23.07.2013 Aufrufe

2012-46_Der Getreideschwarzrost kehrt zurueck.pdf - Dr. Neinhaus ...

2012-46_Der Getreideschwarzrost kehrt zurueck.pdf - Dr. Neinhaus ...

2012-46_Der Getreideschwarzrost kehrt zurueck.pdf - Dr. Neinhaus ...

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

10<br />

Pfl anzenschutz<br />

<strong>Der</strong> <strong>Getreideschwarzrost</strong><br />

<strong>kehrt</strong> zurück<br />

Die mutierte Variante Ug99 — gefährlicher denn je!<br />

<strong>Der</strong> <strong>Getreideschwarzrost</strong><br />

(Puccinia graminis) ist<br />

nach über 50 Jahren<br />

zurückge<strong>kehrt</strong> und hinterlässt<br />

eine Spur der Verwüstung wo<br />

immer er Getreidekulturen befällt.<br />

Wegen seiner besonders<br />

ausgeklügelten Virulenz ist<br />

der <strong>Getreideschwarzrost</strong> eine<br />

der weltweit gefährlichsten<br />

Getreideerkrankung und wird<br />

bereits seit der Antike als Ursache<br />

für Missernten und Hungersnöte<br />

gefürchtet. Archäologische<br />

Funde in Israel haben<br />

sogar bestätigt, dass <strong>Getreideschwarzrost</strong><br />

schon in der Bronzezeit<br />

Ertragsverluste verursachte.<br />

Diese Krankheit ist deshalb<br />

so gefährlich, weil sie nur<br />

wenige Wochen vor der Ernte,<br />

in einer gesunden Getreidekultur,<br />

Ertragsverlusten von über<br />

70 Prozent verursachen kann.<br />

Dabei treten zunächst rostfarbene<br />

Verfärbungen auf, bevor<br />

sich die befallenen Stellen<br />

schwarz verfärben. Landwirte<br />

können nur sehr wenig dagegen<br />

tun außer ernten, was<br />

übrig bleibt und das ist nicht<br />

viel. Erschwerend kommt hinzu,<br />

dass <strong>Getreideschwarzrost</strong><br />

ebenfalls verschiedene Berberitzenarten<br />

als Zwischenwirt<br />

nutzt, so dass bereits im<br />

16. Jahrhundert Berberitzengehölze<br />

gerodet wurden, um die<br />

Getreideernte nicht zu gefährden.<br />

<strong>Getreideschwarzrost</strong><br />

ist sehr mobil<br />

Wie alle Krankheiten, die durch<br />

Pilzsporen übertragen werden<br />

ist auch <strong>Getreideschwarzrost</strong><br />

höchst mobil, denn die Sporen<br />

können schnell über große<br />

Entfernungen durch Wind,<br />

Tiere oder Menschen übertragen<br />

werden. So reicht häufig<br />

ein einzelner Hektar infizierten<br />

Weizens aus, um über 10 Mrd.<br />

Sporen freizusetzen, von denen<br />

jede einzelne eine Epidemie<br />

auslösen kann. Wenn<br />

das passierte, droht ein Wirtschaftsschaden<br />

in Milliardenhöhe<br />

und ein Laib Brot könnte<br />

schnell zum teuren Luxusgut<br />

werden.<br />

<strong>Getreideschwarzrost</strong> wird häufig<br />

mit der Kinderlähmung<br />

verglichen. Eine gefährliche,<br />

aber bereits in Vergessenheit<br />

geratene Krankheit, denn<br />

schon seit den 1960-er Jahren<br />

wird am „Maiz und Weizen<br />

Veredlungszentrum“ (CIM-<br />

Bereits seit der Antike ist der <strong>Getreideschwarzrost</strong> als Ursache für Missernten und Hungersnöte bekannt. Doch im<br />

Rahmen der „Grünen Revolution“ ist es Forschern gelungen den <strong>Getreideschwarzrost</strong> unter Kontrolle zu bringen.<br />

Das aus Roggen eingekreuzte Gen Sr31 machte den Weizen nicht nur widerstandsfähig, sondern bescherte auch<br />

höhere Erträge. Was aber niemand wusste: der <strong>Getreideschwarzrost</strong> hat in einer ökologischen Nische in Ostafrika<br />

