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JORINDE VOIGT PRESS 2006 to Now.pdf

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4 DER TAGESSPIEGEL KUNST & MARKT<br />

N<br />

KUNSTStücke<br />

Lackiert<br />

hristiane Meixner lässt sich vom<br />

Glanz der Bilder verwirren<br />

ännerparadies“, das ist ein komischer<br />

el für eine Ausstellung voller Streifener.<br />

Für Ronald de Bloeme sind die horitalen<br />

und vertikalen Abstraktionen alings<br />

eine Ausbeute seiner Streifzüge<br />

ch die Warenwelt: Er registriert von<br />

KaugummiverpackungbiszurZigaretschachtel,was<br />

Freiheit und Abenteuer<br />

heißt und am Ende wieder nur Konmeint.<br />

Bloemes Aneignung vercht<br />

alle Spuren ihrer Herkunft und<br />

cht aus den vertrauten Logos zeichente<br />

Kompositionen, in denen vieles vert<br />

wirkt, sich aber nicht identifizieren<br />

t. Stattdessen beginnen die leuchtend<br />

igen Lackstreifen zu tanzen und werdieBildräumedreidimensional,jelänman<br />

in der Galerie Spielhaus Morrison<br />

die großen Formate des niederländien<br />

Künstlers schaut – ein perfektes<br />

mpel für die Kraft der Malerei, Design<br />

klaren Absichten in ein vieldeutiges<br />

b- und Formreper<strong>to</strong>ire zurückzuverdeln<br />

(Heidestraße 46, bis 28. Juli).<br />

* * *<br />

hochglänzendem Acryllack, dem<br />

Farbpigmente beigemischt sind, artet<br />

auch Stephanie Jünemann. Hier<br />

r ist jedes Bild in der Galerie Krammig<br />

epper (Torstraße 138, bis 28. Juli) ein<br />

eis dafür, wie wenig es dieser Künstn<br />

um eine strenge Konturierung ihrer<br />

ifen und Gitterstrukturen oder jener<br />

ise geht, die wie Pfauenaugen aus den<br />

älden leuchten. Überall lösen sich<br />

Muster auf und sorgen lasierende<br />

bschichten für verwirrende Effekte.<br />

rheit suggeriert bloß der Lack, der<br />

blauen, grünen oder roten Schlieren<br />

chzogen wird. Jünemann scheint<br />

se fließenden Farbpfützen gerade<br />

h kanalisieren zu können. Der Rest ist<br />

e Malerei.<br />

Der Bleistift zieht Kreise. Alltagsphänomene werden bei Jorinde Voigt zu Diagrammen. Fo<strong>to</strong>: Doris Spiekermann-Klaas<br />

Sie hat Cello gespielt. Früher. Ein „bildungsbürgerliches<br />

Standardprogramm“<br />

nennt die Berliner Künstlerin Jorinde<br />

Voigt ihr Saitenspiel etwas abschätzig<br />

und gibt doch zu, dass die Musik ihre<br />

Kunst geprägt hat. Tatsächlich ähneln<br />

ihre Zeichnungen den Partituren von<br />

John Cage oder Karlheinz S<strong>to</strong>ckhausen.<br />

Jede Haarnadelkurve aus Liniensträngen<br />

sieht aus, wie ein Glissando klingt.<br />

Wenn es so einfach wäre. Voigts Tinten-<br />

und Bleistiftzeichnungen auf Papier<br />

in der Galerie Fahnemann Projects sind<br />

aber keine Notenblätter (900–19000<br />

Euro).IndenAlgorithmensteckteinkomplexer<br />

Ideenkosmos, den die 30-Jährige<br />

mit Engelsgeduld erläutern kann. Trotzdem<br />

ist er schwer zu begreifen. „Ich arbeite<br />

ganz konkret abstrakt“, sagt die in<br />

Künstlerin mit schelmischem Unter<strong>to</strong>n.<br />

Voigt zeichnet auffliegende Adler, Bombenexplosionen<br />

oder küssende Paare.<br />

Aber zu sehen sind weder leibhaftige<br />

Greifvögel noch Verliebte. Mit dem Stift<br />

schreibtVoigtZahlenkolonnenhin,zeichnet<br />

konzentrische Kreise, Pfeile und – vor<br />

allem – Linien. Aus diesen konstruktiven<br />

Elementen baut sie Zeichensysteme, deren<br />

innovative Kraft den Betrachter anspringt<br />

wie gerissene Cellosaiten. Man<br />

staunt. Über Zweigstrukturen, die federleicht<br />

über die Blätter tanzen. Oder über<br />

unzählige Fäden, die wie Kette und<br />

Schuss miteinander verwoben sind und<br />

sichteilschaotisch ineinanderverwirren.<br />

Die Zeichnerin aber muss den Überblick<br />

behalten. Keinen Bogenstrich darf<br />

sie vergeigen, sonst ist das Blatt hinüber.<br />

Jorinde Voigt deutet auf ein besonders<br />

zartes Fadenflechtwerk im Entrée der Ga-<br />

Fieberkurve<br />

Jorinde Voigt zeigt komplexe Zeichnungen bei Fahnemann Projects in Berlin<br />

Von Jens Hinrichsen<br />

lerie: „Elf Stunden täglich habe ich daran<br />

gezeichnet, sechs Wochen lang. Das ist<br />

wie Leistungssport.“<br />

Die Arbeit lohnt sich. <strong>2006</strong> hat sie den<br />

Herbert-Zapp-Preis für junge Kunst bekommen,<br />

kürzlich auch den begehrten<br />

Gasag-Förderpreis. Schon jetzt zieren<br />

ihre Zeichnungen private und öffentliche<br />

Sammlungen, so hat das Kupferstichkabinett<br />

im vergangenen Jahr einen ihrer „Adlerflüge“<br />

erworben.<br />

Man hat die kurvenreichen, aber doch<br />

zielstrebigen Zeichnungen im Hinterkopf,<br />

wenn Jorinde Voigt ihren Weg zur<br />

Kunst schildert.<br />

In den Bildern<br />

verbergen<br />

sich Adler<br />

und küssende<br />

Paare<br />

„Mit dem Cellospielen<br />

habe ich nebenbei<br />

sogar Geld verdient,<br />

aber Berufsmusikerinwollte<br />

ich<br />

nie werden“, erzählt<br />

die Künstlerin, die<br />

inGöttingenerstPhilosophie<br />

und Soziologie<br />

studierte und<br />

irgendwann in Berlin, in der Akademieklasse<br />

der Fo<strong>to</strong>künstlerin Katharina Sieverding<br />

landete. Dem Medium Fo<strong>to</strong>grafie<br />

stand sie allerdings skeptisch gegenüber:<br />

„Ich hatte das Gefühl, bereits gemachte<br />

Bilder wurden immer wieder reproduziert",<br />

sagt Voigt. Vor vier Jahren in IndonesienkamihrdanndieIdeemitdenNotationen.<br />

