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Franziskaner Mission 03/06 - Neue Provinzleitung der Deutschen ...

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Information o<strong>der</strong> Illusion<br />

3|20<strong>06</strong><br />

Medien verän<strong>der</strong>n<br />

Kirche und Medien o<strong>der</strong>: Wenn <strong>der</strong> Apostel Paulus einen Computer gehabt hätte<br />

Die Konstruktion unserer (Welt)Wirklichkeit – Das Bild <strong>der</strong> »Dritten Welt« aus den Medien<br />

»Mal schnell« ins Internet? – Das Projekt »Internet für Einheimische« in Kivumu, Ruanda<br />

Radio Educadora: Unterhalten und Evangelisieren – Bildungsradio in São Luis, Brasilien


<strong>Franziskaner</strong> <strong>Mission</strong> 3 | 20<strong>06</strong> — Information o<strong>der</strong> Illusion – Medien verän<strong>der</strong>n<br />

Editorial Inhalt<br />

Liebe Leserinnen, liebe Leser,<br />

liebe Freunde <strong>der</strong> <strong>Franziskaner</strong> <strong>Mission</strong>,<br />

als 1951 unsere ersten<br />

<strong>Mission</strong>are nach mehr<br />

als dreiwöchiger<br />

Schiffsreise endlich im<br />

Nordosten Brasiliens<br />

ankamen, konnten<br />

sie nicht »mal eben<br />

schnell« ihre Familien<br />

in Deutschland<br />

benachrichtigen. Im<br />

gesamten Bundesstaat<br />

Maranhão gab es<br />

praktisch nur eine<br />

Telefonstelle, nämlich in <strong>der</strong> Hauptstadt<br />

São Luís: Am Sandstrand Olho<br />

d’Agua kam ein Telefonkabel direkt<br />

aus dem Atlantischen Ozean. Dieses<br />

Kabel war damals die einzige direkte<br />

Verbindung nach Europa. Wenn man<br />

telefonieren wollte, musste man sich<br />

bei <strong>der</strong> Zentrale <strong>der</strong> Telefongesellschaft<br />

»Western« im voraus anmelden.<br />

Telefonieren war purer Luxus<br />

und trotzdem klappte die Technik<br />

meist schlecht o<strong>der</strong> gar nicht.<br />

Als ich Anfang 1983 nach Brasilien<br />

ging, war das Kabeltelefon in São<br />

Luís zwar schon lange stillgelegt und<br />

in allen größeren Orten von Maranhão<br />

gab es Fernsprecher, aber das<br />

Telefonieren war immer noch ein sehr<br />

teurer Spaß. Wenn ich zu Weihnachten<br />

meine Eltern im Sauerland anrief,<br />

um ihnen ein frohes Fest zu wünschen,<br />

waren schnell 20 bis 30 Mark<br />

weg. Dringende Kommunikation<br />

lief am günstigsten über Fax, doch<br />

die meisten Kontakte wurden per<br />

Luftpost gepflegt.<br />

Heute sind – auch im Alltag <strong>der</strong><br />

<strong>Franziskaner</strong> <strong>Mission</strong> – mo<strong>der</strong>ne<br />

Medien, die durch das Internet<br />

möglich wurden, nicht mehr wegzudenken.<br />

Wir stehen mit den meisten<br />

<strong>Mission</strong>aren in Brasilien und Ostafrika<br />

im regelmäßigen eMail-Kontakt. So<br />

kann man schnell aktuelle Informationen<br />

erfragen, die von unseren<br />

deutschen Partnergruppen über<br />

die unterstützten Projekte erbeten<br />

werden. Für diese Ausgabe unserer<br />

Zeitschrift beispielsweise benötigten<br />

wir zur Gestaltung einige Fotos aus<br />

Ruanda. Eine kurze Anfrage per<br />

eMail nach Kivumu – und schon zwei<br />

Stunden später waren die Bil<strong>der</strong> als<br />

eMail-Anhang in Dortmund.<br />

Suchmaschinen wie Google<br />

erleichtern unsere Arbeit, führen uns<br />

in Sekundenschnelle zu den Websites<br />

unserer Partner und zu den Internetauftritten<br />

von einer ganzen Reihe<br />

unserer Projekte. Wartete man früher<br />

wochenlang auf Post, ermöglichen<br />

heute günstige Telefonverbindungen<br />

eine direkte und effektive Kommunikation.<br />

Wo man sich vor noch nicht<br />

allzu langer Zeit mit Diamagazinen und<br />

Projektoren herumschlagen musste,<br />

erleichtern heute kurze Filme auf DVD<br />

o<strong>der</strong> Powerpoint-Präsentationen über<br />

Beamer einen anschaulichen Informationsfluss.<br />

Mo<strong>der</strong>ne Medien können sehr<br />

positive Verän<strong>der</strong>ungen mit sich<br />

bringen. Sie können den Benutzer aber<br />

auch in eine Scheinwelt von Illusionen<br />

führen o<strong>der</strong> ihn aufhetzen zu Hass<br />

und Gewalt. Die vorliegende Ausgabe<br />

<strong>der</strong> <strong>Franziskaner</strong> <strong>Mission</strong> möchte Sie<br />

mitten in diese Spannung hineinführen.<br />

Wie geht z.B. die Kirche mit den<br />

Medien um? Wie ist das mit dem<br />

Nord-Süd-Gefälle in Sachen mo<strong>der</strong>ner<br />

Medien? Birgt eine immer schneller<br />

werdende Kommunikation nicht auch<br />

die Gefahr von mehr Oberflächlichkeit<br />

und weniger Menschlichkeit? Wie<br />

können wir uns die neuen technischen<br />

Errungenschaften so zu Nutze machen,<br />

dass weltumspannende Kommunikation<br />

die Völker im Frieden verbindet<br />

und durch effektive Solidarität das<br />

Schicksal so vieler Not leiden<strong>der</strong> Menschen<br />

zum Besseren verän<strong>der</strong>t?<br />

Der Heilige Paulus hatte nur eine<br />

Papyrusrolle. Wir haben Computer,<br />

Internet und satellitengestütztes Telefon.<br />

Mit dem alltäglichen Einsatz <strong>der</strong><br />

<strong>Mission</strong>are vor Ort und Ihrer treuen<br />

Unterstützung möchten wir weiter<br />

alle Mittel für eine gerechtere und<br />

friedvolle Welt nutzen.<br />

Ihr<br />

Br. Augustinus Diekmann ofm<br />

Leiter <strong>der</strong> <strong>Franziskaner</strong> <strong>Mission</strong><br />

1<br />

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Kirche und Medien<br />

Die Konstruktion unserer (Welt)Wirklichkeit<br />

Digitales Nord-Süd-Gefälle<br />

Internet als Enwicklungshelfer?<br />

»Mal schnell« ins Internet?<br />

Radio Mille Collines: Die Stimmes des Hasses<br />

Radio Educadora: Unterhalten und Evangelisieren<br />

Die Tupari sehen fern<br />

Süchtig nach <strong>der</strong> heilen Welt<br />

Was haben Handys mit Krieg zu tun?<br />

Mit einem Klick ins Kloster<br />

Mit Franziskus und Klara im Dialog<br />

Menschenrechts-Filmpreis<br />

Besuch von meinen Enkeln<br />

Kurznachrichten<br />

Projekt<br />

Impressum<br />

<strong>Franziskaner</strong> <strong>Mission</strong> wird viermal im Jahr kostenlos den<br />

Freunden <strong>der</strong> franziskanischen <strong>Mission</strong>sarbeit zugestellt.<br />

<strong>Franziskaner</strong> <strong>Mission</strong> erscheint im Auftrag <strong>der</strong> Sächsischen<br />

und <strong>der</strong> Kölnischen <strong>Franziskaner</strong>provinz, <strong>der</strong> Provinz von<br />

Bacabal sowie <strong>der</strong> <strong>Mission</strong>szentrale <strong>der</strong> <strong>Franziskaner</strong> (Bonn).<br />

Herausgeber <strong>Franziskaner</strong> <strong>Mission</strong>, Dortmund<br />

Verantwortlich Augustinus Diekmann ofm<br />

Redaktion Stefan Fe<strong>der</strong>busch ofm, Frank Hartmann ofm,<br />

Franz-Josef Kröger ofm, Thomas M. Schimmel,<br />

Alfons Schumacher ofm, Hildegard Stockmann<br />

Fotos FM-Archiv: 1, 7, 12, 17, 20, 23, 27 u., 28 l.u., 28 r.<br />

KNA-Bild: 2, 3, 25. www.fotolia.de: 5. T. Nahlik: 6. B. Jaster: 9.<br />

I. Peric: 10, 11, 14. W. Wyskocil: 13. Z. Lopes: 15, 16, 29.<br />

G. Mere: 18. A. Diekmann: 19, 28 l.o. H. Gockel: 27 l.o.,<br />

27 r.o. M. Blasek: Rückseite. Dreyer: Rückseite Partnerschaftserklärung.<br />

Gestaltung sec GmbH, Osnabrück<br />

Druck Pfotenhauer, gedruckt auf Recycling-Papier<br />

<strong>Franziskaner</strong> <strong>Mission</strong><br />

<strong>Franziskaner</strong>straße 1, 44143 Dortmund, Tel. 02 31/17 63 37 5<br />

Fax 02 31/17 63 37 70, info@franziskanermission.de<br />

Spenden erbitten wir – unter Angabe des Verwendungszwecks<br />

– auf das Konto 5100, Volksbank Hellweg eG (BLZ 414 601 16)<br />

o<strong>der</strong> Konto 34, Sparkasse Werl (BLZ 414 517 50).<br />

Dieser Ausgabe liegt eine Zahlkarte bei.


Kirche und Medien<br />

Auf seinen Lorbeeren ruht sich nun,<br />

so scheint es, das kirchliche Medienengagement<br />

aus. Denn die katholische<br />

Kirche ist in <strong>der</strong> Medienwelt<br />

von heute noch nicht angekommen.<br />

Im Gegenteil: Medien und Kirche,<br />

Kirche und Medien stehen sich<br />

häufig verständnislos gegenüber. Viele<br />

Medienarbeiter interessieren sich<br />

nicht für Kirche und Kirche hat häufig<br />

genug Angst vor kritischen Tönen<br />

in den Medien. Verglichen mit <strong>der</strong><br />

Ausstattung des Völkerapostels, <strong>der</strong><br />

Information o<strong>der</strong> Illusion – Medien verän<strong>der</strong>n — <strong>Franziskaner</strong> <strong>Mission</strong> 3 | 20<strong>06</strong><br />

o<strong>der</strong>: Wenn <strong>der</strong> Apostel Paulus einen Computer gehabt hätte<br />

Den heiligen Petrus erkennt je<strong>der</strong><br />

Besucher einer Kirche seit Jahrhun<strong>der</strong>ten<br />

an dem Schlüssel des Himmelreiches,<br />

den ihm <strong>der</strong> Herr verliehen<br />

hat. Der Völkerapostel Paulus trägt<br />

neben dem Schwert, mit dem er in<br />

Rom hingerichtet wurde, stets ein<br />

Buch. Paulus hat das Christentum in<br />

<strong>der</strong> alten Welt rings um das Mittelmeer<br />

verbreitet. Auf mindestens drei<br />

<strong>Mission</strong>sfahrten hat er in Stadt und<br />

Land gepredigt, Gemeinden gegründet<br />

und nach seiner Weiterreise das<br />

einzige Medium <strong>der</strong> Antike genutzt:<br />

Er hat an die neu geformten Christengruppen<br />

Briefe geschrieben, nach<br />

Korinth und Thessaloniki, nach Ephesus<br />

und Rom, an seine Mitarbeiter<br />

Titus und Timotheus, an die Galater<br />

und die Einwohner von Kolossä. Seine<br />

Schreiben wurden dort immer wie<strong>der</strong><br />

gelesen, man hat darüber debattiert<br />

und daraus gelernt. Die Briefe wurden<br />

abgeschrieben – per Hand vervielfältigt!<br />

– und an an<strong>der</strong>e Gemeinden<br />

weitergeschickt. Solche Kopien auf<br />

Papyros waren ein mühsames und<br />

teures Geschäft. Doch Paulus war ein<br />

Mediengenie. Ohne Computer und<br />

Drucker, ohne Bibliothek und Internet,<br />

ohne Rundfunk und Fernsehen,<br />

ohne Telefon und eMail-System hat<br />

er die frohe Botschaft verbreitet, die<br />

beste Nachricht, die es je gab.<br />

auf seinen gefährlichen Reisen nur<br />

einen Schreiber mit Griffel und Tontafel<br />

hatte, verfügen wir heute über<br />

eine Technik, mit <strong>der</strong> wir nahezu<br />

jeden Winkel dieser Erde in Wort<br />

und Schrift, Bild und Live-Reportagen<br />

erreichen können. Die Medienaufmerksamkeit<br />

für das Sterben von<br />

Papst Johannes Paul II., die Wahl<br />

seines – deutschen – Nachfolgers<br />

Benedikt XVI. und dessen Besuch<br />

beim Weltjugendtreffen in Köln mag<br />

das beweisen. Es waren Ereignisse,<br />

die überall Schlagzeilen machten<br />

und per Satellit rund um den Globus<br />

ausgestrahlt wurden. Aufregend für<br />

die Medien war dabei jedoch nicht<br />

die Botschaft, son<strong>der</strong>n die Inszenierung:<br />

das Drama um den weltweit<br />

bekannten, öffentlich sterbenden<br />

Pontifex, die Teilnahme <strong>der</strong> Massen,<br />

das Geheimnisvolle eines Konklave,<br />

die deutsche Herkunft des neuen<br />

Papstes. Für den kleinen Zeitraum<br />

dieser »events« schien die »ganze<br />

Welt katholisch« geworden zu sein.<br />

Doch kurze Zeit danach kam <strong>der</strong><br />

Ärger um den »pope-town«-Klamauk<br />

und den weltweiten Erfolg <strong>der</strong><br />

biblisch stilisierten Spinnergeschichte<br />

des »Da Vinci Code«, die sich völlig<br />

unverfroren in Deutschland beim<br />

zutreffenden Namen »Sakrileg«, nämlich<br />

Schändung des Heiligen, nannte<br />

und damit Millionenauflage und volle<br />

Kinos deutschlandweit bewirkte.<br />

Der Anteil an Veröffentlichungen<br />

weltlicher Medien, in denen die<br />

Kirche und das Evangelium kritisiert,<br />

in Frage gestellt, verfälscht und verspottet<br />

wird, scheint größer zu sein<br />

als die seriöse und faire Wie<strong>der</strong>gabe<br />

<strong>der</strong> christlichen Botschaft.<br />

Die Begeisterung über das<br />

Erscheinungsbild von katholischer<br />

Kirche in den Medien verpufft sehr<br />

schnell, wenn es denn um Inhalte<br />

geht. Wenn <strong>der</strong> Papst die Schönheit<br />

<strong>der</strong> Ehe preist, ist das allenfalls eine<br />

Kurzmeldung wert. Wenn er für<br />

eine »Kultur des Lebens« und gegen<br />

eine »Kultur des Todes« eintritt und<br />

Embryonenverbrauch zu Forschungszwecken<br />

ausschließt, dann wird er<br />

sehr schnell zum Fundamentalisten.<br />

Wenn er Abtreibung anprangert,<br />

mobilisiert das innere Abwehr, bei<br />

Journalisten und Lesern, weil doch die<br />

eigene Freundin, Schwester, Ehefrau,<br />

Tochter, Tante, Cousine, Kollegin, ja<br />

vielleicht sogar Mutter ... nein danke!<br />

Die katholische Kirche im<br />

Tagesgeschäft <strong>der</strong> Nachrichten wird<br />

meist durch ihren höchsten Vertreter<br />

im Fernsehen repräsentiert. Von <strong>der</strong><br />

Mehrheit <strong>der</strong> Journalisten wurde <strong>der</strong><br />

polnische Papst als charismatische<br />

Persönlichkeit respektiert, ungefähr<br />

so wie Mutter Theresa – sicher etwas<br />

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<strong>Franziskaner</strong> <strong>Mission</strong> 3 | 20<strong>06</strong> — Information o<strong>der</strong> Illusion – Medien verän<strong>der</strong>n<br />

weltfremd – aber eine bedeutende<br />

»Person <strong>der</strong> Zeitgeschichte«, etwa<br />

im Zusammenhang mit Solidarnosc,<br />

nicht gerade als »Heiliger« Vater<br />

o<strong>der</strong> gar »Stellvertreter Gottes auf<br />

Erden«, doch etwas Beson<strong>der</strong>es war<br />

er schon. Sein Nachfolger hat in den<br />

deutschen Medien seit seiner Wahl<br />

ein Heimspiel: »Wir sind Papst«. Man<br />

ist von seiner Milde überrascht, hatte<br />

man Kardinal Ratzinger doch stets als<br />

eine Art Großinquisitor <strong>der</strong> Neuzeit<br />

dargestellt. Das passte besser in das<br />

heute übliche Gruselbild »Verliese des<br />

Vatikans«. Große Überraschung in<br />

den Medien, dass dieser Papst in seiner<br />

ersten Enzyklika nur von Gottes<br />

Liebe sprach und nicht von Verboten.<br />

Solche Botschaften des Bischofs von<br />

Rom werden zumeist klein gedruckt.<br />

Theologisches o<strong>der</strong> Moralisches gilt<br />

in einer wachsend kirchenfremden<br />

Gesellschaft als kaum verständlich,<br />

altmodisch und überholt, ja sogar<br />

unpräzise und unaufrichtig. Dazu<br />

gehört das Dauerthema Zölibat. Das<br />

empört so manchen, weil je<strong>der</strong> schon<br />

entsprechende Geschichten über<br />

Fehltritte im Priestergewand und<br />

Rücktritte vom Priesteramt gehört<br />

hat. Und die kirchenamtlichen Vertuschungsversuche<br />

dazu.<br />

Viele sind – was vielleicht noch<br />

schlimmer ist – gelangweilt. Berichte<br />

über aufgedeckte Verstöße gegen<br />

die – von <strong>der</strong> Kirche selbst gesetz-<br />

ten – Prinzipien von Moral, Skandale<br />

und Tragödien von priesterlichen<br />

Dunkelmännern o<strong>der</strong> Dornenvögeln<br />

hat es genug gegeben. In <strong>der</strong> Realität<br />

wie in <strong>der</strong> Fiktion, die inzwischen<br />

gern mit <strong>der</strong> Realität vermischt<br />

und dann verwechselt wird. Nicht<br />

Priester, die ihre Pflicht als Seelsorger<br />

ein Leben lang im Zölibat erfüllen,<br />

sind aufregend, denn sie bedienen<br />

nicht das Klischee vom »falschen<br />

Pfaffen«. Nicht die segnende, die<br />

sündige Hand des Priesters ist eine<br />

Nachricht wert. Getreu dem Branchenmotto:<br />

je abweichen<strong>der</strong> von <strong>der</strong><br />

Regel, desto größer die Sensation,<br />

desto höher <strong>der</strong> Verkaufswert. Dass<br />

es Priesterseminare gibt, erfährt <strong>der</strong><br />

Leser <strong>der</strong> gängigen Boulevardpresse<br />

eher aus St. Pölten als aus seiner<br />

Bischofsstadt.<br />

Das Alltagsgeschäft <strong>der</strong> Journalisten<br />

ist es doch, mit kritischer Sonde<br />

dem Negativen, Kaputten, Absurden<br />

nachzuspüren. Bad News are Good<br />

News! Dafür werden sie bezahlt, das<br />

lohnt das Publikum mit hoher Einschaltquote,<br />

das ruft auch den Voyeur<br />

vor den Bildschirm, das macht die<br />

Information zur unterhaltsamen Ware<br />

am Zeitungskiosk. Niemanden interessiert<br />

die Nachricht, dass in Frankfurt<br />

»gestern alle Flugzeuge sicher<br />

gestartet und gelandet« sind. Erst<br />

eine Katastrophe macht Schlagzeilen.<br />

Der Normalfall ist keine Nachricht,<br />

<strong>der</strong> Ausnahmefall macht neugierig.<br />

Die Neugier <strong>der</strong> Leser, Hörer,<br />

Zuschauer ist <strong>der</strong> Arbeitgeber von<br />

Journalisten. Sie sind Öffentlichkeitsarbeiter,<br />

Beschäftigte im Serviceunternehmen<br />

namens Infotainment.<br />

Das Positive langweilt den Neugierigen<br />

eher, jedenfalls macht es we<strong>der</strong><br />

Auflage noch Quote. Journalisten<br />

sind bestenfalls Aufklärer, manche<br />

sind – stets auf <strong>der</strong> Suche nach Skandalen<br />

– lieber Aufdecker, viele sind<br />

wohl eher nur Aufschnei<strong>der</strong>.<br />

Die Kirche aber, die über die<br />

beste Nachricht aller Zeiten verfügt,<br />

muss sich mit dieser Presselage<br />

abfinden. Dabei neigt sie natürlich,<br />

da ist sie ganz weltlich, zu positiven<br />

Nachrichten über sich selbst. Für<br />

Journalisten aber ist die Kirche eine<br />

gesellschaftliche Organisation wie<br />

<strong>der</strong> Deutsche Gewerkschaftsbund<br />

o<strong>der</strong> wie <strong>der</strong> Paritätische Wohlfahrtsverband.<br />