überlebt und bedroht seitdem als mutierte Variante Ug99 die globale Weizenproduktion. Fotos: Fiedler<br />

Landpost <strong>46</strong>/<strong>2012</strong><br />

MYT = Centro Internacional de<br />

Mejoramiento de Maíz y Trigo)<br />

in Mexiko an getreideschwarzrostresistentenWeizensorten<br />

geforscht, die das aus<br />

Roggen eingekreuzte Resistenzgen<br />

Sr31 (Sr steht für stem<br />

rust = <strong>Getreideschwarzrost</strong>)<br />

enthalten, das gleichzeitig<br />

auch zur Ertragssteigerung<br />

beiträgt. In den späten 1960er<br />

Jahren ist es schließlich <strong>Dr</strong>.<br />

Norman Borlaug, dem Vater<br />

der „Grünen Revolution“, gelungen,<br />

schwarzrostresistenten<br />

Weizen zu züchten. <strong>Dr</strong>. Norman<br />

Borlaug wurde 1970 für<br />

seine Verdienste um die Landwirtschaft<br />

mit dem Nobelpreis<br />

ausgezeichnet. Seitdem galt<br />

der <strong>Getreideschwarzrost</strong> als<br />

ausgerottet und noch bis 1999<br />

schien der <strong>Getreideschwarzrost</strong><br />

durch resistente Sorten kontrolliert<br />

werden zu können.<br />

Doch seit 1999 bedroht eine<br />

erneute <strong>Getreideschwarzrost</strong>-<br />

Epidemie die weltweite Getreideproduktion.<br />

So ist nicht nur<br />

Weizen, ein Getreide, das weltweit<br />

auf über 217 Mio. ha mit<br />

600 Mio. t Ernteerträgen zu<br />

20 Prozent die Welternährung<br />

sicherstellt, bedroht, sondern<br />

auch Gerste, Hafer und Roggen.<br />

<strong>Der</strong> <strong>Getreideschwarzrost</strong> hat<br />

aber nicht nur in einer abgelegenen<br />

Ecke Afrikas überlebt,<br />

sondern hat sich auch weiterentwickelt,<br />

um die vorhandenen<br />

Resistenzen im Getreide<br />

zu überwinden. Mit neuen<br />

Eigenschaften ausgestattet<br />

macht jetzt der gefährliche<br />

pflanzenpathogene Pilz als<br />

Ug99 auch keinen Halt mehr<br />

vor Weizensorten, die mit dem<br />

Resistenzgen Sr31 ausgestattet<br />

sind, das seit 1980 in den meisten<br />

Weizensorten enthalten ist<br />

und bisher das wichtigste Resistenzgen<br />

im Weizen darstellte.<br />

Warum Sr31 über 30 Jahre<br />

lang dem <strong>Getreideschwarzrost</strong><br />

standhalten konnte ist nicht<br />

bekannt, passen sich doch pathogene<br />

Pilze in wesentlich<br />

kürzeren Zeiträumen an. Nach<br />

Jahrzehnten ohne Infektion ist<br />

nun der größte Teil der weltweiten<br />

Getreidekulturen dem<br />

Schädling wehrlos ausgesetzt.<br />

Weil Pilzsporen durch den<br />

Wind verbreitet werden, kann<br />

sich eine Infektion schnell ausdehnen.