Auf ihren Skizzenblock zeichnete<br />

siezuersteineZeitleiste.Neben-undübereinanderwurdendannakustische,klimatische<br />

oder olfak<strong>to</strong>rische Ereignisse notiert:<br />

Mopeds, die vorüberfuhren, Radiomusik,<br />

die aus Cafés erklang, Petroleumgeruch,<br />

den der Wind herbeitrug.<br />

„Heute sind die Anlässe u<strong>to</strong>pisch“,<br />

sagt Jorinde Voigt. 100 gleichzeitig star-<br />

tende Adler wird man genauso wenig beobachten<br />

können wie ein Paar, das sich<br />

240 Minuten lang küsst. Auch haben sich<br />

die Diagramme gewaltig differenziert.<br />

Sie erinnern an Fieberkurven, Oszillogramme,<br />

handgeschriebene Börsentabellen<br />

oder Flugpläne – und manchmal an<br />

alles auf einmal.<br />

Als künstlerisches Rohmaterial dient<br />

ein Reservoir an Symbolen individueller<br />

Mythologie, die der Natur oder dem soziokulturellen<br />

Bereich entstammen. Darunter<br />

ist die Adlerfigur das komplexeste<br />

Bild: „Ich denke an die symbolische, mythologische,<br />

heraldische und biologische<br />

Bedeutung des Adlers“, erklärt die Künstlerin.<br />

Ihre Kunst strebt zur Totalität,<br />

spinnt Weltmodelle.<br />

Die einen berauschen sich bloß an der<br />

formalen Dynamik dieser Zeichenfugen.<br />

Die anderen wollen es genauer wissen.<br />

Häufig greift Jorinde Voigt so wie auch<br />

Mario Merz auf die sogenannte Fibonacci-Reihe<br />

zurück, mit der im Jahr 1202<br />

erstmals dynamische Geschehen (zum<br />

Beispiel Kaninchenvermehrung) mathematisch<br />

beschrieben werden konnte.<br />

Voigts gezeichnete „Geräusch-Apparate“<br />

schließlich bestehen aus entsprechend<br />

aufeinandergerechneten, sich<br />

überlagernden „Popsongs“ einer<br />

Top-10-Hitliste. Das will die Künstlerin<br />

jetzt auch hörbar machen: Während der<br />

Finissage soll ein Computerprogramm<br />

die Charts in der Galerie streng nach Notation<br />

teils nacheinander, teils gleichzeitig<br />

abspielen. Und ihr altes Cello? Das<br />

wird zurzeit repariert.<br />

— Galerie Fahnemann Projects, Gipsstraße<br />

14. Bis 21. Juli, Dienstag bis Sonnabend<br />

12–18 Uhr.<br />

ccccccccccccccccccccccccD<br />

KUNSTHANDEL, GALERIEN & ANTIQUITÄTEN<br />

Im Kind<br />

Die Galerie Contempo<br />

großen Berliner Ga<br />

Immer war was los: Rudolf Springer h<br />

sich als Häuptling verkleidet, Rud<br />

Springer hockt mit Künstlern beisamm<br />

auf dem Boden und spielt mit Bauklö<br />

zen. Rudolf Springer bekommt Besu<br />

von Kasper König, Markus Lüpertz od<br />

A. R. Penck, Henry Miller wird in Spri<br />

gers Garten von Marino Marini portr<br />

tiert.<br />

Es ist 1948, und der Kriegsheimkehr<br />

Springer eröffnet im Haus seiner Elte<br />

eine erste Galerie. Es ist 1963, und d<br />

„unsittliche“ Bild „Die große Nacht im E<br />

mer“ des Springer-Künstlers Georg Bas<br />

litz wird in der von Springer-Schüle<br />

und -Freunden geleiteten Galerie We<br />

ner & Katz beschlagnahmt. Es ist der B<br />

ginn der Neunziger, und die Kunstg<br />

schichtsstudentin Nicole Hackert geht<br />

einer Vernissage in die Galerie Spring<br />

am Kurfürstendamm, der Galer<br />

spricht sie an und fragt nach dem Nam<br />

ihrer kleinen Off-Galerie im Osten d<br />

Stadt. „Die werden Sie nicht kennen“, an<br />

wortet Hackert. Und der damals üb<br />

achtzig Jahre alte Rudolf Springer ken<br />

sie doch.<br />

Heute leitet Nicole Hackert mit Co<br />

temporary Fine Arts eine der erfo<br />

reichsten Berliner Galerien, und bev<br />

diese in ihre neuen Räume am Kupfergr<br />

ben zieht, widmet sie eine letzte Ausst<br />

lung in der Sophienstraße dem heu<br />

98-jährigen Vorbild Rudolf Springer.<br />

„Marchand d’art“ zeigt in charmant m<br />

sealer Anmutung die Matrix, aus der si<br />

das Wissen und Wirken dieses ehema<br />

gen Versicherungsvertreters speist, d<br />

von den Verlegereltern geerbte Begeis<br />

rung für Bücher, die Sammelleide<br />

schaft, das umherschweifende Interess<br />

das sich manchmal an Kuriositäten h<br />

tet, mal echte Entdeckungen zutage fö<br />

dert. Hier findet sich die Feldlektüre d<br />

Marinesoldaten Springer („Kunst od<br />

Kitsch“), Bilder seiner Künstler, etwa d<br />

surrealistischen, symbolistischen Zeic<br />

nungen des Psychotikers und alten Wu<br />

derkinds Friedrich Schröder Sonne<br />

stern, hier wacht eine mexikanische Fe<br />

hundskulptur aus dem Besitz des Galer<br />

ten neben einem afrikanischen Nagel<br />

tisch. Am Eingang begrüßt den Besuch<br />

ein Bild der Malerin Christa Dichgan<br />

der vierten, jetzigen Ehefrau Springe<br />

die nun von Contemporary Fine Arts ve<br />

treten wird. Sie malte Habseligkeiten d<br />

Berliner Galeristenhäuptlings, aufg<br />

Der Wa<br />

Sotheby’s bietet in Lon<br />

Zwei Wochen nach dem Kaufrausch, d<br />

die moderne Kunst in London entfe<br />

selte, zeigen die Alten Meister, welc<br />

Begierden sie wecken können. Zwar si<br />

die Kenner aus Europa und den USA h<br />

noch weitgehend unter sich. Doch d<br />

könnte sich ändern: Sotheby’s hat das J<br />

wel der Auktionswoche, eine kostba<br />

Sammlung mit Aquarellen von Willia<br />

Turner (1775–1851), auf Tournee u<br />

die Welt bis nach Hongkong geschic<br />

um neue Käufer anzulocken. Kurios, da<br />

der belgische Baron Guy Ullens u<br />

seine Frau ihre Turners verkaufen, u<br />

ihre Sammlung zeitgenössischer chine<br />

scher Kunst auszubauen. Wenn Chin<br />

sen Turner und belgische Barone Chin<br />

sen kaufen, kann dem Kunstmarkt wo<br />

nichts mehr passieren.<br />

Die 14 Blätter sind exquisit, decken a<br />

PeriodenunddasstupendetechnischeR<br />

per<strong>to</strong>ire Turners ab. Sie sind aber au<br />

teuer. Der Baron hat sich von einigen a<br />

ßerordentlichen Preisen der letzten Jah<br />

zumVerkauf und zu hohen Taxen anim<br />

ren lassen. Da brachte eine Venedig-V<br />

dute von Turner 35 Millionen Dollar, u<br />

sein Aquarell „The Blue Rigi“, das m<br />

enormer Kraftanstrengung von der Lo<br />

doner Tate Gallery angekauft wurde, ko<br />

tete bei Christie’s 5,8 Millionen Pfun<br />

Fast so hoch ist das Aquarell des Lunger


KULTURSPIEGEL 10-2007<br />

KUNST<br />

Voigt-Werk „O.T. 11-14 …“ (<strong>2006</strong>):<br />

Notate und Randomsysteme<br />

Ordnung ins Weltchaos<br />

„Grundelemente aus unserer Zivilisation“ zeichnet<br />

Jorinde Voigt als rätselhafte Kar<strong>to</strong>grafien.<br />

Geschlafen habe sie wenig in letzter Zeit, sagt Jorinde Voigt, 30, das könne man an ihren<br />

roten Augen sehen. Weil sie täglich zehn bis zwölf Stunden zeichnet. Für eine Einzelschau,<br />

eine Gruppenausstellung, für anstehende Kunstmessen, denn ihre Berliner Galerie hat ihre<br />

letzte Ausstellung komplett verkauft. Wochenlang arbeitet Voigt in ihrem Berliner Atelier<br />

an Tinten- und Bleistiftzeichnungen, hochkonzentriert, denn einen falschen Strich darf sie<br />

sich nicht leisten,„weil man nicht radieren kann“. Die Müdigkeit ist wie weggeblasen, wenn<br />

