betreibers<br />
darstellten, sei eine getrennte Buchführung <strong>für</strong> das ganze<br />
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Unternehmen notwendig. Da die Beschwerdeführerin <strong>der</strong>zeit auch auf<br />
an<strong>der</strong>en Märkten <strong>der</strong> TKMVO 2003 über beträchtliche Marktmacht<br />
verfüge und aus denselben Überlegungen auf diesen Märkten<br />
ebenfalls zur getrennten Buchführung verpflichtet sei, seien die<br />
inkrementellen Kosten dieser Verpflichtung auf diesem Markt<br />
gering, da erhebliche Synergien bestünden.<br />
6. Die im angefochtenen Bescheid getroffenen Feststellungen<br />
werden überwiegend auf zwei im Verwaltungsverfahren erstellte<br />
Gutachten von Amtssachverständigen gestützt, wobei sich die<br />
belangte Behörde im Rahmen <strong>der</strong> Beweiswürdigung mit den unter<br />
Vorlage eines Privatgutachtens erhobenen Einwendungen <strong>der</strong><br />
Beschwerdeführerin auseinan<strong>der</strong>setzt.<br />
7. In rechtlicher Hinsicht erörtert die belangte Behörde im<br />
angefochtenen Bescheid zunächst - nach Ausführungen zur<br />
Zuständigkeit und zur Marktabgrenzung - im Hinblick auf das<br />
Marktanalyseverfahren gemäß § 37 TKG 2003 die Frage des Vorliegens<br />
effektiven bzw selbsttragenden Wettbewerbs. Die Beschwerdeführerin<br />
habe kritisiert, dass in den beiden im Verwaltungsverfahren<br />
erstatteten Gutachten die Begriffe des effektiven o<strong>der</strong><br />
selbsttragenden Wettbewerbs nicht konsistent verwendet würden,<br />
wobei es <strong>der</strong> Verwendung des Begriffes des selbsttragenden<br />
Wettbewerbs überhaupt an einer gesetzlichen Grundlage mangle. Die<br />
belangte Behörde führt dazu - hier auf das Wesentlichste<br />
zusammengefasst - aus, dass die Definition des effektiven<br />
Wettbewerbs in § 35 Abs 1 TKG 2003 das Wettbewerbsverständnis des<br />
selbsttragenden Wettbewerbs gerade nicht ausschließe und sich<br />
bereits aus dem Charakter <strong>der</strong> ex ante-Regulierung selbst ergebe,<br />
dass auch die Auswirkungen <strong>der</strong> Aufhebung von<br />
Regulierungsinstrumenten mit zu berücksichtigen seien. Ein<br />
unterschiedlicher Prüfmaßstab sei - entgegen <strong>der</strong> Ansicht <strong>der</strong><br />
Beschwerdeführerin - nicht zur Anwendung gekommen.<br />
8. In <strong>der</strong> Folge setzt sich die belangte Behörde unter<br />
Darlegung <strong>der</strong> angewendeten Rechtsvorschriften und unter Bezugnahme<br />
auf das Vorbringen <strong>der</strong> Beschwerdeführerin im Verwaltungsverfahren<br />
mit <strong>der</strong> Frage des Bestehens beträchtlicher Marktmacht <strong>der</strong><br />
Beschwerdeführerin auf dem gegenständlichen Markt auseinan<strong>der</strong> und<br />
kommt zusammenfassend zum Ergebnis, dass die Beschwerdeführerin<br />
als Unternehmen mit alleiniger beträchtlicher Marktmacht im Sinne<br />
des § 37 Abs 2 iVm § 35 Abs 1 und 2 TKG 2003 einzustufen sei.<br />
Die Wettbewerbsproblematik am gegenständlichen Markt liege<br />
primär in <strong>der</strong> Beständigkeit <strong>der</strong> Marktbarrieren. Diese<br />
manifestierten sich insofern, als Zuverlässigkeitsanfor<strong>der</strong>ungen<br />
und sonstige Qualitätsmerkmale in <strong>der</strong> Wahrnehmung <strong>der</strong><br />
Marktgegenseite auf dem gegenständlichen Markt beson<strong>der</strong>s wichtig<br />
seien. Sowohl tatsächliche Qualitätsvorsprünge auf Seiten <strong>der</strong><br />
Beschwerdeführerin auf Grund höherwertiger und vor allem eigener<br />
Infrastruktur o<strong>der</strong> <strong>der</strong> historisch gewachsenen internationalen<br />
(Partner-)Netzstruktur, als auch subjektiv von Nachfragern<br />
empfundene Vorteile erklärten die Wechselbarrieren <strong>für</strong> Endkunden<br />
<strong>der</strong> Beschwerdeführerin. Auf Grund <strong>der</strong> Wechselkosten bestehe die<br />
Gefahr, dass die Beschwerdeführerin ihre Marktmacht zum Nachteil<br />
<strong>der</strong> Nichtprivatkunden ausübe und überhöhte Preise verlange.<br />
Weiters bestehe die Gefahr <strong>der</strong> horizontalen Marktmachtübertragung<br />
durch Anbieten von Bündelprodukten, die von Mitbewerbern nicht<br />
repliziert werden könnten. Diese Problematik werde auf dem<br />
vorliegenden Markt durch die hohe Bedeutung individueller<br />
Gesamtlösungen (zB Bündelung mit Produkten, die außerhalb <strong>der</strong><br />
TKMVO 2003 lägen) noch verschärft. Der festgestellte Marktanteil<br />
<strong>der</strong> Beschwerdeführerin und <strong>der</strong> beträchtliche Abstand zu den<br />
Mitbewerbern spreche auch unter Berücksichtigung <strong>der</strong> Auswirkungen<br />
des Zusammenschlusses von Tele2 und UTA <strong>für</strong> das Vorhandensein von<br />
beträchtlicher Marktmacht <strong>der</strong> Beschwerdeführerin. Weiters <strong>für</strong> das<br />
Vorliegen beträchtlicher Marktmacht spreche das Performance-<br />
Ergebnis von über 30 % auf Grund <strong>der</strong> Fähigkeit, ein<br />
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vergleichsweise erhöhtes Preisniveau aufrecht zu erhalten. Die<br />
Indikatoren "technologische Entwicklung" sowie <strong>der</strong> internationale<br />
Tarifvergleich hätten nicht wesentlich zur abschließenden<br />
Wettbewerbsbeurteilung beitragen können. In <strong>der</strong><br />
Marktverhaltensdimension verwiesen die insbeson<strong>der</strong>e bei<br />
Nichtprivatkunden praktizierten Gesamtlösungen, sowie die auch im<br />
Rahmen von Rabatten nicht zu vernachlässigende<br />
Verdrängungsproblematik auf tatsächliche und potenzielle<br />
Wettbewerbsprobleme, wie <strong>der</strong> Beständigkeit <strong>der</strong> Marktbarrieren, <strong>der</strong><br />
Gefahr überhöhter Preise sowie <strong>der</strong> Gefahr <strong>der</strong> horizontalen<br />
Marktmachtübertragung durch Anbieten von Bündelprodukten, die von<br />
Mitbewerbern nicht repliziert werden könnten. Die ausgewiesenen<br />
Marktanteilsverläufe würden auf keine grundlegende Än<strong>der</strong>ung<br />
innerhalb <strong>der</strong> nächsten (zwei) Jahre verweisen.<br />
9. Zu den Regulierungsinstrumenten geht die belangte Behörde<br />
nach Darstellung <strong>der</strong> wesentlichen Rechtsvorschriften auf die von<br />
<strong>der</strong> ERG in Zusammenarbeit mit den Diensten <strong>der</strong> europäischen<br />
Kommission entwickelten vier Prinzipien ein, welche im Rahmen <strong>der</strong><br />
europaweiten Harmonisierung <strong>der</strong> Regulierung elektronischer<br />
Kommunikationsmärkte zu berücksichtigen seien. Dabei handle es<br />
sich um folgende vier Prinzipien:<br />
Prinzip 1: Entscheidungen <strong>der</strong> nationalen Regulierungsbehörden<br />
sollen wohlbegründet sein und im Einklang mit den Zielen und<br />
Verpflichtungen <strong>der</strong> Richtlinie entstehen.<br />
Prinzip 2: Wo die Infrastruktur des marktbeherrschenden<br />
Unternehmens nicht repliziert werden kann, muss die Ausübung von<br />
Marktmacht gegenüber den Konsumenten verhin<strong>der</strong>t werden.<br />
Prinzip 3: Wo die Infrastruktur des marktbeherrschenden<br />
Unternehmens ersetzbar ist, soll durch den Einsatz von<br />
Regulierungsinstrumenten <strong>der</strong> Übergang zu nachhaltigem,<br />
infrastrukturbasiertem Wettbewerb geför<strong>der</strong>t werden.<br />
Prinzip 4: Regulierungsinstrumente sollen so gestaltet sein,<br />
dass sie anreizkompatibel sind, dh <strong>der</strong> Anreiz zur Einhaltung soll<br />
größer sein als <strong>der</strong> Anreiz zur Umgehung.<br />
Zur konkreten Auswahl <strong>der</strong> Regulierungsinstrumente führt die<br />
belangte Behörde aus, dass es sich dabei um komplementäre und<br />
nicht alternative Instrumente handle. Jedes <strong>für</strong> sich diene <strong>der</strong><br />
Begegnung bestimmter Teilprobleme im Zusammenhang mit den<br />
identifizierten Wettbewerbsproblemen. Nur bei Einsatz aller<br />
Instrumente sei sichergestellt, dass den Auswirkungen <strong>der</strong><br />
identifizierten Wettbewerbsprobleme tatsächlich begegnet werden<br />
könne. In § 43 TKG 2003 komme <strong>der</strong> Grundsatz des Vorranges <strong>der</strong><br />
Regulierung auf Vorleistungsebene zum Ausdruck. Nur wenn die<br />
Regulierungsbehörde gemäß § 43 Abs 1 Z 1 TKG 2003 festgestellt<br />
habe, dass das betreffende Unternehmen auf dem gegenständlichen<br />
Markt über beträchtliche Marktmacht verfüge und gemäß Z 2 leg cit<br />
spezifische Verpflichtungen nach § 38 bis 42 o<strong>der</strong> § 46 nicht zur<br />
Erreichung <strong>der</strong> in § 1 Abs 2 TKG 2003 vorgegebenen<br />
Regulierungsziele führen würden, seien auf Endkundenmarktebene ex<br />
ante Regulierungsinstrumente aufzuerlegen.<br />
Es sei daher von <strong>der</strong> belangten Behörde eine<br />
Prognoseentscheidung über die Effekte einer Regulierung auf<br />
Vorleistungsebene auf die nachgelagerten Verbindungsmärkte zu<br />
treffen. Die Verpflichtung zur<br />
Verbindungsnetzbetreiber(vor)auswahl stelle von ihrer Intention<br />
her sicher, dass Wettbewerber <strong>der</strong> Beschwerdeführerin, die über<br />
keinen direkten Zugang zum Teilnehmer verfügten, diesem gleichwohl<br />
im Wettbewerb mit <strong>der</strong> integrierten Beschwerdeführerin Dienste<br />
anbieten könnten. Diese Verpflichtung beziehe sich auf<br />
Verbindungsleistungen und sei nach Ansicht <strong>der</strong> belangten Behörde<br />
nicht geeignet, wettbewerblichen Defiziten im Anschlussbereich zu<br />
begegnen. Durch die Verpflichtung zum Wie<strong>der</strong>verkauf <strong>der</strong><br />
Teilnehmeranschlussleistung werde zwar eine Möglichkeit<br />
geschaffen, auf den komplementären Zugangsmärkten in preislicher<br />
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Hinsicht mit <strong>der</strong> Beschwerdeführerin in Konkurrenz zu treten, sie<br />
könne aber nur in Teilbereichen wettbewerbliche Parität<br />
sicherstellen, wobei sich bestehende Wettbewerbsdefizite auch auf<br />
dem gegenständlichen Verbindungsmarkt auswirkten. Trotz<br />
bestehen<strong>der</strong> Verbindungsnetzbetreiber(vor)auswahl bestehe auf dem<br />
gegenständlichen Markt das Wettbewerbsproblem <strong>der</strong> exzessiven<br />
Preise bei selektiver Rabattgewährung in Verbindung mit dem<br />
Weiterbestand von Markteintrittsbarrieren weiter. Nach Ansicht <strong>der</strong><br />
belangten Behörde bestehe <strong>für</strong> die Beschwerdeführerin<br />
gegebenenfalls die Möglichkeit, einzelne Anschlussprodukte und<br />
Verbindungsprodukte in einer Weise zu bündeln, sodass eine<br />
Replizierbarkeit seitens an<strong>der</strong>er Anbieter auf Basis <strong>der</strong><br />
bestehenden Vorleistungsprodukte nicht möglich sei. Die auf dem<br />
komplementären Zugangsmarkt auferlegten Verpflichtungen zur<br />
Verbindungsnetzbetreiber(vor)auswahl und zum Wie<strong>der</strong>verkauf <strong>der</strong><br />
Teilnehmeranschlussleistung seien daher nicht alleine zur<br />
effektiven Begegnung <strong>der</strong> festgestellten Wettbewerbsprobleme geeignet.<br />
Entgegen dem Vorbringen <strong>der</strong> Beschwerdeführerin sei nach<br />
Ansicht <strong>der</strong> belangten Behörde gesetzlich nicht geboten, dass<br />
zunächst auf <strong>der</strong> Vorleistungsebene als geeignet festgestellte<br />
Regulierungsinstrumente anzuordnen seien, sodann <strong>der</strong>en<br />
Auswirkungen auf den nachgelagerten Endkundenmarkt zu untersuchen<br />
wären und (erst) danach in einem weiteren Schritt auf den<br />
nachgelagerten Endkundenmärkten unter Umständen<br />
Regulierungsinstrumente aufzuerlegen wären. Diese Interpretation<br />
des § 43 Abs 1 TKG 2003 im Sinne des Vorbringens <strong>der</strong><br />
Beschwerdeführerin finde im Wortlaut des Gesetzes keine Deckung.<br />
Da gemäß den im Verwaltungsverfahren erstellten Gutachten die<br />
Regulierungsinstrumente auf Vorleistungsebene nicht ausreichten,<br />
um den Wettbewerbsproblemen zu begegnen, sei die Genehmigung von<br />
Entgelten und Allgemeinen Geschäftsbedingungen sowie <strong>der</strong>en<br />
Än<strong>der</strong>ungen vorzusehen. Dem Wettbewerbsproblem <strong>der</strong> überhöhten<br />
Preise könne nur mit kostenorientierten Preisen in Form einer<br />
ex ante-Entgeltgenehmigung effizient begegnet werden. Ergänzend zu<br />
den Maßnahmen <strong>der</strong> Entgeltregulierung bestehe weiters die<br />
Notwendigkeit einer getrennten Buchführung, da diese die Basis <strong>für</strong><br />
eine rasche Überprüfung <strong>der</strong> Entgelte schaffe und auch<br />
Produktbündelung als (potenzielles) Wettbewerbsproblem<br />
identifiziert worden sei. Da die Preiskontrolle nur die Produkte<br />
am relevanten Markt betreffe und dieser in <strong>der</strong> Regel nur einen<br />
kleinen Ausschnitt <strong>der</strong> Aktivitäten des integrierten Betreibers<br />
darstelle, sei eine getrennte Buchführung <strong>für</strong> das ganze<br />
Unternehmen notwendig.<br />
Neben <strong>der</strong> Hintanhaltung von überhöhten Preisen erfülle die<br />
Verpflichtung, die Entgelte und Allgemeinen Geschäftsbedingungen<br />
sowie <strong>der</strong>en Än<strong>der</strong>ung zur Genehmigung vorzulegen, auch den Zweck,<br />
dass <strong>der</strong> Eintritt neuer Marktteilnehmer nicht (etwa durch<br />
Bündelung von Produkten) verhin<strong>der</strong>t werde. Da die<br />
Regulierungsinstrumente auf Vorleistungsebene innerhalb des<br />
relevanten Zeitraums von ca zwei Jahren nicht alleine dazu<br />
beitragen könnten, den festgestellten Wettbewerbsproblemen zu<br />
begegnen, seien die genannten Regulierungsinstrumente auf dem<br />
gegenständlichen Verbindungsmarkt notwendig, geeignet sowie das<br />
gelindeste - weil einzig effektive - Mittel, um die Ziele <strong>der</strong><br />
Regulierung (Schutz <strong>der</strong> Konsumenten vor dem Missbrauch von<br />
Marktmacht, Verhin<strong>der</strong>ung von Marktmachtübertragung und För<strong>der</strong>ung<br />
von Markteintritten und des Wettbewerbs) zu för<strong>der</strong>n. Die<br />
Auferlegung <strong>der</strong> Verpflichtung zur ex ante-Entgeltkontrolle<br />
erscheine ferner auch vor dem Hintergrund <strong>der</strong> bereits auf Grund<br />
des ONP-Rechtsrahmens bestehenden Verpflichtung zur ex ante-<br />
Entgeltkontrolle und <strong>der</strong> getrennten Buchführung als<br />
verhältnismäßig. Die Feststellungen des "Marktanalyse-Gutachtens"<br />
in Bezug auf das Vorliegen von effektivem Wettbewerb zeigten, dass<br />
das mittlerweile erreichte Wettbewerbsniveau auf dem<br />
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gegenständlichen Verbindungsmarkt nach wie vor von <strong>der</strong><br />
infrastrukturbasierten Abhängigkeit <strong>der</strong> meisten alternativen<br />
Anbieter vom Zugang zur Infrastruktur <strong>der</strong> Beschwerdeführerin<br />
geprägt sei.<br />
Der Kostenrechnungsstandard <strong>für</strong> die zur Genehmigung<br />
vorzulegenden Tarife habe sich am Konzept <strong>der</strong> "Prognosekosten" -<br />
Kosten, die dem Anbieter durch den Aufbau, den Betrieb und die<br />
Wartung des Dienstes sowie durch dessen Vermarktung und Abrechnung<br />
direkt entstehen und die auch den dem Dienst zuordenbaren<br />
indirekten Kosten Rechnung tragen - zu orientieren. Prognosekosten<br />
seien voraussichtlich anfallende zukünftige Istkosten. Die<br />
Prognosekosten seien unter Bedachtnahme auf die Istkosten<br />
abgelaufener Zeiträume und die voraussichtliche Entwicklung zu<br />
ermitteln.<br />
Im Hinblick auf die angeordnete ex ante-<br />
Endkundentarifgenehmigungspflicht <strong>für</strong> Aktionsangebote mit einer<br />
Dauer bis zu drei Monaten führte die belangte Behörde aus, dass es<br />
das Kriterium <strong>der</strong> Kostenorientierung mit sich bringe, dass auch<br />
die aus Aktionsangeboten resultierende Erlösschmälerung bei <strong>der</strong><br />
ex ante-Tarifgenehmigung mit zu berücksichtigen sei. Das Ausmaß<br />
<strong>der</strong> auf Grund vorgesehener Aktionsangebote geschätzten<br />
Erlösschmälerung sei daher Bestandteil <strong>der</strong> ex ante-Tarifgenehmigung.<br />
Im Hinblick auf die angeordnete ex ante-<br />
Endkundentarifgenehmigungspflicht von virtuellen privaten Netzen<br />
(VPNs) habe die belangte Behörde erwogen, dass die Verwendung des<br />
öffentlichen Netzes <strong>der</strong> Beschwerdeführerin bei <strong>der</strong><br />
Bewerkstelligung eines VPNs, sofern die Kommunikation über<br />
Netzabschlusspunkte des öffentlichen Telefonnetzes bzw<br />
Zusammenschaltungspunkte erfolgt, im Hinblick auf die<br />
beschriebenen Wettbewerbsprobleme (Abhängigkeit von<br />
Vorleistungsprodukten) die Auferlegung <strong>der</strong> ex ante-<br />
Entgeltkontrolle rechtfertige, um den Wettbewerbsproblemen<br />
effektiv zu begegnen.<br />
Zur getrennten Buchführung führt die belangte Behörde<br />
zusammengefasst aus, dass dieses Instrument grundsätzlich als<br />
Ergänzung zu an<strong>der</strong>en Instrumenten, wie gegebenenfalls <strong>der</strong><br />
Nichtdiskriminierungsverpflichtung o<strong>der</strong> auch <strong>der</strong> Preiskontrolle zu<br />
sehen sei. Auf Grund <strong>der</strong> Tatsache, dass die von <strong>der</strong><br />
Beschwerdeführerin beantragten Tarife unterschiedliche Märkte <strong>der</strong><br />
TKMVO 2003 beträfen, seien im Regelfall Produkte <strong>der</strong><br />
Beschwerdeführerin auf unterschiedlichen relevanten Märkten <strong>der</strong><br />
TKMVO 2003 betroffen, daher sei die getrennte Buchführung <strong>für</strong> das<br />
ganze Unternehmen zumindest entsprechend <strong>der</strong> Märkteglie<strong>der</strong>ung <strong>der</strong><br />
TKMVO 2003 erfor<strong>der</strong>lich. Die Beschwerdeführerin habe hiezu<br />
vorgebracht, dass sich eine Glie<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> getrennten Buchführung<br />
nach den Märkten <strong>der</strong> TKMVO 2003 nicht mit den Geschäftsbereichen<br />
<strong>der</strong> Beschwerdeführerin decke und eine Zuordnung <strong>der</strong> relevanten<br />
Kosten auf einzelne Märkte o<strong>der</strong> Geschäftsbereiche wegen <strong>der</strong><br />
erfor<strong>der</strong>lichen Kosten und Erlösermittlung auf Produktebene wegen<br />
des damit verbundenen Umsetzungsaufwandes unverhältnismäßig und<br />
nicht zumutbar sei.<br />
Die belangte Behörde führt dazu aus, dass eine Glie<strong>der</strong>ung<br />
nach den Märkten <strong>der</strong> TKMVO 2003 erfor<strong>der</strong>lich sei, um die<br />
Verpflichtung zur Kostenorientierung innerhalb eines angemessenen<br />
Zeitraums überprüfen zu können. Eine Glie<strong>der</strong>ung etwa nach den<br />
Geschäftsbereichen wäre demgegenüber ungeeignet, da diese von<br />
Verän<strong>der</strong>ungen <strong>der</strong> Unternehmensstruktur betroffen sein könnten und<br />
die Zuordnung von Kosten zu bestimmten Produkten in zu weit<br />
gehendem Maße in das Belieben des regulierten Unternehmens<br />
gestellt werde. Die Beschwerdeführerin unterliege bereits <strong>der</strong>zeit<br />
<strong>der</strong> Verpflichtung zur getrennten Buchführung, da sie mit Bescheid<br />
<strong>der</strong> belangten Behörde vom 20. September 2002 gemäß § 33 Abs 4<br />
TKG (1997) als marktbeherrschend auf den Märkten <strong>für</strong> das Erbringen<br />
des öffentlichen Sprachtelefondienstes mittels eines festen<br />
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Telekommunikationsnetzes sowie <strong>für</strong> das Erbringen des öffentlichen<br />
Mietleitungsdienstes mittels eines festen Telekommunikationsnetzes<br />
sowie auf dem nationalen Markt <strong>für</strong> Zusammenschaltungsleistungen<br />
festgestellt worden sei. Da zudem auf Grund <strong>der</strong> Feststellungen <strong>der</strong><br />
belangten Behörde in parallelen Marktanalyseverfahren <strong>der</strong>zeit<br />
davon ausgegangen werde, dass die Beschwerdeführerin auch auf<br />
an<strong>der</strong>en Märkten über Marktmacht verfüge, erscheine die<br />
Verpflichtung zur getrennten Buchführung angemessen und<br />
verhältnismäßig, insbeson<strong>der</strong>e auch, da die inkrementellen Kosten<br />
dieses Regulierungsinstruments auf Grund <strong>der</strong> bisherigen<br />
Regulierung von Endkundenentgelten gering seien und erhebliche<br />
Synergien bestünden.<br />
10. Schließlich geht die belangte Behörde auf die im Rahmen<br />
des Konsultationsverfahrens nach § 128 TKG 2003 und des<br />
Koordinationsverfahrens nach § 129 TKG 2003 eingelangten<br />
Stellungnahmen ein. Sie hält dabei fest, dass die Stellungnahme<br />
<strong>der</strong> Europäischen Kommission im Verfahren nach § 129 TKG 2003 das<br />
Ergebnis <strong>der</strong> belangten Behörde stütze; die Europäische Kommission<br />
habe mitgeteilt, dass sie keine Anmerkungen habe.<br />
11. Gegen diesen Bescheid richtet sich die Rechtswidrigkeit<br />
des Inhaltes sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von<br />
Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde mit dem Antrag,<br />
ihn kostenpflichtig aufzuheben.<br />
Die belangte Behörde legte die Akten des<br />
Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem<br />
Antrag auf kostenpflichtige Abweisung <strong>der</strong> Beschwerde. Die<br />
Beschwerdeführerin hat auf die Gegenschrift repliziert.<br />
II.<br />
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:<br />
1. Der sektorspezifischen Regulierung nach dem 5. Abschnitt<br />
des Telekommunikationsgesetzes 2003 (TKG 2003), BGBl I Nr 70/2003,<br />
unterliegen die von <strong>der</strong> Regulierungsbehörde durch Verordnung gemäß<br />
§ 36 TKG 2003 festzulegenden Märkte.<br />
§ 1 Z 6 <strong>der</strong> auf Grund des § 36 Abs 1 und 2 TKG 2003<br />
erlassenen Verordnung <strong>der</strong> Rundfunk und Telekom Regulierungs-GmbH,<br />
mit <strong>der</strong> die <strong>der</strong> sektorspezifischen ex-ante Regulierung<br />
unterliegenden relevanten nationalen Märkte <strong>für</strong> den<br />
Telekommunikationssektor festgelegt werden<br />
(Telekommunikationsmärkteverordnung 2003 - TKMVO 2003), bestimmt<br />
"Auslandsgespräche <strong>für</strong> Nichtprivatkunden über das öffentliche<br />
Telefonnetz an festen Standorten (Endkundenmarkt)" als sachlich<br />
relevanten nationalen Markt. § 2 TKMVO 2003 legt das Bundesgebiet<br />
als räumlich relevantes Ausdehnungsgebiet <strong>der</strong> in § 1 angeführten<br />
sachlich relevanten Märkte fest.<br />
§ 37 TKG 2003 regelt das Marktanalyseverfahren und hat<br />
auszugsweise folgenden Wortlaut:<br />
"§ 37. (1) Die Regulierungsbehörde führt von Amts wegen unter<br />
Berücksichtigung <strong>der</strong> Bestimmungen <strong>der</strong> Europäischen Gemeinschaften<br />
in regelmäßigen Abständen, längstens aber in einem Abstand von<br />
zwei Jahren, eine Analyse <strong>der</strong> durch die Verordnung gemäß § 36<br />
Abs. 1 festgelegten relevanten Märkte durch. Ziel dieses<br />
Verfahrens ist nach <strong>der</strong> Feststellung, ob auf dem jeweils<br />
relevanten Markt ein o<strong>der</strong> mehrere Unternehmen über beträchtliche<br />
Marktmacht verfügen o<strong>der</strong> aber effektiver Wettbewerb gegeben ist,<br />
die Aufhebung, Beibehaltung, Än<strong>der</strong>ung o<strong>der</strong> Auferlegung von<br />
spezifischen Verpflichtungen.<br />
(2) Gelangt die Regulierungsbehörde in diesem Verfahren zur<br />
Feststellung, dass auf dem relevanten Markt ein o<strong>der</strong> mehrere<br />
Unternehmen über beträchtliche Marktmacht verfügen und somit kein<br />
effektiver Wettbewerb besteht, hat sie diesem o<strong>der</strong> diesen<br />
Unternehmen geeignete spezifische Verpflichtungen nach §§ 38 bis<br />
46 o<strong>der</strong> nach § 47 Abs. 1 aufzuerlegen. Bereits bestehende<br />
spezifische Verpflichtungen <strong>für</strong> Unternehmen werden, sofern sie den<br />
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relevanten Markt betreffen, von <strong>der</strong> Regulierungsbehörde nach<br />
Maßgabe <strong>der</strong> Ergebnisse des Verfahrens unter Berücksichtigung <strong>der</strong><br />
Regulierungsziele geän<strong>der</strong>t o<strong>der</strong> neuerlich auferlegt.<br />
(3) Stellt die Regulierungsbehörde auf Grund des Verfahrens<br />
fest, dass auf dem relevanten Markt effektiver Wettbewerb besteht<br />
und somit kein Unternehmen über beträchtliche Marktmarkt verfügt,<br />
darf sie - mit Ausnahme von § 47 Abs. 2 - keine Verpflichtungen<br />
gemäß Abs. 2 auferlegen; diesfalls wird das Verfahren hinsichtlich<br />
dieses Marktes durch Beschluss <strong>der</strong> Regulierungsbehörde formlos<br />
eingestellt und dieser Beschluss veröffentlicht. Soweit <strong>für</strong><br />
Unternehmen noch spezifische Verpflichtungen auf diesem Markt<br />
bestehen, werden diese mit Bescheid aufgehoben. In diesem Bescheid<br />
ist auch eine angemessene, sechs Monate nicht übersteigende Frist<br />
festzusetzen, die den Wirksamkeitsbeginn <strong>der</strong> Aufhebung festlegt.<br />
(...)"<br />
Entwürfe von Maßnahmen, welche die Marktanalyse betreffen und<br />
Auswirkungen auf den Handel zwischen den Mitgliedstaaten haben<br />
werden, unterliegen dem Koordinations- bzw<br />
Konsolidierungsverfahren gemäß § 129 TKG 2003 (Art 7<br />
Rahmenrichtlinie).<br />
Ein Unternehmen gilt gemäß § 35 Abs 1 TKG 2003 als<br />
Unternehmen mit beträchtlicher Marktmacht, wenn es entwe<strong>der</strong> allein<br />
o<strong>der</strong> gemeinsam mit an<strong>der</strong>en eine wirtschaftlich so starke Stellung<br />
einnimmt, die es ihm gestattet, sich in beträchtlichem Umfang<br />
unabhängig von Wettbewerbern, Kunden und letztlich Nutzern zu<br />
verhalten. Gemäß § 35 Abs 2 TKG 2003 sind bei <strong>der</strong> Beurteilung, ob<br />
ein Unternehmen beträchtliche Marktmarkt hat, von <strong>der</strong><br />
Regulierungsbehörde insbeson<strong>der</strong>e folgende Kriterien zu<br />
berücksichtigen:<br />
"1. die Größe des Unternehmens, seine Größe im<br />
Verhältnis zu <strong>der</strong> des relevanten Marktes sowie die Verän<strong>der</strong>ungen<br />
<strong>der</strong> relativen Positionen <strong>der</strong> Marktteilnehmer im Zeitverlauf,<br />
2. die Höhe von Markteintrittsschranken sowie das daraus<br />
resultierende Ausmaß an potenziellem Wettbewerb,<br />
3. das Ausmaß <strong>der</strong> nachfrageseitigen Gegenmacht,<br />
4. das Ausmaß an Nachfrage- und Angebotselastizität,<br />
5. die jeweilige Marktphase,<br />
6. <strong>der</strong> technologiebedingte Vorsprung,<br />
7. allfällige Vorteile in <strong>der</strong> Verkaufs- und<br />
Vertriebsorganisation,<br />
8. die Existenz von Skalenerträgen, Verbund- und<br />
Dichtevorteilen,<br />
9. das Ausmaß vertikaler Integration,<br />
10. das Ausmaß <strong>der</strong> Produktdifferenzierung,<br />
11. <strong>der</strong> Zugang zu Finanzmitteln,<br />
12. die Kontrolle über nicht leicht ersetzbare Infrastruktur,<br />
13. das Verhalten am Markt im Allgemeinen, wie etwa<br />
Preissetzung, Marketingpolitik, Bündelung von Produkten und<br />
Dienstleistungen o<strong>der</strong> Errichtung von Barrieren."<br />
Verfügt ein Unternehmen auf einem bestimmten Markt über<br />
beträchtliche Marktmacht, so kann es gemäß § 35 Abs 5 TKG 2003<br />
auch auf horizontal und vertikal bzw geografisch benachbarten<br />
Märkten als Unternehmen mit beträchtlicher Marktmacht angesehen<br />
werden, wenn die Verbindungen zwischen beiden Märkten es<br />
gestatten, diese von dem einen auf den an<strong>der</strong>en Markt zu übertragen<br />
und damit die gesamte Marktmacht des Unternehmens zu verstärken.<br />
Bei den in den §§ 38 bis 46 und § 47 Abs 1 TKG 2003, auf<br />
welche § 37 Abs 2 TKG 2003 verweist, geregelten spezifischen<br />
Verpflichtungen handelt es sich einerseits um Verpflichtungen auf<br />
Vorleistungsmärkten (Gleichbehandlungsverpflichtung gemäß § 38,<br />
Transparenzverpflichtung gemäß § 39, getrennte Buchführung gemäß<br />
§ 40, Zugang zu Netzeinrichtungen und Netzfunktionen gemäß § 41,<br />
Entgeltkontrolle und Kostenrechnung <strong>für</strong> den Zugang gemäß § 42<br />
sowie nur bei Vorliegen außergewöhnlicher Umstände zulässige<br />
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weitergehende Verpflichtungen gemäß § 47 Abs 1), wie sie<br />
europarechtlich in Art 8 bis 13 <strong>der</strong> Zugangsrichtlinie 2002/19/EG<br />
vorgesehen sind, an<strong>der</strong>erseits um Regulierungsmaßnahmen in Bezug<br />
auf Dienste <strong>für</strong> Endnutzer (§§ 43 bis 46), welche auf Art 17 bis 19<br />
<strong>der</strong> Universaldienstrichtlinie (2002/22/EG) zurückgehen.<br />
Im gegenständlichen Beschwerdefall hat die belangte Behörde<br />
die in Spruchpunkt 2.1. des angefochtenen Bescheides auferlegte<br />
spezifische Verpflichtung auf § 43 TKG 2003 gestützt; diese<br />
Bestimmung hat folgenden Wortlaut:<br />
"Regulierungsmaßnahmen in Bezug auf Dienste <strong>für</strong> Endnutzer<br />
§ 43. (1) Sofern die Regulierungsbehörde in einem<br />
Marktanalyseverfahren festgestellt hat, dass<br />
1. auf dem relevanten Endnutzermarkt kein Wettbewerb herrscht<br />
und<br />
2. spezifische Verpflichtungen nach §§ 38 bis 42 o<strong>der</strong> § 46<br />
nicht zur Erreichung <strong>der</strong> in § 1 Abs. 2 vorgegebenen Ziele führen<br />
würden, hat sie Unternehmen mit beträchtlicher Marktmacht auf<br />
einem Endnutzermarkt spezifische Verpflichtungen nach Abs. 2 o<strong>der</strong><br />
3 aufzuerlegen.<br />
(2) Spezifische Verpflichtungen nach Abs. 1 können<br />
insbeson<strong>der</strong>e beinhalten, dass es dieses Unternehmen unterlässt,<br />
1. überhöhte Preise zu verlangen,<br />
2. den Eintritt neuer Marktteilnehmer zu behin<strong>der</strong>n,<br />
3. Kampfpreise zur Ausschaltung des Wettbewerbs anzuwenden,<br />
4. bestimmte Endnutzer unangemessen zu bevorzugen o<strong>der</strong><br />
5. Dienste ungerechtfertigt zu bündeln.<br />
(3) Spezifische Verpflichtungen nach Abs. 1 können auch<br />
beinhalten, dass die Regulierungsbehörde diesem Unternehmen<br />
geeignete Maßnahmen<br />
1. zur Einhaltung von Obergrenzen bei Endnutzerpreisen o<strong>der</strong>,<br />
2. zur Kontrolle von Einzeltarifen im Hinblick auf<br />
kostenorientierte Entgelte o<strong>der</strong> im Hinblick auf Preise von<br />
vergleichbaren Märkten auferlegt.<br />
(4) Unternehmen, denen spezifische Verpflichtungen nach den<br />
vorangegangenen Absätzen auferlegt werden, haben hierzu<br />
Kostenrechnungssysteme einzusetzen, <strong>der</strong>en Format und anzuwendende<br />
Berechnungsmethode von <strong>der</strong> Regulierungsbehörde angeordnet werden<br />
kann. Die Einhaltung des Kostenrechnungssystems ist durch die<br />
Regulierungsbehörde o<strong>der</strong> eine von ihr beauftragte qualifizierte<br />
unabhängige Stelle zu überprüfen. Die Regulierungsbehörde hat<br />
sicher zu stellen, dass einmal jährlich eine Erklärung<br />
hinsichtlich <strong>der</strong> Übereinstimmung mit diesen Vorschriften<br />
veröffentlicht wird."<br />
Die belangte Behörde hat mit <strong>der</strong> in Spruchpunkt 2.1.<br />
auferlegten spezifischen Verpflichtung eine Genehmigungspflicht<br />
<strong>für</strong> Entgelte und Allgemeine Geschäftsbedingungen festgelegt,<br />
sodass die Beschwerdeführerin Pflichten nach § 45 TKG 2003<br />
treffen; diese Bestimmung lautet:<br />
"Pflichten <strong>für</strong> Unternehmen mit beträchtlicher Marktmacht<br />
hinsichtlich Endkundenentgelte<br />
§ 45. (1) Stellt ein Betreiber von Kommunikationsdiensten<br />
o<strong>der</strong> -netzen, dem gemäß § 43 die Verpflichtung auferlegt wurde,<br />
seine Entgelte und Allgemeinen Geschäftsbedingungen genehmigen zu<br />
lassen, o<strong>der</strong> ein Betreiber von Kommunikationsdiensten o<strong>der</strong> -<br />
netzen, dem Verpflichtungen gemäß § 44 auferlegt wurden, einen<br />
Antrag auf Genehmigung von Entgelten o<strong>der</strong> Allgemeinen<br />
Geschäftsbedingungen, hat die Regulierungsbehörde über diesen<br />
Antrag innerhalb von acht Wochen zu entscheiden.<br />
(2) Erfolgt innerhalb dieser Frist keine Entscheidung <strong>der</strong><br />
Regulierungsbehörde, so gelten die beantragten Entgelte o<strong>der</strong><br />
Allgemeinen Geschäftsbedingungen als genehmigt. Der Fristenlauf<br />
ist gehemmt, so lange die <strong>für</strong> die Genehmigung erfor<strong>der</strong>lichen<br />
Unterlagen und Nachweise vom Antragsteller nicht beigebracht<br />
werden. Die Regulierungsbehörde hat dem Antragsteller innerhalb<br />
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von drei Wochen nach Einbringung seines Antrages mitzuteilen, ob<br />
und gegebenenfalls welche zur Beurteilung <strong>der</strong> Kostenorientierung<br />
erfor<strong>der</strong>lichen Unterlagen nachzureichen sind.<br />
(3) Genehmigungspflichtige Entgelte sind unter Bedachtnahme<br />
auf die nach § 43 Abs. 2 und 3 verhängten Maßnahmen, die zu<br />
erfüllenden Aufgaben und die Ertragslage festzulegen.<br />
(4) Die Regulierungsbehörde kann die Genehmigung <strong>der</strong> Entgelte<br />
auch in <strong>der</strong> Form <strong>der</strong> Festlegung von Tarifentwicklungen (price-cap-<br />
Verfahren) erteilen; sie kann auch Son<strong>der</strong>tarife vorsehen.<br />
(5) Soweit die Erreichung effektiven Wettbewerbs dies<br />
erfor<strong>der</strong>t, kann die Genehmigung <strong>der</strong> Entgelte insbeson<strong>der</strong>e folgende<br />
Nebenbestimmungen enthalten:<br />
1. eine angemessene zeitliche Befristung,<br />
2. die Verpflichtung, bestimmte Daten gemäß § 90 zu übermitteln,<br />
3. Auflagen betreffend den Zeitpunkt <strong>der</strong> Einführung<br />
genehmigter Tarife,<br />
4. eine auflösende Bedingung <strong>für</strong> den Fall, dass nach<br />
erfolgter Genehmigung ein an<strong>der</strong>er Tarif eingeführt o<strong>der</strong> geän<strong>der</strong>t<br />
wird,<br />
5. Auflagen zur Anpassung genehmigter Entgelte im Falle<br />
geän<strong>der</strong>ter Vorleistungspreise.<br />
(6) Die Genehmigung von Allgemeinen Geschäftsbedingungen ist<br />
zu versagen, wenn sie Bestimmungen dieses Bundesgesetzes o<strong>der</strong> den<br />
auf Grund dieses Gesetzes erlassenen Verordnungen o<strong>der</strong> §§ 879 und<br />
864a ABGB o<strong>der</strong> §§ 6 und 9 KSchG nicht entsprechen. Die<br />
Zuständigkeiten zur Überprüfung <strong>der</strong> Allgemeinen<br />
Geschäftsbedingungen nach an<strong>der</strong>en Rechtsvorschriften bleiben<br />
unberührt."<br />
Die in Spruchpunkt 2.2. des angefochtenen Bescheides<br />
auferlegte spezifische Verpflichtung wird von <strong>der</strong> belangten<br />
Behörde auf § 40 Abs 1 TKG 2003 gestützt; diese Bestimmung hat<br />
folgenden Wortlaut:<br />
"Die Regulierungsbehörde kann Unternehmen mit beträchtlicher<br />
Marktmacht <strong>für</strong> bestimmte Tätigkeiten in Bezug auf den Zugang eine<br />
getrennte Aufschlüsselung <strong>der</strong> Kosten auferlegen, um unerlaubte<br />
Quersubventionierung zu verhin<strong>der</strong>n."<br />
2. Die Beschwerdeführerin erachtet sich durch den<br />
angefochtenen Bescheid zunächst in ihrem Recht verletzt, auf dem<br />
verfahrensgegenständlichen Markt nicht als Unternehmen mit<br />
beträchtlicher Marktmacht festgestellt zu werden.<br />
Sie führt dazu im Wesentlichen aus, die Feststellung einer<br />
marktbeherrschenden Stellung <strong>der</strong> Beschwerdeführerin sei<br />
rechtsirrig, da sie auf einer "unzutreffenden Interpretation <strong>der</strong> -<br />
<strong>für</strong> die Beurteilung von Marktmacht relevanten - Parameter iSd<br />
§ 35 Abs 2 TKG 2003 (nämlich insbeson<strong>der</strong>e einem inkorrekten<br />
Verständnis des diesbezüglichen Stellenwertes von<br />
Marktzugangsbarrieren, sowie dem Verhältnis von Preis und<br />
Qualität)" und auch einer "unzutreffenden Gewichtung eben dieser<br />
Parameter (nämlich insbeson<strong>der</strong>e <strong>der</strong>en Zusammenspiel) in einer<br />
notwendigen Gesamtbeurteilung ex ante" beruhe.<br />
2.1. Zu diesem Vorbringen ist vorweg festzuhalten, dass die<br />
Definition des Unternehmens mit beträchtlicher Marktmacht, wie sie<br />
in § 35 Abs 1 TKG 2003 in Umsetzung von Art 14 Abs 2 <strong>der</strong><br />
Richtlinie 2002/21/EG des Europäischen Parlaments und des Rates<br />
vom 7. März 2002 über einen gemeinsamen Rechtsrahmen <strong>für</strong><br />
elektronische Kommunikationsnetze und -dienste (Rahmenrichtlinie),<br />
ABl 2002 L 108 S 33, vorgesehen ist, auf dem Konzept <strong>der</strong><br />
beherrschenden Stellung nach <strong>der</strong> einschlägigen Rechtsprechung des<br />
Europäischen Gerichtshofes und des Gerichtes erster Instanz <strong>der</strong><br />
Europäischen Gemeinschaften beruht (vgl Erwägungsgrund 25 zur<br />
Rahmenrichtlinie).<br />
Gemäß § 37 Abs 1 TKG 2003 hat die belangte Behörde bei <strong>der</strong><br />
Durchführung <strong>der</strong> Marktanalyse die "Bestimmungen <strong>der</strong> Europäischen<br />
Gemeinschaften" zu berücksichtigen; mit dieser Bestimmung wird<br />
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Art 16 Abs 1 <strong>der</strong> Rahmenrichtlinie umgesetzt, wonach die nationalen<br />
Regulierungsbehörden eine Analyse <strong>der</strong> relevanten Märkte "unter<br />
weitestgehen<strong>der</strong> Berücksichtigung <strong>der</strong> Leitlinien" - gemeint <strong>der</strong><br />
Leitlinien zur Marktanalyse und zur Bewertung beträchtlicher<br />
Marktmacht gemäß Art 15 Abs 2 <strong>der</strong> Rahmenrichtlinie, die wie<strong>der</strong>um<br />
nach dieser Bestimmung "mit den Grundsätzen des Wettbewerbsrechts<br />
in Einklang stehen müssen" - durchführen.<br />
Die Beurteilung des Vorliegens beträchtlicher Marktmacht im<br />
Sinne des § 35 TKG 2003 hat daher nach den Grundsätzen des<br />
Wettbewerbsrechts <strong>der</strong> Gemeinschaft zu erfolgen, wie sie<br />
zusammenfassend insbeson<strong>der</strong>e in Abschnitt 3 <strong>der</strong> Leitlinien <strong>der</strong><br />
Kommission zur Marktanalyse und Ermittlung beträchtlicher<br />
Marktmacht nach dem gemeinsamen Rechtsrahmen <strong>für</strong> elektronische<br />
Kommunikationsnetze und -dienste, ABl 2002 C 165 S 6, (im<br />
Folgenden: Leitlinien) dargelegt sind. Als Beson<strong>der</strong>heit im<br />
Verhältnis zum allgemeinen Wettbewerbsrecht ist dabei jedoch zu<br />
berücksichtigen, dass beim Marktanalyseverfahren nach dem TKG 2003<br />
eine ex ante-Betrachtung vorzunehmen ist. Die Leitlinien führen in<br />
diesem Zusammenhang wörtlich Folgendes aus:<br />
"Bevor diese neue Definition (<strong>der</strong> beträchtlichen Marktmacht)<br />
ex ante angewendet werden kann, ist jedoch die Methode zur<br />
Ermittlung <strong>der</strong> Marktmacht anzupassen. Bei <strong>der</strong> Ex-ante-Beurteilung,<br />
ob Unternehmen alleine o<strong>der</strong> gemeinsam auf dem relevanten Markt<br />
eine beherrschende Stellung einnehmen, sind die NRB grundsätzlich<br />
auf an<strong>der</strong>e Hypothesen und Annahmen angewiesen als eine<br />
Wettbewerbsbehörde bei <strong>der</strong> Ex-Post-Anwendung von Artikel 82 im<br />
Hinblick auf eine angebliche missbräuchliche Ausnutzung. Da<br />
Beweise <strong>für</strong> o<strong>der</strong> Aufzeichnungen über vergangenes Verhalten oftmals<br />
fehlen dürften, muss sich die Marktanalyse hauptsächlich auf<br />
Prognosen stützen."<br />
Nach Randziffer 20 <strong>der</strong> Leitlinien werden die nationalen<br />
Regulierungsbehörden bei <strong>der</strong> Durchführung <strong>der</strong> Marktanalyse nach<br />
Art 16 Rahmenrichtlinie "den relevanten Markt vorausschauend und<br />
strukturell evaluieren, wobei sie sich auf die bestehenden<br />
Marktverhältnisse stützen."<br />
Die Beschwerdeführerin geht ebenso wie die belangte Behörde<br />
zutreffend davon aus, dass bei <strong>der</strong> Beurteilung beträchtlicher<br />
Marktmacht die im Wettbewerbsrecht <strong>der</strong> Gemeinschaft entwickelten<br />
Kriterien heranzuziehen sind, behauptet jedoch eine unrichtige<br />
Beurteilung einzelner <strong>der</strong> zu berücksichtigenden Kriterien sowie<br />
eine unzutreffende Gewichtung <strong>der</strong> Kriterien bei <strong>der</strong> vorzunehmenden<br />
Gesamtbetrachtung.<br />
2.2. Die Beschwerdeführerin macht geltend, dass die belangte<br />
Behörde den Stellenwert von Marktanteilen unrichtig beurteilt hätte.<br />
Hiezu ist festzuhalten, dass die Beschwerdeführerin auf dem<br />
verfahrensgegenständlichen Markt unstrittig über einen Marktanteil<br />
von 60 % des Umsatzes verfügt. Nach <strong>der</strong> Rechtsprechung des<br />
Europäischen Gerichtshofes liefern beson<strong>der</strong>s hohe Anteile - von<br />
außergewöhnlichen Umständen abgesehen - ohne weiteres den Beweis<br />
<strong>für</strong> das Vorliegen einer beherrschenden Stellung; ein Unternehmen,<br />
das während längerer Zeit einen beson<strong>der</strong>s hohen Marktanteil<br />
innehat, befindet sich allein durch den Umfang seiner Produktion<br />
und seines Angebotes in einer Position <strong>der</strong> Stärke, die es zu einem<br />
nicht zu übergehenden Geschäftspartner macht und ihm bereits<br />
deswegen, jedenfalls während relativ langer Zeit, die<br />
Unabhängigkeit des Verhaltens sichert, die <strong>für</strong> eine beherrschende<br />
Stellung kennzeichnend ist (Urteil vom 13. Februar 1979, Rs 85/76,<br />
Hoffmann-La Roche, Slg 1979, 461, Rz 41). Ein beson<strong>der</strong>s hoher<br />
Marktanteil im Sinne dieser Rechtsprechung wurde vom Europäischen<br />
Gerichtshof jedenfalls bei einem Marktanteil von 50 % angenommen<br />
(Urteil vom 3. Juli 1991, Rs C-62/86, AKZO, Slg 1991, I-3439,<br />
Rz 60). Wie in den Leitlinien (Rz 75) näher ausgeführt, hat die<br />
Europäische Kommission in ihrer Fallpraxis die Schwelle <strong>für</strong> eine<br />
beherrschende Stellung in <strong>der</strong> Regel ab einem Marktanteil von 40 %<br />
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angesetzt.<br />
Die Beschwerdeführerin bringt nun vor, dass eine Indizwirkung<br />
<strong>der</strong> Marktanteile jedenfalls dann nicht bestehe, wenn sie instabil<br />
seien o<strong>der</strong> - auch bei stabilen beträchtlichen Marktanteilen - bei<br />
potenziellem Wettbewerb. Dies sei auch in <strong>der</strong> Judikatur des<br />
Europäischen Gerichtshofes anerkannt, <strong>der</strong> ausgesprochen habe, dass<br />
"ein über längere Zeit stabiler" Marktanteil einen zumindest<br />
dreijährigen Bestand eines solchen Marktanteils voraussetze. Ein<br />
Beurteilungszeitraum von 21 Monaten (Jänner 2002 bis<br />
September 2003) - wie ihn die belangte Behörde ihrer Entscheidung<br />
zugrundegelegt habe - stehe mit diesen Anfor<strong>der</strong>ungen nicht im<br />
Einklang. Die belangte Behörde hätte sowohl den starken<br />
Marktanteilsverlust <strong>der</strong> Beschwerdeführerin im Zeitraum vor<br />
Jänner 2002 als auch die beträchtlichen Umsatzeinbußen <strong>der</strong><br />
Beschwerdeführerin im Jahr 2004 auf Grund <strong>der</strong> zunehmenden<br />
Substituierung <strong>der</strong> Festnetzgespräche durch den Mobilfunk in<br />
Rechnung stellen müssen.<br />
Soweit sich die Beschwerdeführerin in diesem Vorbringen<br />
ausdrücklich auf Rz 59 des Urteils des Europäischen Gerichtshofes<br />
"iS AKZO" (gemeint wohl das bereits zitierte Urteil vom<br />
3. Juli 1991, Rs C-62/86) beruft, ist ihr entgegenzuhalten, dass<br />
<strong>der</strong> Europäische Gerichtshof an <strong>der</strong> von <strong>der</strong> Beschwerdeführerin<br />
zitierten Stelle zwar festhält, dass das dort betroffene<br />
Unternehmen "von 1979 bis 1982 einen festen Marktanteil von etwa<br />
50%" besessen habe, nicht aber - wie von <strong>der</strong> Beschwerdeführerin<br />
behauptet - einen zumindest dreijährigen Bestand eines (hohen und<br />
stabilen) Marktanteils voraussetzt, um die Annahme einer<br />
beherrschenden Stellung bei einem beson<strong>der</strong>s hohen Marktanteil zu<br />
begründen. Dass die Beschwerdeführerin nicht nur im (von ihr so<br />
genannten) "Beurteilungszeitraum" von Jänner 2002 bis<br />
September 2003, son<strong>der</strong>n schon davor über einen längeren Zeitraum<br />
hinweg über beson<strong>der</strong>s hohe Marktanteile verfügte, ergibt sich<br />
schon aus ihrem eigenen Vorbringen, wonach sie einen starken<br />
Marktanteilsverlust "im Zeitraum vor Jänner 2002 (ab Beginn <strong>der</strong><br />
Liberalisierung des Jahres 1998)" zu verzeichnen hatte. Dass die<br />
Marktanteile <strong>der</strong> Beschwerdeführerin auf Grund des Wegfalls ihrer<br />
bis zum 1. Jänner 1998 rechtlich gewährleisteten Monopolstellung<br />
auf dem verfahrensgegenständlichen Markt ausgehend von einem Wert<br />
von 100 % deutlich abgesunken sind, vermag angesichts <strong>der</strong> von <strong>der</strong><br />
belangte Behörde über einen Zeitraum von 21 Monaten erhobenen und<br />
ausdrücklich festgestellten Stabilisierung <strong>der</strong> Marktanteile auf<br />
einem im Sinne <strong>der</strong> Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes<br />
"beson<strong>der</strong>s hohen" Niveau - 60 % - jedenfalls die Indizwirkung des<br />
hohen Marktanteils <strong>für</strong> das Vorliegen einer beherrschenden Stellung<br />
nicht zu erschüttern.<br />
Dem Verweis <strong>der</strong> Beschwerdeführerin auf ihre "beträchtlichen<br />
Umsatzeinbußen im Jahr 2004" ist entgegenzuhalten, dass damit ein<br />
Verlust von Marktanteilen im Jahr 2004 auf dem<br />
verfahrensgegenständlichen Markt nicht behauptet wird. Die<br />
Beschwerdeführerin tritt damit insbeson<strong>der</strong>e auch <strong>der</strong> Feststellung<br />
<strong>der</strong> belangten Behörde, wonach sich <strong>der</strong> Marktanteil "seit dem<br />
Jahr 2002 stabilisiert" habe, nicht entgegen. Auch im<br />
Verwaltungsverfahren hat die Beschwerdeführerin ein konkretes<br />
Vorbringen, wonach ihre Marktanteile nach dem<br />
"Beurteilungszeitraum" gesunken wären, nicht erstattet;<br />
insbeson<strong>der</strong>e beziehen sich die Ausführungen in dem von ihr im<br />
Verwaltungsverfahren vorgelegten Privatgutachten ebenfalls auf<br />
einen mit September 2003 endenden Zeitraum.<br />
Vor diesem Hintergrund kann <strong>der</strong> belangten Behörde daher nicht<br />
entgegengetreten werden, wenn sie dem beson<strong>der</strong>s hohen Marktanteil<br />
<strong>der</strong> Beschwerdeführerin auf dem verfahrensgegenständlichen Markt<br />
wesentliche Indizwirkung <strong>für</strong> das Vorliegen einer beherrschenden<br />
Stellung beigemessen hat.<br />
2.3. Die Beschwerdeführerin vermeint in diesem Zusammenhang,<br />
<strong>Vorlesung</strong>smaterialien Seite 123<br />
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<strong>der</strong> angefochtene Bescheid sei nicht schlüssig begründet, da auch<br />
beträchtliche Marktmacht im Lichte einer konkreten Marktsituation<br />
nicht automatisch zum Vorliegen relevanter Marktmacht führe, was<br />
die belangte Behörde in einem an<strong>der</strong>en näher genannten Bescheid<br />
selbst ausdrücklich anerkannt habe; auch habe die schwedische<br />
Regulierungsbehörde (in einer Entscheidung, zu <strong>der</strong> die<br />
Beschwerdeführerin eine Zusammenfassung eines<br />
Beratungsunternehmens vorlegt) ungeachtet des Vorliegens<br />
beträchtlicher Marktanteile keine marktbeherrschende Stellung<br />
angenommen.<br />
Diesem Vorbringen kann nicht gefolgt werden, zumal we<strong>der</strong><br />
dargelegt wird, in welchem Punkt die Begründung des angefochtenen<br />
Bescheides - in <strong>der</strong> das Vorliegen beträchtlicher Marktmacht gerade<br />
nicht ausschließlich auf den beson<strong>der</strong>s hohen Marktanteil <strong>der</strong><br />
Beschwerdeführerin gestützt wird - unschlüssig geblieben sein<br />
soll, noch weshalb sich die belangte Behörde im angefochtenen<br />
Bescheid mit einem - im Verwaltungsverfahren nicht vorgelegten -<br />
Dokument betreffend eine Entscheidung <strong>der</strong> schwedischen<br />
Regulierungsbehörde hätte auseinan<strong>der</strong>setzen müssen, dem im Übrigen<br />
- auf dem sachlichen Markt in Schweden, <strong>der</strong> dem hier<br />
verfahrensgegenständlichen Markt entspricht - ein Marktanteil des<br />
dort marktstärksten Unternehmens von 30 % zu entnehmen ist.<br />
Stellungnahmen <strong>der</strong> schwedischen o<strong>der</strong> einer an<strong>der</strong>en nationalen<br />
Regulierungsbehörde, denen gemäß § 129 Abs 2 TKG 2003<br />
weitestgehend Rechnung zu tragen wäre, liegen jedenfalls nicht vor.<br />
2.4. Die Beschwerdeführerin macht geltend, dass die belangte<br />