Landpost <strong>46</strong>/<strong>2012</strong> Pfl anzenschutz 11<br />

<strong>Getreideschwarzrost</strong> hat bereits<br />

in der Vergangenheit große<br />

Hungersnöte verursacht. In<br />

Nord-Amerika kam es bereits<br />

infolge von <strong>Getreideschwarzrost</strong><br />

1903 und 1905 sowie von<br />

1950 bis 1954 zu enormen Ertragsausfällen.<br />

1954 vernichtete<br />

der <strong>Getreideschwarzrost</strong><br />

allerdings zum letzten Mal<br />

40 Prozent der Ernteerträge in<br />

Nordamerika. Deshalb wurden<br />

schon ab den späten 1950er<br />

Jahren, im Rahmen der „Grünen<br />

Revolution“, Hochleistungs-Weizensorten<br />

gezüchtet,<br />

die widerstandsfähig gegen<br />

<strong>Getreideschwarzrost</strong> und andere<br />

Krankheiten waren. Diese<br />

verbesserten Sorten ermöglichten<br />

nicht nur den Landwirten<br />

auf der ganzen Welt den <strong>Getreideschwarzrost</strong><br />

für über 50<br />

Jahre in Schach zu halten, sondern<br />

garantierten auch höhere<br />

und zuverlässigere Ernteerträge.<br />

Allerdings sind die 1998 in<br />

Uganda entdeckten neuen<br />

Stämme des <strong>Getreideschwarzrost</strong>,<br />

Ug99, benannt nach dem<br />

Ort und dem Jahr der Entdeckung<br />

(eigentlich 1998) beziehungsweise<br />

dem Jahr der offiziellen<br />

Bestätigung (1999) oder<br />

TTKSK nach wissenschaftlicher<br />

Nomenklatur, sehr viel gefährlich<br />

als die, die vor 60 Jahren<br />

bis zu 40 Prozent der amerikanischen<br />

Weizenernte zerstörten.<br />

Ernteerträge Europas<br />

seit 2008 bedroht<br />

Anfänglich von der Politik<br />

ignoriert breitet sich Ug99 gegenwärtig<br />

mit circa 800 km pro<br />

Jahr von Ostafrika aus nach<br />

Norden in den Sudan (2006)<br />

und nach Süden über Tansania<br />

(2009) und Zimbabwe (2009)<br />

nach Südafrika (2009) aus und<br />

hat bereits 2006 die arabische<br />

Halbinsel sowie 2008 den Orient<br />

erreicht. Schon 2006 wurde<br />

Ug99 von Ostafrika (Kenia<br />

2001, Äthiopien 2003) aus, wo<br />

es bis zu 80 Prozent Ertragsausfälle<br />

verursachte, in den<br />

Jemen und von dort aus weiter<br />

in den Iran (2008) verbreitet<br />

und bedroht seitdem die Ernteerträge<br />

Europas und Asiens.<br />

Mittlerweile ist der <strong>Getreideschwarzrost</strong><br />

Ug99 in mindesten<br />

12 Ländern aufgetreten und<br />

hat sich ostwärts bis nach Indien,<br />

Bangladesch und sogar<br />

Abbildung oben und Seite 12: Schön anzusehen ist die herbstbunte Berberize, doch als Schwarzrostzwischenwirt<br />

trägt sie im erheblichen Maße zur Verbreitung des pfl anzenpathogenen Pilzes bei. Die Gefahr, die von<br />

der Berberize ausgeht ist aber noch viel größer als angenommen. <strong>Der</strong> Schwarzrost nutzt die Blätter seines<br />

Zwischenwirts zur sexuellen Reproduktion und erhöht dadurch seine genetische Variabilität. Dadurch kann er<br />

sich besser an die resistenten Getreidesorten und Fungizide anpassen. Und genau diese Anpassungsfähigkeit<br />

macht Ug99 zu einer tödlichen Bedrohung. Deshalb wurden bereits in der Vergangenheit Berberitzen großfl<br />