Voigt über ihre Arbeit spricht.Von Notaten, Randomsystemen und Parametern ist die Rede,<br />

von Repetitionen, Spiegelungen und Rhythmen. Und das sieht auf kleinen wie auf riesengroßen<br />

Blättern so aus: Kreise, Pfeile, Linien, Netze aus nummerierten Strichen, feine<br />

Geflechte, die sich verdichten, überschneiden, verzweigen oder explodieren. Rätselhafte, beschriftete<br />

Kar<strong>to</strong>grafien auf glattem Aquarellpapier, die an moderne Partituren erinnern.<br />

„Keine falsche Assoziation“, sagt Voigt, aber sie beziehe sich nicht ausdrücklich auf Musik.<br />

Mit ihrer zehnjährigen Cello-Ausbildung habe das auch nichts zu tun, höchstens, dass ihre<br />

Wahrnehmung musikalisch geprägt sei. Die widmet sie aber heute Alltagsgeräuschen: „Jeder<br />

hört in einer Stadt gleichzeitig ein Au<strong>to</strong> vorbeifahren, riecht Abgase, nimmt aus dem<br />

Au<strong>to</strong>radio Fetzen eines Popsongs wahr und weiß, dass sich das Gleiche auch ein paar Kilometer<br />

weiter abspielt.“ Solche „Grundelemente aus unserer Zivilisation und Kultur“<br />

zeichnet Voigt, sie konstruiert mit Tinte und Bleistift eine minimalistisch anmutende Ordnung<br />

für das Chaos in der Welt. Dafür setzt sie zuerst die „Elemente“ fest, die sie benutzen<br />

will. Das können Popmusik-Charts sein, die Flugbahn eines Adlers, küssende Paare,<br />

Temperaturen oder Au<strong>to</strong>s. Oder alles zusammen. Dann kommt die Struktur, zum Beispiel<br />

die Fibonacci-Reihe, danach wäre ihre Zeichnung ausdehnbar bis ins Unendliche. Aber auf<br />

dem feinen Papier endet die Unendlichkeit bisher bei 308 Zentimeter mal 140 Zentimeter,<br />