Behörde in ihrer Beurteilung die Zusammensetzung des Marktanteils<br />
<strong>der</strong> Beschwerdeführerin, nämlich den Stellenwert von Großkunden<br />
innerhalb dieses Marktanteils, hätte berücksichtigen müssen. Der<br />
Marktanteil <strong>der</strong> Beschwerdeführerin auf dem<br />
verfahrensgegenständlichen Markt sei überaus fragil, weil er durch<br />
eine hohe Konzentration auf einige wenige Geschäftskunden<br />
gekennzeichnet sei. Ein Verlust weniger Kunden an den Mitbewerb<br />
würde bereits zu einer beträchtlichen negativen Auswirkung auf den<br />
Gesamtumsatz <strong>der</strong> Beschwerdeführerin in diesem Markt führen.<br />
Die Beschwerdeführerin bestreitet nicht, dass selbst <strong>der</strong><br />
größte Kunde weniger als 3% des Marktumsatzes <strong>der</strong><br />
Beschwerdeführerin auf dem verfahrensgegenständlichen Markt hat,<br />
wie dies die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid<br />
festgestellt hat. Nach dem Vorbringen in <strong>der</strong> Beschwerde machen die<br />
"Top-50-Kunden" <strong>der</strong> Beschwerdeführerin 22 % "des Jahresumsatzes<br />
dieses Markts" aus, wobei aus <strong>der</strong> in <strong>der</strong> Beschwerde enthaltenen<br />
Grafik (in Übereinstimmung mit dem im Verwaltungsverfahren<br />
erstellten Gutachten) hervorgeht, dass damit nicht <strong>der</strong> Anteil am<br />
Gesamtumsatz aller Anbieter auf dem verfahrensgegenständlichen<br />
Markt, son<strong>der</strong>n <strong>der</strong> Anteil am Umsatz <strong>der</strong> Beschwerdeführerin auf<br />
diesem Markt angesprochen wird. Jedenfalls bei dieser<br />
Konstellation, in <strong>der</strong> die Beschwerdeführerin selbst im Falle des<br />
gleichzeitigen Verlusts ihrer 50 größten Kunden auf diesem Markt<br />
noch über einen Marktanteil verfügen würde, <strong>der</strong> deutlich über<br />
jener Schwelle liegt, ab <strong>der</strong> die Europäische Kommission in ihrer<br />
Fallpraxis in <strong>der</strong> Regel eine beherrschende Stellung annimmt,<br />
vermag die abstrakte Möglichkeit, Kunden an den Mitbewerb zu<br />
verlieren - außergewöhnliche Umstände, die eine substanzielle<br />
Kundenabwan<strong>der</strong>ung erwarten ließen, macht die Beschwerdeführerin<br />
nicht geltend -, das Vorliegen beträchtlicher Marktmacht nicht in<br />
Frage zu stellen.<br />
Soweit das die Kundenstruktur betreffende Vorbringen auf das<br />
Vorliegen nachfrageseitiger Gegenmacht abzielt, ist darauf zu<br />
verweisen, dass nach den Feststellungen im angefochtenen Bescheid<br />
innerhalb <strong>der</strong> Gruppe <strong>der</strong> Geschäftskunden kein einziger auf Grund<br />
seiner Größe eine <strong>für</strong> den Gesamtmarkt hinreichend disziplinierende<br />
Gegenmacht ausüben könnte. Die Behauptung in <strong>der</strong> Beschwerde, die<br />
belangte Behörde habe es "ungeachtet <strong>der</strong> diesbezüglichen<br />
<strong>Vorlesung</strong>smaterialien Seite 124<br />
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Stellungnahme im Marktanalyse-Gutachten (Gutachten, S 206)"<br />
unterlassen, eine Feststellung darüber zu treffen, dass sehr wohl<br />
eine wettbewerblich relevante "Gegenmacht" <strong>der</strong> Nachfrageseite<br />
bestehe, lässt sich nicht nachvollziehen: An <strong>der</strong> angegebenen<br />
Stelle im zitierten Gutachten finden sich we<strong>der</strong> Ausführungen zum<br />
verfahrensgegenständlichen Markt noch überhaupt zur<br />
nachfrageseitigen Gegenmacht; auf Seite 211 des zitierten<br />
Gutachtens wird - nach dem allgemeinen Satz, dass<br />
Verhandlungsstärke im Sinne einer nachfrageseitigen Gegenmacht bei<br />
Nichtprivatkunden "generell denkbar" sei - festgehalten, dass nach<br />
den von <strong>der</strong> Beschwerdeführerin zur Verfügung gestellten Daten<br />
bereits die 50 größten Kunden 22 % des Gesamtumsatzes <strong>der</strong><br />
Beschwerdeführerin generierten, es aber auch innerhalb dieser<br />
Gruppe keinen <strong>der</strong>art großen Geschäftskunden gebe, <strong>der</strong> eine <strong>für</strong> den<br />
Gesamtmarkt hinreichend disziplinierende Gegenmacht ausüben könnte.<br />
Die Feststellungen <strong>der</strong> belangten Behörde über das Fehlen<br />
relevanter nachfrageseitiger Gegenmacht lassen sich vor diesem<br />
Hintergrund nicht als unschlüssig erkennen.<br />
2.4. Die Beschwerdeführerin macht geltend, dass die belangte<br />
Behörde das Verhältnis <strong>der</strong> Umsätze <strong>der</strong> Beschwerdeführerin zu ihren<br />
Wettbewerbern auf dem relevanten Markt unrichtig beurteilt habe.<br />
Sie habe es verabsäumt, "die wettbewerbsmäßigen Konsequenzen <strong>der</strong><br />
Übernahme <strong>der</strong> UTA durch die Tele2 zu prüfen." Die Relevanz dieses<br />
Zusammenschlusses lasse sich nicht mit dem Hinweis darauf abtun,<br />
dass Tele2 bis dato im verfahrensgegenständlichen Markt "wenig<br />
präsent" gewesen sei; gerade aus diesem Umstand folge nämlich das<br />
erhebliche Potenzial an Konkurrenzierung. In <strong>der</strong> gebotenen Ex-ante-<br />
Perspektive sei völlig offensichtlich, dass <strong>der</strong> Zusammenschluss<br />
von zweit- und drittstärkstem Anbieter eine ganz wesentliche<br />
Intensivierung <strong>der</strong> Konkurrenzsituation gegenüber dem "bisherigen<br />
Marktführer" bedeute. Die von <strong>der</strong> Beschwerdeführerin im<br />
Verwaltungsverfahren mitgeteilten "zentralen Fakten" zu diesem<br />
Zusammenschluss seien allesamt unberücksichtigt geblieben.<br />
Diesem Vorbringen ist zunächst entgegenzuhalten, dass <strong>der</strong><br />
Marktanteil <strong>der</strong> Beschwerdeführerin auf dem<br />
verfahrensgegenständlichen Markt ein Mehrfaches des Marktanteils<br />
des größten Mitbewerbers beträgt. Nach den Feststellungen im<br />
angefochtenen Bescheid vereinigen die größten vier am<br />
Nichtprivatkundenmarkt tätigen Anbieter einschließlich <strong>der</strong><br />
Beschwerdeführerin mehr als 85 % <strong>der</strong> Umsatzmarktanteile auf sich,<br />
wobei (im ausgewiesenen Zeitraum von Jänner 2002 bis<br />
September 2003) die Beschwerdeführerin über einen Marktanteil von<br />
60 %, die UTA Telekom AG über einen Marktanteil von unter 15 %<br />
verfügte; Tele2 schien in diesem Zeitraum nicht unter den vier<br />
größten Anbietern auf diesem Markt auf und war - nach den<br />
diesbezüglich unbestrittenen Ausführungen im angefochtenen<br />
Bescheid - auf diesem Markt auch "kaum aktiv".<br />
Angesichts dieses deutlichen Abstands zwischen den (auch<br />
kumulierten) Marktanteilen von UTA und Tele2 zum Marktanteil <strong>der</strong><br />
Beschwerdeführerin kann daher <strong>der</strong> Beurteilung <strong>der</strong> belangten<br />
Behörde, wonach auch <strong>der</strong> Zusammenschluss von UTA und Tele2 den<br />
verfahrensgegenständlichen Markt im Hinblick auf die Beurteilung<br />
des Vorliegens einer marktbeherrschenden Stellung <strong>der</strong><br />
Beschwerdeführerin nicht nachhaltig beeinflusst, nicht mit Erfolg<br />
entgegengetreten werden (vgl das Urteil des Europäischen<br />
Gerichtshofes vom 14. Februar 1978, Rs 27/76, United Brands,<br />
Slg 1978, 207, Rz 108ff, zu einer Konstellation, in <strong>der</strong> bei einem<br />
Marktanteil von zwischen 40 und 45 % eine beherrschende Stellung<br />
unter Hinweis darauf festgestellt wurde, dass diese Prozentzahl<br />
"im großen und ganzen gesehen ein Mehrfaches des Anteils ihres<br />
bestplazierten Konkurrenten" ausmache). Die allgemeinen<br />
Ausführungen in <strong>der</strong> Beschwerde - wie auch im Verwaltungsverfahren -<br />
betreffend eine Intensivierung <strong>der</strong> Konkurrenzsituation durch den<br />
Zusammenschluss vermögen nicht aufzuzeigen, dass diese<br />
<strong>Vorlesung</strong>smaterialien Seite 125<br />
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Intensivierung vor dem Hintergrund <strong>der</strong> konkreten Marktstruktur die<br />
beherrschende Stellung <strong>der</strong> Beschwerdeführerin auch bei <strong>der</strong><br />
gebotenen ex ante-Betrachtung - die sich im Hinblick auf<br />
§ 37 Abs 1 TKG 2003 auf einen Zeithorizont von (längstens) zwei<br />
Jahren zu beziehen hat - in Frage stellen könnte.<br />
2.5. Soweit die Beschwerdeführerin die Rechtswidrigkeit <strong>der</strong><br />
"Abweisung des Antrags <strong>der</strong> (Beschwerdeführerin) (2.12.2004) auf<br />
Anpassung <strong>der</strong> Marktanalyse" behauptet, ist ihr entgegenzuhalten,<br />
dass <strong>der</strong> angefochtene Bescheid über einen <strong>der</strong>artigen "Antrag" -<br />
den das zitierte Schreiben <strong>der</strong> Beschwerdeführerin auch nicht<br />
enthält - nicht abgesprochen hat. Die im Verwaltungsverfahren<br />
abgegebene Stellungnahme <strong>der</strong> Beschwerdeführerin vom<br />
2. Dezember 2004 legt dar, weshalb <strong>der</strong> Beschwerdeführerin auf<br />
Grund des Zusammenschlusses von UTA und Tele2 unter an<strong>der</strong>em die<br />
"Anpassung <strong>der</strong> Marktanalyse" - womit <strong>der</strong> Sache nach eine<br />
abweichende Beurteilung des Vorliegens beträchtlicher Marktmacht<br />
angesprochen wird - als "zwingend notwendig" erscheint. Die<br />
belangte Behörde hat sich mit diesem Vorbringen im angefochtenen<br />
Bescheid auseinan<strong>der</strong> gesetzt und ist, wie bereits ausgeführt,<br />
zutreffend zum Ergebnis gekommen, dass auch dieser Zusammenschluss<br />
an <strong>der</strong> beträchtlichen Marktmacht <strong>der</strong> Beschwerdeführerin iSd § 35<br />
TKG 2003 nichts än<strong>der</strong>t.<br />
2.6. Die Beschwerdeführerin behauptet eine "Fragilität" ihres<br />
Marktanteils auf Grund des Umstandes, dass ihr Umsatz auf dem<br />
verfahrensgegenständlichen Markt beträchtlichen Schwankungen<br />
unterworfen sei. Die Volatilität des Umsatzes sei ein typisches<br />
Signal <strong>für</strong> das Bestehen von erheblichem Wettbewerb und das Fehlen<br />
von Marktmacht. Die belangte Behörde habe gestützt unter an<strong>der</strong>em<br />
auf diesen Gesichtspunkt das Vorliegen einer marktbeherrschenden<br />
Stellung <strong>der</strong> Beschwerdeführerin auf dem Markt <strong>für</strong><br />
Auslandsverbindungen von Privatkunden verneint. Die belangte<br />
Behörde hätte begründen müssen, wieso sie bei entsprechen<strong>der</strong><br />
Volatilität in beiden Märkten bloß im Hinblick auf den<br />
Privatkundenmarkt zur Annahme effektiven Wettbewerbs gelangt sei.<br />
Dieses Vorbringen vermag keine Rechtswidrigkeit des<br />
angefochtenen Bescheides aufzuzeigen. Zunächst ist festzuhalten,<br />
dass im Beschwerdefall ausschließlich die Rechtmäßigkeit des<br />
angefochtenen Bescheides zu beurteilen ist. Das Ausmaß <strong>der</strong><br />
Begründungspflicht bestimmt sich nicht danach, zu welcher<br />
Entscheidung die belangte Behörde in einem - einen an<strong>der</strong>en Markt<br />
betreffenden - nicht beschwerdegegenständlichen Verfahren gekommen<br />
ist. Im Übrigen ist dem Beschluss, auf den sich die<br />
Beschwerdeführerin bezieht und den sie auch <strong>der</strong> Beschwerde<br />
beigelegt hat, nicht zu entnehmen, dass die Volatilität <strong>der</strong><br />
Umsätze dort als maßgebliches Kriterium <strong>für</strong> die Beurteilung<br />
<strong>der</strong> Marktmacht <strong>der</strong> Beschwerdeführerin herangezogen wurde; <strong>der</strong><br />
Beschluss bezieht sich in diesem Zusammenhang ausdrücklich auf<br />
Marktanteilsschwankungen, nicht aber auf Schwankungen des Umsatzes.<br />
Der Behauptung <strong>der</strong> Beschwerdeführerin, wonach die<br />
"Volatilität des Umsatzes" ein typisches Signal <strong>für</strong> das Bestehen<br />
von erheblichem Wettbewerb sei, kann in dieser allgemeinen Form<br />
nicht beigetreten werden. Während die Volatilität von<br />
Marktanteilen ein Indiz <strong>für</strong> einen vom Wettbewerb geprägten Markt<br />
ist (vgl das Urteil des Gerichts erster Instanz <strong>der</strong> Europäischen<br />
Gemeinschaften vom 6. Juni 2002, Rs T-342/99, Airtours, Rz 120),<br />
lassen bei stabilen Marktanteilen, wie sie im Beschwerdefall<br />
festgestellt wurden, Umsatzschwankungen keinen Rückschluss auf das<br />
Fehlen von Marktmacht zu, son<strong>der</strong>n können auch Resultanten <strong>der</strong><br />
Preissetzung des Marktführers und damit Ausfluss seiner beson<strong>der</strong>en<br />
Marktposition sein. Da die Beschwerdeführerin auch nicht darlegt,<br />
aus welchen Umständen sie die behauptete Volatilität ihres<br />
Umsatzes auf dem verfahrensgegenständlichen Markt ableitet,<br />
erweist sich das diesbezügliche Vorbringen als nicht geeignet,<br />
Zweifel an <strong>der</strong> durch den hohen Marktanteil <strong>der</strong> Beschwerdeführerin<br />
<strong>Vorlesung</strong>smaterialien Seite 126<br />
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indizierten Marktmacht zu begründen.<br />
2.7. Die Beschwerdeführerin macht geltend, dass die belangte<br />
Behörde zu Unrecht vom Vorliegen relevanter Marktzutrittsschranken<br />
ausgehe, obgleich sie dem Grunde nach anerkenne, dass auf dem<br />
verfahrensgegenständlichen Markt "die Markteintrittsbarrieren auf<br />
Grund <strong>der</strong> vergleichsweise geringeren Investitionskosten<br />
vergleichsweise gering" seien.<br />
Maßgeblich seien die Markteintrittsbarrieren zum konkreten<br />
relevanten Markt. Es sei daher unzutreffend, wenn die belangte<br />
Behörde Markteintrittsbarrieren <strong>für</strong> Verbindungsnetzbetreiber<br />
behaupte, die aus den Kosten eines flächendeckendes Festnetzes<br />
resultierten.<br />
Diesem Vorbringen ist entgegenzuhalten, dass die Ausführungen<br />
auf Seite 33 des angefochtenen Bescheides, auf welche sich die<br />
Beschwerdeführerin in diesem Zusammenhang bezieht,<br />
Marktzutrittsschranken <strong>für</strong> jene Verbindungsnetzbetreiber<br />
konstatieren, die als Teilnehmernetzbetreiber operativ sein<br />
wollen; aus diesem Umstand leitet die belangte Behörde in <strong>der</strong><br />
Folge ab, dass (reine) Verbindungsnetzbetreiber vom<br />
flächendeckenden Anschlussnetz <strong>der</strong> Beschwerdeführerin <strong>für</strong> den auf<br />
das Inland entfallenden Teil <strong>der</strong> Verbindungsleistung abhängig<br />
seien. Entgegen den Ausführungen <strong>der</strong> Beschwerdeführerin hat die<br />
belangte Behörde damit im angefochtenen Bescheid<br />
Marktzutrittsbarrieren zum verfahrensgegenständlichen Markt, die<br />
unmittelbar aus den Kosten <strong>der</strong> Errichtung eines Anschlussnetzes<br />
resultierten, ihrer Entscheidung nicht zugrundegelegt.<br />
Zu den Markteintrittsbarrieren führt die Beschwerde weiter<br />
aus, dass die belangte Behörde entgegen den Leitlinien die<br />
Möglichkeit des "(verstärkten) Markteintritts" durch Anbieter, die<br />
bereit in (Inlands-)Verbindungsmärkten tätig seien, nicht<br />
berücksichtigt habe. Soweit die Beschwerdeführerin damit - durch<br />
den Begriff des "verstärkten Markteintritts" - auf bereits auf dem<br />
verfahrensgegenständlichen Markt tätige Wettbewerber abstellt,<br />
übersieht sie, dass die Prüfung von Marktzutrittsschranken sich<br />
auf den Neueintritt potenzieller Wettbewerber bezieht, nicht aber<br />
auf die am gegenständlichen Markt bereits tätigen Unternehmen,<br />
<strong>der</strong>en Bedeutung <strong>für</strong> die Wettbewerbssituation bereits bei <strong>der</strong><br />
Analyse <strong>der</strong> Marktstruktur und des Marktverhaltens zu<br />
berücksichtigen ist. Die Beurteilung von Marktzutrittsschranken<br />
stellt darauf ab, ob von potenziellen Neueinsteigern in den Markt<br />
eine disziplinierende Wirkung auf das Wettbewerbsverhalten <strong>der</strong><br />
bereits auf dem Markt tätigen Unternehmen ausgeht. Eine<br />
dahingehende Abwägung hat die belangte Behörde im angefochtenen<br />
Bescheid vorgenommen; dass sie dabei den Begriff "Neueinsteiger"<br />
in dem von <strong>der</strong> Beschwerdeführerin offenbar unterstellten Sinne<br />
eines "neuen Telekommunikationsbetreibers" verstanden hätte, nicht<br />
aber als Neueinsteiger (nur) auf dem verfahrensgegenständlichen<br />
Markt, vermag <strong>der</strong> Verwaltungsgerichtshof nicht zu erkennen.<br />
Die Beschwerdeführerin sieht eine Angreifbarkeit des<br />
verfahrensgegenständlichen Marktes (insbeson<strong>der</strong>e) "aus dem<br />
unmittelbar horizontal benachbarten Markt <strong>der</strong> Auslandsverbindungen<br />
<strong>für</strong> Privatkunden", <strong>für</strong> den die belangte Behörde relevante<br />
Marktzutrittsschranken verneint habe. Dem ist zunächst<br />
entgegenzuhalten, dass die belangte Behörde in dem von <strong>der</strong><br />
Beschwerdeführerin zitierten (und <strong>der</strong> Beschwerde beigelegten)<br />
Beschluss betreffend den Markt <strong>der</strong> Auslandsverbindungen <strong>für</strong><br />
Privatkunden das Vorliegen von Marktzutrittsbarrieren ebenso wie<br />
im angefochtenen Bescheid geprüft hat und auch dort zum Ergebnis<br />
gekommen ist, dass Marktzutrittsbarrieren bestehen, allerdings in<br />
geringerem Umfang als (ua) auf dem verfahrensgegenständlichen<br />
Markt. Wenn die Beschwerdeführerin behauptet, dass<br />
"Marktübertrittsschranken" vom Markt <strong>für</strong> Auslandsverbindungen <strong>für</strong><br />
Privatkunden zum entsprechenden Markt <strong>für</strong> Nicht-Privatkunden<br />
"schlechthin nicht vorstellbar" seien, so tritt sie damit den<br />
<strong>Vorlesung</strong>smaterialien Seite 127<br />
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Ausführungen im angefochtenen Bescheid, welche die<br />
Marktzutrittsbarrieren <strong>für</strong> den verfahrensgegenständlichen Markt -<br />
die auch <strong>für</strong> einen "Marktübertritt" von einem benachbarten Markt<br />
bestehen - näher darlegen, nicht konkret entgegen. Auch die<br />
Ausführungen <strong>der</strong> Beschwerdeführerin, wonach ein Marktzutritt neuer<br />
Anbieter "ohne jede Schwierigkeit, Vorlaufzeit und Vor-<br />
Information" an die Beschwerdeführerin durch jene Anbieter, die<br />
bereits auf benachbarten Märkten tätig seien, möglich sei,<br />
erschöpfen sich in <strong>der</strong> bloßen Behauptung, ohne darzulegen, aus<br />
welchen Gründen die Feststellungen <strong>der</strong> belangten Behörde über die<br />
Vorleistungsabhängigkeit von Verbindungsnetzbetreiberdiensten auf<br />
dem verfahrensgegenständlichen Markt und die damit in Zusammenhang<br />
stehende Möglichkeit <strong>der</strong> Beschwerdeführerin, von einem<br />
bevorstehenden Markteintritt - etwa auf Grund <strong>der</strong> Planungs- und<br />
Bestellungsvorläufe bei Kapazitätserweiterungen von<br />
Zusammenschaltungsverbindungen - Kenntnis zu erlangen,<br />
unzutreffend wären.<br />
Die Beschwerdeführerin macht geltend, dass <strong>der</strong> (<strong>für</strong> den<br />
Markteintritt erfor<strong>der</strong>liche) Werbeaufwand keine<br />
Marktzutrittsschranke sein könne; dieser Aufwand lasse sich,<br />
selbst wenn er "Imageaufwand" sei, "bei einem Marktrückzug in den<br />
Privatkundenmarkt 'mitnehmen'".<br />
Zu diesem Vorbringen ist zunächst festzuhalten, dass sich die<br />
belangte Behörde entsprechend <strong>der</strong> Entscheidungspraxis <strong>der</strong><br />
Europäischen Kommission (vgl dazu Polster in Stratil, TKG 2003,<br />
Anm. 6 zu § 35 mwN) im angefochtenen Bescheid mit <strong>der</strong><br />
Wahrscheinlichkeit, <strong>der</strong> kurzfristigen Durchführbarkeit und <strong>der</strong><br />
Erheblichkeit von Marktzutritten auseinan<strong>der</strong> gesetzt hat. Dabei<br />
wurden (unter an<strong>der</strong>em) die zu tätigenden Aufwendungen <strong>für</strong> Werbung<br />
und Branding als Faktoren beurteilt, die die Wahrscheinlichkeit<br />
von Markteintritten verringern; (unter an<strong>der</strong>em) die "spezifisch<br />
auf dem gegenständlichen Markt dem alternativen Anbieter<br />
entstehenden und spezifisch dem Retailbereich zurechenbaren<br />
versunkenen Kosten durch typischerweise intensive Werbekampagnen<br />
zur Information einer hinreichenden Anzahl von Kunden über<br />
mögliche Wechselvorteile" wurden zudem als Umstände beurteilt, die<br />
kurzfristigen erheblichen Markteintritten entgegenstehen. Diese -<br />
im Zusammenhang mit einer Gesamtschau mehrerer <strong>für</strong> das Vorliegen<br />
von Marktzutrittsschranken relevanter Faktoren vorgenommene -<br />
Beurteilung ist nicht als unschlüssig zu erkennen. Der<br />
Beschwerdeführerin kann auch nicht in ihrer Ansicht gefolgt<br />
werden, dass beim Markteintritt erfor<strong>der</strong>liche Aufwendungen <strong>für</strong><br />
Werbung und Kundengewinnung nicht als Markteintrittsschranke - ein<br />
Faktor, <strong>der</strong> aus <strong>der</strong> Sicht eines potenziellen Markteinsteigers<br />
gegen den Markteintritt spricht - angesehen werden können<br />
(vgl explizit zu einem hohen Aufwand <strong>für</strong> Werbung und<br />
Kundenakquisition die Entscheidung <strong>der</strong> Europäischen Kommission von<br />
11. Juni 2003, COMP/M. 2947, Verbund/Energie-Allianz, ABl L 92/91<br />
vom 30. März 2004, Rz 135).<br />
Auch das Vorbringen <strong>der</strong> Beschwerdeführerin, wonach die<br />
Sättigung eines Marktes keine Marktzutrittsbarriere begründe,<br />
vermag keine Rechtswidrigkeit <strong>der</strong> von <strong>der</strong> belangten Behörde<br />
vorgenommenen Gesamtbeurteilung <strong>der</strong> Markteintrittsschranken<br />
aufzuzeigen. Marktsättigung ist ein Faktor, <strong>der</strong> Interessenten<br />
normalerweise von einer Investitionsentscheidung abhalten kann<br />
(vgl Schröter in Schröter/Jakob/Me<strong>der</strong>er, Kommentar zum<br />
Europäischen Wettbewerbsrecht, Rz 107 zu Art 82 mwN; vgl auch das<br />
Urteil des Gerichts erster Instanz <strong>der</strong> Europäischen Gemeinschaften<br />
vom 25. März 1999, Rs T-102/96, Gencor, Rz 232ff) und stellt damit<br />
eine Marktzutrittsschranke dar.<br />
Die Beschwerdeführerin rügt schließlich, dass es - entgegen<br />
den Ausführungen <strong>der</strong> belangten Behörde - auf die Möglichkeit neuer<br />
Anbieter zur Gewinnung signifikanter Marktanteile nicht ankomme;<br />
sie übersieht dabei, dass eine die Marktmacht hinreichend<br />
<strong>Vorlesung</strong>smaterialien Seite 128<br />
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disziplinierende Wirkung nur von Markteintritten in einem<br />
ausreichenden Umfang ausgehen kann, was in <strong>der</strong> Entscheidungspraxis<br />
<strong>der</strong> Europäischen Kommission unter dem Gesichtspunkt <strong>der</strong><br />
Erheblichkeit <strong>der</strong> Marktzutritte geprüft wird (vgl Polster in<br />
Stratil, TKG 2003, Anm. 6 zu § 35).<br />
2.8. Die Beschwerdeführerin bringt vor, dass die belangte<br />
Behörde Wechselkosten bei Anbieterwechsel unzutreffen<strong>der</strong>weise als<br />
Markteintrittschranken im Sinne des § 35 Abs 2 Z 2 TKG 2003<br />
beurteilt habe. Die Ausführungen im angefochtenen Bescheid seien<br />
mit <strong>der</strong> grundsätzlichen Fehlvorstellung behaftet, da<br />
"Marktbarrieren" und "Wechselbarrieren" sachlich gleichgesetzt<br />
würden. Bei Marktzutrittsbarrieren gehe es um Schanken, die ein<br />
Tätigwerden auf dem konkreten Markt hin<strong>der</strong>ten; Wechselbarrieren<br />
würden hingegen Hin<strong>der</strong>nisse dabei bezeichnen, einen Kunden im<br />
Rahmen des Tätigwerdens auf diesem Markt erfolgreich <strong>für</strong> die<br />
eigenen Produkte zu gewinnen.<br />
Mit diesem Vorbringen wird eine Rechtswidrigkeit des<br />
angefochtenen Bescheides nicht aufgezeigt, da das Bestehen von<br />
Wechselbarrieren aus <strong>der</strong> Sicht eines potenziellen Markteinsteigers<br />
eine Marktzutrittsbarriere darstellen kann (vgl dazu die bereis<br />
zitierte Entscheidung <strong>der</strong> Europäischen Kommission vom<br />
11. Juni 2003, Verbund/Energie-Allianz, Rz 135, in <strong>der</strong> die geringe<br />
Wechselbereitschaft als Marktzutrittsschranke beurteilt wurde;<br />
vgl auch das Urteil des Gerichts erster Instanz <strong>der</strong> Europäischen<br />
Gemeinschaften vom 22. Oktober 2002, Rs T-310/01, Schnei<strong>der</strong><br />
Electric SA, Rz 143).<br />
2.9. Die Beschwerde wirft <strong>der</strong> belangten Behörde ein<br />
unzutreffendes Verständnis bezüglich des Preisniveaus <strong>der</strong><br />
Beschwerdeführerin vor. Die belangte Behörde sei offenbar <strong>der</strong><br />
Rechtsmeinung, dass das Aufrechterhalten höherer Preise jedenfalls<br />
Ausdruck von Marktmacht sei, dies auch dann, wenn eine höhere<br />
Qualität bereitgestellt werde. Im "Versäumnis <strong>der</strong> Aufklärung des<br />
Verhältnisses von höherer Qualität" zum höheren Preis liege ein<br />
Rechtsfehler begründet; zudem sei <strong>der</strong> angefochtenen Bescheid in<br />
diesem Punkt unschlüssig begründet.<br />
Die Preissetzung ist ein das Verhalten am Markt (§ 35 Abs 2<br />
Z 13 TKG 2003) betreffendes Kriterium, das bei <strong>der</strong> - stets<br />
gesamthaft vorzunehmenden - Beurteilung des Vorliegens einer<br />
beherrschenden Stellung zu berücksichtigen ist. Die belangte<br />
Behörde hat festgestellt, dass die Beschwerdeführerin auf dem<br />
verfahrensgegenständlichen Markt (im Vergleich zum Inlandsmarkt)<br />
deutlich höhere Preisniveaus aufrechterhalten könne, sie biete<br />
eine höhere Tarifvielfalt und habe einen relativen Vorteil<br />
(gegenüber nicht als "Komplettanbieter" tätigen Betreibern) in den<br />
Preisgestaltungsmöglichkeiten. Diesen Feststellungen tritt die<br />
Beschwerdeführerin nicht entgegen, sie macht jedoch<br />
zusammengefasst geltend, dass die Preisunterschiede auf<br />
Qualitätsunterschieden beruhten und daher nicht Ausdruck von<br />
Marktmacht seien. Ein <strong>der</strong>artiges Vorbringen hat die<br />
Beschwerdeführerin jedoch im Verwaltungsverfahren nicht erstattet;<br />
das von ihr vorgelegte Privatgutachten führt vielmehr aus, es<br />
könne zumindest als fragwürdig betrachtet werden, "dass<br />
Auslandsgespräche <strong>der</strong> Telekom Austria grundsätzlich teurer sind<br />
als die <strong>der</strong> Privatanbieter"; weiters heißt es in diesem<br />
Privatgutachten, dass Preisunterschiede auch von Unterschieden in<br />
den Kostenstrukturen stammen könnten und eine Feststellung von<br />
Marktmacht <strong>der</strong> Beschwerdeführerin "anhand <strong>der</strong> Tarifstrukturen<br />
wenig bis gar keinen Sinn" mache, da die Preisstruktur <strong>der</strong><br />
Beschwerdeführerin "<strong>der</strong> Aufsicht und Genehmigungspflicht <strong>der</strong> RTR"<br />
(gemeint wohl: <strong>der</strong> belangten Behörde) unterliege. Konkretes<br />
Vorbringen, wonach die festgestellten unterschiedlichen<br />
Preisniveaus auf dem verfahrensgegenständlichen Markt auf<br />
Qualitätsunterschiede zurückzuführen wären, wurde im<br />
Verwaltungsverfahren nicht erstattet und stellt daher eine im<br />
<strong>Vorlesung</strong>smaterialien Seite 129<br />
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verwaltungsgerichtlichen Verfahren unzulässige Neuerung dar.<br />
2.10. Die Beschwerdeführerin wendet sich auch gegen die von<br />
<strong>der</strong> belangten Behörde angenommene niedrigere "Preissensibilität"<br />
von Nicht-Privatkunden. Die belangte Behörde hätte auch im Nicht-<br />
Privatkundenmarkt die Elastizität <strong>der</strong> Nachfrage in Bezug auf<br />
Preisverän<strong>der</strong>ungen prüfen müssen. Eine solche Überprüfung hätte<br />
zeigen können, dass Nicht-Privatkunden ebenso preissensitiv wie<br />
Privatkunden seien und ihr höhere Zahlungsbereitschaft auf <strong>der</strong><br />
Grundlage <strong>der</strong> höheren Qualität <strong>der</strong> Leistungen <strong>der</strong><br />
Beschwerdeführerin beruhe. Die belangte Behörde habe sich mit den<br />
von <strong>der</strong> Beschwerdeführerin im Verwaltungsverfahren diesbezüglich<br />
auf Grundlage eines Privatgutachtens vorgetragenen Bedenken nicht<br />
auseinan<strong>der</strong> gesetzt.<br />
Zu diesen Beschwerdeausführungen ist festzuhalten, dass die<br />
belangte Behörde im Zusammenhang mit <strong>der</strong> Prüfung von<br />
Markteintrittsschranken festgestellt hat, dass im<br />
verfahrensgegenständlichen Markt "Zuverlässigkeitsanfor<strong>der</strong>ungen<br />
und sonstige Qualitätsmerkmale" beson<strong>der</strong>s wichtig sind (gemeint<br />
offensichtlich: im Vergleich zum Markt <strong>für</strong> Auslandsgespräche <strong>für</strong><br />
Privatkunden). Eine höhere Preissensitivität von Privatkunden im<br />
Vergleich zu Nichtprivatkunden wird im angefochtenen Bescheid -<br />
an<strong>der</strong>s als in dem von <strong>der</strong> Beschwerdeführerin vorgelegten, hier<br />
nicht verfahrensgegenständlichen Beschluss <strong>der</strong> belangten Behörde<br />
betreffend den Markt "Auslandsgespräche <strong>für</strong> Privatkunden über das<br />
öffentliche Telefonnetz an festen Standorten" - nicht<br />
festgestellt; dass aber Zuverlässigkeits- und<br />
Qualitätsanfor<strong>der</strong>ungen im verfahrensgegenständlichen Markt von<br />
wesentlicher Bedeutung ("beson<strong>der</strong>s wichtig") sind, stellt auch die<br />
Beschwerdeführerin - die in ihrem Vorbringen auch von einer<br />
höheren Qualität ihrer Leistungen ausgeht - nicht in Abrede. Der<br />
belangten Behörde kann nicht mit Erfolg entgegengetreten werden,<br />
wenn sie das Vorliegen solcher Anfor<strong>der</strong>ungen als einen Faktor<br />
beurteilt, <strong>der</strong> aus Kundensicht gegen den Wechsel zu einem an<strong>der</strong>en<br />
Anbieter sprechen kann und somit eine Wechselbarriere darstellt.<br />
2.11. Die Beschwerdeführerin rügt, dass die belangte Behörde<br />
unzutreffen<strong>der</strong>weise annehme, dass die Ausgaben <strong>für</strong><br />
Auslandstelefonie einen bloß geringen Anteil an den Gesamtausgaben<br />
<strong>der</strong> Nicht-Privatkunden ausmachten; diesbezügliche Ausführungen<br />
sind jedoch dem angefochtenen Bescheid nicht zu entnehmen.<br />
2.12. Im Hinblick auf die Beurteilung <strong>der</strong> Umsatzrentabilität<br />
bringt die Beschwerdeführerin im Wesentlichen vor, dass die<br />
belangte Behörde "unbesehen von einem erhöhten Preisniveau auf ein<br />
Vorliegen des Marktmachtindikators <strong>der</strong> Preisgestaltung" schließe.<br />
Diesem Vorbringen kann nicht gefolgt werden, da sich die im<br />
Zusammenhang mit <strong>der</strong> Performanceanalyse stehenden Ausführungen zur<br />
Umsatzrentabilität im angefochtenen Bescheid auf die im Gutachten<br />
<strong>der</strong> Amtssachverständigen errechnete Umsatzrentabilität (auf dem<br />
verfahrensgegenständlichen Markt) als Verhältnis von EGT zum<br />
Umsatz beziehen und sohin keineswegs nur auf das Preisniveau<br />
(son<strong>der</strong>n auch auf die <strong>für</strong> die Erstellung <strong>der</strong> Leistungen<br />
anfallenden Kosten) abstellen.<br />
2.13. Die Beschwerdeführerin rügt zwar zu Recht, dass es die<br />
belangte Behörde unterlassen hat, einen Vergleich <strong>der</strong><br />
Umsatzrentabilität <strong>der</strong> Beschwerdeführerin zur Umsatzrentabilität<br />
ihrer Konkurrenten anzustellen, obgleich nach dem auf <strong>der</strong><br />
Grundlage des Gutachtens <strong>der</strong> Amtssachverständigen festgestellten<br />
Sachverhalt eine hohe Rentabilität "im Vergleich zu Konkurrenten"<br />
gegebenenfalls den Schluss auf eine starke Marktposition zulasse.<br />
Sie hat jedoch we<strong>der</strong> im Verwaltungsverfahren noch nunmehr in <strong>der</strong><br />
Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof vorgebracht, dass die von<br />
<strong>der</strong> belangten Behörde ihrer Entscheidung zu Grunde gelegte Annahme<br />
einer im Vergleich zu den Mitbewerbern hohen Umsatzrentabilität<br />
unzutreffend wäre, sodass die Relevanz des Verfahrensmangels nicht<br />
erkennbar ist.<br />
<strong>Vorlesung</strong>smaterialien Seite 130<br />
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2.14. Nach Auffassung <strong>der</strong> Beschwerdeführerin sind die<br />
Ausführungen <strong>der</strong> belangten Behörde zum Thema "Bündelung"<br />
unrichtig. Beim Telefonieren liege ein Bündelungsprodukt im<br />
wettbewerbsrechtlichen Sinne nicht vor. Das Telefonieren über<br />
einen festen Anschluss sei immer ein einheitliches Produkt, das<br />
die Herstellung von Telefonverbindungen auf Grundlage eines<br />
bestehenden Anschlusses umfasse. Die belangte Behörde vermöge<br />
nicht darzulegen, worin die Gefahr <strong>der</strong> Marktmachtübertragung<br />
bestehen solle. Es wäre sachbezogen aufzuzeigen gewesen, aus<br />
welchen Gründen eine unter Wettbewerbsgesichtspunkten<br />
problematische Bündelung anzunehmen sei. Infolge<br />
Verbindungsnetzbetreiber(vor)auswahl sei eine solche<br />
Marktmachtübertragung nicht vorstellbar; diese garantiere die<br />
Freiheit des Endkunden zur je<strong>der</strong>zeitigen Wahl des<br />
Verbindungsnetzbetreibers und schließe damit jede denkbare<br />
Marktmachtübertragung aus.<br />
Dieses Vorbringen bezieht sich offenbar auf die Beurteilung<br />
<strong>der</strong> Wettbewerbsprobleme im angefochtenen Bescheid, wonach (ua)<br />
"die Gefahr <strong>der</strong> horizontalen Marktmachtübertragung durch Anbieten<br />
von Bündelprodukten, die von Mitbewerbern nur bedingt repliziert<br />
werden können", bestehe; diese Problematik werde auf dem<br />
bestehenden Markt durch die "hohe Bedeutung individueller<br />
Gesamtlösungen (zB Bündelung mit Produkten, die außerhalb <strong>der</strong><br />
TKMVO 2003 liegen)" noch verschärft. Die belangte Behörde hat<br />
damit das potenzielle Wettbewerbsproblem <strong>der</strong> Marktmachtübertragung<br />
nachvollziehbar dargelegt; die Beschwerdeausführungen treten den<br />
Ausführungen nicht konkret entgegen und zeigen nicht auf, aus<br />
welchen Gründen diese Beurteilung unzutreffend sein sollte, zumal<br />
auch die Möglichkeit <strong>der</strong> Verbindungsnetzbetreiber(vor)auswahl <strong>für</strong><br />
Endkunden dem Anbieten von Bündelprodukten durch die<br />
Beschwerdeführerin nicht im Wege stünde.<br />
2.15. Die Beschwerdeführerin macht geltend, es sei<br />
offensichtlich unzutreffend, dass sie über "überlegene<br />
internationale Partnerstrukturen" verfüge; die führenden<br />
österreichischen alternativen Betreiber seien allesamt<br />
Tochterfirmen großer ausländischer Telekomkonzerne und würden über<br />
wesentlich bessere internationale Partnerstrukturen als die<br />
Beschwerdeführerin verfügen.<br />
Zu diesem Vorbringen ist darauf zu verweisen, dass im<br />
angefochtenen Bescheid "überlegene internationale<br />
Partnerstrukturen" nicht - wie von <strong>der</strong> Beschwerdeführerin<br />
behauptet - festgestellt wurden; die belangte Behörde hat vielmehr<br />
im Zusammenhang mit <strong>der</strong> Frage <strong>der</strong> Wechselbarrieren<br />
Qualitätsvorsprünge <strong>der</strong> Beschwerdeführerin unter an<strong>der</strong>em auf Grund<br />
einer historisch gewachsenen internationalen (Partner-<br />
)Netzstruktur in die Abwägung einbezogen. Die Beschwerdeführerin<br />
behauptet we<strong>der</strong>, dass sie über keine historisch gewachsene<br />
internationale (Partner-)Netzstruktur verfügen würde, noch dass<br />
sich daraus keine Qualitätsvorsprünge ergäben, sodass ein<br />
relevanter Verfahrensmangel schon aus diesem Grund nicht vorliegt.<br />
2.16. Die Beschwerdeführerin behauptet, dass die belangte<br />
Behörde auch <strong>der</strong> Bedeutung des "Voice-over-Internet" nicht<br />
ausreichend Rechnung getragen habe. Obgleich das<br />
Regulierungsinstrumente-Gutachten in diesem Zusammenhang von "bei<br />
Auslandsgesprächen generell erwartetem hohen Innovationspotenzial"<br />
spreche, habe die belangte Behörde sich mit einer Pauschalaussage<br />
dahingehend begnügt, dass die genannten Einflussfaktoren in naher<br />
Zukunft ohnedies nicht wirksam würden und den Sachverhalt nicht<br />
weiter erhoben. Hätte die belangte Behörde den Sachverhalt<br />
aufgeklärt, so hätte sie zum Ergebnis gelangen können, dass dieser<br />
Faktor dazu beitrage, dass die Beschwerdeführerin im<br />
verfahrensgegenständlichen Markt "nicht über relevante Marktmacht<br />
verfügt."<br />
Auch mit diesem Vorbringen wird ein relevanter<br />
<strong>Vorlesung</strong>smaterialien Seite 131<br />
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Verfahrensmangel nicht aufgezeigt, da die Beschwerdeführerin nicht<br />
darlegt, zu welchen Sachverhaltsfeststellungen die belangte<br />
Behörde in diesem Zusammenhang hätte kommen können, welche die von<br />
<strong>der</strong> belangten Behörde zu treffende rechtliche Beurteilung über das<br />
Vorliegen beträchtlicher Marktmacht iSd § 35 TKG 2003 hätten<br />
än<strong>der</strong>n können. Auch hat die belangte Behörde im angefochtenen<br />
Bescheid ausdrücklich festgehalten, dass es ungewiss sei, welche<br />
Unternehmen von den zu erwartenden Innovationsschüben wie zB VoIP<br />
am besten profitieren könnten; dem ist die Beschwerdeführerin<br />
nicht entgegengetreten.<br />
3. Nach <strong>der</strong> Auseinan<strong>der</strong>setzung mit den einzelnen in § 35<br />
Abs 2 TKG 2003 angeführten Kriterien rügt die Beschwerdeführerin<br />
weiters, die belangte Behörde habe im angefochtenen Bescheid auch<br />
im Ergebnis eine unzutreffende Gesamtbeurteilung vorgenommen.<br />
Hiezu ist zunächst festzuhalten, dass die Beurteilung <strong>der</strong><br />
Marktposition stets in einer Gesamtschau unter Berücksichtigung<br />
all jener - in § 35 Abs 2 TKG 2003 demonstrativ aufgezählten, <strong>der</strong><br />
Rechtsprechung zum Wettbewerbsrecht <strong>der</strong> Gemeinschaft<br />
entsprechenden - Kriterien zu erfolgen hat, die <strong>für</strong> den zu<br />
untersuchenden Markt in <strong>der</strong> jeweiligen Wettbewerbssituation<br />
relevant sind. Das Vorliegen beträchtlicher Marktmacht im Sinne<br />
des § 35 Abs 1 TKG 2003 kann aus einer Kombination dieser<br />
Kriterien abgeleitet werden, die <strong>für</strong> sich alleine genommen nicht<br />
notwendigerweise entscheidend sind (vgl Leitlinien, Rz 79).<br />
3.1. Der Beschwerdeführerin kann nicht darin gefolgt werden,<br />
dass die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid bei <strong>der</strong><br />
Beurteilung <strong>der</strong> Marktverhältnisse in einengen<strong>der</strong> Weise primär auf<br />
einen Gesichtspunkt abstellt. Die Beschwerdeführerin zitiert in<br />
diesem Zusammenhang die im angefochtenen Bescheid im Rahmen <strong>der</strong><br />
rechtlichen Beurteilung in Abschnitt 6.2. vorgenommene<br />
"zusammenfassende Beurteilung <strong>der</strong> wettbewerblichen Situation",<br />
wonach die Wettbewerbsproblematik am gegenständlichen Markt<br />
"primär in <strong>der</strong> Beständigkeit <strong>der</strong> Marktbarrieren" liegt.<br />
Dieser Abschnitt folgt unmittelbar auf eine eingehende<br />
Auseinan<strong>der</strong>setzung mit den <strong>für</strong> das Vorliegen beträchtlicher<br />
Marktmacht relevanten Kriterien, wobei im ersten Satz dieses<br />
Abschnitts ausdrücklich auf die zusammenfassende Würdigung <strong>der</strong><br />
untersuchten Kriterien verwiesen und festgehalten wird, dass die<br />
Beschwerdeführerin als Unternehmen mit beträchtlicher Marktmacht<br />
im Sinne des § 35 TKG 2003 einzustufen ist. Der nachfolgende, von<br />
<strong>der</strong> Beschwerdeführerin angesprochene Satz bringt zum Ausdruck, auf<br />
welche - sich aus dem Vorliegen beträchtlicher Marktmacht<br />
ergebenden - Wettbewerbsprobleme bei <strong>der</strong> Auswahl <strong>der</strong> nach § 37<br />
Abs 2 TKG 2003 aufzuerlegenden spezifischen Verpflichtungen<br />
(beson<strong>der</strong>s) Bedacht zu nehmen ist. Dass die belangte Behörde bei<br />
<strong>der</strong> Beurteilung <strong>der</strong> Marktmacht <strong>der</strong> Beschwerdeführerin nur auf<br />
diesen Aspekt abgestellt hat, lässt sich daraus nicht ableiten.<br />
Soweit die Beschwerdeführerin auch in diesem Zusammenhang die<br />
Beurteilung <strong>der</strong> Wechselbarrieren durch die belangte Behörde rügt,<br />
kann auf die Ausführungen zu den Punkten 2.8 und 2.10. verwiesen<br />
werden.<br />
3.2. Die Beschwerdeführerin macht geltend, dass die belangte<br />
Behörde Einflüsse, die "aus umgebenden Märkten herrühren" und die<br />
Marktmacht <strong>der</strong> Beschwerdeführerin begrenzen, nicht berücksichtigt<br />
habe und rügt dies unter dem Beschwerdegrund <strong>der</strong><br />
Ergänzungsbedürftigkeit des Sachverhalts. Der pauschale Hinweis<br />
auf "jene Schranken, die sich <strong>für</strong> die Telekom Austria auf dem<br />
Markt <strong>für</strong> Auslandsverbindungen <strong>für</strong> Nicht-Privatkunden aus dem<br />
Markt <strong>für</strong> Mobilfunkleistungen und dem Internet (Voice-over-<br />
Internetprotokoll) ergeben," zeigt jedoch keine konkreten<br />
Einflüsse auf, die zu einem an<strong>der</strong>en Ergebnis hätten führen können,<br />
sodass die Beschwerde die Relevanz des behaupteten<br />
Verfahrensmangels nicht zu belegen vermag.<br />
3.3. Unter <strong>der</strong> Zwischenüberschrift "Unzureichende Würdigung<br />
<strong>Vorlesung</strong>smaterialien Seite 132<br />
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des Verhältnisses zum Privatkundenmarkt" legt die Beschwerde<br />
(zusammengefasst) lediglich dar, dass zwischen dem<br />
verfahrensgegenständlichen Markt und dem Markt <strong>für</strong><br />
Auslandsgespräche von Privatkunden über das öffentliche<br />
Telefonnetz an festen Standorten keine <strong>für</strong> die Beurteilung <strong>der</strong><br />
Marktmacht <strong>der</strong> Beschwerdeführerin relevanten Unterschiede<br />
bestünden; wie bereits oben zu Punkt 2.6. ausgeführt, ist im<br />
Beschwerdefall jedoch ausschließlich die Rechtmäßigkeit des<br />
angefochtenen Bescheides zu beurteilen. Der Verwaltungsgerichtshof<br />
kann nicht erkennen, dass die von <strong>der</strong> belangten Behörde<br />
vorgenommene gesamthafte Würdigung <strong>der</strong> Kriterien des § 35 Abs 2<br />
TKG 2003 unzutreffend wäre; ob die belangte Behörde auf einem<br />
an<strong>der</strong>en, möglicherweise vergleichbaren Markt zu einem an<strong>der</strong>en<br />
Ergebnis gekommen ist, ist damit <strong>für</strong> die Beurteilung <strong>der</strong><br />
Rechtmäßigkeit des vorliegend angefochtenen Bescheides nicht von<br />
Bedeutung.<br />
3.3. Zu <strong>der</strong> in Punkt V.A.4 <strong>der</strong> Beschwerde angesprochenen<br />
Frage <strong>der</strong> Marktmachtübertragung und Bündelung ist zunächst auf die<br />
Ausführungen oben zu Punkt 2.14. zu verweisen. Auch die<br />
wie<strong>der</strong>holte Behauptung <strong>der</strong> Beschwerdeführerin, dass das<br />
Regulierungsinstrument <strong>der</strong> Verbindungsnetzbetreiber(vor)auswahl<br />
die Übertragung von Marktmacht "kategorisch" ausschließe, lässt<br />
die von <strong>der</strong> belangten Behörde festgestellten Möglichkeiten <strong>der</strong><br />
Beschwerdeführerin, Bündelprodukte insbeson<strong>der</strong>e "mit Produkten,<br />
die außerhalb <strong>der</strong> TKMVO 2003 liegen", anzubieten, unbeachtet.<br />
4. Die Beschwerdeführerin erachtet sich durch den<br />
angefochtenen Bescheid auch in ihrem Recht verletzt, gemäß § 37<br />
Abs 2 TKG 2003 keine spezifischen Verpflichtungen auferlegt zu<br />
erhalten. Der angefochtene Bescheid verletze die<br />
Beschwerdeführerin schließlich in ihrem Recht,<br />
Regulierungsmaßnahmen nur nach Maßgabe des Grundsatzes <strong>der</strong><br />
Verhältnismäßigkeit, "insbeson<strong>der</strong>e in Hinblick auf das Primat von<br />
Verpflichtungen gemäß §§ 38 - 42 o<strong>der</strong> § 46 TKG 2003" auferlegt zu<br />
erhalten.<br />
4.1. Wie <strong>der</strong> Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom<br />
6. September 2005, Zl 2005/03/0088, ausgeführt hat, hat die<br />
Telekom-Control-Kommission gemäß § 37 Abs 2 TKG 2003, wenn sie<br />
feststellt, dass ein Unternehmen auf dem relevanten Markt über<br />
beträchtliche Marktmacht verfügt und somit kein effektiver<br />
Wettbewerb besteht, zwingend geeignete spezifische Verpflichtungen<br />
aufzuerlegen und damit eine Auswahl unter den gesetzlich<br />
vorgesehenen Regulierungsinstrumenten vorzunehmen. Gemäß § 34<br />
Abs 1 TKG 2003 hat die Telekom-Control-Kommission dabei<br />
insbeson<strong>der</strong>e den Maßstab <strong>der</strong> Verhältnismäßigkeit zu wahren. Unter<br />
dem Gesichtspunkt <strong>der</strong> Verhältnismäßigkeit <strong>der</strong> Auferlegung<br />
spezifischer Verpflichtungen ist nicht zu prüfen, ob eine<br />
Verpflichtung auferlegt wird, son<strong>der</strong>n lediglich welche <strong>der</strong> nach<br />
dem Gesetz grundsätzlich in Betracht kommenden Verpflichtungen zur<br />
Behebung des Wettbewerbsproblems geeignet und erfor<strong>der</strong>lich sind;<br />
stehen mehrere geeignete Maßnahmen zur Auswahl, ist die am<br />
wenigsten belastende zu wählen.<br />
Wie bereits dargelegt, ist die von <strong>der</strong> belangten Behörde in<br />
Spruchpunkt 1. des angefochtenen Bescheides vorgenommene<br />
Beurteilung, dass die Beschwerdeführerin im<br />
verfahrensgegenständlichen Markt über beträchtliche Marktmacht<br />
verfügt, nicht als rechtswidrig anzusehen. In einem nächsten<br />
Schritt ist daher die Rechtmäßigkeit <strong>der</strong> in Spruchpunkt 2. des<br />
angefochtenen Bescheides festgelegten spezifischen Verpflichtungen<br />
zu überprüfen.<br />
4.2. Beim verfahrensgegenständlichen Markt handelt es sich um<br />
den Endkundenmarkt <strong>für</strong> "Auslandsgespräche <strong>für</strong> Nichtprivatkunden<br />
über das öffentliche Telefonnetz an festen Standorten"; als<br />
Regulierungsmaßnahmen nach dem 5. Abschnitt des TKG 2003 kommen<br />
daher grundsätzlich die in § 43 iVm § 45 TKG 2003 geregelten<br />
<strong>Vorlesung</strong>smaterialien Seite 133<br />
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Verpflichtungen in Betracht, welche (im Wesentlichen) auf Art 17<br />
<strong>der</strong> Universaldienstrichtlinie zurückgehen.<br />
Neben dem allgemeinen Grundsatz <strong>der</strong> Verhältnismäßigkeit (§ 34<br />
Abs 1 TKG 2003) ist bei <strong>der</strong> Auferlegung von spezifischen<br />
Verpflichtungen auf Endkundenmärkten auch <strong>der</strong> Grundsatz <strong>der</strong><br />
Subsidiarität <strong>der</strong> Endkundenmärkte-Regulierung nach § 43 Abs 1 Z 2<br />
TKG 2003 zu berücksichtigen; demnach ist Voraussetzung <strong>für</strong> die<br />
Auferlegung <strong>der</strong> in § 43 Abs 2 und 3 TKG 2003 vorgesehenen<br />
spezifischen Verpflichtungen, dass spezifische Verpflichtungen<br />
nach §§ 38 bis 42 (Verpflichtungen auf Vorleistungsmärkten) o<strong>der</strong><br />
§ 46 (Verbindungsnetzbetreiber(vor)auswahl) nicht zur Erreichung<br />
<strong>der</strong> in § 1 Abs 2 TKG 2003 vorgegebenen Ziele führen würden<br />
(vgl dazu auch Art 17 Abs 1 Universaldienstrichtlinie und - darauf<br />
bezogen - Erwägungsgrund 26 zur Universaldienstrichtlinie).<br />
4.3. Die belangte Behörde hat im angefochtenen Bescheid<br />
zutreffend festgehalten, dass von <strong>der</strong> Regulierungsbehörde daher<br />
eine Prognoseentscheidung über die Effekte einer Regulierung auf<br />
"Vorleistungsebene" auf die nachgelagerten Verbindungsmärkte zu<br />
treffen ist (wobei im gegebenen Zusammenhang <strong>der</strong> Begriff<br />
"Vorleistungsregulierung" auch die - auf einen Endkundenmarkt<br />
bezogene - spezifische Verpflichtung nach § 46 TKG 2003 einschließt).<br />
In <strong>der</strong> Folge setzt sich die belangte Behörde im angefochtenen<br />
Bescheid mit <strong>der</strong> Verpflichtung zur<br />
Verbindungsnetzbetreiber(vor)auswahl sowie <strong>der</strong> Verpflichtung zum<br />
Wie<strong>der</strong>verkauf <strong>der</strong> Teilnehmeranschlussleistung ("Resale")<br />
auseinan<strong>der</strong> und kommt zum Ergebnis, dass diese Instrumente <strong>der</strong><br />
"Vorleistungsregulierung" nicht geeignet seien, den auf dem<br />
verfahrensgegenständlichen Markt bestehenden Wettbewerbsproblemen<br />
zu begegnen.<br />
Die Beschwerdeführerin zieht diese Beurteilung in Zweifel und<br />
rügt, dass <strong>der</strong> angefochtene Bescheid (unter an<strong>der</strong>em) in diesem<br />
Punkt nicht ausreichend und nachvollziehbar begründet sei. Es kann<br />
jedoch dahingestellt bleiben, ob diese Einwendungen zutreffen, da<br />
<strong>der</strong> Beschwerde schon aus einem an<strong>der</strong>en Grund Erfolg beschieden ist:<br />
4.4. Die Beschwerdeführerin macht geltend, dass alle<br />