ächig gerodet um einer Ausbreitung des Pilzes entgegenzuwirken.<br />

bis nach Nepal ausgedehnt.<br />

Entgegen früheren Annahmen,<br />

dass Ug99, aufgrund seiner<br />

Frostempfindlichkeit, Europa<br />

weniger bedroht als wärmere<br />

Getreideanbauregionen, ist damit<br />

zu rechnen, dass auch das<br />

Klima Europas keine Barriere<br />

für Ug99 darstellen wird, vor<br />

allem, weil <strong>Getreideschwarzrost</strong><br />

in Form von schwarzen, zweizelligen<br />

Teleutospore großflächig<br />

an Getreidehalmen überwintert.<br />

Weitere 25 Länder<br />

als bedroht eingestuft<br />

Zwischenzeitlich wurden über<br />

25 weitere Länder von der<br />

Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation<br />

der Vereinten<br />

Nationen als bedroht eingestuft.<br />

Die größte Bedrohung<br />

in den kommenden Jahren ist<br />

eine flächendeckende Ausbreitung<br />

über ganz Asien. Dabei<br />

werden weltweit führende Weizenproduzenten<br />

wie Pakistan,<br />

Indien und China im besonderen<br />

Maße betroffen sein. Des-<br />

halb stehen auch Kenia, Äthiopien,<br />

Ägypten, Afghanistan,<br />

Pakistan, Indien, Bangladesh,<br />

und Nepal an vorderster Stelle<br />

für die Bereitstellung Ug99resistenter<br />

Sorten. So ist es bereits<br />

in Kenia durch den Einsatz<br />

resistenter Sorten gelungen<br />

Ug99 weitgehend unter Kontrolle<br />

zu bringen. Dagegen wird<br />

jedoch Äthiopien weiterhin<br />

von dramatischen Ertragsverluste<br />

bedroht, vor allem, weil<br />

Landwirte und Saatgutvermehrer<br />

weiterhin an der Ug99anfälligen<br />

Hochertragssorte<br />

Attila festhalten. Aber nicht<br />

nur die unmittelbar benachbarten<br />

Länder in Afrika und<br />

Asien, sondern auch Australien<br />

und Amerika sind bedroht. Von<br />

Südafrika aus können die Sporen<br />

des <strong>Getreideschwarzrost</strong><br />

Ug99 durch den Wind in zwei<br />

Richtungen verbreitet werden.<br />

Zum einen können die Ug99-<br />

Sporen durch Luftbewegungen,<br />

die bereits in der Vergangenheit<br />

Krankheiten weiter getragen<br />

haben, über den Indischen Oze-<br />

an direkt nach Australien verfrachtet<br />

werden. Zum anderen<br />

wird die westliche Hemisphäre<br />

ebenfalls durch günstige Windverhältnisse<br />

bedroht, wie erst<br />

kürzlich von Wissenschaftler in<br />

Modellstudien nachgewiesen<br />

werden konnte. Bereits 1978 ist<br />

auf diesem Wege ein Pilz, der<br />

Zuckerrohr befällt, von Kamerun<br />

nach Florida gelangt. Aber<br />

auch der zunehmende Luftverkehr<br />

wie auch der Tourismus<br />

fördern eine Verbreitung von<br />

Ug99-Sporen. So gelangte beispielsweise<br />

1979 der Gelbrost<br />

auf diesem Wege nach Australien<br />

und erreichte bereits im<br />

folgenden Jahr Neuseeland.<br />

Somit ist es nur noch eine Frage<br />

der Zeit, bis Ug99-Sporen<br />

ihren Weg über den Atlantik<br />

nach Brasilien und weiter nach<br />

Nordamerika finden werden.<br />

Deshalb ist auch im Rahmen<br />

der weltweiten Schwarzrost-<br />

Überwachungsinitiative die<br />

Einrichtung eines Schwarzrost-<br />

Überwachungssystems in Brasilien<br />

geplant.