Kirche bekommt in<br />

<strong>der</strong> kritischen Betrachtung ihres<br />

gesellschaftlichen Erscheinungsbildes<br />

keinerlei Vorzugsbehandlung o<strong>der</strong><br />

Son<strong>der</strong>rabatt. Es ist von keinem<br />

Reporter, <strong>der</strong> über Meinungsverschiedenheiten<br />

in <strong>der</strong> <strong>Deutschen</strong><br />

Bischofskonferenz berichtet, zu<br />

erwarten, dass er die Kirche dabei<br />

als den »Leib Christi« betrachtet.<br />

Das zuerst wortreiche und später<br />

sprachlose Ringen <strong>der</strong> deutschen<br />

Bischöfe miteinan<strong>der</strong> o<strong>der</strong> mit<br />

dem Vatikan um die Schwangeren-<br />

Konfliktberatung, die Diffamierung<br />

<strong>der</strong> Mitarbeiter als Aussteller von<br />

»Tötungslizenzen«, all das verstanden<br />

auch wohlmeinende Journalisten<br />

nur noch als katholischen »Wettlauf<br />

um den heißen Brei«.<br />

Wer in <strong>der</strong> Hauptstadt Deutschlands<br />

an einem Zeitungskiosk eine<br />

authentische Stimme <strong>der</strong> deutschen<br />

Katholiken finden will, sucht vergebens.<br />

An<strong>der</strong>e Interessenverbände<br />

und Lobbyisten vertreiben o<strong>der</strong><br />

verteilen Hochglanzprodukte – von<br />

<strong>der</strong> Apothekerzeitung über Gewerkschaftsblätter<br />

bis zum evangelischen<br />

Monatsheft »Chrismon«, das großen


Tageszeitungen beigelegt wird.<br />

Katholische Leser sind auf Kirchenblätter<br />

<strong>der</strong> einzelnen Diözesen angewiesen,<br />

die eher wie die Mitglie<strong>der</strong>zeitung<br />

einer regionalen Organisation<br />

angelegt sind. Es gibt die Wochenzeitung<br />

»Rheinischer Merkur«, die<br />

auch kirchliche Themen aufgreift<br />

o<strong>der</strong> die in Würzburg erscheinende<br />

»Tagespost«, die vor allem den konservativen<br />

Flügel <strong>der</strong> Kirche bedient.<br />

Unsere Nachbarn Frankreich und<br />

Polen haben dagegen Tageszeitungen,<br />

die aus katholischer Sicht zu den<br />

Fragen <strong>der</strong> Zeit Position beziehen.<br />

Deutschland hat nominell 28 Millionen<br />

Katholiken. Doch bis heute ist es<br />

Bischöfen und Laien nicht gelungen,<br />

in einer gemeinsamen Kraftanstrengung<br />

ein überregionales Medienprodukt,<br />

Zeitung, Radio o<strong>der</strong> gar<br />

Fernsehprogramm für Deutschland<br />

vorzulegen. Die Übertragung von<br />

Gottesdiensten ist notwendig. In <strong>der</strong><br />

pluralistischen Gesellschaft haben die<br />

christlichen Gemeinden zumindest in<br />

den öffentlich-rechtlichen Programmen<br />

bis heute ein Recht darauf. Man<br />

kann es auch wertneutral sagen: Die<br />

Übertragung einer Sonntagsmesse ist<br />

als Serviceangebot für Gleichgesinnte<br />

unabdingbar. Ob das aber auf<br />

Dauer – auch von einer <strong>der</strong> öffentlich-rechtlichen<br />

Anstalten – gewährleistet<br />

wird, ist offen. Für die Kirche<br />

bliebe in diesem Fall dann nur <strong>der</strong><br />

selbstverwaltete Spartenkanal, wenn<br />

Alte und Kranke bei zunehmendem<br />

Priestermangel die örtliche Sonntagsmesse<br />

nicht mehr erreichen können.<br />

Es gibt regionale, katholisch geprägte<br />

Rundfunkkanäle, das »Domradio<br />

Köln« und »Radio Horeb«, aber es<br />

gibt im deutschen Kirchensteuerland<br />

kein landesweites christliches<br />

Radio wie in Frankreich, das sich aus<br />

Spenden und durch Sponsoren finanziert.<br />

»Radio Chrétienne« bietet die<br />

heilige Messe morgens und abends<br />

zum Mitfeiern, Meditation zum<br />

Tage, geistliche Musik, klassisch und<br />

mo<strong>der</strong>n, kritische Interviews und<br />

Talkrunden zu Themen <strong>der</strong> Zeit und<br />

Information o<strong>der</strong> Illusion – Medien verän<strong>der</strong>n — <strong>Franziskaner</strong> <strong>Mission</strong> 3 | 20<strong>06</strong><br />

regelmäßiges Rosenkranz-Gebet von<br />

Kin<strong>der</strong>n, Frauen, Männergruppen<br />

gesprochen, live. Je<strong>der</strong> kann so über<br />

das Medium an einer Gemeinschaft<br />

von Gläubigen teilnehmen. Sicher gilt<br />

hier die Verheißung des Herrn auch,<br />

wenn per Radio o<strong>der</strong> Fernsehen<br />

»zwei o<strong>der</strong> drei in Seinem Namen<br />

versammelt« sind. Von einem <strong>der</strong>art<br />

christlich orientierten überregionalen<br />

Rundfunk, <strong>der</strong> selbstverständlich<br />

auch ökumenisch betrieben werden<br />

kann o<strong>der</strong> sogar muss, sind wir in<br />

Deutschland offenbar weit entfernt.<br />

Wer den Auftrag einer Evangelisation<br />

insbeson<strong>der</strong>e <strong>der</strong> überwiegend<br />

religionsarmen Regionen Ostdeutschlands<br />

ernst nimmt, darf sich mit<br />

seinen Rundfunkanstrengungen<br />

wie etwa »Dom-Radio Köln« nicht<br />

auf Gegenden beschränken, die<br />

traditionell christlich geprägt und<br />

überwiegend katholisch sind.<br />

Die Gründe für das Fehlen eines<br />

bundesweiten katholischen Mediums<br />

mögen vielfältig sein. Natürlich wäre<br />

ein solches Unternehmen wirtschaftlich<br />

ein Risiko. Aber unter mindestens<br />

4 bis 5 Millionen regelmäßigen<br />

Besuchern <strong>der</strong> Sonntagsgottesdienste<br />

müsste ein interessiertes Publikum<br />

zu finden sein. Selbst das äußerlich<br />

wenig anspruchsvolle, dafür inhaltlich<br />

hoch interessante Wochenblatt<br />

»Christ in <strong>der</strong> Gegenwart« hat viel<br />

tausendfach Abonnenten gewonnen.<br />

Eine dem heutigen gesellschaftlichen<br />

Diskurs angemessene katholische<br />

Zeitung müsste sich in die Streitfragen<br />

<strong>der</strong> Zeit offensiv einmischen,<br />

katholisch Stellung beziehen, aber<br />

zugleich das thematische Pro und<br />

Contra pflegen und natürlich kritische<br />

Positionen ertragen. Katholische<br />

Akademien tun das auch. Erinnert sei<br />

an das segensreiche Wirken <strong>der</strong> Evangelischen<br />

Synoden in <strong>der</strong> untergegangenen<br />

DDR, die offen und deutlich<br />

Kritik geäußert haben und den<br />

Mängelkatalog des real-sozialistischen<br />

Alltags mutig offen gelegt haben. Es<br />

genügte damals nicht und es reicht<br />

auch heute nicht aus, die notwendige<br />

Debatte über heiße Themen <strong>der</strong> Zeit<br />

hinter verschlossener Tür zu führen.<br />

Die häufig schlecht informierte,<br />

zuweilen verächtliche Darstellung<br />

von Kirche, die willkürliche Auswahl<br />

kirchlicher Themen und die<br />

oft einseitige, religionsferne o<strong>der</strong> gar<br />

-feindliche Kommentierung katholischer<br />

Positionen kann unbeantwortet<br />

auf Dauer nicht kirchenfernen<br />

Medien überlassen werden. Dazu<br />

müsste zunächst allen Beteiligten <strong>der</strong><br />

Unterschied zwischen Verkündigung,<br />

die Sache <strong>der</strong> Priester ist, und Nachrichten,<br />

die Aufgabe von Journalisten<br />

sind, klar werden. Und die kirchliche<br />

Hierarchie müsste dann allerdings das<br />

Vertrauen entwickeln, die Verantwortung<br />

für Inhalt und Form eines<br />

katholisch orientierten Mediums auch<br />

den Fachleuten zu überlassen, und<br />

das sind in aller Regel keine Kleriker,<br />

son<strong>der</strong>n Laien. Ein Verzicht auf solches<br />

Engagement hätte heute ähnliche<br />

Langzeitwirkung wie vor Jahrhun<strong>der</strong>ten<br />

<strong>der</strong> Verzicht auf Bibeldruck.<br />

Gewiss ein gewagter Vergleich, aber<br />

wir blieben dann auf mündliche und<br />

schriftliche Mitteilungen im Kreise<br />

Gleichgesinnter angewiesen. Und<br />

dabei wäre <strong>der</strong> heilige Paulus, hätte er<br />

einen Computer besessen, sicher nicht<br />

stehen geblieben.<br />

Joachim Jauer<br />

Joachim Jauer, Fernsehjournalist,<br />

war langjähriger Leiter <strong>der</strong> Sendung<br />

»Kennzeichen D« sowie DDR- und<br />

Osteuropa-Korrespondent.<br />

Pressekonferenz mit Kardinal<br />

Lehmann: Verglichen mit <strong>der</strong><br />

Ausstattung des Völkerapostels<br />

Paulus verfügt die Kirche heute<br />

über eine Technik, mit <strong>der</strong><br />

sie fast jeden Winkel dieser<br />

Erde erreichen kann. Nutzt<br />

sie sie auch für ihre Ziele?<br />

3


4<br />

<strong>Franziskaner</strong> <strong>Mission</strong> 3 | 20<strong>06</strong> — Information o<strong>der</strong> Illusion – Medien verän<strong>der</strong>n<br />

Die Konstruktion unserer<br />

(Welt)Wirklichkeit<br />

Unser Bild <strong>der</strong> »Dritten Welt« aus den Medien<br />

Bereits die Redeweise von <strong>der</strong> »Dritten<br />

Welt« ist verräterisch: Das Attribut<br />

»dritte« suggeriert »drittklassig« und<br />

damit »min<strong>der</strong>wertig«. Die Einteilung in<br />

Erste Welt (Europa und Nordamerika),<br />

Zweite Welt (ehemaliger Ostblock) und<br />

Dritte bzw. Vierte Welt (Entwicklungslän<strong>der</strong><br />

mit und ohne Rohstoffe) verdeutlicht<br />

unsere Sichtweise. Wir als<br />

wirtschaftlich »fortschrittliche Län<strong>der</strong>«<br />

stehen an erster Stelle, die so genannten<br />

»Entwicklungslän<strong>der</strong>« haben sich in diese<br />

Richtung weiter zu entwickeln – woran<br />

wir sie im wirtschaftlichen Bereich durch<br />

protektionistische Maßnahmen aber<br />

massiv behin<strong>der</strong>n.<br />

Allein <strong>der</strong> Blick auf die geografischen<br />

Karten <strong>der</strong> Nachrichtensendungen<br />

untermauert stets aufs <strong>Neue</strong> diese<br />

Perspektive: Europa in <strong>der</strong> Mitte<br />

bzw. »oben«, die Län<strong>der</strong> <strong>der</strong> so<br />

genannten »Dritten Welt« eher<br />

am Rand bzw. »unten«. Allein die<br />

Vorstellung, die Erdkugel einmal zu<br />

drehen und so die Perspektive zu<br />

verän<strong>der</strong>n, löst Befremden aus. Mit<br />

dem Soziologen Niklas Luhmann lässt<br />

sich feststellen: »Alles, was wir über<br />

unsere Gesellschaft, ja über die Welt,<br />

in <strong>der</strong> wir leben wissen, wissen wir<br />

durch die Massenmedien.« Zugespitzt<br />

formuliert: Worüber nicht berichtet<br />

wird, das existiert nicht. Jede<br />

Nachricht ist ein selektiv (mehr o<strong>der</strong><br />

weniger willkürlich) ausgewähltes<br />

Fenster, durch das man niemals das<br />

gesamte Weltgeschehen verfolgen<br />

kann. Jede Nachricht ist tendenziell<br />

mehr »Konstruktion« als »Wirklichkeit«.<br />

Massenmedien erzeugen<br />

und kultivieren Weltbil<strong>der</strong>, die das<br />

Realitätsverständnis <strong>der</strong> Nutzer ganz<br />

wesentlich beeinflussen. Dementsprechend<br />

ist auch unser Bild <strong>der</strong><br />

»Dritten Welt« vor allem medial<br />

bestimmt und von den Berichten des<br />

Fernsehens und <strong>der</strong> Presse geprägt.<br />

Der Hauptvorwurf, <strong>der</strong> in diesem<br />

Zusammenhang seit Jahren gegen<br />

die Medien gerichtet wird, lautet<br />

zum einen, dass die Zahl <strong>der</strong> Beiträge<br />

aus den Län<strong>der</strong>n des Südens viel<br />

zu gering, zum an<strong>der</strong>en, dass ihr<br />

Focus fast ausschließlich auf die<br />

»K-Bereiche« gerichtet sei: Krankheiten,<br />

Katastrophen, Konflikte,<br />

Krisen, Kriege. Die Entwicklung<br />

<strong>der</strong> Zivilgesellschaften, die jeweils<br />

spezifische Kultur, auch das Alltagsleben<br />

in Län<strong>der</strong>n und Regionen des<br />

»Südens« rücke dagegen kaum in den<br />

Blickpunkt <strong>der</strong> Medien <strong>der</strong> »Ersten<br />

Welt« – und wenn doch einmal, so<br />

vor allem in <strong>der</strong> Rubrik »Exotisches«.<br />

Klischees würden dominieren,<br />

Differenzierungen fehlen. Auslandsberichterstattung<br />

findet im Programm<br />

nur als Dauerkrisenbericht statt. Die<br />

Ursachen <strong>der</strong> Kriege und Krisen werden<br />

defizitär dargestellt o<strong>der</strong> gar ganz<br />

unterschlagen. Entwicklungsprozesse<br />

werden kaum verfolgt, es dominiert<br />

die aktualitätsgebundene Ereignisorientierung.<br />

In manchen Berichten<br />

ist noch immer ein verdeckter o<strong>der</strong><br />

offener Rassismus zu beobachten. In<br />

<strong>der</strong> Regel wird aus eurozentristischer<br />

Perspektive wahrgenommen. Die<br />

positiven Eigenleistungen <strong>der</strong> »Dritten<br />

Welt« (Zweidrittel-Welt) werden<br />

nur höchst unzureichend erwähnt<br />

und gewürdigt.<br />

Wissenschaftliche Untersuchungen<br />

belegen dies. Monika Moos<br />

überprüfte 1977 über dreihun<strong>der</strong>t<br />

Fernsehberichte zum Thema Afrika,<br />

die den Berichtszeitraum 1971 bis<br />

1975 betrafen. Sie kam zu dem<br />

Ergebnis: »In den Exotik-Sendungen<br />

spielt <strong>der</strong> Mensch des Busches,<br />

soweit Menschen überhaupt<br />

vorkommen, die Hauptrolle. Aber<br />

nur im Sinne des Aufzeigens von<br />

primitivem, recht reizvoll wirkendem<br />

fremden Verhalten und einer<br />

schicksalhaften Abhängigkeit von<br />

den Naturgewalten. In den Magazin-<br />

Beiträgen, die immerhin die Hälfte<br />

<strong>der</strong> gesamten Berichterstattung ausmachen,<br />

erscheinen sie nie. Dieser<br />

Sendetyp ist Bühne <strong>der</strong> Regierenden,<br />

des Staatsapparates und seiner<br />

Vertreter als Träger <strong>der</strong> Entwicklung<br />

und einzig Verantwortlicher für<br />

die gesellschaftlichen Verhältnisse.<br />

Die Legitimitätsbasis <strong>der</strong> jeweiligen<br />

Regierung wird nicht diskutiert. [...]<br />

Damit erhalten die Eliten aus Militär,<br />

Regierung und Verwaltung ein so<br />

entscheidendes Übergewicht, dass<br />

sie das Fernseh-Bild von heutiger<br />

afrikanischer Wirklichkeit praktisch<br />

allein ausfüllen. Die 90 %ige<br />

Mehrheit <strong>der</strong> Bevölkerung erscheint<br />

nur als unmündiges Objekt von<br />

Obrigkeit.«<br />

In diesem Ergebnis spiegelt sich<br />

ein Grundproblem sowohl abendländischer<br />

Geschichtsschreibung wie<br />

auch medialer Berichterstattung.<br />

Beide sind sie schwerpunktmäßig<br />

auf handelnde (politische) Eliten,<br />

Männer und Heroen ausgerichtet.<br />

Es sind die Mächtigen, vor allem<br />

Männer, die Geschichte machen. Die<br />

Perspektive <strong>der</strong> Opfer wird dagegen<br />

höchst selten eingenommen. Auf<br />

diese Weise besteht die Tendenz, die<br />

imperiale und patriarchale Interpretation<br />

geschichtlicher Zusammenhänge<br />

weiter zu verfestigen.


Diese Grundproblematik hatte sich<br />

auch Anfang <strong>der</strong> 90er Jahre nicht<br />

geän<strong>der</strong>t. Im Frühjahr 1990 führte<br />

Walter Michler eine Auswertung <strong>der</strong><br />

ARD- und ZDF-Hauptnachrichten<br />

durch und kam dabei zu folgenden<br />

signifikanten Ergebnissen: Der<br />

Anteil <strong>der</strong> Berichterstattung »über«<br />

Entwicklungslän<strong>der</strong> (etwa drei Viertel<br />

<strong>der</strong> Welt) betrug 4,5 Prozent. Von<br />

1.125 Minuten Gesamtnachrichten<br />

waren 1,7 Minuten = 0,15 Prozent<br />

Schwarzafrika gewidmet (heute<br />

46 Staaten mit 495 Millionen Einwohnern).<br />

Das heißt: Der Zuschauer<br />

erfährt praktisch nichts über das<br />

Geschehen in Schwarzafrika. Die<br />

Berichterstattung beschränkte sich<br />

auf 13 Staaten aus <strong>der</strong> Dritten Welt,<br />

das sind weniger als 10 Prozent<br />

aller Entwicklungslän<strong>der</strong>. An sieben<br />

von 31 Tagen erfolgte keinerlei<br />

Berichterstattung über die Dritte<br />

Welt. Über die zentralen Probleme<br />

Weltwirtschaftssystem, Verschuldung,<br />

Rohstoffpreisverfall und Nord-Süd-<br />

Konflikt wurde überhaupt nicht<br />

berichtet. Die Berichterstattung über<br />

gewaltsame Auseinan<strong>der</strong>setzungen,<br />

Unglücks- und Katastrophenfälle<br />

dominierte die Dritte-Welt-Nachrichten:<br />

30 von insgesamt 65 Meldungen<br />

– das sind 46 Prozent – entfielen auf<br />

diese Kategorie.<br />

Die Folgen charakterisierte<br />

Mekonnen Mesghena im Jahr 1995<br />

so: »Krisen in Afrika werden als<br />

Schlagzeilen vermittelt, als Paukenschläge<br />

aus einer dumpfen anarchi-<br />

schen Welt, die das Fernsehen in<br />

fiebern<strong>der</strong> Nervosität wach hält. Die<br />

Signalwärter, <strong>der</strong>en sich das Medium<br />

bedient, lauten immer wie<strong>der</strong><br />

›Massaker‹, ›Seuche‹, ›Hunger‹,<br />

›Aids‹, ›Korruption‹, ›Bevölkerungsexplosion‹<br />

o<strong>der</strong> ›Stammesfehde‹. Auf<br />

diese Katastrophen-Kaskaden hat sich<br />

<strong>der</strong> Zuschauer eingestellt, er erwartet<br />

im Zuge <strong>der</strong> Wie<strong>der</strong>holung kaum<br />

an<strong>der</strong>e Begriffe. Auf Gemetzel und<br />

Blutbad ist er eingerichtet, wenn<br />

aus Afrika berichtet wird, nicht auf<br />

Bewältigung von Krisen, Aufbau und<br />

positive Entwicklung.«<br />

Bei Zeitungsartikeln bestimmt<br />

bereits die Überschrift, die Schlagzeile<br />

die Interpretation des folgenden<br />

Artikels. Studien zu Artikeln<br />

über Afrika haben gezeigt, dass <strong>der</strong><br />

überwiegende Teil mit negativen<br />

Schlagzeilen betitelt war, durch die<br />

<strong>der</strong> Leser eine entsprechende Leseanleitung<br />

bekam, die den »Tunnelblick«<br />

(Wahome Mutahi) auf Afrika<br />

weiter verstärkt.<br />

Die Gesamtentwicklung <strong>der</strong><br />

Deutung von weltweiten Trends<br />

während <strong>der</strong> letzten drei Jahrzehnte<br />

lässt sich (vereinfachend) so beschreiben:<br />

In den 80er Jahren galten<br />

– medial gesehen – die meisten<br />

Konflikte als militärisch offene o<strong>der</strong><br />

verdeckte Konfrontation zwischen<br />

östlicher und westlicher Interessensphäre.<br />

In den 90er Jahren, nach<br />

Ende des Ost-West-Konfliktes, wurde<br />

vorwiegend das ethnische Argument<br />

als Erklärungsmuster für Konflikte –<br />

insbeson<strong>der</strong>e in Afrika und auf<br />

dem Balkan – herangezogen. Am<br />

Beginn des 21. Jahrhun<strong>der</strong>ts dominiert<br />

das religiöse Deutungsschema: Terror,<br />

Selbstmordattentate von Islamisten<br />

usw. Kritisch nachzufragen ist hier,<br />

ob <strong>der</strong>artige, oft vereinfachende<br />

Argumentationen nicht stereotype<br />

Deutungsmuster und mentale<br />

Bewusstseinsschranken verfestigen,<br />

statt sie aufzulösen. »Die ideologische<br />

Verkrustung, die damit einhergeht,<br />

dient nur zu oft <strong>der</strong> Verschleierung<br />

<strong>der</strong> tatsächlichen Ursachen für Krieg<br />

und Hunger, die weiterhin im nicht<br />

befriedeten Nord-Süd-Konflikt o<strong>der</strong><br />

in innerstaatlichen Problemen liegen<br />

können« (Christian Hörburger).<br />

Mediale Berichte tragen daher<br />

nicht automatisch zu einem besseren<br />

Verständnis und einer vertieften<br />

Sicht <strong>der</strong> Län<strong>der</strong> und Menschen <strong>der</strong><br />

so genannten »Dritten Welt« bei.<br />

Notwendig ist und bleibt eine kritische<br />

Gegenöffentlichkeit und das Interesse<br />

an <strong>der</strong> Nutzung »alternativer« Medien<br />

und Informationsquellen, um das oft<br />

einseitige Bild aufzubrechen und ein<br />

mehr-perspektivisches entstehen zu<br />

lassen.<br />

Stefan Fe<strong>der</strong>busch<br />

Br. Stefan Fe<strong>der</strong>busch ofm ist<br />

Schulseelsorger am <strong>Franziskaner</strong>-<br />

Gymnasium in Großkrotzenburg.<br />

5


6<br />

<strong>Franziskaner</strong> <strong>Mission</strong> 3 | 20<strong>06</strong> — Information o<strong>der</strong> Illusion – Medien verän<strong>der</strong>n<br />

Digitales Nord-Süd-Gefälle<br />

Überwindung <strong>der</strong> digitalen Spaltung ist dringendes politisches Ziel<br />

Die wachsende Bedeutung elektronischer<br />

Informations- und Kommunikationsmöglichkeiten<br />

in allen gesellschaftlichen<br />

Bereichen wird lei<strong>der</strong> noch immer allzu<br />

oft allein auf die entwickelten Län<strong>der</strong><br />

bezogen. Dieser Wandel zur Informationsgesellschaft<br />

hat aber längst auch große<br />

Auswirkungen auf die Schwellen- und<br />

Entwicklungslän<strong>der</strong> und stellt diese vor<br />

enorme Herausfor<strong>der</strong>ungen. Darüber<br />

hinaus bestimmt <strong>der</strong> Wandel auch die<br />

zukünftigen Erfolgschancen sowohl <strong>der</strong><br />

Menschen wie <strong>der</strong> Wirtschaft in diesen<br />

Län<strong>der</strong>n.<br />

Während wir in Europa um<br />

Fortschritte ringen, immer weitere<br />

Bevölkerungsteile ins Internet zu<br />

bringen und hier bereits von 50 %<br />

plus X reden, die Infrastrukturen<br />

breitbandig ausbauen sowie bei<br />

Fragen des Rechtsrahmens zum<br />

Datenschutz o<strong>der</strong> zum Urheberrecht<br />

deutliche Fortschritte machen,<br />

stellt sich die digitale Spaltung zu<br />

den Schwellen- und Entwicklungslän<strong>der</strong>n<br />

und verstärkt auch innerhalb<br />

dieser weitaus gravieren<strong>der</strong> dar.<br />

Dies ist <strong>der</strong> Grund, weshalb wir von<br />

einer eklatanten globalen Chancenungleichheit<br />

sprechen müssen.<br />

Diese Ungleichheit durch geeignete<br />

Maßnahmen zu verringern, stellt<br />

für die internationale Gemeinschaft<br />

die zentrale politische Herausfor<strong>der</strong>ung<br />

dar.<br />

Dass wir von Chancengleichheit<br />

weit entfernt sind, zeigt nicht nur<br />

das sozioökonomische Nord-Süd-<br />

Gefälle, son<strong>der</strong>n auch eine ganze<br />

Reihe von Untersuchungen und<br />

statistischen Erhebungen, die Jahr<br />

für Jahr eine eklatante Ungleichheit<br />

im Zugang und in <strong>der</strong> Nutzung elektronischer<br />

Informations- und Kom-<br />

munikations-Technologien (kurz:<br />

IuK-Technologien) sichtbar machen.<br />

Laut <strong>der</strong> OECD-Studie »Un<strong>der</strong>standing<br />

the Digital Divide« von<br />

2001 o<strong>der</strong> dem World Population<br />

Data Sheet 2002 stammen weiterhin<br />

etwa 80 % <strong>der</strong> knapp 600 Millionen<br />

Internetnutzerinnen und -nutzer aus<br />

OECD-Län<strong>der</strong>n. Gleiches lässt sich<br />

für die Verfügbarkeit von Infrastrukturen<br />

sagen. Diese internationalen<br />

Unterschiede bilden ein zentrales<br />

Hemmnis für die globale Chancengleichheit.<br />

Für die Menschen <strong>der</strong><br />

Straße in São Paulo<br />

ist die Zeitung im<br />

Obdachlosenheim <strong>der</strong><br />

<strong>Franziskaner</strong> die einzige<br />

Informationsquelle.


