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Schaumschläger nicht erwünscht - Dr. Neinhaus Verlag AG

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8<br />

Bioenergie<br />

Landpost 50/2013<br />

<strong>Schaumschläger</strong> <strong>nicht</strong> <strong>erwünscht</strong><br />

Die unkontrollierte Schaumbildung gehört zu den häufigsten<br />

Betriebsstörungen in Biogasanlagen<br />

Dass im Fermenter einer<br />

Biogasanlage im<br />

Großen und Ganzen<br />

das Gleiche passiert, wie im<br />

Pansen der Kuh, gehört hierzulande<br />

schon fast zum Allgemeinwissen.<br />

Vermutlich weniger<br />

bekannt ist dagegen, dass<br />

die natürlichen als auch die<br />

technischen Futterverwerter<br />

verbreitet unter derselben Verdauungsstörung<br />

leiden — einer<br />

übermäßigen Schaumbildung.<br />

Wiederkäuer zeigen dieses<br />

Symptom unter anderem nach<br />

unvermittelter Umstellung von<br />

Heu auf Grünfutter. Die Pansentympanie,<br />

so die veterinärmedizinische<br />

Bezeichnung, bewirkt,<br />

dass die Kuh das entstehende<br />

Gas wegen des klebrigen<br />

Schaums <strong>nicht</strong> wie sonst üblich<br />

ausrülpsen kann. Manchmal<br />

hilft dann nur ein gezielter lebensrettender<br />

Schnitt in die<br />

Flanke, damit der schaumige<br />

Panseninhalt abfließen kann.<br />

Frühwarnsystem soll<br />

Schäden vorbeugen<br />

Das geht bei einem Biogasreaktor<br />

aus Stahl oder Beton natürlich<br />

<strong>nicht</strong>. Anlagenbetreibern<br />

bleibt da nur die Bekämpfung<br />

übermäßiger Schaumbildung<br />

im Biogasprozess, um Folgeschäden<br />

zu vermeiden. „Diese<br />

reichen von einigen hundert<br />

Euro für erhöhten Personalaufwand<br />

und den Einsatz von Antischaummitteln<br />

bis zu schwerwiegenden<br />

Betriebsstörungen<br />

mit hohen Kosten etwa durch<br />

Krustenbildung an der Reaktorwand<br />

oder verstopfte<br />

Gasleitungen“, weiß <strong>Dr</strong>.-Ing.<br />

Lucie Moeller vom Helmholtz-<br />

Zentrum für Umweltforschung<br />

(UFZ) in Leipzig. Die Wissenschaftlerin<br />

gehört zu einem<br />

Forscherteam, das sich bereits<br />

seit einigen Jahren mit der<br />

Schaumbildung in Biogasanlagen<br />

beschäftigt.<br />

Ziel der Forscher ist es, ein<br />

Frühwarnsystem zu entwickeln,<br />

um Schaumereignisse vorherzusehen<br />

und diesen durch eine<br />

angepasste Prozessführung<br />

<strong>Dr</strong>.-Ing. Lucie Moeller forscht im Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung<br />

