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Vor Ort - Mieterberatung Prenzlauer Berg GmbH in Berlin

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Heimatgeschichte<br />

Filme, Stars und Ateliers<br />

Aus der Geschichte der Filmstadt Weißensee Von Albrecht Molle<br />

Man schrieb das Jahr 1913, als die<br />

<strong>Vor</strong>stadtgeme<strong>in</strong>de Weißensee <strong>in</strong> das<br />

Filmzeitalter aufbrach. Zwar waren<br />

K<strong>in</strong>os, <strong>in</strong> denen die ersten Stummfilme<br />

bestaunt werden konnten, schon<br />

Jahre zuvor vornehmlich am Antonplatz<br />

entstanden, doch jetzt drängten<br />

Filmproduzenten aus den zu eng<br />

gewordenen Dachateliers der Berl<strong>in</strong>er<br />

Innenstadt <strong>in</strong>s Umland. Dank günstiger<br />

Bodenpreise wurde Weißensee<br />

schon bald zur Toppadresse.<br />

Als erste siedelte sich die 1907<br />

gegründete Deutsche Vitascope Gesellschaft<br />

hier an. Dass deren Wahl<br />

ausgerechnet auf das Grundstück<br />

Franz-Jospeh-Straße 5 - 7 (seit 1951<br />

Liebermannstraße) <strong>in</strong> der Nähe des<br />

Die gläsernen Ateliers der Vitascope-Filmgesellschaft <strong>in</strong> der heutigen Liebermannstraße um 1915.<br />

heutigen Pasedagplatzes fiel, war eher<br />

Zufall. Vitascope-Gründer Jules Greenbaum<br />

war an den Bauunternehmer<br />

Paul Köhler <strong>in</strong> der Greifswalder Straße<br />

verwiesen worden, der <strong>in</strong> Weißensee<br />

mehrere Liegenschaften besaß und<br />

das sich zur Rennbahnstraße h<strong>in</strong>strekkende<br />

Areal an die Zuzügler verpachtete.<br />

Im Gegenzug erhielt er den<br />

Auftrag, dort zwei je 25 Meter lange<br />

Filmateliers mit gläsernen Wänden<br />

und Dächern zu errichten, die als die<br />

größten im Lande galten. Ende 1913<br />

begann die Vitascope, dort ihre Filme<br />

zu drehen, darunter Kassenschlager<br />

wie »Der Hund von Baskerville«.<br />

Die Ära Joe May<br />

Der Vitascope folgten schon bald<br />

weitere Gesellschaften. Auf dem<br />

Grundstück Franz-Joseph-Straße 9<br />

begann im Juni 1914 die Cont<strong>in</strong>ental<br />

mit Dreharbeiten. E<strong>in</strong>er ihrer Regisseure<br />

war Joe May, der schon e<strong>in</strong> Jahr<br />

später die May-Film gründete und<br />

sich danach mit Streifen wie »Das<br />

<strong>in</strong>dische Grabmal« und »Die Herr<strong>in</strong><br />

der Welt« e<strong>in</strong>en Namen machte. Nach<br />

ihm wurde <strong>in</strong> den neunziger Jahren<br />

e<strong>in</strong> Platz an der E<strong>in</strong>mündung der Park<strong>in</strong><br />

