Leseprobe (PDF-Datei) - Sieben Verlag
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gen Fell hängen. Es ziepte zwar heftig und sie riss sich etliche Haarbüschel<br />
aus, aber sie verkniff sich jegliches Jammern. Stumm ließ sie<br />
sich neben Fleur nieder und blickte sich um. Ihr war nicht wohl in ihrer<br />
Haut. Dunkle, verzerrte Schatten bewegten sich durch die Büsche.<br />
Onisha zog fröstelnd, und wenn sie ehrlich zu sich selbst war,<br />
auch angstschlotternd den Kopf zwischen die Schultern. Auffrischender,<br />
beißender Wind teilte plötzlich das Strauchwerk, Dornenzweige<br />
klatschten in Onishas Gesicht. Sie maunzte schmerzerfüllt<br />
auf.<br />
„Es gibt ein Unwetter“, sagte Fleur überflüssigerweise und blickte<br />
besorgt in den Himmel. Wieder hetzten Schatten über den Boden.<br />
Sie tänzelten gespenstisch durch die undurchdringliche Schwärze.<br />
Waren das die Gestalten, die Onisha schon einmal gesehen hatte?<br />
Die mumifizierten Menschen mit den bronzefarbenen Hautfetzen?<br />
Oder der hochgewachsene Mann mit dem Falkenkopf? Oder gar diese<br />
alles überragende Skulptur? Dieses steinerne Gesicht mit Königsbart<br />
und Königskopftuch auf einem Löwenleib?<br />
Onisha schloss die Augen.<br />
Das Heulen des Sturmes nahm zu. Und auch seine Stärke. Fleur<br />
kroch tiefer in das Gebüsch hinein. Onisha hinterher. Schutz suchend<br />
presste sie sich eng an Fleurs zierlichen Körper. „Hoffentlich<br />
hört das bald auf!“, rief sie mühsam gegen die Stimmgewalt des<br />
Sturmes an.<br />
„Quassle jetzt nicht“, kreischte Fleur zurück. „Drück dich auf den<br />
Boden und halte die Rübe runter.“<br />
Onisha hatte keine Zeit mehr, gegen den rüden Tonfall zu protestieren.<br />
Die nächste Windböe fegte heftig über sie hinweg. Nahm ihr<br />
den Atem und presste sie unsanft zu Boden. Sie schloss erneut die<br />
Augen und schickte das erste Stoßgebet ihres Lebens gen Himmel.<br />
Das erste ernst gemeinte zumindest.<br />
Als das Unwetter endlich verebbte, hatte Onisha endgültig die Nase<br />
vom Abenteuerleben voll. „Mir reichts. Ich gehe zurück nach Hause“,<br />
verkündete sie und kroch aus dem Gebüsch. Sie hatte das Gefühl,<br />
mindestens tausend Dornen in ihrem Fell zu haben. Und ihre<br />
Pfoten sahen auch nicht besser aus. Sie waren mit blutigen Krusten<br />
übersät. Onisha seufzte. Sie bot einen erbärmlichen Anblick.<br />
Fleur saß schon vor den Büschen auf dem nassen Erdboden und<br />
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