"Vorleistungsregulierungsmaßnahmen" im Hinblick auf ihre Eignung<br />
zur Beseitigung <strong>der</strong> (von <strong>der</strong> Beschwerdeführerin bestrittenen)<br />
Wettbewerbsprobleme auf dem verfahrensgegenständlichen Markt zu<br />
untersuchen seien.<br />
Diesem Vorbringen kommt Berechtigung zu. Die nach § 43 Abs 1<br />
Z 2 TKG 2003 vorzunehmende Beurteilung, dass die dort genannten<br />
spezifischen Verpflichtungen nicht zur Erreichung <strong>der</strong> in § 1 Abs 2<br />
TKG 2003 vorgegebenen Ziele führen würden, erfor<strong>der</strong>t eine<br />
Prognoseentscheidung über die Auswirkungen aller dieser Maßnahmen<br />
<strong>der</strong> "Vorleistungsregulierung" auf den verfahrensgegenständlichen<br />
Endkundenmarkt. Die belangte Behörde hat in Verkennung <strong>der</strong><br />
Rechtslage lediglich zwei spezifische Verpflichtungen in ihre<br />
Beurteilung einbezogen; sie hat nicht dargelegt, ob und<br />
gegebenenfalls in welcher Weise weitere <strong>der</strong> Beschwerdeführerin<br />
auferlegte o<strong>der</strong> aufzuerlegende spezifische Verpflichtungen nach<br />
den §§ 38 bis 42 TKG 2003 Auswirkungen auf die Erfor<strong>der</strong>lichkeit<br />
von Regulierungsmaßnahmen nach § 43 Abs 2 und 3 TKG 2003 haben.<br />
Sie hat damit, wie die Beschwerdeführerin unter Hinweis (ua) auf<br />
Erwägungsgrund 26 zur Universaldienstrichtlinie zutreffend<br />
aufzeigt, die "gebührende Prüfung" <strong>der</strong> Instrumente <strong>der</strong><br />
Vorleistungsregulierung unterlassen und den angefochtenen Bescheid<br />
daher mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastet.<br />
4.5. Vor diesem Hintergrund erweist sich eine Beurteilung <strong>der</strong><br />
Rechtmäßigkeit <strong>der</strong> konkret auferlegten Regulierungsmaßnahmen als<br />
nicht möglich; aus Gründen <strong>der</strong> Verfahrensökonomie sei jedoch<br />
darauf hingewiesen, dass die Auferlegung einer spezifischen<br />
Verpflichtung betreffend die Kostenrechung auf dem<br />
verfahrensgegenständlichen Endkundenmarkt nicht auf die Bestimmung<br />
des § 40 TKG 2003, welche Vorleistungsmärkte betrifft, gestützt<br />
<strong>Vorlesung</strong>smaterialien Seite 134<br />
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werden kann.<br />
5. Gemäß § 37 Abs 2 TKG 2003 sind einem Unternehmen mit<br />
beträchtlicher Marktmacht zwingend spezifische Verpflichtungen<br />
aufzuerlegen. Wie auch in den Leitlinien (Rz 114) ausgeführt wird,<br />
ist die Feststellung allein, dass ein Unternehmen über<br />
beträchtliche Marktmacht verfügt, ohne die Auferlegung geeigneter<br />
Verpflichtungen, nicht mit den Bestimmungen des neuen<br />
Rechtsrahmens, insbeson<strong>der</strong>e nicht mit Art 16 Abs 4 <strong>der</strong><br />
Rahmenrichtlinie, vereinbar. Auch wenn die Rechtswidrigkeit sich<br />
im vorliegenden Beschwerdefall (nur) auf die in Spruchpunkt 2.<br />
erfolgte Festlegung spezifischer Verpflichtungen bezieht, erweist<br />
sich <strong>der</strong> Spruch des angefochtenen Bescheides vor dem Hintergrund<br />
<strong>der</strong> zitierten Rechtsvorschriften somit als nicht teilbar. Auch<br />
Spruchpunkt 3. kann <strong>für</strong> sich allein keinen Bestand haben, da nach<br />
§ 133 Abs 7 TKG 2003 die bescheidmäßige Auferlegung von<br />
Verpflichtungen nach § 37 Abs 2 TKG 2003 o<strong>der</strong> die Aufhebung von<br />
Verpflichtungen nach § 37 Abs 3 TKG 2003 Voraussetzung <strong>für</strong> den<br />
Wegfall <strong>der</strong> nach dem TKG (1997) bestehenden Verpflichtungen ist.<br />
6. Der angefochtene Bescheid war daher wegen Rechtswidrigkeit<br />
seines Inhaltes gemäß § 42 Abs 2 Z 1 VwGG aufzuheben.<br />
Der Ausspruch über den Aufwan<strong>der</strong>satz gründet sich auf die<br />
§§ 47 ff VwGG iVm <strong>der</strong> VwGH-Aufwan<strong>der</strong>satzverordnung 2003, BGBl II<br />
Nr 333.<br />
Wien, am 22. November 2005<br />
Schlagworte<br />
Auslegung unbestimmter Begriffe VwRallg3/4<br />
Definition von Begriffen mit allgemeiner Bedeutung VwRallg7<br />
Gemeinschaftsrecht Richtlinie Umsetzungspflicht EURallg4/2<br />
Gemeinschaftsrecht Terminologie Definition von Begriffen EURallg8<br />
Trennbarkeit geson<strong>der</strong>ter Abspruch<br />
Dokumentnummer<br />
JWT/2005030109/20051122X00<br />
<strong>Vorlesung</strong>smaterialien Seite 135<br />
http://www.ris.bka.gv.at/taweb-cgi/taweb?x=d&o=d&v=vwgh&d=VwGHT&i=62625...<br />
Seite 28 von 28<br />
01.06.2006
Bescheid <strong>der</strong> TKK vom 20.03.2006, M 6/03-85<br />
<strong>Vorlesung</strong>smaterialien Seite 136
M 6/03-85<br />
Die Telekom-Control-Kommission hat durch Dr. Eckhard Hermann als Vorsitzenden<br />
sowie durch Dr. Erhard Fürst und Univ. Prof. DI Dr. Gottfried Magerl als weitere<br />
Mitglie<strong>der</strong> in <strong>der</strong> Sitzung vom 20.3.2006 nach amtswegiger Einleitung des Verfahrens<br />
M 6/03 einstimmig folgenden<br />
beschlossen:<br />
Bescheid<br />
I. Spruch<br />
1. Gemäß § 37 Abs. 2 erster Satz TKG 2003 wird festgestellt, dass die<br />
Telekom Austria AG auf dem Markt <strong>für</strong> Auslandsgespräche <strong>für</strong> Nichtprivatkunden<br />
über das öffentliche Telefonnetz an festen Standorten (Endkundenmarkt)<br />
gemäß § 1 Z 6 <strong>der</strong> Telekommunikationsmärkteverordnung 2003 über beträchtliche<br />
Marktmacht verfügt.<br />
2. Telekom Austria AG werden gemäß § 37 Abs. 2 TKG 2003 folgende<br />
spezifische Verpflichtungen auferlegt:<br />
2.1. Die Telekom Austria AG hat gemäß § 43 Abs. 1 iVm Abs. 2 iVm Abs. 3<br />
TKG 2003 ihre Allgemeinen Geschäftsbedingungen inklusive Dienstebeschreibungen<br />
sowie ihre Endkundenentgelte, ausgenommen Aktionsangebote bis zu<br />
einer Dauer von drei Monaten, <strong>der</strong> Regulierungsbehörde vorab zur Genehmigung<br />
vorzulegen. Die Endkundenentgelte müssen dem Maßstab <strong>der</strong> Kosten-<br />
orientierung entsprechen.<br />
<strong>Vorlesung</strong>smaterialien Seite 137
Von <strong>der</strong> Kostenorientierung sind folgende Verbindungsentgelte umfasst:<br />
a) Tarife <strong>für</strong> Gespräche zu allen Auslandszonen und zu ausländischen<br />
Mobilnetzen,<br />
b) Tarife <strong>für</strong> Gespräche innerhalb VPNs, sofern die Kommunikation über Netzab-<br />
schlusspunkte des öffentlichen Telefonnetzes erfolgt,<br />
c) Verbindungsnetzbetrieb durch Telekom Austria AG („Dial 1001“) betreffend die<br />
genannten Verbindungsprodukte gemäß a) – b)<br />
d) Rabatte betreffend a) - c).<br />
2.2. Die Telekom Austria AG hat gemäß § 43 Abs. 4 TKG 2003 zur Verhin<strong>der</strong>ung unerlaubter<br />
Quersubventionierung erstmals bezogen auf das Jahr 2004 ihre Kosten und Erträge<br />
auf dem vorliegenden Markt getrennt von den übrigen von ihr angebotenen Produkten und<br />
geglie<strong>der</strong>t nach den Märkten <strong>der</strong> Telekommunikationsmärkteverordnung 2003 in einem Kostenrechnungssystem<br />
aufzuschlüsseln („getrennte Buchführung“). In diesem Zusammenhang<br />
sind entsprechend den Anfor<strong>der</strong>ungen <strong>der</strong> Regulierungsbehörde zumindest folgende Informationen<br />
bereitzustellen:<br />
• Erträge,<br />
• Kosten (unterscheidbar nach Personalkosten, Kosten <strong>für</strong> Abschreibungen von Anlagegütern,<br />
Kapitalkosten und sonstigen Kosten),<br />
• detaillierter Anlagenspiegel des Unternehmens, Personalkennzahlen, Kostentreiber<br />
wie insbeson<strong>der</strong>e die Verkehrsmengen und sonstige <strong>für</strong> die Überprüfung <strong>der</strong> Kostenrechnung<br />
notwendigen Informationen.<br />
3. Sämtliche auf Grund <strong>der</strong> festgestellten marktbeherrschenden Stellung nach § 33 TKG<br />
(1997) iVm § 133 Abs. 7 TKG 2003 bis zur Rechtskraft dieses Bescheides geltenden Verpflichtungen<br />
<strong>der</strong> Telekom Austria AG in Bezug auf die Leistungen hinsichtlich des Spruchpunktes<br />
2.1. werden gemäß § 37 Abs. 2 S 2 TKG 2003 mit Rechtskraft dieses Bescheides<br />
aufgehoben.<br />
A. Verfahrensablauf<br />
II. Begründung<br />
Mit Beschluss <strong>der</strong> Telekom-Control-Kommission vom 20.10.2003 wurde das gegenständliche<br />
Verfahren zu M 6/03 gemäß § 37 TKG 2003 amtswegig eingeleitet.<br />
Darüber hinaus wurden Dr. Wolfgang Briglauer, Dr. Po-Wen Liu, Dr. Martin Lukanowicz,<br />
Mag. Martin Pahs und DI Kurt Reichinger gemäß § 52 Abs. 1 AVG zu Amtssachverständigen<br />
bestellt und mit <strong>der</strong> Erstellung eines wirtschaftlichen Gutachtens (in <strong>der</strong> Folge Marktanalyse-<br />
Gutachten) zur Frage beauftragt, ob auf dem Markt „Auslandsgespräche <strong>für</strong> Nichtprivatkunden<br />
über das öffentliche Telefonnetz an festen Standorten (Endkundenmarkt)“ gemäß<br />
§ 1 Z 6 <strong>der</strong> Telekommunikationsmärkteverordnung 2003 (TKMVO 2003) aus wirtschaftlicher<br />
<strong>Vorlesung</strong>smaterialien Seite 138<br />
2
Sicht Wettbewerb herrscht bzw. ob ohne Regulierung aus wirtschaftlicher Sicht selbsttragen<strong>der</strong><br />
Wettbewerb vorläge. In diesem Zusammenhang waren auch jene Faktoren und Wettbewerbsprobleme<br />
zu identifizieren, die einem solchen gegebenenfalls entgegenstehen. Ferner<br />
war durch die Gutachter das Vorliegen ökonomischer Marktmacht zu untersuchen, wobei<br />
insbeson<strong>der</strong>e die Kriterien des § 35 Abs. 2 und 4 TKG 2003 nach Maßgabe ihrer Relevanz<br />
<strong>für</strong> den gegenständlichen Markt zu berücksichtigen waren.<br />
Weiters hat die Telekom-Control-Kommission die Rundfunk und Telekom Regulierungs-<br />
GmbH (RTR-GmbH) am 20.10.2003 ersucht, die <strong>für</strong> die Gutachtenserstellung erfor<strong>der</strong>lichen<br />
Daten in Abstimmung mit den Amtssachverständigen beizuschaffen.<br />
Die RTR-GmbH leitete daraufhin das Verfahren VBAF2003 zur Ermittlung des entscheidungsrelevanten<br />
Sachverhalts im gegenständlichen Verfahren ein. Im Zuge dieses Verfahrens<br />
wurde an alle betroffenen Unternehmen ein Auskunftsersuchen zur Übermittlung <strong>der</strong> <strong>für</strong><br />
die Entscheidung in diesem Verfahren notwendigen Daten gerichtet. Teilweise wurden von<br />
<strong>der</strong> Telekom-Control-Kommission Auskunftsbescheide gemäß § 37 iVm. § 90 Abs. 1 Z 4<br />
TKG 2003 beschlossen, in denen die betroffenen Unternehmen aufgefor<strong>der</strong>t wurden, fehlende<br />
Daten zu übermitteln. Alle <strong>für</strong> dieses Verfahren notwendigen Informationen wurden<br />
schlussendlich übermittelt.<br />
TA übermittelte am 16.4.2004 eine Stellungnahme unter Beischluss eines Gutachtens von<br />
European Economic & Marketing Consultants (EE&MC) („Implikationen des TKG 2003 <strong>für</strong><br />
die TA“), in dem auch Ausführungen zum gegenständlichen Markt getätigt wurden (ON 20).<br />
Das Marktanalyse-Gutachten (ON 25) wurde <strong>der</strong> Telekom Austria AG (TA) am 15.6.2004 zur<br />
Stellungnahme zugestellt (ON 27).<br />
Am 7.6.2004 fasste die Telekom-Control-Kommission im Verfahren M 6/03 (Marktanalyse <strong>für</strong><br />
Auslandsgespräche <strong>für</strong> Nichtprivatkunden über das öffentliche Telefonnetz an festen Standorten)<br />
den vorläufigen Beschluss, dass die TA auf dem Markt „Auslandsgespräche <strong>für</strong> Nichtprivatkunden<br />
über das öffentliche Telefonnetz an festen Standorten (Endkundenmarkt)“ iSd §<br />
1 Z 6 TKMVO 2003 vorläufig über beträchtliche Marktmacht gemäß §§ 35, 37 TKG 2003<br />
verfügt.<br />
In ihrer Sitzung am 7.6.2004 wurden ferner von <strong>der</strong> Telekom-Control-Kommission in Bezug<br />
auf die gemäß § 37 Abs. 2 TKG 2003 aufzuerlegenden Regulierungsinstrumente Dr. Wolfgang<br />
Briglauer, Dr. Po-Wen Liu, Dr. Martin Lukanowicz, Mag. Martin Pahs und Mag. Paul<br />
Pisjak gemäß § 52 Abs. 1 AVG zu Amtssachverständigen bestellt und mit <strong>der</strong> Erstellung eines<br />
Gutachtens (in <strong>der</strong> Folge Regulierungsinstrumente-Gutachten) zur Frage beauftragt,<br />
welche spezifischen Verpflichtungen gemäß §§ 38 bis 46 und bzw. o<strong>der</strong> § 47 Abs. 1 TKG<br />
2003 <strong>für</strong> TA aus ökonomischer Sicht geeignet wären, den im Marktanalyse-Gutachten aufgezeigten<br />
Wettbewerbsproblemen auf dem gegenständlichen Markt zu begegnen. In diesem<br />
Zusammenhang war durch die Gutachter auch eine qualitative Bewertung <strong>der</strong> Auswirkungen<br />
geeigneter spezifischer Verpflichtungen in Bezug auf das Prinzip <strong>der</strong> Verhältnismäßigkeit<br />
vorzunehmen und ihr Beitrag zur För<strong>der</strong>ung effektiven Wettbewerbs bzw. zur Beschränkung<br />
<strong>der</strong> Auswirkungen <strong>der</strong> identifizierten Wettbewerbsprobleme zu erörtern.<br />
TA übermittelte am 16.7.2004 eine Stellungnahme (ON 30) zum Marktanalyse-Gutachten<br />
unter Beischluss eines Gutachtens von EE&MC („Expertise zum Gutachten „Marktanalyse<br />
Festnetz-Sprachtelefonie“).<br />
Das Regulierungsinstrumente-Gutachten wurde am 16.8.2004 an die Telekom-Control-<br />
Kommission übermittelt und von dieser zum Akt genommen (ON 32).<br />
Die Amtssachverständigen griffen im Zuge <strong>der</strong> Gutachtenserstellungen (ON 25, ON 32) auf<br />
die im Zuge des Verfahrens VBAF2003 ermittelten Daten zurück.<br />
<strong>Vorlesung</strong>smaterialien Seite 139<br />
3
Das Regulierungsinstrumente-Gutachten wurde <strong>der</strong> TA am 17.8.2004 zur Stellungnahme<br />
zugestellt. Gleichzeitig wurde TA ein von <strong>der</strong> European Regulators Group erstelltes Dokument<br />
(„Common Position on the approach to appropriate remedies in the new regulatory<br />
framework“) zur Kenntnisnahme zugestellt (ON 33).<br />
Am 6.9.2004 wurde TA von <strong>der</strong> Telekom-Control-Kommission gehört und überreichte in <strong>der</strong><br />
Anhörung weitere Unterlagen (ON 37), darunter auch eine „Kommentierung des wirtschaftlichen<br />
Gutachtens <strong>der</strong> RTR bezüglich Regulierungsinstrumente“ von EE&MC.<br />
TA übermittelte (ON 38) ferner am 7.9.2004 eine Stellungnahme zum Regulierungsinstrumente-Gutachten.<br />
Die Protokollrüge <strong>der</strong> Telekom Austria vom 17.09.2004 zur mündlichen Verhandlung am<br />
6.9.2004, eingelangt am 20.09.2004, wurde zum Akt genommen.<br />
Am 19.10.2004 wurde beim Oberlandesgericht Wien als Kartellgericht <strong>der</strong> Zusammenschluss<br />
<strong>der</strong> UTA Telekom AG (UTA) und <strong>der</strong> Tele2 Telecommunication Services GmbH (Tele2)<br />
angezeigt. Innerhalb <strong>der</strong> vierwöchigen Frist des § 42 b Abs. 1 KartG wurde von keiner<br />
<strong>der</strong> Amtsparteien ein Prüfantrag gemäß § 42b Abs. 1 KartG gestellt.<br />
Ferner wurde von TA am 5.11.2004 und am 2.12.2004 eine Stellungnahme zu den Auswirkungen<br />
des Zusammenschlusses von Tele2 und UTA übermittelt.<br />
Der Entwurf einer Vollziehungshandlung wurde gemäß § 128 Abs. 1 TKG 2003 am<br />
17.12.2004 auf <strong>der</strong> Homepage <strong>der</strong> Rundfunk und Telekom Regulierungs-GmbH veröffentlicht.<br />
Die Europäische Kommission übermittelte am 14.1.2005 ihre Stellungnahme gemäß Art. 7<br />
Abs. 3 Rahmenrichtlinie (ON 53). Diese Stellungnahme stützt das Ergebnis <strong>der</strong> Telekom-<br />
Control-Kommission.<br />
Es wurden von folgenden Organisationen Stellungnahmen im Rahmen des Verfahrens nach<br />
§ 128 TKG 2003 abgegeben: Verband Alternativer Telekom-Netzbetreiber - VAT (ON 54),<br />
Interessensverband Telekommunikation - IVTK (ON 55) sowie von Telekom Austria AG (ON<br />
56).<br />
Stellungnahmen an<strong>der</strong>er Regulierungsbehörden <strong>der</strong> Mitgliedstaaten <strong>der</strong> Europäischen Union<br />
beziehungsweise <strong>der</strong> Bundeswettbewerbsbehörde langten nicht ein.<br />
Am 4.2.2005 beschloss die Telekom-Control-Kommission den Bescheid zu M 6/03-30.<br />
Der Verwaltungsgerichtshof hob mit Erkenntnis vom 22.11.2005 zu Zahl 2005/03/0109 den<br />
Bescheid <strong>der</strong> Telekom-Control-Kommission zu M 6/03-30 vom 4.2.2005 wegen Rechtswidrigkeit<br />
seines Inhalts auf (ON 75). Der Verwaltungsgerichtshof bestätigte die Feststellung von<br />
Telekom Austria als Betreiber mit alleiniger beträchtlicher Marktmacht auf dem gegenständlichen<br />
Markt, bemängelte allerdings, dass es seitens <strong>der</strong> Telekom-Control-Kommission unterlassen<br />
worden sei, die Auswirkungen aller gesetzlich vorgesehenen Vorleistungsregulierungsinstrumente<br />
auf den gegenständlichen Endkundenmarkt zu untersuchen. Dies stelle<br />
einen Verstoß gegen das Prinzip des Vorranges <strong>der</strong> Regulierung <strong>der</strong> Vorleistungsmärkte vor<br />
<strong>der</strong> Regulierung <strong>der</strong> Endkundenmärkte und somit des Verhältnismäßigkeitsprinzips dar.<br />
Am 12.12.2005 wurden im fortgesetzten Verfahren von <strong>der</strong> Telekom-Control-Kommission<br />
Mag. Paul Pisjak und Dr. Wolfgang Briglauer mit <strong>der</strong> Erarbeitung einer gutachtlichen Stellungnahme<br />
zur Frage beauftragt, ob und ggf. in welcher Weise weitere spezifische Verpflichtungen<br />
gemäß §§ 38 – 42 TKG 2003 geeignet sind, die am Endkundenmarkt identifizierten<br />
Wettbewerbsprobleme ohne Auferlegung spezifischer Verpflichtungen auf dem verfahrensgegenständlichen<br />
Endkundenmarkt adäquat zu adressieren.<br />
<strong>Vorlesung</strong>smaterialien Seite 140<br />
4
Dieses Ergänzungsgutachten (ON 80) wurde <strong>der</strong> Telekom Austria am 10.1.2006 zugestellt<br />
(ON 81).<br />
Telekom Austria brachte am 3.2.2006 eine ergänzende Stellungnahme ein (ON 84).<br />
B. Festgestellter Sachverhalt<br />
1. Zur Marktabgrenzung des Marktes „Auslandsgespräche <strong>für</strong> Nichtprivatkunden<br />
über das öffentliche Telefonnetz an festen Standorten (Endkundenmarkt)“<br />
1.1. TKMVO 2003 idF BGBl. II Nr. 117/2005<br />
In § 1 Z 6 TKMVO 2003 wird <strong>der</strong> Markt „Auslandsgespräche <strong>für</strong> Nichtprivatkunden über das<br />
öffentliche Telefonnetz an festen Standorten (Endkundenmarkt)“ genannt. Die erläuternden<br />
Bemerkungen <strong>der</strong> TKMVO 2003 halten dazu wie folgt fest:<br />
„Dieser Markt entspricht Markt Nr. 6 <strong>der</strong> Märkteempfehlung <strong>der</strong> Europäischen Kommission.<br />
Nichtprivatkunden im Sinne dieser Bestimmung sind alle juristischen Personen und<br />
Körperschaften des öffentlichen o<strong>der</strong> privaten Rechts, Personengesellschaften, eingetragene<br />
Erwerbsgesellschaften und Gesellschaften bürgerlichen Rechts sowie natürliche<br />
und juristische Personen, die Unternehmer im Sinne von § 1 Konsumentenschutzgesetz,<br />
BGBl Nr. 140/1979 idgF sind. Vorbereitungsgeschäfte im Sinne von § 1<br />
Abs. 3 leg cit sind <strong>für</strong> Zwecke <strong>der</strong> gegenständlichen Marktabgrenzungen den jeweiligen<br />
Märkten <strong>für</strong> Nichtprivatkunden zuzurechnen.<br />
Aufgrund unterschiedlicher Nachfragecharakteristik und an<strong>der</strong>en Formen <strong>der</strong> Marktbearbeitung<br />
durch Anbieter sind Privat- und Nichtprivatkunden getrennten Märkten<br />
zuzurechnen.<br />
Im Ausland tätige Kommunikationsnetzbetreiber, die aus dem Inland kommenden<br />
Verkehr transitieren bzw. terminieren, sind gegebenenfalls an<strong>der</strong>en regulatorischen<br />
Bedingungen unterworfen als im Inland tätige Kommunikationsnetzbetreiber. Da im<br />
Inland tätige Betreiber zur Durchführung von Auslandsgesprächen auf oben genannte<br />
Vorleistungen zurückgreifen müssen, unterschiedliche wettbewerbliche Gegebenheiten<br />
vorliegen und darüber hinaus unterschiedliche Verrechnungsregimes (z.B. Accounting<br />
Rate Regime) zur Anwendung kommen, ist von einem eigenen und einheitlichen<br />
Markt <strong>für</strong> Auslandsgespräche auszugehen.<br />
Dieser Markt beinhaltet auch Wählverbindungen über Fax und Modem.“<br />
§ 2 TKMVO 2003 legt als räumliches Ausdehnungsgebiet des gegenständlichen Marktes das<br />
Bundesgebiet fest.<br />
1.2. Zum Markt „Auslandsgespräche <strong>für</strong> Nichtprivatkunden über das öffentliche Telefonnetz<br />
an festen Standorten (Endkundenmarkt)“ und zum Verhältnis zu benachbarten<br />
Märkten<br />
Der gegenständliche Markt steht sowohl horizontal als auch vertikal mit an<strong>der</strong>en Märkten <strong>der</strong><br />
TKMVO 2003 in Beziehung.<br />
Es bestehen komplementäre Beziehungen zwischen dem vorliegenden Markt und dem Zugangsmarkt<br />
<strong>für</strong> Nichtprivatkunden (§ 1 Z 2 TKMVO 2003). Anschlussleistungen gemäß den<br />
Märkten § 1 Z 1 und 2 <strong>der</strong> TKMVO 2003 werden, unter <strong>der</strong> Voraussetzung, dass <strong>der</strong> betreffende<br />
Betreiber seine Endkunden entwe<strong>der</strong> selbst angeschlossen hat o<strong>der</strong> über entbündelte<br />
<strong>Vorlesung</strong>smaterialien Seite 141<br />
5
Leitungen verfügt, vielfach im Bündel mit Leistungen <strong>für</strong> Gesprächsverbindungen, sohin auch<br />
mit Leistungen des gegenständlichen Marktes, angeboten.<br />
Die komplementären Beziehungen <strong>der</strong> Märkte gemäß § 1 Z 1 – 9 <strong>der</strong> TKMVO 2003 lassen<br />
sich anschaulich durch die Logik <strong>der</strong> Abwicklung eines Telefongesprächs erläutern:<br />
Um ein Telefongespräch (bzw. allgemeiner einen Verbindungsaufbau) führen zu können,<br />
benötigt <strong>der</strong> Endkunde zunächst einen Zugang, <strong>der</strong> in Form eines Anschlusses (POTS,<br />
ISDN, Multi-ISDN, Kabel, wireless) an das feste öffentliche Netz bereitgestellt wird. Dieser<br />
kann grundsätzlich auf zwei Arten bereitgestellt werden: i) <strong>der</strong> Anbieter errichtet (bzw. entbündelt)<br />
selbst den entsprechenden Zugang zum Teilnehmer (Teilnehmernetzbetreiber),<br />
o<strong>der</strong> aber ii) er benutzt vorhandene Zugangsmöglichkeiten eines an<strong>der</strong>en Anbieters (Verbindungsnetzbetreiber).<br />
Von zentraler Bedeutung ist auch <strong>der</strong> Umstand, dass es sich bei Telekommunikationsdienstleistungen<br />
um Ende-zu-Ende Beziehungen handelt, d.h., dass gleichzeitig eine Verbindung<br />
zwischen Endteilnehmern (allenfalls) auch verschiedener Netze herzustellen ist. Dies setzt<br />
den wechselseitigen terminierenden Zugang zu allen an<strong>der</strong>en Netzen (bzw. Teilnehmern)<br />
voraus. Für die Erstellung von Endkundenprodukten ist daher – seitens <strong>der</strong> Anbieter – jedenfalls<br />
eine entsprechende Terminierungsleistung Voraussetzung. Weiters wird <strong>für</strong> alle nicht<br />
direkt angeschlossenen Teilnehmer <strong>der</strong> Bezug einer Originierungsleistung von jenem Betreiber<br />
benötigt, an dessen Netz <strong>der</strong> entsprechende Teilnehmer angeschlossen ist und von dem<br />
das Gespräch ausgeht. Je nach Verkehrsführung können auch Transitleistungen notwendig<br />
sein.<br />
Die Art <strong>der</strong> Beziehung zwischen den Vorleistungsmärkten (upstream / wholesale) und den<br />
Endkundenmärkten (downstream / retail) ist zentral von Parametern wie zum Beispiel <strong>der</strong><br />
Qualität, den Tarifen, dem Zeitpunkt <strong>der</strong> Bereitstellung und den wettbewerblichen Gegebenheiten<br />
abhängig. So ist etwa die mögliche technische Qualität <strong>für</strong> Endkundenprodukte direkt<br />
von <strong>der</strong> Qualität <strong>der</strong> bereitgestellten Vorleistungen abhängig. Endkundentarife enthalten an<strong>der</strong>erseits<br />
die auf den Vorleistungsmärkten zugekauften Leistungen als wesentliche Kostenparameter.<br />
Anbieter, die sowohl auf Vorleistungs- als auch auf Endkundenmärkten tätig sind,<br />
haben somit grundsätzlich an<strong>der</strong>e Möglichkeiten <strong>der</strong> Angebotserstellung (Integration, Entwicklung<br />
neuer Dienste etc.) als Anbieter, die ausschließlich auf den Zukauf von Vorleistungsprodukten<br />
zur Erstellung von Endkundenprodukten angewiesen sind.<br />
Als marktrelevant gelten Festnetzgespräche ins Ausland ebenso wie die Gespräche in ausländische<br />
Mobilfunknetze. Die bei öffentlichen Sprechstellen anfallenden Verkehrsvolumina<br />
<strong>für</strong> Auslandsgespräche werden dabei aus Plausibilitätsüberlegungen zu 100 % dem Privatkundenmarkt<br />
<strong>für</strong> Auslandsgespräche (§ 1 Z 5 TKMVO 2003) zugerechnet und sind sohin <strong>für</strong><br />
den gegenständlichen Markt nicht relevant.<br />
2. Zum Vorliegen von beträchtlicher Marktmacht<br />
2.1. Die einzelnen Marktmachtindikatoren<br />
2.1.1. Marktentwicklung und Marktanteile<br />
Die größten vier am Nichtprivatkundenmarkt tätigen Anbieter (inklusive Telekom Austria)<br />
vereinigen mehr als 85 % <strong>der</strong> Umsatzmarktanteile auf sich. Aus Abbildung 1 geht zudem<br />
hervor, dass i) sich die Marktanteile <strong>der</strong> Telekom Austria seit dem Jahr 2002 stabilisiert haben,<br />
und diese ii) zudem nach wie vor über 60 % <strong>der</strong> in Umsätzen gemessenen Marktanteile<br />
auf sich vereinigt, während die in Verkehrsminuten gemessenen Marktanteile <strong>der</strong> Telekom<br />
Austria bei ca. 53 % liegen (ON 84, Abb. 4 auf S 12)<br />
<strong>Vorlesung</strong>smaterialien Seite 142<br />
6
Prozent<br />
70<br />
60<br />
50<br />
40<br />
30<br />
20<br />
10<br />
0<br />
ABBILDUNG 1: VERTEILUNG DER UMSATZMARKTANTEILE BEI NICHTPRIVATKUNDEN<br />
Die Marktanteile <strong>der</strong> Telekom Austria am Markt <strong>für</strong> internationale Festnetzgespräche liegen<br />
im Wesentlichen auf dem Niveau <strong>der</strong> Vergleichsmärkte <strong>für</strong> Inlandsgespräche. Gesamt gesehen,<br />
tendiert <strong>der</strong> gegenständliche Markt in Richtung eines enger werdenden Oligopols. Es<br />
können keine Anzeichen da<strong>für</strong> ausgemacht werden, die zukünftig eine grundlegende Abkehr<br />
von dieser Entwicklung erwarten ließen. Auf dem gegenständlichen Markt zeigt sich (Abbildung<br />
1) eine im Laufe <strong>der</strong> letzten beiden Jahre sehr nachhaltig ausgeprägte Stabilisierung<br />
<strong>der</strong> Marktstruktur. Diese Feststellung wird auch durch den im Wesentlichen parallelen Verlauf<br />
<strong>der</strong> Konzentrationsraten bei den Verkehrsmengenwerten und den Umsätzen jeweils <strong>für</strong><br />
den gegenständlichen Markt bestätigt (Abbildung 2):<br />
5000<br />
4500<br />
4000<br />
3500<br />
3000<br />
2500<br />
2000<br />
1500<br />
1000<br />
500<br />
0<br />
Jan 2002<br />
Jan 2002<br />
Feb 2002<br />
Feb 2002<br />
Mrz 2002<br />
Mrz 2002<br />
Apr 2002<br />
Apr 2002<br />
Mai 2002<br />
Mai 2002<br />
Jun 2002<br />
Jun 2002<br />
Jul 2002<br />
Jul 2002<br />
Aug 2002<br />
Sep 2002<br />
Okt 2002<br />
7<br />
Nov 2002<br />
Minuten - Nichtprivat Minuten - Privat Um sätze - Nichtprivat Um sätze - Privat<br />
ABBILDUNG 2: HHI: KONZENTRATIONSRATEN FÜR AUSLANDSGESPRÄCHE<br />
Aug 2002<br />
Sep 2002<br />
Okt 2002<br />
Nov 2002<br />
tele.ring eTel Austria AG UTA Telekom AG Telekom Austria Rest<br />
<strong>Vorlesung</strong>smaterialien Seite 143<br />
Dez 2002<br />
Dez 2002<br />
Jan 2003<br />
Jan 2003<br />
Feb 2003<br />
Feb 2003<br />
Mrz 2003<br />
Mrz 2003<br />
Apr 2003<br />
Apr 2003<br />
Mai 2003<br />
Mai 2003<br />
Jun 2003<br />
Jun 2003<br />
Jul 2003<br />
Jul 2003<br />
Aug 2003<br />
Aug 2003<br />
Sep 2003<br />
Sep 2003
Verbindungsnetzbetreiber(vor)auswahl war auch auf dem gegenständlichen Markt – neben<br />
<strong>der</strong> ex ante-Entgeltregulierung - das bedeutendste Regulierungsinstrument <strong>der</strong> bisherigen<br />
Regulierung. Die insbeson<strong>der</strong>e in den Jahren 1998-2001 erfolgten Marktanteilsgewinne <strong>der</strong><br />
alternativen Anbieter gingen mit einem spiegelbildlichen Anstieg in <strong>der</strong> Verwendung von Carrier<br />
Selection einher.<br />
2.1.2. Vertikale Integration<br />
Das Vorliegen von vertikaler Integration ist <strong>für</strong> die Beurteilung von Marktmacht insofern relevant,<br />
als vertikale Integration einem Unternehmen Vorteile gegenüber seinen Konkurrenten<br />
verschaffen kann, vor allem falls es sich auf <strong>der</strong> Vorleistungsebene um einen notwendigen<br />
und nicht leicht ersetzbaren Input (ON 25) handelt. Das Ausmaß <strong>der</strong> vertikalen Integration<br />
bestimmt auch in wesentlichem Maß die Anreize zu antikompetitivem Verhalten gegenüber<br />
Konkurrenten (ON 25). So können vor allem vertikal integrierte Unternehmen mit Marktmacht<br />
auf einem komplementären Anschlussmarkt einen Anreiz haben, Konkurrenten von komplementären<br />
Verbindungsmärkten zu verdrängen (ON 32, S 21).<br />
Für die Beurteilung des potentiellen Wettbewerbes am gegenständlichen Markt bei Abwesenheit<br />
von jeglicher Regulierung ist insbeson<strong>der</strong>e <strong>der</strong> Anreiz von TA relevant, durch die<br />
grundsätzliche Verweigerung des Zugangs zur Teilnehmeranschlussleitung bzw. <strong>der</strong> Möglichkeit<br />
zur Verbindungsnetzbetreiber(vor)auswahl den möglichen Wettbewerb auf den horizontal<br />
nachgelagerten Verbindungsmärkten zu verhin<strong>der</strong>n. Auf dem gegenständlichen Markt<br />
reduziert sich allerdings die Abhängigkeit vom Vorleistungsanbieter Telekom Austria. Für die<br />
internationale Weiterleitung und Zustellung von Auslandsgesprächen – zumindest hinsichtlich<br />
<strong>der</strong> wesentlichsten Destinationen – stehen allen Betreibern (Telekom Austria wie auch<br />
den alternativen Anbietern) eine Reihe von internationalen Carriern zur Verfügung. Freilich<br />
muss aber auch hier von – teils größenabhängig – unterschiedlichen Einkaufsmöglichkeiten<br />
und Verhandlungspositionen ausgegangen werden.<br />
Der Zugang zur Teilnehmeranschlussleitung bzw. die Möglichkeit <strong>der</strong> Verbindungsnetzbetreiber(vor)auswahl<br />
stellt bezüglich des auf das Inland entfallenden Anteils <strong>der</strong> notwendigen<br />
Vorleistung eine notwendige Voraussetzung <strong>für</strong> die Diensterbringung auf den Verbindungsmärkten<br />
dar. Alternative Betreiber, die über keinen direkten Zugang zum Teilnehmer<br />
verfügen, können mit <strong>der</strong> Möglichkeit <strong>der</strong> Verbindungsnetzbetreiber(vor)auswahl den Endkunden<br />
im Wettbewerb mit <strong>der</strong> vertikal integrierten Telekom Austria Dienste anbieten.<br />
2.1.3. Marktzutrittsbarrieren<br />
Marktzutrittsbarrieren können definiert werden als all jene Faktoren, die es dem bzw. den auf<br />
dem Markt tätigen Unternehmen erlauben können, seine/ihre Preise über die Kosten anzuheben,<br />
ohne dass dadurch zusätzliche, disziplinierende Markteintritte erfolgen.<br />
Je höher also Marktzutrittsbarrieren sind (d.h. je schwieriger <strong>der</strong> Markteintritt ist), desto höher<br />
ist potentiell das Ausmaß an Marktmacht <strong>der</strong>/des etablierten Unternehmen(s).<br />
Die Existenz von langfristigen Markteintrittsbarrieren ist ein Schlüsselkriterium <strong>für</strong> das Vorliegen<br />
von beträchtlicher Marktmacht. Je höher Marktbarrieren sind (d.h. je schwieriger <strong>der</strong><br />
Markteintritt ist), desto höher ist potenziell das Ausmaß an Marktmacht <strong>der</strong> etablierten Unternehmen.<br />
In ihrer Empfehlung über relevante Märkte vom 11.02.2003. („Empfehlung über relevante<br />
Produkt- und Dienstemärkte des <strong>elektronischen</strong> Kommunikationssektors, die aufgrund <strong>der</strong><br />
Richtlinie 2002/21/EG des Europäischen Parlaments und des Rates über einen gemeinsa-<br />
8<br />
<strong>Vorlesung</strong>smaterialien Seite 144
men Rechtsrahmen <strong>für</strong> elektronische Kommunikationsnetze und –dienste <strong>für</strong> eine Vorabregulierung<br />
in Betracht kommen“ (ABL L 114/45 vom 8.5.2003) unterscheidet die Europäische<br />
Kommission (Seite 9ff) zwischen strukturellen Marktbarrieren und rechtlich/regulatorisch bedingten<br />
Marktbarrieren.<br />
Im Gegensatz zu den Zugangsmärkten (vergleiche die Verfahren zu M 1/03 und M 2/03) ist<br />
die Frage nach <strong>der</strong> Höhe von Marktbarrieren im gegenständlichen Markt weniger eindeutig<br />
zu beantworten. Zwar sind die mit einem Marktauftritt verbundenen und versunkenen Kosten<br />
im Vergleich zu den Märkten im Anschlussbereich als gering einzustufen, dennoch bestehen<br />
auch hier gewisse und nicht vernachlässigbare Markteintrittsbarrieren. So sind auch <strong>für</strong> „reine“<br />
Verbindungsnetzbetreiber in <strong>der</strong> Regel Investitionen <strong>für</strong> eine Mindestnetzkonfiguration<br />
notwendig. Zudem entstehen spezifisch dem Retailbereich zurechenbare versunkene Kosten,<br />
da alternative Anbieter festnetzgebundener Sprachtelefonie hier typischerweise größere<br />
Werbekampagnen zu betreiben haben, um eine hinreichende Anzahl von Kunden über mögliche<br />
Wechselvorteile zu informieren und letztlich auch zu akquirieren. Diesbezüglich ist die<br />
Struktur <strong>der</strong> österreichischen Wirtschaft mit ihrer, international gesehen, übergroßen Anzahl<br />
an Klein- und Mittelbetrieben erschwerend <strong>für</strong> die Kundengewinnung. Die Tatsache, dass <strong>für</strong><br />
Bestandskunden des Incumbent oftmals ein über einen langen Zeitraum existierendes Vertragsverhältnis<br />
und damit verbunden entsprechende Loyalität besteht und somit ein <strong>für</strong> alternative<br />
Wettbewerber nur schwer o<strong>der</strong> nicht erreichbarer Bekanntheitsgrad des ehemaligen<br />
Monopolisten existiert, bzw. die Kundenbindung auf Seiten <strong>der</strong> Verbindungsnetzbetreiber<br />
typischerweise geringer ist, begründen signifikante Wechselbarrieren. Hinzu kommt die Möglichkeit,<br />
von den Erfolgen <strong>der</strong> Liberalisierung auch indirekt – ohne selbst zu wechseln – zu<br />
profitieren. Damit diese Barrieren überwunden werden, muss von den alternativen Betreibern<br />
ein entsprechend aggressiver Einsatz unternehmerischer Aktionsparameter, insbeson<strong>der</strong>e<br />
im Bereich des Preis-, Werbe-, Marketing- und Distributionswettbewerbs forciert werden.<br />
Derartige Kosten könnten typischerweise im Falle eines Marktaustritts nicht mehr wie<strong>der</strong>gewonnen<br />
werden. Umgekehrt können alternative Betreiber in <strong>der</strong> gegenwärtigen Marktsituation<br />
kaum eine enge Kundenbindung aufbauen, insbeson<strong>der</strong>e <strong>für</strong> Call by Call Kunden wird<br />
diese nur sehr gering sein.<br />
Die festgestellte Stagnation bzw. <strong>der</strong> leichte Rückgang von Marktein- bzw. austritten lässt<br />
sich jeweils anhand <strong>der</strong> aktuellen Marktphase, mit entsprechend hohem Verdrängungswettbewerb,<br />
enger werdenden Gewinnmargen und den einhergehenden Konsolidierungsprozessen,<br />
wie eben dem Zusammenschluss von Tele2 und UTA, erklären. Ist eine hohe Zahl an<br />
Marktzutritten am Beginn <strong>der</strong> Liberalisierung geradezu typisch, so können sie in späteren<br />
Marktphasen nur mehr mit geringeren Erfolgschancen durchgeführt werden.<br />
Schließlich begründet <strong>der</strong> bereits beobachtbare Trend zum „One-Stop-Shopping“ eine Notwendigkeit,<br />
als Komplettanbieter auf den jeweiligen Märkten agieren zu können. Diejenigen,<br />
denen dies möglich ist, können auch mit entsprechenden Verbundvorteilen in <strong>der</strong> Produktion<br />
rechnen. Umgekehrt würde eine <strong>der</strong>artige Notwendigkeit, als Komplettanbieter agieren zu<br />
müssen, <strong>für</strong> potentielle Newcomer einen erhöhten Kapitalbedarf begründen und so die<br />
Wahrscheinlichkeit des Markteintritts reduzieren.<br />
Die Wettbewerbsproblematik liegt daher primär in <strong>der</strong> Beständigkeit <strong>der</strong> Marktbarrieren. Als<br />
Beleg da<strong>für</strong> zeichnete sich in letzter Zeit eine Phase <strong>der</strong> Konsolidierung <strong>der</strong> Marktanteile <strong>der</strong><br />
Telekom Austria auf hohem Niveau (rund 60%) ab. Alternative Anbieter können die Nachfrager<br />
nur mit spürbaren Preisvorteilen zum Überwinden <strong>der</strong> existierenden Wechselbarrieren<br />
bewegen. Diese sind im gegenständlichen Markt deshalb vergleichsweise hoch, als Zuverlässigkeitsanfor<strong>der</strong>ungen<br />
und sonstige Qualitätsmerkmale hier beson<strong>der</strong>s wichtig sind. Sowohl<br />
tatsächliche Qualitätsvorsprünge auf Seiten <strong>der</strong> Telekom Austria aufgrund höherwertiger<br />
und vor allem eigener Infrastruktur o<strong>der</strong> <strong>der</strong> historisch gewachsenen internationalen<br />
(Partner-)Netzstruktur als auch subjektiv von Nachfragern empfundene Vorteile erklären solche<br />
Wechselbarrieren. Letztere dürften vor allem im Zuge von Unternehmenskonkursen alternativer<br />
Anbieter noch verstärkt werden, da diesfalls mit negativen Reputationswirkungen<br />
auf die Gesamtheit aller alternativen Betreiber zu rechnen ist.<br />
<strong>Vorlesung</strong>smaterialien Seite 145<br />
9
Zur Bestreitbarkeit von Märkten:<br />
Im Rahmen <strong>der</strong> Theorie <strong>der</strong> „bestreitbaren Märkte (contestable markets)“ wird unterstellt,<br />
dass unter bestimmten (idealisierten) Annahmen die Drohung eines potenziellen<br />
Markteintritts (potenzieller Wettbewerb) eine hinreichend disziplinierende Wirkung auf die<br />
aktiven Marktteilnehmer ausübt, sodass auch auf Märkten mit geringer Zahl an aktiven<br />
Marktteilnehmern bzw. einer asymmetrischen Verteilung <strong>der</strong> Marktanteile o<strong>der</strong> aber auch in<br />
Monopolsituationen sowohl allokative wie technische Effizienz sichergestellt ist.<br />
Dabei müssen freilich entsprechend restriktive Annahmen getroffen werden: (1) wird von <strong>der</strong><br />
Abwesenheit jeglicher Markteintritts- und Marktaustrittsbarrieren ausgegangen und (2) wird<br />
angenommen, dass die Reaktionszeit <strong>der</strong> etablierten Unternehmen hinreichend lang ist, sodass<br />
ein Neueinsteiger in den Markt eintreten und (die von ihm vor dem Eintritt beobachteten)<br />
Profite realisieren kann („hit and run“-Strategie).<br />
Beide Annahmen sind auf dem gegenständlichen Markt nicht erfüllt:<br />
Zur ersten Annahme ist festzustellen, dass im Rahmen dieser Modelltheorie unter Abwesenheit<br />
von Marktbarrieren verstanden wird, dass keine exogenen (technisch bedingten) versunkenen<br />
Kosten existieren. Diese sind <strong>für</strong> die zugrunde liegenden Märkte tatsächlich verhältnismäßig<br />
gering (ON 25). Doch übersieht die konventionelle Theorie <strong>der</strong> bestreitbaren<br />
Märkte, dass auch eine Reihe von endogenen Marktbarrieren, die eben nicht Folge einer<br />
vorgegebenen Industriestruktur sind, son<strong>der</strong>n vielmehr durch das strategische Verhalten <strong>der</strong><br />
bereits am Markt aktiven Teilnehmer bestimmt werden, existieren. Es sei an dieser Stelle<br />
insbeson<strong>der</strong>e an die hohe Werbeintensität und Bedeutung <strong>der</strong> Kundenbindung auf den<br />
Kommunikationsendkundenmärkten verwiesen. Als beson<strong>der</strong>s problematisch erweist sich<br />
daher die im Modell <strong>der</strong> bestreitbaren Märkte implizit enthaltene For<strong>der</strong>ung, dass die Konsumentenseite<br />
keinerlei Präferenz bzw. Markentreue, aus welchen Gründen auch immer, <strong>für</strong><br />
die bestehenden Unternehmer aufweist. In dem Modell wird vielmehr davon ausgegangen,<br />
dass sich die Konsumenten vollkommen rational verhalten, d.h. auf den homogenen Produktmärkten<br />
orientieren sich die Konsumenten lediglich an den Preisen. Dies steht jedoch<br />
klar in Wi<strong>der</strong>spruch zu den Feststellungen, wonach TA zumindest teilweise in <strong>der</strong> Lage ist,<br />
im Durchschnitt höhere Preise zu setzen, ohne entsprechende Umsatz- bzw. Marktanteilsverluste<br />
in Kauf nehmen zu müssen.<br />
Freier Marktzutritt bedeutet ferner, dass keinerlei Asymmetrien zwischen potenziellen Markteintretern<br />
und aktuellen Marktteilnehmern bestehen, also keine unterschiedlichen Zugangsmöglichkeiten<br />
zu Faktormärkten, kein patentrechtlicher Schutz auf Seiten des/<strong>der</strong> Incumbent(s),<br />
keine Informationsnachteile hinsichtlich <strong>der</strong> Nachfrage sowie, dass keinerlei technologische<br />
Asymmetrien (etc.) existieren. Die völlige Marktgleichheit wird nicht zuletzt auch vor<br />
dem Hintergrund <strong>der</strong> diversen „foreclosure“ Taktiken zu einer rein hypothetischen For<strong>der</strong>ung.<br />
Zur zweiten Annahme ist festzustellen, dass diese unterstellt, dass das Zeitintervall zwischen<br />
dem Bekanntwerden eines neuen Marktzutritts und <strong>der</strong> tatsächlichen Möglichkeit, den Konsumenten<br />
Güter anzubieten („entry lag“), kleiner ist als die durch diverse Transaktionskosten<br />
(bspw. die Existenz langfristiger Verträge) bedingte Zeitverzögerung in <strong>der</strong> Preisanpassung<br />
(price lag). Zudem liegt diesem Vergleich die hypothetische Situation unregulierter Märkte<br />
zugrunde. Würde das SMP-Unternehmen jedoch keinerlei ex-ante Verpflichtungen unterliegen,<br />
so könnte es je<strong>der</strong>zeit, von internen Organisationsprozessen abgesehen bzw. in Abhängigkeit<br />
von diesen, ohne wesentliche zeitliche Verzögerung auf den Markteintritt reagieren.<br />
Es ist notwendig, die hypothetische Situation <strong>der</strong> Nichtregulierung als Vergleichsbasis<br />
heranzuziehen, da genau dies <strong>der</strong> Schlussfolgerung bzw. For<strong>der</strong>ung in als bestreitbar identifizierten<br />
Märkten entspräche. An dieser Stelle sei daher geson<strong>der</strong>t auf die regulatorische<br />
Bedeutung bzw. die Unterschiede zwischen einem ex-post und ex-ante Regulierungsregime<br />
verwiesen. Ex-post Kontrolle greift definitionsgemäß erst bei erfolgtem Schaden, <strong>der</strong> jedoch<br />
gerade in <strong>der</strong> Telekommunikationsbranche aufgrund <strong>der</strong> spezifischen Wettbewerbs- bzw.<br />
10<br />
<strong>Vorlesung</strong>smaterialien Seite 146
Marktstrukturprobleme (schwer zu duplizierende Infrastruktur als „essential facility“ in Händen<br />
des Incumbent) oftmals – nach teils langwierigen Verfahren – nicht mehr rückgängig<br />
gemacht werden kann. Eine Vorabregulierung wird zudem in jenen Fällen geeigneter sein, in<br />
denen zur Behebung des Wettbewerbsproblems zahlreiche Anfor<strong>der</strong>ungen nötig sind (detaillierte<br />
Buchhaltung, Kostenrechnung, generelles Monitoring) o<strong>der</strong> aber wenn etwa ein häufiges<br />
und/o<strong>der</strong> frühzeitiges Einschreiten unerlässlich ist.<br />
An<strong>der</strong>erseits ist <strong>für</strong> den entry-lag (Zeitverzögerung des Markteintritts) auf Seiten <strong>der</strong> Wettbewerber<br />
durchaus mit einer signifikanten Zeitspanne zu rechnen. Diese kann entstehen durch<br />
die Bereitstellung <strong>der</strong> <strong>für</strong> einen Verbindungsnetzbetrieb nötigen Netzelemente, die erfor<strong>der</strong>lichen<br />
Verhandlungsprozesse (Zusammenschaltungsvereinbarungen), die Erreichung eines<br />
hinreichend großen Bekanntheitsgrades, die Bereitstellung entsprechen<strong>der</strong> customer care<br />
sowie Billing-Einrichtungen, den Abschluss von Verträgen mit internationalen Carriern und<br />
die vielfältigen Verzögerungsmöglichkeiten des Incumbents, <strong>der</strong> eben in Bezug auf den inländischen<br />
Teil <strong>der</strong> Verkehrsführung im Besitz <strong>der</strong> nicht ersetzbaren Infrastruktur im Anschlussbereich<br />
ist (ON 25). In diesem Zusammenhang sei darauf hingewiesen, dass in an<strong>der</strong>en<br />
Industriezweigen ein Markteintritt eines Mitbewerbers oft erst mittelbar über die Marktbeobachtung<br />
feststellbar ist, im vorliegenden Markt jedoch auf Grund <strong>der</strong> Zusammenschaltung<br />
(Vorleistungsabhängigkeit) unmittelbar noch vor dem Markteintritt bekannt wird, und die<br />
Chance auf eine „hit and run“-Strategie schon im Ansatz zum Scheitern verurteilt ist.<br />
Ist nun aber Annahme 2 nicht bzw. nicht annähernd gegeben, so kommt es <strong>für</strong> die Entscheidung<br />
über einen allfälligen Markteintritt nicht mehr primär auf die gegenwärtigen Preise an,<br />
als vielmehr auf die im Falle eines erfolgten Marktzutritts und nach etwaigen preislichen Reaktionen<br />
<strong>der</strong> bereits am Markt etablierten Anbieter noch realisierbaren Preise und Gewinne.<br />
Bei ständigen Marktein- und austritten käme es zudem zu einer erheblichen Verunsicherung<br />
<strong>der</strong> Konsumenten gegenüber Angeboten alternativer Betreiber. Effektiver Wettbewerb, <strong>der</strong><br />
von <strong>der</strong> bloßen Drohung potentieller Konkurrenz ausgehen soll, erscheint unter diesen Bedingungen<br />
als eine unrealistische Annahme.<br />
Da diese Modellkritik mittlerweile auch überwiegend von <strong>der</strong> einschlägigen industrie- und<br />
wettbewerbsökonomischen Literatur geteilt wird (inter alia George et al. (2000), S. 279ff. und<br />
Borrmann/Finsinger (1999), S. 301ff. aber auch Tirole (2000), Armstrong et al. (1998), S.<br />
103ff., Viscusi et al. (2000), S. 161), ist dieses Modell als politisches Leitbild zur Beurteilung<br />
von Marktmacht auf Kommunikationsmärkten heute nur mehr von geringer Relevanz.<br />
In engem Kontext zur Bestreitbarkeit von Märkten steht die Frage nach <strong>der</strong> unternehmerischen<br />
Rationalität von Verdrängungspreisstrategien („predatory pricing“). Denn je höher die<br />
bereits getätigten versunkenen Investitionen alternativer Wettbewerber ausfallen, desto höher<br />
werden auch die potentiellen Marktaustrittskosten, was die Erfolgsaussichten von Verdrängungsstrategien<br />
wie<strong>der</strong>um min<strong>der</strong>t. Insofern würden Investitionen in die<br />
Infrastruktur, soweit diese eben ökonomisch sinnvoll getätigt werden können, die Notwendigkeit<br />
von regulatorischer Basisregulierung reduzieren.<br />
Insgesamt kann daher auf das Funktionieren <strong>der</strong> Bestreitbarkeit bzw. auf die disziplinierenden<br />
Effekte <strong>der</strong> potentiellen Konkurrenz nicht vertraut werden, die Marktbarrieren sind daher<br />
auch auf dem gegenständlichen Markt nicht vernachlässigbar. So stünde potentielle Konkurrenz<br />
insbeson<strong>der</strong>e auch in Wi<strong>der</strong>spruch mit dem nach wie vor jedenfalls in Ausschnitten zugunsten<br />
<strong>der</strong> Telekom Austria existierenden höheren Preisniveau.<br />
2.1.4. Preise<br />
Das Verhalten am Markt umfasst auch die Preissetzungspolitik eines Unternehmens. Die<br />
Preissetzungspolitik eines Unternehmens ist ein wesentlicher ökonomischer Verhaltensparameter<br />
und kann daher auch <strong>für</strong> die Beurteilung von Marktmacht relevant sein. So geben zB<br />
Preisbewegungen im Zeitverlauf, vorhandene Preisdifferentiale zwischen einzelnen Betrei-<br />
11<br />
<strong>Vorlesung</strong>smaterialien Seite 147
ern und beobachtete Preisreaktionsmuster wesentliche Hinweise auf die am Markt vorhandene<br />
Wettbewerbsintensität.<br />
In <strong>der</strong> bisherigen Regulierungspraxis <strong>der</strong> Genehmigung <strong>der</strong> Entgelte <strong>der</strong> TA wurde zwischen<br />
Grundentgelten, die die Kosten des Zugangsnetzes decken müssen, und den Verbindungsentgelten,<br />
die die auf sie entfallenden Kosten des Kernnetzes decken müssen, unterschieden.<br />
Im Gegensatz zur Vergleichssituation auf den Märkten <strong>für</strong> Inlandsgespräche kann die Telekom<br />
Austria auf dem gegenständlichen Markt bei stabil bleibenden Marktanteilen jedenfalls<br />
in Ausschnitten höhere Preisniveaus aufrechterhalten. Diese höheren Preisaufschläge gehen<br />
jedoch im Gegensatz zum Markt <strong>für</strong> Privatkunden auf dem vorliegenden Markt <strong>für</strong> Nichtprivatkunden<br />
deutlich weniger auf Kosten niedrigerer Marktanteilsniveaus (vgl. ON 25, Kapitel<br />
5.1.3.). Die Marktanteile <strong>der</strong> TA auf dem gegenständlichen Markt sind daher beträchtlich<br />
höher als auf dem Markt <strong>für</strong> Auslandsgespräche von Privatkunden.<br />
Auch auf dem gegenständlichem Markt verschiebt sich die eigentliche Wettbewerbsproblematik<br />
in den Fragenkomplex „Produktbündelung“ bzw. <strong>der</strong> Übertragung von Marktmacht („leveraging“)<br />
sowie „excessive pricing“. Telekom Austria, das als einziges Unternehmen flächendeckend<br />
als Komplettanbieter (Anschluss- und Verbindungsleistungen) agiert, entsteht<br />
genau dadurch ein relativer Vorteil in den Preisgestaltungsmöglichkeiten. Weiters muss dem<br />
Potential an Wohlfahrtszugewinnen, die mit <strong>der</strong> Produktbündelung einhergehen, die damit<br />
verbundene Problematik <strong>der</strong> Marktmachtübertragung gegenübergestellt werden. Nicht-<br />