Die digitale globale Spaltung hat<br />

aber neben <strong>der</strong> technischen auch<br />

erhebliche soziale und kulturelle<br />

Dimensionen. Bereits die Enquete-<br />

Kommission »Globalisierung <strong>der</strong><br />

Weltwirtschaft« des 14. <strong>Deutschen</strong><br />

Bundestages (2002) hat darauf<br />

hingewiesen, dass sich die einzelnen<br />

Ungleichheiten in den Schwellen-<br />

und Entwicklungslän<strong>der</strong>n wechselseitig<br />

verstärken und in ihrer Summe<br />

sowohl zu enormen innergesellschaftlichen<br />

digitalen Kluften als<br />

auch zu behin<strong>der</strong>nden Zugangs- und<br />

Nutzungsbarrieren führen. Die<br />

hohen Zugangspreise, die technischen<br />

Voraussetzungen und die<br />

notwendigen individuellen Kompetenzen<br />

privilegieren die ohnehin<br />

besser gestellten kleinen Eliten in<br />

den städtischen Zentren.<br />

Hinter diesen Fakten verbirgt<br />

sich ein enormes Risiko für die<br />

ökonomische, soziale und politische<br />

Stabilität dieser Län<strong>der</strong>. Die digitale<br />

Spaltung von heute droht auf globaler<br />

Ebene die Chancenungleichheit<br />

zu reproduzieren und auch für kommende<br />

Generationen zu verfestigen.<br />

Dies ist <strong>der</strong> Grund, weshalb eine<br />

mo<strong>der</strong>ne Entwicklungspolitik nicht<br />

an den beson<strong>der</strong>en Anfor<strong>der</strong>ungen<br />

<strong>der</strong> Informationsgesellschaft vorbeisehen<br />

kann und es zunehmend<br />

auch nicht tut. Wir müssen uns<br />

hierbei insbeson<strong>der</strong>e um die Län<strong>der</strong><br />

kümmern, die laut Entwicklungsprojektionen<br />

<strong>der</strong> Weltbank drohen,<br />

weiter den Anschluss an den Wandel<br />

zur Informationsgesellschaft zu<br />

verlieren. Zu diesen so genannten<br />

Latecomern gehören aber nicht<br />

nur die am wenigsten entwickelten<br />

Län<strong>der</strong> – die »least developed<br />

Information o<strong>der</strong> Illusion – Medien verän<strong>der</strong>n — <strong>Franziskaner</strong> <strong>Mission</strong> 3 | 20<strong>06</strong><br />

countries« –, son<strong>der</strong>n auch die beiden<br />

bevölkerungsreichsten Staaten<br />

<strong>der</strong> Erde, Indien und China. Diese<br />

beiden Staaten sind auch deshalb<br />

sehr gute Beispiele für die innere<br />

digitale Spaltung in Schwellen- und<br />

Entwicklungslän<strong>der</strong>n, weil durchaus<br />

international vergleichbare IT-Infrastrukturen,<br />

Dienstleistungsangebote<br />

und Nutzungskompetenzen in<br />

diesen Län<strong>der</strong>n bestehen. Diese<br />

sind jedoch lokal begrenzt und nur<br />

geringe Bevölkerungsteile können<br />

daran teilhaben. Die Konzentration<br />

<strong>der</strong> Verfügbarkeit und Nutzungskompetenz<br />

auf die wohlhabenden<br />

städtischen Eliten und die strukturelle<br />

Ausblendung <strong>der</strong> ländlichen<br />

Regionen, in denen nach wie vor<br />

die Bevölkerungsmehrheit lebt, ist<br />

eklatant.<br />

Die Dimension <strong>der</strong> Herausfor<strong>der</strong>ung<br />

für die internationale Gemeinschaft<br />

ergibt sich aus <strong>der</strong> Größenordnung<br />

globaler Ungleichheiten.<br />

Aus diesem Grund war die Frage <strong>der</strong><br />

digitalen Spaltung ein Schwerpunkt<br />

beim UN-Weltgipfel zur Informationsgesellschaft<br />

vor drei Jahren in<br />

Genf und bei seiner Fortsetzung im<br />

vergangenen Jahr in Tunis. Als zentrale<br />

Herausfor<strong>der</strong>ung wurde hier<br />

neben <strong>der</strong> Verringerung <strong>der</strong> globalen<br />

Chancenungleichheit festgestellt,<br />

dass die gesellschaftlichen Potenziale<br />

neuer IuK-Technologien weltweit für<br />

Bildung, Wissenschaft, Kultur und<br />

Demokratie sowie für Wirtschaft<br />

und Verwaltung stärker genutzt<br />

werden müssen. Vor diesem Hintergrund<br />

ist es beson<strong>der</strong>s wichtig,<br />

dass in die Dokumente des Gipfels<br />

grundlegende Prinzipien Eingang<br />

gefunden haben, die weit über<br />

technisch-wirtschaftliche Problemaspekte<br />

hinausgreifen und ethische,<br />

bürgerrechtliche, soziale, politische<br />

und kulturelle Fragen gleichberechtigt<br />

daneben stellen.<br />

Der Wandel zur Informationsgesellschaft<br />

ist eben nicht nur eine<br />

Frage technischer Infrastrukturen<br />

und wirtschaftlicher Globalisierung,<br />

son<strong>der</strong>n vielmehr ein umfassen<strong>der</strong><br />

gesellschaftlicher Wandel. Aus<br />

diesem Grund bleibt es eine zentrale<br />

politische Aufgabe, Schulen, Bibliotheken,<br />

Krankenhäuser, öffentliche<br />

Verwaltungen und an<strong>der</strong>e lokale und<br />

nationale Institutionen bis 2015 ans<br />

weltweite Netz anzuschließen und<br />

nationale Programme und Initiativen<br />

in den Bereichen e-Government,<br />

e-Learning und e-Health zu starten.<br />

Einen wichtigen Beitrag zur Überwindung<br />

<strong>der</strong> digitalen Kluft soll beispielsweise<br />

das 100-Dollar-Notebook<br />

leisten, um die IT-Ausstattung in den<br />

Entwicklungs- und Schwellenlän<strong>der</strong>n<br />

zu verbessern.<br />

Mit dem Ende 2005 abgeschlossenen<br />

UN-Weltgipfel »Informationsgesellschaft«<br />

ist ein wichtiger erster<br />

Schritt in Richtung einer globalen<br />

Entwicklungsperspektive für eine<br />

globale Informationsgesellschaft<br />

gelungen. Jetzt gilt es sicherzustellen,<br />

dass das Ende des Weltgipfels<br />

»Informationsgesellschaft«<br />

nicht das Ende <strong>der</strong> Debatte ist.<br />

Jörg Tauss<br />

Jörg Tauss, MdB, ist bildungs-,<br />

forschungs- und medienpolitischer<br />

Sprecher <strong>der</strong> Fraktion <strong>der</strong> SPD im<br />

<strong>Deutschen</strong> Bundestag.<br />

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8<br />

<strong>Franziskaner</strong> <strong>Mission</strong> 3 | 20<strong>06</strong> — Information o<strong>der</strong> Illusion – Medien verän<strong>der</strong>n<br />

Internet als Entwicklungshelfer?<br />

Die Dritte Welt und das Internet<br />

»Ich bin schon drin!«, sagt Boris<br />

Becker in einem Werbespot zur Nutzung<br />

des Internets. Und tatsächlich:<br />

Rund 55 Prozent <strong>der</strong> Erwachsenen<br />

<strong>Deutschen</strong> haben Zugang zum Internet<br />

und nutzen dies auch, sei es am<br />

Arbeitsplatz, in <strong>der</strong> Schule o<strong>der</strong> Universität<br />

o<strong>der</strong> zu Hause. Doch für Menschen<br />

aus den Entwicklungslän<strong>der</strong>n<br />

ist dies noch lange nicht Realität. In<br />

Afrika z.B. hat noch nicht einmal ein<br />

Prozent <strong>der</strong> Bevölkerung Gelegenheit<br />

eine eMail zu schreiben, geschweige<br />

denn im Netz zu surfen.<br />

Warum ist das so? Zum einen ist es<br />

die fehlende Infrastruktur. Es fehlen<br />

Telefonleitungen, Computer, Modem<br />

und Internetanschlüsse, sei es über<br />

Glasfaserkabel o<strong>der</strong> Satellit. Vor<br />

allem aber fehlt elektrischer Strom<br />

zum Betrieb <strong>der</strong> Informations- und<br />

Kommunikationsgeräte. Das ländliche<br />

Afrika ist nur zu acht Prozent ans<br />

Stromnetz angeschlossen und auch in<br />

Indien sind die Hälfte <strong>der</strong> Häuser in<br />

ländlichen Regionen ohne Licht.<br />

Der entscheidende Faktor ist zum<br />

an<strong>der</strong>en die große Armut in <strong>der</strong> Dritten<br />

Welt. Für einen Afrikaner mit nur<br />

ca. 28 Dollar Einkommen im Monat<br />

ist selbst <strong>der</strong> Besuch eines Internetcafés<br />

in den großen Städten unerschwinglich.<br />

Wenn man rund einen<br />

Dollar pro Stunde Internetnutzung<br />

zahlen muss – dies entspräche bei<br />

unseren Einkommensverhältnissen<br />

ca. 50 Euro – , überlegt man es sich<br />

zweimal, ob das Vergnügen mit<br />

Freunden zu chatten o<strong>der</strong> eMails von<br />

den Verwandten aus den USA o<strong>der</strong><br />

Europa zu lesen dies wert ist.<br />

Doch es ist nicht nur die fehlende<br />

Infrastruktur und das fehlende<br />

Geld, das es vielen nicht erlaubt,<br />

das Internet als Informations- und<br />

Kommunikationsmedium zu nutzen.<br />

Es sind auch die Sprachbarrieren.<br />

Fast 60 Prozent aller Informationen<br />

im weltweiten Netz sind auf<br />

Englisch. Doch für nur fünf Prozent<br />

<strong>der</strong> Weltbevölkerung ist Englisch<br />

die Muttersprache, ganz abgesehen<br />

davon, dass viele Menschen aus <strong>der</strong><br />

Dritten Welt we<strong>der</strong> Schreiben noch<br />

Lesen können.<br />

Viele Dritte-Welt-Staaten streben<br />

daher eine stärkere sprachliche<br />

Vielfalt und eine Betonung <strong>der</strong><br />

kulturellen Identität auch im Netz<br />

an und wollen ihren Bürgern mittels<br />

Spracheingabe und Touchscreens<br />

den Zugang zu den Informationen<br />

im Internet ermöglich. So ist es<br />

z.B. in <strong>der</strong> Bamako-Erklärung vom<br />

Mai 2002 <strong>der</strong> afrikanischen Staaten<br />

zur Vorbereitung des Weltinformationsgipfels<br />

im Dezember 20<strong>03</strong> in<br />

Genf zu lesen. Doch auch wenn man<br />

sich durch Sprachbefehle o<strong>der</strong> Berühren<br />

von Symbolen auf Touchscreens<br />

zu den Web-Dokumenten durchgehangelt<br />

hat, die man einsehen<br />

möchte – irgendwann muss man die<br />

Information lesen und verstehen.<br />

Hier helfen dann nur Lesekenntnisse<br />

und eine fundierte Ausbildung. Um<br />

es diesen Menschen dennoch zu<br />

ermöglichen Informationen aus dem<br />

Internet zu bekommen, sind alternative<br />

Lösungen gefragt. Eine solche<br />

vielversprechende Lösung ist das so<br />

genannte Radiobrowsing. Hier surft<br />

die Radiostation stellvertretend für<br />

seine Hörerinnen und Hörer im Netz<br />

und übermittelt die recherchierten<br />

Ergebnisse im normalen Programm.<br />

Das hat auch den Vorteil, dass in<br />

einheimischer Sprache gesendet<br />

werden kann und Radios sind auch<br />

in <strong>der</strong> Dritten Welt weit verbreitet.<br />

Es lässt sich auch ohne Netzanschluss<br />

als Kurbelradio betreiben. In Afrika<br />

haben immerhin 200 von 1.000 Einwohnern<br />

ein Radiogerät im Gegensatz<br />

zu nicht einmal 10 von 1.000,<br />

die einen Internetanschluss besitzen.<br />

Die deutsche GTZ unterstützt<br />

z.B. den katholischen Radiosen<strong>der</strong><br />

Marañon in Jaen im Norden Perus<br />

beim Radiobrowsing und auch die<br />

UNESCO finanziert mehrere Projekte<br />

in Westafrika und Südasien.<br />

Warum aber eigentlich sollen<br />

auch Menschen aus <strong>der</strong> Dritten<br />

Welt Zugang zum Internet haben?<br />

Das Argument vieler Politiker und<br />

Wirtschaftsfachleute aus den Industrienationen<br />

ist, dass sich damit die<br />

Entwicklungsprobleme und insbeson<strong>der</strong>e<br />

die Armut in den Entwicklungslän<strong>der</strong>n<br />

lösen bzw. überwinden<br />

ließe. Voraussetzung sei allerdings<br />

eine Liberalisierung und Deregulierung<br />

<strong>der</strong> Märkte dieser Staaten, um<br />

in den Genuss von För<strong>der</strong>mitteln zu<br />

kommen.<br />

Lei<strong>der</strong> hat sich diese Hoffnung<br />

bis jetzt nicht erfüllt. Die großen<br />

Telefongesellschaften aus dem<br />

Norden konnten zwar in Lateinamerika,<br />

Afrika und Südasien Fuß<br />

fassen und mit den Eliten dieser<br />

Län<strong>der</strong> gute Geschäfte machen, für<br />

die Normalbürger hat sich dies aber<br />

nicht ausgezahlt. Im Gegenteil: viele<br />

Angestellte <strong>der</strong> früheren nationalen<br />

Telefongesellschaften verloren im<br />

Zuge <strong>der</strong> Privatisierungen ihre<br />

Arbeitsplätze und die Län<strong>der</strong> selbst<br />

verloren wichtige Einnahmen durch<br />

Ausgleichszahlungen für Telefongespräche,<br />

die in ihre Län<strong>der</strong> gingen<br />

und oft die einzige wichtige Deviseneinnahmequelle<br />

waren.<br />

Die Investitionen im Informations-<br />

und Kommunikationssektor<br />

<strong>der</strong> Entwicklungslän<strong>der</strong> gingen<br />

fast ausschließlich als Gewinne in<br />

die Industrienationen, denn die<br />

Hard- und Software kommt aus dem<br />

Norden. Gewinne macht man eben<br />

nicht durch den Konsum, son<strong>der</strong>n<br />

durch die Produktion. Brasilien<br />

mit seinen »Volkscomputern« o<strong>der</strong><br />

Indien mit seinem »Simputer«<br />

(simple computer) sind da schon eher<br />

auf dem richtigen Weg. Nach Informationen<br />

von Prof. Richard Heeks<br />

aus England sind 80 Prozent aller<br />

Entwicklungsprojekte mit Internetbezug<br />

gescheitert.


Woran liegt es, dass so viele Projekte<br />

nicht den erhofften Erfolg bringen?<br />

Auch dies hat Prof. Heeks untersucht.<br />

Meist sind es zu ambitionierte Projekte,<br />

die mehr den Vorstellungen <strong>der</strong><br />

Geldgeber aus dem Norden entsprechen<br />

als den Notwendigkeiten. All zu<br />

oft ist das Internet zum Selbstzweck<br />

verkommen und wird nicht als eines<br />

von vielen Werkzeugen in <strong>der</strong> Entwicklungszusammenarbeitangesehen.<br />

Insbeson<strong>der</strong>e geht die Propagierung<br />

des elektronischen Handels<br />

vollkommen an <strong>der</strong> Wirklichkeit <strong>der</strong><br />

Entwicklungslän<strong>der</strong> vorbei. We<strong>der</strong><br />

lassen sich durch Internetportale<br />

neue Kunden gewinnen, noch ist<br />

Online-Shopping eine Option, da dies<br />

schon an den fehlenden Kreditkarten<br />

scheitert. Und vor allem müssen die<br />

bestellten Waren auch möglichst<br />

zeitnah zur Bestellung zum Kunden<br />

transportiert werden. Doch in ganz<br />

Afrika gibt es nur ein Drittel soviel<br />

gepflasterte Straßen wie in Deutschland<br />

und selbst im relativ entwickelten<br />

Lateinamerika sind die wenigsten<br />

Straßen genügend befestigt: In Chile<br />

sind sie z.B. nur zu 19,5 Prozent und<br />

in Brasilien gar nur zu 9,3 Prozent<br />

befestigt. Die wenigen, die sich das<br />

Einkaufen per Internet leisten können,<br />

bestellen außerdem ihre Waren<br />

in den Industrielän<strong>der</strong>n. So gehen<br />

z.B. 75 Prozent <strong>der</strong> Internetbestellungen<br />

<strong>der</strong> Lateinamerikaner in die USA<br />

o<strong>der</strong> an<strong>der</strong>e Län<strong>der</strong> des Nordens.<br />

Häufig wird übersehen, dass man<br />

Lösungen aus dem Norden nicht<br />

einfach auf den Süden übertragen<br />

kann. Jedes Land hat seine eigene<br />

Kultur und seine Beson<strong>der</strong>heiten.<br />

Wissenschaftler <strong>der</strong> London School<br />

of Economics haben herausgefunden,<br />

dass sich neue Geschäftsbeziehungen<br />

in Afrika und Asien häufig nur durch<br />

direkte reale Beziehungen herstellen<br />

lassen. Außerdem ist es oftmals nicht<br />

<strong>der</strong> fehlende Internetzugang, <strong>der</strong> die<br />

wirtschaftliche Entwicklung in diesen<br />

Län<strong>der</strong>n behin<strong>der</strong>t, son<strong>der</strong>n Zoll- und<br />

Handelsschranken für verarbeitete<br />

Waren aus den Entwicklungslän<strong>der</strong>n<br />

o<strong>der</strong> hohe Subventionen <strong>der</strong><br />

Europäischen Union und den USA<br />

o<strong>der</strong> Japan auf Agrarexporte in diese<br />

Län<strong>der</strong>.<br />

Information o<strong>der</strong> Illusion – Medien verän<strong>der</strong>n — <strong>Franziskaner</strong> <strong>Mission</strong> 3 | 20<strong>06</strong><br />

»Schulen ans Netz« ist nicht nur ein<br />

beliebtes Projekt in Deutschland,<br />

meist allerdings angetrieben von<br />

Firmeninteressen und weniger von<br />

Lehrern und Pädagogen. Auch in<br />

vielen Entwicklungslän<strong>der</strong>n gibt es<br />

ähnliche Initiativen. Helfen diese<br />

Maßnahmen die hohen Analphabetenraten<br />

in Dritte-Welt-Staaten zu senken<br />

o<strong>der</strong> vertiefen sie nur die schon<br />

bestehende Spaltung innerhalb dieser<br />

Gesellschaften? Fakt ist: Viele Kin<strong>der</strong><br />

aus Entwicklungslän<strong>der</strong>n gehen<br />

nicht zur Schule, weil sie mitarbeiten<br />

müssen, um ihre Familien zu<br />

ernähren. Schulspeisungen haben da<br />

mehr geholfen als Computer in Schulen,<br />

die we<strong>der</strong> über ausgebildetes<br />

Lehrpersonal noch über elektrischen<br />

Strom zum Anschluss <strong>der</strong> Geräte<br />

verfügen. Und meist stehen diese<br />

Geräte auch nur in den Eliteschulen<br />

dieser Län<strong>der</strong>.<br />

Wissen und Bildung ist sicher das<br />

Mittel zur Armutsbeseitigung, doch<br />

ob ausgerechnet das Internet das<br />

kostengünstigste und beste Mittel ist,<br />

bleibt zweifelhaft. <strong>Neue</strong>re Untersuchungen<br />

zeigen jedenfalls, dass in<br />

Bezug auf Fernlernen das Internet bei<br />

weitem das teuerste und am wenigsten<br />

erfolgreiche Instrument ist. Hier<br />

schnitten mittels Post versandte Lehrmaterialien<br />

am besten ab. Und kein<br />

noch so mo<strong>der</strong>ner Computer kann<br />

einen gut ausgebildeten Lehrer ersetzen,<br />

<strong>der</strong> meist zudem viel billiger ist.<br />

Mit dem Geld für einen Computer<br />

kann z.B. in Peru das Jahresgehalt<br />

eines Lehrers finanziert werden,<br />

<strong>der</strong> wie<strong>der</strong>um mehr als 20 Schüler<br />

gleichzeitig unterrichtet – an einem<br />

Computer hingegen können höchstens<br />

zwei Kin<strong>der</strong> gemeinsam arbeiten.<br />

Keine Frage allerdings ist es, dass<br />

Universitäten und Forschungseinrichtungen<br />

im Süden mit einem Anschluss<br />

ans Internet versorgt werden müssen,<br />

denn nur so können auch Forscher<br />

und Studenten aus diesen Län<strong>der</strong> am<br />

internationalen Wissensaustausch<br />

teilhaben.<br />

Poul Nielsen, europäischer Kommissar<br />

für Entwicklung und humanitäre<br />

Hilfe, sagte anlässlich einer<br />

Konferenz in Bonn im Juni 2001:<br />

»Der Einsatz von Informationstechnologie<br />

macht aus einem schlechten<br />

Projekt kein gutes Projekt. Ein gutes<br />

Projekt ist ein Projekt, das einen<br />

spürbaren Beitrag zur Armutsreduzierung<br />

liefert, und nicht eins, das dazu<br />

dient, die Informationstechnologie zu<br />

beför<strong>der</strong>n.«<br />

Uwe Afemann<br />

Uwe Afemann, seit 1979 wissenschaftlicher<br />

Angestellter im Rechenzentrum <strong>der</strong> Universität<br />

Osnabrück, ist stellvertreten<strong>der</strong> Sprecher<br />

<strong>der</strong> Fachgruppe »Informatik und Dritte Welt«<br />

<strong>der</strong> Gesellschaft für Informatik e.V.<br />

Jugendliche im Sozialprojekt<br />

<strong>der</strong> <strong>Franziskaner</strong><br />

in Porto Alegre, Brasilien,<br />

nehmen an einem<br />

Computerkurs teil.<br />

9


10<br />

<strong>Franziskaner</strong> <strong>Mission</strong> 3 | 20<strong>06</strong> — Information o<strong>der</strong> Illusion – Medien verän<strong>der</strong>n<br />