und bei zwei Monaten Arbeit mit zwölf Stunden täglich. INGEBORG WIENSOWSKI<br />

Neue Heimat. Berlinische Galerie. Bis 7.1.2008, Tel. 030/78 90 26 00.<br />

Ausstellungen<br />

Amsterdam<br />

Andy Warhol. Other Voices, Other<br />

Rooms. Stedelijk Museum. 12.10.2007–<br />

13.1.2008, Tel. 0031/20/573 29 11.<br />

Der multimediale Ansatz in Warhols<br />

Werk ist Kern der Ausstellung. Filme, Videos<br />

und Tonbänder der Pop-Ikone werden<br />

in spezieller Ausstellungsarchitektur<br />

wie „lebendige Gemälde“ präsentiert.<br />

Dazu Bilder, Siebdrucke und Rauminstallationen<br />

wie etwa „Silver Clouds“.<br />

Baden-Baden<br />

André Cadere. Arbeiten aus den Jahren<br />

1971–1978. Staatliche Kunsthalle.<br />

27.10.2007–6.1.2008., Tel. 07221/30 07 63.<br />

Cadere gehörte zu den wichtigsten<br />

Künstlern der siebziger Jahre in Frankreich.<br />

Bekannt wurde er mit Holzstäben<br />

von unterschiedlicher Größe, die<br />

er nach einem mathematischen Permutationsprinzip<br />

bemalte. Er demonstrierte<br />

die Unabhängigkeit seiner Kunst von<br />

Institutionen, indem er mit einem Stab<br />

in der Hand uneingeladen zu Eröffnungen<br />

in Museen, Galerien oder sogar auf<br />

die Documenta 5 ging und seine Stäbe<br />

dort „ausstellte“. Die Schau zeigt 60 Stäbe,<br />

Fo<strong>to</strong>s, Filme, Schriften und Dokumente.<br />

Bedburg-Hau<br />

An<strong>to</strong>ni Tàpies. Museum Schloss Moyland.<br />

Bis 13.1.2008, Tel. 02824/95 10 65.<br />

Berlin<br />

Eugène Atget. Retrospektive. Martin-Gropius-Bau.<br />

28.9.2007–6.1.2008, Tel.<br />

030/25 48 60.<br />

Atget hat zwischen 1897 und 1927 das<br />

alte Paris fo<strong>to</strong>grafiert – Brücken und Fassaden,<br />

Jahrmärkte, Höfe, Parks und<br />

Paläste und die Außenbezirke, in denen<br />

Arme und Obdachlose hausten. Er fo<strong>to</strong>grafierte<br />

Straßenhändler, Prostituierte<br />

und Lumpensammler genauso wie die<br />

Bewohner reicher Viertel. Die erste große<br />

Schau des Fo<strong>to</strong>pioniers in Deutschland<br />

zeigt 350 Aufnahmen.<br />

Uli Richter – The Berlin S<strong>to</strong>ry of Fashion.<br />

Kunstgewerbemuseum. Bis 6.1.<br />

2008, Tel. 030/266 36 60.<br />

Beyond the Wall. Max Liebermann<br />

Haus. Bis 2.12., Tel. 030/22 63 30 30.<br />

New York – States of Mind. Haus der<br />

Kulturen der Welt. Bis 4.11., Tel. 030/<br />

39 78 70.<br />

Henry Moore. Haus am Waldsee. Bis<br />

21.10., Tel. 030/801 89 35.<br />

34 10/2007 KulturSPIEGEL<br />

FOTO: COURTESY OF SAMMLUNG ROSENKRANZ, BERLIN; VG BILDKUNST, BONN 2007


WELTKUNST HEFT 13_ 00.10.2007_ Rudolf Zwirner


66<br />

<strong>JORINDE</strong> <strong>VOIGT</strong> Monopol Nr. 4/2007<br />

67<br />

Die<br />

Vermessung<br />

derWelt<br />

SiekombiniertFlugkurvenvonAdlernmit<br />

StromimpulsenoderProgrammierstrukturen<br />

fürPopsongsmitBombenexplosionen:<br />

JorindeVoigtskulturtheoretische<br />

ZeichnungensindeineWissenschaft<br />

fürsich–unddochbezauberndschön.<br />

von barbara gärtner porträts heji shin


68 <strong>JORINDE</strong> <strong>VOIGT</strong><br />

Jorinde Voigt spricht gern in<br />

Schachtelsätzen. Jede einmal<br />

ausgesprochene Feststellung<br />

fängt sie mit einer Relation,<br />

einer Präzisierung, einer<br />

Einschränkung wieder ein<br />

wie ein davongaloppierendes<br />

Pony. Küchenpsychologisch<br />

könnte man das als Unsicherheit deuten,<br />

im Fall von Jorinde Voigt handelt es sich<br />

aber um das genaue Gegenteil. Denn die<br />

Frau, die da auf ihrem schwarzledernen<br />

Mies-van-der-Rohe-Hocker sitzt und Zigarettenrauch<br />

in die Luft kringelt, wirkt ziemlich<br />

selbstsicher. Zumindest so sicher, wie<br />

jemand nach ein paar Semestern Philosophie<br />

und der daraus erwachsenen Skepsis<br />

für Begriffe wie „Realität“ oder „Wahrheit“<br />

eben sein kann. „Sicherheit“, sagt sie kühl,<br />

„die gibt es ja überhaupt nicht. Vielleicht<br />

für einen Moment, für einen Tag. Allerdings<br />

sieht ab der zweiten Betrachtung al-<br />

les immer sofort wieder ganz anders aus.“<br />

Dann drückt sie die Zigarette aus.<br />

Wenn sie an diesem Morgen in ihrem<br />

Atelier in Berlin-Mitte also von der „Natur“<br />

spricht, sich sofort selbst ins Wort fällt und<br />

schnell nachschiebt, „ich meine die Vegetation“,<br />

dann verschweigt sie zwei kleine<br />

Worte, die man bei ihr immer mitdenken<br />

muss: „genau genommen“. Denn Jorinde<br />

Voigt nimmt alles sehr genau. Beim Reden,<br />

beim Herstellen von Kunst und, wenn man<br />

sich in ihrem Atelier, diesem gestylten, aufgeräumten<br />

Ort in Schwarzweiß so umschaut,<br />

wahrscheinlich auch im restlichen<br />

Leben. Die Schachtelsätze sind mehr als<br />

eine Sprachgewohnheit. Sie sind die Herangehensweise<br />

der Künstlerin an das, was<br />

man so Realität nennt. Wie sich ein Teil eines<br />

Satzes auf den vorangegangenen bezieht,<br />

die Kommata zu Bindegliedern und<br />

Scharnieren der Präzisierung werden, so<br />

sind ihre Zeichnungen ein Geflecht aus Bezügen<br />

und Verbindungen, Wechselwirkungen<br />

und Abhängigkeiten. Auf ihren Blättern<br />

kettet sie die Elemente mit Pfeilen,<br />

Klammern, Plus- und Minuszeichen aneinander,<br />

als könnte das gelingen: die Welt zu<br />

erfassen und zu ordnen.<br />

Damals, 2003, war das vor allem eine<br />

Symphonie an Geräuschen, die sie auf einem<br />

Papier niederschrieb und damit ihr<br />

Zeichenvokabular erfand, das sie seither<br />

Strich um Strich verfeinert hat: Die heute<br />

31-Jährige reiste als Touristin im politisch<br />

instabilen Indonesien umher. In Jakarta<br />

explodierten Bomben, Mofas vers<strong>to</strong>pften<br />

die Straßen, aus den geöffneten Au<strong>to</strong>fenstern<br />

quiekte Michael Jackson, und Jorinde<br />

Voigt begann, sich für die Gleichzeitigkeit<br />

von Ereignissen zu interessieren. „Ich<br />

wollte eine Bestandsaufnahme der akustischen<br />

Situation machen“, erinnert sie sich.<br />

In ihrem Zimmer setzte sie sich dann an ein<br />

indonesisches Buchhaltungformular, zog<br />

eine Zeitachse und notierte lakonisch:<br />

„Bomb explosion yesterday“. Aber auch die<br />

Häufigkeit, in der ein bestimmtes indonesisches<br />

Kinderlied im Radio gespielt wurde,<br />

oder wann genau die Männer den gegenüberliegenden<br />

Kiosk verschlossen. Sie<br />

Jorinde Voigt macht ernst mit der Logik,<br />

sie probiert zeichnend aus, was passiert,<br />

wenn man mit den Regeln spielt, wie sich<br />

zwei Elemente zueinander verhalten.<br />

schrieb die Partitur vor Ort von Tatsachen<br />

ab, mit allem, was sie erlebte: Regen, Windböen,<br />

Mo<strong>to</strong>rgeräusche, Vogelstimmen und<br />

Popmusik – all das immer in Relation zur<br />

auftretenden Häufigkeit. Scheinbar Banales<br />

und scheinbar Wichtiges nebeneinander<br />

im Strichgewirr.<br />

Heute sind die Zeichenanordnungen abstrakter<br />

und u<strong>to</strong>pischer. Ein Abbild der Realität,<br />

das interessiert sie nicht mehr, sie<br />

zeichnet nun die fiktiven Flugkurven von<br />

hundert gleichzeitig losfliegenden Adlern,<br />

kombiniert sie mit der Kusslänge von zahlreichen,<br />

sich gleichzeitig küssenden Paaren,<br />

mit Temperaturverläufen von plus 273<br />

bis zu minus 273 Grad Celsius und der Verteilung<br />

von Stromimpulsen. Jorinde Voigt<br />

macht ernst mit der Logik, sie probiert<br />

zeichnend aus, was passiert, wenn man<br />

mit den Regeln spielt, wie sich zwei Elemente<br />

zueinander verhalten. Klingt spröde,<br />

ist auch so – und trotzdem sieht es kein<br />

bisschen so aus wie dröge Versuchsanordnungen.<br />

Die Zeichnungen sind von betörender<br />

Dynamik. Man meint, die Adler in<br />

dem feinen, flügelschlagenden Zeichengebilde<br />

tatsächlich durch die Luft fliegen zu<br />

sehen. Die Pfeile wirbeln über großforma-<br />

„Perm III“, 2007, Bleistift,<br />

Tinte auf Papier, 115 x 100 cm<br />

Dritter Teil eines Triptychons.<br />

Rhythmen von Top-100-Songs,<br />

verknüpft mit De<strong>to</strong>nationskurven<br />

von Bomben, akustischen und<br />

elektrischen Impulsen sowie Abfolgen<br />

sich küssender Paare, gegliedert<br />

nach der „Fibonacci-Folge“<br />

69


Oben: „ 2 küssen sich“, <strong>2006</strong>, fünf Zeichnungen, Tinte auf Papier, je 51 x 36 cm. Die Länge der einzelnen Äste definiert sich aus der Dauer und Frequenz von Küssen.<br />

Unten:„ O.T. (Pfeile 4)“, <strong>2006</strong>, Tinte auf Papier, 150 x 300 cm. Die Serie „Pfeile“ arbeitet mit den Ideen von Entropie und Dynamik.