die Liebermannstraße benannt.<br />

©Archiv Bennewitz<br />

May war es auch, der die nahe<br />

gelegene Weißenseer Rennbahn, deren<br />

Betrieb 1912 e<strong>in</strong>gestellt worden<br />

war, für spektakuläre Außenaufnahmen<br />

für den Kolossalfilm »Veritas<br />

v<strong>in</strong>cit« (Die Wahrheit siegt) nutzte.<br />

»Große Dekorationen s<strong>in</strong>d aufgebaut<br />

worden, die den Circus Maximus des<br />

alten Rom darstellen, e<strong>in</strong>e stolze<br />

Fassade mit mächtigen Säulen umgibt<br />

das Bild, und <strong>in</strong> der Tiefe weitet sich<br />

die Arena«, berichtete damals die<br />

Zeitschrift »Der Film«.<br />

Kurz nach dem 1. Weltkrieg zog<br />

<strong>Vor</strong> <strong>Ort</strong> 04. 2006 13<br />

<strong>in</strong> die Ateliers <strong>in</strong> der Franz-Joseph-<br />

Straße 9 mit der Decla-Filmgesellschaft<br />

e<strong>in</strong> weiterer Filmproduzent e<strong>in</strong>,<br />

dem wir e<strong>in</strong>ige herausragende Werke<br />

verdanken, allen voran »Das Cab<strong>in</strong>et<br />

des Dr. Cagliari«, den Prototyp des<br />

expressionistischen Films. Seit 1918<br />

arbeitete auch Fritz Lang bei der<br />

Decla, für die er u. a. das Buch zum Film<br />

»Die Pest <strong>in</strong> Florenz« schrieb. Für die<br />

Dreharbeiten wurde das Grundstück<br />

<strong>in</strong> den berühmten Marktplatz der<br />

Toskana-Metropole verwandelt.<br />

Schnelles Ende<br />

Doch mit der Inflation, die Deutschland<br />

<strong>in</strong> den zwanziger Jahren erfasste,<br />

fand auch die überhitzte Konjunktur<br />

im Filmgeschäft e<strong>in</strong> Ende. »Die <strong>in</strong> der<br />

Hauptsache durch das S<strong>in</strong>ken der<br />

Kaufkraft verursachten wirtschaftlichen<br />

Schwierigkeiten haben zu e<strong>in</strong>er<br />

nicht unerheblichen Erzeugnise<strong>in</strong>schränkung<br />

der Film<strong>in</strong>dustrie geführt«,<br />

hieß es schon 1922 im<br />

»Reichsarbeitsblatt«. Zwar richtete die<br />

Ufa <strong>in</strong> Weißensee 1925 noch ihr erstes<br />

Tonfilmatelier e<strong>in</strong>, doch bei der<br />

Uraufführung des Streifens »Das<br />

Mädchen mit den Schwefelhölzern«<br />

vor prom<strong>in</strong>entem Publikum setzte der<br />

Ton aus, das Lichttonverfahren war<br />

zunächst gescheitert. Das Atelier<br />

wurde, wie viele andere, umgehend<br />

geschlossen.<br />

Als erste erhielten 1929 die<br />

Grundstücke Franz-Joseph-Straße 9<br />

sowie 10 - 12, wo sich zehn Jahre<br />

zuvor die Fag-Film-Atelier <strong>GmbH</strong><br />

angesiedelt hatte, <strong>in</strong> Gestalt der<br />

Wohnungsbau-Gesellschaft Weißensee<br />

e<strong>in</strong>en neuen Besitzer, der dort<br />

schon bald Mietshäuser errichtete. Die<br />

May-Film-Ateliers wurden von e<strong>in</strong>er<br />

Wäscherei und Färberei erworben,<br />

und auch das Außengelände bei<br />

Erkner, wo Ausflügler die Nachbauten<br />

<strong>in</strong>discher Tempel bewundern konnten,<br />

kamen zum Verkauf. Ende 1929<br />

war das Weißenseer »Filmzeitalter«<br />

passé. Nachdem im Januar 1933 die<br />

Macht <strong>in</strong> Deutschland an die Nazis<br />

übertragen worden war, g<strong>in</strong>gen viele<br />

Schauspieler, Regisseure und Produzenten,<br />

die wie Joe und Mia May, Fritz<br />

Lang und Erich Pommer Weißensee<br />

als e<strong>in</strong>en namhaften Standort der<br />

deutschen Film<strong>in</strong>dustrie bekannt gemacht<br />

hatten, <strong>in</strong> die Emigration.

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