Privatkunden fragen oftmals eine Vielfalt von unterschiedlichen Telekommunikationsleistungen<br />
nach, wobei die Auswahl des Betreibers oftmals im Zusammenhang mit <strong>der</strong> Abwicklung<br />
von Projektgeschäften erfolgt.<br />
Wie insbeson<strong>der</strong>e die nach Anschlussarten differenzierten Tarifstrukturen zeigen, offeriert<br />
Telekom Austria auch bei Auslandsgesprächen von Nichtprivatkunden eine höhere Tarifvielfalt.<br />
Auf Grund <strong>der</strong> je nach Tarifmodell unterschiedlichen Abrechnungsformen, z.B. die Art<br />
<strong>der</strong> Taktung (vgl. ON 25, Kapitel 5.5.2.), die diversen Vergünstigungen einzelner Tarifoptionen<br />
(etwa einheitliche Tarife zu ausländischen Fest- und Mobilnetzen) o<strong>der</strong> sonstiger Tarifspezifika<br />
ergibt sich nur eine eingeschränkte Vergleichbarkeit <strong>der</strong> unterschiedlichen Tarife.<br />
So können etwa bei dem <strong>für</strong> Geschäftskunden konzipierten Tarifmodell „TikTak Business“<br />
von TA individuell 3 internationale “Wunschdestinationen” mit entsprechend niedrigeren Tarifen<br />
gewählt werden.<br />
Das Problem <strong>der</strong> Vergleichbarkeit von unterschiedlichen Tarifpaketen kann umgangen werden,<br />
indem man eine „Preisgröße“ konstruiert und (die jeweils relevanten) Umsätze durch die<br />
zugehörigen Sprachminuten dividiert und so einen „impliziten Preisbasket“ errechnet. Der<br />
Vergleich <strong>der</strong> Preise auf dem gegenständlichen Markt <strong>für</strong> Nichtprivatkunden durch die Gutachter<br />
erfolgte auf Basis <strong>der</strong> Berechnung solch „impliziter Preise“, wobei es auf Grund <strong>der</strong><br />
nicht mehr isolierten Darstellung <strong>der</strong> Preis- und Mengeneffekte notwendig war, Korrekturfaktoren<br />
in die Berechnung <strong>der</strong> impliziten Preise miteinzubeziehen.<br />
Im Gegensatz zur Vergleichssituation auf den Markt <strong>für</strong> Auslandsgespräche von Privatkunden<br />
kann Telekom Austria, den obigen Ausführungen zur Berechnung impliziter Preise folgend,<br />
auf dem gegenständlichen Markt <strong>für</strong> Nichtprivatkunden bei stabil bleibenden Marktanteilen<br />
zum Teil deutlich höhere Preisniveaus aufrecht erhalten. Diese höheren Preisaufschläge<br />
führen im Vergleich zu <strong>der</strong> Marktsituation bei Auslandsgesprächen von Privatkunden<br />
jedoch nicht zu einem niedrigeren Marktanteil (vgl. ON 25, Kapitel 5.1.3).<br />
Hinsichtlich <strong>der</strong> weiteren wettbewerblichen Entwicklung können nur schwer preisliche Än<strong>der</strong>ungstendenzen<br />
ausgemacht werden, auch nicht hinsichtlich <strong>der</strong> Richtung allfälliger Preisanpassungen.<br />
Am ehesten wird man auch hier – analog zu den Marktanteilsverläufen – mittelfristig<br />
von einer konstanten Fortentwicklung ausgehen müssen. Im Gegensatz zu den Märkten<br />
<strong>für</strong> Inlandsgespräche besteht bei gegenständlichem Markt allerdings nach wie vor ein<br />
12<br />
<strong>Vorlesung</strong>smaterialien Seite 148
Potential an Preisunterbietungen <strong>für</strong> alternative Anbieter, wenn auch in etwas geringerem<br />
Ausmaß als bei Privatkunden.<br />
2.1.5. Performance<br />
Die Wahl geeigneter Performance-Maße ist ein wichtiger Schritt, um Marktmacht von Unternehmen<br />
zu beschreiben. Exzessiv hohe Werte <strong>für</strong> ein Performance-Maß eines Unternehmens,<br />
das heißt eine hohe erreichte Rentabilität des eingesetzten Kapitals im Vergleich zu<br />
Konkurrenten, lassen gegebenenfalls den Schluss auf eine starke Marktposition zu.<br />
Unter einer Rentabilitätsgröße wird allgemein das Verhältnis einer Erfolgsgröße zu einer<br />
Einsatzgröße verstanden. Die erreichte Rentabilität errechnet sich aus dem Verhältnis des<br />
erreichten Gewinns im Verhältnis zu den da<strong>für</strong> notwendigerweise eingesetzten Mitteln (Eingangsgröße).<br />
Je nachdem, welche Eingangskomponenten <strong>für</strong> obigen Zusammenhang gewählt werden,<br />
lassen sich diverse traditionelle Rentabilitäts- bzw. Erfolgsgrößen ableiten:<br />
Umsatzrentabilität (ROS)<br />
Kapitalrentabilitäten<br />
o Gesamtkapitalrentabilität, Vermögensrentabilität (ROI, ROA, etc.)<br />
o Eigenkapitalrentabilität (ROE)<br />
Im Folgenden wird die Umsatzrentabilität, die das Verhältnis von EGT (Ergebnis <strong>der</strong> gewöhnlichen<br />
Geschäftstätigkeit) zum Umsatz bezeichnet, als Performancegröße herangezogen,<br />
da <strong>für</strong> diese Rentabilitätsgröße valide Werte <strong>für</strong> alternative Netzbetreiber vorliegen.<br />
Telekom Austria erreichte auf dem gegenständlichen Markt in den Jahren 2001 – 2003 basierend<br />
auf dem festgestellten erhöhten Preisniveau eine Umsatzrentabilität von etwa 30 %<br />
(auf Zehnerschritte gerundet). Dieser Wert beinhaltet bereits einen fiktiven Kapitalkostenzinssatz<br />
<strong>der</strong> Telekom Austria.<br />
Die relativ hohen Kostenüberdeckungsgrade in <strong>der</strong> Zone „Ausland“ <strong>der</strong> Kontrollmatrix (ON<br />
25, vgl. Annex 8.1.) bringen zum Ausdruck, dass hier Telekom Austria vergleichsweise hohe<br />
Preisgestaltungsspielräume zur Verfügung stehen.<br />
Die Feststellungen zur erzielten Performance (Rentabilität) ergeben daher, dass die im<br />
Durchschnitt höher gelegenen Preise von TA auch mit einer entsprechenden Kostenüberdeckung<br />
<strong>für</strong> das Produkt “Auslandsgespräche von Nichtprivatkunden“ korrelieren. Obgleich die<br />
Preissetzung <strong>der</strong> Telekom Austria einem ex-ante Entgeltgenehmigungsverfahren unterliegt,<br />
kann auf Grund <strong>der</strong> in <strong>der</strong> Kontrollmatrix (ON 32) implizit enthaltenen Preisgestaltungsspielräumen<br />
auch auf dem gegenständlichen Markt von gewissen Freiheitsgraden hinsichtlich<br />
Tarifstruktur im Sinne einer aktiv unternehmensinduzierten, strategischen Preisgestaltung<br />
ausgegangen werden.<br />
2.1.6. Technologisches Entwicklungspotential<br />
Hinsichtlich des technologischen Entwicklungspotentials (§ 35 Abs. 2 Z 6 TKG 2003: „<strong>der</strong><br />
technologiebedingte Vorsprung“; SMP-Guidelines §78: „technological advantages or superiority“)<br />
ist ungewiss, welche Anbieter von den hier erwarteten Innovationsschüben, bspw. Voice<br />
over Broadband (VoB), am meisten profitieren können. Bezüglich Nichtprivatkunden ist<br />
speziell darauf hinzuweisen, dass die Telekom Austria in <strong>der</strong> Regel über direkte und damit<br />
qualitativ hochwertige Leitungen in eine Vielzahl von Län<strong>der</strong>n verfügt. Auch aufgrund von<br />
Größenunterschieden muss hier mit einer gewissen Asymmetrie in den Gestaltungsmöglichkeiten<br />
gerechnet werden.<br />
13<br />
<strong>Vorlesung</strong>smaterialien Seite 149
2.1.7. Internationaler Tarifvergleich<br />
Aus den internationalen Tarifvergleichen (vgl. Kapitel 5.6.2.; ERG: „International Benchmarking“)<br />
können keine systematischen Schlüsse gezogen werden. Wenn auch keine groben<br />
Ausreißer festgestellt werden können, so ist dennoch festzuhalten, dass sich das Vergleichsprodukt<br />
<strong>der</strong> Telekom Austria bei Nichtprivatkunden preislich im oberen Bereich befindet;<br />
die Relevanz dieses Indikators wird jedoch aufgrund nur sehr eingeschränkter Vergleichbarkeit<br />
und teils fraglicher methodischer Validität entsprechend verringert.<br />
2.1.8. Nachfrageseitige Gegenmacht<br />
Verhandlungsstärke im Sinne einer nachfrageseitigen Gegenmacht ist bei Nichtprivatkunden<br />
prinzipiell denkbar. Auf dem gegenständlichen Markt hat allerdings selbst <strong>der</strong> größte Kunde<br />
weniger als 3% des Marktumsatzes <strong>der</strong> Telekom Austria (bzw. bei Bezug auf den Gesamtmarkt<br />
noch entsprechend weniger). Es gibt innerhalb <strong>der</strong> Gruppe <strong>der</strong> Geschäftskunden keinen<br />
einzigen <strong>der</strong> auf Grund seiner Größe eine <strong>für</strong> den Gesamtmarkt hinreichend disziplinierende<br />
Gegenmacht auf TA ausüben könnte.<br />
2.1.9. Weitere Indikatoren<br />
Die Feststellungen bezüglich weiterer, den Rahmenbedingungen zuordenbaren Indikatoren<br />
wurden bei <strong>der</strong> Analyse <strong>der</strong> geson<strong>der</strong>t ausgewiesenen Indikatoren entwe<strong>der</strong> mitberücksichtigt<br />
o<strong>der</strong> haben eine in <strong>der</strong> Gesamtbetrachtung zu vernachlässigende Bedeutung wie etwa<br />
<strong>der</strong> internationale Vergleich.<br />
Diese Indikatoren können daher nicht weiter zur Beurteilung <strong>der</strong> aktuellen Wettbewerbssituation<br />
beitragen.<br />
2.2. Verhältnis von Infrastruktur- und Dienstewettbewerb<br />
Die folgende Abbildung 3 setzt infrastruktur- und dienstebasierten Wettbewerb in Beziehung:<br />
35%<br />
30%<br />
25%<br />
20%<br />
15%<br />
10%<br />
5%<br />
0%<br />
1. Qu.<br />
2002<br />
Festnetz Endkundenmarkt - Wettbewerb im Anschlussbereich:<br />
Entwicklung Infrastruktur vs. Dienste basierter Wettbewerb im Zeitverlauf<br />
2. Qu.<br />
2002<br />
3. Qu.<br />
2002<br />
4. Qu.<br />
2002<br />
1. Qu.<br />
2003<br />
2. Qu.<br />
2003<br />
3. Qu.<br />
2003<br />
Infrastruktur basierter Wettbewerb: Koax, Entbündelung, FTTH und Powerline<br />
(Marktanteil alternativer Anbieter am Anschlussmarkt)<br />
14<br />
4. Qu.<br />
2004<br />
Dienste basierter Wettbewerb: CPS ( Anteil <strong>der</strong> TA Anschlüsse, die preselected sind)<br />
ABBILDUNG 3: VERHÄLTNIS VON INFRASTRUKTUR- UND DIENSTEWETTBEWERB<br />
<strong>Vorlesung</strong>smaterialien Seite 150<br />
1. Qu.<br />
2005<br />
2. Qu.<br />
2005
Aus obiger Abbildung ist ersichtlich, dass das Ausmaß an infrastrukturbasiertem Wettbewerb<br />
(Koaxialkabel/KabelTV-Netze, FTTH und Powerline) in Relation zu Formen des Dienstewettbewerbs<br />
(insbeson<strong>der</strong>e aufgrund <strong>der</strong> Verpflichtung zur Betreiber(vor)auswahl, siehe Punkt B<br />
3.2.4) nach wie vor von deutlich untergeordneter Bedeutung ist. Zudem wird durch die<br />
Betreiber(vor)auswahl alternativen Anbietern Dienstewettbewerb nur ermöglicht, die auf Verbindungsmärkten<br />
identifizierten Wettbewerbsprobleme (horizontale Marktmachtübertragung,<br />
antikompetitve Preissetzung) können damit aber nicht angemessen behoben werden. Dies<br />
wäre erst im Falle eines hinreichend etablierten Infrastrukturwettbewerbs gewährleistet. Weiters<br />
könnte nur ein hinreichend etablierter Infrastrukturwettbewerb die "regulatorische Ambivalenz"<br />
von Preis- bzw. Produktbündelungen (wohlfahrtserhöhende Auswirkungen durch <strong>für</strong><br />
den Konsumenten günstigere Bündelprodukte vs. antikompetitive Effekte durch die mit Produktbündelungen<br />
verknüpfte Marktmachtübertragungsproblematik) auflösen. Die Telekom-<br />
Control-Kommission verweist in diesem Zusammenhang auf das Dokument “ERG Common<br />
Position on the approach to appropriate remedies in the new regulatory framework” (ON 33),<br />
in dem festgehalten wird, dass ein nur in Ansätzen vorhandener Infrastrukturwettbewerb gerade<br />
die Notwendigkeit von Zugangsverpflichtungen nach sich zieht.<br />
2.3. Ergebnis <strong>der</strong> Wettbewerbsanalyse am Markt <strong>für</strong> Auslandsgespräche von Nichtprivatkunden<br />
Die folgenden Wettbewerbsprobleme wurden durch die Telekom-Control-Kommission festgestellt:<br />
Die Wettbewerbsproblematik liegt am vorliegenden Markt, wie eingangs ausgeführt, primär in<br />
<strong>der</strong> Beständigkeit <strong>der</strong> Marktbarrieren. Als Beleg da<strong>für</strong> zeichnete sich in letzter Zeit eine Phase<br />
<strong>der</strong> Konsolidierung <strong>der</strong> Umsatzmarktanteile <strong>der</strong> Telekom Austria auf hohem Niveau (rund<br />
60%) ab, während die in Verkehrsminuten gemessenen Marktanteile <strong>der</strong> Telekom Austria bei<br />
ca. 53 % liegen (ON 84, Abb. 4 auf S 12). Alternative Anbieter können die Nachfrager nur mit<br />
spürbaren Preisvorteilen zum Überwinden <strong>der</strong> existierenden Wechselbarrieren bewegen.<br />
Diese sind im gegenständlichen Markt deshalb vergleichsweise hoch, als Zuverlässigkeitsanfor<strong>der</strong>ungen<br />
und sonstige Qualitätsmerkmale hier beson<strong>der</strong>s wichtig sind und marktrelevante<br />
Leistungen häufig in Form von Projektgeschäften bezogen werden. Sowohl tatsächliche<br />
Qualitätsvorsprünge auf Seiten <strong>der</strong> Telekom Austria aufgrund höherwertiger und vor<br />
allem eigener Infrastruktur o<strong>der</strong> <strong>der</strong> historisch gewachsenen internationalen (Partner-<br />
)Netzstruktur als auch subjektiv von Nachfragern empfundene Vorteile erklären solche<br />
Wechselbarrieren.<br />
Aufgrund <strong>der</strong> Wechselkosten besteht die Gefahr, dass Telekom Austria ihre Marktmacht zum<br />
Nachteil <strong>der</strong> Nichtprivatkunden ausübt und überhöhte Endkundenpreise zur Anwendung<br />
bringt. Weiters besteht die Gefahr <strong>der</strong> horizontalen Marktmachtübertragung durch Anbieten<br />
von Bündelprodukten, die von Mitbewerbern nur bedingt repliziert werden können. Diese<br />
Problematik wird auf dem vorliegenden Markt durch die hohe Bedeutung individueller Gesamtlösungen<br />
noch verschärft (ON 25, Kapitel 7.1.6).<br />
Die Anreize von TA, den Wettbewerb auf dem gegenständlichen Markt nachhaltig zu beeinflussen,<br />
sind auf Grund <strong>der</strong> da<strong>für</strong> vorhandenen Möglichkeiten gegeben.<br />
15<br />
<strong>Vorlesung</strong>smaterialien Seite 151
3. Regulierungsinstrumente<br />
3.1. Auswahl und Bewertung <strong>der</strong> Regulierungsoptionen <strong>für</strong> den gegenständlichen<br />
Markt<br />
Ausgangspunkt <strong>für</strong> die Feststellung angemessener Regulierungsinstrumente sind die folgenden<br />
Wettbewerbsprobleme: (i) Vorhandensein von Marktbarrieren, (ii) überhöhte Preise zum<br />
Nachteil <strong>der</strong> Endkunden und (ii) Marktmachtübertragung durch Produktbündelung.<br />
3.2. Zu den Vorleistungsregulierungsinstrumenten<br />
Die folgenden Feststellungen gehen auf die Frage, ob die gesetzlich existierenden Vorleistungsregulierungsinstrumente<br />
allein ausreichend sind, um die Wettbewerbsprobleme auf<br />
dem gegenständlichen Markt <strong>für</strong> „Auslandsgespräche <strong>für</strong> Nichtprivatkunden“ zu adressiere,<br />
beson<strong>der</strong>s ein, wobei darauf hingewiesen wird, dass in den Punkten B 3.2.1 bis B 3.2.8 sowohl<br />
Vorleistungsregulierungsinstrumente abgehandelt werden, die gleichzeitig einen eigenen<br />
Markt <strong>der</strong> TKMVO 2003 konstituieren (Verpflichtung zur Entbündelung, Originierung,<br />
Terminierung und Zugang zu terminierenden Segmenten von Mietleitungen auf den jeweiligen<br />
Märkten <strong>der</strong> TKMVO 2003) und solche, bei denen dies nicht <strong>der</strong> Fall ist (Wie<strong>der</strong>verkauf<br />
<strong>der</strong> Teilnehmeranschlussleistung, Betreiber(vor)auswahl sowie die Transparenzverpflichtung).<br />
3.2.1. Wie<strong>der</strong>verkauf <strong>der</strong> Teilnehmeranschlussleistung (Resale)<br />
Seit Ende 2003 liegt ein Großhandelsangebot <strong>der</strong> Telekom Austria <strong>für</strong> den Zugang zur Anschlussleistung<br />
vor. Bis zum gegenwärtigen Zeitpunkt wurde dieses Vorleistungsprodukt<br />
von keinem Marktteilnehmer angenommen. Wie sowohl die nationale, als auch die internationale<br />
Erfahrung zeigt, ist eine Implementierung eines marktfähigen Resale-Angebotes problembehaftet<br />
und vor allem langwierig. Von einem in breitem Umfang in Anspruch genommenen<br />
Wie<strong>der</strong>verkauf <strong>der</strong> Teilnehmeranschlussleitung wird daher aus Sicht <strong>der</strong> Telekom-<br />
Control-Kommission auch in absehbarer Zeit nicht auszugehen sein.<br />
Eine breite Inanspruchnahme vorausgesetzt, würde ein marktfähiges Resaleangebot neben<br />
zusätzlichen Wettbewerbsimpulsen im Zugangsbereich horizontal <strong>für</strong> die Wettbewerbssituation<br />
<strong>der</strong> Endkundengesprächsmärkte insofern positive Effekte mit sich bringen, als alternative<br />
Festnetzbetreiber (insbeson<strong>der</strong>e reine Verbindungsnetzbetreiber) dadurch gleichrangig in<br />
die Lage kämen, Bündelangebote zu kreieren, d.h. über entsprechende Preissetzungsflexibilität<br />
zu verfügen. Somit würde sich die Asymmetrie zwischen Telekom Austria und den alternativen<br />
Festnetzbetreibern hinsichtlich <strong>der</strong> Preisgestaltungsspielräume deutlich abschwächen,<br />
ebenso wie die damit in Zusammenhang stehende Marktmachtübertragungsproblematik.<br />
Doch angesichts <strong>der</strong> gegenwärtigen Irrelevanz dieser Zugangsverpflichtung hinsichtlich<br />
ihrer Annahme am Markt ergibt sich daraus eben kein Ersatz <strong>für</strong> die auferlegten Endkundenregulierungsinstrumente<br />
innerhalb des regulierungsrelevanten Zeitraums von ein bis zwei<br />
Jahren.<br />
Hinzu kommt, dass die im Rahmen <strong>der</strong> Breitbandmarktanalyse (Verfahren <strong>der</strong> Telekom-<br />
Control-Kommission zu M 1/05) <strong>der</strong> Telekom Austria auferlegte Verpflichtung zum Anbieten<br />
von „Naked-DSL“ künftig auf <strong>der</strong> Angebotsseite zwar <strong>für</strong> innovativere Impulse sorgen sollte<br />
(„Resale Neu“), doch wird sich auch diese Maßnahme ebenfalls erst allmählich am Markt<br />
etablieren müssen, um aus ökonomischer Sicht eine signifikante Än<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Wettbewerbssituation<br />
am gegenständlichen Markt bewirken zu können. Die Telekom-Control-<br />
Kommission verweist in diesem Zusammenhang auf in Punkt 7.1.2 dieses Bescheides die<br />
Überlegungen <strong>der</strong> European Regulators Group zum Regulierungsprinzip 2 (Keine Möglichkeit<br />
zur Replizierung <strong>der</strong> Infrastruktur des marktmächtigen Unternehmens).<br />
16<br />
<strong>Vorlesung</strong>smaterialien Seite 152
3.2.2. Entbündelung<br />
Die „Entbündelungsverpflichtung“ ist eine spezifische Form <strong>der</strong> Zugangsregulierung (§ 41<br />
Abs. 2 Z 1 TKG 2003 und Ausfluss <strong>der</strong> Wettbewerbsverhältnisse am korrespondierenden<br />
Entbündelungsmarkt (Bescheid <strong>der</strong> Telekom-Control-Kommission zu M 13/03). Aufgrund <strong>der</strong><br />
<strong>der</strong>zeit vom Markt nicht in Anspruch genommenen Resale-Möglichkeit, und von <strong>der</strong> Existenz<br />
<strong>der</strong> in städtischen Bereichen operativen Kabelnetzbetreiber abgesehen, bleibt die Entbündelung<br />
de facto aus Sicht <strong>der</strong> alternativen Betreiber die bedeutendste Alternative zur Errichtung<br />
eigener Anschlüsse. Abbildung 4 illustriert Verlauf und Bedeutung <strong>der</strong> Entbündelungsaktivitäten<br />
mit dem Zwischenfazit (vgl. dazu die entsprechende Darstellung im Marktanalysegutachten,<br />
S. 46-47), dass trotz eines starken Wachstums <strong>der</strong> Anzahl entbündelter Kupferdoppela<strong>der</strong>n<br />
im Jahr 2003 diese in Relation zur Gesamtzahl aller Anschlüsse sehr gering bleiben.<br />
Konkret lag die jährliche Steigerungsrate mit Q4/2002-Q4/2003 bei rd. 179%. Mit Q4/2003<br />
waren allerdings nur rd. 0,85% aller Leitungen <strong>der</strong> Telekom Austria entbündelt, obwohl dieser<br />
Anteil mittlerweile auf rund 3 % aller Leitungen gestiegen ist (ON 80). Der Anteil <strong>der</strong><br />
breitbandig genutzten entbündelten Teilnehmeranschlussleitungen nahm laufend zu und lag<br />
im Q4/2003 bei rd. 70% aller entbündelten Teilnehmeranschlussleitungen. Nur zu rd. 30%<br />
wurde die entbündelte Teilnehmeranschlussleitung nicht <strong>für</strong> Breitband, son<strong>der</strong>n <strong>für</strong> ISDN und<br />
da vor allem <strong>für</strong> die Anbindung von Nichtprivatkunden genutzt.<br />
Anzahl<br />
30.000<br />
25.000<br />
20.000<br />
15.000<br />
10.000<br />
5.000<br />
0<br />
Q4/1999<br />
Q1/2000<br />
Q2/2000<br />
Q3/2000<br />
Entwicklung Entbündelung<br />
Q4/2000<br />
Q1/2001<br />
Q2/2001<br />
17<br />
Q3/2001<br />
Q4/2001<br />
Quartal<br />
ULL nie<strong>der</strong>bitratig ULL hochbitratig ANB/ISP xDSL via ULL<br />
ABBILDUNG 4: ANZAHL ENTBÜNDELTER KUPFERLEITUNGEN IM ZEITVERLAUF<br />
In <strong>der</strong> Zwischenzeit ist zwar – wie oben ausgeführt - die Anzahl <strong>der</strong> entbündelten Leitungen<br />
mittlerweile zwar auf rund 3% aller Leitungen angestiegen, die obigen Feststellungen werden<br />
allerdings in allen Belangen bestätigt. (ON 80 mit Verweis auf Band 2/2005 <strong>der</strong> RTR-<br />
Schriftenreihe „Entbündelung Status Report 2005“, abrufbar unter: www.rtr.at.)<br />
Entbündelung bedeutet durch signifikante Investitionen in die Netzinfrastruktur nicht nur entsprechend<br />
hohes Risiko und Kapitalerfor<strong>der</strong>nisse, son<strong>der</strong>n erfor<strong>der</strong>t auch eine längerfristige<br />
Strategie und hohe marketingtechnische Anstrengungen. Ferner besteht <strong>für</strong> potentielle Entbündelungsbetreiber<br />
die Notwendigkeit, eine kritische Nachfragemasse je Hauptverteiler zu<br />
<strong>Vorlesung</strong>smaterialien Seite 153<br />
Q1/2002<br />
Q2/2002<br />
Q3/2002<br />
Q4/2002<br />
Q1/2003<br />
Q2/2003<br />
Q3/2003<br />
Q4/2003
erreichen, um hinreichend von <strong>der</strong> Fixkostendegression zu profitieren, wodurch sich dieses<br />
Investment insbeson<strong>der</strong>e auf dicht verbaute Gebiete beschränkt. Der hohe Anteil hochbitratiger<br />
Dienste (rund 80% aller entbündelten Teilnehmeranschlussleitungen <strong>für</strong> Q4/2004) zeigt<br />
zudem, dass Sprachtelefonie <strong>für</strong> sich kein lukratives Anwendungsfeld ist, vielmehr wird versucht,<br />
über Bündelungsvorteile und Gesamtpaketlösungen die eigene Wettbewerbsposition<br />
zu stärken.<br />
Neben dem nach wie vor geringen Gesamtanteil (zum gegenwärtigen Zeitpunkt rund 3%<br />
aller Leitungen) reduziert die primär hochbitratige Verwendung dieser Zugangsverpflichtung<br />
nochmals deutlich die wettbewerbliche Relevanz <strong>für</strong> den gegenständlichen (schmalbandigen)<br />
Verbindungsmarkt. Ein Ersatz <strong>für</strong> eine entsprechende Endkundenregulierung kann daher<br />
nicht abgeleitet werden.<br />
3.2.3. Mietleitungen - Multi-ISDN<br />
Die kumulierten Anteile auf Seiten <strong>der</strong> alternativen Anbieter betrugen <strong>für</strong> Multi-ISDN in den<br />
Jahren 2002 – 2003 durchschnittlich rund 17% bei den Zugangsleistungen <strong>für</strong> Nichtprivatkunden<br />
(dem mit Abstand kompetitivsten Segment im Anschlussbereich), trotz obig erwähnter<br />
Entbündelungsverpflichtung sowie existieren<strong>der</strong> Verpflichtungen auf Mietleitungs(vorleistungs-)märkten<br />
(ON 25 Kapitel 5.1.5, Abbildung 17). Dies zeigt, dass im vergleichsweise<br />
kompetitivsten Segment (auf diversen Infrastrukturrealisierungen basierende<br />
Multi-ISDN Anschlüsse) innerhalb <strong>der</strong> Zugangsleistungen noch immer nicht von einem hinreichend<br />
und nachhaltig abgesicherten Infrastrukturwettbewerb gesprochen werden kann,<br />
obwohl die auf Entbündelungs- und Mietleitungsmärkten auferlegten Vorleistungsverpflichtungen<br />
ebenfalls Wirkung auf die Strukturen in Festnetzendkundenmärkten zeigen. Die bloße<br />
Entwicklung <strong>der</strong> Marktanteilsverläufe zeigt aber sehr deutlich, dass hiermit allein keine<br />
hinreichend kompetitiven Verhältnisse erreicht werden konnten.<br />
3.2.4. Betreiber(vor)auswahl<br />
Die Betreiber(vor)auswahl ermöglicht es alternativen Betreibern ohne direkten Zugang zum<br />
Teilnehmer, Verbindungsleistungen am Endkundenmarkt anzubieten (ON 32). Die nach § 46<br />
TKG 2003 gesetzlich vorgeschriebene Verpflichtung zur Betreiber(vor)auswahl ist in Abhängigkeit<br />
von <strong>der</strong> Wettbewerbssituation auf den Zugangsmärkten zu sehen. Sie för<strong>der</strong>t den<br />
Wettbewerb auf den Zugangsmärkten per se nicht, sodass die Wettbewerbsprobleme auf<br />
diesen Märkten durch eine solche Verpflichtung unverän<strong>der</strong>t bleiben, doch sie unterbindet<br />
gewisse Möglichkeiten <strong>der</strong> vertikalen Marktmachtübertragung auf Verbindungsmärkte und<br />
schafft somit eine zentrale Voraussetzung <strong>für</strong> effektiven Wettbewerb in diesen Märkten. Aus<br />
ökonomischer Sicht ist die Verpflichtung zur Betreiberauswahl und –vorauswahl nach § 46<br />
TKG 2003 (die an sich eine Vorleistungsverpflichtung am Markt <strong>für</strong> Originierung darstellt)<br />
daher ein adäquates und geeignetes Instrument, Telekom Austria daran zu hin<strong>der</strong>n, ihre<br />
vertikale (!) Marktmacht auf die Verbindungsmärkte zu übertragen. Diese Marktmacht wurzelt<br />
in <strong>der</strong> Infrastruktur des Anschlussbereichs, <strong>der</strong> gegenwärtig als natürliches Monopol zu sehen<br />
ist. Fiele diese dem marktbeherrschenden Unternehmen per Gesetz auferlegte Verpflichtung<br />
<strong>der</strong> Gesprächszuführung weg, würde dies aufgrund <strong>der</strong> de facto monopolistischen<br />
Marktstruktur im Zugangs-/Anschlussbereich bzw. <strong>der</strong>en nicht absehbarer Replizierbarkeit<br />
einem Ende <strong>der</strong> zumindest potentiell wettbewerbsfähigen Strukturen auf Gesprächsmärkten<br />
gleichkommen. Auf den Zugangsmärkten selbst entfaltet die Betreibervorauswahl jedoch<br />
keine direkte Wirkung und ist daher nicht geeignet, die dort identifizierten Wettbewerbsprobleme<br />
zu adressieren.<br />
Die gesetzliche Verpflichtung zur Betreiber(vor)auswahl nach § 46 TKG 2003 <strong>für</strong> ein auf den<br />
Zugangsmärkten marktbeherrschendes Unternehmen sowie die Verpflichtung zur Legung<br />
eines Resale-Angebots reichen aus gegenwärtiger Sicht nicht aus, um effektiven Wettbe-<br />
18<br />
<strong>Vorlesung</strong>smaterialien Seite 154
werb auf den Verbindungsmärkten sicherzustellen und die identifizierten Probleme hintanzuhalten.<br />
Dies deshalb, weil erstere zwar den Zugang <strong>für</strong> die Bereitstellung von Verbindungsleistungen<br />
an Endkunden durch Dritte sicherstellt, aber nicht geeignet ist, dem Problem <strong>der</strong><br />
Kampfpreise zu begegnen, und überdies durch diese rein auf Verbindungsleistungen abstellende<br />
Regulierung auch das Bündelungsproblem (in Form <strong>der</strong> horizontalen Marktmachtübertragung)<br />
nicht adressiert werden kann. Da aber ferner am gegenständlichen Auslandsmarkt<br />
<strong>für</strong> Nichtprivatkunden erhebliche nachfrageseitige Wechselbarrieren bestehen (Qualität, Reputation<br />
etc.), ist dieses Instrument auch aus diesem Grund und auch in Verbindung mit einer<br />
Resale-Verpflichtung nicht ausreichend, da zum gegenwärtigen Zeitpunkt, in dem <strong>der</strong><br />
Erfolg von Resale am Markt noch nicht absehbar ist, nicht davon ausgegangen werden, dass<br />
die Problematik <strong>der</strong> exzessiven Preise und <strong>der</strong> Bündelung damit gelöst werden kann.<br />
3.2.5. Spezifische Verpflichtung betreffend Originierung<br />
Hinsichtlich <strong>der</strong> auferlegten Verpflichtungen am Markt <strong>für</strong> Originierungsleistungen (M 7/03),<br />
sind insbeson<strong>der</strong>e das Angebot bestimmter Dienste zu Großhandelsbedingungen, die Führung<br />
von Verhandlungen, die Zusammenschaltung von Netzen und das Verbot <strong>der</strong> nachträglichen<br />
Verweigerung bereits gewährter Zugänge sowie begleitende Auflagen wie insbeson<strong>der</strong>e<br />
Kostenorientierung und Nichtdiskriminierung zu nennen. Die gemäß § 46 TKG 2003<br />
auferlegte Verpflichtung zur „Betreiber(vor)auswahl“ übernimmt nun aber genau diese in<br />
Form eines Standardzusammenschaltungsangebotes spezifizierten Zugangs-<br />
/Zuführungsverpflichungen (inkl. <strong>der</strong> Kostenorientierung <strong>der</strong> Entgelte des auch am Markt <strong>für</strong><br />
Originierungsleistungen marktbeherrschenden Unternehmens Telekom Austria) bzw. stimmt<br />
mit diesen inhaltlich überein.<br />
In diesem Zusammenhang ist - wie bereits oben zu Punkt B 3.2.4 ausgeführt - zu berücksichtigen,<br />
dass § 46 Abs. 2 TKG 2003 vorsieht, dass Unternehmen mit beträchtlicher Marktmacht<br />
bei <strong>der</strong> Bereitstellung des Anschlusses an das feste öffentliche Telefonnetz und dessen<br />
Nutzung an festen Standorten zur Betreiber(vor)auswahl zu verpflichten sind. Dieser<br />
Zugang ist <strong>für</strong> Verbindungsnetzbetreiber (VNB) auf Basis kostenorientierter Entgelte zu ermöglichen.<br />
Das TKG 2003 normiert daher <strong>für</strong> die Kategorie <strong>der</strong> Originierungsentgelte zu<br />
Verbindungsnetzbetreibern die Entgeltkontrolle in <strong>der</strong> Ausprägung <strong>der</strong> Kostenorientierung.<br />
Die Betreiber(vor)auswahl und die Originierungsverpflichtung werden zwar auf unterschiedlichen<br />
relevanten Märkten auferlegt, ermöglichen aber in kongruenter Form Dienstewettbewerb<br />
auf Endkundenebene. Aufgrund <strong>der</strong> faktischen Deckungsgleichheit dieser beiden Vorab-Verpflichtungen<br />
kann aber in <strong>der</strong> Originierungsverpflichtung (bzw. in <strong>der</strong> Kombination<br />
dieser beiden Regulierungsmaßnahmen) kein Ersatz <strong>für</strong> die auferlegte Endkundenregulierung<br />
gesehen werden, da die Auswirkungen <strong>der</strong> Originierungsverpflichtung bzw. bei<strong>der</strong><br />
Maßnahmen gemeinsam sich nicht von denen <strong>der</strong> Verpflichtung gemäß § 46 TKG 2003 alleine<br />
unterscheiden würden.<br />
3.2.6. Spezifische Verpflichtung betreffend Terminierung<br />
Hinsichtlich <strong>der</strong> Terminierungsverpflichtung ist zunächst auf die allgemeine (von „marktbeherrschenden<br />
Stellungen“ unabhängige) Verpflichtung zur Zusammenschaltung zur Sicherstellung<br />
<strong>der</strong> Any-to-Any Erreichbarkeit gemäß § 48 TKG 2003 hinzuweisen.<br />
Telekom Austria ist hinsichtlich <strong>der</strong> Terminierung von Gesprächen in ihrem eigenen Netz zu<br />
kostenorientierten Entgelten verpflichtet.<br />
Aus ähnlichen Überlegungen wie bei <strong>der</strong> Verpflichtung zur Betreiber(vor)auswahl (§ 46 TKG<br />
2003) und zu den Verpflichtungen am Originierungsmarkt (M 7/03) sind <strong>der</strong>lei Zusammenschaltungsverpflichtungen<br />
bei nur unvollständig bzw. nur ansatzweise etabliertem Infrastruk-<br />
19<br />
<strong>Vorlesung</strong>smaterialien Seite 155
turwettbewerb aber vielmehr als notwendige Basisregulierung auf Vorleistungsebene anzusehen<br />
(„conditio sine qua non“), die den Dienstewettbewerb auf Endkundenmärkten - wie<br />
dem gegenständlichen - überhaupt erst ermöglichen sollen. Nur dann, wenn auf Endkundenmärkten<br />
keine nennenswerten Asymmetrien etwa in Preisgestaltungsmöglichkeiten o<strong>der</strong><br />
keine ausgeprägten Wettbewerbsprobleme vorliegen, kann auf dieses Vorleistungsregulierungsinstrument<br />
alleine vertraut werden, ohne begleitende spezifische Verpflichtungen auf<br />
Endkundenebene anzuordnen.<br />
Eine solche Vorleistungsregulierung kann Marktmacht auf Vorleistungsebene, sowie <strong>der</strong>en<br />
(vertikale) Übertragung auf Endkundenebene hintanhalten, die auf dem gegenständlichen<br />
Markt festgestellten Wettbewerbsprobleme <strong>der</strong> überhöhten Preise, <strong>der</strong> (horizontalen) Bündelung<br />
von Produkten sowie des Bestehens von Markteintrittsbarrieren können aber damit<br />
nicht ausreichend adressiert werden. So könnten Kampfpreise bzw. überhöhte Preise bei<br />
entsprechen<strong>der</strong> Marktmacht am Endkundenmarkt auch gänzlich ungeachtet einer existierenden<br />
Zusammenschaltungsverpflichtung praktiziert bzw. realisiert werden.<br />
3.2.7. Transparenzverpflichtung<br />
Die Transparenzverpflichtung verpflichtet marktmächtige Unternehmen dazu, zusätzliche<br />
Informationen zu liefern und zu veröffentlichen. Zum einen bezieht sich dieses Regulierungsinstrument<br />
gemäß § 39 TKG 2003 auf den Zugang und stellt ähnlich <strong>der</strong> Verpflichtung zur<br />
getrennten Buchführung gem. § 40 TKG 2003 eine begleitende Hilfsmaße in Bezug auf Vorleistungsregulierungsinstrumente<br />
dar.<br />
Bloße Transparenz von Vorleistungskonditionen kann die identifizierte Wettbewerbsprobleme<br />
auf dem gegenständlichen Endkundenmarkt (überhöhte Preise, Kampfpreise, horizontale<br />
Marktmachübertragung sowie Bündelung) nicht einschränken o<strong>der</strong> gar eliminieren. So wäre<br />
einem alternativen Anbieter, <strong>der</strong> sich am Markt mit nachhaltig antikompetitiven Preisen konfrontiert<br />
sieht, selbst mit einer minutiösen Darlegung sämtlicher Vorleistungskonditionen wenig<br />
geholfen bzw. würde dies nichts an <strong>der</strong> Existenzgefährdung seines Unternehmens etwa<br />
im Falle einer erfolgreichen Verdrängungsstrategie än<strong>der</strong>n. In diesem Sinne auch ERG<br />
(2003), S. 48: „It is difficult to see many situations relating to access and interconnection<br />
where transparency by itself is likely to be an effective remedy, although it might help to identify<br />
anti-competitive behaviour that could be dealt with by competition law…”.<br />
Die Transparenzverpflichtung ist daher nicht geeignet, die auf dem gegenständlichen Markt<br />
festgestellten Wettbewerbsprobleme zu bekämpfen.<br />
3.2.8. Getrennte Buchführung<br />
Hinsichtlich <strong>der</strong> Verpflichtung zur Führung eines Kostenrechnungssystems (getrennter Buchführung)<br />
und auf die Notwendigkeit <strong>der</strong> märkteübergreifenden Auferlegung dieser spezifischen<br />
Verpflichtung wird auf die Ausführungen zu Punkt B 3.3.3 verwiesen.<br />
3.3. Verpflichtungen auf Endkundenebene<br />
3.3.1. Entgeltkontrolle<br />
Die Verpflichtung zur Verbindungsnetzbetreiber(vor)auswahl auf dem komplementären Zugangsmarkt<br />
stellt von ihrer Intention her sicher, dass Wettbewerber <strong>der</strong> TA, die über keinen<br />
direkten Zugang zum Teilnehmer verfügen, gleichwohl im Wettbewerb mit <strong>der</strong> integrierten<br />
Telekom Austria Dienste anbieten können. Diese Verpflichtung bezieht sich daher ausschließlich<br />
auf Verbindungsleistungen und ist sohin eine wesentliche Voraussetzung <strong>für</strong> das<br />
20<br />
<strong>Vorlesung</strong>smaterialien Seite 156
erreichte Maß an Wettbewerb auf dem gegenständlichen Markt. Hinsichtlich <strong>der</strong> Verpflichtung<br />
zum Wie<strong>der</strong>verkauf <strong>der</strong> Teilnehmeranschlussleistung wird durch diese zwar eine Möglichkeit<br />
geschaffen, auf den komplementären Zugangsmärkten in preislicher Hinsicht mit Telekom<br />
Austria in Konkurrenz zu treten, sie kann aber nur in Teilbereichen (und auch da erst<br />
nach Annahme am Markt) wettbewerbliche Parität sicherstellen, wobei sich bestehende<br />
Wettbewerbsdefizite auch auf dem gegenständlichen Verbindungsmarkt auswirken.<br />
Die Regulierungsinstrumente auf Vorleistungsebene sind im hier relevanten Zeitraum von<br />
etwa zwei Jahren nicht geeignet, den Wettbewerbsproblemen <strong>der</strong> überhöhten Preise, <strong>der</strong><br />
Behin<strong>der</strong>ung des Eintritts neuer Marktteilnehmer und <strong>der</strong> Marktmachtübertragung durch antikompetitive<br />
Bündelung von Diensten zu begegnen.<br />
Dem Wettbewerbsproblem überhöhter Preise kann gegenwärtig nur mit kostenorientierten<br />
Preisen in Form einer ex-ante-Entgeltgenehmigung effizient begegnet werden (ON 32). Neben<br />
<strong>der</strong> Hintanhaltung von überhöhten Preisen erfüllt die Verpflichtung, die Entgelte und Allgemeinen<br />
Geschäftsbedingungen sowie <strong>der</strong>en Än<strong>der</strong>ungen zur Genehmigung vorzulegen,<br />
auch den Zweck, dass <strong>der</strong> Eintritt neuer Marktteilnehmer nicht (etwa durch nicht nachbildbare<br />
Bündelung von Produkten) verhin<strong>der</strong>t wird.<br />
Die Eckpunkte <strong>der</strong> <strong>der</strong>zeitigen ex-ante-Tarifgenehmigung <strong>für</strong> TA ergeben sich aus <strong>der</strong> „Kontrollmatrix“<br />
des Regulierungsinstrumente-Gutachtens (ON 32, Kapitel 2.2.2 und dessen Annex<br />
8.1.) Daraus ergibt sich, dass innerhalb dieser Restriktionen hinreichend Preisgestaltungsspielräume<br />
zur Verfügung stehen, die Telekom Austria in Reaktion auf wettbewerbliche<br />
Marktprozesse entsprechend einsetzen kann. Aus ökonomischer Sicht erscheinen darauf<br />
aufbauend folgende Mindestkriterien <strong>der</strong> ex ante-Entgeltkontrolle als notwendig, um den festgestellten<br />
Wettbewerbsproblemen zu begegnen:<br />
Kriterium 1: Jede von TA angebotene Tarifzone muss, nach Berücksichtigung von Rabatten<br />
und an<strong>der</strong>en Vergünstigungen (z.B. Werbeaktionen), über alle Tarifoptionen hinweg kostendeckend<br />
sein.<br />
Kriterium 2: Je Tarifoption müssen die Tarifzonen in Summe, nach Berücksichtigung von<br />
Rabatten und an<strong>der</strong>en Vergünstigungen, kostendeckend sein.<br />
Kriterium 3: Die Entgelte <strong>für</strong> einzelne Tarifzonen innerhalb einzelner Tarifoptionen sowie die<br />
Entgelte <strong>für</strong> Grundentgelte einzelner Tarifoptionen müssen sich hinsichtlich ihrer Untergrenze<br />
an den Vorleistungskosten <strong>für</strong> das entsprechende Produkt orientieren.<br />
§ 45 TKG 2003 erwähnt unter an<strong>der</strong>em die grundsätzliche Möglichkeit einer Price-Cap-<br />
Regulierung von Endkundenpreisen. Price-Caps sind theoretisch zwar zur Begegnung exzessiver<br />
Preise geeignet, können allerdings am gegenständlichen Markt die oben genannten<br />
Wettbewerbsprobleme nicht adäquat bekämpfen, was aus <strong>der</strong> Konstruktion und Intention<br />
von Price-Caps hervorgeht, da diese primär darauf ausgerichtet sind, Effizienzverbesserungen<br />
an Nachfrager weiterzugeben (ON 32). Ineffizienzen sind jedoch in späteren Liberalisierungsphasen,<br />
in <strong>der</strong> sich <strong>der</strong> gegenständliche Markt bereits befindet, nicht das Hauptproblem,<br />
vielmehr muss (ON 32) mit <strong>der</strong> Übertragung von Marktmacht in Verbindungsmärkte gerechnet<br />
werden.<br />
Die unmittelbar bestehenden, horizontal-komplementär verbundenen Zusammenhänge zwischen<br />
Zugangs- und Gesprächsbereichen begründen die Notwendigkeit einer Genehmigung<br />
<strong>der</strong> Entgelte und Allgemeinen Geschäftsbedingungen <strong>für</strong> sämtliche Endkundenmärkte <strong>der</strong><br />
Sprachtelefonie, auf denen Telekom Austria (vorläufig) eine SMP-Stellung innehat, das sind<br />
die Märkte <strong>für</strong> Inlandsgespräche <strong>für</strong> (Nicht)Privatkunden, <strong>der</strong> <strong>für</strong> Auslandsgespräche von<br />
Nichtprivatkunden sowie die beiden Zugangsmärkte. Die gegenwärtigen Tarifangebote (Tarifpakete)<br />
<strong>der</strong> TA beinhalten teilweise Produkte von verschiedenen Märkten <strong>der</strong> TKMVO<br />
2003.<br />
21<br />
<strong>Vorlesung</strong>smaterialien Seite 157
3.3.2. Gleichbehandlung<br />
Als Alternative zur Entgeltkontrolle in <strong>der</strong> Ausprägung einer Kostenorientierung ist zu erwägen,<br />
ob allenfalls eine Kombination <strong>der</strong> Gleichbehandlungsverpflichtung (gemäß § 38 TKG<br />
2003) auf Vorleistungsebene mit <strong>der</strong> getrennten Buchführung die Entgeltkontrolle (auf Vorleistungs-<br />
und Endkundenebene) ersetzen kann. Durch die Verpflichtung zur getrennten<br />
Buchführung sollen die internen Verrechnungspreise transparent gemacht werden, die dann<br />
mit Hilfe <strong>der</strong> Gleichbehandlungsverpflichtung auch zur Basis <strong>für</strong> externe Transaktionen werden<br />
sollten. Die Gleichbehandlungsverpflichtung besagt, dass ein Unternehmen Dienste und<br />
Informationen <strong>für</strong> Dritte zu den gleichen Bedingungen bereitzustellen hat wie <strong>für</strong> sich selbst<br />
bzw. <strong>für</strong> verbundene Unternehmen. Diese Bestimmung deckt primär den Aspekt des Missbrauchs<br />
mittels nicht-preislicher Praktiken ab. Dennoch kann die Gleichbehandlungsverpflichtung<br />
selbst nicht als gleichwertig zur Zugangsverpflichtung betrachtet werden, weil erstens<br />
die Verpflichtung nur sehr abstrakt auferlegt werden kann und zweitens Zugangsformen<br />
<strong>für</strong> Dritte, die das Unternehmen sich selbst nicht anbietet, von <strong>der</strong> Gleichbehandlung nicht<br />
hinreichend umfasst werden. Darüber hinaus wäre die Auferlegung <strong>der</strong> Gleichbehandlungsverpflichtung<br />
alleine kein gelin<strong>der</strong>es Mittel, da, um gleiche Effektivität <strong>der</strong> Regulierung sicher<br />
zu stellen, die Intensität <strong>der</strong> Auflagen vergleichbar sein müsste. Auch in diesem Zusammenhang<br />
verweist die Telekom-Control-Kommission auf das Regulierungsinstrumente-Gutachten<br />
(ON 32, S 44 -45) sowie ferner zur Effektivität einer isolierten Gleichbehandlungsverpflichung<br />
auf ERG (2003), S. 49 (ON 33): „Non-discrimination is again an obligation that could be imposed<br />
by itself as remedy but in or<strong>der</strong> to be an effective remedy it is likely to need to be<br />
combined with a number of other obligations.“<br />
3.3.3. Kostenrechnungssystem (Getrennte Buchführung)<br />
Die Verpflichtung zur Führung eines Kostenrechnungssystems (Getrennte Buchführung) soll<br />
mittels einer getrennten Aufschlüsselung von Kosten und Erlösen mögliche Quersubventionen<br />
aufzeigen. Sie ist als unterstützendes Element <strong>der</strong> Entgeltkontrolle zu betrachten, soweit<br />
die Verpflichtung <strong>der</strong> Entgeltkontrolle auf Kostenorientierung basiert. Weiters erlaubt sie eine<br />
zeitnahe Überprüfung <strong>der</strong>selben.<br />
Obwohl dieses Regulierungsinstrument nicht konkret auf ein Wettbewerbsproblem angewendet<br />
werden kann, trifft es notwendige Vorkehrungen zur Unterstützung <strong>der</strong> Einhaltung<br />
<strong>der</strong> Verpflichtung zur Entgeltkontrolle, die ihrerseits direkt <strong>der</strong> Begegnung eines Wettbewerbsproblems<br />
dient (siehe oben).<br />
Um diese sicherzustellen, ist eine Gesamtsicht hinsichtlich <strong>der</strong> Erlöse und Kosten auf aggregierter<br />
Ebene erfor<strong>der</strong>lich, wodurch Gewinn- o<strong>der</strong> Kostenverschiebungen von regulierten<br />
Bereichen zu nicht regulierten Bereichen (o<strong>der</strong> umgekehrt) transparent gemacht werden<br />
können. Ein Unternehmen könnte an<strong>der</strong>nfalls einen Anreiz haben, z.B. gemeinsame Kosten<br />
jenen Bereichen zuzuordnen, die einer Regulierung unterliegen. Da die Preiskontrolle nur die<br />
Produkte am relevanten Markt betrifft und dieser in <strong>der</strong> Regel nur einen kleinen Ausschnitt<br />
<strong>der</strong> Aktivitäten des integrierten Betreibers darstellt, ist ein Kostenrechnungssystem (Getrennte<br />
Buchführung) <strong>für</strong> das ganze Unternehmen notwendig (vgl. ERG 2004, S. 49 ff).<br />
Bei Unternehmen mit einer großen Anzahl an Produkten ist die Feststellung von Kostenorientierung<br />
im Rahmen von (kurzen) Verfahren nur möglich, wenn regelmäßig überprüfte<br />
"separated accounts" im Rahmen <strong>der</strong> getrennten Buchführung, zumindest geglie<strong>der</strong>t nach<br />
den Märkten <strong>der</strong> Telekommunikationsmärkteverordnung 2003, vorliegen. Nur damit ist sichergestellt,<br />
dass insbeson<strong>der</strong>e gemeinsame Kosten und Gemeinkosten auf alle Produkte<br />
verursachungsgerecht zugeordnet werden. Eine Kontrolle eines Teilbereichs würde das<br />
Problem von Quersubventionen aus an<strong>der</strong>en Geschäftsbereichen daher nicht lösen. Es kann<br />
daher erst dadurch im Einzelfall eine Überprüfung auf Kostenorientierung einzelner Produkte<br />
o<strong>der</strong> Produktgruppen in kurzer Zeit durchgeführt und sichergestellt werden, dass Kosten<br />
nicht von unregulierten in regulierte Geschäftsfel<strong>der</strong> (bzw. umgekehrt) verschoben werden.<br />
Im Rahmen <strong>der</strong> notwendigen Operationalisierung <strong>der</strong> getrennten Buchführung sind zumindest<br />
folgende Informationen bereitzustellen:<br />
22<br />
<strong>Vorlesung</strong>smaterialien Seite 158
• Erträge,<br />
• Kosten (unterscheidbar nach Personalkosten, Kosten <strong>für</strong> Abschreibungen<br />
von Anlagegütern, Kapitalkosten und sonstigen Kosten),<br />
• detaillierter Anlagenspiegel des Unternehmens, Personalkennzahlen,<br />
Kostentreiber wie insb. Kapazitäten und sonstige <strong>für</strong> die Überprüfung <strong>der</strong><br />
Kostenrechnung notwendigen Informationen.<br />
Die Details <strong>der</strong> konkreten Ausgestaltung werden von <strong>der</strong> Regulierungsbehörde im Rahmen<br />
einer regelmäßigen Überprüfung spezifiziert.<br />
Da Telekom Austria <strong>der</strong>zeit auch auf an<strong>der</strong>en Märkten <strong>der</strong> TKMVO 2003 über beträchtliche<br />
Marktmacht verfügt (Mietleitungen terminierende Segmente, Entbündelung) bzw. sich entsprechende<br />
Maßnahmenentwürfe <strong>der</strong>zeit in Konsultation befinden (Originierung und Terminierung)<br />
und aus denselben Überlegungen wie oben dargestellt auf diesen Märkten ebenfalls<br />
zu getrennter Buchführung verpflichtet ist, bzw. werden könnte, sind die inkrementellen Kosten<br />
dieser Verpflichtung auf diesem Markt gering, da erhebliche Synergien bestehen.<br />
3.3.4. Fazit<br />
Die bisherigen Feststellungen machten deutlich, dass die identifizierten Wettbewerbsprobleme<br />
am Markt <strong>für</strong> Auslandsgespräche <strong>für</strong> Nichtprivatkunden (Existenz von Marktbarrieren,<br />
überhöhte Preise, Marktmachtübertragung und Produktbündelung) durch keine <strong>der</strong> umfassend<br />
geprüften Vorleistungsregulierungsinstrumenten unter Berücksichtigung des regulierungsrelevanten<br />
Zeitraums von 1-2 Jahren hinreichend angegangen werden können. Auch<br />
Kombinationen <strong>der</strong> geprüften Zugangsverpflichtungen können nicht zur Adressierung <strong>der</strong><br />
identifizierten Wettbewerbsprobleme am Markt <strong>für</strong> Auslandsgespräche <strong>für</strong> Nichtprivatkunden<br />
beitragen.<br />
Folgende Maßnahmen sind daher grundsätzlich geeignet und notwendig, die Wettbewerbsprobleme<br />
auf dem gegenständlichen Markt zu beseitigen:<br />
• Da sich Entgelte und Allgemeinen Geschäftsbedingungen sinnvollerweise nicht isoliert<br />
betrachten lassen und die Vorleistungsregulierung nicht ausreicht, um den festgestellten<br />
Wettbewerbsproblemen zu begegnen, sollten Entgelte und Allgemeine Geschäftsbedingungen<br />
des gegenständlichen Marktes und ihre Än<strong>der</strong>ungen mit Ausnahme<br />
von Aktionen von bis zu dreimonatiger Dauer <strong>der</strong> Regulierungsbehörde zur<br />
Genehmigung vorgelegt und u.a. auf ihre Kostenorientierung überprüft werden. Die<br />
Genehmigung hat unter Bedachtnahme auf § 45 TKG 2003 zu erfolgen, wobei die<br />
Nebenbestimmungen nach § 45 Abs. 5 TKG 2003 zu berücksichtigen sind.<br />
• Die ex-ante-Entgeltgenehmigung sollte auf Basis einer gesamt- und einheitlichen<br />
Kostenorientierung gemäß dem dargestellten Prüfmaßstab (ON 32) bzw. <strong>der</strong> darin<br />
enthaltenen Kostenrechnungsprinzipien erfolgen.<br />
• Getrennte Buchführung wird gemäß den obigen Überlegungen als notwendig <strong>für</strong> eine<br />
adäquate und zeitnahe Kostenüberprüfung erachtet.<br />
In Kombination sollten diese Regulierungsinstrumente langfristig geeignet sein, die gegenwärtig<br />
noch gegebene Notwendigkeit zur Entgeltkontrolle obsolet werden zu lassen.<br />
Dieses Fazit wird durch die jüngsten Marktentwicklungen belegt (ON 80). Auch die jüngsten<br />
Marktentwicklungen lassen auf ein Fortbestehen <strong>der</strong> festgestellten Wettbewerbsdefizite<br />
schließen. So hat sich insbeson<strong>der</strong>e – trotz <strong>der</strong> auf 3 % aller Leitungen gestiegenen Entbündelungszahlen<br />
– nichts am de-facto Monopol von Telekom Austria auf dem benachbarten<br />
Zugangsmarkt und damit am Fortbestehen von Markteintrittsbarrieren geän<strong>der</strong>t. Auch eine<br />
Untersuchung <strong>der</strong> Marktverhaltensindikatoren (Bündelung, Marktmachtübertragung, anti-<br />
23<br />
<strong>Vorlesung</strong>smaterialien Seite 159
kompetitive Preissetzung) deuten nicht auf eine Verbesserung <strong>der</strong> wettbewerblichen Situation<br />
am gegenständlichen Markt hin (ON 80).<br />
C. Beweiswürdigung<br />
Die Feststellungen zum gegenständlichen Markt in Bezug auf das Vorliegen von beträchtlicher<br />
Marktmacht ergeben sich aus den eingehenden, schlüssigen und nachvollziehbaren<br />
Untersuchungen <strong>der</strong> Amtssachverständigen im Marktanalyse-Gutachten (ON 25). Die aus<br />