72 <strong>JORINDE</strong> <strong>VOIGT</strong><br />

tige Papierbahnen – und wenn man als<br />

Betrachter erst einmal näher getreten ist<br />

und versucht, diese zackige Handschrift<br />

und die nüchternen Symbole zu entziffern,<br />

dann ist man schon gefangen in diesem<br />

Sog aus Symbolen.<br />

„Die Wissensvermittlung ist nicht von<br />

Manipulation zu trennen. Man muss erst<br />

wieder alle erlernten Vorstellungen verlassen,<br />

um einen Blick auf den Charakter der<br />

Dinge entwickeln zu können. Man kann<br />

sich danach immer noch von der Form irritieren<br />

lassen, die etwas einnimmt oder in<br />

der etwas dargestellt wird“, sagt sie und<br />

zündet sich eine neue Zigarette an. Weil<br />

sich der Charakter der Dinge nun einmal<br />

nicht an das Sortiermuster der deutschen<br />

Universitätsordnungen hält, wo die Begriffe<br />

schön in Relation zu ihrem Fachbereich<br />

untersucht werden, wechselte Voigt von<br />

den Geisteswissenschaften zur Kunst.<br />

„Wenn ich über ‚Staat‘ nachdenke, will ich<br />

keine möglichen Konnotationen ausschließen,<br />

sondern alles in seiner Ambivalenz<br />

zusammen denken. Die Einordnung von<br />

Gedanken in einen bestimmten Fakultätsbereich<br />

gibt es nicht.“ In der Kunst sind<br />

diese Grenzen aufgehoben, Voigt studierte<br />

Fo<strong>to</strong>grafie, wurde Meisterschülerin bei<br />

Katharina Sieverding und fand doch, dass<br />

man beim Fo<strong>to</strong>grafieren nur immer schon<br />

einmal gemachte Bilder wieder aufnimmt.<br />

Schon damals experimentierte sie mit<br />

Wiederholung und Dopplung, hat sie einzelne<br />

Objekte und Bildinformationen immer<br />

wieder vermehrt. Auch ihre Zeichnungen<br />

bestehen aus Wiederholungen und<br />

Spiegelungen – mit dem Schreibstift hat sie<br />

nun ihr Medium gefunden. „Die Zeichnung<br />

ist eben die direkteste Form. Da ist außer<br />

der Bewegung des Körpers nichts mehr<br />

zwischen Denken und Tun geschaltet.“<br />

Der Ausstellungsplan fürs aktuelle Jahr<br />

listet Schauen in Istanbul, Moskau, Tel<br />

Aviv und in den USA, sie sammelt Stipendien,<br />

und das Berliner Kupferstichkabinett<br />

sammelt sie – es läuft gut für Jorinde<br />

Voigt. Dass sich mit dem Erfolg der Arbeitsaufwand<br />

auch ins Organisa<strong>to</strong>rische<br />

verlagert, macht ihr Sorgen. „Hier drin“,<br />

sagt sie und wedelt in der Luft umher, als<br />

müsste sie ihr Atelier vermessen, „hier<br />

drin ist die Konzentration, und die muss<br />

man verteidigen.“ Monatelang arbeitet sie<br />

an den bis zu drei Meter langen Bahnen,<br />

oft bis zu zwölf Stunden am Tag, am Boden<br />

liegend.<br />

Die Konzentration, die nötig ist für<br />

ihre Notate und Partituren, wie sie<br />

ihre Blätter nennt, hat Voigt in der<br />

Musik einstudiert. Mit acht lernte sie das<br />

Cellospielen, sie habe es zur „Konzertreife“<br />

gebracht, steht in den Texten über sie. Doch<br />

Jorinde Voigt zuckt nur mit den Achseln,<br />

wenn man sie darauf anspricht, und doziert<br />

lieber über Rhythmus, den ihr die Musik<br />

beigebracht hat. Denn Rhythmus, Repetition<br />

und Variation, das ist es, was sie am<br />

meisten interessiert. Ihre eigentlich sehr<br />

nüchterne Stimme überschlägt sich fast,<br />

wenn sie darüber spricht, dass jedes<br />

menschliche Organ seine eigene Uhr besitzt,<br />

dass überhaupt alles einem sich ewig<br />

wiederholenden Muster, etwa dem Wechsel<br />

Monopol Nr. 4/2008<br />

der Jahreszeiten, unterworfen ist. Mit diesen<br />

Algorithmen arbeitet sie auch künstlerisch.<br />

Wenn sie etwa – wie vor ihr schon der<br />

Arte-povera-Künstler Mario Merz – für ihr<br />

Aktionsmuster „2 küssen sich“ auf<br />

die „Fibonacci-Folge“ zurückgreift<br />

(ein mathematisches System, das<br />

dynamische Prozesse wie die Kaninchenvermehrung<br />

beschreibt),<br />

dann ist das für Mathematikversehrte<br />

manchmal hartes Brot. Aber<br />

Jorinde Voigt bleibt auch bei der<br />

fünften Nachfrage unendlich geduldig,<br />

nimmt den Block der Besucherin,<br />

zeichnet eine Temperaturfolge<br />

auf, erklärt. Wieder und wieder.<br />

Beim Triptychon „Perm I, II, III“<br />

etwa handelt es sich um eine Partitur,<br />

die auf den wechselnden Top-<br />

100-Charts der Musikindustrie beruht.<br />

„Würde man die Zeichnung<br />

als Programmierstruktur benutzen,<br />

könnte man tatsächlich daraus alternierende<br />

Geräusche erzeugen<br />

und zu akustischen Impulsen verkürzen“,<br />

erläutert Voigt. „Die Anordnungen<br />

sind dual notiert, die<br />

Popsongs taktweise, der Charakter<br />

der Notation ist aber additiv. Die<br />

Geräusche nehmen also zu, indem<br />

sie jeweils einen zusätzlichen Titel<br />

mit der entsprechenden Anzahl von<br />

Takten mit einschließen.“ Neben<br />

den Takten hat Jorinde Voigt aber<br />

auch Bombende<strong>to</strong>nationen und<br />

Elemente aus der Folge „2 küssen<br />

sich“ ins Bild genommen. „Das al-<br />

les ist entlang einer räumlichen,<br />

zeitlichen und einer ihren jeweiligen<br />

Häufigkeiten entsprechenden<br />

‚Fibonacci-Folge‘ mit Rewrite-Elementen,<br />

organischen Impulsfeldern<br />

und Strom notiert.“ Das Format der<br />

Zeichnung hingegen wird von Blatt<br />

zu Blatt kleiner.<br />

Wie ihre Bilder, denen staubtrockene<br />

Überlegungen zu Grunde<br />

liegen und die doch sehr zart aussehen,<br />

so verkörpert auch Jorinde Voigt seltsame<br />

Widersprüche. Die kühle, distanzierte<br />

Sprache, mit der sie Popsongs als „Speicherelement<br />

für private wie kollektive<br />

Emotionalität“ definiert, passt hervorragend<br />

zu den <strong>to</strong>ughen Bikerboots, über die<br />

sie dann aber ballerinahafte Stulpen trägt.<br />

Überhaupt benutzt sie oft abstrakte Begriffe,<br />

spricht von „Apparaten“, „Modulen“,<br />

„Systemen“, weil es ihr nicht um das<br />

einzelne Element, sondern um das Miteinander<br />

geht. Konnte man sich unter den<br />

Komponenten wie Küsse, Au<strong>to</strong>s, Explosionen<br />