(UFZ) Leipzig an den Ursachen übermäßiger Schaumbildung in Biogasanlagen.<br />

Fotos: Carmen Rudolph<br />

entgegen zu wirken. In einem<br />

ersten Teilprojekt, dessen Ergebnisse<br />

jetzt vorliegen, folgte<br />

das UFZ-Forscherteam der Spur<br />

des Schaums, indem es deutschlandweit<br />

den Betriebsalltag in<br />

13 schäumenden Praxisanlagen<br />

analysierte und Beprobungen<br />

vornahm. Darunter fünf, in<br />

denen überwiegend Abfallstoffe<br />

zum Einsatz kommen,<br />

und acht NawaRo-Anlagen.<br />

Ergänzt wurde diese Detektivarbeit<br />

durch eine Befragung<br />

von Betreibern, die Erfahrungen<br />

bei der Schaumbekämpfung in<br />

Abfallanlagen gesammelt haben,<br />

sowie durch begleitende<br />

Testserien im Labor.<br />

„Unsere Untersuchungen<br />

zeigten, dass die Schaumbildung<br />

in Biogasanlagen meist<br />

auf physikochemischen Effekten<br />

basiert. Das heißt, die Ursachen<br />

liegen entweder bei den<br />

Substraten oder in der <strong>nicht</strong> optimalen<br />

Betriebsführung. Auslöser<br />

kann auch ein unglückliches<br />

Zusammenspiel beider<br />

Faktoren sein“, zieht Moeller<br />

ein erstes Resümee. In den meisten<br />

Proben aus schäumenden<br />

Reaktoren hätten Parameter, die<br />

auf Stress in der Mikrobiologie<br />

hindeuten, wie der Ammonium-Stickstoff-Gehalt<br />

oder die<br />

Konzentration von Essigsäure,<br />

jedenfalls im grünen Bereich<br />

gelegen. Das Problem sei offensichtlich<br />

komplexer, als ursprünglich<br />

angenommen.<br />

Dennoch gelangten die Wissenschaftler<br />

am UFZ zu Erkenntnissen,<br />

die Ansatzpunkte für<br />

die weitere Forschung liefern.<br />

Ein Indikator ist zum Beispiel<br />

die Schaumbeschaffenheit. Je<br />

kleiner die Blasen je größer die<br />

Probleme, könnte man es auf<br />

den Punkt bringen. Warum sich<br />

die Schäume in der Blasengröße<br />

unterscheiden, wird nun weiter<br />

untersucht. Ein ähnlicher Zusammenhang<br />

besteht zwischen<br />

der Abbaubarkeit der Substrate<br />

und der Schaumneigung. Je<br />

mehr leicht abbaubare Substanzen<br />

die Einsatzstoffe enthalten<br />

und je besser sie aufgeschlossen<br />

sind, desto größer ist das Risiko.<br />

Kritisch ist vor allem die Umstellungsphase.<br />

Ein Betreiber<br />

berichtete, dass der Fermenterinhalt<br />

kurz nach der ersten Fütterung<br />

mit Schlachtabfällen<br />

„wie Hefeteig“ aufging und die<br />

Gasableitung verstopfte. Als<br />

schaumauslösend gelten außerdem<br />

Stoffe, die, ähnlich wie<br />

bei Waschmitteln, die Oberflächenspannung<br />

herabsetzen.<br />

Dazu zählen Fettabscheiderinhalte,<br />

Reste aus der Bioethanolproduktion<br />

und Abwasser<br />

aus Molkereien. Aus den<br />

Beobachtungen der Anlagen ergibt<br />

sich zudem die Vermutung,<br />

dass eine plötzliche Temperaturschwankung<br />

die Schaumbildung<br />

begünstigt.<br />

Schaumkrone wie beim<br />

Frischgezapften<br />

Biogasanlagen, die überwiegend<br />

mit nachwachsenden<br />

Rohstoffen beschickt werden,<br />

haben wegen des eher gleich<br />

bleibenden Fütterungsmenüs<br />

weniger Probleme mit übermäßiger<br />

Schaumbildung. Dennoch<br />

gibt es auch hier kritische Substrate.<br />

Bekannte Problemstoffe<br />

sind der stickstoffreiche Hühnertrockenkot<br />

und Zuckerrüben.<br />

Letztere begünstigen die<br />

Blasenbildung <strong>nicht</strong> nur durch<br />

ihren Gehalt an Zucker son-<br />

Übermäßige Schaumbildung in Fermentern von Biogaslagen mindert den<br />

Energieertrag und kann zu enormen Schäden führen.