ökonomischer Sicht geeigneten Regulierungsinstrumente ergeben sich aus dem Regulierungsinstrumente-Gutachten<br />
(ON 32).<br />
Hinsichtlich <strong>der</strong> Stellungnahmen und Urkundenvorlagen <strong>der</strong> TA, die auch im gegenständlichen<br />
Verfahren eingebracht wurden (ON 20, 30, 37 und 38), hält die Telekom-Control-<br />
Kommission fest, dass die vorgelegten Gutachten von European Economic & Marketing<br />
Consultants – EE & MC GmbH betreffend „Implikationen des TKG 2003 <strong>für</strong> die Telekom<br />
Austria“ vom April 2004 großteils nur auf internen Quellen und Schätzungen <strong>der</strong> TA beruhen<br />
und im Vergleich zu den im Rahmen des Marktanalyse-Gutachtens <strong>der</strong> Amtssachverständigen<br />
herangezogenen Daten, die auf Datenlieferungen sämtlicher Betreiber zurückgehen,<br />
nicht hinreichend repräsentativ erscheinen. Zu den in den Gutachten von EE & MC teils in<br />
sehr allgemeiner Form angesprochenen Punkten ist die Telekom-Control-Kommission auf<br />
<strong>der</strong> Grundlage des Marktanalysegutachtens <strong>der</strong> Amtssachverständigen daher zu an<strong>der</strong>en<br />
Feststellungen gelangt als sie in den EE & MC-Gutachten nahe gelegt werden.<br />
Die von <strong>der</strong> RTR-GmbH in einem aufwändigen Verfahren beigeschafften Daten wurden von<br />
den Gutachtern internen Plausibilitätskontrollen unterzogen und in einem wochenlangen<br />
Prozess ausgewertet. Unklarheiten konnten durch Rückfragen bei den beteiligten Unternehmen<br />
und – soweit erfor<strong>der</strong>lich – Plausibilitätskontrollen zwischen Vorleistungs- und korrespondierenden<br />
Endkundenmärkten ausgeräumt werden. In Bezug auf den gegenständlichen<br />
Markt gab es keine mangelhaften Datenlieferungen.<br />
Der Telekom-Control-Kommission liegen darüber hinaus keinerlei Hinweise vor, die an <strong>der</strong><br />
Vollständigkeit und <strong>der</strong> Qualität <strong>der</strong> gelieferten Daten zweifeln ließen.<br />
Die Protokollrüge <strong>der</strong> Telekom Austria vom 17.09.2004, eingelangt am 20.09.2004, wurde<br />
zum Akt genommen.<br />
TA kritisierte umfangreich und wie<strong>der</strong>holt das Marktanalyse-Gutachten (ON 25) sowie das<br />
Regulierungsinstrumente-Gutachten (ON 32): Die Telekom-Control-Kommission geht auf die<br />
vorgebrachten Kritikpunkte an den beiden Gutachten <strong>der</strong> Amtssachverständigen an dieser<br />
Stelle ein, sofern es sich um allgemeine Kritikpunkte handelt, sowie ergänzend an den entsprechenden<br />
Punkten <strong>der</strong> rechtlichen Begründung dieses Bescheides.<br />
Die Feststellungen hinsichtlich <strong>der</strong> Notwendigkeit des Auferlegens von spezifischen Verpflichtungen<br />
auf dem gegenständlichen Endkundenmarkt unter Berücksichtigung <strong>der</strong> Auswirkungen<br />
aller existierenden spezifischen Verpflichtungen auf Vorleistungsebene gründen auf<br />
dem erstellten Ergänzungsgutachten (ON 80). Auf das Vorbringen von Telekom Austria zu<br />
ON 80 (erstelltes Privatgutachten, ON 84) wird an entsprechen<strong>der</strong> Stelle in <strong>der</strong> Begründung<br />
eingegangen.<br />
Zum Vorwurf <strong>der</strong> Inkohärenz <strong>der</strong> verwendeten Datenreihen bzw. <strong>der</strong> lückenhaften Darstellungen<br />
im Marktanalyse-Gutachten:<br />
24<br />
<strong>Vorlesung</strong>smaterialien Seite 160
TA kritisiert unspezifisch, aber auch in Bezug auf den gegenständlichen Markt sinngemäß<br />
die Darstellungen <strong>der</strong> Datenreihen, die sich in ihrer Form, in den Zeitreihen und im Aggregationsniveau<br />
unterscheiden würden.<br />
Die Telekom-Control-Kommission verweist diesbezüglich auf den Umfang <strong>der</strong> von <strong>der</strong> RTR-<br />
GmbH erhobenen Daten und auf die Unabhängigkeit <strong>der</strong> Amtssachverständigen bei <strong>der</strong><br />
Auswahl <strong>der</strong> im Gutachten heranzuziehenden Grafiken. In diesem Zusammenhang wird<br />
auch auf die aufgrund <strong>der</strong> notwendigen Schlüssigkeit und Nachvollziehbarkeit eines Gutachtens<br />
zwangsläufig zu erfolgende Auswahl <strong>der</strong> in das Gutachten Eingang findenden Grafiken<br />
verwiesen.<br />
Die Telekom-Control-Kommission ist <strong>der</strong> Ansicht, dass sich aus den nicht immer durchgängig<br />
dargestellten Umsätzen und Minuten kein Mangel des Gutachtens ergibt, da sich nachvollziehen<br />
lässt, dass die Nichtdarstellung aus Gründen <strong>der</strong> Übersichtlichkeit erfolgte, die<br />
möglichen Zusatzinformationen nicht wesentlich o<strong>der</strong> aber in an<strong>der</strong>en Darstellungen bereits<br />
zum Großteil implizit enthalten waren.<br />
Zum Vorwurf unterschiedlicher Zeitreihen:<br />
Nach Ansicht <strong>der</strong> Telekom-Control-Kommission ziehen unterschiedliche Datenqualität, unterschiedliche<br />
zeitliche Verfügbarkeit (etwa bei Marktvolumensdaten einerseits und Tarifdaten<br />
an<strong>der</strong>erseits) sowie Strukturbrüche in den Datenmodellen selbst (etwa hinsichtlich <strong>der</strong><br />
Unterscheidung Privat- und Nichtprivatkunden) unterschiedliche Zeitreihen geradezu<br />
zwangsläufig nach sich. So ergibt sich <strong>für</strong> die Telekom-Control-Kommission in nachvollziehbarer<br />
Weise, dass, will man etwa historisch längere Zeiträume aufzeigen, es mitunter<br />
„zwangsläufig“ notwendig erscheint, auf eine höhere Aggregationsstufe umzusteigen.<br />
Inwiefern daraus eine systematische Einseitigkeit in den Gesamtbewertungen resultieren<br />
soll, ist <strong>für</strong> die Telekom-Control-Kommission nicht nachvollziehbar und erscheint nicht substanziiert<br />
vorgebracht.<br />
Zum Vorwurf <strong>der</strong> vermeintlichen Inkonsistenzen innerhalb des Marktanalysegutachtens:<br />
TA kritisiert, dass im Marktanalyse-Gutachten (ON 25) auf den Seiten 67-68 bezüglich <strong>der</strong><br />
Preisbeschreibung auf Seite 68 die Formulierung „…[dass es] von <strong>der</strong> Abschaffung des Minimumtarifs<br />
abgesehen, kaum mehr zu wesentlichen Preissenkungen gekommen ist“, auf<br />
Seite 67 hingegen die Formulierung „…brachte die Abschaffung des Minimumtarifs grundlegende<br />
Än<strong>der</strong>ungen mit sich“ verwendet wird. Aus diesen unterschiedlichen Ausdrucksweisen<br />
wird von TA folgende Inkonsistenz gefolgert (On 30, Beilage C, S.16): „Gerade hier wird also<br />
die Bedeutung <strong>der</strong> Tarifsenkung nach <strong>der</strong> Abschaffung des Minimumtarifs beson<strong>der</strong>s betont,<br />
während sie in <strong>der</strong> Zusammenfassung als nebensächlicher Effekt dargestellt wird“. Die Telekom-Control-Kommission<br />
merkt hierzu an, dass die von TA an dieser Stelle geäußerte Kritik<br />
als rein semantisch, sowie auf Grund <strong>der</strong> nur bedingten Relevanz dieses Marktmachtindikators<br />
als schlussendlich nicht geeignet erscheint, die getroffenen Schlussfolgerungen des<br />
Marktanalyse-Gutachtens in Frage zu stellen.<br />
Zum Pauschalvorwurf methodischer Unzulänglichkeiten:<br />
TA kritisiert (ON 30) das Marktanalyse-Gutachten in formeller Hinsicht bzw. bezieht ihre Kritik<br />
vielerorts auf rein Semantisches und erklärt darauf aufbauend das Gutachten letztendlich<br />
als methodisch unzulänglich.<br />
25<br />
<strong>Vorlesung</strong>smaterialien Seite 161
Würde man die Schlussfolgerungen <strong>der</strong> TA (ON 30, S. 168) heranziehen, („dies bedeutet,<br />
dass die Regulierungsmaßnahmen <strong>für</strong> die Endkundenmärkte eins bis sechs vollständig abgebaut<br />
werden können“), so ergäbe sich, dass sämtliche (!) Endkundenmärkte aus <strong>der</strong> ex<br />
ante Regulierung entlassen werden müssten: Gemäß <strong>der</strong> Gleichsetzungsthese wäre daher<br />
auf das Vorliegen von effektivem Wettbewerb auf allen Endkundenmärkten zu folgern. Nach<br />
Ansicht <strong>der</strong> Telekom-Control-Kommission erscheint diese Aussage angesichts <strong>der</strong> im Vorbringen<br />
von TA inkludierten de facto monopolistischen Zugangsmärkte als ökonomisch äußerst<br />
fragwürdig sowie diametral zur einschlägigen Literatur und zum nationalen und internationalen<br />
regulatorischen Erfahrungswissen.<br />
Die Tatsache, dass Marktanalysen gemäß dem neuen Rechtsrahmen nicht auf die Analyse<br />
<strong>der</strong> Marktanteile zu reduzieren sind, bedarf angesichts <strong>der</strong> Auflistung <strong>der</strong> in § 35 Abs. 2 TKG<br />
2003 enthaltenen Indikatoren <strong>für</strong> das Vorliegen von beträchtlicher Marktmacht keiner näheren<br />
Erläuterung, Entsprechendes kommt auch ganz offensichtlich im Marktanalysegutachten<br />
zum Ausdruck. Viel weniger klar (ON 30) dürfte hingegen nach Ansicht <strong>der</strong> Telekom-Control-<br />
Kommission die nach wie vor beson<strong>der</strong>e Bedeutung von Marktanteilen sein, so geht aus §<br />
35 TKG 2003 sowie den SMP-Leitlinien nach Ansicht <strong>der</strong> Telekom-Control-Kommission jedenfalls<br />
implizit hervor, dass beträchtliche Marktanteile eine notwendige, wenn auch nicht<br />
hinreichende Bedingung <strong>für</strong> die Feststellung von SMP sind.<br />
Zur Anmerkung <strong>der</strong> TA (ON 30, Beilage C, S.40ff.), dass die Gutachter den Wachstumsverlauf<br />
bei CPS-Ständen mit einer logarithmischen Trendlinie illustriert hatten, anstelle <strong>der</strong> von<br />
TA vorgeschlagenen linearen Trendlinie, merkt die Telekom-Control-Kommission an, dass<br />
nach ihrer Ansicht sich schon aus dem Vergleich zur vorgeschlagenen linearen Trendlinie<br />
(ON 30, Beilage C, S.41) ergibt, dass die in ON 25 gewählte Darstellungsweise treffen<strong>der</strong> ist.<br />
Weiters erscheint das von TA gegen die Verwendung <strong>der</strong> logarithmischen Trendlinie vorgebrachte<br />
Argument: „Diese Darstellungsform wird nur bei zweidimensionalen Funktionen angewandt“<br />
als mathematisch schlichtweg nicht nachvollziehbar.<br />
Zum Vorwurf logischer Vermischungen:<br />
TA kritisiert den Aufbau <strong>der</strong> Wettbewerbsanalyse in „logischer“ Hinsicht. Der von den Amtsgutachtern<br />
gewählte Zugang entspräche nicht <strong>der</strong> vom neuen Rechtsrahmen vorgebenen<br />
Vorgehensweise zur Durchführung einer Marktanalyse. Diesbezüglich führt die Telekom-<br />
Control-Kommission aus:<br />
Die gesetzlichen Grundlagen <strong>für</strong> die Durchführung von Marktdefinition und Marktanalyse<br />
finden sich im 5. Abschnitt des TKG 2003 in den §§ 34ff.<br />
Demzufolge beginnt <strong>der</strong> „Prozess“ <strong>der</strong> sektorspezifischen Wettbewerbsregulierung mit <strong>der</strong><br />
Marktabgrenzung gemäß § 36 TKG 2003, darauf aufbauend folgt die Wettbewerbsanalyse<br />
zur allfälligen Feststellung von beträchtlicher Marktmacht (§§ 35 und 37 TKG 2003) und anschließend<br />
die allfällige Auferlegung adäquater Regulierungsinstrumente nach §§ 38 bis 46<br />
o<strong>der</strong> nach § 47 Abs. 1 TKG 2003.<br />
Bei <strong>der</strong> Beurteilung wettbewerblicher Verhältnisse ist von <strong>der</strong> Prämisse auszugehen, dass<br />
keine Regulierung gegeben ist („Greenfield“-Ansatz). Das bedeutet nach Ansicht <strong>der</strong> Telekom-Control-Kommission<br />
allerdings nicht grundsätzlich, dass die bestehende ex ante Regulierung<br />
bei <strong>der</strong> Beurteilung <strong>der</strong> wettbewerblichen Verhältnisse überhaupt nicht berücksichtigt<br />
werden darf. So gebieten nach Ansicht <strong>der</strong> Telekom-Control-Kommission schon die aufgrund<br />
<strong>der</strong> Erfor<strong>der</strong>nisse <strong>der</strong> Angemessenheit und Verhältnismäßigkeit zu gewährleistende Sachlichkeit<br />
bei <strong>der</strong> Vollziehung des TKG 2003 eine (Mit)berücksichtigung <strong>der</strong> wettbewerblichen<br />
Ausgangslage, wie sie eben aufgrund <strong>der</strong> bestehenden Regulierung besteht.<br />
26<br />
<strong>Vorlesung</strong>smaterialien Seite 162
Dem Vorbringen von TA (ON 30 Beilage C, S 30, 31), dass es im Marktanalyse-Gutachten<br />
zu einer „Vermischung <strong>der</strong> Märkte“ und dadurch zu falschen Schlussfolgerungen gekommen<br />
sei, ist zu entgegnen, dass Privat- und Nichtprivatkunden primär aus den in ON 25 (Kapitel<br />
3) beschriebenen strukturellen Analogien in einem beschrieben wurden. Die Unterstellung,<br />
dass dies in ON 30 geschehen sei, weil „sie einem Markt angehörten“ erscheint <strong>für</strong> die Telekom-Control-Kommission<br />
bereits aufgrund <strong>der</strong> Kapitelstruktur <strong>der</strong> ON 25 als nicht nachvollziehbar.<br />
Einer gedanklichen Vermischung an<strong>der</strong>er Art unterliegt TA (ON 30 Beilage C, S. 30ff.) im<br />
Hinblick auf das Verhältnis von Marktdefinition und Marktanalyse. So war die Marktabgrenzung<br />
selbst nicht Gegenstand <strong>der</strong> Marktanalyse. Nach Ansicht <strong>der</strong> Telekom-Control-<br />
Kommission dient das Kapitel 2 <strong>der</strong> ON 25 lediglich als Hintergrundinformation, worauf eingangs<br />
dieses Kapitels von den Amtsgutachtern auch ausdrücklich hingewiesen wurde. Eine<br />
allfällige Überarbeitung <strong>der</strong> Marktdefinition erfolgt gegebenenfalls im Rahmen <strong>der</strong> nächsten<br />
Märkteüberprüfung durch die da<strong>für</strong> zuständige RTR-GmbH.<br />
In diesem Zusammenhang ist auch auf ON 38 (Seite 23f) hinzuweisen, in dem TA nach Ansicht<br />
<strong>der</strong> Telekom-Control-Kommission die Frage <strong>der</strong> Marktabgrenzung mit dem Konzept <strong>der</strong><br />
horizontalen Marktmachtübertragung verwechselt. Zur Auffassung von TA (ON 38), dass<br />
durch die Verflochtenheit <strong>der</strong> Märkte die Marktabgrenzung an<strong>der</strong>s durchgeführt hätte werden<br />
müssen, ist auf die mit <strong>der</strong> TKMVO 2003 erfolgten Marktabgrenzungen hinzuweisen. In <strong>der</strong><br />
Sache selbst merkt die Telekom-Control-Kommission dennoch an, dass die betroffenen<br />
Märkte zueinan<strong>der</strong> in einem horizontal-komplementären und nicht in einem horizontalsubstitutiven<br />
Verhältnis stehen. Produktbündelung stellt daher nach Ansicht <strong>der</strong> Telekom-<br />
Control-Kommission kein zwingend die Marktabgrenzung betreffendes Problem dar.<br />
An <strong>der</strong> angeführten Stelle, aber auch bspw. in ON 30, Beilage C S 93ff, wird von TA versucht,<br />
die bestehende Wettbewerbsproblematik in Form <strong>der</strong> horizontalen Marktmachtübertragung<br />
durch Bündelung von Grund- und Verbindungsentgelten als nicht existent erscheinen<br />
zu lassen.<br />
Telekom Austria hat aufgrund <strong>der</strong> überragenden Stellung am Zugangsmarkt diesbezüglich<br />
einzigartige Vorteile in <strong>der</strong> Preisgestaltung bzw. Bündelung. Die grundsätzliche Problematik<br />
aufgrund des de facto Monopols bei Teilnehmeranschlüssen ist nach Ansicht <strong>der</strong> Telekom-<br />
Control-Kommission in <strong>der</strong> marktübergreifenden Bündelung von Produkten <strong>der</strong> Festnetzsprachtelephonie<br />
zu sehen. Die Telekom-Control-Kommission merkt dazu an, dass in ON 30<br />
(„Bibliographie“) die Arbeiten <strong>der</strong> deutschen Monopolkommission und des ERG-<br />
Arbeitspapiers „European Regulators Group (ERG) (2004), „Joint ERG/EC approach on appropriate<br />
remedies in the new regulatory framework“ zur Anwendung <strong>der</strong> Regulierungsinstrumente<br />
zwar zitiert, nicht aber <strong>der</strong>en Inhalte dazu verarbeitet wurden. Letztgenanntes Papier<br />
erwähnt nämlich ebenso explizit, wie das <strong>für</strong> die Festnetzsprachtelephonie erstellte Expertengutachten<br />
von C. Koboldt, das Wettbewerbsproblem <strong>der</strong> horizontalen Marktmachtübertragung<br />
innerhalb <strong>der</strong> Festnetzendkundenmärkte. „At the retail level, the incumbent<br />
might engage in bundling of access and call services in a way that discourages its access<br />
customers from obtaining call services from other provi<strong>der</strong>s, thus trying to un<strong>der</strong>mine the<br />
effects of CS and CPS obligations. For example, the incumbent might offer a bundle of free<br />
or heavily discounted call minutes with its line rental in exchange for a higher access charge,<br />
which might make its own offering more attractive than the alternative of buying calls from an<br />
CS or CPS operator “ (Koboldt, C. (2003) „Regulatory obligations to be imposed on operators<br />
with significant market power: narrowband services“, S. 11-12; von <strong>der</strong> Europäischen Kommission<br />
publizierte und im Internet abrufbare Endfassung <strong>der</strong> von <strong>der</strong> Kommission beauftragten<br />
Studie zu Regulierungsfragen).<br />
Angesichts <strong>der</strong> Ausführungen in ON 25 zur Problematik <strong>der</strong> horizontalen Marktmachtübertragung<br />
war den diesbezüglichen Argumenten von TA daher schlussendlich nicht Folge zu<br />
leisten.<br />
Zur getrennten Buchführung:<br />
27<br />
<strong>Vorlesung</strong>smaterialien Seite 163
Aus dem Regulierungsinstrumente-Gutachten (S. 34-35) ergibt sich, dass die nach § 40 TKG<br />
2003 auferlegte Verpflichtung zur getrennten Buchführung als begleitende bzw. unterstützende<br />
Maßnahme in Bezug auf die kostenorientierte Kontrolle von Einzelentgelten (auf Endkundenebene)<br />
ihre Anwendung findet; so auch die Sichtweise in ERG (2003), S. 49, wo es<br />
heißt: „This obligation is specifically put in place to support the obligations of transparency<br />
and non-discrimination. It may also act to support the NRA in implementing price control and<br />
cost accounting obligations.“ Erst dadurch wird eine effektive und sinnvoll umsetzbare Entgeltkontrolle<br />
ermöglicht.<br />
Zum Vorbringen von Telekom Austria in ihrer Stellungnahme vom 3.2.2006 (ON 84):<br />
Telekom Austria legte ein von Dr. Christian Koboldt erstelltes Privatgutachten „Vorleistungsregulierung<br />
und Wettbewerbsprobleme auf Endkundenmärkten“ (Januar 2006,<br />
www.dotecon.com) vor.<br />
Die Telekom-Control-Kommission führt einleitend dazu aus:<br />
Die von Telekom Austria am 3.2.2006 vorgelegte Stellungnahme ist durch das Fehlen empirischer<br />
Belege gekennzeichnet, wodurch sich das Vorbringen von Telekom Austria im Ergebnis<br />
lediglich in Behauptungen erschöpft. Auch Dr. Christian Koboldt selbst konzediert im<br />
Übrigen an an<strong>der</strong>er Stelle die Notwendigkeit empirischer Daten (hier im Zusammenhang mit<br />
Bündelungsvor- und nachteilen): „However, there are concerns that some customers have a<br />
preference for receiving a single bill, which would imply that CPS and CS operators are at a<br />
disadvantage relative to incumbents. Whether this effect is sufficiently strong to impact on<br />
the effectiveness of competition is an empirical question.” (Koboldt, “Regulatory obligations<br />
to be imposed on operators with significant market power: narrowband services”, dotecon,<br />
London 2003, S. 45).<br />
Nach dem Verständnis <strong>der</strong> Telekom-Control-Kommission ist es aber gerade im Bereich <strong>der</strong><br />
sektorspezifischen ex-ante Regulierung unumgänglich, getroffene Aussagen hinsichtlich <strong>der</strong><br />
festgestellten Wettbewerbsprobleme auf eine möglichst breite empirische Basis zu stellen.<br />
Ansonsten bliebe es bei bloßen Behauptungen bzw. zielgerichteten Spekulationen.<br />
Diese finden sich allerdings in großer Zahl im vorgelegten Gutachten, auszugsweise seien<br />
folgende normativ geprägte Bewertungen angeführt:<br />
• „Die effektive Umsetzung dieser Verpflichtungen sollte sicherstellen, dass die TA nicht<br />
in <strong>der</strong> Lage ist, ihre Marktmacht auf dem Zugangsmarkt auf an<strong>der</strong>e Endkundenmärkte<br />
zu übertragen, und dass an<strong>der</strong>e Anbieter in <strong>der</strong> Lage sind, von <strong>der</strong> TA angebotene<br />
Dienstbündel zu replizieren.“ (ON 84, S. 12-13);<br />
• „… sollte die Verpflichtung zur getrennten Buchführung sicherstellen … dass … keine<br />
Profite erwirtschaftet werden, die ihrerseits zu einer Quersubventionierung an<strong>der</strong>er<br />
Leistungen genutzt werden können.“ (ON 84, S. 13), sowie<br />
• „Selbst wenn man Wechselbarrieren als Residualproblem akzeptiert, erscheinen die<br />
von <strong>der</strong> TKK verfügten Maßnahmen nicht dem Verhältnisgebot zu genügen.“ (ON 84,<br />
S. 15).<br />
Die Telekom-Control-Kommission sieht sich nicht gehalten, durch solches Vorbringen von<br />
ihren Feststellungen hinsichtlich des Vorliegens <strong>der</strong> marktgegenständlichen Wettbewerbsprobleme<br />
abzugehen. Im Folgenden geht die Telekom-Control-Kommission auf die wesentlichen<br />
Argumente in ON 84 ein:<br />
28<br />
<strong>Vorlesung</strong>smaterialien Seite 164
Zu den Auswirkungen des Wie<strong>der</strong>verkaufs <strong>der</strong> Teilnehmeranschlussleistung:<br />
Telekom Austria bringt in ihrer Stellungnahme (ON 84, Z 49) unter Verweis auf das bisher<br />
nicht vom Markt angenommene Angebot zum Wie<strong>der</strong>verkauf <strong>der</strong> Teilnehmeranschlussleistung<br />
implizit zum Ausdruck, dass diese fehlende Akzeptanz Ausdruck eines "relativ effektiven<br />
Wettbewerbs" sein könne und sich daraus ergebe, dass bereits die bloße Existenz eines<br />
Angebotes über <strong>der</strong> Wie<strong>der</strong>verkauf <strong>der</strong> Teilnehmeranschlussleistung Marktmacht von Telekom<br />
Austria beschränke.<br />
Die Telekom-Control-Kommission weist diese Argumentation angesichts eines Marktanteils<br />
von Telekom Austria am vorgelagerten Zugangsmarkt von ca. 95 % und daraus resultierenden<br />
Marktmachtübertragungsgefahr auch auf den gegenständlichen Endkundenmarkt als<br />
realitätsfremd zurück. Sofern Telekom Austria mit diesem Vorbringen neuerlich zum Ausdruck<br />
bringen möchte, dass <strong>der</strong> gegenständliche Markt ein sog. bestreitbarer Markt im Sinne<br />
nicht o<strong>der</strong> kaum existieren<strong>der</strong> Markteintrittsbarrieren sei, verweist die Telekom-Control-<br />
Kommission auf die diesbezüglichen Ausführungen in Punkt B 2.1.3 bzw. D 6.1.3. Da, wie<br />
aaO ausgeführt, <strong>der</strong> gegenständliche Markt kein bestreitbarer Markt ist, ist nach Ansicht <strong>der</strong><br />
Telekom-Control-Kommission das Vorliegen eins Angebots zum Wie<strong>der</strong>verkauf <strong>der</strong> Teilnehmeranschlussleistung<br />
alleine nicht ausreichend, um von einer Beschränkung <strong>der</strong> Marktmacht<br />
von Telekom Austria ausgehen zu können. Die Telekom-Control-Kommission weist daher<br />
dieses Vorbringen von Telekom Austria zurück.<br />
Zur Betreiber(vor)auswahl:<br />
Telekom Austria bringt vor (ON 84, Z 50, 51ff), dass Kernfrage <strong>der</strong> Regulierung <strong>der</strong> Vorleistungsmärkte<br />
sei, "da<strong>für</strong> zu sorgen, dass Marktmacht, die auf fehlendem Infrastrukturwettbewerb<br />
resultiert, nicht auf die Dienstemärkte übertragen werden kann". Durch die existierende<br />
Betreiber(vor)auswahl würde ausreichen<strong>der</strong> Wettbewerb auf dem gegenständlichen Verbindungsmarkt<br />
sichergestellt sein, und die gegenständliche ex-ante Entgeltregulierung wäre<br />
daher nicht aufzuerlegen.<br />
Die Telekom-Control-Kommission weist die an dieser Stelle getätigten Aussagen hinsichtlich<br />
<strong>der</strong> Betreiber(vor)auswahl bzw. <strong>der</strong>en Bedeutung in Hinblick auf den Dienste- bzw. Infrastrukturwettbewerb<br />
als unzutreffend zurück. Lediglich wie<strong>der</strong>holend führt die Telekom-<br />
Control-Kommission aus, dass es durch die Betreiber(vor)auswahl alternativen Anbietern -<br />
nur - ermöglicht wird, in die Verbindungsmärkte überhaupt einzutreten. Die auf Verbindungsmärkten<br />
identifizierten Wettbewerbsprobleme (wie im gegenständlichen die horizontale<br />
Marktmachtübertragung, antikompetitive Preissetzung sowie die Existenz von Markteintrittsbarrieren)<br />
können mit <strong>der</strong> Betreiber(vor)auswahl aber nicht hinreichend adressiert werden,<br />
da mit <strong>der</strong> Betreiber(vor)auswahl eben nur <strong>der</strong> reine Markteintritt in die Verbindungsmärkte<br />
ermöglicht wird.<br />
Vor diesem Hintergrund erscheinen die Ausführungen von Telekom Austria an dieser Stelle<br />
zum Ergänzungsgutachten (ON 80, Kapitel 2.4 und 2.5) geradezu entstellend bzw. wird daran<br />
anschließend ein fiktiver Wi<strong>der</strong>spruch konstruiert: „Die dieser Argumentation zugrunde<br />
liegende Logik ist schwer nachvollziehbar, ist die Betreiber(vor)auswahl doch gerade dazu<br />
da, <strong>der</strong> Marktmachtübertragung trotz fehlendem Infrastrukturwettbewerb Schranken zu setzen.<br />
Mit hinreichendem Infrastrukturwettbewerb auf allen Netzwerkebenen wäre die Betreiber(vor)auswahl<br />
gerade nicht mehr notwendig.“ (ON 84, Z 52). Die Telekom-Control-<br />
Kommission weist darauf hin, dass diese Ausführungen von Telekom Austria zwar zutreffend<br />
sind, allerdings ist – wie ausgeführt – die Betreiber(vor)auswahl beim gegenwärtigen Stand<br />
des Infrastrukturwettbewerbs nicht geeignet, die auf dem gegenständlichen Markt festgestellten<br />
Wettbewerbsprobleme zu bekämpfen.<br />
Das Vorbringen von Telekom Austria zu diesem Punkt erscheint daher als nicht begründet.<br />
29<br />
<strong>Vorlesung</strong>smaterialien Seite 165
Zur Frage <strong>der</strong> horizontalen Marktmachtübertragung:<br />
Zum Thema horizontale Markmachtübertragung führt Telekom Austria unter Berufung auf Dr.<br />
Koboldt nunmehr neuerlich aus, dass auf dem gegenständlichen Markt keine solche vorliegen<br />
könne. Dieses Vorbringen erscheint <strong>der</strong> Telekom-Control-Kommission auch nunmehr<br />
nicht überzeugend: Dr. Koboldt führt in seinem Gutachten aus, dass auf dem gegenständlichen<br />
Markt angesichts <strong>der</strong> bestehenden Vorleistungsregulierungen eine Marktmachtübertragung<br />
durch Bündelung praktisch auszuschließen sei (Z 40 seines Gutachtens).<br />
Von beson<strong>der</strong>em Interesse ist nun aber, dass Dr. Koboldt in seinem <strong>für</strong> die Europäische<br />
Kommission 2003 erstellten Expertenpapier "Regulatory obligations to be imposed on operators<br />
with significant market power: narrowband services“, (Koboldt, 2003) diverse und konkrete<br />
Wirkungsmechanismen und Möglichkeiten einer horizontalen Marktmachtübertragung<br />
einräumt bzw. anerkennt.<br />
Ein Vergleich <strong>der</strong> ON 84 und des <strong>für</strong> die Europäische Kommission 2003 erstellten Expertenpapiers<br />
bringt teilweise diametral entgegen gesetzte Aussagen hervor: ON 84 bringt klar<br />
zum Ausdruck, dass „eine Marktmachtübertragung durch Bündelung praktisch<br />
aus[zu]schließen sei“ (Z 40), bzw. dass echte Kampfpreise aus wirtschaftlicher Sicht nicht<br />
rational seien (Z 41). Im genannten Expertenpapier heißt es hingegen in Bezug auf horizontale<br />
Marktmachtübertragung: „At the retail level, the incumbent might engage in bundling of<br />
access and call services in a way that discourages its access customers from obtaining call<br />
services from other provi<strong>der</strong>s, thus trying to un<strong>der</strong>mine the effects of CS and CPS obligations.<br />
For example, the incumbent might offer a bundle of free or heavily discounted call minutes<br />
with its line rental in exchange for a higher access charge, which might make its own<br />
offering more attractive than the alternative of buying calls from an CS or CPS operator. In<br />
addition, the incumbent might try to increase customer switching costs e.g. by requiring customers<br />
to sign long-term contracts if they want to take advantage of particular offers. Bundling<br />
might also be used in or<strong>der</strong> to carry incumbency advantages in the provision of narrowband<br />
services over into the broadband services market“ (Koboldt aaO, S. 11-12).<br />
Die Telekom-Control-Kommission sieht sich angesichts <strong>der</strong> im Zeitverlauf hervortretenden<br />
offenen Wi<strong>der</strong>sprüche des von Telekom Austria betrauten Gutachters außerstande, den abstrakt<br />
gehaltenen Überlegungen in ON 84 hinsichtlich <strong>der</strong> angeblich nicht gegebenen Möglichkeiten<br />
zur horizontalen Marktmachtübertragung näher zu treten.<br />
Im Übrigen hält auch die ERG (ERG Common Position on the approach to appropriate remedies<br />
in the new regulatory framework), http://www.erg.eu.int/documents/index_en.htm#ergdocumentsin,<br />
wie folgt fest (ON 33, S 36): „An example for anti-competitive<br />
bundling might be an operator with SMP on the retail market for access to the public (fixed)<br />
telephone network, bundling the access product with a package of call minutes. As this is a<br />
bundle between an SMP product (access) and a potentially competitive product (call services),<br />
the two products are positively correlated in demand, and as the bundle cannot be<br />
replicated by (most) alternative operators, competitive concerns may arise.” Die ERG spricht<br />
hiermit klar die wettbewerbliche Bedeutung von positiv korrelierten Bündelprodukten an. Ist<br />
ein Bündel <strong>für</strong> Mitbewerber demzufolge we<strong>der</strong> technisch noch wirtschaftlich replizierbar, so<br />
besteht bei positiv korrelierter Nachfrage die Gefahr <strong>der</strong> Marktmachtübertragung. Gerade<br />
dieses Kriterium ist <strong>der</strong>zeit und innerhalb des hier relevanten Zeitraums von ca. ein bis zwei<br />
Jahren hinsichtlich <strong>der</strong> <strong>für</strong> den gegenständlichen Markt relevanten Zugangs- und Verbindungsleistungen<br />
erfüllt.<br />
Für den Incumbent besteht also ein Anreiz, <strong>der</strong>artige Preis- bzw. Produktbündelungen zu<br />
forcieren, was sich empirisch auch gut belegen lässt (ON 84). So kam es seit dem Tarifgenehmigungsverfahren<br />
<strong>der</strong> Telekom-Control-Kommission zu G 07/2003 zu diversen Erhöhungen<br />
im Grundentgeltbereich bei gleichzeitigen Absenkungen <strong>der</strong> „expliziten“ Verbindungs-<br />
30<br />
<strong>Vorlesung</strong>smaterialien Seite 166
entgelte (gemeint sind damit nicht Preisän<strong>der</strong>ungen, die sich aus vergleichsweise intransparenten<br />
Umstellungen in den Abrechnungsformen bzw. <strong>der</strong> Taktung ergeben).<br />
Die Telekom-Control-Kommission hält ihre Feststellungen zur Gefahr <strong>der</strong> horizontalen Marktmachtübertragung<br />
daher aufrecht.<br />
Zu den Marktanteilen:<br />
Telekom Austria bringt in ihrer Stellungnahme (ON 84, S 18,19) zum Regulierungsinstrumente-Gutachten<br />
zum Thema Marktanteile zum Ausdruck, dass die bestehende ex-ante Tarifgenehmigungspflicht<br />
nicht zur „Erosion“ <strong>der</strong> Marktanteile des etablierten Betreibers beitragen<br />
könnten. Konkret führt Telekom Austria aus wie folgt: „Es ist generell akzeptiert, dass alternative<br />
Anbieter umso leichter Marktanteile gewinnen können, je höher die Preise des etablierten<br />
Anbieters sind, und je größer dementsprechend die Preisnachlässe sind, die alternative<br />
Anbieter offerieren können. Kontinuierliche Endkundenpreisregulierung hat daher eher<br />
den Effekt, die Marktanteile des etablierten Betreibers zu schützen, als zu ihrer Erosion beizutragen.“<br />
Nach Ansicht <strong>der</strong> Telekom-Control-Kommission verknüpft Telekom Austria an dieser Stelle<br />
Richtiges (erster Satz des Zitats) mit einer unzulässigen Schlussfolgerung: Wie bereits im<br />
Regulierungsinstrumente-Gutachten ausgeführt, liegt in <strong>der</strong> gegenwärtigen Liberalisierungsphase<br />
<strong>der</strong> Fokus in <strong>der</strong> Endkundenpreisregulierung auch auf <strong>der</strong> Hintanhaltung von antikompetitiven<br />
Preisen bei Verbindungsleistungen zum Schutz <strong>der</strong> Wettbewerber von Telekom<br />
Austria. Es ist aufgrund <strong>der</strong> festgestellten Möglichkeiten zur horizontalen Marktmachtübertragung<br />
nach Ansicht <strong>der</strong> Telekom-Control-Kommission nahe liegend, dass dieser Effekt<br />
ohne ex-ante Regulierung stärker ausgeprägt wäre als mit ex-ante Regulierung; da selbst bei<br />
gleichzeitig auferlegter Endkundenpreisregulierung in <strong>der</strong> Vergangenheit stabile Marktanteilsverläufe<br />
bei in Ausschnitten erhöhtem Preisniveau auf Seiten des regulierten Unternehmens<br />
beobachtet werden konnten, wird damit das beschriebene wettbewerbliche Gefährdungspotential<br />
auf Verbindungsmärkten von den zwischenzeitlichen realen Marktentwicklungen<br />
entgegen dem Vorbringen von Telekom Austria nach Ansicht <strong>der</strong> Telekom-Control-<br />
Kommission nur bestätigt.<br />
Zum angeblichen Ausreichen <strong>der</strong> ex post Wettbewerbsaufsicht:<br />
Hinsichtlich des Vorbringens von Telekom Austria zum Thema Effizienz des allgemeinen expost<br />
Wettbewerbsrechts in ihrem Privatgutachten führt die Telekom-Control-Kommission aus<br />
wie folgt:<br />
Es ist zwar entsprechend dem Primat <strong>der</strong> Regulierung <strong>der</strong> Vorleistungsmärkte bei <strong>der</strong> Regulierung<br />
von Endkundenmärkten erfor<strong>der</strong>lich, die Frage des Ausreichens <strong>der</strong> Regulierung auf<br />
Vorleistungsmärkten zu stellen, allerdings ist seitens <strong>der</strong> Telekom-Control-Kommission darauf<br />
hinzuweisen, dass es primär Aufgabe des allgemeinen Wettbewerbsrechts ist, auf Marktverhalten<br />
basierende Missbräuche einer marktbeherrschenden Stellung abzustellen. Das<br />
allgemeine Wettbewerbsrecht ist hingegen nicht ausreichend geeignet, aus wettbewerblicher<br />
Sicht problematische Marktstrukturen – wie sie am gegenständlichen Markt existieren - sowie<br />
die aus diesen Marktstrukturen sich ergebenden Verhaltensanreize zu wettbewerbsbeschränkendem<br />
Verhalten zu begegnen. Bereits aus diesem Grund erscheint die alleinige<br />
Anwendung des ex-post Wettbewerbsrechts als nicht ausreichend.<br />
Ferner ergibt sich nach Ansicht <strong>der</strong> Telekom-Control-Kommission bereits aus <strong>der</strong> Aufnahme<br />
des gegenständlichen Marktes in die „Märkteempfehlung <strong>der</strong> Europäischen Kommission“,<br />
dass auch die Europäische Kommission den gegenständlichen Markt als <strong>der</strong> ex-ante Sektorregulierung<br />
unterliegend ansieht: Hinzuweisen ist an dieser Stelle auf den „Drei Kriterien<br />
Test“ <strong>der</strong> Europäischen Kommission <strong>für</strong> die Aufnahme eines Marktes in die Liste <strong>der</strong> <strong>der</strong> exante<br />
Regulierung zugänglichen Märkte. Demnach müssen die folgenden drei Kriterien kumu-<br />
31<br />
<strong>Vorlesung</strong>smaterialien Seite 167
lativ gegeben sein (Europäische Kommission (2003), Empfehlung über relevante Produkt-<br />
und Dienstmärkte des <strong>elektronischen</strong> Kommunikationssektors, die aufgrund <strong>der</strong> Richtlinie<br />
2002/21/EG des Europäischen Parlaments und des Rates über einen gemeinsamen Rechtsrahmen<br />
<strong>für</strong> elektronische Kommunikationsnetze und -Dienste <strong>für</strong> eine Vorabregulierung in<br />
Betracht kommen, S. 9 f.): i) die Existenz nachhaltiger Eintrittsbarrieren (struktureller<br />
und/o<strong>der</strong> rechtlicher Natur) und ii) <strong>der</strong> Markt tendiert (ohne sektorspezifische Regulierung)<br />
längerfristig nicht gegen effektiven Wettbewerb und iii) die Bestimmungen des allgemeinen<br />
Wettbewerbsrechts sind unzureichend, um den wettbewerblichen Problemen zu entsprechen.<br />
Auch die Erfüllung des Kriterium iii) war ausschlaggebend <strong>für</strong> die Aufnahme des gegenständlichen<br />
Marktes in die Märkteempfehlung <strong>der</strong> Europäischen Kommission bzw. in die<br />
TKMVO 2003.<br />
Die ex-post Wettbewerbsaufsicht greift ferner – definitionsgemäß - erst bei bereits erfolgtem<br />
Missbrauch, sohin wenn <strong>der</strong> „regulatorische Schaden“ bereits eingetreten ist. Gerade in <strong>der</strong><br />
schnelllebigen Telekommunikationsbranche besteht nach Ansicht <strong>der</strong> Telekom-Control-<br />
Kommission eine erhöhte Gefahr, dass neu in den Markt eingetretene, o<strong>der</strong> neu eintretende,<br />
Anbieter durch den bei einer ex-post Kontrolle zwangsläufig verstrichenen Zeitraum einen<br />
unter Umständen nicht wie<strong>der</strong> gut zu machenden wirtschaftlichen Nachteil erleiden bzw. den<br />
„first mover advantage“ des etablierten Unternehmens kaum mehr egalisieren könnten.<br />
Zu berücksichtigen ist nach Ansicht <strong>der</strong> Telekom-Control-Kommission ferner, dass Entscheidung<br />
im Rahmen <strong>der</strong> ex-post Kontrolle lediglich inter partes durchsetzbar sind. Ein – nicht<br />
auszuschließen<strong>der</strong> - mehrmaliger Rechtsgang im Zuge zur ex-post Durchsetzung von Missbräuchen<br />
einer marktbeherrschenden Stellung zur von „branchenweiten“ Durchsetzung von<br />
Nichtdiskriminierung durch mehrere alternative Anbieter jeweils <strong>für</strong> sich ist nach Ansicht <strong>der</strong><br />
Telekom-Control-Kommission nicht geeignet, um von <strong>der</strong> Geeignetheit <strong>der</strong> alleinigen ex-post<br />
Wettbewerbsaufsicht zur Hintanhaltung <strong>der</strong> am gegenständlichen Markt festgestellten Wettbewerbsprobleme<br />
auszugehen.<br />
Die im Rahmen eines ex-post Verfahrens zur Verfügung stehenden Abhilfemaßnahmen des<br />
Kartellgerichts sind in <strong>der</strong> Art begrenzt. So können im Wesentlichen Geldbußen und/o<strong>der</strong> die<br />
Auffor<strong>der</strong>ung an das betroffene Unternehmen, das konkret festgestellte missbräuchliche<br />
Verhalten einzustellen, angeordnet werden. Die ex-post Verhängung von Geldbußen kann<br />
darüberhinaus auch das Marktgefüge stören. Demgegenüber sind die im Sektorrecht entwickelten<br />
Regulierungsinstrumente speziell auf die Erfor<strong>der</strong>nisse <strong>der</strong> Vorabregulierung abgestimmt;<br />
wie bspw. die Kostenorientierungsverpflichtung bei <strong>der</strong> Zusammenschaltung bzw.<br />
<strong>der</strong> Entgeltkontrolle, die getrennte Buchführung.<br />
Aus diesen Gründen erscheint das diesbezügliche Vorbringen <strong>der</strong> Telekom Austria <strong>für</strong> die<br />
Telekom-Control-Kommission als nicht überzeugend.<br />
Im Übrigen verweist die Telekom-Control-Kommission auf ihre Ausführungen in Punkt 6 dieses<br />
Bescheides auf S 38f.<br />
Die Kapitel eins und zwei dieses Gutachtens erschöpfen sich im Übrigen im Wesentlichen in<br />
einer bloß deskriptiven Wie<strong>der</strong>gabe von verschiedenen Marktanalyseentscheidungen <strong>der</strong><br />
Telekom-Control-Kommission. Insoweit vermag die Telekom-Control-Kommission die verfahrensgegenständliche<br />
Relevanz nicht erkennen.<br />
D. Rechtliche Beurteilung<br />
1. Zur Zuständigkeit <strong>der</strong> Telekom-Control-Kommission<br />
Gemäß § 117 Z 6 TKG 2003 kommt <strong>der</strong> Telekom-Control-Kommission die Zuständigkeit zur<br />
Feststellung, ob auf dem jeweils relevanten Markt ein o<strong>der</strong> mehrere Unternehmen über beträchtliche<br />
Marktmacht verfügen, und (gegebenenfalls) die Auferlegung spezifischer Ver-<br />
32<br />
<strong>Vorlesung</strong>smaterialien Seite 168
pflichtungen gemäß § 37 TKG 2003 zu. Vice versa kommt ihr auch die Zuständigkeit zur<br />
Feststellung effektiven Wettbewerbs auf einem relevanten Markt zu.<br />
2. Allgemeines<br />
Im Gegensatz zum bisherigen Regelwerk des TKG 1997 bzw. <strong>der</strong> ONP-Richtlinien hat <strong>der</strong><br />
neue Rechtsrahmen im Bereich <strong>der</strong> <strong>elektronischen</strong> Kommunikationsnetze und -dienste – das<br />
Telekommunikationsgesetz 2003 – einen differenzierteren Ansatz betreffend die Ermittlung<br />
von Unternehmen, die über beträchtliche Marktmacht verfügen, und die Auferlegung von ex<br />
ante-Verpflichtungen, um den – im Rahmen einer Marktanalyse – identifizierten wettbewerblichen<br />
Problemen zu begegnen.<br />
Die Systematik <strong>der</strong> neuen Regelungen sieht im Wesentlichen einen dreistufigen Prozess vor:<br />
Die erste Stufe beinhaltet die Abgrenzung von Kommunikationsmärkten, die möglicherweise<br />
<strong>der</strong> sektorspezifischen Regulierung unterliegen (§ 36 TKG 2003). Den einschlägigen Bestimmungen<br />
entsprechend hat die RTR-GmbH die Telekommunikationsmärkteverordnung<br />
2003 (TKMVO 2003) erlassen, die mit 17.10.2003 in Kraft getreten ist und 16 Telekommunikationsmärkte<br />
abgegrenzt hat.<br />
Die zweite Stufe sieht die Analyse dieser Märkte durch die Telekom-Control-Kommission mit<br />
dem Ziel vor, festzustellen, ob auf diesen Telekommunikationsmärkten effektiver Wettbewerb<br />
gegeben ist o<strong>der</strong> aber (zumindest) ein Unternehmen über beträchtliche Marktmacht verfügt<br />
(§ 37 TKG 2003).<br />
Die dritte Stufe beinhaltet schließlich – bei Vorliegen beträchtlicher Marktmacht – die Festlegung<br />
jener Maßnahmen – den "Regulierungsinstrumenten" (dh die spezifischen Verpflichtungen<br />
gemäß §§ 38 ff. TKG 2003) –, die zur Lösung <strong>der</strong> identifizierten aktuellen und potenziellen<br />
Wettbewerbsprobleme herangezogen werden können (§ 37 Abs. 1 und 2 TKG 2003).<br />
Entgegen dem Vorbringen von TA (ua ON 37) ist es nicht Inhalt des neuen Rechtsrahmens<br />
an sich, das Ausmaß <strong>der</strong> Regulierung zu reduzieren. Vielmehr ist es, wie in Punkt D 4 und D<br />
5 <strong>der</strong> Begründung dieses Bescheides ausgeführt, Aufgabe <strong>der</strong> Regulierungsbehörde bei <strong>der</strong><br />
Vollziehung <strong>der</strong> Vorgaben des neuen Rechtsrahmens, gemäß dem Verhältnismäßigkeitsprinzip<br />
<strong>für</strong> angemessen und effektiv befundene Regulierungsinstrumente aufzuerlegen, die<br />
am besten geeignet erscheinen, das (die) festgestellte(n) Wettbewerbsproblem(e) zu bekämpfen.<br />
3. Zur Marktabgrenzung des Marktes „Auslandsgespräche <strong>für</strong> Nichtprivatkunden<br />
über das öffentliche Telefonnetz an festen Standorten (Endkundenmarkt)“<br />
Gemäß § 36 TKG 2003 hat die Regulierungsbehörde – nach § 115 Abs. 1 TKG 2003 ist da<strong>für</strong><br />
die RTR-GmbH zuständig – durch Verordnung die <strong>der</strong> sektorspezifischen Regulierung<br />
unterliegenden relevanten nationalen Märkte entsprechend den nationalen Gegebenheiten<br />
im Einklang mit den Grundsätzen des allgemeinen Wettbewerbsrechts unter Berücksichtigung<br />
<strong>der</strong> Erfor<strong>der</strong>nisse sektorspezifischer Regulierung festzulegen. Die Festlegung <strong>der</strong> relevanten<br />
Märkte durch die Regulierungsbehörde hat unter Bedachtnahme auf die Bestimmungen<br />
<strong>der</strong> Europäischen Gemeinschaften zu erfolgen.<br />
Diesen Vorgaben entsprechend hat die RTR-GmbH die Telekommunikationsmärkteverordnung<br />
2003 (TKMVO 2003) erlassen, die mit 17.10.2003 in Kraft getreten ist und<br />
16 Telekommunikationsmärkte – in Übereinstimmung mit <strong>der</strong> Empfehlung <strong>der</strong> Europäischen<br />
Kommission vom 11.2.2003 über relevante Produkt- und Dienstemärkte des <strong>elektronischen</strong><br />
Kommunikationssektor – abgegrenzt hat.<br />
33<br />
<strong>Vorlesung</strong>smaterialien Seite 169
§ 1 Z 6 TKMVO 2003 sieht einen Endkundenmarkt „Auslandsgespräche <strong>für</strong> Nichtprivatkunden<br />
über das öffentliche Telefonnetz an festen Standorten“ vor; das räumlich relevante Ausdehnungsgebiet<br />
des Marktes ist dabei das Bundesgebiet (§ 2 TKMVO 2003).<br />
In einem weiteren Schritt hat sodann die Telekom-Control-Kommission diese – von <strong>der</strong> RTR-<br />
GmbH – vordefinierten Märkte, Analysen gemäß § 37 TKG 2003 zu unterziehen. Die Telekom-Control-Kommission<br />
ist dabei an die Marktabgrenzung gebunden, weswegen Parteienvorbringen<br />
im Zusammenhang mit <strong>der</strong> Marktdefinition bzw. gegen die TKMVO 2003 im gegenständlichen<br />
Verfahren keine Berücksichtigung finden können.<br />
4. Zum Marktanalyseverfahren gemäß § 37 TKG 2003<br />
§ 37 TKG 2003 normiert in Umsetzung des Art. 16 Rahmen-RL das „Marktanalyseverfahren“:<br />
Gemäß Abs. 1 leg. cit. führt die Telekom-Control-Kommission (§ 117 Z 6 TKG 2003) von<br />
Amts wegen unter Berücksichtigung <strong>der</strong> Bestimmungen <strong>der</strong> Europäischen Gemeinschaften<br />
in regelmäßigen Abständen, längstens aber in einem Abstand von zwei Jahren, eine Analyse<br />
<strong>der</strong> durch die Verordnung gemäß § 36 Abs. 1 TKG 2003 festgelegten relevanten Märkte –<br />
die Telekommunikationsmärkteverordnung 2003 <strong>der</strong> Rundfunk und Telekom Regulierungs-<br />
GmbH (TKMVO 2003) – durch.<br />
Primäres Ziel dieses Marktanalyseverfahrens ist die Feststellung, ob auf dem jeweils relevanten<br />
Markt ein o<strong>der</strong> mehrere Unternehmen über beträchtliche Marktmacht verfügen o<strong>der</strong><br />
aber effektiver Wettbewerb gegeben ist. Je nach Ergebnis sind im Anschluss daran die spezifischen<br />
Verpflichtungen aufzuheben, beizubehalten, zu än<strong>der</strong>n o<strong>der</strong> aufzuerlegen.<br />
Die Analyse eines Marktes kann folgende Ergebnisse bringen:<br />
Gelangt die Telekom-Control-Kommission zur Feststellung, dass auf dem relevanten Markt<br />
ein o<strong>der</strong> mehrere Unternehmen über beträchtliche Marktmacht verfügen und somit kein effektiver<br />
Wettbewerb besteht, hat sie diesem o<strong>der</strong> diesen Unternehmen geeignete spezifische<br />
Verpflichtungen nach §§ 38 bis 46 o<strong>der</strong> nach § 47 Abs. 1 TKG 2003 aufzuerlegen. Bereits<br />
bestehende spezifische Verpflichtungen <strong>für</strong> Unternehmen werden, sofern sie den relevanten<br />
Markt betreffen, von <strong>der</strong> Regulierungsbehörde nach Maßgabe <strong>der</strong> Ergebnisse des Verfahrens<br />
unter Berücksichtigung <strong>der</strong> Regulierungsziele geän<strong>der</strong>t o<strong>der</strong> neuerlich auferlegt (§ 37<br />
Abs. 2 TKG 2003).<br />
In Ziffer 114 <strong>der</strong> Leitlinien <strong>der</strong> Europäischen Kommission zur Marktanalyse und Ermittlung<br />
beträchtlicher Marktmacht nach dem gemeinsamen Rechtsrahmen <strong>für</strong> elektronische Kommunikationsnetze<br />
und –dienste, ABl L C 165/6 vom 11.7.2002 (im Folgenden: SMP-<br />
Leitlinien) wird in Bezug auf das Auferlegen von Regulierungsinstrumenten im Falle <strong>der</strong><br />
Feststellung von beträchtlicher Marktmacht wie folgt ausgeführt: „Die Feststellung allein,<br />
dass ein Unternehmen über beträchtliche Marktmacht verfügt, ohne die Auferlegung geeigneter<br />
Verpflichtungen, ist jedoch nicht mit den Bestimmungen des neuen Rechtsrahmens<br />
vereinbar, insbeson<strong>der</strong>e nicht mit Artikel 16 Absatz 4 <strong>der</strong> Rahmenrichtlinie. Mit an<strong>der</strong>en Worten,<br />
die NRB [nationalen Regulierungsbehörden, Anm.] müssen einem Unternehmen, das<br />
als Unternehmen mit beträchtlicher Marktmacht eingestuft wurde, mindestens eine Verpflichtung<br />
auferlegen.“<br />
Stellt die Telekom-Control-Kommission demgegenüber fest, dass auf dem relevanten Markt<br />
effektiver Wettbewerb besteht und somit kein Unternehmen über beträchtliche Marktmarkt<br />
verfügt, darf sie (mit Ausnahme von § 47 Abs. 2 TKG 2003) keine Verpflichtungen gemäß<br />
Abs. 2 leg. cit. auferlegen; diesfalls wird das Verfahren hinsichtlich dieses Marktes durch<br />
Beschluss <strong>der</strong> Regulierungsbehörde formlos eingestellt und dieser Beschluss veröffentlicht.<br />
Soweit <strong>für</strong> Unternehmen noch spezifische Verpflichtungen auf diesem Markt bestehen, werden<br />
diese mit Bescheid aufgehoben. In diesem Bescheid ist auch eine angemessene, sechs<br />
34<br />
<strong>Vorlesung</strong>smaterialien Seite 170
Monate nicht übersteigende Frist festzusetzen, die den Wirksamkeitsbeginn <strong>der</strong> Aufhebung<br />
festlegt.<br />
Zur Frage sich selbsttragen<strong>der</strong> vs. effektiver Wettbewerb:<br />
TA kritisierte, dass im Marktanalyse-Gutachten und im Regulierungsinstrumente-Gutachten<br />
die Begriffe des effektiven o<strong>der</strong> selbsttragenden Wettbewerbs nicht konsistent verwendet<br />
würden, wobei es <strong>der</strong> Verwendung des Begriffes des selbsttragenden Wettbewerbs überhaupt<br />
an einer gesetzlichen Grundlage mangle:<br />
Die Telekom-Control-Kommission stellt diesbezüglich fest, dass sich bezüglich dieser Wettbewerbskonzepte<br />
we<strong>der</strong> aus den einschlägigen nationalen o<strong>der</strong> internationalen Rechtsquellen<br />