und Adler noch etwas vorstellen, betreibt<br />

sie in ihren neusten Arbeiten eine<br />

Art Grundlagenforschung. „Mich interes-<br />

„Ich habe eine tiefe Sehnsucht<br />

nach Ordnung, obwohl<br />

ich weiß, dass Ordnung<br />

immer nur eine Projektion<br />

ist“, sagt Jorinde Voigt.<br />

siert gerade sehr die Impulsebene, also<br />

elektrische Impulse, akustische Impulse,<br />

organische Impulse – das sind alles Hinweise<br />

auf die Verteilung von Population.<br />

Der gezeichnete Apparat ‚organische Impulse‘<br />

bezieht sich zum Beispiel auf folgendes<br />

Phänomen: Wenn man im Sommer auf<br />

eine Wiese schaut, sieht man, dass dort alles<br />

lebt. Das sind Millionen von ganz kleinen<br />

Herzschlägen.“<br />

Mittlerweile hat sie die zweidimensionalen<br />

Zeichensysteme auch schon ins Dreidimensonale<br />

übersetzt. Ihr Popsongappa-<br />

73<br />

rat wurde von einem befreundeten Programmierer<br />

in den Computer eingespeist.<br />

Alle Takte übereinandergelegt, ergibt das<br />

eine Art White Noise, ein Rauschen. Den<br />

Aktionsablauf von „2 küssen sich“<br />

hat sie schon bei Vernissagen als<br />

Performance aufführen lassen, und<br />

die Zeichnungen aus Indonesien<br />

wurden schon von Musikern aufgeführt.<br />

„Eigentlich geht es mir gar<br />

nicht um die Zeichnung selbst, es<br />

geht mir darum, Strukturen zu zeigen<br />

und Situationen zu untersuchen.<br />

Manchmal eignet sich dafür<br />

Papier am besten, manchmal eine<br />

Aktion“, sagt sie.<br />

Im Moment träumt Jorinde Voigt<br />

davon, eine Partitur zu schreiben<br />

und aufzuführen, die nichts mit<br />

einem klassischen Konzert oder<br />

traditionellem Theater zu tun hat.<br />

Eine Anleitung, bei der der Performer<br />

selbst entscheidet, ob er sie<br />

von oben nach unten oder von<br />

rechts nach links befolgen soll.<br />

Jorinde Voigt will alle bekannten<br />

Hierarchien auflösen. Da passt es<br />

gut, dass ihre Kunst mit den Partituren<br />

der neuen Musik, mit Anleitungen<br />

von Karlheinz S<strong>to</strong>ckhausen<br />

und John Cage, die ja ebenfalls als<br />

Grundlagenforscher des Takts gelten,<br />

verglichen wird.<br />

„Ich habe eine tiefe Sehnsucht<br />

nach Ordnung, obwohl ich weiß,<br />

dass Ordnung immer nur eine Projektion<br />

ist.“ Es gibt verschiedene<br />

Möglichkeiten, mit dieser Ambivalenz<br />

umzugehen: verzweifeln, glauben,<br />

verstehen wollen. Voigt versucht<br />

sich im Verstehen und kommt<br />

sich trotzdem nicht vor wie Sisyphos.<br />

Statt des Steins rollt sie den<br />

Stift, was dabei herauskommen soll,<br />

ist eine Aneinanderreihung aller<br />

Elemente des Zusammenlebens,<br />

eine kulturelle Grammatik. Vor Jahren<br />

hat sie sich einmal vorgenommen, sich<br />

mit allen kulturtypischen Prozessen zu beschäftigen.<br />

Heute sagt sie aber ein wenig<br />

erschöpft: „Man kann damit zwar anfangen,<br />

aber man wird wohl nie zu einem<br />

Ende kommen.“<br />

Jorinde Voigts Arbeiten sind bis 20. April in der<br />

Gruppenausstellung „Medium Zeichnung“ im Haus<br />

der Kunst, München, zu sehen. In Berlin wird sie<br />

von 29. März bis 17. Mai in der Galerie Fahnemann<br />

in einer Einzelausstellung präsentiert, ebenso von<br />

26. April bis 21. Juni im Kunstverein Wiesbaden.<br />

Zusammen mit Ralf Ziervogel stellt sie von 5. Mai<br />

bis 21. Juni im Neuen Kunstverein Gießen aus.


Algorithmus und Aura http://www.fr-online.de/_inc/_globals/print.php?sid=9b0a6a84dae0...<br />

URL: http://www.fr-online.de/in_und_ausland/kultur_und_medien/feuille<strong>to</strong>n/?em_cnt=1345521<br />

Algorithmus und Aura<br />

Junge Meister: Jorinde Voigt und Ralf Ziervogel im Neuen Kunstverein Gießen<br />

VON SANDRA DANICKE<br />

Manchmal kann man die Schrift gar nicht lesen. So gesehen entsteht der Eindruck, man habe etwas<br />

Wesentliches nicht verstanden, nicht verstehen können, worum es hier eigentlich geht. Die Worte, so viel<br />

immerhin lässt sich auf Anhieb erkennen, wiederholen sich nach einem präzisen Rhythmus. Ihre<br />

Kombination mit Pfeilen oder mathematischen Zeichen, es müssen Hunderte sein pro Blatt, suggeriert,<br />

dass es sich um wissenschaftliche Analysen handelt, Diagramme, erstellt zur Veranschaulichung<br />

physikalischer Phänomene. Und so ist es.<br />

Die Arbeiten von Jorinde Voigt beschäftigen sich mit Impulsen, Fraktalen, der Fibonacci-Reihe und<br />

Algorithmen, und weil ein Algorithmus letztlich mehr oder weniger alles zum Thema haben kann, geht es<br />

bei Jorinde Voigt um mehr oder weniger alles. Zum Beispiel darum, wie oft und wie lange zwei sich küssen,<br />

die Flugbahnen von Adlern, die Tagestemperatur, den Einschlag von Bomben - Jorinde Voigt macht<br />

daraus Partituren.<br />

Die Künstlerin, die 1977 in Frankfurt geboren wurde, mittlerweile in Berlin lebt und derzeit im Neuen<br />

Kunstverein Gießen und im Nassauischen Kunstverein Wiesbaden ausstellt, verdichtet Zeit und<br />

Bewegung zu filigranen Zeichnungen: Strahlen, die sich fächerförmig ausbreiten, konzentrische Wirbel,<br />

geordnetes Chaos. Wellen, die sich in elegantem Schwung über das Blatt bewegen. Choreografien für<br />

Schmetterlingsflüge, so scheint es, deren Verästelungen und Spiegelungen eine berauschende Dynamik<br />

entfalten. Formschöne Diagramme mit tiefernsten Inhalten, in denen alles einander beeinflusst, alles mit<br />

allem zusammenhängen kann, und deren Rätselhaftigkeit eine starke Anziehungskraft besitzt.<br />

Jorinde Voigt möchte wissen: "Wie sieht die Gleichzeitigkeit von so vielen Gegenwarten aus?" Dafür hat sie<br />

ein System mit eigenen Regeln gefunden, das so komplex wie subjektiv ist. Dass ihre Bilder, die man von<br />

allen Seiten "lesen" kann, vor allem als schön wahrgenommen werden, sei ihr völlig egal, sagt sie, darum<br />

gehe es nicht.<br />

Als schön wurden die Zeichnungen von Ralf Ziervogel, der ebenfalls im Neuen Kunstverein Gießen unter<br />

dem Titel "Terz" ausstellt, bislang nicht gerade empfunden. Im Gegenteil galt der 1975 in<br />