»Mal schnell« ins Internet?<br />

Das Projekt »Internet für Einheimische« in Kivumu<br />

Mal schnell etwas im Internet nachschauen<br />

– das ist für die meisten von<br />

uns mittlerweile schon genau so normal<br />

wie telefonieren, sodass das Internet<br />

aus unserem Alltag nicht mehr wegzudenken<br />

ist. Dass dies nicht überall<br />

so ist, wird beim Blick in viele Län<strong>der</strong><br />

außerhalb <strong>der</strong> westlichen Welt schnell<br />

deutlich. Dort stellt das Internet für<br />

weite Teile <strong>der</strong> Bevölkerung noch etwas<br />

völlig Unbekanntes und Fremdes dar.<br />

Der Grund dafür liegt darin, dass oftmals<br />

nicht einmal die technischen Voraussetzungen<br />

für die Nutzung des Internets<br />

wie Strom und Telefonleitungen, ganz zu<br />

schweigen von Computergeräten selbst,<br />

vorhanden sind. Deshalb müssen dort<br />

zunächst diese Vorbedingungen erfüllt<br />

werden, um anschließend die Einheimischen<br />

an eine sinnvolle und »gewinnbringende«<br />

Verwendung von Computer<br />

und Internet heranführen zu können.<br />

Auf dem Weg zu diesem Ziel befinden<br />

sich <strong>der</strong>zeit einige Einwohner<br />

<strong>der</strong> Gemeinde Kivumu in Ruanda, in<br />

<strong>der</strong> die <strong>Franziskaner</strong> ein Spital und<br />

eine Berufsschule leiten sowie weitere<br />

Einrichtungen betreuen. Auch<br />

in diesem ca. 40 Kilometer westlich<br />

<strong>der</strong> Hauptstadt Kigali gelegenen<br />

Ort hat das Internet bis vor kurzem<br />

überhaupt keine Rolle gespielt. Doch<br />

seit mehr als einem Jahr haben die<br />

dortigen Brü<strong>der</strong> Zugang zu dem<br />

neuen Informations- und Kommunikationsmedium.<br />

Da sie auch zuvor<br />

schon sehr viel mit dem Computer<br />

garbeitet hatten, war <strong>der</strong> Erwerb<br />

<strong>der</strong> Grundkenntnisse im Umgang<br />

mit dem Internet für sie unproblematisch.<br />

Wie für so viele an<strong>der</strong>e ist<br />

auch für die Brü<strong>der</strong> das Internet in<br />

<strong>der</strong> Zwischenzeit unverzichtbares<br />

Hilfsmittel bei ihrer täglichen Arbeit<br />

geworden – nicht zuletzt deswegen,<br />

weil Informations- und Kommuni-<br />

kationsfluss in einer solch großen<br />

Provinz wie <strong>der</strong> von Nairobi an<strong>der</strong>s<br />

nur weitaus schwieriger aufrecht<br />

zu erhalten wären. Nichtsdestoweniger<br />

bleibt es hier weiterhin<br />

unmöglich, je<strong>der</strong>zeit schnell etwas<br />

online nachzusehen, weil es immer<br />

noch eines Generators (und für<br />

diesen wie<strong>der</strong>um des Treibstoffes)<br />

zur Stromerzeugung bedarf, um<br />

die Geräte in Betrieb nehmen zu<br />

können – <strong>der</strong> Strom kommt hier<br />

nicht so selbstverständlich aus <strong>der</strong><br />

Steckdose wie bei uns. Da es in<br />

Kivumu insgesamt zwei Generatoren<br />

gibt, die bei ausreichend vorhandenem<br />

Treibstoff je<strong>der</strong>zeit in Betrieb<br />

genommen werden können, ist <strong>der</strong><br />

Internetzugang zumindest nach kurzer<br />

Wartezeit fast immer möglich.<br />

An<strong>der</strong>s stellt sich die Situation<br />

in <strong>der</strong> von den Brü<strong>der</strong>n geleiteten<br />

benachbarten Pater-Vjeko-Schule,<br />

einer Berufsschule, dar. Hier gibt<br />

es seit Mai 20<strong>06</strong> fünf neue Rechner,<br />

die mittels kurzer technischer<br />

Adaption internettauglich gemacht<br />

werden können. Zurzeit werden den<br />

Lehrern <strong>der</strong> Schule, die alle noch<br />

nie mit einem Computer gearbeitet<br />

haben, Grundkenntnisse im Umgang<br />

mit dem Computer beigebracht,<br />

damit sie danach das neuartige<br />

Informationsmedium nutzen<br />

können. Das Projekt »Internet für<br />

Einheimische« in Kivumu steckt also<br />

noch in den Kin<strong>der</strong>schuhen, doch<br />

sobald diese anfänglichen Hürden<br />

überwunden sind, wird das Internet<br />

auch hier entscheidend an Bedeutung<br />

gewinnen. Mittelfristig wird<br />

seine Nutzung Vorteile in zweifacher<br />

Hinsicht für die Lehrer bringen: Im<br />

Hinblick auf ihre berufliche Tätigkeit<br />

werden die Lehrer mit Hilfe von<br />

Computer und Internet ihre Unter-


ichtsvorbereitung effizienter durchführen<br />

und dazu Anregungen aus<br />

dem Internet verwenden können.<br />

Auf einer allgemeinen Ebene werden<br />

sie imstande sein, jede gewünschte<br />

Information aus dem Internet zu<br />

erhalten. Durch zunehmende<br />

Beschäftigung mit dem Medium<br />

werden sie im weiteren Verlauf lernen,<br />

die unterschiedlichen Quellen<br />

zu vergleichen und zu bewerten.<br />

Auf diese Weise wird das Internet<br />

den Lehrern in Kivumu langfristig zu<br />

noch mehr »Mündigkeit« verhelfen.<br />

Neben den Lehrern werden mittel-<br />

bis langfristig auch die Schüler<br />

von diesem technischen Fortschritt<br />

profitieren, denn sobald die Lehrer<br />

sicher im Umgang mit diesen<br />

Medien sind, werden sie ihr Wissen<br />

weitergeben. Auf fachlicher Ebene<br />

können Computer und Internet den<br />

Schülern zur Veranschaulichung des<br />

Unterrichtsstoffes dienen und die<br />

Anfertigung von Entwürfen in den<br />

einzelnen Berufssparten erleichtern.<br />

Auf einer allgemeinen Ebene können<br />

dann auch die Schüler von den<br />

»mündigen« Lehrern zur kritischen<br />

Betrachtung <strong>der</strong> Medien erzogen<br />

werden. Selbst wenn – o<strong>der</strong> gerade<br />

weil – viele von den Jungen und<br />

Mädchen niemals die Möglichkeit<br />

<strong>der</strong> Internetnutzung bei sich zu<br />

Hause haben werden, bleibt das<br />

Heranführen an eine kritische<br />

Nutzung dieses immer weiter an<br />

Bedeutung zunehmenden Mediums<br />

eine wichtige Aufgabe, die die Pater-<br />

Vjeko-Schule übernehmen sollte.<br />

Abgesehen von den <strong>Franziskaner</strong>n<br />

Information o<strong>der</strong> Illusion – Medien verän<strong>der</strong>n — <strong>Franziskaner</strong> <strong>Mission</strong> 3 | 20<strong>06</strong><br />

selbst und <strong>der</strong> Schule könnte in<br />

Zukunft ebenfalls das örtliche Krankenhaus<br />

vom Internet profitieren,<br />

beispielsweise bei <strong>der</strong> Erleichterung<br />

von Kommunikation und Kooperation<br />

mit an<strong>der</strong>en Krankenhäusern<br />

sowie bei <strong>der</strong> Einholung fachbezogener<br />

Informationen jeglicher Art, z.B.<br />

Informationen zu Produkten und<br />

zu neuen Behandlungsmethoden,<br />

Preisvergleiche usw.<br />

Selbst in dem kleinen ruandischen<br />

Ort Kivumu hält also bereits<br />

das Zeitalter des Internets Einzug.<br />

Langsam aber stetig wird dieses<br />

Informations- und Kommunikationsmedium<br />

hier für viele Menschen<br />

seine Bedeutungslosigkeit verlieren<br />

und zu einem wichtigen Hilfsmittel<br />

im Alltag werden. Ob jedoch jemals<br />

<strong>der</strong> Zeitpunkt kommen wird, zu<br />

dem es auch in Kivumu für die<br />

meisten Bewohner normal sein wird,<br />

»mal schnell« etwas im Internet<br />

nachzuschauen, ist <strong>der</strong>zeit noch<br />

fraglich.<br />

Wolfgang Wyskocil<br />

Wolfgang Wyskocil, Mitglied des<br />

Gemein<strong>der</strong>ates <strong>der</strong> Katholischen<br />

Hochschulgemeinde von Hamburg,<br />

war vom 12. Juli bis zum 27. September<br />

20<strong>06</strong> als <strong>Mission</strong>ar auf Zeit<br />

in Kivumu.<br />

Besuchen Sie die Homepage<br />

<strong>der</strong> Pater-Vjeko-Schule in<br />

Kivumu:<br />

www.vjeko-rwanda.info/<br />

11


12<br />

<strong>Franziskaner</strong> <strong>Mission</strong> 3 | 20<strong>06</strong> — Information o<strong>der</strong> Illusion – Medien verän<strong>der</strong>n<br />

Radio Mille Collines:<br />

Die Stimme des Hasses<br />

Das Wort als Waffe<br />

»Worauf wartet ihr? Rottet sie<br />

aus! Tötet diese Kakerlaken! Die<br />

Gräber sind noch nicht voll!«<br />

schallt es 1994 aus den Radios<br />

in Ruanda. Radio-Télévision<br />

Libre des Mille Collines (RTLM)<br />

erreicht mit seinen Hasstiraden<br />

auch die entferntesten Hügel.<br />

Rund um die Uhr jagt <strong>der</strong> Sen<strong>der</strong><br />

seine rassistischen Parolen durch<br />

den Äther. Und teilt die Menschen<br />

in Opfer und Täter, in Lebende<br />

und Tote: in Hutu o<strong>der</strong> Tutsi.<br />

Stand in <strong>der</strong> vorkolonialen Zeit<br />

ie Bezeichnung »Hutu« o<strong>der</strong> »Tutsi«<br />

für die soziale Stellung, legten die<br />

Kolonialmächte später damit den<br />

ethnischen Unterschied fest und<br />

spalteten so eine Bevölkerung, die<br />

sich in ihrer Sprache, Kultur und<br />

ihrem Alltagsleben nicht voneinan<strong>der</strong><br />

unterschied. »Hutu« und »Tutsi«<br />

wurde als »ethnische Zugehörigkeit«<br />

in die Pässe eingetragen und setzte<br />

sich immer mehr im Bewusstsein<br />

<strong>der</strong> Ruan<strong>der</strong> fest.<br />

Kurz vor <strong>der</strong> Unabhängigkeit 1962,<br />

als die Hutu-Mehrheit die Macht<br />

eroberte, begann die Hetze auf die<br />

verhasste Min<strong>der</strong>heit <strong>der</strong> von den<br />

Kolonialmächten privilegierten<br />

Tutsi. Immer neue blutige Unruhen<br />

zwischen den beiden Ethnien ziehen<br />

sich seitdem wie ein roter Faden<br />

durch die ruandische Geschichte.<br />

1993 starten regierungstreue Medien<br />

eine offene Hasskampagne gegen<br />

die Tutsi. Der Hörfunk beteiligt<br />

sich mit durchschlagendem Erfolg.<br />

Die weitgehend analphabetische<br />

Landbevölkerung, die keinen Zugang<br />

zu an<strong>der</strong>en Informationsquellen<br />

hat, wird von offizieller Seite zum<br />

Radiohören aufgefor<strong>der</strong>t, »damit<br />

ihr erfahrt, was von euch erwartet<br />

wird.« Bürgermeister ermahnen<br />

die Bürger, alle Befehle, die bei<br />

öffentlichen Versammlungen o<strong>der</strong><br />

durch das Radio erteilt werden, zu<br />

befolgen.<br />

Je<strong>der</strong>mann hörte es<br />

Radio Mille Collines geht am<br />

8. Juli 1993 als Teil des extremistischen<br />

Netzwerks auf Sendung und<br />

kann weitgehend unbehelligt bereits<br />

im Vorfeld des Genozids eine rassistische<br />

Ideologie verbreiten. Es ist ein<br />

reiner Musiksen<strong>der</strong>, <strong>der</strong> vor allem<br />

bei jungen Leuten sehr beliebt ist.<br />

Schlagfertige Mo<strong>der</strong>atoren präsentieren<br />

rund um die Uhr die neuesten<br />

Hits und ziehen in <strong>der</strong> Art von<br />

Talkradio humorvoll, locker, scharfzüngig,<br />

unterhaltsam über die angebliche<br />

Abneigung zwischen Hutu<br />

und Tutsi her, über die Unterschiede<br />

zwischen beiden Ethnien. Bald schon<br />

schicken sie subtile, verklausulierte,<br />

indirekte Hassbotschaften über den<br />

Sen<strong>der</strong> und erweisen sich dabei als<br />

Meister des zynischen Wortspiels. So<br />

verwenden sie anstelle von »umbringen«<br />

und »töten« ein Vokabular aus<br />

dem Alltagsbereich: Sie sprechen<br />

von »Kakerlaken, die zertreten«<br />

werden müssen, von »Buschwerk,<br />

das zurück geschnitten« o<strong>der</strong> von


»gemeinsamer Arbeit«, die getan<br />

werden muss. Die damalige kanadische<br />

Botschafterin in Ruanda, Lucie<br />

Ewards, sagte später: »Die Frage <strong>der</strong><br />

Propaganda von Radio Mille Collines<br />

ist eine schwierige. Es gab so viele<br />

ganz offensichtlich unsinnige Dinge,<br />

die in dem Radio gesagt wurden, so<br />

viele offensichtliche Lügen, dass es<br />

schwer war, es ernst zu nehmen.<br />

Dennoch, je<strong>der</strong>mann hörte es.«<br />

Soundtrack<br />

zum Völkermord<br />

Pausenlos werden extremistische<br />

Lie<strong>der</strong> in <strong>der</strong> Tradition <strong>der</strong> Volkslie<strong>der</strong><br />

gespielt. Simon Bikindi, ein<br />

gefeierter ruandischer Popstar, wird<br />

durch seine Kompositionen zum<br />

Troubadour des Todes. In seinen<br />

Lie<strong>der</strong>n macht er Stimmung gegen<br />

die Tutsi, besingt Morde an Tutsi<br />

und ruft die Hörer auf, wachsam<br />

zu sein: »Je<strong>der</strong>, <strong>der</strong> nicht mitmacht,<br />

hilft dem Feind«, singt er, »aber wir<br />

gewinnen!« Und er ruft den Hutu-<br />

Bauern zu: »Die wollen uns wie<strong>der</strong><br />

versklaven, aber wir haben ihren<br />

Plan durchschaut. Und jetzt zeigen<br />

wir ihnen, wer <strong>der</strong> Stärkere ist. Ich<br />

rede doch zu Leuten, die das verstehen?«<br />

Und sein Chor antwortet:<br />

»Ja, ja, wir verstehen!« Bald kann<br />

je<strong>der</strong> diese Lie<strong>der</strong> mitsingen. Ein<br />

UN-Tribunal im tansanischen Arusha<br />

wird Bikindi später vorwerfen, er<br />

habe den »Soundtrack zum Völkermord«<br />

geliefert.<br />

Information o<strong>der</strong> Illusion – Medien verän<strong>der</strong>n — <strong>Franziskaner</strong> <strong>Mission</strong> 3 | 20<strong>06</strong><br />

Die Saat geht auf<br />

Gefälschte Nachrichten über<br />

angebliche Attentatspläne <strong>der</strong><br />

Tutsi, bösartige Gerüchte und fatale<br />

Andeutungen verbreiten Angst und<br />

Schrecken unter den Menschen und<br />

nisten sich wie schleichendes Gift<br />

in den Köpfen ein. Der anerzogene<br />

Autoritätsgehorsam tut sein Übriges.<br />

Der von offizieller Seite gepredigte<br />

Hass auf Tutsi und mo<strong>der</strong>ate Hutu<br />

lässt die Bevölkerung langsam in die<br />

Gewalt abgleiten.<br />

Am Abend des 6. April 1994<br />

wird die Maschine mit Präsident<br />

Habyarimanas an Bord beim Landeanflug<br />

auf den Flughafen Kigali aus<br />

bis heute ungeklärten Gründen<br />

abgeschossen. Radio Mille Collines<br />

ist das erste Medium, das über das<br />

Attentat berichtet. Zeitgleich mit <strong>der</strong><br />

Nachricht vom Tod des Präsidenten<br />

beginnt in <strong>der</strong> Hauptstadt Kigali eine<br />

mör<strong>der</strong>ische Treibjagd auf Tutsi. In<br />

Windeseile werden Straßensperren<br />

errichtet, an denen je<strong>der</strong> Passant seinen<br />

Pass vorzeigen muss. Radio Mille<br />

Collines ruft – zwischen zwei Songs<br />

– zum Morden auf: »Man erkennt sie<br />

leicht, die inyenzi (die Kakerlaken),<br />

die euch beherrschen wollen. Man<br />

kann sie an <strong>der</strong> Körpergröße und<br />

<strong>der</strong> langen Nase erkennen. Wenn<br />

ihr lange Nasen seht, brecht sie.«<br />

»Liebe Zuhörer, seid wachsam! Öffnet<br />

eure Augen! Greift sie an, die mit<br />

den langen Nasen. Sie wollen euch<br />

versklaven. Nehmt euer Werkzeug<br />

und macht euch an die Arbeit!« Die<br />

Wörter »Arbeit« und »Werkzeug« werden<br />

Synonyme für Töten und Waffen.<br />

Die Saat des Hasses ist aufgegangen.<br />

Soldaten, Polizisten, Dorfbürgermeister<br />

bis hin zum Grundschullehrer<br />

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14<br />

<strong>Franziskaner</strong> <strong>Mission</strong> 3 | 20<strong>06</strong> — Information o<strong>der</strong> Illusion – Medien verän<strong>der</strong>n<br />

organisieren die Massaker im ganzen<br />

Land. In nur 100 Tagen werden eine<br />

Million Menschen bestialisch abgeschlachtet.<br />

Nachbarn, Verwandte,<br />

Freunde fallen mit Macheten,<br />

Hacken, Messern übereinan<strong>der</strong> her,<br />

Lehrer bringen ihre Schüler, Ärzte<br />

ihre Patienten, Pfarrer ihre Gemeindemitglie<strong>der</strong><br />

auf grausamste Weise<br />

um. Todesschwadrone ziehen mit<br />

Namenslisten durch die Dörfer. Sie<br />

töten Männer, Frauen und Kin<strong>der</strong><br />

auf den Fel<strong>der</strong>n, in Häusern, in<br />

Schulen, in Krankenhäusern und in<br />

Kirchen. Begleitet wird das Morden<br />

von Radio Mille Collines.<br />

Radio als Werkzeug<br />

<strong>der</strong> Mör<strong>der</strong><br />

Das Radio wird nicht nur zur<br />

Volksverhetzung missbraucht,<br />

son<strong>der</strong>n auch zur Organisation<br />

und Kommunikation unter den<br />

Mör<strong>der</strong>n: Über den Rundfunk<br />

werden Suchtrupps dirigiert und<br />

Ausgangssperren verhängt, um die<br />

Arbeit <strong>der</strong> Todesschwadrone zu<br />

erleichtern. Ehemalige Soldaten<br />

sowie Arbeiter für Son<strong>der</strong>einsätze,<br />

beispielsweise Bulldozerfahrer,<br />

werden aufgerufen sich zu melden.<br />

Durch ihre Transistorradios erfahren<br />

die Mör<strong>der</strong>, auf welcher Straße<br />

gerade ein LKW mit Flüchtlingen<br />

fährt, den sie stoppen sollen.<br />

Namen und vermutliche Aufenthaltsorte<br />

geflüchteter Tutsi werden<br />

verlesen. Die Bevölkerung, die<br />

an den Überlandstraßen wohnt,<br />

wird aufgefor<strong>der</strong>t, auf bestimmte<br />

Autokennzeichen zu achten und<br />

sie zu melden. Man hört praktische<br />

Ratschläge, wie Häuser zu überfallen<br />

und <strong>der</strong>en Bewohner zusammenzutreiben<br />

sind.<br />

Faszination Hass-Radio<br />

Während landauf, landab vergewaltigt,<br />

gefoltert, denunziert, gemordet<br />

wird, berichtet Mille Collines in<br />

seinem gewohnt locker-leichten,<br />

spritzigen Ton – unterbrochen durch<br />

aktuelle Radiohits und untermalt<br />

von eingespielten Geräuschen<br />

explodieren<strong>der</strong> Minen – über die<br />

Ereignisse vor Ort, in Kigali. So<br />

wird das Geschehen in <strong>der</strong> Hauptstadt<br />

auch für die Menschen auf<br />

den entferntesten Hügeln real.<br />

Die Zuhörer sind mitten drin,<br />

sind dabei, sind fasziniert. Außer<br />

politischen Scharfmachern kommt<br />

auch <strong>der</strong> »Mann von <strong>der</strong> Straße«<br />

zu Wort, <strong>der</strong> mal eben im Sen<strong>der</strong><br />

vorbeischaut, um seine Familie zu<br />

Hause zu grüßen, und bei dieser<br />

Gelegenheit im Plau<strong>der</strong>ton erzählt,<br />

wie soeben jemand an einer Straßensperre<br />

nicht den richtigen Ausweis<br />

vorzeigen konnte, »was ihn wahrscheinlich<br />

den Kopf kosten wird«.<br />

Mille Collines feiert die Massaker<br />

als Befreiung von einer Rattenplage.<br />

Der Funke <strong>der</strong> Begeisterung springt<br />

auf die Hörer über. »Man konnte<br />

spüren, wie die Mo<strong>der</strong>atoren jubilierten,<br />

wenn sie das Massaker an<br />

einer Tutsi-Familie kommentierten,<br />

wenn wie<strong>der</strong> ›Kakerlaken‹ getötet<br />

worden waren. Man spürte, das war<br />

echt. Man spürte mit jedem Satz,<br />

den sie sagten, wie sehr sie die Tutsi<br />

hassten«, sagt später ein Zeuge aus.<br />

Das Wort als Waffe<br />

Dem Sen<strong>der</strong> Radio Mille Collines<br />

wird eine wesentliche Rolle beim<br />

Völkermord in Ruanda zugeschrieben.<br />

Aus diesem Grund hat <strong>der</strong><br />

internationale Strafgerichtshof<br />

für Ruanda verantwortliche Mitarbeiter<br />

des »Hassradios« wegen<br />

Aufwiegelung zum Völkermord<br />

und Aufhetzung zu Verbrechen<br />

gegen die Menschlichkeit zu hohen<br />

Haftstrafen verurteilt. Damit ist die<br />

Verantwortung von Menschen, die<br />

das Wort als Waffe benutzt haben,<br />

auch erstmals international rechtlich<br />

anerkannt.<br />

Hildegard Stockmann<br />

Hildegard Stockmann ist Mitarbeiterin<br />

<strong>der</strong> <strong>Franziskaner</strong> <strong>Mission</strong> in Dortmund.<br />