noch aus <strong>der</strong> wirtschaftswissenschaftlichen Literatur ein einheitliches Begriffsverständnis<br />
des Konzepts des selbsttragenden Wettbewerbs ableiten lässt. Das Konzept des effektiven<br />
Wettbewerbs wird hingegen sowohl in <strong>der</strong> Rahmenrichtlinie (R-RL), dem TKG 2003, als auch<br />
in den SMP-Leitlinien <strong>der</strong> Europäischen Kommission dargestellt.<br />
Dieser Definition zufolge besteht effektiver Wettbewerb in <strong>der</strong> Abwesenheit von beträchtlicher<br />
Marktmacht. Art. 14 Abs. 2 <strong>der</strong> R-RL und daran angelehnt § 35 Abs. 1 TKG 2003 definieren<br />
den Begriff „beträchtliche Marktmacht“ als einen Zustand, in dem „ein Unternehmen<br />
allein o<strong>der</strong> mit an<strong>der</strong>en eine wirtschaftlich so starke Stellung einnimmt, die es ihm gestattet,<br />
sich in beträchtlichem Umfang unabhängig von Wettbewerbern, Kunden und letztlich Nutzern<br />
zu verhalten“.<br />
Bis dato gab es eine wesentliche Vorleistungsregulierung <strong>für</strong> die Endkundenmärkte <strong>der</strong><br />
Festnetzsprachtelefonie, nämlich die Verpflichtung zur Betreiber(vor)auswahl (ON 25).<br />
Nun ist es zwar denkbar, dass Endkundenmärkte insoweit in effektivem Wettbewerb stehen,<br />
dass sie keiner Endkundenregulierung bedürfen (wie es im Übrigen auf dem Auslandsprivatkundenmarkt<br />
<strong>der</strong> Fall ist), <strong>der</strong> Wettbewerb aber eben nicht selbsttragend ist, da er zentral<br />
von <strong>der</strong> Basisvorleistungsregulierung <strong>der</strong> Betreiber(vor)auswahl abhängt. Die begriffliche<br />
Unterscheidung zwischen effektivem und selbsttragendem Wettbewerb ist daher jedenfalls<br />
nicht als konstitutiv <strong>für</strong> die Beurteilung über das Vorliegen von beträchtlicher Marktmacht<br />
bzw. von effektivem Wettbewerb zu sehen. Die unterschiedlichen Begriffe zielen vielmehr auf<br />
eine Unterscheidung hinsichtlich <strong>der</strong> Abhängigkeit des bereits erreichten Wettbewerbsniveaus<br />
auf dem Endkundenmarkt vom Bestehen einer Regulierung auf den Vorleistungsmärkten<br />
ab.<br />
Die sachliche Rechtfertigung <strong>für</strong> dieses Wettbewerbsverständnis ergibt sich aus <strong>der</strong> de facto<br />
monopolistischen Marktmacht auf dem benachbarten Zugangsmarkt, auf Grund <strong>der</strong> es ohne<br />
Basisvorleistungsregulierung zu einem Zusammenbrechen <strong>der</strong> wettbewerblichen Strukturen<br />
auf den Verbindungsmärkten käme. Es kann nach Ansicht <strong>der</strong> Telekom-Control-Kommission<br />
we<strong>der</strong> dem europäischen noch dem österreichischen Gesetzgeber unterstellt werden, eine<br />
Definition von Wettbewerb gewählt zu haben, die nicht auf die Notwendigkeit von Basisvorleistungsregulierungen<br />
abstellt. Es würde den Regulierungszielen des TKG 2003 geradezu<br />
entgegenlaufen, wenn ein ausschließlich im reinen Wortsinn <strong>der</strong> Bestimmungen des Art. 14<br />
Abs. 2 R-RL bzw. des § 35 Abs. 1 TKG 2003 effektiver, aber eben nicht selbsttragen<strong>der</strong>,<br />
Endkundenmarkt keiner wie auch immer gearteten (auch nicht auf an<strong>der</strong>en Märkten) ex ante<br />
Regulierung unterliegen sollte. Diese Überlegung wird auch durch den Wortlaut des § 43<br />
TKG 2003 („Regulierungsmaßnahmen in Bezug auf Dienste <strong>für</strong> Endnutzer“) gestützt, in dem<br />
es in Bezug auf die Tatbestandsvoraussetzungen in Abs. 1 Z 1 leg cit heißt: „[…] kein Wettbewerb<br />
herrscht]“. Auch durch die fehlende Eingrenzung des Wettbewerbsbegriffs in <strong>der</strong> lex<br />
specialis <strong>für</strong> das Auferlegen von Regulierungsinstrumenten auf den Endkundenmärkten,<br />
kommt nach Ansicht <strong>der</strong> Telekom-Control-Kommission zum Ausdruck, dass die Definition<br />
des effektiven Wettbewerbs in § 35 Abs. 1 TKG 2003 das von <strong>der</strong> Telekom-Control-<br />
35<br />
<strong>Vorlesung</strong>smaterialien Seite 171
Kommission gewählte Wettbewerbsverständnis des selbsttragenden Wettbewerbs gerade<br />
nicht ausschließt.<br />
Nach Ansicht <strong>der</strong> Telekom-Control-Kommission ergibt sich daher bereits aus dem Charakter<br />
<strong>der</strong> ex ante Regulierung selbst, dass auch die Auswirkungen <strong>der</strong> Aufhebung von Regulierungsinstrumenten<br />
mitzuberücksichtigen sind. Die Telekom-Control-Kommission weist daher<br />
das Vorbringen <strong>der</strong> TA hinsichtlich <strong>der</strong> angeblichen fehlenden gesetzlichen Grundlage <strong>für</strong><br />
den gewählten Wettbewerbsbegriff zurück.<br />
TA stellte in diesem Zusammenhang auch die Behauptung auf, dass zuerst zwingend die<br />
Vorleistungsmärkte zu analysieren seien, und erst in einem zeitlich späteren Schritt die Analyse<br />
<strong>der</strong> Endkundenmärkte erfolgen dürfe. Diesbezüglich wird auf die Ausführungen zu Punkt<br />
D 6 zur Auslegung des Art. 17 Abs. 1 <strong>der</strong> Universaldienstrichtlinie bzw. des § 43 Abs. 1 TKG<br />
2003 verwiesen.<br />
Das Vorbringen von TA, dass das unterschiedliche Ergebnis <strong>der</strong> Marktanalysen mit <strong>der</strong> unterschiedlichen<br />
Würdigung dieser Vorleistungsregulierung zu tun habe, beruht offenbar auf<br />
einem irrtümlichen Verständnis <strong>der</strong> unterschiedlichen Vorleistungsmärkte. Die (regulierte)<br />
Betreiber(vor)auswahl bezieht sich auf den inländischen Vorleistungsanteil, welcher allerdings<br />
eben auch bei <strong>der</strong> Bereitstellung von Auslandsgesprächen an Endkunden von ANB,<br />
die über keine eigene Infrastruktur im Anschlussbereich verfügen, in Anspruch genommen<br />
wird. Bei Auslandsgesprächen existiert eben zusätzlich zur notwendigen Vorleistung im Inland<br />
noch ein verhältnismäßig kompetitiver Markt um die im Ausland gelegenen Vorleistungsanteile<br />
„einzukaufen“. Genau hierin zeigt sich nach Ansicht <strong>der</strong> Telekom-Control-<br />
Kommission die Unterschiedlichkeit hinsichtlich <strong>der</strong> gesamten Vorleistungsabhängigkeit sowie<br />
<strong>der</strong> Höhe <strong>der</strong> Markteintrittsbarrieren. Gerade hinsichtlich <strong>der</strong> Frage des sich selbsttragenden<br />
Wettbewerbs hat dieser Sachverhalt allerdings keine Auswirkungen: So sind auch<br />
alternative Anbieter von Auslandsgesprächen überwiegend auf die Betreiber(vor)auswahl<br />
angewiesen, um den Inlandsanteil des Auslandsgespräches abwickeln zu können. Es ist <strong>für</strong><br />
die Telekom-Control-Kommission daher nicht nachvollziehbar, worin hier ein unterschiedlicher<br />
Prüfmaßstab zur Anwendung gekommen sein soll.<br />
5. Unternehmen mit beträchtlicher Marktmacht<br />
Gemäß § 35 Abs. 1 TKG 2003 „[gilt] ein Unternehmen [ ] dann als Unternehmen mit beträchtlicher<br />
Marktmacht, wenn es entwe<strong>der</strong> allein o<strong>der</strong> gemeinsam mit an<strong>der</strong>en eine wirtschaftlich<br />
so starke Stellung einnimmt, die es ihm gestattet, sich in beträchtlichem Umfang<br />
unabhängig von Wettbewerbern, Kunden und letztlich Nutzern zu verhalten.“<br />
§ 35 TKG 2003 deckt sich weitgehend mit den einschlägigen europarechtlichen Vorgaben:<br />
So hält Art. 14 Abs. 2 <strong>der</strong> Richtlinie 2002/21/EG des Europäischen Parlaments und des Rates<br />
vom 07.03.2002 über einen gemeinsamen Rechtsrahmen <strong>für</strong> elektronische Kommunikationsnetze<br />
und -dienste („Rahmenrichtlinie“, Amtsblatt Nr. L 108 vom 24.04.2002) fest, dass<br />
ein Unternehmen dann als ein Unternehmen mit beträchtlicher Marktmacht gilt, „wenn es<br />
entwe<strong>der</strong> allein o<strong>der</strong> gemeinsam mit an<strong>der</strong>en eine <strong>der</strong> Beherrschung gleichkommende Stellung<br />
einnimmt, d. h. eine wirtschaftlich starke Stellung, die es ihm gestattet, sich in beträchtlichem<br />
Umfang unabhängig von Wettbewerbern, Kunden und letztlich Verbrauchern zu verhalten“.<br />
Bei <strong>der</strong> Beurteilung, ob ein Unternehmen beträchtliche Marktmacht hat („single dominance“),<br />
hat die Telekom-Control-Kommission „insbeson<strong>der</strong>e“ nachfolgende Kriterien zu berücksichtigen:<br />
1. die Größe des Unternehmens, seine Größe im Verhältnis zu <strong>der</strong> des relevanten Marktes<br />
sowie die Verän<strong>der</strong>ungen <strong>der</strong> relativen Positionen <strong>der</strong> Marktteilnehmer im Zeitverlauf,<br />
36<br />
<strong>Vorlesung</strong>smaterialien Seite 172
2. die Höhe von Markteintrittsschranken sowie das daraus resultierende Ausmaß an potenziellem<br />
Wettbewerb,<br />
3. das Ausmaß <strong>der</strong> nachfrageseitigen Gegenmacht,<br />
4. das Ausmaß an Nachfrage- und Angebotselastizität,<br />
5. die jeweilige Marktphase,<br />
6. <strong>der</strong> technologiebedingte Vorsprung,<br />
7. allfällige Vorteile in <strong>der</strong> Verkaufs- und Vertriebsorganisation,<br />
8. die Existenz von Skalenerträgen, Verbund- und Dichtevorteilen,<br />
9. das Ausmaß vertikaler Integration,<br />
10. das Ausmaß <strong>der</strong> Produktdifferenzierung,<br />
11. <strong>der</strong> Zugang zu Finanzmitteln,<br />
12. die Kontrolle über nicht leicht ersetzbare Infrastruktur,<br />
13. das Verhalten am Markt im Allgemeinen, wie etwa Preissetzung, Marketingpolitik, Bündelung<br />
von Produkten und Dienstleistungen o<strong>der</strong> Errichtung von Barrieren (Abs. 2 leg. cit.).<br />
Der nationale wie auch <strong>der</strong> europäische Rechtsrahmen lösen den Zusammenhang zwischen<br />
„beträchtlicher Marktmacht“ iSd § 35 TKG 2003 und „effektivem Wettbewerb“ iSd § 37 TKG<br />
2003 mit <strong>der</strong> so genannten „Gleichsetzungsthese“ auf, <strong>der</strong>zufolge bei Vorhandensein zumindest<br />
eines Unternehmens mit beträchtlicher Marktmacht iSd § 35 TKG 2003 kein effektiver<br />
Wettbewerb vorliegt. Definitionsgemäß existiert in so einem Fall mindestens ein, durch die<br />
Regulierungsbehörde abzustellendes, Wettbewerbsdefizit. So hält die Europäische Kommission<br />
in ihren Leitlinien (Rz. 19, 112) fest, dass <strong>der</strong> Schlussfolgerung, dass auf einem relevanten<br />
Markt effektiver Wettbewerb herrscht, die Feststellung gleich kommt, dass auf diesem<br />
Markt kein Betreiber allein o<strong>der</strong> gemeinsam mit an<strong>der</strong>en eine beherrschende Stellung einnimmt.<br />
Für die Anwendung des neuen Rechtsrahmens wird „wirksamer Wettbewerb“ dahin<br />
gehend definiert, dass es auf dem relevanten Markt kein Unternehmen gibt, das allein o<strong>der</strong><br />
zusammen mit an<strong>der</strong>en eine individuelle o<strong>der</strong> gemeinsame beherrschende Stellung einnimmt<br />
(vgl. ebenso Erwägungsgrund 27 <strong>der</strong> RahmenRL).<br />
Für die Operationalisierung <strong>der</strong> Marktanalyse sind die vorerwähnten Leitlinien zur Marktanalyse<br />
und zur Bewertung beträchtlicher Marktmacht einschlägig: Im Gegensatz zum allgemeinen<br />
Wettbewerbsrecht verfolgt die sektorspezifische Regulierung eine ex ante-Betrachtung.<br />
Bei <strong>der</strong> Beurteilung wettbewerblicher Verhältnisse ist von <strong>der</strong> Prämisse auszugehen, dass<br />
keine Regulierung gegeben ist („Greenfield“-Ansatz). So hält auch die Europäische Kommission<br />
in ihren „Leitlinien zur Marktanalyse und Ermittlung beträchtlicher Marktmacht“ wie folgt<br />
fest: „Bei <strong>der</strong> Ex ante-Beurteilung, ob Unternehmen alleine o<strong>der</strong> gemeinsam auf dem relevanten<br />
Markt eine beherrschende Stellung einnehmen, sind die NRB grundsätzlich auf an<strong>der</strong>e<br />
Hypothesen und Annahmen angewiesen als eine Wettbewerbsbehörde bei <strong>der</strong> Ex-Post-<br />
Anwendung [ … ] muss sich die Marktanalyse hauptsächlich auf Prognosen stützen. [ … ]<br />
Der Umstand, dass sich die ursprüngliche Marktprognose <strong>der</strong> NRB in einem gegebenen Fall<br />
nicht bestätigt, bedeutet nicht notwendigerweise, dass diese Entscheidung zu dem Zeitpunkt,<br />
als sie erlassen wurde, mit <strong>der</strong> Richtlinie unvereinbar war.“ (Rz. 70, 71 <strong>der</strong> Leitlinien).<br />
Fußnote 73 zu den Leitlinien hält darüber hinaus fest, dass „die NRB keine missbräuchliche<br />
Ausnutzung einer beherrschenden Stellung feststellen müssen, um ein Unternehmen als<br />
Unternehmen mit beträchtlicher Marktmacht zu bezeichnen.“<br />
Die Telekom-Control-Kommission weist darauf hin, dass auch TA (ON 20, S 141) anmerkte,<br />
dass es nicht ausreiche, allein Marktanteile zu analysieren, son<strong>der</strong>n dass vielmehr die<br />
Marktanalyse „vorausschauend“ durchgeführt werden müsse.<br />
37<br />
<strong>Vorlesung</strong>smaterialien Seite 173
6. Zur Beurteilung <strong>der</strong> wettbewerblichen Verhältnisse am gegenständlichen Markt<br />
Eine wesentliche Zielsetzung <strong>der</strong> Regulierung ist die Schaffung von Wettbewerb auf den<br />
Märkten <strong>der</strong> TKMVO 2003. Der Kunde kann dann von Wettbewerbspreisen und einer erhöhten<br />
Angebotsvielfalt profitieren. Ist kein effektiver Wettbewerb auf einem dieser Märkte gegeben,<br />
sind regulatorische Maßnahmen zur Lösung aktueller bzw. potentieller Wettbewerbsprobleme<br />
zu ergreifen.<br />
Vor dem Hintergrund des § 37 Abs. 1 TKG 2003 wie auch gemäß Erwägungsgrund 27 <strong>der</strong><br />
Rahmenrichtlinie ergibt sich eine von <strong>der</strong> Regulierungsbehörde heranzuziehende dynamische<br />
Betrachtungsweise. Demgemäß sollte die Untersuchung <strong>der</strong> tatsächlichen Wettbewerbssituation<br />
auch die Frage umfassen, ob <strong>der</strong> Markt potentiell wettbewerbsorientiert ist<br />
und somit ob das Fehlen eines wirksamen Wettbewerbs ein dauerhaftes Phänomen ist. Liegt<br />
also kein effektiver Wettbewerb vor, so ist die Frage zu klären, ob <strong>der</strong> Markt eventuell im<br />
Zeitverlauf von selbst in Richtung effektiven Wettbewerb tendiert. Stützt sich <strong>der</strong> vorgefundene<br />
effektive Wettbewerb hingegen auf die Regulierung auf <strong>der</strong> Vorleistungsebene, so kann<br />
nicht von selbsttragendem Wettbewerb (ohne jegliche Regulierung) gesprochen werden. Der<br />
Wettbewerb am Endkundenmarkt kann also effektiv, aber zentral von Regulierungen auf<br />
an<strong>der</strong>en Märkten abhängig sein.<br />
Stellt man jedoch auf selbsttragenden infrastrukturbasierten Wettbewerb ab, so ist in diesem<br />
Zusammenhang (v.a. auf Vorleistungsmärkten) auch das Ausmaß und die Entwicklung <strong>der</strong><br />
Infrastrukturinvestitionen zu betrachten. In ihrer Einschätzung des Wettbewerbs hat die Regulierungsbehörde<br />
daher den voraussehbaren o<strong>der</strong> zumindest wahrscheinlichen Verän<strong>der</strong>ungen<br />
am jeweils gegenständlichen Markt im Rahmen ihrer zu treffenden Prognosebeurteilung<br />
<strong>für</strong> den jeweils relevanten Zeitraum Rechnung zu tragen.<br />
Diesem Verständnis des § 37 TKG 2003 Folge tragend, wurden die Gutachter des Marktanalyse-Gutachtens<br />
bereits im Gutachtensauftrag vom 20.10.2003 beauftragt, festzustellen, „ob<br />
aus wirtschaftlicher Sicht Wettbewerb herrscht bzw. ob ohne Regulierung aus wirtschaftlicher<br />
Sicht selbsttragen<strong>der</strong> Wettbewerb vorläge“.<br />
TA kritisierte diesbezüglich unter an<strong>der</strong>em in ON 30 unter dem Titel <strong>der</strong> fehlenden „Verhältnismäßigkeit“<br />
des Marktanalyse-Gutachtens unter Verweis auf § 34 TKG 2003 umfangreich<br />
die nicht adäquate Umsetzung des Gutachtensauftrages <strong>der</strong> Telekom-Control-Kommission:<br />
So wurde unter an<strong>der</strong>em vorgebracht, dass vor allem <strong>der</strong> zweite Teil des Gutachtensauftrages,<br />
nämlich die Untersuchung, ob die Auferlegung von Regulierungsinstrumenten allein auf<br />
den Vorleistungsmärkten ausreichen würde, um auf <strong>der</strong> Endkundenebene „effektiven Wettbewerb<br />
(bzw. selbsttragenden Wettbewerb)“ herstellen zu können, nicht erfolgt sei; in diesem<br />
Zusammenhang fehle eine Analyse <strong>der</strong> ökonomischen Effekte <strong>der</strong> Regulierungsinstrumentarien<br />
<strong>der</strong> Vorleistungsebene <strong>für</strong> den Endkundenmarkt, sowie würden anzustellende<br />
wettbewerbsrechtliche Hintergrundüberlegungen nicht getätigt: Zusammengefasst sei <strong>der</strong><br />
Vorrang <strong>der</strong> Regulierung <strong>der</strong> Vorleistungsmärkte nicht ausreichend berücksichtigt worden.<br />
Unter Zugrundelegung <strong>der</strong> Ausführungen zum Art. 17 <strong>der</strong> Universaldienst-Richtlinie kam die<br />
Telekom-Control-Kommission nach Abwägung aller Umstände zum Schluss, dass dem Vorbringen<br />
<strong>der</strong> TA diesbezüglich nicht zu folgen war.<br />
Zum Vorbringen <strong>der</strong> TA hinsichtlich <strong>der</strong> angeblich inkonsistenten Verwendung <strong>der</strong> Begriffe<br />
„sich selbsttragen<strong>der</strong> Wettbewerb“ bzw. „effektiver Wettbewerb“ wird auf die Ausführungen<br />
zu Punkt C (Beweiswürdigung) dieses Bescheides verwiesen.<br />
Im Gegensatz zu einer ex-post-Anwendung <strong>der</strong> Regeln des allgemeinen Wettbewerbsrechtes<br />
ist das Bestehen von Marktmacht iSd § 35 TKG 2003 über eine „Vorabprüfung“ – eine ex<br />
ante-Betrachtung – zu beurteilen. Diese Vorgehensweise bedingt daher neben <strong>der</strong> Berücksichtigung<br />
vergangener Fakten auch das Anstellen von Prognosen. So halten die Leitlinien<br />
38<br />
<strong>Vorlesung</strong>smaterialien Seite 174
<strong>der</strong> Europäischen Kommission zur Marktanalyse und Ermittlung beträchtlicher Marktmacht<br />
(ABl. C 165, S. 5 vom 11.7.2002) fest, dass „bei <strong>der</strong> ex ante-Beurteilung, ob Unternehmen [ ]<br />
eine beherrschende Stellung einnehmen, [ ] die NRB grundsätzlich auf an<strong>der</strong>e Hypothesen<br />
und Annahmen angewiesen sind als eine Wettbewerbsbehörde bei <strong>der</strong> ex-post-Anwendung<br />
von Art. 82 im Hinblick auf eine angebliche missbräuchliche Ausnutzung“.<br />
Angemerkt wird darüber hinaus, dass „die Regulierungsbehörden keine missbräuchliche<br />
Ausnutzung einer beherrschenden Stellung im Sinne des allgemeinen Wettbewerbsrechts<br />
feststellen müssen, um ein Unternehmen als Unternehmen mit beträchtlicher Marktmacht zu<br />
bezeichnen“ (Abschnitt 3.1. <strong>der</strong> Leitlinien). Den diesbezüglichen Ausführungen <strong>der</strong> TA konnte<br />
daher von <strong>der</strong> Telekom-Control-Kommission bei <strong>der</strong> Entscheidung über die aufzuerlegenden<br />
Regulierungsinstrumente nicht gefolgt werden. TA selbst führt aus, dass es sich bei <strong>der</strong><br />
Beurteilung <strong>der</strong> Wettbewerbsverhältnisse auf dem gegenständlichen Markt um „theoretische,<br />
denkmögliche Wettbewerbsprobleme […] handelt, die somit präventiv mit tatsächlichen Regulierungsauflagen<br />
„bekämpft“ werden“. Diesbezüglich ist auszuführen, dass <strong>der</strong> Ausdruck<br />
<strong>der</strong> denkmöglichen Wettbewerbsprobleme seitens <strong>der</strong> TKK immer vor dem Hintergrund gegebener<br />
Anreizstrukturen und gegebener Regulierungsinstrumente angewendet wurde.<br />
TA kritisierte in diesem Zusammenhang (ON 20, S 140), dass die Amtssachverständigen im<br />
Marktanalyse-Gutachten feststellten, dass sich Wettbewerber auf den Endkundenmärkten<br />
[…] sehr rasch etablieren konnten. Es wäre unabdingbar gewesen, zu prüfen, ob die Maßnahmen<br />
auf den Vorleistungsmärkten ausreichen, um Wettbewerb sicherzustellen. Ferner<br />
seien <strong>für</strong> kurzfristig auftretende Wettbewerbsprobleme die Kartellgerichte bzw. die Bundeswettbewerbsbehörde<br />
zuständig. Im Zusammenhang mit obigen Ausführungen zum Thema<br />
selbsttragenden Wettbewerbs ist die Telekom-Control-Kommission <strong>der</strong> Ansicht, dass eine<br />
Regulierung des benachbarten Zugangsmarktes nach wie vor notwendig ist, um das erreichte<br />
Wettbewerbsniveau auf den Verbindungsmärkten durch die mögliche Übertragung von<br />
Marktmacht nicht zu schwächen. Die Frage des Ausreichens <strong>der</strong> Regulierung auf Vorleistungsmärkten<br />
ist zwar bei <strong>der</strong> Regulierung von Endkundenmärkten zu stellen (Primat <strong>der</strong><br />
Regulierung <strong>der</strong> Vorleistungsmärkte), allerdings weist die Telekom-Control-Kommission in<br />
Bezug auf das Vorbringen <strong>der</strong> TA (zuletzt ON 84) zur Zuständigkeit <strong>der</strong> Kartellgerichte und<br />
<strong>der</strong> Bundeswettbewerbsbehörde im Falle von kurzfristig auftretenden Wettbewerbsproblemen<br />
darauf hin, dass es primär Aufgabe des allgemeinen Wettbewerbsrechts ist, auf Marktverhalten<br />
basierende Missbräuche einer marktbeherrschenden Stellung abzustellen. Das<br />
allgemeine Wettbewerbsrecht ist hingegen nach Ansicht <strong>der</strong> Telekom-Control-Kommission<br />
nicht ausreichend geeignet, aus wettbewerblicher Sicht problematische Marktstrukturen sowie<br />
den sich aus diesen Marktstrukturen ergebenden Verhaltensanreizen zu wettbewerbsbeschränkendem<br />
Verhalten zu begegnen. Daher wurde dieser Markt auch als relevanter Markt<br />
in die Märkteempfehlung <strong>der</strong> Europäischen Kommission und letztlich in die TKMVO 2003<br />
aufgenommen. Aus den genannten Gründen konnte daher den Ausführungen von TA nicht<br />
näher getreten werden.<br />
Die Feststellung von beträchtlicher Marktmacht <strong>der</strong> TA und die korrespondierende Auferlegung<br />
von Regulierungsinstrumenten auf dem gegenständlichen Endkundenmarkt entsprechen<br />
daher dem sowohl durch Art. 17 <strong>der</strong> Richtlinie 2002/22/EG über den Universaldienst<br />
und Nutzerrechte bei <strong>elektronischen</strong> Kommunikationsnetzen und –diensten (Universaldienstrichtlinie,<br />
Abl. L 108/51 vom 24.4.2002) als auch dem aus § 43 Abs. 1 Z 1 TKG 2003 ersichtlichen<br />
Prinzip des Vorranges <strong>der</strong> Regulierung <strong>der</strong> Vorleistungsmärkte vor einer Regulierung<br />
auf den jeweils nachgelagerten Endkundenmärkten.<br />
Die Eingrenzung <strong>der</strong> Untersuchung <strong>der</strong> Frage des Vorliegens beträchtlicher Marktmacht nur<br />
auf das Vorliegen einer alleinigen marktbeherrschenden Stellung im Sinne des § 35 Abs. 2<br />
TKG 2003 ergibt sich aus dem enormen Marktanteilsvorsprung auf Grund <strong>der</strong> asymmetrischen<br />
Marktanteilsverteilung auf dem gegenständlichen Verbindungsmarkt und dem unterschiedlichen<br />
Grad <strong>der</strong> Integration.<br />
Das Marktanalyse-Gutachten <strong>der</strong> Amtssachverständigen (ON 25) untersucht eingehend die<br />
Situation auf dem genannten Markt, insbeson<strong>der</strong>e an Hand <strong>der</strong> relevanten Marktmacht-<br />
39<br />
<strong>Vorlesung</strong>smaterialien Seite 175
Indikatoren aus ökonomischer Sicht und hält fest, welche Kriterien <strong>für</strong> o<strong>der</strong> gegen eine<br />
Marktbeherrschung (bzw. beträchtliche Marktmacht) sprechen (siehe unten).<br />
Vor diesem Hintergrund und angesichts des Umstandes, dass TA als integriertes Unternehmen<br />
flächendeckend tätig ist, ist die Frage zu beantworten, welche Konsequenzen die Aufhebung<br />
<strong>der</strong> bislang bestehenden Regulierungsverpflichtung <strong>für</strong> den Wettbewerb auf diesem<br />
Markt hätte. Aus dem Marktanalyse-Gutachten (ON 25) und aus dem Regulierungsinstrumente-Gutachten<br />
(ON 32) ergibt sich nach Ansicht <strong>der</strong> Telekom-Control-Kommission, dass<br />
eine Nichtauferlegung <strong>der</strong> Regulierungsinstrumente gemäß Punkt 2 des Spruches dieser<br />
Anordnung zu einer beträchtlichen Verschlechterung <strong>der</strong> Wettbewerbssituation auf dem gegenständlichen<br />
Markt führen würde, da angesichts <strong>der</strong> festgestellten Anreize <strong>für</strong> TA zu wettbewerbsbeschränkendem<br />
Verhalten bzw. zum Setzen überhöhter Preise mit einer Verschlechterung<br />
<strong>der</strong> wirtschaftlichen Ausgangsbedingungen <strong>für</strong> alternative Anbieter sowie <strong>für</strong><br />
Nichtprivatkunden zu rechnen wäre.<br />
6.1. Zur Analyse des Marktes entsprechend den Kriterien des § 35 Abs. 2 TKG 2003:<br />
6.1.1. Marktentwicklung und Marktanteile<br />
Im Kontext <strong>der</strong> Untersuchung einer beträchtlichen Marktmacht eines Unternehmens nennt<br />
§ 35 Abs. 2 Z 1 TKG 2003 „die Größe des Unternehmens, seine Größe im Verhältnis zu <strong>der</strong><br />
des relevanten Marktes sowie die Verän<strong>der</strong>ungen <strong>der</strong> relativen Positionen <strong>der</strong> Marktteilnehmer<br />
im Zeitverlauf“. Die Leitlinien <strong>der</strong> Europäischen Kommission (Rz. 75 - 78) nennen<br />
Marktanteile als einen von mehreren Marktmachtindikatoren. Die Leitlinien halten dabei fest,<br />
dass ein hoher Marktanteil allein noch nicht bedeutet, dass das betreffende Unternehmen<br />
über beträchtliche Marktmacht verfügt. Allerdings ist auch nicht anzunehmen, dass ein Unternehmen<br />
ohne einen bedeutenden Marktanteil eine alleinige beherrschende Stellung einnimmt.<br />
Die aus ökonomischer Sicht hohe Bedeutung des Indikators „Marktanteile“ <strong>für</strong> die Beurteilung<br />
einer alleinigen marktbeherrschenden Stellung (single dominance) leitet sich vor allem<br />
aus <strong>der</strong> Monopol- und Oligopoltheorie sowie aus empirischer Evidenz über den Zusammenhang<br />
zwischen Marktanteilen und Profitabilität (in Form <strong>der</strong> price-cost margin) ab. So gibt es<br />
sowohl theoretisch als auch empirisch einen positiven Zusammenhang zwischen (unternehmensindividuellem)<br />
Marktanteil und (unternehmensindividueller) price-cost margin. We<strong>der</strong><br />
die empirische noch die theoretische Literatur vermögen allerdings abschließende Auskunft<br />
darüber zu geben, ab welchem Marktanteil sich das Vorliegen von „beträchtlicher Marktmacht“<br />
vermuten lässt (o<strong>der</strong> gar erwiesen ist).<br />
Die Europäische Kommission hat in ihrer Fallpraxis die Schwelle <strong>für</strong> eine beherrschende<br />
Stellung in <strong>der</strong> Regel erst ab einem Marktanteil von über 40 % angesetzt, obwohl sie in einigen<br />
Fällen auch bei einem niedrigeren Marktanteil eine beherrschende Stellung<br />
angenommen hat, da eine Marktbeherrschung manchmal auch ohne einen hohen Marktanteil<br />
vorliegt.<br />
Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs liefern beson<strong>der</strong>s hohe Marktanteile —<br />
über 50 % — ohne Weiteres, von außergewöhnlichen Umständen abgesehen — den Beweis<br />
<strong>für</strong> das Vorliegen einer beherrschenden Stellung (78). Einem Unternehmen mit einem hohen<br />
Marktanteil kann beträchtliche Marktmacht unterstellt werden, wenn dieser Marktanteil über<br />
längere Zeit stabil geblieben ist (Z 75 <strong>der</strong> Leitlinien <strong>der</strong> Kommission zur Marktanalyse und<br />
Ermittlung beträchtlicher Marktmacht nach dem gemeinsamen Rechtsrahmen <strong>für</strong> elektronische<br />
Kommunikationsnetze und –dienste Abl 2002/C 165/03).<br />
Zur Frage <strong>der</strong> Marktanteilsberechnung:<br />
40<br />
<strong>Vorlesung</strong>smaterialien Seite 176
Zur Frage <strong>der</strong> Verwendung von Preisen (Umsatzmarktanteilen) o<strong>der</strong> von Mengenwerten<br />
(Verkehrsmengen je Zeiteinheit) bei <strong>der</strong> Berechnung von Marktanteilen auf dem gegenständlichen<br />
Markt hat die Telekom-Control-Kommission wie folgt erwogen:<br />
Preise spiegeln die die tatsächliche Preissetzungsmacht eines Unternehmens wi<strong>der</strong>. Durch<br />
die Fähigkeit, Preise über dem Wettbewerbsniveau aufrecht erhalten zu können, erlangt ein<br />
Unternehmen die Möglichkeit, höhere Umsätze zu generieren und damit zu einem verbesserten<br />
Betriebsergebnis beizutragen.<br />
Das Abstellen auf Mengenwerte alleine würde hingegen nicht auf die je nach Tarif unterschiedlichen<br />
Minutenpreise (z.B. peak – off peak) reflektieren. Es würde daher nicht auf die<br />
tatsächlich auf Grund <strong>der</strong> unterschiedlichen Preise generierten Umsätze abgestellt werden.<br />
Allerdings ist zu berücksichtigen, dass ein Abstellen auf die Preise alleine etwaige höhere<br />
Kosten nicht reflektieren würde. In diesem Fall würden erhöhte Preise nicht zu einem Gewinn<br />
über Wettbewerbsniveau führen (da eben entsprechend höhere Kosten gegenüber stehen).<br />
Die Telekom-Control-Kommission stellt daher primär auf die jeweils erzielten Umsatzmarktanteile<br />
ab, bezieht allerdings die erzielten Mengenwerte (hier Minutenanteile) in die Betrachtung<br />
mit ein.<br />
Da die größten vier am Nichtprivatkundenmarkt tätigen Anbieter (inklusive Telekom Austria)<br />
mehr als 85 % <strong>der</strong> Umsatzmarktanteile auf sich vereinigen und sich die Marktanteile <strong>der</strong> Telekom<br />
Austria seit dem Jahr 2002 nach wie vor deutlich in einer Höhe über 60 % <strong>der</strong> in Umsätzen<br />
gemessenen Marktanteile stabilisiert haben, spricht dieser Marktmachtindikator deutlich<br />
<strong>für</strong> das Vorliegen von beträchtlicher Marktmacht.<br />
Bei <strong>der</strong> Beurteilung des Vorliegens von beträchtlicher Marktmacht aufgrund <strong>der</strong> Verteilung<br />
<strong>der</strong> Marktanteile ist gemäß <strong>der</strong> Rechtsprechung <strong>der</strong> EK auch auf die Verteilung <strong>der</strong> Marktanteile<br />
<strong>der</strong> Wettbewerber, insbeson<strong>der</strong>e auch auf den Abstand zum nächstgrößten Wettbewerber<br />
abzustellen. In Umsätzen gemessen liegt <strong>der</strong> Marktanteil von TA viermal über dem des<br />
nächstgrößeren Unternehmens.<br />
Zum Vorbringen <strong>der</strong> TA (ON 30, S 3), dass das Marktanalyse-Gutachten keine wettbewerbsrechtlichen<br />
Hintergrundüberlegungen enthalte, führt die Telekom-Control-Kommission aus,<br />
dass solche Überlegungen nicht Bestandteil des Gutachtensauftrages waren, da diese Frage<br />
bereits mit <strong>der</strong> Marktdefinition entschieden war. Eines <strong>der</strong> Kriterien <strong>für</strong> die Aufnahme eines<br />
Marktes in die Liste <strong>der</strong> <strong>der</strong> ex ante Kontrolle zugänglichen Sektormärkte gründet in <strong>der</strong> Unzulänglichkeit<br />
von Maßnahmen des allgemeinen Wettbewerbsrechts (Märkteempfehlung <strong>der</strong><br />
EK, drittes Kriterium). Allfällige diesbezügliche Überlegungen sind daher im Stadium <strong>der</strong><br />
Feststellung von beträchtlicher Marktmacht nicht mehr anzustellen. Wie sich aus dem Gutachtensauftrag<br />
vom 20.10.2003 ergibt, handelt es sich um ein ökonomisches Gutachten. Im<br />
En<strong>der</strong>gebnis kann diesem Vorbringen von TA unter Verweis auf die obigen Ausführungen<br />
nicht gefolgt werden.<br />
Zum Vorbringen <strong>der</strong> TA, dass durch die zunehmende wirtschaftliche Bedeutung des Mobilnetzbetriebes<br />
weiterer Wettbewerbsdruck auf das Festnetz (ON 20, S 128 und S 135) ausgeübt<br />
würde, ist auszuführen, dass dieses Argument <strong>der</strong> TA die Frage <strong>der</strong> Marktabgrenzung<br />
zwischen Festnetz- und Mobilnetzmärkten auf allgemeinem Niveau berührt. Die Telekom-<br />
Control-Kommission verweist in diesem Punkt auf die Ausführungen zu Punkt D 3 dieses<br />
Bescheides (Bindung an die Märkteabgrenzung <strong>der</strong> TKMVO 2003). Auch dem Vorbringen<br />
<strong>der</strong> TA in Bezug auf die getroffene Marktabgrenzung zwischen Inlands- und Auslandsmärkten<br />
(ON 20, S 132), den Auswirkungen des Verbindungsnetzbetriebes auf die Verbindungsmärkte<br />
(ON 20, S 132) und in Bezug auf SMS und E-Mail (ON 20, S 136) ist unter Verweis<br />
auf die mit <strong>der</strong> TKMVO 2003 erfolgte Marktabgrenzung entgegen zu treten.<br />
41<br />
<strong>Vorlesung</strong>smaterialien Seite 177
Dem Argument von TA (ON 20, S 140), dass <strong>der</strong> Verhaltensspielraum von TA durch die am<br />
Markt befindliche Anzahl <strong>der</strong> Marktteilnehmer eingeschränkt sei, kann die Telekom-Control-<br />
Kommission unter Verweis auf die auch nach dem Zusammenschluss von Tele2 und UTA<br />
stark asymmetrische Marktstruktur insbeson<strong>der</strong>e auf dem komplementären Zugangsmarkt<br />
aber auch auf dem gegenständlichen Verbindungsmarkt nicht Folge leisten: TA ist <strong>der</strong> größte<br />
Anbieter von Festnetzkommunikationsleistungen und ist als einziger Anbieter von marktgegenständlichen<br />
Leistungen österreichweit flächendeckend vertikal integriert. Daneben gibt es<br />
wenige „mittelgroße“ Anbieter mit nur teilweise eigener, und auch nur regionaler Infrastruktur,<br />
sowie eine vergleichsweise große Anzahl von teils sehr kleinen Anbietern. Es ist daher <strong>für</strong><br />
die Telekom-Control-Kommission aus diesem Grund und unter Einbeziehung vorhandener<br />
Marktbarrieren nicht nachvollziehbar, warum TA vermeint, auf dem gegenständlichen Verbindungsmarkt,<br />
wenn auch unter den Gegebenheiten <strong>der</strong> ex ante Regulierung, in ihrem<br />
Handlungsspielraum eingeschränkt zu sein.<br />
TA führte in ihren Stellungnahmen zum gegenständlichen Markt sinngemäß aus, dass die<br />
Auswirkungen des Verbindungsnetzbetriebes (Carrier Preselection und Call by Call) bei <strong>der</strong><br />
Marktanalyse zu berücksichtigen seien, da durch den Verbindungsnetzbetrieb die wirtschaftliche<br />
Bedeutung des „Festnetzmarktes“ zurückgegangen sei und dies müsse im Rahmen<br />
dieses Verfahrens berücksichtigt werden.<br />
Diesbezüglich ist auf die Bestimmung des § 46 TKG 2003 zu verweisen. Diese Bestimmung<br />
normiert, dass die Regulierungsinstrumente <strong>der</strong> Betreiberauswahl und <strong>der</strong> Betreibervorauswahl<br />
gegebenenfalls „bei <strong>der</strong> Bereitstellung des Anschlusses“ aufzuerlegen sind. Die „Bereitstellung<br />
des Anschlusses“ wird durch § 1 Z 1 und 2 <strong>der</strong> TKMVO 2003 erfasst. Die dort enthaltenen<br />
Märkte sind die Märkte <strong>für</strong> den Zugang von Privatkunden bzw. Nichtprivatkunden,<br />
zum öffentlichen Telefonnetz an festen Standorten. Diese beiden Märkte sind Endkundenmärkte.<br />
Es ist daher nach Ansicht <strong>der</strong> Telekom-Control-Kommission davon auszugehen,<br />
dass gemäß Art. 19 Universaldienstrichtlinie (Richtlinie 2002/22/EG des Europäischen Parlaments<br />
und des Rates vom 7. März 2002 über den Universaldienst und Nutzerrechte bei<br />
<strong>elektronischen</strong> Kommunikationsnetzen und –diensten) bzw. § 46 Abs. 1 TKG 2003 die Regulierungsinstrumente<br />
<strong>der</strong> Betreiberauswahl und <strong>der</strong> Betreibervorauswahl ungeachtet etwaiger<br />
Auswirkungen auf den gegenständlichen Verbindungsmarkt als Regulierungsinstrumente auf<br />
den erwähnten Anschlussmärkten gemäß § 1 Z 1 und 2 <strong>der</strong> TKMVO 2003 anzusehen sind.<br />
Der Regulierung <strong>der</strong> Verbindungsnetzbetreiber(vor)auswahl wurde eingehend Rechnung<br />
getragen. Ohne dieses Regulierungsinstrument („Basisregulierung“) würde es mangels Anschlussnetzen<br />
<strong>der</strong> alternativen Anbieter zu einem Zusammenbrechen <strong>der</strong> wettbewerblichen<br />
Strukturen auf dem gegenständlichen Markt kommen. Dem diesbezüglichen Vorbringen <strong>der</strong><br />
TA war daher nicht näher zu treten, wiewohl festzustellen ist, dass die Verpflichtung zur Verbindungsnetzbetreiber(vor)auswahl<br />
<strong>für</strong> die wettbewerblichen Strukturen des gegenständlichen<br />
Markts von zentraler Bedeutung ist.<br />
Dieses Bild wird nach Ansicht <strong>der</strong> Telekom-Control-Kommission auch durch veröffentlichten<br />
Zahlen von TA (Jahresergebnis 2005) noch bestätigt. Wenn auch die dort veröffentlichten<br />
Zahlen nicht zwischen den einzelnen Verbindungsmärkten unterscheiden, es wird nur auf<br />
„Wireline“ bzw. „Fixed line market shares“ referenziert, so ergibt sich nach Ansicht <strong>der</strong> Telekom-Control-Kommission<br />
im Zusammenhang mit den getroffenen Feststellungen, dass TA<br />
auf dem gegenständlichen Verbindungsmarkt über beträchtliche Marktmacht verfügt.<br />
Bezüglich des Zusammenschlusses von Tele2 und UTA zeigen sich keine Auswirkungen, die<br />
hinsichtlich <strong>der</strong> Effektivität des Wettbewerbs auf dem gegenständlichen Markt unterschiedliche<br />
Schlüsse nahe legen würden. So hat UTA auf dem gegenständlichen Markt einen<br />
Marktanteil von unter 15 %. Tele2 war bisher auf dem gegenständlichen Markt kaum aktiv,<br />
sodass „Tele2/UTA“ zusammen keine höheren Marktanteile erreichen wird; <strong>der</strong> gegenständliche<br />
Markt wird dadurch hinsichtlich <strong>der</strong> Beurteilung des Wettbewerbs nicht nachhaltig beeinflusst.<br />
Nach Ansicht <strong>der</strong> Telekom-Control-Kommission spricht daher dieser Marktmachtindikator <strong>für</strong><br />
das Vorliegen von beträchtlicher Marktmacht.<br />
42<br />
<strong>Vorlesung</strong>smaterialien Seite 178
6.1.2. Vertikale Integration<br />
Der Marktmachtindikator „Vertikale Integration“ wird im TKG 2003 unter den Kriterien <strong>für</strong><br />
„single dominance“ genannt (§ 35 Abs. 2 Z 9 TKG 2003). Unter diesem Begriff wird verstanden,<br />
dass ein Unternehmer nicht nur auf dem gegenständlichen Markt, son<strong>der</strong>n auch auf<br />
weiteren Märkten tätig ist. Die wettbewerbliche Problematik kann sich dahingehend manifestieren,<br />
dass ein Unternehmen, das auf mehreren Märkten tätig ist, aufgrund <strong>der</strong> Verflechtung<br />
dieser Märkte Anreize hat, Wettbewerbern auf den benachbarten Märkten den Zugang zu<br />
diesen Märkten zu verschließen o<strong>der</strong> an<strong>der</strong>e wettbewerbsbeschränkende Praktiken zur Anwendung<br />
zu bringen.<br />
Auf dem gegenständlichen Markt reduziert sich die Abhängigkeit vom Vorleistungsanbieter<br />
Telekom Austria in Bezug auf die auf das Ausland entfallende Verbindungsleistung allerdings<br />
substantiell. Für die Weiterleitung und Zustellung von Auslandsgesprächen – zumindest hinsichtlich<br />
<strong>der</strong> wesentlichsten Destinationen – stehen allen Betreibern (Telekom Austria wie<br />
auch den alternativen Anbietern) eine Reihe von internationalen Carriern zur Verfügung.<br />
Freilich muss aber auch hier von – teils größenabhängig – unterschiedlichen Einkaufsmöglichkeiten<br />
und Verhandlungspositionen ausgegangen werden.<br />
Dieser Marktmachtindikator spricht ebenfalls <strong>für</strong> das Vorliegen von beträchtlicher Marktmacht,<br />
da durch die vertikale Integration <strong>der</strong> TA, die sowohl auf dem gegenständlichen Verbindungsmarkt<br />
als auch auf dem benachbarten Zugangsmarkt tätig ist, sich nach Ansicht <strong>der</strong><br />
Telekom-Control-Kommission die Kontrolle über nicht leicht ersetzbare Infrastruktur am Zugangsmarkt<br />
auch auf den gegenständlichen Verbindungsmarkt überträgt.<br />
Die Abhängigkeit <strong>der</strong> alternativen Anbieter von <strong>der</strong> Vorleistungsbereitstellung <strong>der</strong> TA reduziert<br />
sich allerdings auf dem gegenständlichen Verbindungsmarkt substantiell, da – zumindest<br />
hinsichtlich <strong>der</strong> wichtigsten Destinationen - eine Reihe von internationalen Carriern zur<br />
Verfügung stehen.<br />
Dieser Marktmachtindikator spricht daher in geringem Ausmaß <strong>für</strong> das Vorliegen von beträchtlicher<br />
Marktmacht.<br />
6.1.3. Marktzutrittsbarrieren und potentieller Wettbewerb<br />
§ 35 Abs. 2 Z 1 TKG 2003 nennt die „Höhe von Markteintrittsschranken“ sowie das daraus<br />
„resultierende Ausmaß an potenziellem Wettbewerb“ als einen Marktmachtindikator. Randziffer<br />
80 <strong>der</strong> SMP-Leitlinien nennt ebenfalls „Marktzutrittsschranken“ als einen Indikator <strong>für</strong> das<br />
Vorliegen von beträchtlicher Marktmacht.<br />
In ihrer Empfehlung über relevante Märkte unterscheidet die Europäische Kommission zwischen<br />
zwei Arten von Marktzutrittsbarrieren, nämlich strukturell bedingte und rechtlich bedingte<br />
Hin<strong>der</strong>nisse: Ein strukturbedingtes Zugangshin<strong>der</strong>nis liegt vor, wenn bei gegebenem<br />
Nachfrageniveau <strong>der</strong> Stand <strong>der</strong> Technik und die entsprechende Kostenstruktur so sind, dass<br />
sie Asymmetrien zwischen etablierten Betreibern und Markteinsteigern schaffen, sodass<br />
letztere am Marktzutritt gehin<strong>der</strong>t werden. Hohe strukturbedingte Marktzutrittsbarrieren bestehen<br />
beispielsweise, wenn erhebliche Skalen-, Verbund- und Dichtevorteile sowie hohe<br />
versunkene Kosten <strong>für</strong> den Markt charakteristisch sind. Rechtlich bedingte Hin<strong>der</strong>nisse basieren<br />
nicht auf wirtschaftlichen Bedingungen, son<strong>der</strong>n ergeben sich aus legislativen, administrativen<br />
o<strong>der</strong> sonstigen staatlichen Maßnahmen, die sich unmittelbar auf die Zugangsbedingungen<br />
und/o<strong>der</strong> die Stellung von Betreibern auf dem betreffenden Markt auswirken.<br />
Entscheidend <strong>für</strong> die Beurteilung von Marktmacht ist aber letztlich auch das Ausmaß an<br />
Wettbewerb, <strong>der</strong> hinter diesen Barrieren stattfindet. Das Vorliegen von Marktmacht kann<br />
43<br />
<strong>Vorlesung</strong>smaterialien Seite 179
daher insbeson<strong>der</strong>e dort vermutet werden, wo die Marktkonzentration hoch ist und gleichzeitig<br />
hohe Marktzutrittsbarrieren vorliegen.<br />
So halten die Leitlinien fest, dass die Feststellung einer marktbeherrschenden Stellung auch<br />
davon abhängt, wie leicht <strong>der</strong> Marktzugang ist. Hohe Marktzutrittsschranken können dazu<br />
führen, dass ein Unternehmen mit einem beträchtlichen Marktanteil sich unabhängig von<br />
seinen Wettbewerbern, seinen Abnehmern und schließlich den Verbrauchern (EuGH Rs.<br />
United Brands, 14.2.21978) verhalten und bspw. Preise über den Kosten verlangen kann.<br />
Höhere Marktzutrittsbarrieren können die Entstehung von effektivem Wettbewerb be- o<strong>der</strong><br />
verhin<strong>der</strong>n und stehen so den Regulierungszielen des § 1 Abs. 1 Z 2 TKG 2003 entgegen.<br />
Die Prüfung von Marktzutrittsschranken ist daher ein wesentliches Element je<strong>der</strong> Prüfung<br />
von Marktmacht (vgl EuGH Rs 6/72 – Continental Can/Kommission, Slg 1973, 215).<br />
Die von <strong>der</strong> Europäischen Kommission im Rahmen <strong>der</strong> Fusionskontrolle entwickelten Kriterien<br />
erkennen dem Ausmaß an potentiellem Wettbewerb nur dann eine die Markmacht eines<br />
Unternehmens beschränkende Wirkung zu, wenn die folgenden Kriterien erfüllt sind:<br />
1. Zur Wahrscheinlichkeit des Markteintrittes:<br />
Der Rechtsprechung <strong>der</strong> EK folgend, gilt ein Markteintritt eines potentiellen Wettbewerbs nur<br />
dann als hinreichend wahrscheinlich, um die Marktmacht eines marktmächtigen Unternehmens<br />
zu beschränken, wenn wahrscheinlich ist, dass ein solcher Markteintritt auch angesichts<br />
möglicher Gegenreaktionen des marktmächtigen Unternehmens als ausreichend rentabel<br />
erscheint (Entscheidungen <strong>der</strong> EK zu M.1383 – Exxon/Mobil, Rz 221ff; M 330 -<br />
McCormick/CPC/Rabobank/Ostmann, Rz 73 ff sowie M.269 – Shell/Montecatini, Rz 85ff).<br />
Nach Ansicht <strong>der</strong> Telekom-Control-Kommission sind zwar im Vergleich zu den Zugangsmärkten<br />
auf dem gegenständlichen Verbindungsmarkt die Markteintrittsbarrieren auf Grund<br />
<strong>der</strong> vergleichsweise geringeren Investitionskosten vergleichsweise gering, allerdings ist auch<br />
auf dem gegenständlichen Markt auf Grund zu tätigen<strong>der</strong> Investitionen (Werbung, Branding)<br />
und bestehen<strong>der</strong> Vorteile <strong>der</strong> TA von existierenden Markteintrittsbarrieren auszugehen, die<br />
gerade auch unter Berücksichtigung <strong>der</strong> späten Marktphase die Wahrscheinlichkeit <strong>für</strong><br />
Markteintritte entsprechend verringern.<br />
2. Kurzfristige Durchführbarkeit des Markteintritts und Erheblichkeit desselben:<br />
Die Geltungsdauer des gegenständlichen Bescheides ist mit dem Abschluss eines zukünftigen<br />
Verfahrens zur Feststellung beträchtlicher Marktmacht <strong>für</strong> den gegenständlichen Markt<br />
befristet. Die einem solchen zukünftigen Verfahren gemäß § 36 Abs. 1 TKG 2003 zugrunde<br />
liegende TKMVO 2003 muss alle zwei Jahre überprüft werden, was mit Beschluss <strong>der</strong> Rundfunk<br />
und Telekom Regulierungs-GmbH vom 6.2.2006 bereits erfolgt ist. Wenn nun auch keine<br />
eindeutige Frist, innerhalb <strong>der</strong>er ein Markteintritt erfolgen muss, aus <strong>der</strong> Entscheidungspraxis<br />
<strong>der</strong> EK abgeleitet werden kann, so ist nach Ansicht <strong>der</strong> Telekom-Control-Kommission<br />
tendenziell doch davon auszugehen, dass innerhalb des hier relevanten Zeitraums von ungefähr<br />
zwei Jahren im Gegensatz zum Beginn <strong>der</strong> Liberalisierung auf Grund des nunmehr<br />
gesättigten Marktes wenig ökonomische Anreize bestehen, dass zusätzliche Mitbewerber in<br />
den gegenständlichen Markt eintreten. Sollten solche Eintritte tatsächlich erfolgen, erscheint<br />
<strong>der</strong> Telekom-Control-Kommission auf Grund <strong>der</strong> obigen Argumente die Möglichkeit eines<br />
neu eintretenden Verbindungsnetzbetreibers zur Gewinnung signifikanter Marktanteile als<br />
sehr gering.<br />
TA brachte diesbezüglich (ON 20, S 143 – 150) zusammengefasst vor, dass Marktbarrieren<br />
auf den Endkundenmärkten nicht mehr gegeben seien, da es durch den nicht mehr bestehenden<br />
Zwang zur Konzession keine institutionellen Zugangsbarrieren mehr gebe. Ferner<br />
sei es sogar so, dass es durch die Entbündelung <strong>der</strong> Teilnehmeranschlussleitung samt „kostengünstigen<br />
Anbieten“ <strong>der</strong>selben, die ja ohne vergleichbare Anfangsinvestitionen möglich<br />
44<br />
<strong>Vorlesung</strong>smaterialien Seite 180
sei, keine strukturellen Barrieren im Anschlussnetz mehr gebe. Auf Grund <strong>der</strong> Verflochtenheit<br />
des benachbarten Anschlussmarktes mit dem gegenständlichen Verbindungsmarkt gebe<br />
es auf dem gegenständlichen Verbindungsmarkt auch keine strategischen Markteintrittsbarrieren,<br />
allenfalls solche, die durch alternative Anbieter errichtet worden wären. Darüberhinaus<br />
sei es durch die Trennung von Netzanschluss und Diensten zu einer Reduktion <strong>der</strong><br />
Markteintrittsbarrieren auf dem gegenständlichen Verbindungsmarkt durch TA gekommen.<br />
Diesbezüglich hat die Telekom-Control-Kommission wie folgt erwogen: Die Tatsache, dass<br />
mit dem TKG 2003 keine Konzessionspflicht <strong>für</strong> das Erbringen von Festnetzsprachtelefonieprodukten<br />
mehr besteht, bedeutet <strong>für</strong> sich genommen nur, dass tatsächlich allenfalls bestehende<br />
rechtlich/institutionelle Markteintrittsbarrieren nicht mehr in diesem Ausmaß existieren.<br />
Allerdings darf das nach Ansicht <strong>der</strong> Telekom-Control-Kommission nicht darüber hinwegtäuschen,<br />
dass es nur einer verhältnismäßig kleinen Anzahl von Anbietern gelungen ist,<br />
signifikante Marktanteile zu erobern – überdies gelang das nur auf den Verbindungsmärkten.<br />
Entgegen dem Vorbringen von TA bestehen auch <strong>für</strong> Verbindungsnetzbetreiber Markt-<br />
eintrittsbarrieren <strong>für</strong> den gegenständlichen Markt, sollten sie sich entschließen, in Zukunft als<br />
Teilnehmernetzbetreiber operativ sein zu wollen. Es bestehen <strong>für</strong> einen solchen Verbindungsnetzbetreiber<br />
angesichts <strong>der</strong> hohen versunkenen Kosten nach wie vor beträchtliche<br />
Markteintrittsbarrieren, die von <strong>der</strong> Errichtung eines eigenen flächendeckenden Festnetzes<br />
gerade im Anschlussbereich Abstand nehmen lassen (ON 25). Die daraus resultierende<br />
Notwendigkeit zur Erbringung von Verbindungsleistungen (Gespräche) durch Verbindungsnetzbetreiber(vor)auswahl<br />
bringt darüber hinaus auch am gegenständlichen Markt die Abhängigkeit<br />
<strong>der</strong> Verbindungsnetzbetreiber vom flächendeckenden Anschlussnetz <strong>der</strong> TA <strong>für</strong><br />
den auf das Inland entfallenden Teil <strong>der</strong> notwendigen Vorleistung zum Ausdruck. In diesem<br />
Zusammenhang wird auf das auferlegte Regulierungsinstrument <strong>der</strong> Verbindungsnetzbetreiber(vor)auswahl<br />
auf dem benachbarten Zugangsmarkt hingewiesen.<br />
Auf dem gegenständichen Markt sind die Markteintrittsbarrieren nach Ansicht <strong>der</strong> Telekom-<br />
Control-Kommission insbeson<strong>der</strong>e deshalb gegeben, da Zuverlässigkeitsanfor<strong>der</strong>ungen und<br />
