Leseprobe (PDF-Datei) - Sieben Verlag
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kleinen Tick hatte. Und das war gar nicht so abwegig. Denn immerhin<br />
war er ja ein Mensch!<br />
Gottlob gehörte er nicht zu der bornierten Sorte dieser Spezies, die<br />
die Meinung vertraten, Katzen könnten nicht sprechen. Er wusste<br />
genau, dass Onisha über ein sehr reichhaltiges „Vokabular“ verfügte.<br />
Da war das unruhige Spiel ihrer Ohren, das heftige Schlagen ihres<br />
Schwanzes oder der mürrische Gesichtsausdruck auf ihrem runden<br />
Persergesicht. Aber sie wusste auch stimmlich zu überzeugen. Mal<br />
stieß sie, wenn sie zum Beispiel eine Fliege sah und ihr das Wasser im<br />
Maul zusammenlief, helle, aufgeregte Meckergeräusche aus, dann<br />
wieder, wenn sie aus einem unersichtlichen Grund sauer war, grollte<br />
sie in dunkelsten Tönen. Als ob ein wild gewordener Panther im<br />
Wohnzimmer säße. Onisha wusste, dass Sascha sie anbetete, und<br />
nahm seine Bewunderung erhaben wie eine Königin entgegen. Das<br />
wiederum ließ ihn lächeln. Ein weiteres Merkmal ihres Perser-<br />
Charakters war die Ruhe, die sie ausstrahlte, und die er nach einem<br />
anstrengenden Tag liebte. Manchmal lümmelte er auf der Couch und<br />
ließ sie nicht aus den Augen. Wie sie vor der Heizung saß mit genau<br />
nebeneinander gestellten Vorderpfoten, den buschigen Schwanz manierlich<br />
darübergelegt, und Sascha aus ihren tiefgründigen Augen ansah.<br />
Liebevoll, und als könne sie kein Wässerchen trüben.<br />
Sascha ertappte sich dann dabei, sie am liebsten auf ihre kleine Nase<br />
küssen zu wollen.<br />
Onishas Leben war überschaubar. Sie liebte die Regelmäßigkeit ihres<br />
Tagesablaufs. Keine unvorhersehbaren Gefahren und keine<br />
Kümmernisse. Das hatte sie bisher glücklich gemacht. Doch auf der<br />
anderen Seite war ihr Leben gerade deswegen auch sturzlangweilig.<br />
In sich hörte sie plötzlich eine Stimme, die sie aufforderte, hinaus in<br />
die Gärten zu laufen. Wo sie ihrer Natur entsprechend herumstöbern<br />
und schnuppern konnte. Diese Stimme rief etwas in ihr hervor, was<br />
sie noch nicht einzuordnen wusste. Was aber ihr bisheriges Leben in<br />
Frage stellte.<br />
Saschas Liebkosungen kamen ihr an diesem Abend plötzlich aufdringlich<br />
vor. Ihr angenehmes Leben ödete sie mit einem Mal an,<br />
und Onisha konnte sich selbst nicht mehr ausstehen. Sehnsüchtig<br />
beobachtete sie in den folgenden Tagen die übermütigen Balgereien<br />
der anderen Katzen im Garten. Beneidete sie um ihre ungezügelte<br />
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