Quellen<br />

Reporters sans<br />

Frontières 12/94<br />

Radio Netherlands Media<br />

Network<br />

Vercammen: Anatomie<br />

du Génocide<br />

Human Rights Watch:<br />

Voice of the campaign


Radio Educadora:<br />

Dom Belisário, seit über 40 Jahren<br />

beteiligt sich die Erzdiözese<br />

São Luis in Maranhão nun fe<strong>der</strong>führend<br />

an einem Volks- o<strong>der</strong><br />

besser: Bildungsradio. Was ist<br />

<strong>der</strong> Zweck und das Ziel eines<br />

solchen Engagements? Warum<br />

wurde das Radio seinerzeit<br />

gegründet?<br />

Das Bildungsradio wurde in den<br />

60er Jahren als Antwort auf den<br />

damals herrschenden Zeitgeist<br />

gegründet: In Lateinamerika und<br />

vor allem in Brasilien war eine<br />

wachsende Beteiligung <strong>der</strong> Massen<br />

an politischen Fragen spürbar. Die<br />

brasilianische Kirche beteiligte sich<br />

an diesem Prozess und gründete<br />

die Bewegung <strong>der</strong> Basisbildung<br />

(»Movimento de Educacao de Base«<br />

– MEB). Ziel <strong>der</strong> MEB war nicht nur<br />

die Alphabetisierung, son<strong>der</strong>n, wie<br />

man sagte, »in dem an den Rand<br />

gedrängten Volk ein Bewusstsein zu<br />

wecken«, das ihm für die aufkommenden<br />

Debatten eine Stimme<br />

geben sollte. Das Bildungsradio war<br />

eine Initiative von Dom Delgado zu<br />

Beginn <strong>der</strong> 60er Jahre. Doch es war<br />

sein Nachfolger, Dom Motta, <strong>der</strong> das<br />

Radio am 12. Juni 1966 auf Sendung<br />

Information o<strong>der</strong> Illusion – Medien verän<strong>der</strong>n — <strong>Franziskaner</strong> <strong>Mission</strong> 3 | 20<strong>06</strong><br />

Unterhalten und Evangelisieren<br />

Fragen zum Bildungsradio an Dom José Belisário ofm<br />

gehen ließ. Ironischerweise war das<br />

schon mitten in <strong>der</strong> Militärdiktatur,<br />

denn, wie wir wissen, folgten in fast<br />

allen Län<strong>der</strong>n Lateinamerikas den<br />

großen Volksbewegungen die Militärputsche<br />

<strong>der</strong> Rechten.<br />

Hat sich das Programm<br />

im Laufe <strong>der</strong> Zeit verän<strong>der</strong>t?<br />

Jemand hat die ursprüngliche Idee<br />

des Bildungsradios so zusammengefasst:<br />

Mitmachen, Unterhalten,<br />

Evangelisieren. Ich glaube, dass das<br />

Radio dieser Grundidee treu geblieben<br />

ist, auch wenn es an internen<br />

und externen Schwierigkeiten nicht<br />

fehlte. Die Militärdiktatur dauerte bis<br />

1985. Es war eine schwierige Zeit, in<br />

<strong>der</strong> jedes gesprochene Wort vorher<br />

auf die Goldwaage gelegt werden<br />

musste. Die Kirche in Brasilien hat<br />

aber nie geschwiegen. Danach kam<br />

die Zeit <strong>der</strong> politischen Öffnung, die<br />

Zeit <strong>der</strong> großen Hoffnungen. Die Zeit,<br />

in <strong>der</strong> wir jetzt leben, ist vielleicht<br />

eine Zeit <strong>der</strong> Mutlosigkeit: Jene großen<br />

Ideen von Gerechtigkeit, Gleichheit,<br />

strukturellen Reformen scheinen<br />

sich immer weiter zu entfernen.<br />

Neben diesen externen Schwierigkeiten<br />

mussten viele interne über-<br />

wunden werden, wie zum Beispiel<br />

kompetente und vertrauenswürdige<br />

Personen zu finden, um den Alltag<br />

des Radios zu bewältigen.<br />

Welche Inhalte wollen Sie heute<br />

mit dem Radio vermitteln?<br />

Können Sie uns Beispiele für<br />

beliebte Sendungen nennen?<br />

Das Bildungsradio hat immer Wert<br />

auf ein abwechslungsreiches Programm<br />

gelegt, das sich an den Zielen<br />

Mitmachen – Unterhalten – Evangelisieren<br />

ausrichtet. Wahrscheinlich ist<br />

das populärste Programm das Morgenmagazin,<br />

das schon seit <strong>der</strong> Gründung<br />

ausgestrahlt wird. Es beginnt<br />

um 6 Uhr, dauert zwei Stunden<br />

und ist sehr informativ und beliebt.<br />

Volkstümliche Musik wechselt ab mit<br />

verschiedensten Nachrichten und<br />

privaten Meldungen für die Stadtteile<br />

am Rand <strong>der</strong> Inselstadt São Luis und<br />

dem Landesinneren von Maranhão.<br />

Ein an<strong>der</strong>es beliebtes Programm, an<br />

dem viele Hörer über das Telefon<br />

teilnehmen, ist »Das Gesetz ist für<br />

alle«. Verantwortlich dafür zeichnet<br />

die Kommission für Gerechtigkeit<br />

und Frieden <strong>der</strong> Erzdiözese. Die<br />

Sendung wird samstags ausgestrahlt<br />

und dauert eine Stunde.<br />

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<strong>Franziskaner</strong> <strong>Mission</strong> 3 | 20<strong>06</strong> — Information o<strong>der</strong> Illusion – Medien verän<strong>der</strong>n<br />

Wenn ich Sie richtig verstehe,<br />

gehören für Sie die Vermittlung<br />

von Wissen (Volksbildung) und<br />

die Bewusstseinsbildung über<br />

Gesundheit, Umwelt und Politik,<br />

die Kontrolle und Kritik <strong>der</strong><br />

Regierung und die Evangelisierung<br />

zusammen? Können Sie uns<br />

das erläutern?<br />

Das stimmt. Das Programmraster des<br />

Bildungsradios variiert sehr. Verschiedenste<br />

Themen werden behandelt,<br />

wie zum Beispiel Gesundheit,<br />

Hygiene, Grundbildung, Menschenrechte,<br />

Sport, Informationen <strong>der</strong><br />

Polizei und religiöse Inhalte. Was<br />

allen diesen Aspekten gemein ist<br />

– zumindest ist das unser Ziel – das<br />

ist die Grundinspiration, das Evangelium<br />

und was es ausmacht.<br />

Sie wollen kein ausschließlich<br />

frommes Programm machen:<br />

Aber welche Rolle spielen die<br />

Übertragung von Messen, die<br />

Ausstrahlung von Andachten<br />

und die geistlichen Worten des<br />

Erzbischofs?<br />

Interessant ist, dass wir in letzter Zeit<br />

ein wachsendes Interesse <strong>der</strong> Hörer<br />

an religiösen Themen verzeichnen.<br />

Der lateinamerikanische Theologe<br />

Pe. Libánio spricht vom »Aufkommen<br />

überschäumen<strong>der</strong> Religiösität«. In<br />

diesem Moment, so sagt er, muss<br />

man falsche Wege vermeiden, beispielsweise<br />

Spiritualität mit geistlicher<br />

Emotion verwechseln. Das<br />

Bildungsradio hat immer von großen<br />

kirchlichen Ereignissen berichtet, sei<br />

es auf lokaler, überregionaler o<strong>der</strong><br />

nationaler Ebene. In diesen Berichterstattungen<br />

versuchen wir, ein<br />

positives Bild <strong>der</strong> Kirche und ihrer<br />

Botschaften zu vermitteln.<br />

Inwieweit verstehen Sie sich<br />

dabei als Konkurrenz o<strong>der</strong><br />

Korrektiv zu den Pentekostalen<br />

Kirchen, die den Umgang mit<br />

mo<strong>der</strong>nen Medien professionell<br />

vorantreiben? Wo sehen Sie<br />

den Unterschied zwischen den<br />

Botschaften unserer Kirche und<br />

denen dieser neuen geistlichen<br />

Bewegungen?<br />

Ich möchte noch einmal die Ideen<br />

von Pe. Libanio zitieren: »Mo<strong>der</strong>nität<br />

und Postmo<strong>der</strong>nität – zum einen<br />

durch extreme Verweltlichung, zum<br />

an<strong>der</strong>en durch eine Übertreibung<br />

des Sakralen – sind für die Religion<br />

problematisch. Das Christentum<br />

findet sich darin in einer schwierigen<br />

Rolle wie<strong>der</strong>, weil es seine religiöse<br />

Dimension vertreten muss, sich aber<br />

auch mit antireligiösen Tendenzen<br />

auseinan<strong>der</strong>setzen muss. Die gegenwärtige<br />

übertriebene Frömmigkeit<br />

kann von <strong>der</strong> eigentlichen <strong>Mission</strong><br />

des Christentums ablenken, indem<br />

sie ihm falsche Wege <strong>der</strong> Spiritualität<br />

zeigt. In <strong>der</strong> Theologie und <strong>der</strong> Pastoral<br />

müssen wir diese Situation ganz<br />

bewusst und weitsichtig angehen.<br />

Welche Rolle spielen die politischen<br />

Sendungen? Kommen Sie<br />

oft in Konflikt mit den Herrschenden?<br />

Kann ein Radio für mehr<br />

Gerechtigkeit sorgen?<br />

Das Bildungsradio will prinzipiell<br />

unparteiisch sein, jedoch nicht<br />

unpolitisch. In diesem Sinn gehen<br />

vor allem einige Programme auf<br />

die großen Fragen unseres Volkes<br />

ein, zum Beispiel Bürgerrechte und<br />

-pflichten, die Pflichten des Staates,<br />

aktuelle wirtschaftliche, soziale und<br />

politische Fragen. Manchmal, vor<br />

allem während <strong>der</strong> Wahlkämpfe, hatte<br />

unser Radio große Probleme mit Politikern.<br />

Das ging sogar so weit, dass<br />

<strong>der</strong> Sen<strong>der</strong> eine Zeitlang außer Betrieb<br />

gesetzt wurde. Ich glaube – allerdings<br />

ohne große Illusionen – dass das Bildungsradio<br />

auch för<strong>der</strong>lich für an<strong>der</strong>e<br />

Volksbewegungen sein kann, <strong>der</strong>en<br />

Ziel eine gerechteren Gesellschaft,<br />

basierend auf Gleichheit, ist.<br />

Was teilen Sie als Erzbischof den<br />

Menschen in Ihren Beiträgen und<br />

Botschaften gewöhnlich mit?<br />

Ich habe eine tägliche Sendezeit<br />

von 10 Minuten. Ausgehend vom<br />

Tagesevangelium, versuche ich den<br />

Hörern täglich eine »gute Nachricht«<br />

zu übermitteln.<br />

Wie viele Menschen erreichen<br />

Sie mit Ihrem Radio?<br />

Der Sen<strong>der</strong> steht in Maranhão<br />

aufgrund <strong>der</strong> Einschaltquoten an<br />

zweiter Stelle. Man hört oft, dass<br />

er in Sachen Glaubwürdigkeit sogar<br />

ganz vorn liegt. Unser Bildungsradio<br />

erreicht den am dichtest besiedelten<br />

Teil von Maranhão. Das ist einmal die<br />

Inselstadt São Luis mit mehr als einer<br />

Million Einwohnern und <strong>der</strong> gesamte<br />

nördliche Teil des Bundesstaates.<br />

Es ist sicher nicht falsch, wenn wir<br />

sagen, dass <strong>der</strong> Sen<strong>der</strong> wenigstens die<br />

Hälfte <strong>der</strong> Bewohner von Maranhão<br />

erreicht, also etwa 3 Millionen Bürgerinnen<br />

und Bürger.<br />

Wie ist die Akzeptanz bei den<br />

Menschen Ihrer Diözese?<br />

Gibt es auch Kritik am Radio?<br />

Das Bildungsradio ist sehr beliebt, vor<br />

allem auch bei den armen Schichten.<br />

Es gibt natürlich auch Bedenken wegen<br />

einiger Programminhalte. Einige<br />

Stimmen <strong>der</strong> Kirche würden ein rein<br />

religiöses Programm vorziehen.


Gibt es Sendungen, bei denen<br />

sich die Hörer beteiligen? Wenn<br />

ja, welche und in welcher Form?<br />

Der größte Teil des Programms ist für<br />

die Beteiligung <strong>der</strong> Hörer offen. Da<br />

es hierzulande immer mehr Telefone<br />

gibt, können auch immer mehr<br />

Zuhörer das Programm mitgestalten.<br />

Darüber hinaus gibt es an<strong>der</strong>e<br />

Formen des Mitmachens. So wird die<br />

wöchentliche Sendung <strong>der</strong> Basisgemeinden<br />

in <strong>der</strong> Regel direkt aus<br />

einer solchen Gemeinde übertragen.<br />

Gibt es auch in an<strong>der</strong>en Teilen<br />

Brasiliens ein solches Bildungs-<br />

und Volksradio, und gibt es eine<br />

Vernetzung <strong>der</strong> kirchlichen<br />

bzw. franziskanischen Radios?<br />

Es gibt viele an<strong>der</strong>e solcher Radiostationen.<br />

Fast alle sind in den 60er<br />

Jahren entstanden. In den letzten<br />

Jahren kamen viele so genannte<br />

Bürgerradios dazu. Das sind UKW-<br />

Sen<strong>der</strong> mit kurzer Reichweite, die<br />

sich bestimmten Themen o<strong>der</strong><br />

spezifischen Gruppen widmen. Diese<br />

Radios mussten mit den gesetzlichen<br />

Vorschriften, die ja sehr streng sind,<br />

konform gehen, gerade weil sie ja<br />

alternativ senden wollten. Die nationale<br />

brasilianische Bischofskonferenz<br />

hat versucht, die verschiedensten<br />

Initiativen <strong>der</strong> Katholiken im Bereich<br />

<strong>der</strong> sozialen Kommunikation zu verbinden.<br />

Es gibt einige Sen<strong>der</strong>netze,<br />

unter ihnen das »Netz Katholischer<br />

Information o<strong>der</strong> Illusion – Medien verän<strong>der</strong>n — <strong>Franziskaner</strong> <strong>Mission</strong> 3 | 20<strong>06</strong><br />

Radios«, die vom Radio <strong>der</strong> franziskanischen<br />

Minoriten (Konventualen)<br />

koordiniert werden.<br />

Welche Musik wird im<br />

Bildungsradio gespielt?<br />

Unser Sen<strong>der</strong> spielt alle Musikrichtungen,<br />

vor allem populäre Lie<strong>der</strong>.<br />

Senden Sie rund um die Uhr?<br />

Ja, wobei wir uns von Mitternacht<br />

bis 5.55 Uhr in das »Netz Katholischer<br />

Radios« einschalten.<br />

Welche an<strong>der</strong>en Organisationen<br />

sind am Bildungsradio beteiligt?<br />

Mit wem arbeiten Sie zusammen?<br />

Das Bildungsradio arbeitet mit<br />

verschiedensten Organisationen<br />

zusammen, sowohl innerhalb als<br />

auch außerhalb <strong>der</strong> kirchlichen Institutionen.<br />

Um nur einige zu nennen:<br />

die Gewerkschaften, die zweimal<br />

in <strong>der</strong> Woche eine halbe Stunde<br />

Programm haben; <strong>der</strong> Dachverband<br />

<strong>der</strong> Rechtsanwälte Brasiliens; <strong>der</strong><br />

Zusammenschluss <strong>der</strong> katholischen<br />

Schulen, die Basisgemeinden, die<br />

Kommission für Gerechtigkeit und<br />

Frieden <strong>der</strong> Erzdiözse, dazu viele<br />

an<strong>der</strong>e Bewegungen und pastorale<br />

kirchliche Gruppen.<br />

Wie können wir Sie in Europa<br />

bei Ihrer Arbeit unterstützen?<br />

Europa hilft unserem Sen<strong>der</strong> schon<br />

sehr. Doch Unterstützung bei <strong>der</strong><br />

Dom José Belisário besuchte Europa<br />

Seine erste Auslandsreise als Erzbischof<br />

von São Luis führte Dom<br />

José Belisário da Silva ofm nach<br />

Rom, wo er am 29. Juni 20<strong>06</strong>, dem<br />

Fest des Hl. Petrus und Paulus,<br />

zusammen mit 26 an<strong>der</strong>en neu<br />

ernannten Erzbischöfen aus den<br />

Händen von Papst Benedikt XVI.<br />

das Pallium, äußeres Zeichen <strong>der</strong><br />

Würde des Erzbischofs, erhielt.<br />

Als <strong>Franziskaner</strong>bischof ließ es sich<br />

Dom Belisário, ehemaliger Bischof<br />

von Bacabal, nicht nehmen, neben<br />

verschiedenen Hilfswerken, Partnergemeinden<br />

und Klöstern auch die<br />

<strong>Franziskaner</strong> <strong>Mission</strong> in Dortmund<br />

zu besuchen. Bei dieser Gelegenheit<br />

sprach er ausführlich von seiner<br />

Arbeit, seinen Hoffnungen, Plänen<br />

und Sorgen. Ein großes Anliegen des<br />

Erzbischofs ist die Konsolidierung<br />

des Sen<strong>der</strong>s »Radio Educadora«, wie<br />

aus unserem Interview hervorgeht.<br />

Erneuerung <strong>der</strong> Sendetechnik und<br />

<strong>der</strong> Ausbildung unserer Radiojournalisten<br />

wäre sehr willkommen.<br />

Was wünschen Sie sich für<br />

die Zukunft des Radios?<br />

Unser Sen<strong>der</strong> befindet sich gerade<br />

in einer recht schwierigen Phase.<br />

Bis jetzt hatte er die rechtliche<br />

Form einer Handelsgesellschaft,<br />

wobei 95 Prozent <strong>der</strong> Anteile in den<br />

Händen meines Vorgängers, Dom<br />

Paulo Ponte, lagen. Die Erzdiözese<br />

von São Luis hat nun die Stiftung<br />

»Dom José de Medeiros Delgado« ins<br />

Leben gerufen, <strong>der</strong>en Hauptziel die<br />

För<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Evangelisierung durch<br />

soziale Kommunikationsmittel ist.<br />

Diese Stiftung ist bereits Eigentümerin<br />

von zwei Verteilern katholischer<br />

TV-Sen<strong>der</strong>: die »Rede Vida« und die<br />

»Rede Nazaré«. Wir möchten das<br />

Bildungsradio <strong>der</strong> Verantwortung<br />

dieser Stiftung übertragen. Dabei<br />

handelt es sich allerdings nicht nur<br />

um einen reinen Verwaltungsschritt,<br />

vielmehr müssen wir diese Gelegenheit<br />

nutzen und die Aktionslinien<br />

unserer Ortskirche bezüglich ihres<br />

Engagements in den sozialen Kommunikationsmitteln<br />

diskutieren und<br />

hinterfragen.<br />

Mit Dom Belisário sprach<br />

Thomas M. Schimmel, Leiter<br />

des Berliner Büros <strong>der</strong> <strong>Mission</strong>szentrale<br />

<strong>der</strong> <strong>Franziskaner</strong>.<br />

17


Das Fernsehen bringt eine<br />

an<strong>der</strong>e Wirklichkeit in die<br />

Hütten <strong>der</strong> Tupari.<br />

Foto: Gleice Mere<br />

18<br />

<strong>Franziskaner</strong> <strong>Mission</strong> 3 | 20<strong>06</strong> — Information o<strong>der</strong> Illusion – Medien verän<strong>der</strong>n<br />

Die Tupari sehen fern<br />

Fernsehen verän<strong>der</strong>t die Welt <strong>der</strong> Tupari-Indianer in Brasilien<br />

Die in Berlin lebende brasilianische Fotografin<br />

Gleice Mere hat das indigene Volk<br />

<strong>der</strong> Tupari-Indianer im brasilianischen<br />

Bundesstaat Rondônia besucht und fotografiert.<br />

Dabei wandelte sie auf den Spuren<br />

des deutschen Ethnologen Franz Caspar,<br />

<strong>der</strong> vor über 50 Jahren das Leben <strong>der</strong><br />

Tupari fotografisch dokumentiert hat. Die<br />

Fotos von Caspar neben den Bil<strong>der</strong>n von<br />

Gleice Mere und den Fotos, die die Tupari<br />

beim Besuch von Gleice Mere selbst von<br />

sich und ihren Alltagssituationen gemacht<br />

haben, zeichnen ein interessantes Bild <strong>der</strong><br />

Vergangenheit, Entwicklung und Gegenwart<br />

des indigenen Stammes.<br />

Frau Mere, dieses Bild haben<br />

Sie bei Ihrem Aufenthalt bei<br />

den Tupari-Indianern gemacht.<br />

Was zeigt es?<br />

Auf dem Bild sieht man die Faszination,<br />

die das Fernsehen auf die<br />

Indianer hat.<br />

Das Fernsehen bringt eine<br />

an<strong>der</strong>e Wirklichkeit zu den<br />

indigenen Völkern. Zeigt sich<br />

das im Alltag?<br />

Absolut. Früher haben sich die<br />

Menschen abends unterhalten, sie<br />

haben ihre Geschichten erzählt, da<br />

ihre Traditionen mündlich weitergegeben<br />

wurden. Abends war<br />

die Zeit, sich in <strong>der</strong> Familie und<br />

im Stamm auszutauschen. Heute<br />

sitzen sie alle vor dem Fernseher<br />

und schweigen.<br />

Hat das Fernsehen das soziale<br />

Verhalten <strong>der</strong> Menschen<br />

verän<strong>der</strong>t?<br />

Das Problem des brasilianischen<br />

Fernsehens ist, dass wir einen großen<br />

Medienkonzern haben, <strong>der</strong> die<br />

Trends bestimmt und inhaltlich sehr<br />

wenig vermittelt. Telenovelas sind<br />

das Lieblingsprogramm <strong>der</strong> meisten<br />

Brasilianer, auch <strong>der</strong> Indianer. Es ist<br />

schwierig zu sagen, wie die indigenen<br />

Menschen das Programm bezogen<br />

auf die Realität interpretieren. Aber<br />

es ist deutlich, dass für viele Indianer<br />

die Grenze zwischen Realität und<br />

Schauspielerei nicht klar zu ziehen<br />

ist. Außerdem steigen die Gewalttaten<br />

innerhalb <strong>der</strong> Familien, <strong>der</strong><br />

Reservate. Das war früher bei indigenen<br />

Völkern nicht üblich.<br />

Sehen Sie auch eine positive<br />

Wirkung des Fernsehens?<br />

Positiv ist, dass sich die Menschen<br />

von <strong>der</strong> Welt nicht ausgeschlossen<br />

fühlen. Würden mehr kulturelle<br />

Programme gezeigt, könnte es ein<br />

Gewinn für diese Völker und ihre<br />

Anliegen sein.<br />

Ihre Bil<strong>der</strong> zeigen, wie sehr die<br />

indigenen Völker auf <strong>der</strong> Grenze<br />

zwischen Bewahrung <strong>der</strong> Traditionen<br />

und mo<strong>der</strong>ner Welt leben.<br />

Historisch und menschlich betrachtet<br />

ist es wirklich bedauerlich, wie die<br />

indigenen Völker mit <strong>der</strong> nichtindigenen<br />

Kultur in Kontakt gekommen<br />

sind. Dadurch haben sie keine gute<br />

Botschaft aus <strong>der</strong> an<strong>der</strong>en Kultur<br />

vermittelt bekommen. Beson<strong>der</strong>s in<br />

den letzten 50 Jahren sind ihre sozialen<br />

Strukturen, die ihre Gesellschaft<br />

bestimmt haben, verschwunden. Auf<br />

<strong>der</strong> an<strong>der</strong>en Seite gibt es einen kulturellen<br />