Landpost 50/2013<br />

Bioenergie<br />

9<br />

Internetportal verbraucherfreundlicher<br />

Mehr Durchblick im „Siegel-<br />

Dschungel“ verspricht<br />

das Internetportal www.labelonline.de,<br />

das jetzt von der<br />

Verbraucherinitiative mit Unterstützung<br />

vom Bundesagrarministerium<br />

noch verbraucherfreundlicher<br />

gestaltet wurde.<br />

Wie das Berliner Agrarressort<br />

vergangene Woche mitteilte,<br />

ist die Warenwelt zu keiner Zeit<br />

dern auch durch hohe Mengen<br />

an Pektin in den Zellwänden.<br />

Mit Schaumbildung reagiert<br />

die Fermentation auch auf die<br />

Fütterung mit nasser, verdorbener<br />

oder verschimmelter<br />

Maissilage. Dies gilt ebenso<br />

für das in Biogasanlagen gern<br />

als Energiebooster eingesetzte<br />

Getreideschrot, wenn die Zugabe<br />

in unverhältnismäßiger<br />

Menge erfolgt. Grund ist hier<br />

ebenfalls eine rasche Verwertung<br />

des Substrates wegen der<br />

stark vergrößerten Fläche der<br />

winzigen Partikel. Fein gemahlener<br />

Schrot verursacht ja gelegentlich<br />

auch Blähungen im<br />

Rinderpansen. Hinzu kommt,<br />

dass Stärke und Proteine den<br />

Schaum stabilisieren. Ein Effekt,<br />

der in der Lebensmittelindustrie<br />

willkommen ist. Doch während<br />

der Anblick einer schönen<br />

Schaumkrone auf frisch gezapftem<br />

Bier erfreut, ist sie im<br />

Fermenter höchst un<strong>erwünscht</strong>.<br />

des Jahres so bunt und vielfältig<br />

wie im Weihnachtsgeschäft.<br />

Wer wissen wolle, was sich hinter<br />

einem Label verberge und<br />

wie verlässlich es sei, finde in<br />

dem Portal zuverlässige Informationen,<br />

versprechen die<br />

Betreiber. Wer das Label seiner<br />

Wahl aufruft, erhält nun ein<br />

kurzes Profil mit allen wichtigen<br />

Informationen. lp<br />

Als Gegenstrategie bei überschäumenden<br />

Biogasprozessen<br />

verordnen viele Betreiber dem<br />

Biogasfermenter zunächst eine<br />

strenge Diät. Durch die Hungerkur<br />

erhalten die Mikroorganismen<br />

Zeit, sich an die Betriebsbedingungen<br />

anzupassen.<br />

Helfen kann auch, einen Teil<br />

des Fermenterinhalts abzupumpen,<br />

um Platz zu schaffen<br />

und den Schaum unterzurühren<br />

oder das Gärsubstrat mit Wasser<br />

zu verdünnen. „Daher sollte<br />

man schon beim Bau einer Biogasanlage<br />

einen Behälter für<br />

die Aufnahme von kostengünstigem<br />

Regenwasser einplanen“,<br />

empfiehlt Moeller.<br />

Kontrovers wird die Nutzung<br />

von Antischaummitteln diskutiert.<br />

In der Regel greifen<br />

Schaumgeplagte hier zum<br />

preiswerten Rapsöl, dass beim<br />

Biogasprozess sozusagen als<br />

natürliche Zugabe mit verstoffwechselt<br />

wird. Laboruntersuchungen<br />

haben allerdings<br />

gezeigt, dass Rapsöl kein Alleskönner<br />

in Sachen Schaumbeseitigung<br />

ist und insgesamt die<br />

schlechteste Wirkung aufweist.<br />

Vier von sieben handelsüblichen<br />

Entschäumern wurden<br />

ebenfalls in Biogas umgesetzt.<br />

An erster Stelle bei den Methoden<br />

zur Schaumvermeidung<br />

steht für Moeller jedoch die<br />

Prävention. „Durch umsichtiges<br />

Agieren kann der Anlagenbetreiber<br />

vor vielen Problemen<br />

bewahrt werden. Deswegen<br />

muss er seine Anlage wie einen<br />

lebenden Organismus betrachten.<br />

Er muss für seine Betonkuh<br />

denken. Eine echte Kuh reguliert<br />

die Futtereinnahme je nach<br />

momentaner Befindlichkeit. Bei<br />

einer Biogasanlage, die ähnlich<br />

wie ein Pansen funktioniert,<br />

muss diese Regulierung vom<br />

Bedienpersonal übernommen<br />

werden“, so die Expertin für<br />

Störfalldiagnostik.<br />

Schneller Schaumtest<br />

für Praktiker<br />

Um die Betreiber in der täglichen<br />

Praxis dabei zu unterstützen,<br />

hat die Wissenschaftlerin<br />

ein einfach zu bedienendes<br />

Testset entwickelt.<br />

Mit dem „Leipziger Schaumtester“<br />

ist es ohne aufwändige<br />

Analytik möglich, Substrate<br />

vor Ort auf ihre Schaumneigung<br />

zu untersuchen. Dafür<br />

wird etwas aktives Gärmaterial<br />

in den Glasbehälter des<br />

Sets gefüllt und eine Probe des<br />

Der „Leipziger Schaumtester“ ermöglicht<br />

eine relativ schnelle Voruntersuchung<br />

von Substraten auf<br />

ihre Schaumneigung.<br />

neuen Substrats zugegeben.<br />

Dann bleibt der durchsichtige<br />

Minifermenter einige Stunden<br />

bei konstanter Temperatur je<br />

nach Anlagentyp im mesophilen<br />

beziehungsweise thermophilen<br />

Bereich stehen. So<br />

wird ersichtlich, wie stark die<br />

geplante neue Komponente im<br />

Futtermix zur Schaumbildung<br />

neigt, ob dieser Einsatzstoff entweder<br />

gar <strong>nicht</strong> oder zunächst<br />

besser nur in homöopathischen<br />

Dosen zugesetzt werden sollte.<br />

Nach Einschätzung der Forscherin<br />

haben etwa 80 Prozent<br />

der Abfallanlagen und zehn bis<br />

20 Prozent der NawaRo-Anlagen<br />

regelmäßig Probleme mit<br />

übermäßiger Schaumbildung.<br />

Mit dem Leipziger Messgerätespezialisten<br />

Eismann & Stöbe<br />

wurde ein Hersteller für den<br />

Schaumtester gefunden.<br />

Wolfgang Rudolph<br />

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