sonstige Qualitätsmerkmale hier beson<strong>der</strong>s wichtig sind. Sowohl tatsächliche Qualitätsvorsprünge<br />
auf Seiten <strong>der</strong> Telekom Austria aufgrund höherwertiger und vor allem eigener Infrastruktur<br />
o<strong>der</strong> <strong>der</strong> historisch gewachsenen internationalen (Partner-)Netzstruktur, als auch<br />
subjektiv von Nachfragern empfundene Vorteile erklären solche Wechselbarrieren. Letzte<br />
Komponente dürfte vor allem im Zuge von Unternehmenskonkursen alternativer Anbieter<br />
noch verstärkt werden, da diesfalls mit negativen Reputationswirkungen auf die Gesamtheit<br />
aller alternativen Betreiber zu rechnen ist.<br />
Zum Vorbringen <strong>der</strong> TA, dass alternative Anbieter Marktbarrieren durch das Anbieten von<br />
Bündelprodukten samt dem mittelbaren Herbeiführen eines „one-stop-shop-Effektes“ errichten<br />
würden, hat die Telekom-Control-Kommission erwogen, dass das Anbieten von Bündeln,<br />
die mit denen <strong>der</strong> TA vergleichbar sind, aufgrund <strong>der</strong> vertikalen Integration <strong>der</strong> TA und den<br />
<strong>der</strong>zeit verfügbaren Vorleistungsprodukten (eben ohne Resale), nur jenen alternativen<br />
Betreibern möglich ist, die ebenfalls über ein Anschlussnetz verfügen. Die spezifische Wettbewerbsproblematik<br />
<strong>der</strong> Produktbündelung am gegenständlichen Verbindungsmarkt besteht<br />
eben in <strong>der</strong> Bereitstellung des Zugangs gebündelt mit <strong>der</strong> Verbindungsleistung (Gespräche)<br />
<strong>für</strong> den Endkunden bzw. in <strong>der</strong> Abwicklung von Projektgeschäften. Alternative Anbieter ohne<br />
eigenes Zugangsnetz, das sind die allermeisten <strong>der</strong> Wettbewerber <strong>der</strong> TA, können daher,<br />
wie ausgeführt, auf Grund <strong>der</strong> auch am gegenständlichen Verbindungsmarkt in Bezug auf<br />
den auf das Inland entfallenden Anteils <strong>der</strong> notwendigen Vorleistung keine Produktbündel<br />
aus Zugangsprodukten und Gesprächsleistungen anbieten. Das diesbezügliche Vorbringen<br />
<strong>der</strong> TA geht daher ins Leere.<br />
Die zudem spezifisch auf dem gegenständlichen Markt dem alternativen Anbieter entstehenden<br />
und spezifisch dem Retailbereich zurechenbaren versunkenen Kosten durch typischerweise<br />
intensive Werbekampagnen zur Information einer hinreichenden Anzahl von Kunden<br />
über mögliche Wechselvorteile und letztlicher Akquise, stellen nach Ansicht <strong>der</strong> Telekom-<br />
Control-Kommission ebenfalls Markteintrittsbarrieren dar.<br />
45<br />
<strong>Vorlesung</strong>smaterialien Seite 181
Die Tatsache, dass <strong>für</strong> Bestandskunden <strong>der</strong> TA oftmals ein über einen langen Zeitraum existierendes<br />
Vertragsverhältnis und damit verbunden entsprechende Loyalität besteht und somit<br />
ein <strong>für</strong> alternative Wettbewerber nur schwer o<strong>der</strong> nicht erreichbarer Bekanntheitsgrad des<br />
ehemaligen Monopolisten existiert, begründen nach Ansicht <strong>der</strong> Telekom-Control-<br />
Kommission ebenfalls signifikante Wechselbarrieren.<br />
Weiters ist auch nach Ansicht <strong>der</strong> Telekom-Control-Kommission typischerweise geringere<br />
Kundenbindung auf Seiten <strong>der</strong> Verbindungsnetzbetreiber, sowie die Möglichkeit <strong>für</strong> Endkunden,<br />
von den Erfolgen <strong>der</strong> Liberalisierung auch indirekt – ohne selbst zu wechseln – zu profitieren,<br />
als Markteintrittsbarriere <strong>für</strong> alternative Anbieter zu qualifizieren.<br />
Dem Vorbringen <strong>der</strong> TA, dass am gegenständlichen Endkundenmarkt die Berücksichtigung<br />
<strong>der</strong> seit langem bestehenden „Universaldienstverpflichtung“ <strong>der</strong> TA <strong>für</strong> diesen Markt und <strong>der</strong><br />
damit verbundenen Auswirkungen bei <strong>der</strong> Bewertung von Marktmacht nicht erfolgt sei und<br />
flächendeckende Infrastruktur und „Mächtigkeit“ <strong>der</strong> TA nicht zuletzt aufgrund <strong>der</strong> „Universaldienstverpflichtung“<br />
bestünden, ist entgegenzuhalten, dass die Verpflichtung <strong>der</strong> TA zur<br />
Erbringung des Universaldienstes <strong>der</strong>zeit gesetzlich vorgesehen ist und die Interessen <strong>der</strong><br />
Endnutzer för<strong>der</strong>t.<br />
Bezüglich des Vorbringens von TA hinsichtlich <strong>der</strong> Möglichkeit zur Entbündelung ist auszuführen,<br />
dass die Entbündelung dazu beitragen kann, dem bestehenden de facto Monopol im<br />
Zugangsbereich zu begegnen. Die Entbündelung fungiert daher als (eine) Möglichkeit, unter<br />
an<strong>der</strong>em auf dem gegenständlichen Verbindungsmarkt überhaupt erst die Vorraussetzungen<br />
<strong>für</strong> das Entstehen von Wettbewerb zu schaffen.<br />
Freilich kann die Entbündelung auf dem gegenständlichen Markt nach Ansicht <strong>der</strong> Telekom-<br />
Control-Kommission angesichts <strong>der</strong> Ausführungen zu den spezifischen Markteintrittsbarrieren<br />
des gegenständlichen Verbindungsmarktes nicht substantiell zur Senkung <strong>der</strong><br />
Markteintrittsbarrieren beitragen.<br />
Zur Bestreitbarkeit von Märkten:<br />
Bezüglich des Vorbringens <strong>der</strong> TA im Hinblick auf die vorliegende Bestreitbarkeit des gegenständlichen<br />
Verbindungsmarktes hat die Telekom-Control-Kommission erwogen, dass das<br />
diesbezügliche Vorbringen von TA nicht geeignet ist, die getroffenen Feststellungen in Frage<br />
zu stellen.<br />
Dies vor allem deshalb, da die <strong>der</strong> Theorie <strong>der</strong> bestreitbaren Märkte zu Grunde liegenden<br />
restriktiven Annahmen, nämlich (1) Abwesenheit jeglicher Markteintritts- und Marktaustrittsbarrieren<br />
und (2) hinreichend lange Reaktionszeit <strong>der</strong> (des) etablierten Unternehmen, sodass<br />
ein Neueinsteiger in den Markt eintreten und die (von ihm vor dem Eintritt beobachteten)<br />
Profite realisieren kann („hit and run“ Strategie), auf dem gegenständlichen Verbindungsmarkt<br />
nicht vorliegen:<br />
In Bezug auf das Kriterium <strong>der</strong> Abwesenheit jeglicher Markteintritts- und Marktaustrittsbarrieren<br />
ist insbeson<strong>der</strong>e festzustellen, dass auf dem gegenständlichen Verbindungsmarkt eine<br />
Reihe von endogenen Marktbarrieren, die durch das strategische Verhalten <strong>der</strong> bereits am<br />
Markt aktiven Teilnehmer bestimmt werden, existieren. Die Telekom-Control-Kommission<br />
verweist an dieser Stelle insbeson<strong>der</strong>e auf die hohe Werbeintensität und Bedeutung <strong>der</strong><br />
Kundenbindung auf den Kommunikationsendkundenmärkten. Ferner geht die Telekom-<br />
Control-Kommission davon aus, dass Präferenzen bzw. Markentreue <strong>der</strong> Konsumenten <strong>für</strong><br />
die bereits am Markt aktiven Unternehmer existieren. Die Annahme des Modells <strong>der</strong> bestreitbaren<br />
Märkte, dass sich die Konsumenten vollkommen rational verhalten, d.h. sich lediglich<br />
an den Preisen orientieren, erscheint <strong>der</strong> Telekom-Control-Kommission als nicht den<br />
tatsächlichen Gegebenheiten entsprechend. Darüberhinaus würde diese Annahme in klarem<br />
46<br />
<strong>Vorlesung</strong>smaterialien Seite 182
Wi<strong>der</strong>spruch zu den Feststellungen stehen, wonach TA zumindest teilweise in <strong>der</strong> Lage ist,<br />
im Durchschnitt höhere Preise zu setzen.<br />
In Bezug auf die zweite Annahme, nämlich das Vorliegen einer <strong>der</strong>art langen Reaktionszeit<br />
<strong>der</strong> etablierten Unternehmen, sodass ein Neueinsteiger in den Markt eintreten und die (von<br />
ihm vor dem Eintritt beobachteten) Profite realisieren kann („hit and run“ Strategie), führt die<br />
Telekom-Control-Kommission wie folgt aus:<br />
Dem Modell <strong>der</strong> bestreitbaren Märkte liegt die hypothetische Situation unregulierter Märkte<br />
zugrunde. Würde das SMP-Unternehmen keinerlei ex-ante Verpflichtungen unterliegen, so<br />
könnte es je<strong>der</strong>zeit, von internen Organisationsprozessen abgesehen bzw. in Abhängigkeit<br />
von diesen, ohne wesentliche zeitliche Verzögerung auf den Markteintritt neuer Anbieter reagieren.<br />
Es ist daher nach Ansicht <strong>der</strong> Telekom-Control-Kommission notwendig, die hypothetische<br />
Situation <strong>der</strong> Nichtregulierung als Vergleichsbasis heranzuziehen, da genau dies<br />
<strong>der</strong> Schlussfolgerung bzw. For<strong>der</strong>ung in als bestreitbar identifizierten Märkten entspräche.<br />
An dieser Stelle sei daher geson<strong>der</strong>t auf die regulatorische Bedeutung bzw. die Unterschiede<br />
zwischen einem ex-post und ex-ante Regulierungsregime verwiesen. Ex-post Kontrolle greift<br />
definitionsgemäß erst bei erfolgtem Schaden, <strong>der</strong> jedoch gerade in <strong>der</strong> Telekommunikationsbranche<br />
aufgrund <strong>der</strong> spezifischen Wettbewerbs- bzw. Marktstrukturprobleme (schwer zu<br />
duplizierende Infrastruktur als „essential facility“ in Händen des Incumbent) oftmals – nach<br />
teils langwierigen Verfahren – nicht mehr rückgängig gemacht werden kann. Eine Vorabregulierung<br />
wird zudem nach Ansicht <strong>der</strong> Telekom-Control-Kommission in jenen Fällen geeigneter<br />
sein, in denen zur Behebung des Wettbewerbsproblems zahlreiche Anfor<strong>der</strong>ungen<br />
nötig sind (detaillierte Buchhaltung, Kostenrechnung, generelles Monitoring) o<strong>der</strong> wenn ein<br />
häufiges und/o<strong>der</strong> frühzeitiges Einschreiten unerlässlich ist.<br />
Darüberhinaus ist <strong>für</strong> den entry-lag (Zeitverzögerung des Markteintritts) auf Seiten <strong>der</strong> Wettbewerber<br />
von TA nach Ansicht <strong>der</strong> Telekom-Control-Kommission durchaus mit einer signifikanten<br />
Zeitspanne zu rechnen. Diese kann unter an<strong>der</strong>em durch die Bereitstellung <strong>der</strong> <strong>für</strong><br />
einen Verbindungsnetzbetrieb nötigen Netzelemente, die erfor<strong>der</strong>lichen Verhandlungsprozesse<br />
<strong>für</strong> Zusammenschaltungsvereinbarungen, die Erreichung eines hinreichend großen<br />
Bekanntheitsgrades, die Bereitstellung entsprechen<strong>der</strong> customer care- sowie Billing-<br />
Einrichtungen entstehen. Ferner besitzt <strong>der</strong> Incumbent über vielfältige Verzögerungsmöglichkeiten,<br />
da er eben im Besitz <strong>der</strong> nicht ersetzbaren Infrastruktur im Anschlussbereich ist<br />
(ON 25). In diesem Zusammenhang weist die Telekom-Control-Kommission darauf hin, dass<br />
in an<strong>der</strong>en Industriezweigen ein Markteintritt eines Mitbewerbers erst mittelbar über die<br />
Marktbeobachtung feststellbar ist, im vorliegenden Markt jedoch auf Grund <strong>der</strong> Zusammenschaltung<br />
(Vorleistungsabhängigkeit) unmittelbar noch vor dem Markteintritt bekannt wird,<br />
und daher die Chancen auf eine „hit and run“-Strategie schon im Ansatz zum Scheitern vereitelt<br />
sind.<br />
Aufgrund dieser Überlegungen kommt die Telekom-Control-Kommission zum Schluss, dass<br />
die Theorie <strong>der</strong> bestreitbaren Märkte auf dem gegenständlichen Verbindungsmarkt keine<br />
gegenteilige Evidenz über das Vorliegen von beträchtlicher Marktmacht beizubringen vermag.<br />
Den diesbezüglichen Argumenten <strong>der</strong> TA war daher nicht zu folgen.<br />
6.1.4. Preise und Performance<br />
§ 35 Abs. 2 Z 13 TKG 2003 nennt das „Verhalten am Markt“ als weiteres Kriterium <strong>für</strong> die<br />
Beurteilung einer alleinigen beträchtlichen Marktmacht. Exemplarisch nennt Z 13 leg. cit.<br />
Preissetzung, Marketingpolitik, Bündelung von Produkten und Dienstleistungen o<strong>der</strong> die Errichtung<br />
von Barrieren.<br />
Das Verhalten am Markt (§ 35 Abs. 1 Z 13 TKG 2003) umfasst daher auch die Preissetzungspolitik<br />
eines Unternehmens. Diese ist nach Ansicht <strong>der</strong> Telekom-Control-Kommission<br />
ein wesentlicher ökonomischer Verhaltensparameter und kann daher auch <strong>für</strong> die Beurtei-<br />
47<br />
<strong>Vorlesung</strong>smaterialien Seite 183
lung von Marktmacht relevant sein. So geben zB Preisbewegungen im Zeitverlauf, vorhandene<br />
Preisdifferentiale zwischen einzelnen Betreibern und beobachtete Preisreaktionsmuster<br />
wesentliche Hinweise auf die am Markt vorhandene Wettbewerbsintensität. Bei <strong>der</strong> Untersuchung<br />
des gegenständlichen Marktes ist aufgrund <strong>der</strong> engen Verbundenheit mit den Zugangsmärkten<br />
auch die Preissetzungspolitik eines Unternehmens auf den benachbarten<br />
Zugangsmärkten (Märkte gemäß § 1 Z 1 und 2 <strong>der</strong> TKMVO 2003) in Betracht zu ziehen.<br />
Reinen Verbindungsnetzbetreibern steht gemäß den Feststellungen ein im Vergleich zur<br />
Telekom Austria weitaus geringerer Preissetzungs- und Gestaltungsspielraum zu Verfügung.<br />
Da TA ein vollintegrierter Betreiber ist und sowohl auf dem Zugangs- als auch auf den Verbindungsmärkten<br />
aktiv ist, kann sie ihre wirtschaftliche Stärke auf Grund <strong>der</strong> äußerst hohen<br />
Marktanteile auf den benachbarten Zugangsmärkten mittels Bündelung <strong>der</strong> Leistung auf den<br />
gegenständlichen Verbindungsmarkt ausdehnen (Übertragung von Marktmacht). Das Preissetzungsverhalten<br />
kann nach Ansicht <strong>der</strong> Telekom-Control-Kommission Anhaltspunkte da<strong>für</strong><br />
liefern, wie ein Unternehmen versucht, sich gegenüber seinen Mitbewerbern zu positionieren.<br />
Je größer <strong>der</strong> Handlungsspielraum eines einzelnen Unternehmens dabei ist, desto eher<br />
kann daher vermutet werden, dass das Unternehmen über eine (gewisse) Marktmacht verfügt.<br />
Die Möglichkeit, Preise nachhaltig über dem Wettbewerbsniveau (bzw. dem Preisniveau<br />
<strong>der</strong> Mitbewerber) zu halten, ist daher ein wesentliches Indiz <strong>für</strong> Marktmacht.<br />
Die Feststellungen zeigen, dass im Gegensatz zur Vergleichssituation auf den Märkten <strong>für</strong><br />
Inlandsgespräche die Telekom Austria hier sowohl bei Privat- als auch Nichtprivatkunden bei<br />
stabil bleibenden Marktanteilen deutlich höhere Preisniveaus aufrechterhalten kann. Diese<br />
höheren Preisaufschläge gehen jedoch am vorliegenden Markt im Gegensatz zu Markt <strong>für</strong><br />
Inlandsgespräche von Privatkunden deutlich weniger auf Kosten niedrigerer Marktanteilsniveaus.<br />
Wie insbeson<strong>der</strong>e die nach Anschlussarten differenzierten Tarifstrukturen zeigen, offeriert<br />
Telekom Austria auch bei Auslandsgesprächen von Nichtprivatkunden eine höhere Tarifvielfalt.<br />
Sofern ANB etwa über Entbündelung Grundentgelt und Verbindungsentgelte gemeinsam<br />
verrechnen und kombinieren können, verringert sich die diesbezüglich bei Privatkunden festgestellte<br />
Ungleichheit in den Gestaltungsmöglichkeiten, wenn auch nicht gänzlich.<br />
Auch auf dem gegenständlichem Markt verschiebt sich die eigentliche Wettbewerbsproblematik<br />
in den Fragenkomplex „Produktbündelung“ bzw. <strong>der</strong> Übertragung von Marktmacht („leveraging“)<br />
sowie „excessive pricing“. Telekom Austria, das als einziges Unternehmen flächendeckend<br />
als Komplettanbieter (Anschluss- und Verbindungsleistungen) agiert, entsteht<br />
genau dadurch ein relativer Vorteil in den Preisgestaltungsmöglichkeiten. Weiters muss dem<br />
Potential an Wohlfahrtszugewinnen, die mit <strong>der</strong> Produktbündelung einhergehen, die damit<br />
verbundene Problematik <strong>der</strong> Marktmachtübertragung gegenübergestellt werden.<br />
Zur Performanceanalyse:<br />
Die von Telekom Austria in den Jahren 2001 – 2003 basierend auf dem festgestellten erhöhten<br />
Preisniveau erreichte Umsatzrentabilität von über 30 % auf dem gegenständlichen Markt<br />
(unter Berücksichtigung eines fiktiven Kapitalzinssatzes <strong>der</strong> Telekom Austria) spricht <strong>für</strong> das<br />
Vorliegen von beträchtlicher Marktmacht, da sie die Möglichkeit <strong>der</strong> TA wi<strong>der</strong>spiegelt, ihre<br />
Preise zumindest teilweise unabhängig von denen ihrer Mitbewerber zu gestalten.<br />
TA hat offensichtlich trotz ex ante Entgeltkontrolle Anreize, auf dem gegenständlichen Verbindungsmarkt<br />
exzessive Preise zu setzen.<br />
Zum Vorbringen <strong>der</strong> TA (ON 20, S 157), dass alle Unternehmen auf den Verbindungsmärkten<br />
das Wechseln des Betreibers durch ihre Endkunden („churn“) bekämpfen würden, ist<br />
auszuführen, dass dieser Sachverhalt <strong>für</strong> sich genommen dahingehend interpretiert werden<br />
kann, dass Wettbewerb vorliegt. Allerdings ist auch in diesem Zusammenhang auf die Ab-<br />
48<br />
<strong>Vorlesung</strong>smaterialien Seite 184
hängigkeit des Dienstewettbewerb am gegenständlichen Verbindungsmarkt von <strong>der</strong> Regulierung<br />
<strong>der</strong> Zugangsmärkte hinzuweisen. Die Tatsache, dass alternative Anbieter auf den Verbindungsmärkten<br />
zueinan<strong>der</strong> in Konkurrenz treten, darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass<br />
unter den gegebenen Umständen (siehe Punkt 2.1. dieses Bescheides) <strong>der</strong> Wettbewerb auf<br />
<strong>der</strong> Diensteebene von <strong>der</strong> Regulierung im Anschlussbereich sowie von <strong>der</strong> ex ante-<br />
Entgeltkontrolle auf dem gegenständlichen Verbindungsmarkt abhängig ist und TA auf Grund<br />
<strong>der</strong> Möglichkeit zur Bündelung von Produkten über klare wettbewerbliche Vorteile verfügt.<br />
Auch dem Vorbringen von TA (ON 20, S 157 und 158), dass die Innovationstätigkeit stark<br />
zugenommen habe, und Qualitäts- und Innovationswettbewerb herrsche, ist unter Bezugnahme<br />
auf das oben Ausgeführte zum Thema Abhängigkeit des Wettbewerbs auf den Verbindungsmärkten<br />
von <strong>der</strong> Regulierung im Anschlussbereich entgegen zu treten.<br />
Nach Ansicht <strong>der</strong> Telekom-Control-Kommission spricht aus allen diesen Gründen <strong>der</strong><br />
Marktmachtindikator <strong>der</strong> Preisgestaltung und des Performanceergebnisses <strong>für</strong> das Vorliegen<br />
von beträchtlicher Marktmacht von Telekom Austria AG.<br />
6.1.5. Technologische Entwicklung<br />
Hinsichtlich des technologischen Entwicklungspotentials (vgl. ON 25, Kapitel 5.4.4.) ist ungewiss,<br />
welche Unternehmen von den hier erwarteten Innovationsschüben (bspw. VOIP) am<br />
besten profitieren können. Bezüglich Nichtprivatkunden ist speziell darauf hinzuweisen, dass<br />
die Telekom Austria in <strong>der</strong> Regel über direkte und damit qualitativ hochwertige Leitungen in<br />
eine Vielzahl von Län<strong>der</strong>n verfügt. Auch aufgrund von Größenunterschieden muss hier mit<br />
einer gewissen Asymmetrie in den Gestaltungsmöglichkeiten gerechnet werden.<br />
Dieser Marktmachtindikator spricht daher prinzipiell <strong>für</strong> das Vorliegen von beträchtlicher<br />
Marktmacht <strong>der</strong> Telekom Austria auf dem gegenständlichen Markt. Seine tatsächliche Bedeutung<br />
hinsichtlich des Vorliegens von beträchtlicher Marktmacht ist allerdings im Hinblick<br />
auf den prinzipiell auch <strong>für</strong> Wettbewerber <strong>der</strong> Telekom Austria auf dem gegenständlichen<br />
Markt leichter möglichen Zugang zur infrastrukturbasierten Vorleistung stark zu relativieren.<br />
6.1.6. Internationaler Tarifvergleich<br />
Aus den internationalen Tarifvergleichen (vgl. ON 25, Kapitel 5.6.2.1.) können keine systematischen<br />
Schlüsse <strong>für</strong> das Vorliegen von beträchtlicher Marktmacht gezogen werden.<br />
Wenn auch hinsichtlich <strong>der</strong> untersuchten Destinationen keine „Ausreißer“ festgestellt werden<br />
können, so ist dennoch festzuhalten, dass sich das Vergleichsprodukt <strong>der</strong> Telekom Austria<br />
bei Nichtprivatkunden preislich im oberen Bereich befindet. Die Relevanz dieses Indikators<br />
wird jedoch aufgrund nur sehr eingeschränkter Vergleichbarkeit und teils fraglicher methodischer<br />
Validität entsprechend verringert.<br />
Aufgrund seiner bedingten Aussagekraft kann dieser Indikator daher nicht wesentlich zur<br />
Frage des Vorliegens von beträchtlicher Marktmacht durch Telekom Austria beitragen. Die<br />
festgestellte empirische Evidenz deutet nicht auf außergewöhnliche Marktmacht von Telekom<br />
Austria hin.<br />
6.1.7. Sonstige Anreize zu wettbewerbsbeschränkendem Verhalten<br />
Die Feststellungen bezüglich weiterer Indikatoren wurden bei <strong>der</strong> Analyse <strong>der</strong> geson<strong>der</strong>t<br />
ausgewiesenen Indikatoren entwe<strong>der</strong> mitberücksichtigt o<strong>der</strong> haben ein in <strong>der</strong> Gesamtbetrachtung<br />
zu vernachlässigendes Gewicht wie etwa <strong>der</strong> internationale Vergleich.<br />
49<br />
<strong>Vorlesung</strong>smaterialien Seite 185
Diese Indikatoren können daher nicht weiter zur Beurteilung <strong>der</strong> aktuellen Wettbewerbssituation<br />
beitragen.<br />
6.2. Zusammenfassende Beurteilung <strong>der</strong> wettbewerblichen Situation<br />
Aufgrund <strong>der</strong> in den Punkten 6.1.1 – 6.1.7 vorgenommenen Untersuchung <strong>der</strong> einzelnen<br />
Marktmachtindikatoren gelangt die Telekom-Control-Kommission zur Auffassung, dass TA<br />
als Unternehmen mit alleiniger beträchtlicher Marktmacht iSd § 37 Abs. 2 iVm § 35 Abs. 1<br />
und 2 TKG 2003 einzustufen ist.<br />
Die Wettbewerbsproblematik am gegenständlichen Markt liegt primär in <strong>der</strong> Beständigkeit<br />
<strong>der</strong> Marktbarrieren. Diese manifestieren sich insofern, als Zuverlässigkeitsanfor<strong>der</strong>ungen<br />
und sonstige Qualitätsmerkmale in <strong>der</strong> Wahrnehmung <strong>der</strong> Marktgegenseite auf dem gegenständlichen<br />
Markt beson<strong>der</strong>s wichtig sind. Sowohl tatsächliche Qualitätsvorsprünge auf Seiten<br />
<strong>der</strong> Telekom Austria aufgrund höherwertiger und vor allem eigener Infrastruktur o<strong>der</strong> <strong>der</strong><br />
historisch gewachsenen internationalen (Partner-)Netzstruktur, als auch subjektiv von Nachfragern<br />
empfundene Vorteile erklären die Wechselbarrieren <strong>für</strong> Endkunden <strong>der</strong> Telekom<br />
Austria.<br />
Aufgrund <strong>der</strong> Wechselkosten besteht die Gefahr, dass Telekom Austria ihre Marktmacht zum<br />
Nachteil <strong>der</strong> Nichtprivatkunden ausübt und überhöhte Preise verlangt. Weiters besteht die<br />
Gefahr <strong>der</strong> horizontalen Marktmachtübertragung durch Anbieten von Bündelprodukten, die<br />
von Mitbewerbern nicht repliziert werden können. Diese Problematik wird auf dem vorliegenden<br />
Markt durch die hohe Bedeutung individueller Gesamtlösungen (zB Bündelung mit Produkten,<br />
die außerhalb <strong>der</strong> TKMVO 2003 liegen) noch verschärft (vgl. ON 25, Kapitel 7.1.6).<br />
Der festgestellte Marktanteil <strong>der</strong> TA und <strong>der</strong> beträchtliche Abstand zu den Mitbewerbern<br />
spricht auch unter Berücksichtigung <strong>der</strong> Auswirkungen des Zusammenschlusses von Tele2<br />
und UTA <strong>für</strong> das Vorhandensein von beträchtlicher Marktmacht von TA.<br />
Weiters <strong>für</strong> das Vorliegen von beträchtlicher Marktmacht spricht das Performanceergebnis<br />
von über 30 % auf Grund <strong>der</strong> Fähigkeit, ein vergleichsweise erhöhtes Preisniveau aufrecht<br />
zu erhalten.<br />
Die Indikatoren „Technologische Entwicklung“ sowie <strong>der</strong> internationale Tarifvergleich konnten<br />
vergleichsweise nicht wesentlich zur abschließenden Wettbewerbsbeurteilung beitragen.<br />
Auch in <strong>der</strong> Marktverhaltensdimension verweisen die insbeson<strong>der</strong>e bei Nichtprivatkunden<br />
praktizierten Gesamtlösungen, sowie die auch im Rahmen von Rabatten nicht zu vernachlässigende<br />
Verdrängungsproblematik auf tatsächliche und potentielle Wettbewerbsprobleme,<br />
wie <strong>der</strong> Beständigkeit <strong>der</strong> Marktbarrieren, <strong>der</strong> Gefahr überhöhter Preise sowie <strong>der</strong> Gefahr <strong>der</strong><br />
horizontalen Marktmachtübertragung durch Anbieten von Bündelprodukten, die von Mitbewerbern<br />
nicht repliziert werden können.<br />
Die ausgewiesenen Marktanteilsverläufe verweisen auf keine grundlegende Än<strong>der</strong>ung innerhalb<br />
<strong>der</strong> nächsten (zwei) Jahre. Dennoch muss diesem Markt aufgrund <strong>der</strong> hohen Volatilität<br />
von Umsätzen bedeuten<strong>der</strong> Nichtprivatkunden in Verbindung mit möglichen technologischen<br />
Umbrüchen beson<strong>der</strong>e Aufmerksamkeit geschenkt werden.<br />
Insgesamt ist sohin festzuhalten, dass auf dem gegenständlichen Markt kein effektiver Wettbewerb<br />
herrscht und TA über alleinige beträchtliche Marktmacht gemäß § 35 Abs. 1 und 2<br />
TKG 2003 verfügt.<br />
50<br />
<strong>Vorlesung</strong>smaterialien Seite 186
7. Zu den Regulierungsinstrumenten<br />
7.1. Regulierungsinstrumente nach dem TKG 2003<br />
Unternehmen, die über beträchtliche Marktmacht verfügen, sind geeignete spezifische Verpflichtungen<br />
nach §§ 38 bis 46 o<strong>der</strong> nach § 47 Abs. 1 TKG 2003 aufzuerlegen. Dabei sind<br />
grundsätzlich folgende Verpflichtungen möglich:<br />
• § 38: Gleichbehandlungsverpflichtung<br />
• § 39: Transparenzverpflichtung<br />
• § 40: Getrennte Buchführung<br />
• § 41: Zugang zu Netzeinrichtungen und Netzfunktionen<br />
• § 42: Entgeltkontrolle und Kostenrechnung <strong>für</strong> den Zugang<br />
• § 43: Regulierungsmaßnahmen in Bezug auf Dienste <strong>für</strong> Endnutzer<br />
• § 44: Bereitstellung von Mietleitungen<br />
• § 45: Pflichten <strong>für</strong> Unternehmen mit beträchtlicher Marktmacht hinsichtlich Endkundenentgelten<br />
• § 46: Betreiberauswahl und Betreibervorauswahl<br />
• Laut § 47 Abs. 1 kann die Regulierungsbehörde bei Vorliegen außergewöhnlicher<br />
Umstände Unternehmen mit beträchtlicher Marktmacht an<strong>der</strong>e als die in den §§ 38<br />
bis 42 festgelegten Verpflichtungen in Bezug auf Zugang auferlegen. Diesfalls hat die<br />
Regulierungsbehörde bei <strong>der</strong> Europäischen Kommission einen entsprechenden Antrag<br />
zu stellen. Die Entscheidung <strong>der</strong> Europäischen Kommission ist dann <strong>der</strong> Entscheidung<br />
<strong>der</strong> Regulierungsbehörde zugrunde zu legen.<br />
Bei <strong>der</strong> Wettbewerbsregulierung hat die Regulierungsbehörde bezüglich <strong>der</strong> Auferlegung von<br />
Regulierungsinstrumenten die Regulierungsziele des § 1 Abs. 2 Z 2 TKG 2003 sowie den<br />
Zielekatalog des § 34 TKG 2003 zu berücksichtigen. In den einschlägigen Bestimmungen<br />
des neuen europäischen Rechtsrahmens wird an mehreren Stellen auf das zu beachtende<br />
Verhältnismäßigkeitsprinzip hingewiesen (so in Art 8 Abs. 1 Rahmen-RL, Art. 8 Abs. 4 <strong>der</strong><br />
Zugangs-RL und in Art. 17 Abs. 2 <strong>der</strong> Universaldienst-RL). Das Verhältnismäßigkeitsprinzip<br />
besagt, dass die Mittel, die zur Erreichung eines bestimmten Zwecks eingesetzt werden,<br />
nicht über das hinausgehen dürfen, was zur Erreichung dieses Zwecks angemessen und<br />
erfor<strong>der</strong>lich ist. Damit eine Maßnahme <strong>der</strong> Regulierungsbehörde mit dem Verhältnismäßigkeitsprinzip<br />
vereinbar ist, muss somit erstens ein berechtigtes, in § 1 Abs. 2 TKG 2003 (bzw.<br />
dessen europarechtlichen Grundlagen) normiertes Ziel vorliegen. Die Maßnahme, die zur<br />
Erreichung dieses Ziels eingesetzt wird, muss zweitens zur Zielerreichung notwendig sein.<br />
Sie darf aber drittens keine unzumutbare Belastung <strong>für</strong> das betroffene Unternehmen darstellen.<br />
Bei <strong>der</strong> ergriffenen Maßnahme soll es sich daher um das Minimum (siehe auch Rz 118<br />
<strong>der</strong> SMP-guidelines <strong>der</strong> EK) handeln, was zur Erreichung des in Frage stehenden Ziels erfor<strong>der</strong>lich<br />
ist (Stratil, TKG 2003, Rn 3 zu § 34 TKG 2003).<br />
Im Rahmen dieser Verhältnismäßigkeitsprüfung ist von <strong>der</strong> Regulierungsbehörde ferner <strong>der</strong><br />
in Art 17 Universaldienst-RL bzw. in § 43 Abs. 1 Z 1 TKG 2003 enthaltene Grundsatz <strong>der</strong><br />
Regulierung <strong>der</strong> Endkundenmärkte nur <strong>für</strong> den Fall, dass die Auferlegung von spezifischen<br />
Verpflichtungen nach §§ 38 bis 42 o<strong>der</strong> § 46 TKG 2003 (Vorleistungsverpflichtungen) nicht<br />
zur Erreichung <strong>der</strong> Regulierungsziele des § 1 Abs. 2 TKG 2003 führen würde, zu beachten.<br />
51<br />
<strong>Vorlesung</strong>smaterialien Seite 187
Bei <strong>der</strong> Auswahl <strong>der</strong> zur Verfügung stehenden Regulierungsinstrumente <strong>für</strong> den gegenständlichen<br />
Markt ist darauf abzustellen, ob die teilweise o<strong>der</strong> vollständige Auferlegung aller existierenden<br />
Vorleistungsregulierungsinstrumente dazu geeignet erscheint, die auf dem gegenständlichen<br />
Endkundenmarkt festgestellten Wettbewerbsprobleme zu adressieren (Primat<br />
<strong>der</strong> Vorleistungsregulierung, Art. 17 Universaldienstrichtlinie bzw. § 43 TKG 2003).<br />
Basierend auf den Zielen <strong>der</strong> Rahmenrichtlinie (Art. 8) und in Verbindung mit weiteren Bestimmungen<br />
in den relevanten Richtlinien (v.a. Art. 8 <strong>der</strong> Richtlinie 2002/19/EG des Europäischen<br />
Parlaments und des Rates vom 7.3.2002 über den Zugang zu <strong>elektronischen</strong> Kommunikationsnetzen<br />
und zugehörigen Einrichtungen sowie <strong>der</strong> Zusammenschaltung (Zugangsrichtlinie)<br />
sowie Art. 10 und 11 <strong>der</strong> Richtlinie 2002/20/EG des Europäischen Parlaments<br />
und des Rates vom 7.3.2002 über die Genehmigung elektronischer Kommunikationsnetze<br />
und –dienste (Genehmigungsrichtlinie) wurden von <strong>der</strong> European Regulators Group<br />
(ERG) in Zusammenarbeit mit den Diensten <strong>der</strong> Europäischen Kommission (GD Wettbewerb<br />
und GD Informationsgesellschaft) vier Prinzipien entwickelt, welche im Rahmen <strong>der</strong> europaweiten<br />
Harmonisierung <strong>der</strong> Regulierung elektronischer Kommunikationsmärkte zu berücksichtigen<br />
sind.<br />
Dieses – rechtlich unverbindliche - Dokument trägt den Titel “ERG Common Position on the<br />
approach to appropriate remedies in the new regulatory framework”, ist unter <strong>der</strong> Internet-<br />
Adresse http://www.erg.eu.int/doc/whatsnew/erg_0330rev1_remedies_common_position.pdf<br />
abrufbar, und wurde <strong>der</strong> TA zugestellt (ON 33).<br />
Die ERG wurde als beratendes Gremium <strong>der</strong> Europäischen Kommission durch den Beschluss<br />
202/627/EG <strong>der</strong> Europäischen Kommission vom 29. Juli 2002 (ABl L 200/38,<br />
30.07.2002) eingerichtet.<br />
Diese Prinzipien lassen sich wie folgt festhalten (ON 32, Beilage 1, S 57ff):<br />
7.1.1. Prinzip 1: Entscheidungen <strong>der</strong> nationalen Regulierungsbehörden sollen<br />
wohl begründet sein und in Einklang mit den Zielen und Verpflichtungen <strong>der</strong> Richtlinien<br />
stehen<br />
Die Entscheidung <strong>der</strong> Regulierungsbehörde soll transparent und ausreichend begründet<br />
sein. Durch Kooperation <strong>der</strong> nationalen Regulierungsbehörden untereinan<strong>der</strong> und mit <strong>der</strong><br />
Europäischen Kommission soll eine konsistente Regulierungspraxis innerhalb <strong>der</strong> EU sichergestellt<br />
werden.<br />
Die ausgewählten Regulierungsinstrumente müssen <strong>der</strong> Natur des Wettbewerbsproblems<br />
entsprechen. Das Aufzeigen von Wettbewerbsproblemen und den ihnen zugrundeliegenden<br />
Ursachen erfolgt in <strong>der</strong> Marktanalyse.<br />
Ein weiteres grundlegendes Prinzip ist das <strong>der</strong> Verhältnismäßigkeit. Die gewählte Verpflichtung<br />
muss demnach geeignet und notwendig sein sowie das gelindeste Mittel darstellen.<br />
Wird auf einem nach § 36 TKG 2003 definierten relevanten Markt eine SMP-Stellung festgestellt,<br />
gilt die Vermutung, dass die Anwendung von Regulierungsinstrumenten grundsätzlich<br />
wohlfahrtserhöhend wirkt. Dennoch muss, falls mehrere Regulierungsinstrumente (bzw.<br />
Kombinationen von Regulierungsinstrumenten) geeignet sind, jenes gewählt werden, welches<br />
– eine gleichwertige Zielerreichung vorausgesetzt – die geringste Belastung <strong>für</strong> das/die<br />
betroffene/n Unternehmen darstellt. Der Vergleich zwischen verschiedenen Regulierungsinstrumenten<br />
wird üblicherweise auf einer qualitativen Analyse beruhen, unterstützend können<br />
gegebenenfalls auch quantitative Analysen verwendet werden.<br />
Da bestimmte Regulierungsinstrumente erst im Laufe <strong>der</strong> Zeit ihre Wirksamkeit entfalten,<br />
kann es erfor<strong>der</strong>lich sein, in <strong>der</strong> Zwischenzeit an<strong>der</strong>e/zusätzliche Regulierungsinstrumente<br />
anzuwenden, um langfristig die Zielerreichung sicherzustellen.<br />
52<br />
<strong>Vorlesung</strong>smaterialien Seite 188
Werden mehrere Regulierungsinstrumente gleichzeitig auferlegt, so ist gegebenenfalls auch<br />
die Interaktion zwischen ihnen zu betrachten. Weiters sind auch die Rückwirkungen auf an<strong>der</strong>e<br />
Märkte und dort vorliegende Regulierungsmaßnahmen zu beachten.<br />
Bei <strong>der</strong> konkreten Gestaltung <strong>der</strong> Regulierungsinstrumente ist schließlich auf Ausgewogenheit<br />
zwischen Generalität und Spezifität zu achten. Während detaillierte Verpflichtungen ein<br />
höheres Maß an Rechtssicherheit schaffen, sind sie gleichzeitig unflexibel und laufen Gefahr,<br />
häufig überarbeitet bzw. angepasst werden zu müssen. Allgemeine Verpflichtungen<br />
sind zwar flexibler, schaffen jedoch Unsicherheiten bezüglich ihrer Auslegung und müssen<br />
oft im Nachhinein konkretisiert werden.<br />
7.1.2. Prinzip 2: Wo die Infrastruktur des marktbeherrschenden Unternehmens<br />
nicht repliziert werden kann, muss die Ausübung von Markmacht gegenüber den Konsumenten<br />
verhin<strong>der</strong>t werden<br />
Während in Prinzip 1 allgemeine Grundlagen <strong>für</strong> die Anwendung von Regulierungsinstrumenten<br />
dargelegt sind, beschäftigt sich Prinzip 2 mit einer Situation, in <strong>der</strong> das SMP-<br />
Unternehmen über <strong>für</strong> die Erbringung bestimmter Leistungen notwendige Infrastruktur verfügt,<br />
von <strong>der</strong> nicht angenommen werden kann, dass sie innerhalb eines angemessenen Zeitraums<br />
von an<strong>der</strong>en Unternehmen repliziert werden kann. Infrastruktur wird dann als replizierbar<br />
bezeichnet, wenn die Errichtung alternativer Infrastruktur(en) technisch möglich und<br />
ökonomisch sinnvoll ist sowie innerhalb eines angemessenen Zeitraumes erfolgen kann.<br />
Eine solche Burteilung kann allerdings vielfach nur im Einzellfall vorgenommen werden. In<br />
solchen Fällen müssen nationale Regulierungsbehörden die Ausübung von Marktmacht gegenüber<br />
den Konsumenten verhin<strong>der</strong>n.<br />
Dies kann insbeson<strong>der</strong>e dadurch erreicht werden, dass Zugang zur nichtersetzbaren Infrastruktur<br />
des SMP-Unternehmens <strong>für</strong> alternative Betreiber sichergestellt wird. Auf diese Art<br />
kann Markteintritt und Wettbewerb auf den nachgelagerten Wertschöpfungsstufen geför<strong>der</strong>t<br />
und die Ausübung von Marktmacht verhin<strong>der</strong>t werden. Gleichzeitig muss bei <strong>der</strong> Festlegung<br />
eines adäquaten Zugangspreises auch sichergestellt werden, dass das SMP-Unternehmen<br />
ausreichend Anreize hat, die bestehende Infrastruktur zu erhalten und zu verbessern.<br />
Ist Zugang zu den betreffenden Vorleistungsprodukten sichergestellt, muss weiters darauf<br />
geachtet werden, dass das SMP-Unternehmen nicht den Wettbewerb auf den nachgelagerten<br />
Märkten verzerrt o<strong>der</strong> verhin<strong>der</strong>t. Dies könnte z.B. durch Preisdiskriminierung auf <strong>der</strong><br />
Vorleistungsebene (welche zu einem margin-squeeze führen kann), Qualitätsdiskriminierung<br />
o<strong>der</strong> Verzögerungstaktiken geschehen, was jeweils durch die Anwendung geeigneter Regulierungsinstrumente<br />
zu verhin<strong>der</strong>n ist.<br />
Der Zugang zu Vorleistungsprodukten kann mittels § 41 TKG 2003 sichergestellt werden.<br />
Wird eine Zugangsverpflichtung auferlegt, wird es im Gefolge meist auch notwendig sein,<br />
einen adäquaten Preis <strong>für</strong> das Zugangsprodukt basierend auf § 42 TKG 2003 festzulegen.<br />
Insbeson<strong>der</strong>e um die Aktivitäten <strong>der</strong> Vorleistungsebene von jenen <strong>der</strong> Endkundenebene<br />
trennen zu können, kann unterstützend die Verpflichtung zur getrennten Buchführung (§ 40<br />
TKG 2003) zur Anwendung kommen. Um verschiedene Arten <strong>der</strong> Diskriminierung zwischen<br />
dem eigenen Unternehmen und den an<strong>der</strong>en Unternehmen, die am Endkundenmarkt mit<br />
dem SMP-Unternehmen in Wettbewerb stehen, zu verhin<strong>der</strong>n, kann § 38 TKG 2003 (Gleichbehandlungsverpflichtung)<br />
angewandt werden, <strong>der</strong> auch die Veröffentlichung eines Standardangebots<br />
beinhaltet. Falls – z.B. aufgrund von Wechselkosten – erwartet werden kann,<br />
dass sich Wettbewerber auf <strong>der</strong> Endkundenebene nur langsam etablieren können, können in<br />
<strong>der</strong> Übergangsperiode Verpflichtungen nach § 43 TKG 2003 (Regulierungsmaßnahmen in<br />
Bezug auf Dienste <strong>für</strong> Endnutzer) erfor<strong>der</strong>lich sein, um eine Ausübung von Marktmacht gegenüber<br />
den Konsumenten zu verhin<strong>der</strong>n.<br />
53<br />
<strong>Vorlesung</strong>smaterialien Seite 189
7.1.3. Prinzip 3: Wo die Infrastruktur des marktbeherrschenden Unternehmens<br />
ersetzbar ist, soll durch den Einsatz von Regulierungsinstrumenten <strong>der</strong> Übergang zu<br />
nachhaltigem, infrastrukturbasiertem Wettbewerb geför<strong>der</strong>t werden<br />
Prinzip 3 beschäftigt sich mit Situationen, in denen das SMP-Unternehmen zwar (weitgehend)<br />
alleine über <strong>für</strong> die Erbringung einer bestimmten Leistung notwendige Infrastruktur verfügt, jedoch<br />
angenommen werden kann, dass diese Infrastruktur von an<strong>der</strong>en Unternehmen innerhalb<br />
eines angemessenen Zeitraums repliziert werden kann. In solchen Fällen soll durch die Anwendung<br />
von Regulierungsinstrumenten <strong>der</strong> Übergang zu nachhaltigem, infrastrukturbasiertem Wettbewerb<br />
geför<strong>der</strong>t werden.<br />
Die Investitionsanreize <strong>der</strong> alternativen Betreiber können vor allem durch die Gestaltung <strong>der</strong> Zugangsprodukte<br />
(§ 41 TKG 2003) und <strong>der</strong> Zugangspreise (§ 42 TKG 2003) beeinflusst werden.<br />
Da sich neue Unternehmen üblicherweise erst allmählich am Markt etablieren können und<br />
sich zu Beginn höheren Kapitalkosten gegenübersehen, kann es angebracht sein, Zugang<br />
auf verschiedenen Ebenen <strong>der</strong> Netzwerkhierarchie zu ermöglichen, um neu in den Markt<br />
eintretenden Unternehmen die Möglichkeit zu geben, ihre Investitionen stufenweise vorzunehmen.<br />
Hat ein alternativer Betreiber einmal eine kritische Masse erreicht und ist es ihm<br />
möglich, die Vorleistung effizienter als das SMP-Unternehmen herzustellen, so kann angenommen<br />
werden, dass er weitere Netzwerkinvestitionen tätigen wird.<br />
Zusätzliche regulatorische Investitionsanreize <strong>für</strong> alternative Betreiber könnten z.B. durch<br />
dynamische (zu Beginn niedrige und im Zeitverlauf steigende) Zugangspreise und/o<strong>der</strong><br />
durch eine zeitlich limitierte Verfügbarkeit bestimmter Zugangsprodukte geschaffen werden.<br />
Allerdings besteht hier das Risiko, dass entwe<strong>der</strong> ineffiziente Investitionen getätigt werden,<br />
o<strong>der</strong> aber alternative Betreiber aus dem Markt ausscheiden, falls die entsprechende Infrastruktur<br />
des SMP-Unternehmens nicht wirtschaftlich replizierbar ist. Diese Möglichkeit ist<br />
gegen das Risiko abzuwägen, dass die Replizierung <strong>der</strong> Infrastruktur unterbleibt, obwohl sie<br />
gesamtwirtschaftlich wünschenswert wäre.<br />
Besteht große Unsicherheit über das Ausmaß <strong>der</strong> Ersetzbarkeit, ist ein „neutraler“ Ansatz zu<br />
bevorzugen, bei dem zwei o<strong>der</strong> mehrere Zugangsprodukte zu kostenorientierten Preisen<br />
verfügbar sind.<br />
Sind mehrere Zugangsprodukte gleichzeitig verfügbar, so ist insbeson<strong>der</strong>e auf die Konsistenz<br />
<strong>der</strong> Zugangspreise zu achten. Weiters muss sichergestellt sein, dass <strong>der</strong> Wechsel von<br />
einem Zugangsprodukt zum nächsten reibungslos (v.a. auch was die Wahrnehmung des<br />
Endkunden betrifft) möglich ist.<br />
7.1.4. Prinzip 4: Regulierungsinstrumente sollen so gestaltet sein, dass sie anreizkompatibel<br />
sind, d.h. <strong>der</strong> Anreiz zur Einhaltung soll größer sein, als <strong>der</strong> Anreiz zur<br />
Umgehung<br />
Stehen mehrere effektive Regulierungsoptionen zur Auswahl, so ist darauf zu achten, dass<br />
jene zur Anwendung kommt, die am ehesten anreizkompatibel ist. Sind Regulierungsinstrumente<br />
nicht anreizkompatibel, so kann dies in weiterer Folge den Bedarf an wie<strong>der</strong>holter<br />
Intervention o<strong>der</strong> zusätzlicher Regulierung induzieren. Regulierungsinstrumente sind daher<br />
so zu gestalten, dass <strong>der</strong> Nachteil bei Umgehung so groß ist, dass es optimal ist, die Regulierung<br />
einzuhalten.<br />
7.2. Zur Auswahl <strong>der</strong> Regulierungsinstrumente im Konkreten<br />
Basierend auf den aufgezeigten Zweck- und Zielbestimmungen des nationalen wie auch des<br />
europäischen Rechtsrahmens <strong>für</strong> elektronische Kommunikationsdienste und –netze sowie<br />
den vier Prinzipien des ERG-Dokuments soll im Weiteren die konkrete Begründung betref-<br />
54<br />
<strong>Vorlesung</strong>smaterialien Seite 190
fend die Auswahl und Anwendung geeigneter Regulierungsinstrumente <strong>für</strong> den gegenständlichen<br />
Markt erfolgen.<br />
Das Regulierungsinstrumente-Gutachten (ON 32) folgt bei <strong>der</strong> Festlegung <strong>der</strong> aufzuerlegenden<br />
Regulierungsinstrumente den im erwähnten ERG-Dokument ausgearbeiteten Prinzipien.<br />
Die auferlegten Regulierungsinstrumente (ex ante Entgeltkontrolle sowie getrennte Buchführung)<br />
gelten <strong>für</strong> alle Auslandsgesprächsverbindungen, die gemäß <strong>der</strong> Marktdefinition in <strong>der</strong><br />
TKMVO 2003 vom gegenständlichen Verbindungsmarkt umfasst und von TA angeboten<br />
werden.<br />
Weitere Regulierungsinstrumente, die geeignet sind, die festgestellten Wettbewerbsprobleme<br />
zu entschärfen, existieren nicht (ON 32). Neue Produkte, die erst entwickelt werden, aber<br />
auch in diesen Markt fallen würden, sind ebenso von den Verpflichtungen umfasst, da sich<br />
an <strong>der</strong> geschil<strong>der</strong>ten wettbewerblichen Ausgangslage auch bei neuen „Verbindungsmarkt-<br />
Produkten“ in wettbewerblicher Hinsicht nichts än<strong>der</strong>n würde.<br />
Bei den vorliegenden Instrumenten handelt es sich um komplementäre und nicht alternative<br />
Instrumente. Jedes <strong>für</strong> sich dient <strong>der</strong> Begegnung bestimmter Teilprobleme im Zusammenhang<br />
mit den identifizierten Wettbewerbsproblemen. Nur beim Einsatz aller Instrumente ist<br />
sichergestellt, dass den Auswirkungen <strong>der</strong> identifizierten Wettbewerbsprobleme tatsächlich<br />
begegnet werden kann.<br />
7.2.1. Entgeltkontrolle<br />
Gemäß § 43 TKG 2003 kann die Regulierungsbehörde Unternehmen mit beträchtlicher<br />
Marktmacht Maßnahmen zur Regulierung <strong>der</strong> Endkundenmärkte auferlegen. § 43 TKG 2003<br />
setzt den Artikel 17 <strong>der</strong> Universaldienstrichtlinie um. Demzufolge kommt in § 43 TKG 2003<br />
<strong>der</strong> Grundsatz des Vorranges <strong>der</strong> Regulierung auf Vorleistungsebene zum Ausdruck.<br />
Eine Regulierung von Diensten <strong>für</strong> Endnutzer setzt voraus, dass auf dem relevanten Endnutzermarkt<br />
kein effektiver Wettbewerb herrscht und spezifische Verpflichtungen nach §§ 38 bis<br />
42 o<strong>der</strong> § 46 TKG 2003 nicht zur Erreichung <strong>der</strong> in § 1 Abs. 2 TKG 2003 vorgegebenen Ziele<br />
führen würden.<br />
Nur wenn daher die Regulierungsbehörde gemäß § 43 Abs. 1 Z 1 TKG 2003 festgestellt hat,<br />
dass das betreffende Unternehmen auf dem gegenständlichen Markt über beträchtliche<br />
Marktmacht verfügt und gemäß Z 2 leg cit spezifische Verpflichtungen nach §§ 38 bis 42<br />
o<strong>der</strong> § 46 nicht zur Erreichung <strong>der</strong> in § 1 Abs. 2 TKG 2003 vorgegebenen Regulierungsziele<br />
führen würden, sind auf Endkundenmarktebene ex ante Regulierungsinstrumente aufzuerlegen.<br />
Das Fehlen effektiven Wettbewerbs wurde bereits unter Pkt. 6 <strong>der</strong> rechtlichen Beurteilung<br />
festgehalten. Dass die Regulierungsziele des § 1 Abs. 2 TKG 2003 durch eine Auferlegung<br />
spezifischer (Vorleistungs-)Verpflichtungen nicht erreicht werden können, ergibt sich aus Pkt.<br />
B 3.2 <strong>der</strong> Feststellungen, wonach die Wettbewerbsprobleme <strong>der</strong> Kampfpreise (bzw. von<br />
Margin Squeeze), antikompetitiver Preise sowie die Bündelung von Produkten demnach aus<br />
gegenwärtiger Sicht nicht mit den Vorleistungsinstrumenten des TKG 2003 behebbar o<strong>der</strong> zu<br />
mil<strong>der</strong>n sind. Daher ist eine Auferlegung von Regulierungsmaßnahmen auch auf <strong>der</strong> Endkundenebene<br />
erfor<strong>der</strong>lich.<br />
§ 43 Abs. 1 TKG 2003 stellt darauf ab, ob „auf dem relevanten Endkundenmarkt kein Wettbewerb<br />
herrscht“. Dieser Wortlaut ist nach Ansicht <strong>der</strong> Telekom-Control-Kommission dahingehend<br />
zu interpretieren, dass auf dem betreffenden Endkundenmarkt kein effektiver Wettbewerb<br />
iSv § 37 Abs. 2 TKG 2003 herrscht. Dieses Auslegungsergebnis wird auch durch<br />
den Verweis des Art. 17 Abs. 1 lit a <strong>der</strong> Universaldienstrichtlinie gestützt, <strong>der</strong> auf das Nichtvorliegen<br />
von wirksamem Wettbewerb iSv Art. 16 <strong>der</strong> Rahmenrichtlinie abstellt.<br />
55<br />
<strong>Vorlesung</strong>smaterialien Seite 191
Es ist daher von <strong>der</strong> Regulierungsbehörde eine Prognoseentscheidung über die Effekte einer<br />
Regulierung auf Vorleistungsebene auf die nachgelagerten Verbindungsmärkte zu treffen.<br />
Dies ergibt sich nach Ansicht <strong>der</strong> Telekom-Control-Kommission aus <strong>der</strong> Verwendung des<br />
Konjunktivs sowohl in Art. 17 Abs. 1 lit. b Universaldienstrichtlinie als auch in § 43 Abs. 1 Z 2<br />
TKG 2003. In beiden Normen ist darauf abzustellen, „ob die Regulierung auf Vorleistungsebene<br />
[…] nicht zur Erreichung […] <strong>der</strong> Regulierungsziele führen würde“.<br />
Die Verpflichtung zur Verbindungsnetzbetreiber(vor)auswahl stellt von ihrer Intention her<br />
sicher, dass Wettbewerber <strong>der</strong> TA, die über keinen direkten Zugang zum Teilnehmer verfügen,<br />
diesem gleichwohl im Wettbewerb mit <strong>der</strong> integrierten Telekom Austria Dienste anbieten<br />
können. Diese Verpflichtung bezieht sich auf Verbindungsleistungen und ist nach Ansicht<br />
<strong>der</strong> Telekom-Control-Kommission nicht geeignet, wettbewerblichen Defiziten im Anschlussbereich<br />
zu begegnen. Hinsichtlich <strong>der</strong> Verpflichtung zum Wie<strong>der</strong>verkauf <strong>der</strong> Teilnehmeranschlussleistung<br />
wird durch diese zwar eine Möglichkeit geschaffen, auf den komplementären<br />
Zugangsmärkten in preislicher Hinsicht mit Telekom Austria in Konkurrenz zu treten, sie<br />
kann aber nur in Teilbereichen (und auch da erst nach Annahme am Markt) wettbewerbliche<br />
Parität sicherstellen, wobei sich bestehende Wettbewerbsdefizite auch auf dem gegenständlichen<br />
Verbindungsmarkt auswirken. Trotz Bestehen <strong>der</strong> Verbindungsnetzbetreiber(vor)auswahl<br />
besteht auf dem gegenständlichen Markt das Wettbewerbsproblem <strong>der</strong> exzessiven<br />
Preise bei selektiver Rabattgewährung in Verbindung mit dem Weiterbestand von<br />