12<br />

Pfl anzenschutz<br />

<strong>Dr</strong>uck auf<br />

Schädling erhöhen<br />

Mittlerweile findet eine Ug99-<br />

Überwachung in 27 Entwicklungsländern<br />

auf über<br />

42 Mio. ha statt. Somit stellen<br />

die sieben Ug99-Varianten die<br />

Hauptbedrohung der Weltgetreideproduktion<br />

dar. Von<br />

einer globalen Ausbreitung<br />

von Ug99 werden jedoch die<br />

reichen Industrienationen<br />

weitaus weniger gefährdet<br />

als Entwicklungsländer und<br />

Schwellenländer, weil sie es<br />

sich leisten können neue und<br />

vor allem resistente Weizensorten<br />

anzubauen oder Fungizide<br />

einzusetzen. Aber gerade der<br />

weltweite Anbau resistenter<br />

Sorten und der Einsatz von<br />

Fungiziden ist unerlässlich,<br />

um den <strong>Dr</strong>uck auf den Schädling<br />

zu erhöhen und um eine<br />

erneute Einnischung des<br />

pathogenen Pilzes zu verhindern,<br />

damit ihm die Zeit zur<br />

Weiterentwicklung und zur<br />

Evolution von Resistenzen genommen<br />

wird. Eine weitere<br />

Strategie zur Eindämmung von<br />

Ug99 könnte in der Rodung<br />

schwarzrostanfälliger Berberizenarten<br />

bestehen. So ist zum<br />

Beispiel Berberis vulgaris, im<br />

Gegensatz zu Berberis thunbergii,<br />

ein bekannter Zwischenwirt<br />

von Schwarzrost und trägt wesentlich<br />

zur Infektion von Getreidekulturen<br />

bei. Bereits im<br />

20. Jahrhundert haben jedoch<br />

großflächige Rohdungen von<br />

Berberizengehölzen einen wesentlichen<br />

Beitrag zur Ausrottung<br />

des <strong>Getreideschwarzrost</strong><br />

geleistet. Diese Möglichkeit<br />

sollte erneut in Betracht gezogen<br />

werden, vor allem unter<br />

dem Gesichtspunkt neuester<br />

Forschungsergebnisse, dass<br />

Ug99 und andere Rostpilze ihre<br />

genetischen Variabilität durch<br />

sexuelle Reproduktion auf den<br />

Blättern von Zwischenwirtpflanzen,<br />

wie zum Beispiel der<br />

Berberitze, erhöhen und dadurch<br />

besser an die resistenten<br />

Getreidesorten und Fungizide<br />

angepasst werden. Und genau<br />

diese Tatsache macht Ug99 zu<br />

einer tödlichen Bedrohung.<br />

Da die Mehrheit der zurzeit<br />

gezüchteten Sorten (über 85<br />

Prozent) anfällig für Ug99 und<br />

seine Varianten ist, müssen<br />

Resistenzen identifiziert und<br />

der Landwirtschaft zugänglich<br />

gemacht werden. Effektive Resistenzen<br />

wurde aber bereits<br />

mittels molekularer Marker entdeckt<br />

und werden der modernen<br />

Pflanzenzüchtung verfügbar<br />

gemacht. Dabei handelt es sich<br />

um zwei Resistenzgene, die direkt<br />

in Brotweizensorten identifiziert<br />

werden konnten und<br />

18 weitere, die in artverwandten<br />

Sorten gefunden wurden.<br />

Mittlerweile befinden sich über<br />

60 resistente Weizensorten in<br />

der Erforschung, wovon bereits<br />

schon über 20 resistente<br />

Weizensorten kommerziell verfügbar<br />

sind. Trotzdem kann<br />

auf den Einsatz von Fungiziden<br />

nicht verzichtet werden,<br />

weil nicht hinreichend Saatgut<br />

zur Verfügung steht, um mindestens<br />

die Befallsregionen<br />

flächendeckend zu versorgen.<br />

Damit jedoch eine dauerhafte<br />

Resistenz zur Eindämmung von<br />

Ug99 und seiner Varianten erreicht<br />

werden kann, müssen<br />

insbesondere mehrere Resistenzgene<br />

kombiniert und in<br />

neue Sorten übertragen werden,<br />

um die Wahrscheinlichkeit<br />

einer Resistenzentwicklung bei<br />

dem pathogenen Pilz zu minimieren.<br />

Auch die Möglichkeit<br />

einer Übertragung von Resistenzgenen<br />

aus Reis, die den<br />

Zuckerstoffwechsel des pathogenen<br />

Pilzes beeinträchtigen,<br />

darf dabei nicht ausser Acht<br />

gelassen werden.<br />

Verstärkte Zunahme<br />

in Europa<br />

Doch seit über zehn Jahren<br />

wird auch zunehmend in Europa<br />

immer wieder aus einigen<br />

Regionen eine verstärkte Infektion<br />

vom Weizenkulturen und<br />