Clausthal-Zellerfeld geborene Künstler stets als manischer Meister bizarrer Pandämonien. Ziervogel war<br />

einer, der ganze Papierbahnen mit Obszönitäten und Folterszenarien vollkritzelte. Massaker, die sich auf<br />

beängstigend harmonische Weise zu Ornamenten formen, deren von Faszination geprägter Aura man<br />

sich deshalb bisweilen schwer entziehen kann.<br />

In Gießen nähert man sich Ziervogels erstaunlich kleinformatigen Blättern deshalb vorsichtig. Kneift<br />

vorsorglich die Augen zusammen, doch dann ist da - nichts. Zumindest nichts Grausames, sondern sanft<br />

geschwungene Bögen ungeahnt zarten Gestrichels. Es handele sich um Explosionen und Implosionen,<br />

sagt Ziervogel, der wie Voigt in Berlin lebt. Rein zeichnerisch mache das doch keinen Unterschied.<br />

Neuer Kunstverein Gießen: bis 21. Juni. www.kunstverein-giessen.de - Die Wiesbadener<br />

Voigt-Ausstellung läuft noch bis zum 8. Juni<br />

[ document info ]<br />

Copyright © FR-online.de 2008<br />

Dokument erstellt am 04.06.2008 um 16:28:01 Uhr<br />

Erscheinungsdatum 05.06.2008<br />

1 von 1 12.06.2008 12:00 Uhr


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Gera verleiht Ot<strong>to</strong>-Dix-Preis an Jorinde Voigt<br />

Es war soweit. Nach mehrjähriger Pause vergab die Stadt Gera zum siebenten Mal den<br />

Ot<strong>to</strong>-Dix-Preis. Die Auszeichnung 2008 ging an die Zeichnerin Jorinde Voigt. Die in Berlin<br />

lebende Künstlerin wurde bereits Ende März von einer Expertenjury gekürt. Sie nahm den<br />

Preis für junge Gegenwartskunst im deutschsprachigen Raum am 17. Ok<strong>to</strong>ber aus den<br />

Händen von Geras Bürgermeister Norbert Hein entgegen.<br />

Dix-Preis-Trägerin Jorinde Voigt vor<br />

einem ihrer Werke in der Orangerie<br />

der Geraer Kunstsammlung<br />

Ausstellung präsentiert Werke nominierter Künstler<br />

Der 1992 ins Leben gerufene und biennal vergebene<br />

Ot<strong>to</strong>-Dix-Preis gehöre inzwischen zu den renommierten<br />

Preisen im deutschen Kunstleben, der in der jungen<br />

Kunst- und Galerieszene sowie bei den Medien und<br />

der Öffentlichkeit auf großes Interesse s<strong>to</strong>ße, be<strong>to</strong>nte<br />

der Bürgermeister. Preisträger früherer Jahre seien<br />

beispielsweise so erfolgreiche Künstler wie Daniel<br />

Richter oder Tobias Rehberger, die inzwischen auch<br />

international anerkannt seien. Dass diese Tradition<br />

weitergeführt werden könne und die Auszeichnung mit<br />

20.000 Euro nun auch zu den höchstdotierten<br />

Kunstpreisen Deutschlands gehöre, sei dem Engagement der Electrabel Deutschland AG zu<br />

danken. Sie konnte nach dem Ausstieg von IBM Deutschland als neuer Sponsor gewonnen<br />

werden. Zugleich sei damit die Grundlage für ein neues Konzept geschaffen worden. Neben<br />

dem Preisgeld von – wie bisher - 10.000 Euro würde den Preisträgern zudem der Ankauf von<br />

Werken in Höhe der gleichen Summe garantiert.<br />

Electrabel wolle sich in der Region engagieren, in der das Unternehmen wirtschaftlich<br />

verankert sei, begründete Dr. Jochen Starke, Regionalbevollmächtigter Mitteldeutschland der<br />

Electrabel Deutschland AG, das Engagement. Electrabel Deutschland, Mitgesellschafter der<br />

Energieversorgung und der Kraftwerke Gera GmbH, habe bereits im Kontext der<br />

Bundesgartenschau 2007 in Gera 15 Kunstprojekte mit insgesamt einer halben Million Euro<br />

gefördert. „Die Frage, ob wir uns auch für den Ot<strong>to</strong>-Dix-Preis und damit speziell für<br />

zeitgenössische Kunst engagieren, fand in unserem Unternehmen große Resonanz.“ Bis<br />

2012 stelle Electrabel Deutschland weitere insgesamt 200.000 Euro für verschiedene<br />

Kunstprojekte bereit, darunter auch für die Vergabe des Ot<strong>to</strong>-Dix-Preises 2010 und 1012. In<br />

den Jahren dazwischen würden themenbezogene Ausstellungen mitfinanziert.<br />

Diese Auszeichnung will junge Gegenwartskunst unterstützen, die engagierte Zeitnähe mit<br />

reflektiertem Selbstbewusstsein verbindet, beidem originären künstlerischen Ausdruck<br />

verleiht und sich gängigen Rezeptionsmustern entzieht. Dem wird die Dix-Preisträgerin 2008<br />

nach dem Votum der fünf Juroren gerecht. 1977 in Frankfurt/Main geboren, studierte sie<br />

Philosophie und Neue deutsche Literatur in Göttingen, Soziologie an der Freien Universität<br />

Berlin sowie Bildende Kunst an der Universität der Künste Berlin und absolvierte zudem eine<br />

zehnjährige Cello-Ausbildung. Jorinde Voigt vertritt nach Ansicht der Jury „mit ihrer deutlich<br />

zeichnerisch bestimmten Haltung eine abstrakt-konkret orientierte Position“. In ihren<br />

Zeichnungen kombiniere sie „naturwissenschaftliche Konstanten mit performativen Abläufen.<br />

Ihre zeichnerischen Notationen sind Ordnungssysteme und deklinierte Alltagserfahrungen.“<br />

Davon können sich die Besucher der Ausstellung überzeugen, die im Anschluss an die<br />

Preisverleihung in der Orangerie der Kunstsammlung Gera eröffnet wurde und bis 07.<br />

Dezember zu sehen ist. Die Schau vereint über die Zeichnungen Jorinde Voigts hinaus<br />

Arbeiten von für den Ot<strong>to</strong>-Dix-Preis nominierter Künstler. So werden auch Gemälde des in<br />

Dresden lebenden Absolventen der dortigen Hochschule für Bildende Künste Martin Mannig<br />

und Videoskulpturen des in Berlin lebenden Peter Welz präsentiert, der in Dublin, New York<br />

und London studierte und unter anderem Projekte mit William Forsythe realisierte. Die<br />

Exposition stelle sehr individuelle künstlerische Sprachen vor und vereine auch in den<br />

Techniken und Medien unterschiedliche Ansätze, sagte der Leiter der Kunstsammlung,<br />

Holger Peter Saupe. Auf diese Weise könne die hohe Qualität aufgezeigt und zugleich auch<br />

ein differenzierter Einblick in die jüngere zeitgenössische Kunstentwicklung ermöglicht<br />

werden.<br />

Trotz des neuen Konzeptes wurde der bewährte Modus zur Ermittlung der Preisträger<br />

beibehalten. Der Ot<strong>to</strong>-Dix-Preis ist ein reiner Jury-Preis. Jeder Juror stellt einen Kandidaten<br />

der eigenen Wahl anhand aussagekräftigen Materials persönlich vor. Aus dem Kreis der<br />

präsentierten Kandidaten, von deren hoher künstlerischer Qualität alle Mitglieder der Jury<br />

2008 überzeugt waren, wurde Jorinde Voigt als Preisträgerin ermittelt.<br />

Chronologie der Ot<strong>to</strong>-Dix-Preisträger<br />

Dix-Preis 1992 – Preisträger: Michael Scheffer, geb. 1953 (Fo<strong>to</strong>grafie)<br />