Markteintrittsbarrieren weiter. Nach Ansicht <strong>der</strong> Telekom-Control-Kommission besteht <strong>für</strong><br />
Telekom Austria gegebenenfalls die Möglichkeit, einzelne Anschlussprodukte und Verbindungsprodukte<br />
in einer Weise zu bündeln, sodass eine Replizierbarkeit seitens an<strong>der</strong>er Anbieter<br />
auf Basis <strong>der</strong> bestehenden Vorleistungsprodukte nicht möglich ist.<br />
Aus den genannten Gründen sind die auf dem komplementären Zugangsmarkt auferlegten<br />
Verpflichtungen zur Verbindungsnetzbetreiber(vor)auswahl und zum Wie<strong>der</strong>verkauf <strong>der</strong> Teilnehmeranschlussleistung<br />
nicht alleine zur effektiven Begegnung <strong>der</strong> festgestellten Wettbewerbsprobleme<br />
geeignet.<br />
Da die vorgesehenen Regulierungsinstrumente auf <strong>der</strong> Vorleistungsebene sohin aus den<br />
genannten Gründen nicht zur effektiven Begegnung <strong>der</strong> festgestellten Wettbewerbsprobleme<br />
ausreichen würden, sind nach Ansicht <strong>der</strong> Telekom-Control-Kommission beide Voraussetzungen<br />
<strong>der</strong> Anwendung des § 43 TKG 2003 gegeben. Nach Ansicht <strong>der</strong> Telekom-Control-<br />
Kommission sind daher die diesbezüglichen Einwände <strong>der</strong> TA, denen zufolge sich aus Art.<br />
17 Abs. 1 lit. b Universaldienstrichtlinie bzw. § 43 Abs. 1 TKG 2003 zwingend ergäbe, dass<br />
zuerst auf <strong>der</strong> Vorleistungsebene Regulierungsinstrumente auferlegt werden, sowie anschließend<br />
erst nach Beobachtung <strong>der</strong> Auswirkungen dieser Vorleistungsregulierung allenfalls<br />
Regulierungsinstrumente auf <strong>der</strong> Endkundenebenen auferlegt werden dürften, als nicht<br />
stichhaltig anzusehen.<br />
Sowohl <strong>der</strong> Wortlaut <strong>der</strong> europarechtlichen Bestimmung als auch des § 43 Abs. 1 TKG 2003<br />
stellen durch die Verwendung des Konjunktivs [… nicht … zur Erreichung <strong>der</strong> … vorgegebenen<br />
Ziele … führen würden…] nach Ansicht <strong>der</strong> Telekom-Control-Kommission eindeutig auf<br />
eine von <strong>der</strong> Regulierungsbehörde zu treffende Prognoseentscheidung ab. Das Fällen von<br />
Prognoseentscheidungen liegt geradezu im Wesen einer ex ante Regulierung. Nach Ansicht<br />
<strong>der</strong> Telekom-Control-Kommission stellt die im gegenständlichen Verfahren gewählte Vorgangsweise<br />
<strong>der</strong> gleichzeitigen Analyse <strong>der</strong> allfälligen Wettbewerbsprobleme auf Vorleistungs-<br />
und auch auf Endkundenebene in einem Schritt keine Abkehr vom Prinzip des<br />
Primats <strong>der</strong> Regulierung <strong>der</strong> Vorleistungsmärkte dar.<br />
TA brachte, unter Hinweis auf ihre Anhörung am 6.9.2004, vor (ON 38, S 13), dass aus <strong>der</strong><br />
Verbindung <strong>der</strong> lit. a und lit. b des Absatzes 1 des Art. 17 Universaldienstrichtlinie mit dem<br />
Wort „und“ sich ergebe, dass beide Bedingungen dieser Absätze vorliegen müssten, und<br />
dass vor dem Auferlegen von Verpflichtungen auf einem Endkundenmarkt, sohin nach dem<br />
Abschluss <strong>der</strong> Marktanalyse <strong>der</strong> Vorleistungsmärkte, zu prüfen sei, ob auch ohne Vorleistungsregulierung<br />
effizienter Wettbewerb auf dem jeweiligen Endkundenmarkt herrsche. Ferner<br />
verweist TA auf den Erwägungsgrund 26 <strong>der</strong> Universaldienstrichtlinie, aus dem sich er-<br />
56<br />
<strong>Vorlesung</strong>smaterialien Seite 192
gebe, dass vor <strong>der</strong> Regulierung <strong>der</strong> Endkundenebene das Ausreichen <strong>der</strong> Regulierung <strong>der</strong><br />
Vorleistungsebene geprüft werden müsse.<br />
Die Telekom-Control-Kommission hält diesbezüglich fest, dass TA insofern beizupflichten ist,<br />
als § 43 Abs. 1 TKG 2003 tatsächlich zwei Tatbestandselemente (Bedingungen) enthält.<br />
Das Prinzip des Vorranges <strong>der</strong> Regulierung <strong>der</strong> Vorleistungsmärkte sagt allerdings nicht,<br />
dass die Wettbewerbsprobleme <strong>der</strong> beiden Wertschöpfungsstufen nicht in einem analysiert<br />
werden dürften. Ein solches Verständnis <strong>der</strong> einschlägigen Bestimmungen wäre nach Ansicht<br />
<strong>der</strong> Telekom-Control-Kommission nicht mit dem Wortlaut des Gesetzes in Einklang zu<br />
bringen. Ferner verweist die Telekom-Control-Kommission auf das Wesen einer Prognoseentscheidung,<br />
die es ja geradezu inhärent mit sich bringt, dass auf Grund <strong>der</strong> möglichen<br />
nachteiligen Auswirkungen auf den Wettbewerb einer Nicht-Regulierung <strong>der</strong> Endkundenmärkte<br />
eben ex ante Regulierungsinstrumente aufzuerlegen sind. Der Ansatz von TA würde<br />
im Ergebnis dazu führen, dass erst nach In-Kraft-Setzung <strong>der</strong> Regulierung <strong>der</strong> Vorleistungsmärkte,<br />
und einer darauffolgen<strong>der</strong> neuerlichen Marktanalyse Regulierungsinstrumente auf<br />
Endkundenmärkten auferlegt werden dürften. Eine solche „Mehrstufigkeit“ lässt sich § 43<br />
Abs. 1 TKG 2003 nicht entnehmen.<br />
Darüberhinaus ist das diesbezügliche Vorbringen <strong>der</strong> TA insofern nach Ansicht <strong>der</strong> Telekom-<br />
Control-Kommission nicht ausreichend spezifiziert, als nicht hinreichend dargetan wurde,<br />
was sich konkret durch die Untersuchung <strong>der</strong> Wettbewerbsprobleme auf den beiden Wertschöpfungsstufen<br />
durch zwei (hintereinan<strong>der</strong>) erstellte Gutachten geän<strong>der</strong>t hätte. Dem diesbezüglichen<br />
Vorbringen von TA war daher nicht Folge zu leisten.<br />
Es ist daher entgegen dem Vorbringen <strong>der</strong> TA nach Ansicht <strong>der</strong> Telekom-Control-<br />
Kommission gesetzlich nicht geboten, dass auf <strong>der</strong> Vorleistungsebene als geeignet festgestellte<br />
Regulierungsinstrumente zuerst angeordnet werden, sodann ihre Auswirkungen auf<br />
den nachgelagerten Endkundenmarkt untersucht werden und danach in einem weiteren<br />
Schritt auf den nachgelagerten Endkundenmärkten unter Umständen Regulierungsinstrumente<br />
auferlegt werden. Die Interpretation des § 43 Abs. 1 TKG 2003 im Sinne <strong>der</strong> Stellungnahme<br />
von TA (ON 30 und ON 38) findet nach Ansicht <strong>der</strong> Telekom-Control-Kommission<br />
bereits im Wortlaut des Gesetzes keine Deckung.<br />
Da gemäß den Gutachtern (ON 32) die Regulierungsinstrumente auf Vorleistungsebene<br />
nicht ausreichen, um den Wettbewerbsproblemen zu begegnen, ist die Genehmigung von<br />
Entgelten und Allgemeinen Geschäftsbedingungen sowie <strong>der</strong>en Än<strong>der</strong>ungen vorzusehen.<br />
Für das Wettbewerbsproblem <strong>der</strong> überhöhten Preise (bzw. selektiver Kampfpreise durch<br />
Rabatte) und <strong>der</strong> ungerechtfertigten Bündelung von Diensten sind die Bestimmungen des §<br />
43 Abs. 2 und 3 TKG 2003 einschlägig, da sie das Unternehmen verpflichten, solche Verhaltensweisen<br />
zu unterlassen. Damit wird den festgestellten Wettbewerbsproblemen gezielt<br />
begegnet und <strong>der</strong> beschriebene Marktmachtmissbrauch verhin<strong>der</strong>t.<br />
Im Konkreten kann dem Wettbewerbsproblem <strong>der</strong> überhöhten Preise nur mit kostenorientierten<br />
Preisen in Form einer ex-ante Entgeltgenehmigung effizient begegnet werden (ON 32).<br />
§ 45 TKG 2003 erwähnt auch die grundsätzliche Möglichkeit einer Price-Cap-Regulierung<br />
von Endkundenpreisen. Die Regulierung mit Price-Caps vermag den Wettbewerbsproblemen<br />
weniger bzw. nicht adäquat zu begegnen (ON 32, Kapitel 3.3.1.3.3). Die ex-ante Tarifgenehmigung<br />
<strong>für</strong> Än<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Tarife und des Tarifgefüges ist hingegen ein adäquates Mittel,<br />
um insbeson<strong>der</strong>e den Wettbewerbsproblemen überhöhter Preise und <strong>der</strong> Produktbündelung<br />
zu begegnen. Schließlich legt auch die gegebene horizontale Verflochtenheit <strong>der</strong> Zugangs-<br />
und Verbindungsmärkte eine gesamt- und einheitliche Untersuchungsmethodik und einen<br />
korrespondierenden einheitlichen Regulierungsansatz nahe.<br />
Ergänzend zu den Maßnahmen <strong>der</strong> Entgeltregulierung besteht weiters die Notwendigkeit<br />
einer getrennten Buchführung (nach § 40 TKG 2003), da diese die Basis <strong>für</strong> eine rasche<br />
Überprüfung <strong>der</strong> Entgelte schafft und auch Produktbündelung als (potentielles) Wettbe-<br />
57<br />
<strong>Vorlesung</strong>smaterialien Seite 193
werbsproblem identifiziert wurde. Da die Preiskontrolle nur die Produkte am relevanten Markt<br />
betrifft und dieser in <strong>der</strong> Regel nur einen kleinen Ausschnitt <strong>der</strong> Aktivitäten des integrierten<br />
Betreibers darstellt, ist eine getrennte Buchführung <strong>für</strong> das ganze Unternehmen notwendig.<br />
Neben <strong>der</strong> Hintanhaltung von überhöhten Preisen erfüllt die Verpflichtung, die Entgelte und<br />
Allgemeinen Geschäftsbedingungen sowie <strong>der</strong>en Än<strong>der</strong>ung zur Genehmigung vorzulegen,<br />
auch den Zweck, dass <strong>der</strong> Eintritt neuer Marktteilnehmer nicht (etwa durch Bündelung von<br />
Produkten) verhin<strong>der</strong>t wird.<br />
Da die Regulierungsinstrumente auf Vorleistungsebene innerhalb des relevanten Zeitraums<br />
von ca. zwei Jahren nicht alleine dazu beitragen können, den festgestellten Wettbewerbsproblemen<br />
zu begegnen, sind die genannten Regulierungsinstrumente auf dem gegenständlichen<br />
Verbindungsmarkt notwendig, geeignet sowie das gelindeste (weil einzig effektive)<br />
Mittel, um die Ziele <strong>der</strong> Regulierung, das sind <strong>der</strong> Schutz <strong>der</strong> Konsumenten vor dem Missbrauch<br />
von Marktmacht, die Verhin<strong>der</strong>ung von Marktmachtübertragung und die För<strong>der</strong>ung<br />
von Markteintritten und des Wettbewerbs, zu för<strong>der</strong>n.<br />
Die Auferlegung <strong>der</strong> Verpflichtung zur ex ante Entgeltkontrolle erscheint ferner auch vor dem<br />
Hintergrund <strong>der</strong> bereits aufgrund des ONP-Rechtsrahmens bestehenden Verpflichtung zur<br />
ex ante-Entgeltkontrolle und <strong>der</strong> getrennten Buchführung als verhältnismäßig. Die Feststellungen<br />
des Marktanalyse-Gutachtens (ON 25) in Bezug auf das Vorliegen von effektivem<br />
Wettbewerb zeigen, dass das mittlerweile erreichte Wettbewerbsniveau auf dem gegenständlichen<br />
Verbindungsmarkt nach wie vor von <strong>der</strong> infrastrukturbasierten Abhängigkeit <strong>der</strong><br />
meisten alternativen Anbieter vom Zugang zur Infrastruktur <strong>der</strong> TA geprägt ist.<br />
Zur Tarifregulierung im Konkreten:<br />
Da die Regulierungsinstrumente auf Vorleistungsebene sowie die Verpflichtung zur Verbindungsnetzbetreiber(vor)auswahl<br />
und zum Wie<strong>der</strong>verkauf <strong>der</strong> Teilnehmeranschlussleistung<br />
im hier relevanten Zeitraum von etwa zwei Jahren aus den angeführten Gründen nicht ausreichen,<br />
um den festgestellten Wettbewerbsproblemen zu begegnen, ist im Hinblick auf die<br />
Kostenorientierung <strong>der</strong> Endkundenentgelte eine Verpflichtung zur Genehmigung von Entgelten<br />
und Allgemeinen Geschäftsbedingungen sowie <strong>der</strong>en Än<strong>der</strong>ungen gemäß den Bestimmungen<br />
des § 43 Abs. 2 und 3 TKG 2003 aufzuerlegen. Es ist darauf hinzuweisen, dass auf<br />
Grund <strong>der</strong> Komplementarität <strong>der</strong> beiden Regulierungsinstrumente in dem Ausmaß, indem<br />
<strong>der</strong> Wie<strong>der</strong>verkauf <strong>der</strong> Teilnehmeranschlussleistung (bzw. die Entbündelung) vom Markt<br />
angenommen wird, diesem Umstand im Rahmen <strong>der</strong> jeweils anzuwendenden ex ante-<br />
Entgeltkontrolle Rechnung zu tragen sein wird. In Bezug auf die mit Bescheiden zu M 1/03<br />
und M 2/03 auf den horizontal benachbarten Zugangsmärkte ebenfalls auferlegte Verpflichtung,<br />
den Wie<strong>der</strong>verkauf <strong>der</strong> Teilnehmeranschlussleistung (Resale) anzubieten, ist die Telekom-Control-Kommission<br />
<strong>der</strong> Auffassung, dass dem Wettbewerbsproblem <strong>der</strong> überhöhten<br />
Preise gegenwärtig nur mit kostenorientierten Preisen in Form einer ex ante Entgeltgenehmigung<br />
effizient begegnet werden kann.<br />
Auf Grund <strong>der</strong> horizontalen Verflochtenheit von Zugangs- und Verbindungsmärkten ergibt<br />
sich im Rahmen <strong>der</strong> Auferlegung <strong>der</strong> Verpflichtung zur ex ante Entgeltkontrolle die Notwendigkeit<br />
<strong>der</strong> Berücksichtigung <strong>der</strong> durch die Bündelung von Zugangs- und Verbindungsentgelten<br />
möglichen horizontalen Marktmachtübertragung (ON 32).<br />
Hinsichtlich des Umfangs <strong>der</strong> ex ante Entgeltverpflichtung erscheinen daher die nachfolgend<br />
zusammengefassten Leistungen als jene Leistungen des gegenständlichen Marktes, <strong>der</strong>en<br />
vorherige Entgeltkontrolle notwendig erscheint, um die beschriebenen Wettbewerbsprobleme<br />
<strong>der</strong> horizontalen Marktmachtübertragung und <strong>der</strong> exzessiven Preise zu bekämpfen:<br />
Von <strong>der</strong> Kostenorientierung sind umfasst:<br />
a) Tarife <strong>für</strong> Gespräche zu allen Auslandszonen und zu ausländischen Mobil-<br />
58<br />
<strong>Vorlesung</strong>smaterialien Seite 194
netzen,<br />
b) Tarife <strong>für</strong> Gespräche innerhalb VPNs, sofern die Kommunikation über Netzabschluss-<br />
punkte des öffentlichen Telefonnetzes erfolgt,<br />
c) Verbindungsnetzbetrieb durch Telekom Austria AG („Dial 1001“) betreffend die genann-<br />
ten Verbindungsprodukte gemäß a) – b) sowie<br />
d) Rabatte betreffend a) - c).<br />
Die Regulierungsbehörde kann gemäß § 45 Abs. 5 TKG 2003 beantragte Entgelte unter Auflagen<br />
o<strong>der</strong> Bedingungen befristet genehmigen. Die Notwendigkeit <strong>der</strong> Vorabgenehmigung<br />
<strong>der</strong> Entgelte von TA mit Ausnahme von (Werbe-)Aktionsangeboten bis zu dreimonatiger<br />
Laufzeit ergibt sich insbeson<strong>der</strong>e aus <strong>der</strong> Möglichkeit <strong>für</strong> TA, durch entsprechende Tarife auf<br />
<strong>der</strong> Endkundenebene zum Nachteil ihrer Endkunden überhöhte Preise zur Anwendung zur<br />
bringen. In Bezug auf die angeordnete Notwendigkeit <strong>der</strong> Vorabgenehmigung von Aktionsangeboten<br />
mit mehr als dreimonatiger Laufzeit hat die Telekom-Control-Kommission in Fortführung<br />
<strong>der</strong> bestehenden Spruchpraxis erwogen, dass angesichts des festgestellten Wettbewerbsproblems<br />
<strong>der</strong> möglichen Herbeiführung einer Preis-Kosten-Schere auf dem gegenständlichen<br />
Verbindungsmarkt die Auferlegung dieser Verpflichtung gemäß § 43 Abs. 2 Z 3<br />
TKG 2003 als angemessen und notwendig erscheint, da es ansonsten durch unmittelbar<br />
aufeinan<strong>der</strong> folgende Aktionsangebote mit einer Gesamtdauer von mehr als drei Monaten zu<br />
einer Umgehung <strong>der</strong> ex ante Tarifgenehmigungspflicht als solcher kommen kann.<br />
Integraler Bestandteil solcher Verfahren soll dabei im Bedarfsfall die Analyse von Auswirkungen<br />
geplanter Tarifän<strong>der</strong>ungen auf die Wettbewerbsfähigkeit <strong>der</strong> alternativen Netzbetreiber<br />
sein. Damit soll im Vorfeld, soweit regulatorisch möglich, die Gefahr selektiver Kampfpreise<br />
durch Rabattgewährung verhin<strong>der</strong>t werden.<br />
§ 45 TKG 2003 erwähnt unter an<strong>der</strong>em die grundsätzliche Möglichkeit einer Price-Cap-<br />
Regulierung von Endkundenpreisen. Dass diese den oben genannten Wettbewerbsproblemen<br />
jedoch nicht adäquat begegnet, geht aus <strong>der</strong> Konstruktion und Intention von Price-Caps<br />
hervor, die primär darauf ausgerichtet sind, Effizienzverbesserungen an Nachfrager weiterzugeben.<br />
Ineffizienzen sind jedoch in späteren Liberalisierungsphasen nicht das Hauptproblem,<br />
vielmehr muss – wie angeführt – mit <strong>der</strong> Übertragung von Marktmacht in wettbewerbsintensivere<br />
Verbindungsmärkte gerechnet werden. Allein schon die beschriebene horizontale<br />
Verflochtenheit von Zugangs- und Verbindungsmärkten zieht hier aber die Notwendigkeit<br />
einer gesamt- und einheitlichen Untersuchungsmethodik und eines korrespondierenden Regulierungsansatzes<br />
nach sich. Hinsichtlich exzessiver Preise ist das Prinzip <strong>der</strong> Kostenorientierung<br />
<strong>der</strong> Entgelte als ebenso effektiv anzusehen wie eine Price-cap-Regulierung. Insgesamt<br />
würden die freilich auch bei einer kostenorientierten Entgeltkontrolle vorhandenen Umsetzungsprobleme<br />
aber nur um die spezifischen Probleme im Rahmen <strong>der</strong> Implementierung<br />
von Price-Caps vermehrt werden.<br />
Der Kostenrechnungsstandard <strong>für</strong> die zur Genehmigung vorzulegenden Tarife hat sich gemäß<br />
<strong>der</strong> bisherigen Spruchpraxis am Konzept <strong>der</strong> „Prognosekosten“ – Kosten, die dem Anbieter<br />
durch den Aufbau, den Betrieb und die Wartung des Dienstes sowie durch dessen<br />
Vermarktung und Abrechnung direkt entstehen und die auch den dem Dienst zuordenbaren<br />
indirekten Kosten Rechnung tragen – zu orientieren. Prognosekosten sind voraussichtlich<br />
anfallende zukünftige Istkosten. Die Prognosekosten sind unter Bedachtnahme auf die<br />
Istkosten abgelaufener Zeiträume und die voraussichtliche Entwicklung zu ermitteln.<br />
Zum Verhältnis dieses Regulierungsinstruments zur getrennten Buchführung wird auf die<br />
Ausführungen zu Punkt 7.2.2 dieser Anordnung verwiesen.<br />
59<br />
<strong>Vorlesung</strong>smaterialien Seite 195
In Bezug auf die Konkretisierung <strong>der</strong> anzuwendenden Kostenrechnungsmethode wird daher<br />
auf die in ON 32 (Annex 5) enthaltene „Tarifmatrix“ bzw. die Ausführungen des Punktes 3.1.1<br />
dieser Anordnung verwiesen.<br />
Basierend auf dieser Matrix ergeben sich auch zukünftig folgende – kumulativ zu erfüllende –<br />
Kriterien:<br />
Kriterium 1: Jede von TA angebotene Tarifzone muss, nach Berücksichtigung von Rabatten<br />
und an<strong>der</strong>en Vergünstigungen (z.B. Werbeaktionen), über alle Tarifoptionen hinweg kostendeckend<br />
sein.<br />
Kriterium 2: Je Tarifoption müssen die Tarifzonen in Summe, nach Berücksichtigung von<br />
Rabatten und an<strong>der</strong>en Vergünstigungen, kostendeckend sein.<br />
Kriterium 3: Die Entgelte <strong>für</strong> einzelne Tarifzonen innerhalb einzelner Tarifoptionen sowie die<br />
Entgelte <strong>für</strong> Grundentgelte einzelner Tarifoptionen müssen sich hinsichtlich ihrer Untergrenze<br />
an den Vorleistungskosten <strong>für</strong> das entsprechende Produkt orientieren.<br />
Im Hinblick auf die angeordnete ex ante Endkundentarifgenehmigungspflicht <strong>für</strong> Aktionsangebote<br />
mit einer Dauer bis zu drei Monaten führt die Telekom-Control-Kommission aus, dass<br />
es das Kriterium <strong>der</strong> Kostenorientierung mit sich bringt, dass auch die aus Aktionsangeboten<br />
resultierende Erlösschmälerung bei <strong>der</strong> ex ante Tarifgenehmigung mitzuberücksichtigen ist.<br />
Das Ausmaß <strong>der</strong> auf Grund vorgesehener Aktionsangebote geschätzten Erlösschmälerung<br />
ist daher Bestandteil <strong>der</strong> ex ante Tarifgenehmigung. Die TKK geht davon aus, dass aufeinan<strong>der</strong><br />
folgende Aktionsangebote mit einer Gesamtdauer von mehr als 3 Monaten eine Än<strong>der</strong>ung<br />
des Tarifgefüges darstellen und daher eine Umgehung <strong>der</strong> ex-ante Tarifgenehmigungspflicht<br />
darstellen würden. Dementsprechend würde eine Kette von Aktionen, bei <strong>der</strong> <strong>der</strong> verbundene<br />
Zeitraum die Dauer von 3 Monaten überschreitet als einer Tarifgenehmigungsverpflichtung<br />
unterliegend angesehen.<br />
Im Hinblick auf die angeordnete ex ante Endkundentarifgenehmigungspflicht von VPNs (Virtuelle<br />
private Netze) hat die Telekom-Control-Kommission erwogen, dass die Verwendung<br />
des öffentlichen Netzes von TA bei <strong>der</strong> Bewerkstelligung eines VPNs, sofern die Kommunikation<br />
über Netzabschlusspunkte des öffentlichen Telefonnetzes bzw. (Points of Interconnection)<br />
erfolgt, im Hinblick auf die beschriebenen Wettbewerbsprobleme (Abhängigkeit von Vorleistungsprodukten)<br />
die Auferlegung <strong>der</strong> ex ante-Entgeltkontrolle rechtfertigt, um den Wettbewerbsproblemen<br />
effektiv zu begegnen.<br />
7.2.2. Kostenrechnungssystem<br />
Eine Regulierung von Diensten <strong>für</strong> Endnutzer setzt voraus, dass auf dem relevanten Endkundenmarkt<br />
kein effektiver Wettbewerb herrscht und spezifische Verpflichtungen nach §§<br />
38 bis 42 o<strong>der</strong> § 46 TKG 2003 nicht zur Erreichung <strong>der</strong> in § 1 Abs. 2 TKG 2003 vorgegebenen<br />
Ziele führen würden.<br />
Das Fehlen effektiven Wettbewerbs wurde bereits unter Pkt. 6 <strong>der</strong> rechtlichen Beurteilung<br />
festgehalten. Dass die Regulierungsziele des § 1 Abs. 2 TKG 2003 durch eine Auferlegung<br />
spezifischer (Vorleistungs-)Verpflichtungen nicht erreicht werden können, ergibt sich aus Pkt.<br />
B 3.2 <strong>der</strong> Feststellungen, wonach die Wettbewerbsprobleme <strong>der</strong> Kampfpreise (bzw. von<br />
Margin Squeeze), exzessiver Preise sowie die Bündelung von Produkten demnach aus gegenwärtiger<br />
Sicht nicht mit den Vorleistungsinstrumenten des TKG 2003 adressierbar o<strong>der</strong><br />
zu mil<strong>der</strong>n sind. Daher ist eine Auferlegung von Regulierungsmaßnahmen auch auf <strong>der</strong> Endkundenebene<br />
erfor<strong>der</strong>lich.<br />
Gemäß § 43 Abs. 4 TKG 2003 kann die Regulierungsbehörde Unternehmen mit beträchtlicher<br />
Marktmacht die Einsetzung eines Kostenrechnungsystems auferlegen, soferne diesem<br />
60<br />
<strong>Vorlesung</strong>smaterialien Seite 196
Unternehmen spezifische Verpflichtungen gem. <strong>der</strong> § 43 Abs. 1 - Abs. 3 TKG 2003 auferlegt<br />
werden. § 43 TKG 2003 setzt Art. 17 Universaldienstrichtlinie um und ist somit Ausdruck <strong>der</strong><br />
aaO vorgegebenen abgestimmten Regulierung von Vorleistungs- und Endkundenmärkten.<br />
Zu diesem Zweck kann insbeson<strong>der</strong>e ein vertikal integriertes Unternehmen aufgefor<strong>der</strong>t<br />
werden, seine Großhandelspreise und internen Verrechnungspreise transparent und nachvollziehbar<br />
zu gestalten, um unlautere Quersubventionierung zu verhin<strong>der</strong>n (vgl. auch Art. 11<br />
Zugangs-RL).<br />
Die spezifische Verpflichtung zur Aufschlüsselung <strong>der</strong> Kosten und Erträge auf dem vorliegenden<br />
Markt mittels eines Kostenrechnungssystems (getrennte Buchführung) dient dazu,<br />
innerbetriebliche Aufwendungen, Kosten und Erlöse zwischen unterschiedlichen Tätigkeitsbereichen<br />
<strong>für</strong> die Regulierungsbehörde transparent zu machen, um so gegebenenfalls Quersubventionierung<br />
und Diskriminierung zwischen interner Bereitstellung (interner Transferpreis)<br />
und externem Verkauf (<strong>für</strong> die Regulierungsbehörde) erkennbar zu machen (vgl. ERG,<br />
S. 49ff) bzw. um unlautere Quersubventionierung hintanzuhalten, Art. 11 Zugangs-RL).<br />
Dieses Instrument ist grundsätzlich als Ergänzung zu an<strong>der</strong>en Instrumenten, wie gegebenenfalls<br />
<strong>der</strong> Nichtdiskriminierungsverpflichtung o<strong>der</strong> auch <strong>der</strong> Preiskontrolle zu sehen. So<br />
hält auch die ERG (S. 49) wie folgt fest: „This obligation is specifically put in place to support<br />
the obligations of transparency and non-discrimination. It may also act to support the NRA in<br />
implementing price control and cost accounting obligations.“<br />
Bei Unternehmen mit einer großen Anzahl an Produkten ist die Feststellung von Kostenorientierung<br />
im Rahmen von (kurzen) Verfahren nur möglich, wenn regelmäßig überprüfte "separated<br />
accounts" im Rahmen <strong>der</strong> Aufschlüsselung <strong>der</strong> marktgegenständlichen Kosten und<br />
Erträge mittels eines Kostenrechnungssystems (getrennte Buchführung) vorliegen. Nur damit<br />
ist sichergestellt, dass insbeson<strong>der</strong>e gemeinsame Kosten und Gemeinkosten auf alle Produkte<br />
verursachungsgerecht zugeordnet werden. Dadurch erst kann im Einzelfall eine Überprüfung<br />
auf Kostenorientierung einzelner Produkte o<strong>der</strong> Produktgruppen in kurzer Zeit<br />
durchgeführt und sichergestellt werden, dass Kosten nicht von unregulierten in regulierte<br />
Geschäftsfel<strong>der</strong> (bzw. umgekehrt) verschoben werden. Die getrennte Buchführung umfasst<br />
folglich alle Produkte des gegenständlichen Endkundenmarktes. Eine Trennung <strong>der</strong> auf diese<br />
Produkte entfallenden Kosten und Erlöse von den den an<strong>der</strong>en gegenüber Endkunden<br />
o<strong>der</strong> auf Vorleistungsebene angebotenen Produkten zuzuordnenden Kosten und Erlösen<br />
muss dabei gewährleistet sein.<br />
Aufgrund <strong>der</strong> Tatsache, dass die von TA beantragten Tarife unterschiedliche Märkte <strong>der</strong><br />
TKMVO 2003 betreffen, sind im Regelfall TA-Produkte auf unterschiedlichen relevanten<br />
Märkten <strong>der</strong> TKMVO 2003 betroffen, daher ist die Aufschlüsselung <strong>der</strong> marktgegenständlichen<br />
Kosten und Erträge mittels eines Kostenrechnungssystems (getrennte Buchführung) <strong>für</strong><br />
das ganze Unternehmen zumindest entsprechend <strong>der</strong> Märkteglie<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> TKMVO 2003<br />
erfor<strong>der</strong>lich.<br />
Ergänzend zu den Maßnahmen <strong>der</strong> Entgeltregulierung gem. § 43 Abs. 1 iVm Abs. 2 iVm<br />
Abs. 3 TKG 2003 besteht daher weiters die Notwendigkeit einer Aufschlüsselung <strong>der</strong> marktgegenständlichen<br />
Kosten und Erträge mittels eines Kostenrechnungssystems nach § § 43<br />
Abs. 4 TKG 2003, da diese die Basis <strong>für</strong> eine rasche Überprüfung <strong>der</strong> Entgelte schafft und<br />
auch Produktbündelung als (potentielles) Wettbewerbsproblem identifiziert wurde.<br />
Die TA hat hierzu vorgebracht, dass sich eine Glie<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> <strong>der</strong> marktgegenständlichen<br />
Kosten und Erträge nach den Märkten <strong>der</strong> TKMVO 2003 nicht mit den TA-<br />
Geschäftsbereichen decke und eine Zuordnung <strong>der</strong> relevanten Kosten auf einzelne Märkte<br />
o<strong>der</strong> Geschäftsbereiche wegen <strong>der</strong> erfor<strong>der</strong>lichen Kosten- und Erlösermittlung auf Produktebene<br />
wegen des damit verbundenen Umsetzungsaufwandes unverhältnismäßig und nicht<br />
zumutbar sei. Überdies sei das dzt. von TA verwendete Kostenrechnungssystem „Gamma“<br />
nicht in <strong>der</strong> Lage, die gefor<strong>der</strong>ten Funktionalitäten und Informationen in <strong>der</strong> gebotenen Granularität<br />
zu liefern, eine Modifikation bedürfe des Aufwands mehrerer Mannjahre. In diesem<br />
Zusammenhang hat TA auch um eine Modifikation <strong>der</strong> Kostenkategorien ersucht.<br />
61<br />
<strong>Vorlesung</strong>smaterialien Seite 197
Hierzu hat die Telekom-Control-Kommission Folgendes erwogen:<br />
Die Aufschlüsselung <strong>der</strong> marktgegenständlichen Kosten und Erträge mittels eines Kostenrechnungssystems<br />
(getrennte Buchführung) ist im vorliegenden Fall notwendig, um Kostenverschiebungen<br />
und unerlaubte Quersubventionierung (auch) zwischen Vorleistungs- und<br />
Endkundenmärkten zu verhin<strong>der</strong>n. Um die Verpflichtung zur Kostenorientierung innerhalb<br />
eines angemessenen Zeitraums überprüfen zu können, ist eine Glie<strong>der</strong>ung nach den Märkten<br />
<strong>der</strong> TKMVO 2003 erfor<strong>der</strong>lich. Eine Glie<strong>der</strong>ung etwa nach Geschäftsbereichen wäre<br />
demgegenüber ungeeignet, da diese von Verän<strong>der</strong>ungen <strong>der</strong> Unternehmensstruktur betroffen<br />
sein können und die Zuordnung von Kosten zu bestimmten Produkten in zu weit gehendem<br />
Maße in das Belieben des regulierten Unternehmens gestellt wird. Eine Glie<strong>der</strong>ung<br />
nach den Märkten <strong>der</strong> TKMVO 2003 ist auch deshalb zwingend, da sich die Überprüfung <strong>der</strong><br />
Kostenorientierung bei regulierten Entgelten nur auf Produkte erstrecken kann, die dem relevanten<br />
Markt angehören. Dass die Verpflichtung zur Aufschlüsselung <strong>der</strong> marktgegenständlichen<br />
Kosten und Erträge mittels eines Kostenrechnungssystems sich auch auf aggregierte<br />
Kosten und Erlöse in Bezug auf unregulierte Märkte wie beispielsweise Gemeinkosten <strong>für</strong><br />
Trunk-Segmente von Mietleitungen erstreckt, liegt in <strong>der</strong> Natur <strong>der</strong> Sache, da ansonsten<br />
Kostenverschiebungen nicht transparent wären und die Effektivität <strong>der</strong> Regulierung nach<br />
Ansicht <strong>der</strong> Telekom-Control-Kommission nicht sichergestellt werden kann.<br />
TA unterliegt bereits <strong>der</strong>zeit <strong>der</strong> Verpflichtung zur getrennten Buchführung, da sie mit Bescheid<br />
<strong>der</strong> Telekom-Control-Kommission M 1/02-114 vom 20.9.2002 gemäß § 33 Abs. 4<br />
TKG (1997) als marktbeherrschend auf den Märkten <strong>für</strong> das Erbringen des öffentlichen<br />
Sprachtelefondienstes mittels eines festen Telekommunikationsnetzes sowie <strong>für</strong> das Erbringen<br />
des öffentlichen Mietleitungsdienstes mittels eines festen Telekommunikationsnetzes<br />
sowie auf dem nationalen Markt <strong>für</strong> Zusammenschaltungsleistungen festgestellt wurde. TA<br />
ist daher <strong>der</strong>zeit gemäß § 133 Z. 7 TKG 2003 iVm § 43 Abs. 4 TKG (1997) auf den oben<br />
angeführten Märkten zur getrennten Buchführung verpflichtet.<br />
Da zudem aufgrund <strong>der</strong> Feststellungen <strong>der</strong> Telekom-Control-Kommission in parallelen<br />
Marktanalyseverfahren <strong>der</strong>zeit davon ausgegangen wird, dass TA auch auf an<strong>der</strong>en Märkten<br />
über Marktmacht verfügt (zB Originierung, Terminierung, Mindestangebot an Mietleitungen,<br />
Terminierende Segmente von Mietleitungen), erscheint die Verpflichtung zur Aufschlüsselung<br />
<strong>der</strong> marktgegenständlichen Kosten und Erträge mittels eines Kostenrechnungssystems angemessen<br />
und verhältnismäßig, insb. auch, da die inkrementellen Kosten dieses Regulierungsinstruments<br />
aufgrund <strong>der</strong> bisherigen Regulierung von Endkundenentgelten gering sind und<br />
erhebliche Synergien bestehen.<br />
Bezüglich <strong>der</strong> Verpflichtung des § 90 TKG 2003 (Informationspflichten) ist darauf hinzuweisen,<br />
dass die Erhebung, Aufbereitung und Übermittlung <strong>der</strong> notwendigen Daten im Einzelfall<br />
<strong>für</strong> die Überprüfung des Quersubventionierungsverbotes gemäß dieser Bestimmung und<br />
gemäß <strong>der</strong> Kommunikations-Erhebungs-Verordnung, (BGBl II, 365/2004), nach Ansicht <strong>der</strong><br />
Telekom-Control-Kommission nicht ausreicht, um im Falle des Verdachts auf das Vorliegen<br />
von Quersubventionierung innerhalb eines vergleichsweise kurzen Zeitraums die notwendigen<br />
Informationen zu erhalten. Hier ist insbeson<strong>der</strong>e auf die Problematik <strong>der</strong> Preis-Kosten-<br />
Schere durch entsprechende Endkundenangebote hinzuweisen.<br />
Die Aufschlüsselung <strong>der</strong> marktgegenständlichen Kosten und Erträge mittels eines Kostenrechnungssystems<br />
hat zumindest nach den Märkten <strong>der</strong> TKMVO 2003 geglie<strong>der</strong>t zu erfolgen.<br />
Im Rahmen <strong>der</strong> notwendigen Operationalisierung <strong>der</strong> Aufschlüsselung <strong>der</strong> marktgegenständlichen<br />
Kosten und Erträge mittels eines Kostenrechnungssystems sind entsprechend<br />
den Anfor<strong>der</strong>ungen <strong>der</strong> Regulierungsbehörde zumindest folgende Informationen zur Überprüfung<br />
unerlaubter Quersubventionierung bereitzustellen:<br />
• Erträge,<br />
• Kosten (unterscheidbar nach Personalkosten, Kosten <strong>für</strong> Abschreibungen von Anlagegütern,<br />
Kapitalkosten und sonstigen Kosten),<br />
62<br />
<strong>Vorlesung</strong>smaterialien Seite 198
• detaillierter Anlagenspiegel des Unternehmens, Personalkennzahlen, Kostentreiber,<br />
wie insbeson<strong>der</strong>e die Verkehrsmengen und sonstige <strong>für</strong> die Überprüfung <strong>der</strong> Kostenrechnung<br />
notwendigen Informationen.<br />
Die Details <strong>der</strong> konkreten Ausgestaltung werden von <strong>der</strong> Regulierungsbehörde im Rahmen<br />
einer regelmäßigen Überprüfung spezifiziert.<br />
7.3. Zur Aufhebung <strong>der</strong> gem. § 133 Abs. 7 TKG 2003 weitergeltenden Verpflichtungen<br />
nach dem TKG 1997<br />
Soweit die Regulierungsbehörde vor In-Kraft-Treten dieses Bundesgesetzes festgestellt hat,<br />
dass ein Unternehmer marktbeherrschend im Sinne des § 33 TKG (1997) ist, gelten die sich<br />
aus dem TKG (1997) ergebenden Pflichten <strong>für</strong> marktbeherrschende Unternehmer<br />
§ 133 Abs. 7 TKG 2003 solange weiter, bis <strong>für</strong> das betreffende Unternehmen ein Bescheid<br />
nach § 37 Abs. 2 TKG 2003 ergangen ist o<strong>der</strong> die Aufhebung <strong>der</strong> Verpflichtungen nach § 37<br />
Abs. 3 TKG 2003 wirksam wird.<br />
Die Marktbeherrschung auf dem Markt <strong>für</strong> das Erbringen des öffentlichen festen Sprachtelefondienstes<br />
mittels eines festen Telekommunikationsnetzes nach § 33 TKG (1997 war ein<br />
Auslöser <strong>für</strong> die Verpflichtungen <strong>der</strong> TA gemäß TKG (1997). Da die TA vor In-Kraft-Treten<br />
des TKG 2003 am 20.08.2003 mit Bescheid M 1/02-114 <strong>der</strong> Telekom-Control-Kommission<br />
vom 20.09.2002 als marktbeherrschend auf dem Markt <strong>für</strong> das Erbringen des öffentlichen<br />
Festnetzsprachtelefondienstes iSd TKG (1997) festgestellt wurde, gelten dzt. die bislang<br />
bestehenden Verpflichtungen des TKG (1997) <strong>für</strong> die TA in Bezug auf die Leistungen des<br />
gegenständlichen Marktes weiter.<br />
§ 37 Abs. 2 S 2 TKG 2003 sieht vor, dass bereits bestehende spezifische Verpflichtungen <strong>für</strong><br />
Unternehmen, soweit sie den relevanten Markt betreffen, nach Maßgabe <strong>der</strong> Ergebnisse des<br />
Verfahrens unter Berücksichtigung <strong>der</strong> Regulierungsziele geän<strong>der</strong>t o<strong>der</strong> neuerlich auferlegt<br />
werden.<br />
Mit Spruchpunkt 2. des vorliegenden Bescheids werden TA spezifische Verpflichtungen auf<br />
dem gegenständlichen Markt auferlegt. Der Markt wurde durch § 1 Z 6 TKMVO 2003 abgegrenzt.<br />
Die gem. § 133 Abs. 7 TKG 2003 fortgeltenden Verpflichtungen <strong>der</strong> nach § 33 TKG (1997)<br />
als marktbeherrschend festgestellten TA treten mit Rechtskraft dieses Bescheides außer<br />
Kraft.<br />
8. Zu den Verfahren gemäß §§ 128, 129 TKG 2003<br />
Gemäß § 128 Abs. 1 TKG 2003 hat die Regulierungsbehörde interessierten Personen innerhalb<br />
einer angemessenen Frist Gelegenheit zu gewähren, zum Entwurf von Vollziehungshandlungen<br />
gemäß TKG 2003, die beträchtliche Auswirkungen auf den betreffenden Markt<br />
haben werden, Stellung zu nehmen („Konsultation“). Nach § 129 TKG 2003 sind Entwürfe<br />
von Vollziehungshandlungen gemäß § 128 TKG 2003, die Auswirkungen auf den Handel<br />
zwischen Mitgliedstaaten haben werden und die Marktanalyse betreffen (§ 129 Abs. 1 Z 2<br />
TKG 2003), gleichzeitig <strong>der</strong> Europäischen Kommission sowie den nationalen Regulierungsbehörden<br />
<strong>der</strong> Mitgliedstaaten <strong>der</strong> Europäischen Gemeinschaft zur Verfügung zu stellen<br />
(„Koordination“).<br />
63<br />
<strong>Vorlesung</strong>smaterialien Seite 199
Die vorliegende Anordnung gemäß § 37 ff TKG 2003 stellt eine <strong>der</strong>artige Vollziehungshandlung<br />
iSd §§ 128 f TKG 2003 dar, die sohin den beiden Verfahren <strong>der</strong> Konsultation und Koordination<br />
zu unterwerfen war.<br />
8.1. Zu den eingelangten Stellungnahmen im Rahmen des Verfahrens nach § 128<br />
TKG 2003<br />
Es wurde von folgenden Organisationen eine Stellungnahme abgegeben: Verband Alternativer<br />
Telekom-Netzbetreiber - VAT (ON 54), Interessensverband Telekommunikation (ON 55)<br />
und von TA (ON 56).<br />
Der VAT konzentrierte sich in seiner Stellungnahme auf die ex-ante Tarifgenehmigungsverpflichtung<br />
<strong>der</strong> TA. Im Detail wird kritisiert, dass die Anwendung <strong>der</strong> „Kontrollmatrix“ auch weiterhin<br />
die Übertragung von Marktmacht zulasse. Dies ergebe sich aus <strong>der</strong> fehlenden Kostendeckung<br />
<strong>der</strong> Grundentgelte je<strong>der</strong> einzelnen Tarifoption. Es würden sich Quersubventionierungen<br />
zwischen den Grundentgelten <strong>für</strong> den Anschluss und den Verbindungsentgelten,<br />
sowie zwischen Inlands- und Auslandsgesprächen ergeben.<br />
VAT führte ferner aus, dass die im Maßnahmenentwurf vorgesehene Ausnahme von Aktionen<br />
bis zu dreimonatiger Dauer von <strong>der</strong> ex-ante Tarifgenehmigung <strong>für</strong> TA die Möglichkeit zu<br />
„Kettenaktionsangeboten“ bei permanenter Kostenunterdeckung eröffne. Ferner müsse klargestellt<br />
werden, dass sich die Kostenorientierungspflicht auch auf Aktionsangebote beziehe.<br />
In diesem Zusammenhang wird eine engere Definition <strong>der</strong> <strong>für</strong> TA zulässigen Aktionsangebote<br />
vorgeschlagen.<br />
Diesbezüglich ist auszuführen, dass die Ausnahme von Aktionsangeboten mit einer Dauer<br />
von bis zu 3 Monaten sich lediglich auf die Verpflichtung zur Vorabgenehmigung von Allgemeinen<br />
Geschäftsbedingungen inklusive Dienstebeschreibung und Endkundenentgelte bezieht,<br />
nicht jedoch auf die Verpflichtung, dass die Endkundenentgelte insgesamt (also unter<br />
Einbeziehung von Aktionsangeboten) dem Maßstab <strong>der</strong> Kostenorientierung entsprechen<br />
müssen. Aus Punkt 7.2.1 <strong>der</strong> Begründung dieser Anordnung ist ersichtlich, dass auch Rabatte<br />
(und diesen gleichzusetzende erlösmin<strong>der</strong>nde Umstände, z.B. kurzfristige Werbeangebote)<br />
von <strong>der</strong> Verpflichtung zur Kostenorientierung umfasst sind und sohin in einer Überprüfung<br />
<strong>der</strong> Kostenorientierung <strong>der</strong> Endkundenentgelte berücksichtigt werden.<br />
Der Verweis auf die bestehende Regulierungspraxis, nämlich die Genehmigungsfreiheit von<br />
bis zu dreimonatigen Aktionsangeboten, stellt aus Sicht <strong>der</strong> Telekom-Control-Kommission<br />
eine angemessene Abwägung zwischen dem berechtigten Interesse <strong>der</strong> TA, im Endkundenwettbewerb<br />
agieren zu können, und den Interessen <strong>der</strong> vom Vorleistungsbezug <strong>der</strong> TA abhängigen<br />
Mitbewerber <strong>der</strong> TA an kostenorientierten Preisen am Endkundenmarkt dar. Hinsichtlich<br />
<strong>der</strong> von VAT eingemahnten Klarstellung, dass auch tarifgenehmigungsfreie Aktionsangebote<br />
von TA <strong>der</strong> Kostenorientierung unterliegen sollten ist gerade auch auf die Formulierung<br />
des Spruchpunktes 2.1. des gegenständlichen Bescheides zu verweisen: Dort wird<br />
angeordnet, dass „Endkundenentgelte dem Maßstab <strong>der</strong> Kostenorientierung entsprechen“<br />
müssen. Ferner wird ebendort angeordnet, dass „(…) Rabatte von <strong>der</strong> Kostenorientierung<br />
umfasst sind“. Auch die nicht von <strong>der</strong> ex-ante Tarifgenehmigungspflicht umfassten Aktionsangebote<br />
werden daher bei <strong>der</strong> Kostenorientierung im Rahmen <strong>der</strong> ex-ante Tarifkontrolle<br />
berücksichtigt und sind somit mittelbar <strong>der</strong> Kostenorientierung unterworfen.<br />
Bezüglich <strong>der</strong> Darlegungen des VAT zum dritten Kriterium <strong>der</strong> Kontrollmatrix ist auszuführen,<br />
dass dort festgelegt wird, dass sich einzelne Entgelte <strong>für</strong> einzelne Tarifzonen innerhalb einzelner<br />
Tarifoptionen sowie die Entgelte <strong>für</strong> Grundentgelte einzelner Tarifoptionen hinsichtlich<br />
ihrer Untergrenze an den Vorleistungskosten <strong>für</strong> das entsprechende Produkt zu orientieren<br />
haben. Wie ausgeführt, hat die Telekom-Control-Kommission eine Abwägung zwischen den<br />
Interessen <strong>der</strong> TA an einer wettbewerbsfähigen Tarifgestaltung auf Endkundenniveau und<br />
dem Interesse von alternativen Anbietern an einem diskriminierungsfreien Zugang zu not-<br />
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<strong>Vorlesung</strong>smaterialien Seite 200
wendigen Vorleistungen zu treffen. Durch die Eingrenzung auf einzelne Tarifzonen innerhalb<br />
einzelner Tarifoptionen hinsichtlich ihrer Untergrenze, das heißt <strong>der</strong> Vorleistungskosten,<br />
wird diesem Umstand Rechnung getragen.<br />
Hinsichtlich <strong>der</strong> vom VAT angeregten Ergänzung des Entscheidungsentwurfs zur gebotenen<br />
Einhaltung des „EG-Wettbewerbsrechts“ bei <strong>der</strong> Endkundentarifgestaltung ist auszuführen,<br />
dass die Bestimmungen <strong>der</strong> Art. 81, 82 EG-Vertrag unmittelbar anwendbares Recht darstellen.<br />
Eine geson<strong>der</strong>te Verpflichtung von TA zur Beachtung dieser Bestimmungen im Rahmen<br />
dieses Bescheides erübrigt sich daher.<br />
Ergänzend weist die Telekom-Control-Kommission daraufhin, dass auch <strong>für</strong> alternative Anbieter<br />
die Möglichkeit besteht, durch das Anbieten entsprechen<strong>der</strong> Endkundenprodukte den<br />
auch Verbindungsnetzbetreibern zur Verfügung stehenden Spielraum hinsichtlich <strong>der</strong> Gestaltung<br />
einzelner Verbindungsentgelte zu nutzen.<br />
Die Stellungnahme des Interessensverbandes Telekommunikation (IVTK) ist durch eine<br />
großteils durchgängige Vermischung von Wettbewerbsproblemen <strong>der</strong> Anschlussmärkte und<br />
<strong>der</strong> Verbindungsmärkte gekennzeichnet. Aus diesem Grund erscheint es <strong>der</strong> Telekom-<br />
Control-Kommission nur möglich, den in <strong>der</strong> Stellungnahme enthaltenen Kritikpunkten ein<br />
vergleichsweise geringes Gewicht einzuräumen. Hinsichtlich <strong>der</strong> eingemahnten Informationen<br />
bezüglich Teilnehmerstände <strong>der</strong> einzelnen Betreiber, CPS- und CbC-Ständen und Umsätzen<br />
einzelner Betreiber ist auf die Ausführungen zum Thema vertikale Integration und<br />
Übertragung von Marktmacht vom Anschlussbereich auf den gegenständlichen Markt bzw.<br />
auf die Entscheidung zum entsprechenden Markt des Anschlussbereichs (Markt gemäß § 1<br />
Z 2 TKMVO 2003) zu verweisen.<br />
Hinsichtlich <strong>der</strong> Aktivitäten von Tele2 am gegenständlichen Markt <strong>für</strong> Auslandsgespräche<br />
von Nichtprivatkunden über das feste öffentliche Telefonnetz ist dem IVTK dahingehend zuzustimmen,<br />
dass Tele2 auf dem Markt tatsächlich geringe Aktivitäten entfaltet (hat), was allerdings<br />
aufgrund des geringen Umfangs dieser Aktivitäten (Umsatzmarktanteil unter zwei<br />
Prozent) zu keiner geän<strong>der</strong>ten Einschätzung <strong>der</strong> wettbewerblichen Auswirkungen des Zusammenschlusses<br />
führt. Hinsichtlich <strong>der</strong> Ausführungen zum Preisniveau, das von Telekom<br />
Austria auf dem gegenständlichen Markt aufrechterhalten werden kann, ist festzuhalten,<br />
dass die Feststellungen hinsichtlich Preisgestaltung auf den im Marktanalyse-Gutachten getroffenen<br />
expliziten und impliziten Preisanalysen getroffen wurden.<br />
TA brachte in ihrer Stellungnahme unter Verweis auf das im bisherigen Verlauf des Verfahrens<br />
Vorgebrachte vor, dass die Auswirkungen des Zusammenschlusses von Tele2 und UTA<br />
hinsichtlich ihrer wettbewerblichen Effekte nicht ausreichend untersucht worden wären und<br />
kritisiert die Nichteinholung eines spezifischen Gutachtens. Diesbezüglich ist auf die Feststellungen<br />
hinsichtlich allfälliger Marktanteilsverschiebungen zu verweisen.<br />
Die Telekom-Control-Kommission weist neuerlich darauf hin, dass bei <strong>der</strong> Beurteilung allfälliger<br />
wettbewerblicher Auswirkungen ausschließlich auf den relevanten Zeitraum von ca.<br />
zwei Jahren abzustellen ist. Allfällige Auswirkungen auf den gegenständlichen Markt, beispielsweise<br />
durch gesteigerte Aktivitäten des neuen Unternehmens „Tele2/UTA“ im Bereich<br />
<strong>der</strong> Entbündelung, sind, wie festgestellt, <strong>für</strong> den hier relevanten Zeitraum von ca. zwei Jahren<br />
nicht in einem Ausmaß zu erwarten, dass die Feststellungen hinsichtlich des Vorliegens<br />
von beträchtlicher Marktmacht in Zweifel zu ziehen wären.<br />
Hinsichtlich des Verweises von TA auf die Veröffentlichung <strong>der</strong> Bundeswettbewerbsbehörde<br />
betreffend den Zusammenschluss von Tele2 und UTA und den dort getätigten Aussagen zur<br />
erwarteten Erhöhung des Wettbewerbsdruckes auf TA ist festzuhalten, dass die Bundeswettbewerbsbehörde<br />
zwar auf die einzelnen Märkte <strong>der</strong> TKMVO 2003 eingeht, allerdings<br />
festhält, dass nur auf dem Markt <strong>für</strong> Inlandsgespräche von Privatkunden gemäß § 1 Z 3<br />
TKMVO 2003 die kartellrechtlich relevante Vermutungsschwelle von 30 % Marktanteil (marginal)<br />
überschritten wird. Ferner hält die Bundeswettbehörde explizit fest, dass TA auch nach<br />
dem Zusammenschluss von Tele2 und UTA die „bei weitem stärkste Stellung auf diesem<br />
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<strong>Vorlesung</strong>smaterialien Seite 201
Markt einnehmen wird“. Die allgemein von <strong>der</strong> Bundeswettbewerbsbehörde getroffenen<br />
Feststellungen hinsichtlich zu erwartenden gesteigertem Wettbewerbsdruck durch das neue<br />
Unternehmen „Tele2/UTA“ erscheinen zu allgemein gehalten, um auf eine konkrete Auswirkung<br />
auf den gegenständlichen Markt schließen zu lassen. Ergänzend hält die Telekom-<br />
Control-Kommission fest, dass durch die getroffenen Feststellungen <strong>der</strong> Bundeswettbehörde<br />
hinsichtlich fehlen<strong>der</strong> wettbewerbsrechtlicher Bedenken durch den Zusammenschluss von<br />
Tele2 und UTA nicht geeignet erscheinen, die im gegenständlichen Verfahren getroffenen<br />
Feststellungen hinsichtlich des Vorliegens von beträchtlicher Marktmacht von TA iSd § 35<br />
Abs. 1 TKG 2003 in Zweifel zu ziehen.<br />
8.2. Zur eingelangten Stellungnahme <strong>der</strong> Europäischen Kommission im Rahmen<br />
des Verfahrens nach § 129 TKG 2003<br />
Diese Stellungnahme (ON 53) stützt das Ergebnis <strong>der</strong> Telekom-Control-Kommission. Die<br />
Europäische Kommission teilte mit, dass sie keine Anmerkungen habe. Hinsichtlich <strong>der</strong> im<br />
Zusammenhang mit ihren Ausführungen zur Marktdefinition des gegenständlichen Marktes<br />
gemachten Anmerkung <strong>der</strong> Europäischen Kommission, dass die Bundeswettbewerbsbehörde<br />
„in keiner <strong>der</strong> genannten Sachen konsultiert wurde“, hält die Telekom-Control-<br />
Kommission fest, dass <strong>der</strong> Maßnahmenentwurf am 17.12.2004 auf <strong>der</strong> Homepage <strong>der</strong> Rundfunk<br />
und Telekom Regulierungs-GmbH in vollem Umfang zum Download bereitgestellt wurde,<br />
und daher auch die Bundeswettbewerbsbehörde in diesem Verfahren gem. § 37 Abs. 5<br />
TKG 2003 die Möglichkeit zur Abgabe einer Stellungnahme hatte.<br />
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<strong>Vorlesung</strong>smaterialien Seite 202
III. Rechtsmittelbelehrung<br />
Gegen diesen Bescheid ist gemäß § 121 Abs. 5 TKG 2003 kein ordentliches Rechtsmittel<br />
zulässig.<br />
IV. Hinweis<br />
Gegen diesen Bescheid kann binnen sechs Wochen ab <strong>der</strong> Zustellung Beschwerde an den<br />
Verfassungsgerichtshof und auch an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden, wobei<br />
jeweils eine Eingabengebühr in <strong>der</strong> Höhe von Euro 180,- zu entrichten ist. Die Beschwerde<br />
muss von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.<br />
Telekom-Control-Kommission<br />
Wien, am 6.3.2006<br />
Der Vorsitzende<br />
Dr. Eckhard Hermann<br />
ZV:<br />
Telekom Austria AG, z. Hd. Herrn Mag. Martin Fröhlich, Lassallestr. 9, 1020 Wien per Telefax und Post<br />
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