Roggenbeständen mit <strong>Getreideschwarzrost</strong><br />

gemeldet. Glücklicherweise<br />

handelt es sich in diesen<br />

Fällen noch nicht um Ug99.<br />

Die Zunahme der Infektionen<br />

ist aber nicht nur allein auf sich<br />

ändernde klimatische Bedingungen<br />

zurückzuführen, die eine<br />

Entwicklung des aggressiven<br />

Pilzes positiv beeinflussen, sondern<br />

vor allem auch auf unzureichende<br />

Bodenbearbeitung,<br />

bei der Ernterückstände nicht<br />

hinreichend eingearbeitet werden.<br />

Gerade konservierende Bodenbearbeitung<br />

und Direktsaat<br />

ermöglichen so das Überwintern<br />

des Pilzes in Form von Teleutosporen<br />

und schaffen auf diese<br />

Weise die Voraussetzungen für<br />

eine Neuinfektion im folgenden<br />

Jahr. In gleicher Weise können<br />

ebenfalls die Uredosporen überwintern,<br />

so dass der Pilz im Folgejahr<br />

keinen Zwischenwirt benötigt.<br />

Aber auch Flächenstilllegungen<br />

sowie das Bepflanzen<br />

von Windschutzstreifen mit<br />

Berberitzen (Berberis vulgaris)<br />

fördert die Infektionsgefahr, vor<br />

allem weil die Berberitze dem<br />

Schwarzrost als Zwischenwirt<br />

dient. Das stellt ganz besonders<br />

den ökologischen Landbau vor<br />

große Problemen, denn zurzeit<br />

stehen keine schwarzrostresistenten<br />

Roggensorten zur<br />

Verfügung und der Einsatz von<br />

Fungiziden ist nur im konventionellen<br />

Landbau erlaubt. Da der<br />

Schwarzrost jedoch aufgrund<br />

seines Lebenszyklus erst ab<br />

Landpost <strong>46</strong>/<strong>2012</strong><br />

Juni seinen Wirt befällt empfiehlt<br />

sich, gerade in Befallsregionen,<br />

der Anbau von Wintergetreide<br />

und frühreifer Getreidesorten.<br />

Eine gründliche<br />

Bodenbearbeitung sollte auf<br />

keinen Fall ausbleiben.<br />

Die richtigen<br />

Lehren ziehen<br />

Aus der Rückkehr des <strong>Getreideschwarzrost</strong><br />

müssen unbedingt<br />

die richtigen Lehren gezogen<br />

werden. Für viele Menschen<br />

ist das Wiederaufleben dieser<br />

Krankheit ein warnendes Beispiel<br />

für die Einmischung von<br />

Wissenschaft und Forschung<br />

in die Landwirtschaft sowie für<br />

die Abhängigkeit der ganzen<br />

Menschheit von nur wenigen<br />

Kulturpflanzen. Hätte sich die<br />

Menschheit nicht in die Hände<br />

eines einzigen Resistenzgens<br />

(Sr31) begeben, so wäre jetzt die<br />

globale Weizenproduktion nicht<br />

gefährdet. Doch die Wahrheit<br />

ist genau das Gegenteil. Ohne<br />

den schwarzrostresistenten<br />

Weizen würden Millionen von<br />

Menschen an Hunger leiden.<br />

Schliesslich war es doch das<br />

<strong>Getreideschwarzrost</strong>-Resistenzgens<br />

Sr31, das über Jahrzehnte<br />

eine sichere Ernte gewährleistete.<br />

Bis heute ist Sr31 sicherlich<br />

eine der segensreichsten Entdeckungen<br />

der Menschheitsgeschichte.<br />

Deshalb sind Wissenschaft<br />

und Forschung nicht die<br />

Ursache für die Rückkehr des<br />

<strong>Getreideschwarzrost</strong> sondern<br />

bieten langfristige Lösungen für<br />

seine nachhaltige Bekämpfung<br />

an. Aus diesen Gründen müssen<br />

Politiker, Landwirte, Wissenschaftler<br />

und Pflanzenzüchter<br />

wirklich jede nur erdenkliche<br />

Möglichkeit, einschließlich<br />

der Pflanzenbiotechnologie,<br />

nutzen, um Ug99 weltweit zu<br />

stoppen. Bisher ist die prophezeite<br />

globale Katastrophe nicht<br />

eingetreten. Die schlimmsten<br />

Befürchtungen blieben glücklicherweise<br />

aus. Aber auch wenn<br />

bis heute die weltweit größten<br />

Weizenproduzenten wie die<br />

USA und Russland nicht betroffen<br />

sind so ist trotzdem Vorsicht<br />

geboten. Die Warnungen müssen<br />

ernst genommen werden<br />

und Massnahmen zur Verhinderung<br />

einer globalen Katastrophe<br />

müssen dringend umgesetzt<br />

werden.<br />

<strong>Dr</strong>. Christian-Robert Fiedler

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!