Wi<strong>der</strong>stand. Indianer haben<br />

eine indigene Seele, ein indigenes<br />

Dasein, obwohl sie vieles von <strong>der</strong><br />

nichtindigenen Kultur aufgenommen<br />

haben. Diese Spuren können wir in<br />

den Bil<strong>der</strong>n erkennen. Zwischen den<br />

Zeilen kann <strong>der</strong> Betrachter ihre Realität<br />

sehen und interpretieren.<br />

Welche Botschaft wollen Sie<br />

mit Ihren Bil<strong>der</strong>n in Europa<br />

vermitteln?<br />

Durch unser Engagement in <strong>der</strong><br />

Gesellschaft tragen wir täglich, aktiv<br />

o<strong>der</strong> passiv, Verantwortung für viele<br />

Dinge, die auf <strong>der</strong> Erde geschehen.<br />

Die Politik beeinflusst die Kultur <strong>der</strong><br />

Indigenen. Es existiert die ILO-Konvention<br />

169, die indigene Völker<br />

schützen und mit Rechten ausstatten<br />

will. Deutschland und an<strong>der</strong>e<br />

europäische Län<strong>der</strong> weigern sich<br />

seit 20 Jahren, diese Konvention zu<br />

ratifizieren. Die Jahre 2005 bis 2015<br />

haben die Vereinten Nationen zur<br />

»Indigenen Dekade« ausgerufen, um<br />

die internationale Aufmerksamkeit<br />

auf die Probleme indigener Völker zu<br />

lenken. Trotzdem weigern sich auf<br />

politischer Ebene die meisten europäischen<br />

Län<strong>der</strong>, die Rechte von ca.<br />

300 Millionen indigenen Menschen<br />

offiziell anzuerkennen. Daran sollten<br />

wir die politisch Verantwortlichen<br />

täglich erinnern und sie zur Än<strong>der</strong>ung<br />

ihrer Politik auffor<strong>der</strong>n.<br />

Interview: Thomas M. Schimmel<br />

Eine Ausstellung <strong>der</strong> Bil<strong>der</strong> ist<br />

Ende 20<strong>06</strong> in <strong>der</strong> Suppenküche <strong>der</strong><br />

<strong>Franziskaner</strong> in Berlin-Pankow und<br />

Anfang 2007 in <strong>der</strong> <strong>Franziskaner</strong><br />

<strong>Mission</strong> in Dortmund zu sehen.


Information o<strong>der</strong> Illusion – Medien verän<strong>der</strong>n — <strong>Franziskaner</strong> <strong>Mission</strong> 3 | 20<strong>06</strong><br />

Süchtig nach <strong>der</strong> heilen Welt<br />

Phänomen Telenovela<br />

Vor etwa 25 Jahren, als das Fernsehen<br />

im Nordosten Brasiliens begann, bis in<br />

die entferntesten Buschdörfer im Hinterland<br />

vom Maranhão vorzudringen,<br />

hat mir ein erfahrener brasilianischer<br />

Weltpriester, Padre Jocy Rodrigues,<br />

bekannt für seine Volksnähe und seine<br />

im brasilianischen Rhythmus gesungenen<br />

Kirchenlie<strong>der</strong>, gesagt: »Wenn<br />

du zu Beginn einer Predigt die ungeteilte<br />

Aufmerksamkeit deiner Zuhörer<br />

gewinnen willst, also einen guten<br />

›Aufhänger‹ brauchst, dann fang an<br />

mit einer Episode <strong>der</strong> im Moment im<br />

Fernsehen laufenden Telenovela. Alle<br />

Zuhörer spitzen die Ohren, recken die<br />

Hälse und sind gespannt, welche Meinung<br />

wohl <strong>der</strong> Priester über den Inhalt<br />

und Wert <strong>der</strong> am Vorabend gesendeten<br />

Fortsetzungsgeschichte äußern wird.«<br />

Telenovelas in Brasilien: ein Phänomen.<br />

Alle Fernsehkanäle setzen auf<br />

sie. Zuschauerprozente bestimmen,<br />

wie die Geschichte weitergeht. Die<br />

Fernsehkanäle achten sogar auf den<br />

Zeitpunkt ihrer Werbeunterbrechungen<br />

und senden sie zeitgleich mit<br />

ihrer Konkurrenz, damit niemand in<br />

Versuchung kommt, den Kanal zu<br />

wechseln. Die Telenovelas werden<br />

tagtäglich ausgestrahlt, sie laufen<br />

über Monate, eine folgt <strong>der</strong> an<strong>der</strong>en.<br />

Zielgruppe ist vor allem die arme<br />

Bevölkerung, weil sie leicht manipulierbar<br />

ist und kritiklos schluckt,<br />

was in gefälliger Verpackung auf dem<br />

Tablett <strong>der</strong> Telenovela angeboten<br />

wird: Liebesgeschichten, Familiendramen,<br />

Generations-, Sozial- und<br />

Rassenkonflikte. Es geht um Leidenschaft,<br />

Rache, Intrige, Tragik, Glück,<br />

Geld, Homosexualität, Ehebruch,<br />

Abtreibung, Gewalt. Themen, die<br />

starke Emotionen wecken und – wie<br />

man in Brasilien sagt – den Leuten<br />

»den Kopf machen«, d.h. die Leute<br />

manipuliert. Werte wie Anstand,<br />

Charakterstärke, Ehrlichkeit,<br />

Treue, wahre Liebe, Gradlinigkeit,<br />

Verantwortungsbewusstsein, feste<br />

Prinzipien, religiöse Überzeugungen<br />

werden relativiert o<strong>der</strong> verdreht.<br />

Die Leidenschaft für die Telenovelas<br />

führt bei den Leuten dazu, dass <strong>der</strong><br />

Fernsehapparat bei <strong>der</strong> Anschaffung<br />

von Gebrauchsgegenständen<br />

an erster Stelle steht. Sobald in<br />

einem entlegenen Buschdorf die<br />

erste elektrische Hochleitung gelegt<br />

wird, sprießen auf den strohgedeckten<br />

Dächern <strong>der</strong> Lehmhütten die<br />

Fernsehantennen – ein bizarrer, oft<br />

schockieren<strong>der</strong> Anblick. Selbst wenn<br />

im Dorf die Schule o<strong>der</strong> eine kleine<br />

Gesundheitsstation fehlt, selbst wenn<br />

das Dorf wegen <strong>der</strong> miserablen Straßenverhältnisse<br />

vom Rest <strong>der</strong> Welt<br />

abgeschnitten ist, man kann darauf<br />

wetten, dass im nächsten Wahlkampf<br />

alle Kandidaten die Leute fragen<br />

werden: »Wollt ihr lieber eine Schule,<br />

einen Schotterweg, medizinische<br />

Versorgung, einen Kin<strong>der</strong>garten...<br />

o<strong>der</strong> Fernsehen?« Und es wird wie<br />

aus einem Mund die Antwort kommen:<br />

»Wir wollen das Fernsehen!«<br />

Dass die Politiker dann später das<br />

Fernsehen missbrauchen, um unter<br />

dem Deckmäntelchen <strong>der</strong> Telenovela<br />

ihre schmutzige und korrupte Politik<br />

unter das Volk zu bringen, merken<br />

die Leute nicht.<br />

Die Telenovela ist wie eine Droge.<br />

Wer einmal an <strong>der</strong> Angel hängt,<br />

kommt nicht mehr davon los. Hausfrauen<br />

und Dienstmädchen vertratschen<br />

manche Stunde damit, ob das<br />

arme, schöne Landarbeitermädchen<br />

sich dem reichen Sohn des Großgrundbesitzers<br />

hingeben soll, damit<br />

ihre Eltern <strong>der</strong> drohenden Vertreibung<br />

von ihrem Stückchen Land entgehen,<br />

o<strong>der</strong> ob sie doch lieber den dunkelhäutigen<br />

Sklavenabkömmling heiraten<br />

soll. Selbst das kirchliche Leben steht<br />

unter dem Einfluss <strong>der</strong> Telenovela.<br />

Versammlungen, Katechese, Veranstaltungen,<br />

Gottesdienst werden durch<br />

sie beeinträchtigt. Nachbarschaftsbeziehungen<br />

schlafen ein, Kin<strong>der</strong> spielen<br />

nicht mehr miteinan<strong>der</strong>, Jugendliche<br />

vernachlässigen ihr Lernpensum. Die<br />

Telenovela ist gemeinschaftsverän<strong>der</strong>nd.<br />

Aber in welche Richtung?<br />

Claudio Krämer<br />

P. Claudio Krämer ofm ist Pfarrer<br />

in <strong>der</strong> Gemeinde São Luis Gonzaga<br />

im Nordosten Brasiliens.<br />

19


20<br />

<strong>Franziskaner</strong> <strong>Mission</strong> 3 | 20<strong>06</strong> — Information o<strong>der</strong> Illusion – Medien verän<strong>der</strong>n<br />

Was haben Handys mit Krieg zu tun?<br />

Gewaltökonomie und Unternehmerverantwortung<br />

am Beispiel Koltan im Osten <strong>der</strong> DR Kongo<br />

Koltan ist ein Rohstoff, <strong>der</strong> für die<br />

Herstellung von Leiterplatten u.a. für<br />

Mobiltelefone und Spielkonsolen relevant<br />

ist. Lange Zeit war Koltan ein Hauptfaktor<br />

für die Finanzierung des Krieges<br />

in <strong>der</strong> Demokratischen Republik Kongo<br />

(vormals Zaire), <strong>der</strong> seit 1996 vor allem<br />

in den Provinzen Nord- und Südkivu<br />

und im Ituri den Alltag bestimmt. Es<br />

wird von mehr als drei Millionen Toten<br />

ausgegangen, die durch direkte Gewalt<br />

o<strong>der</strong> an den Folgen des Krieges, durch<br />

Unterernährung, fehlende medizinische<br />

Versorgung, Vergewaltigung, Vertreibung<br />

starben. Am Beispiel von Koltan lässt sich<br />

beson<strong>der</strong>s deutlich darstellen, wie sich<br />

die Verantwortungslosigkeit von Unternehmern<br />

zum Motor von massiven Menschenrechtsverletzungen<br />

machen lässt.<br />

Die DR Kongo ist eines <strong>der</strong> ressourcenreichsten<br />

Län<strong>der</strong> Afrikas, dennoch<br />

steht sie auf Rang 168 von 177 des<br />

Human Development Index. Von<br />

mehr als 50 Millionen Einwohnern<br />

<strong>der</strong> DR Kongo leben mehr als 20 Millionen<br />

in den Konfliktgebieten des<br />

Ostens. Dort ist <strong>der</strong> Staat mit seiner<br />

Infrastruktur, die für Sicherheit, Bildung,<br />

Gesundheit, Rechtsstaatlichkeit<br />

und Steuerregulierungen zuständig<br />

wäre, seit über 30 Jahren abwesend.<br />

Aus diesem Machtvakuum heraus ist<br />

es für bewaffnete Gruppierungen ein<br />

Leichtes, lokale Gebiete zu kontrollieren.<br />

Dies kommt allerdings nicht <strong>der</strong><br />

Bevölkerung zu Gute, son<strong>der</strong>n steht<br />

in einer Tradition <strong>der</strong> Selbstbereicherung,<br />

wie sie seit <strong>der</strong> Regierung von<br />

Mobutu Sese Seko für die DR Kongo<br />

zur Normalität geworden ist.<br />

Bewaffnete Gruppierungen kontrollieren<br />

Minen, in denen teilweise<br />

unorganisierte Schürfer, teilweise<br />

zur Arbeit gezwungene Menschen<br />

arbeiten. Erze wie Tantal und Cassiterite,<br />

die als »Koltan« bezeichneten<br />

Grundstoffe für Festplatten und<br />

Mobiltelefone, werden mit Millionenprofiten<br />

jährlich ausgebeutet.<br />

Die lokale Bevölkerung o<strong>der</strong> gar <strong>der</strong><br />

Staatshaushalt profitieren nur gering<br />

von diesen Rohstoffen.<br />

Neben dem illegalen Transfer<br />

<strong>der</strong> Rohstoffe in Nachbarlän<strong>der</strong>, von<br />

denen aus sie auf dem Weltmarkt<br />

verkauft werden, sind es auch<br />

internationale Unternehmen, die in<br />

diesem rechtlosen Zustand an schnellem<br />

Profit interessiert sind. Der globalisierte<br />

Markt und seine Unternehmen<br />

billigen die Gewalt gegen die<br />

Bevölkerung, den illegalen Transfer,<br />

die Kontrolle <strong>der</strong> Minen durch<br />

bewaffnete Milizen und Zwangs- und<br />

Kin<strong>der</strong>arbeit. Sie verhelfen durch<br />

die direkte Abwicklung <strong>der</strong> Verkäufe<br />

über Anführer bewaffneter Gruppierungen<br />

als Mittelsmänner diesen zur<br />

Finanzierung ihrer Waffeneinkäufe.<br />

Für die Konsumenten, also uns<br />

Handybenutzer, ist <strong>der</strong> Kongo weit<br />

weg. Dabei sind die Wege, die das<br />

Koltan nimmt, keineswegs umständlich.<br />

Koltan hat einen ungeheuren<br />

Boom erfahren, weil immer mehr<br />

Menschen auf <strong>der</strong> Welt immer mehr<br />

Handys benutzen. Auch <strong>der</strong> Verkauf<br />

und die Möglichkeit, den Rohstoff<br />

illegal an den Steuerbehörden vorbei<br />

aus dem Land zu schaffen, wurde per<br />

Handy geregelt. Trotz enormer Armut<br />

funktioniert das Telekommunikations-<br />

netz im Osten <strong>der</strong> DR Kongo besser<br />

als in <strong>der</strong> Uckermark. Trotz des<br />

Krieges ist es kein Problem für die<br />

Kriegsherren, vor Ort per Handy ein<br />

Geschäft mit einem Einkäufer in <strong>der</strong><br />

Ukraine o<strong>der</strong> Goslar auszuhandeln.<br />

Der Sicherheitsrat <strong>der</strong> Vereinten<br />

Nationen hat sich seit dem Jahr 2000<br />

mit diesem menschenverachtenden<br />

Kreislauf beschäftigt und durch ein<br />

Expertenkomitee mehrere Berichte<br />

erstellen lassen, in denen 157 internationale<br />

Einzelunternehmen,<br />

Nachbarlän<strong>der</strong> und Einzelpersonen<br />

aus <strong>der</strong> Regierung als Verantwortliche<br />

benannt sind. Bis auf wenige<br />

Ausnahmen wurde gegen keine <strong>der</strong><br />

Firmen gerichtlich vorgegangen. Das<br />

Volumen <strong>der</strong> Gewinne aus kongolesischen<br />

Rohstoffen, die durch Nachbarlän<strong>der</strong><br />

erwirtschaftet wurden, wird<br />

seit 1998 auf mehr als 5 Milliarden<br />

Dollar geschätzt.<br />

Am Beispiel Koltan lässt sich ein<br />

brutales, menschenverachtendes<br />

Laissez-faire <strong>der</strong> Wirtschaft nachzeichnen.<br />

Unternehmen, die vor Ort<br />

direkt o<strong>der</strong> indirekt mit Kriegsherren<br />

kooperieren, denen ungeheure Menschenrechtsverletzungennachgewiesen<br />

wurden, müssen zur Verantwortung<br />

gezogen werden. Straflosigkeit<br />

kann nicht als Grundlage für profitable<br />

Wirtschaft gelten. Bislang gibt<br />

es allerdings kein verbindliches<br />

Instrument, das Unternehmen eine<br />

direkte Beteiligung an Gewaltökonomien<br />

gerichtlich verweigern könnte.<br />

Es gibt auch kein Instrument, das<br />

verbindlich dafür eingesetzt wird,<br />

dass Unternehmertätigkeit an Menschenrechten<br />

gemessen werden und<br />

sich pro-aktiv darum zu kümmern<br />

hätten, dass sie eben nicht Profite aus<br />

Gewaltökonomien schöpfen.<br />

Annette Weber<br />

Annette Weber ist Koordinatorin<br />

des Ökumenischen Netzes Zentralafrika,<br />

Berlin.


Information o<strong>der</strong> Illusion – Medien verän<strong>der</strong>n — <strong>Franziskaner</strong> <strong>Mission</strong> 3 | 20<strong>06</strong><br />

Mit einem Klick ins Kloster<br />

Franziskanische Präsenz<br />

im multimedialen Zeitalter<br />

Das Internet, unendliche Weiten.<br />

Wir schreiben das Jahr 20<strong>06</strong>, in<br />

dem eine Ordensgemeinschaft<br />

auf ihr 800-jähriges Jubiläum<br />

zusteuert – die <strong>Franziskaner</strong>.<br />

Vor rund 800 Jahren ließ <strong>der</strong><br />

Hl. Franziskus seine Ordens-<br />

und Lebensregel vom Papst<br />

bestätigen. Zugegeben, verglichen<br />

mit <strong>der</strong> Ordensgründung<br />

des Hl. Benedikt rund 700 Jahre<br />

zuvor sind wir <strong>Franziskaner</strong><br />

noch ein vergleichsweise<br />

junger Orden. Dennoch liegen<br />

800 wechselhafte, turbulente<br />

und durch viele Entwicklungen<br />

gekennzeichnete Jahre hinter<br />

uns. Wie viele noch vor<br />

uns liegen, das weiß <strong>der</strong> Herr<br />

alleine – wechselhaft und anpassungsfähig<br />

an die Gegebenheiten<br />

<strong>der</strong> jeweiligen Zeit bleiben<br />

wir mit Sicherheit. Müssen wir<br />

bleiben, um weiterhin lebendiger<br />

Leib Jesu Christi zu sein. Bei<br />

<strong>der</strong> Zahl 800 mag man vielleicht<br />

in Ehrfurcht erstarren o<strong>der</strong> die<br />

Stirn in Sorgenfalten legen, weil<br />

man fürchtet, auf verkrustete<br />

Strukturen und einen rückwärts<br />

gewandten Blick zu stoßen.<br />

Doch das Gegenteil ist <strong>der</strong> Fall:<br />

Wir <strong>Franziskaner</strong> sind zukunftsorientiert,<br />

richten den Blick<br />

nach vorne und sind im Hier<br />

und Jetzt verankert. Ein Beispiel<br />

dafür ist unsere Homepage im<br />

Internet.<br />

Ohne eine ansprechende und<br />

informative Internetpräsenz geht<br />

es heute einfach nicht mehr. Viele<br />

Informationen werden heute aus<br />

dem Internet bezogen, Kontakte<br />

finden über Homepages und<br />

eMails statt: Das geht schnell<br />

und direkt und ist praktisch von<br />

überall möglich. Klickt man auf<br />

www.franziskaner.de, öffnet sich<br />

eine in angenehmem Orange-Gelb<br />

gestaltete Homepage, die sehr<br />

umfangreich, aber auch übersichtlich<br />

gestaltet ist und auf <strong>der</strong> sich<br />

auch nicht so geübte Internetnutzer<br />

schnell zurecht finden. Unter den<br />

sechs Punkten <strong>der</strong> Hauptmenüleiste<br />

ist nahezu alles zu finden, was den<br />

Besucher <strong>der</strong> Seite hergeführt hat.<br />

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22<br />

<strong>Franziskaner</strong> <strong>Mission</strong> 3 | 20<strong>06</strong> — Information o<strong>der</strong> Illusion – Medien verän<strong>der</strong>n<br />

»Franziskus«<br />

Der Punkt »Franziskus« bietet Informationen<br />

über die beiden Grün<strong>der</strong><br />

<strong>der</strong> franziskanischen Ordensfamilie:<br />

Franziskus und Clara. Ein virtueller<br />

Ausflug nach Assisi ermöglicht es,<br />

sich einen ersten visuellen Eindruck<br />

von Franz’ und Claras Lebens- und<br />

Wirkungsort zu verschaffen. Von<br />

hier gelangt man auch auf weitere<br />

Internetseiten über die Stadt Assisi.<br />

Ebenso ist ein Stammbaum <strong>der</strong> franziskanischen<br />

Familie dargestellt und<br />

Interessierte können sich prägnante<br />

Informationen über die Ordensgeschichte<br />

durchlesen. Ferner gibt es<br />

einen kleinen Exkurs in franziskanischer<br />

Spiritualität.<br />

»Bibliografie«<br />

Der Punkt »Bibliografie« stellt<br />

weiterführende Literatur zu<br />

unterschiedlichen franziskanischen<br />

Themen vor.<br />

»Wer sind wir«<br />

Der nächste Punkt »Wer sind wir«<br />

geht <strong>der</strong> Frage nach, wer o<strong>der</strong> was<br />

sich eigentlich hinter dem Wort<br />

»<strong>Franziskaner</strong>« verbirgt. Hier wird<br />

versucht, dem <strong>Franziskaner</strong> ein<br />

Gesicht zu geben. Neben kurzen<br />

Statements einiger Mitbrü<strong>der</strong> zu <strong>der</strong><br />

Frage »<strong>Franziskaner</strong>-Sein bedeutet<br />

für mich ...« kommen in vier Kurzbiografien<br />

Brü<strong>der</strong> zu Wort, die über<br />

ihren Lebens-, Entwicklungs- und<br />

Berufungsweg berichten. An diesen<br />

einzelnen Schil<strong>der</strong>ungen ist schnell<br />

ablesbar, dass es nicht den <strong>Franziskaner</strong><br />

und den Berufungsweg gibt.<br />

Es ist die Vielfalt und Unterschiedlichkeit<br />

an Brü<strong>der</strong>n, Biografien und<br />

Berufungen, die die Lebendigkeit des<br />

Ordens und Buntheit unseres Lebens<br />

und Wirkens zum Ausdruck bringen.<br />

Im Unterpunkt »<strong>Franziskaner</strong>-Werden«<br />

begleitet die kleine Figur Jan<br />

am Ordensleben interessierte junge<br />

Männer über ein von Br. Michael<br />

Blasek ofm gezeichnetes Cartoon<br />

durch die unterschiedlichen Ausbildungsstufen<br />

als Ordensmann.<br />

»Was wir tun«<br />

Unter dem Punkt »Was wir tun«<br />

kann man sich umfassend über die<br />

unterschiedlichen Tätigkeits- und<br />

Aufgabenfel<strong>der</strong> des Ordens und<br />

einzelner Mitbrü<strong>der</strong> in den Bereichen<br />

Seelsorge, Forschung, <strong>Mission</strong>,<br />

handwerklicher, pädagogischer<br />

und sozial-solidarischer Tätigkeiten<br />

usw. informieren. Hier finden sich<br />

auch weiterführende Links u.a. zu<br />

ordenseigenen Schulen, zum Institut<br />

<strong>der</strong> franziskanischen Geschichte,<br />

Suppenküche, Straßenambulanz,<br />

<strong>Mission</strong>szentrale und zu an<strong>der</strong>en<br />

Einrichtungen.<br />

»Wo wir leben«<br />

»Wo wir leben« informiert über<br />

unsere Lebens- und Wirkungsorte.<br />

Die klar geglie<strong>der</strong>te und in die<br />

vier deutschen Provinzen untergeteilte<br />

Deutschlandkarte führt<br />

durch Anklicken zunächst auf die<br />

betreffende Provinz und von dort<br />

wie<strong>der</strong>um zu den einzelnen Klöstern<br />

und Gemeinschaften. Alle Klöster<br />

und Gemeinschaften sind von diesem<br />

Punkt aus per eMail erreichbar,<br />

viele verfügen über eine eigene<br />

Homepage.<br />

»Angebot«<br />

Unter »Angebot« findet <strong>der</strong><br />

Besucher eine wahre Fundgrube<br />

unterschiedlicher Themen: Hier<br />

können Männer, die Interesse am<br />

Ordensleben haben, den für ihre<br />

Region zuständigen Mitbru<strong>der</strong> <strong>der</strong><br />

Berufungspastoral ermitteln und<br />

sofort per Mail kontaktieren. Für wen<br />

dieser Schritt zu schnell ist, <strong>der</strong> kann<br />

sich in <strong>der</strong> Liste <strong>der</strong> Mitlebehäuser<br />

umschauen, das für ihn am nächsten<br />

gelegene auswählen und ebenfalls per<br />

eMail anschreiben. Das Angebot <strong>der</strong><br />

Mitlebehäuser richtet sich wohlgemerkt<br />

nicht nur an Männer mit<br />

Interesse am Ordensleben.<br />

Unter diesem Punkt gibt es<br />

zudem die Möglichkeit, sich einzelne<br />

Provinzzeitschriften anzuschauen,<br />

herunterzuladen o<strong>der</strong> zu abonnieren.<br />

Am Puls <strong>der</strong> Zeit<br />

Der Internetauftritt <strong>der</strong> <strong>Franziskaner</strong><br />

ist anprechend und übersichtlich<br />

gestaltet. Dem Besucher bietet sich<br />

hier keine »Bleiwüste«, die das weitere<br />

Durchklicken eher verhin<strong>der</strong>n<br />

würde. Um zu vermeiden, dass die<br />

Homepage unnötig aufgebläht und<br />

schwerfällig in <strong>der</strong> Nutzung wird,<br />

wird vielerorts auf weiterführende<br />

Links verwiesen – es lohnt sich,<br />

immer mal in die linke Bildleiste<br />

zu schauen. Sollte jemand wi<strong>der</strong><br />

Erwarten doch einmal den Überblick<br />

verloren haben: Die Hauptmenüleiste<br />

ist in je<strong>der</strong> Ansicht präsent und<br />

bringt den Besucher wie<strong>der</strong> an seinen<br />

gewünschten Ausgangsort zurück.<br />

Ein Klick auf www.franziskaner.de<br />

zeigt: 800 Jahre <strong>Franziskaner</strong> – und<br />

immer noch am Puls <strong>der</strong> Zeit.<br />

Guido Roth<br />

Br. Guido Roth ofm arbeitet<br />

als Sozialarbeiter in Dortmund.


Information o<strong>der</strong> Illusion – Medien verän<strong>der</strong>n — <strong>Franziskaner</strong> <strong>Mission</strong> 3 | 20<strong>06</strong><br />

Mit Franziskus und Klara im Dialog<br />

Grundkurs zum franziskanisch-missionarischen Charisma (CCFMC)<br />

Aus dem Wunsch, die missionarische<br />

Dimension <strong>der</strong> franziskanischen<br />

Spiritualität neu zu entdecken<br />

und zu vertiefen, entstand 1982 die<br />

Idee eines Grundkurses, <strong>der</strong> das<br />

missionarische Charisma des Franz<br />

von Assisi, wie es in den verschiedenen<br />

franziskanischen Gemeinschaften<br />

und in unterschiedlichen<br />

Kulturen gelebt wird, behandeln<br />

sollte.<br />

Franziskanisch denken,<br />

handeln und leben<br />

Ausgehend von dem Willen, von<br />

an<strong>der</strong>en eher zu lernen, als sie zu<br />

unterrichten, versucht <strong>der</strong> Kurs,<br />

den interkulturellen Dialog zu<br />

för<strong>der</strong>n und sich den Anregungen<br />

zu stellen, die aus den franziskanischen<br />

Familien an<strong>der</strong>er Kontinente<br />

und Kulturen kommen. Mit Erfolg<br />

und Begeisterung haben Tausende<br />

von Schwestern und Brü<strong>der</strong>n in<br />

<strong>der</strong> ganzen Welt mit dem Kurs<br />

gearbeitet. Sie bestimmten die<br />

Themenschwerpunkte. In einem<br />

zweiwöchigen Evaluierungstreffen<br />

in Assisi 1994 wurden die Ideen<br />

zusammengetragen und ausgetauscht.<br />

Ein Redaktionsteam aus<br />

dem deutschsprachigen Raum wurde<br />

beauftragt, die Anregungen und<br />

Än<strong>der</strong>ungsvorschläge von Assisi in<br />

eine Neufassung des Kurses einzuarbeiten.<br />

Es gibt wohl kein vergleichbares<br />

Kursangebot, das in einem so intensiven,<br />

weltweiten und interkulturellen<br />

Dialogprozess entstanden ist.<br />

Der Kurs überschreitet Grenzen und<br />

führt uns in eine Weite, in <strong>der</strong> die<br />

eigenen Probleme ihren beherrschenden<br />

Eindruck verlieren. Die<br />

Faszination und <strong>der</strong> Reichtum an<strong>der</strong>er<br />

Kulturen und Religionen können<br />

unserer verkümmerten Religiosität<br />

neue Kraft geben.<br />

Ziele des Kurses<br />

Wie Franziskus und Klara auf ihrer<br />

gemeinsamen Suche nach dem Willen<br />

Gottes ihre Berufung entdeckten,<br />

so möchte <strong>der</strong> »Grundkurs zum<br />

franziskanisch-missionarischen<br />

Charisma« einladen, die mo<strong>der</strong>nen<br />

Herausfor<strong>der</strong>ungen an die eigene<br />

Spiritualität im menschlichen,<br />

geschwisterlichen Miteinan<strong>der</strong> zu<br />

erleben und die persönliche Berufung<br />

zu vertiefen. Die diakonische<br />

Dimension dieser Spiritualität wird<br />

offenkundig in den wesentlichen<br />

franziskanischen Optionen, die alle<br />

Lehrbriefe durchziehen:<br />

Zuwendung zu den Armen<br />

als Schlüssel zum Verständnis<br />

<strong>der</strong> Botschaft Jesu<br />

Toleranz und Dialogbereitschaft<br />

gegenüber dem An<strong>der</strong>en und<br />

Fremden<br />

Kirche als Weggemeinschaft<br />

von Schwestern und Brü<strong>der</strong>n,<br />

in <strong>der</strong> Herrschaftsstrukturen<br />

keinen Platz haben<br />

Frieden als Frucht von<br />

Gerechtigkeit und gewaltfreier<br />

Konfliktlösung<br />

Bewahrung <strong>der</strong> Schöpfung<br />

Gottes durch eine neue Schöpfungsspiritualität.<br />

Wir sind<br />

nicht die Herren <strong>der</strong> Schöpfung,<br />

son<strong>der</strong>n Mitgeschöpfe<br />

(Sonnengesang)<br />

Vom Briefkasten<br />

zum Internetportal<br />

Ein internationaler Kurs lebt von<br />

<strong>der</strong> Güte <strong>der</strong> Kommunikation. War<br />

das vor 20 Jahren per Brief, Telefon<br />

und Fax noch recht mühsam, so<br />

machen seit 10 bis 15 Jahren eMail,<br />

Internet, Computertelefon die Welt<br />

zu einem globalen Dorf. Heute<br />

erfolgt unsere Kommunikation<br />

mit den Schwestern und Brü<strong>der</strong>n<br />

weltweit zu gut 80 Prozent über<br />

eMail und Internet. Informationen<br />

können rasch ausgetauscht werden,<br />

und zwar nicht nur vom CCFMC-<br />

Zentrum in die Kontinente des<br />

Südens, son<strong>der</strong>n in alle Richtungen.<br />

Das verän<strong>der</strong>t den Charakter des<br />

Kurses. Schwestern und Brü<strong>der</strong><br />

bleiben nicht mehr unter sich,<br />

wenn sie die Lehrbriefe studieren.<br />

Sie erfahren, wie an<strong>der</strong>e damit<br />

umgehen in ganz unterschiedlichen<br />

kulturellen Kontexten.<br />

Wir versuchen, diesen interkulturellen<br />

Dialog anzuregen und<br />

zu för<strong>der</strong>n durch die monatlichen<br />

CCFMC-News, durch ein Netzwerk<br />

von Internetportalen, durch<br />

Austausch aktueller Texten zu<br />

neuen Herausfor<strong>der</strong>ungen. Das<br />

sind spannende Prozesse, die uns<br />

täglich neu verpflichten. Aber es<br />

ist eine wun<strong>der</strong>bare Aufgabe, auf<br />

diese Weise den Zusammenhalt<br />

<strong>der</strong> Franziskanischen Familie zu<br />

stärken und uns als Schwestern<br />

und Brü<strong>der</strong> gemeinsam auf dem<br />

Weg zu wissen.<br />

Andreas Müller<br />

P. Andreas Müller ofm ist<br />

Geschäftsführer des CCFMC.<br />

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<strong>Franziskaner</strong> <strong>Mission</strong> 3 | 20<strong>06</strong> — Information o<strong>der</strong> Illusion – Medien verän<strong>der</strong>n<br />

Menschenrechts-Filmpreis<br />

Auszeichnung für den Schutz <strong>der</strong> Menschenrechte<br />

In einer großen Gala wird am<br />

9. Dezember in Nürnberg zum Tag<br />

<strong>der</strong> Menschenrechte wie<strong>der</strong> <strong>der</strong><br />

Deutsche Menschenrechts-Filmpreis<br />

verliehen. Mit diesem renommierten<br />

Filmpreis werden seit<br />

1998 alle zwei Jahre herausragende<br />

Film- und Fernsehproduktionen<br />

ausgezeichnet, die die Bedeutung<br />

<strong>der</strong> Menschenrechte thematisieren.<br />

Zugleich würdigt <strong>der</strong> Preis den<br />

oftmals lebensgefährlichen Einsatz<br />

engagierter Filmemacher und<br />

Filmemacherinnen für den Schutz<br />

<strong>der</strong> Menschenrechte.<br />

Der Deutsche Menschenrechts-<br />

Filmpreis will das Bewusstsein für<br />

die Bedeutung <strong>der</strong> Menschenrechte<br />

schärfen. Film und Fernsehen beeinflussen<br />

unsere Wahrnehmung in<br />

immer größerem Maße. Engagierte<br />

Berichterstattung, sachkundige<br />

Dokumentation und mutige Kritik<br />

von Film- und Medienschaffenden<br />

sind oft Voraussetzung dafür, dass<br />

Regierungen und nichtstaatliche<br />

Akteure ihren Verpflichtungen zum<br />

Schutz und zur Achtung <strong>der</strong> Menschenrechte<br />

nachkommen.<br />

Neben dem Hinweis auf<br />

schwere Menschenrechtsverstöße<br />

in an<strong>der</strong>en Län<strong>der</strong>n ist es aber auch<br />

entscheidend, die Wichtigkeit <strong>der</strong><br />

Menschenrechte in unserem eigenen<br />

Alltag bewusst zu machen. Die<br />

Institutionen unserer Gesellschaft<br />

müssen immer wie<strong>der</strong> neu aufgefor<strong>der</strong>t<br />

werden, die Menschenrechte zu<br />

respektieren. Mit <strong>der</strong> Auszeichnung<br />

herausragen<strong>der</strong> Filmproduktionen<br />

betont <strong>der</strong> Preis so auch die Bedeutung<br />

<strong>der</strong> Informations-, Bildungs-<br />

und Kontrollfunktion <strong>der</strong> Medien.<br />

Der Deutsche Menschenrechts-<br />

Filmpreis wird in den Kategorien<br />

Profi, Amateur und Hochschule<br />

für Filmproduktionen verliehen, in<br />

denen das Thema Menschenrechte<br />

inhaltlich wie formal herausragend<br />

umgesetzt wird. Der Preis will<br />

Amateure sowie professionelle<br />

Filmemacher und Filmemacherinnen<br />

ermutigen, sich verstärkt dem<br />

Thema Menschenrechte zu widmen<br />

und vor allem TV-Journalistinnen<br />

und -Journalisten bestärken, ihren<br />

Bildungsauftrag und ihre Kontrollfunktion<br />

wahrzunehmen. Darüber<br />

hinaus will <strong>der</strong> Deutsche Menschenrechts-Filmpreis<br />

den Stellenwert<br />

menschenrechtlicher Themen in den<br />

TV-Sendeanstalten aufwerten.<br />

Beson<strong>der</strong>s Jugendliche setzen<br />

sich immer wie<strong>der</strong> engagiert mit<br />

Menschenrechtsthemen auseinan<strong>der</strong>.<br />

Der Deutsche Menschenrechts-<br />

Filmpreis ermutigt sie, das Thema<br />

durch eigene Filmprojekte zu<br />

erarbeiten und in <strong>der</strong> Kategorie<br />

Amateur einzureichen. Um Jugendliche<br />

an die filmische Umsetzung<br />

von Menschenrechtsfragen heranzuführen,<br />

bieten die Veranstalter<br />

medienpädagogische Unterstützung<br />

an. Aktiver Umgang mit dem<br />

Medium Film in Verbindung mit <strong>der</strong><br />

inhaltlichen Auseinan<strong>der</strong>setzung<br />

mit den Menschenrechten stärkt<br />

die Medienkompetenz <strong>der</strong> Jugendlichen<br />

und sensibilisiert sie für<br />

Fragen des Medienkonsums, <strong>der</strong><br />

Kommunikation von Inhalten und<br />

<strong>der</strong> Gestaltung des menschlichen<br />

Zusammenlebens.<br />

Die prämierten Filme werden<br />

nach <strong>der</strong> Preisverleihung durch die<br />

Schirmherrin Jutta Limbach auch<br />

in diesem Jahr wie<strong>der</strong> mit didaktischen<br />

Materialien für den Einsatz in<br />

Schulen, auf Festivals o<strong>der</strong> an<strong>der</strong>en<br />

Veranstaltungen <strong>der</strong> Öffentlichkeit<br />

angeboten. Dadurch gibt <strong>der</strong> Preis<br />

wichtige Impulse für die schulische<br />

und außerschulische Bildungsarbeit.<br />

Derzeit wird <strong>der</strong> Deutsche Menschenrechts-Filmpreis<br />

von einem Kreis<br />

von 13 Organisationen verliehen, zu<br />

dem als Gründungsmitglied auch die<br />

<strong>Mission</strong>szentrale <strong>der</strong> <strong>Franziskaner</strong><br />

gehört. Weitere Mitglie<strong>der</strong> sind u.a.<br />

amnesty International, <strong>der</strong> Nationale<br />

Rat <strong>der</strong> Ba’hai, die deutsche Unesco-<br />

Kommission o<strong>der</strong> missio sowie weitere<br />

bundesweit tätige kirchliche und<br />

nichtkirchliche Organisationen <strong>der</strong><br />

Menschenrechts-, Bildungs-, Kultur-<br />

und Medienarbeit.<br />

Informationen<br />

www.menschenrechts-filmpreis.de


Information o<strong>der</strong> Illusion – Medien verän<strong>der</strong>n — <strong>Franziskaner</strong> <strong>Mission</strong> 3 | 20<strong>06</strong><br />

Besuch von meinen Enkeln<br />

Eine Geschichte aus <strong>der</strong> nahen Zukunft<br />

Gestern hatte ich Besuch von meinen<br />

Enkelkin<strong>der</strong>n. Ich bin die einzige,<br />

die sie noch persönlich besuchen,<br />

weil ich kein Handy habe. Dass sie<br />

sich den weiten Weg machen, hängt<br />

nicht unbedingt damit zusammen,<br />

dass sie mich so gern haben, da<br />

mache ich mir nichts vor. Es liegt<br />

eher daran, dass sie das eines Tages<br />

wie<strong>der</strong>um ihren Enkelkin<strong>der</strong>n<br />

erzählen wollen: »Stell Dir vor, meine<br />

Großmutter damals, die hatte nicht<br />

einmal ein Handy.« Ja, ich habe auch<br />

immer davon geträumt, den letzten<br />

Nean<strong>der</strong>taler kennen gelernt zu haben.<br />

»Oma, Oma, erzähl doch noch mal,<br />

wie das damals war, als es noch keine<br />

Handys gab!« riefen sie, als wir am<br />

Kaffeetisch saßen. »Also«, habe ich<br />

angefangen zu erzählen, »damals<br />

waren die Telefonapparate an einer<br />

Stelle <strong>der</strong> Wohnung fest eingebaut.<br />

Von dieser einen Stelle aus konnte<br />

man dann telefonieren.«<br />

»Was!« schrieen sie, »nur von dieser<br />

einen Stelle!« Und meine älteste<br />

Enkelin meinte, »Das ist ja irre,<br />

Oma, wie habt ihr denn euer Leben<br />

geregelt, wenn ihr nie eure Wohnung<br />

verlassen konntet?« Ich blickte sie<br />

irritiert an, »Aber wieso das denn?«<br />

»Na, wenn das Telefon fest installiert<br />

war, musstet ihr doch immer in <strong>der</strong><br />

Wohnung bleiben, um erreichbar zu<br />

sein.«<br />

»Na ja«, antwortete ich, »wir<br />

waren einfach nicht immer erreichbar.«<br />

Unter meinen Enkelkin<strong>der</strong>n brach<br />

ein Tumult aus. »Wie, nicht immer<br />

erreichbar, ihr seid einfach ohne<br />

Telefon aus dem Haus gegangen?<br />

Und wenn dann jemand versucht<br />

hat, euch zu erreichen?«<br />

»Denkt mal an«, sagte ich, »dann<br />

musste die Sache eben verschoben<br />

werden. Dann hat <strong>der</strong>jenige einfach<br />

später noch mal angerufen.«<br />

Wie<strong>der</strong> Tumult. »Und wenn ihr<br />

von unterwegs telefonieren musstet,<br />

wie war das zum Beispiel im Supermarkt«,<br />

fragte mein jüngster Enkel,<br />

»wenn ihr da nicht telefonieren<br />

konntet, wie wusstet ihr denn dann,<br />

was ihr kaufen solltet?«<br />

Ich klopfte mir gegen den Kopf.<br />

»Wir haben einfach überlegt.« Meine<br />

Enkel starrten mich an, als hätte ich<br />

gesagt, dass wir damals auch fliegen<br />

und uns unsichtbar machen konnten.<br />

»Wie jetzt«, fragte meine älteste<br />

Enkelin, »überlegt«. »O<strong>der</strong> einen<br />

Einkaufszettel geschrieben«, fügte<br />

ich hinzu. »Was ist denn das?« riefen<br />

alle durcheinan<strong>der</strong>. »Ein Zettel, auf<br />

den man schrieb, was man einkaufen<br />

wollte. Den hat man im Supermarkt<br />

dann abgearbeitet. Ein Palm aus<br />

Papier, sozusagen.« Sie lachten, dass<br />

sie sich die Seiten halten mussten.<br />

»Hattest du zum Rechnen statt eines<br />

Taschenrechners auch noch so ein<br />

Holzdings, bei dem man Perlen von<br />

einer Seite auf die an<strong>der</strong>e schieben<br />

konnte?«<br />

»Ja, ja«, schrie die jüngste Enkelin,<br />

»so ein Ding habe ich zuletzt mit<br />

<strong>der</strong> Schule im Museum für Ur- und<br />

Frühgeschichte gesehen!«<br />

»Nein«, sagte ich, »gerechnet<br />

haben wir meistens im Kopf.«<br />

Wie<strong>der</strong> starrten sie mich an.<br />

Jetzt würden sie doch noch nach<br />

<strong>der</strong> Sache mit dem Zaubern und<br />

Unsichtbarwerden fragen.<br />

»Na gut«, sagte mein jüngster<br />

Enkel etwas misstrauisch. »Aber<br />

wie habt ihr denn unterwegs Photos<br />

gemacht und verschickt?«<br />

»Gar nicht«, antwortete ich.<br />

»Das war irgendwie nicht nötig.<br />

Wenn wir mal unbedingt Photos<br />

machen mussten, dann haben wir<br />

einen Fotoapparat mitgenommen.«<br />

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<strong>Franziskaner</strong> <strong>Mission</strong> 3 | 20<strong>06</strong> — Information o<strong>der</strong> Illusion – Medien verän<strong>der</strong>n<br />

»Ah«, schrie wie<strong>der</strong> meine jüngste<br />

Enkelin, »das kenne ich aus dem<br />

Museum für Ur- und Frühgeschichte!<br />

Das war so ein Monstrum, bei dem<br />

man einen Kasten auf drei Beinen<br />

aufgebaut und sich ein schwarzes<br />

Tuch über den Kopf geworfen hat.«<br />

Ich musste lachen. »Nein«, sagte ich,<br />

»das ist viel länger her. Wir hatten<br />

ganz normale handgroße Apparate.«<br />

»Aber wenn ihr euch ganz dringend<br />

etwas sagen wolltet?« Meine älteste<br />

Enkelin kam wie<strong>der</strong> auf die Sache<br />

mit <strong>der</strong> Erreichbarkeit zurück. »Das<br />

ging dann doch nicht!«<br />

»Nee«, stimmte ich ihr zu. »Wir<br />

konnten uns nicht ständig sagen,<br />

was wir gerade in diesem Moment<br />

unbedingt sagen wollten. ›Ich stehe<br />

hier vor dem Kaufhof‹, zum Beispiel.«<br />

»Auch keine SMS schicken?«<br />

fragte nun mein ältester Enkel. Ich<br />

schüttelte den Kopf. Alle stöhnten auf<br />

vor Mitleid. »Ihr konntet euch nichts<br />

schreiben?« fragte meine älteste<br />

Enkelin mit Grabesstimme.<br />

»Ah, doch«, sagte ich, »schreiben<br />

konnten wir uns schon, aber das<br />

wurde dann mit <strong>der</strong> Post verschickt.«<br />

Post, das kannten sie nicht. Nicht<br />

einmal meine jüngste Enkeltochter<br />

aus dem Museum für Ur- und<br />

Frühgeschichte. »Man hat etwas<br />

auf Papier o<strong>der</strong> auf eine bunte Karte<br />

geschrieben, also mit einem Stift<br />

mit <strong>der</strong> Hand«. Die Kin<strong>der</strong> stöhnten<br />

wie<strong>der</strong> – das hatten sie mal für ein<br />

halbes Jahr im Geschichtsunterricht<br />

geübt, um mal zu spüren, wie es<br />

ihren Vorfahren gegangen war.<br />

Entsetzlich!<br />

»Also«, fuhr ich fort, »wir haben<br />

etwas auf Papier geschrieben, in<br />

einen Umschlag gesteckt und drauf<br />

geschrieben, an wen wir das schicken<br />

wollten. Und eine <strong>der</strong> vielen Personen,<br />

die bei <strong>der</strong> Post arbeiteten,<br />

brachte dann den Brief dorthin.«<br />

»Puh!« rief mein jüngster Enkel, »das<br />

hat dann ja Stunden gedauert!«<br />

»Tage«, sagte ich, »das dauerte<br />

mindestens einen Tag, manchmal<br />

länger.« Die Kin<strong>der</strong> johlten. »Ist ja<br />

irre!« schrieen sie, »einen Tag, haha,<br />

da kann man ja gleich persönlich<br />

hingehen!« Das wie<strong>der</strong>um kam ihnen<br />

so lustig vor, dass sie sich schier<br />

ausschütteten. »Stimmt«, sagte ich,<br />

»wir haben uns eigentlich regelmäßig<br />

persönlich getroffen.«<br />

»Huhu«, jaulte meine älteste<br />

Enkeltochter auf, »gleich wirst du<br />

uns erzählen, dass ihr in <strong>der</strong> Kneipe<br />

nicht telefoniert habt, son<strong>der</strong>n<br />

geredet!« Ich nickte. »Genau«, sagte<br />

ich. »Wir haben uns nicht gegenüber<br />

gesessen und telefoniert, son<strong>der</strong>n wir<br />

haben miteinan<strong>der</strong> gesprochen.«<br />

»Ui«, sagte mein ältester Enkelsohn<br />

mit schreckgeweiteten Augen.<br />

»Und was habt ihr gemacht, wenn<br />

die Person gegenüber blöd war o<strong>der</strong><br />

langweilig? Dann konntet ihr ja gar<br />

niemand an<strong>der</strong>s anrufen.« Die vier<br />

sahen mich mitleidig an. Langsam<br />

fragte ich mich schon selber, wie das<br />

damals alles gehen konnte.<br />

»Also, ich glaube, wir haben uns<br />

nicht mit blöden Leuten verabredet.«<br />

»Ihr habt vorher nachgedacht, was?«<br />

fragte mein jüngster Enkelsohn mit<br />

Blick auf die an<strong>der</strong>en Kin<strong>der</strong>. Sie<br />

prusteten. »Jawohl«, sagte ich. »Ich<br />

denke mal, wir haben vorher darüber<br />

nachgedacht.«<br />

»Und wenn ihr auf dem Weg<br />

irgendwohin wart, was habt ihr denn<br />

dann gemacht, wenn ihr nicht telefonieren<br />

konntet? Nachgedacht?« Die<br />

an<strong>der</strong>en johlten. »O<strong>der</strong> einen Brief<br />

geschrieben, den ihr dann jemandem<br />

gleich mitbringen konntet, weil ihr<br />

euch ja eher getroffen habt, als dass<br />

ihr euch mit dem fest installierten<br />

Telefon erwischt habt?« Die an<strong>der</strong>en<br />

Enkelkin<strong>der</strong> wälzten sich inzwischen<br />

ausgelassen auf dem Boden.<br />

Es half nichts. Ich wollte ihnen gerade<br />

erklären, dass wir durchaus mal<br />

stolpern konnten, ohne das direkt<br />

am Telefon jemandem mitteilen zu<br />

müssen, dass wir an jemanden denken<br />

konnten, ohne eine SMS »Ich denk<br />

an dich« zu schicken, und dass es uns<br />

meist auch ohne Handy gelungen ist,<br />

uns miteinan<strong>der</strong> zu verabreden und<br />

uns während <strong>der</strong> Verabredungen gar<br />

nichts fehlte, wenn wir nicht gleichzeitig<br />

telefonieren konnten.<br />

Als ich sagte, »Manchmal hatte<br />

ich sogar Besuch und das Telefon<br />

klingelte. Dann bin ich natürlich nicht<br />

dran gegangen«, starrten mich meine<br />

auf dem Boden liegenden Enkelkin<strong>der</strong><br />

entgeistert an. »Da hattest du<br />

eh schon so eine geringe Chance,<br />

mit einem fest installierten Telefon<br />

angerufen zu werden«, rief mein<br />

ältester Enkelsohn, doch da klingelte<br />

das erste Handy. Und als würden die<br />

an<strong>der</strong>en davon angesteckt o<strong>der</strong> herausgefor<strong>der</strong>t,<br />

klingelten gleich danach<br />

alle an<strong>der</strong>en auch. Während alle<br />

telefonierten und dabei endlich wie<strong>der</strong><br />

einen entspannten Eindruck machten,<br />

ging ich mit meiner Tasse in die Küche<br />

und blickte aus dem Fenster. »Grad<br />

blicke ich aus dem Fenster, und du?«<br />

hätte ich als SMS an jemanden schreiben<br />

können. Blöd, ich habe einfach<br />

kein Handy.<br />

Daniela Böhle<br />

Daniela Böhle, geb. 1970, arbeitet als freie<br />

Autorin in Berlin. Die Geschichte stammt<br />

aus ihrem Erzählungenband »Amokanrufbeantworter«<br />

(Satyr-Verlag, 2005), <strong>der</strong><br />

auch über www.franziskanerbuch.de zu<br />

beziehen ist.


Kurznachrichten<br />

Provinzkapitel in Nairobi<br />

Im Juli fand in Nairobi das Provinzkapitel<br />

statt. In die Leitung <strong>der</strong><br />

ostafrikanischen Provinz wurden<br />

vier einheimische und drei ausländische<br />

<strong>Franziskaner</strong> gewählt.<br />

<strong>Neue</strong>r Provinzialminister ist<br />

P. Sebastian Unsner aus Polen (Foto),<br />

zum Provinzvikar wurde P. Oscar<br />

Girardi aus Italien ernannt.<br />

In die Ordensleitung wurden<br />

gewählt:<br />

P. Fidelis Mwesigye,<br />

Uganda<br />

P. Fredrick Odhiambo,<br />

Kenia<br />

P. Krisnah Ramsamy,<br />

Mauritius<br />

P. Aloys Hakizimana,<br />

Ruanda<br />

P. Cornelius Smith,<br />

England<br />

Provinz N. S. da Assuncao<br />

in Bacabal<br />

Auch die <strong>Franziskaner</strong>provinz<br />

N. S. da Assuncao in Bacabal hat<br />

eine erfreuliche Entwicklung zu<br />

verzeichnen: Im April wurde ein<br />

junger Brasilianer zum Diakon<br />

geweiht, und von Mai bis September<br />

konnten die <strong>Franziskaner</strong><br />

jeden Monat eine Priesterweihe<br />

feiern.<br />

Am 27. Mai 20<strong>06</strong><br />

wurde Frei Antonio<br />

Marcos Morais ofm<br />

in São Luis Gonzaga<br />

zum Priester geweiht.<br />

Information o<strong>der</strong> Illusion – Medien verän<strong>der</strong>n — <strong>Franziskaner</strong> <strong>Mission</strong> 3 | 20<strong>06</strong><br />

Die ostafrikanische Provinz setzt<br />

sich aus 67 Prozent einheimischen<br />

und 33 Prozent ausländischen<br />

Brü<strong>der</strong>n zusammen – eine äußerst<br />

positive Entwicklung seit Gründung<br />

des »Afrika-Projekts« vor 23 Jahren!<br />

Seit dem letzten Kapitel vor drei Jahren<br />

konnte die Provinz 14 Feierliche<br />

Professen und 18 Priesterweihen<br />

feiern.<br />

Teilnehmer am Provinzkapitel<br />

vom 17. bis<br />

25. Juli 20<strong>06</strong> in Nairobi.<br />

27


28<br />

<strong>Franziskaner</strong> <strong>Mission</strong> 3 | 20<strong>06</strong> — Information o<strong>der</strong> Illusion – Medien verän<strong>der</strong>n<br />

Besuch aus Ruanda<br />

Zwei Monate war <strong>der</strong> ruandische<br />

<strong>Franziskaner</strong> P. Juvenal Ndayambaje<br />

aus Kivumu/Ruanda zu Gast im<br />

<strong>Franziskaner</strong>kloster in Dortmund.<br />

P. Juvenal hat in <strong>der</strong> Carl-Duisberg-<br />

Schule mit großem Erfolg Deutsch<br />

gelernt und konnte in zahlreichen<br />

Gesprächen und Begegnungen sehr<br />

lebendig vom Leben in Ruanda<br />

berichten. Am 3. September ist er<br />

nach Louvain-la-Neuve (Belgien)<br />

zurückgekehrt, um sein Philosophiestudium<br />

fortzusetzen. Durch die<br />

gewonnenen Sprachkenntnisse und<br />

die Erfahrungen mit <strong>der</strong> deutschen<br />

Kultur wird er die Brücke nach<br />

Ostafrika stärken. fm<br />

Erzbischof Luciano Mendes tot<br />

Am 27. August 20<strong>06</strong> verstarb im<br />

Alter von 75 Jahren Dom Luciano<br />

Pedro Mendes de Almeida, SJ,<br />

Erzbischof von Mariana.<br />

Geboren am 5. Oktober 1930 in<br />

Rio de Janeiro, trat er mit 21 Jahren<br />

in den Jesuitenorden ein und wurde<br />

am 2. Mai 1976 zum Bischof<br />

ernannt. Von 1979 bis 1987 war er<br />

Generalsekretär <strong>der</strong> Brasilianischen<br />

Konferenz (CNBB) und von 1987<br />

bis 1994 ihr Präsident. Seit 1992<br />

war er Mitglied <strong>der</strong> Päpstlichen<br />

Kommission für Gerechtigkeit und<br />

Frieden und 1995 bis 1998 Vizepräsident<br />

<strong>der</strong> Lateinamerikanischen<br />

Bischofskonferenz (CELAM). Bis zu<br />

seinem Tod leitete er den Bischöflichen<br />

Rat zur Beseitigung von<br />

Elend und Hunger in Brasilien.<br />

Korruption in Brasilien<br />

In Brasilien droht 72 Kongressmitglie<strong>der</strong>n<br />

ein Disziplinarverfahren<br />

wegen Korruption. Drei<br />

Senatoren und 69 Abgeordnete<br />

müssen sich vor dem Ethikrat des<br />

Parlaments verantworten, teilte<br />

<strong>der</strong> zuständige Ausschuss mit.<br />

Gegen 50 <strong>der</strong> 72 Verdächtigen<br />

gebe es »starke Beweise«, dass sie<br />

Rechnungen überhöhten und Geld<br />

abzweigten. afp<br />

»Niemand hat die Absicht<br />

eine Mauer zu errichten«<br />

Jugendseminar zur<br />

deutschen Geschichte<br />

Vom 16. bis 20. Oktober 20<strong>06</strong> lädt<br />

das Franziskanische Bildungswerk<br />

gemeinsam mit dem Berliner<br />

Büro <strong>der</strong> <strong>Mission</strong>szentrale <strong>der</strong><br />

<strong>Franziskaner</strong> junge Menschen<br />

zu einem historischen Seminar<br />

nach Berlin ein. Thema ist die<br />

Geschichte <strong>der</strong> deutschen Teilung.<br />

In Gesprächen mit Zeitzeugen und<br />

Politikern, Besuchen von authentischen<br />

Orten und einer Reflexion<br />

geschichtlicher Bil<strong>der</strong> und Texte<br />

werden Alltag und Politik jener Zeit<br />

erfahrbar. Darüber hinaus werden<br />

die Teilnehmenden versuchen,<br />

auch einmal die innereuropäische<br />

Sicht zu verlassen und fragen, was<br />

die deutsche Teilung im internationalen<br />

Kontext und für Menschen<br />

aus an<strong>der</strong>en Län<strong>der</strong>n bedeutet hat.<br />

Anmeldungen sind möglich bis<br />

zum 1. Oktober:<br />

per eMail:<br />

berlin@missionszentrale.de<br />

per Telefon:<br />

<strong>03</strong>0/488 396 40<br />

Franziskanischer<br />

Freiwilligendienst<br />

Karin Gaida und Dorothee Ahlers<br />

waren sechs Monate als »<strong>Mission</strong>arinnen<br />

auf Zeit« in São Luis und Bacabal<br />

im Nordosten Brasiliens. Im Juli 20<strong>06</strong><br />

sind sie mit vielen neuen Eindrücken<br />

und Erfahrungen nach Deutschland<br />

zurückgekehrt. Die beiden haben die<br />

Freundschaft und Sympathie vieler<br />

Menschen gewonnen.<br />

Am 30. Juli wurden in Dortmund<br />

Lena Wilhelmus, Maria Bürger,<br />

Carmen Vielstädte, Anika Klostermann<br />

und Felix Fleischhauer in<br />

die brasilianischen Bundesstaaten<br />

Maranhão und Piauí ausgesandt. Die<br />

fünf jungen Leute werden in Bacabal,<br />

Vitorino Freire, São Luis und Piripiri<br />

mitleben.<br />

Internationaler Freiwilligendienst<br />

2007: Jetzt bewerben!<br />

Auch 2007 gibt es die Möglichkeit,<br />

für sechs bis zwölf Monate in einem<br />

sozialen Projekt von <strong>Franziskaner</strong>innen<br />

o<strong>der</strong> <strong>Franziskaner</strong>n in<br />

Südamerika (Brasilien, Peru, Bolivien)<br />

mitzuleben und mitzuarbeiten.<br />

Bewerbungen für den Internationalen<br />

Freiwilligendienst sind bis Ende<br />

Oktober 20<strong>06</strong> einzureichen:<br />

per Briefpost:<br />

Büro <strong>der</strong> <strong>Mission</strong>szentrale<br />

<strong>der</strong> <strong>Franziskaner</strong><br />

Wollankstraße 19<br />

13187 Berlin<br />

per eMail: info@freifranz.de<br />

Informationen im Internet:<br />

www.freifranz.de<br />

MAZ-Aussendungsgottesdienst<br />

in Dortmund<br />

am 30. Juli 20<strong>06</strong>


Projekt<br />

Information o<strong>der</strong> Illusion – Medien verän<strong>der</strong>n — <strong>Franziskaner</strong> <strong>Mission</strong> 3 | 20<strong>06</strong><br />

Spenden Sie doch mal Sendezeit ...<br />

»Radio Educadora« in São Luis, Nordost-Brasilien<br />

Um den Menschen in <strong>der</strong> Hauptstadt<br />

und im Landesinnern von Maranhão<br />

die Teilnahme am politischen, kulturellen<br />

und religiösen Geschehen zu<br />

ermöglichen, hat sich die Erzdiözese<br />

von São Luis vor etwa 20 Jahren<br />

eine Stimme gegeben, als sie die<br />

Radiostation »Radio Educadora« auf<br />

Sendung gehen ließ. Rund um die Uhr<br />

wird das thematisiert, was wirklich<br />

interessiert: die aktuelle Situation und<br />

die Ereignisse <strong>der</strong> Region.<br />

Der Radiosen<strong>der</strong> sieht sich in erster<br />

Linie als Anwalt <strong>der</strong> Wahrheit und<br />

leistet damit über den Äther religiöse,<br />

soziale und kulturelle Bewusstseinsbildung<br />

– daher <strong>der</strong> Name »Radio<br />

Educadora«, »Bildungsradio«. Verschiedene<br />

Gruppen und Initiativen<br />

berichten über ihre Arbeit, kündigen<br />

Veranstaltungen an, besprechen<br />

Probleme und diskutieren Lösungen.<br />

In den Programmen wird auf<br />

die Fragen und Nöte <strong>der</strong> Zuhörer<br />

eingegangen. Das Radio erreicht vor<br />

allem auch die Menschen, die keinen<br />

Zugang zu Zeitungen o<strong>der</strong> an<strong>der</strong>en<br />

Informationsquellen haben. An<strong>der</strong>e<br />

suchen nach religiöser Orientierung<br />

o<strong>der</strong> sie nehmen auf diesem Weg an<br />

Gottesdiensten teil.<br />

Wenn Sie sich über das Projekt<br />

»Radio Educadora« näher informieren<br />

möchten, lesen Sie bitte dazu<br />

das ausführliche Interview mit dem<br />

Erzbischof von São Luis, Dom José<br />

Belisário ofm, auf den Seiten 15 bis<br />

17 in diesem Heft. Was <strong>der</strong> Radiosen<strong>der</strong><br />

für die Menschen und die<br />

brasilianische Ortskirche bedeutet,<br />

geht aus den Antworten des <strong>Franziskaner</strong>-Bischofs<br />

sehr eindrucksvoll<br />

hervor.<br />

Die <strong>Franziskaner</strong> <strong>Mission</strong> sieht<br />

in dem Sen<strong>der</strong> »Radio Educadora«<br />

eine große Chance für eine Verbesserung<br />

<strong>der</strong> Lebensqualität <strong>der</strong><br />

Armen im Bundesstaat Maranhão,<br />

denn Bewusstsein ist <strong>der</strong> Schlüssel<br />

zur positiven Verän<strong>der</strong>ung.<br />

Bitte unterstützen Sie diesen<br />

Verän<strong>der</strong>ungsprozess durch<br />

eine Spende: Eine Stunde<br />

Sendezeit von Radio Educadora<br />

kostet 180 Euro.<br />

29


<strong>Franziskaner</strong> <strong>Mission</strong><br />

<strong>Franziskaner</strong>straße 1<br />

44143 Dortmund<br />

Spendenbescheinigung<br />

zur Vorlage beim Finanzamt<br />

Provinzialat <strong>der</strong> Sächsischen <strong>Franziskaner</strong>provinz<br />

vom Hl. Kreuz e.V. (<strong>Franziskaner</strong><br />

<strong>Mission</strong>, 44143 Dortmund) ist durch den<br />

Freistellungsbescheid des Finanzamtes<br />

Soest vom 3. Februar 20<strong>06</strong>, Steuernummer<br />

343/5840/0181, als ausschließlich<br />

und unmittelbar kirchlichen Zwecken<br />

dienende Körperschaft anerkannt und<br />

nach § 5 Abs. 1 Nr. 9 KStG von <strong>der</strong> Körperschaftssteuer<br />

befreit.<br />

Wir bestätigen, dass wir den zugewendeten<br />

Betrag nur für kirchliche Zwecke<br />

verwenden werden.<br />

Bis 100 Euro gilt <strong>der</strong> abgestempelte<br />

Beleg als Spendenbescheinigung.<br />

<strong>Franziskaner</strong> <strong>Mission</strong><br />

<strong>Franziskaner</strong>straße 1<br />

44143 Dortmund<br />

Ein alternatives Geschenk zum<br />

Geburtstag, zur Hochzeit, zum Jubiläum...<br />

Bildungsradio in São Luis, Brasilien<br />

Eine Stunde Sendezeit von »Radio Educadora«<br />

Übertragung eines Gottesdienstes<br />

aus einer Basisgemeinde<br />

Monatsgehalt eines Mo<strong>der</strong>ators<br />

Monatsgehalt eines Journalisten<br />

Mein Alternativ-Vorschlag<br />

180 Euro<br />

235 Euro<br />

350 Euro<br />

380 Euro<br />

Jede Spende hilft, dass die Stimme <strong>der</strong> Erzdiözese von São Luis nicht verstummt!<br />

Meine Partnerschaftserklärung<br />

Die <strong>Franziskaner</strong> <strong>Mission</strong> setzt sich dafür ein, dass Kin<strong>der</strong> und Jugendliche<br />

weltweit Nahrung, Schul- und Ausbildung sowie zuverlässige Hilfe bekommen.<br />

Ihre Spende hilft uns dabei – vielen Dank!


Absen<strong>der</strong><br />

Spen<strong>der</strong> Nr.<br />

Ich habe die<br />

angekreuzte<br />

Summe<br />

am<br />

auf das Konto 34<br />

<strong>der</strong> Sparkasse Werl<br />

BLZ 414 517 50<br />

überwiesen.<br />

<strong>Franziskaner</strong> <strong>Mission</strong><br />

<strong>Franziskaner</strong>straße 1<br />

44143 Dortmund<br />

Meine Partnerschaftserklärung Ich möchte die Arbeit <strong>der</strong> <strong>Franziskaner</strong> <strong>Mission</strong> unterstützen.<br />

Ich spende für Projekt|Zweck<br />

monatlich vierteljährlich halbjährlich jährlich<br />

Euro bis auf Wi<strong>der</strong>ruf, erstmalig ab<br />

Damit meine Hilfe <strong>der</strong> Projektarbeit ohne Abzug von Bankgebühren<br />

zugute kommt, ermächtige ich Sie hiermit, jeweils am 15. des Monats<br />

meine Spende bei Fälligkeit zu Lasten meines Kontos<br />

Konto-Nummer Bankleitzahl<br />

Kreditinstitut<br />

mittels Lastschrift einzuziehen. Wenn mein Konto nicht ausreichend<br />

gedeckt ist, ist mein kontoführendes Kreditinstitut nicht verpflichtet,<br />

den Betrag einzulösen. Diese Einzugsermächtigung ist je<strong>der</strong>zeit kündbar.<br />

Bitte in Druckschrift ausfüllen<br />

Name<br />

Vorname<br />

Straße, Hausnummer<br />

Postleitzahl, Ort<br />

Datum, Unterschrift<br />

<strong>Franziskaner</strong> <strong>Mission</strong><br />

<strong>Franziskaner</strong>straße 1<br />

44143 Dortmund<br />

Beleg | Quittung für den Kontoinhaber<br />

Bestätigung für das Finanzamt<br />

Kto.-Nr. des Kontoinhabers<br />

Begünstigter<br />

<strong>Franziskaner</strong> <strong>Mission</strong><br />

<strong>Franziskaner</strong>straße 1 44143 Dortmund<br />

Kto.-Nr. bei<br />

34 Sparkasse Werl<br />

Verwendungszweck<br />

Spen<strong>der</strong>-Nr.<br />

Kontoinhaber | Einzahler<br />

Datum<br />

Telefon 02 31/17 63 37 – 5<br />

Telefax 02 31/17 63 37 – 70<br />

info@franziskanermission.de<br />

EUR<br />

Quittung des Kreditinstituts bei Bareinzahlung


Euer Leben soll Verkündigung sein.<br />

nach Franz von Assisi<br />

Bild: Br. Michael Blasek ofm

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