Dix-Preis 1994 – Preisträgerin: Asta Gröting, geb. 1961 (Skulptur, Installation)<br />

Dix-Preis 1996 – Preisträger: Rolf Bier, geb. 1960 (Malerei, Installation)<br />

Dix-Preis 1998 – Preisträger: Daniel Richter, geb. 1962 (Malerei)<br />

Dix-Preis 2001 – Preisträger: Tobias Rehberger, geb. 1966 (Concept art, Installation)<br />

Dix-Preis 2003 – Preisträger: Markus Wirthmann, geb. 1960 (Installation, Skulptur)<br />

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26.02.09 12:39<br />

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Dix-Preis 2003 – Preisträger: Markus Wirthmann, geb. 1960 (Installation, Skulptur)<br />

2005 und 2007 wurde kein Dix-Preis vergeben<br />

Dix-Preis 2008 – Preisträgerin: Jorinde Voigt, geb. 1977 (Zeichnung)<br />

Fo<strong>to</strong>:<br />

Jorinde Voigt nimmt die Glückwünsche von Geras Bürgermeister Norbert Hein (Mitte) und Dr.<br />

Jochen Starke (Electrabel Deutschland) entgegen<br />

Veröffentlichung: 20.10.2008<br />

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26.02.09 12:39<br />

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Deutschlandradio Kultur - Fazit - Künstlerin mit System http://www.dradio.de/dkultur/sendungen/fazit/897568/drucken/<br />

dradio.de<br />

http://www.dradio.de/dkultur/sendungen/fazit/897568/<br />

FAZIT<br />

30.12.2008<br />

Ihre künstlerischen Studien betreibt Jorinde Voigt mit einer Ernsthaftigkeit und Akribie, die beeindruckt. (Bild: S<strong>to</strong>ck.XCHNG / Cemal<br />

Kurtulu&#351;)<br />

Künstlerin mit System<br />

Jorinde Voigt sorgt mit ihren Zeichnungen für Aufsehen<br />

Von Barbara Wiegand<br />

Jorinde Voigt ist eine Künstlerin mit System: Ihre Zeichnungen erinnern an wissenschaftliche<br />

Diagramme und geben dem Betrachter dabei einige Rätsel auf. Das macht die stillen,<br />

unspektakulären Arbeiten umso spannender. Und es machte bereits viele Sammler und Museen<br />

aufmerksam auf die junge Berliner Künstlerin, die an der Universität der Künste bei Katharina<br />

Sieverding studierte.<br />

"Ein Tag ist immer dann gut, wenn ich mit einem Bild im Kopf aufwache und dann weiß, was ich zu tun<br />

habe", sagt Jorinde Voigt. Besucht man die junge Künstlerin in ihrem Atelier in der Berliner Gipsstraße<br />

und steht vor ihren großformatigen Arbeiten, dann ahnt man, dass das, was da zu tun ist, eine ganze<br />

Menge ist. An guten und wohl erst recht an schlechteren Tagen.<br />

Denn statt wie viele ihrer Künstlerkollegen zum Pinsel zu greifen und farbintensive, neorealistische bis<br />

abstrakte Welten zu malen, nimmt Voigt Blei- und Tintenstift zur Hand und zieht Line um Linie auf<br />

feinstes Papier. Mal gebogen, mal gerade, entstehen komplexe Kompositionen. Mitunter erinnert das<br />

Ganze an ein engmaschig geknüpftes Netz, oder an ein hoch aufgetürmtes Gebirge.<br />

Manchmal formieren sich die Striche auch zu kleinen Schwärmen. Ein anderes Mal zu ineinander<br />

verdrehten Spiralen. Es sind rätselhafte Diagramme, bei denen Titel und hineingeschriebene Wörter<br />

Hinweise darauf geben, wie man sie deuten könnte. Etwa der "Adlerflug". Verfolgt man mit den Augen<br />

die Linien, die mit großem Schwung von einem Punkt zum anderen führen, sieht man in Gedanken die<br />

Könige der Lüfte ihre Kreise ziehen.<br />

"Ja, letztendlich sind es 200 Adler, die sich im Raum anordnen. Wenn man genau hinguckt, sind es zwei<br />

Halbkreise, die gegeneinander etwas verschoben sind, und entlang des Kreises entfaltet sich ein<br />

bestimmter Algorithmus, wie die vorankommen. Das sind zwei Flugbahnen gleichzeitig, und die falten<br />

sich so auf: In der ersten Stufe sind das 100, in der zweiten zehn und 90, in der dritten zehn und 80, in<br />

der vierten 30 und 70. Das ist die Menge an Adlern."<br />

Ein derart vertrackt gestricheltes Zahlenspiel verbirgt sich auch hinter den fächerartig sich<br />

ausbreitenden Linien, die Voigt zum Titel "Zwei küssen sich für eine Minute" gezeichnet hat.<br />

"Ich zeichne Ihnen das mal auf. Also: Zwei küssen sich für eine Minute. In dem Fall wäre es jetzt eins<br />

und null. Also nach einer Minute zwei küssen sich für eins und eins, ist zwei Minuten. Und dann ist<br />

immer die Anzahl der Paare gleich der Minuten. Also gibt es hier zwei neue Paare, und die Zeit dafür ist<br />

zwei und eins. Also nach drei Minuten. Und drei und zwei ist fünf Minuten. Und das heißt jetzt hier fünf<br />

neue Paare, und hier unten halt auch."<br />

1 von 2 31.12.2008 12:41 Uhr


Deutschlandradio Kultur - Fazit - Künstlerin mit System http://www.dradio.de/dkultur/sendungen/fazit/897568/drucken/<br />

Mit bewundernswerter Leichtigkeit und Präzision wirft Voigt die Linien aufs Papier und beschriftet sie.<br />

Meist tut sie dass Freihand, manchmal nimmt sie ein Lineal oder einen Zirkel zu Hilfe, niemals den<br />

Computer. Und so wie sie sich hier an die nach dem Mathematiker Fibonacci benannte unendliche<br />

Zahlenfolge anlehnt, bei der sich die jeweils folgende Zahl durch die Addition der vorherigen Zahlen<br />

ergibt, macht Jorinde Voigt sich auch sonst Berechnungen und Erhebungen zunutze.<br />

Doch egal ob es sich um fliegende Adler handelt, um Gradzahlen im Wetterwechsel oder Popsongs im Auf<br />

und Ab der Charts - Jorinde Voigts Zeichenkunst ist kein simpler Datenklau. Nein, die 1977 in Frankfurt<br />

am Main geborene Künstlerin denkt Statistiken auf ihre, besondere Art weiter, erschließt neue<br />

Strukturen. Und lässt bei aller Komplexität dem Betrachter noch Raum für seine Interpretationen.<br />

"Es ist so ähnlich wie das Lesen einer Partitur. Und wenn man die Partitur lesen kann, dann hört man ja<br />

in sich schon die Musik. Und das ist ja kein Schriftsystem, das man vorher erlernen muss. Das Auge hat<br />

ja vorher schon eine bestimmte Kenntnis. Und die Information, die sich da zeigt, die ist eigentlich sehr<br />

genau, obwohl uns die Begriffe dafür fehlen."<br />

Zu diesem Vergleich passt, dass Jorinde Voigt die Komponisten Patric Catani und Chris Imler mit der<br />

Ver<strong>to</strong>nung einzelner Werke beauftragte. Und es passt auch, dass sie Hanne Darboven als eines ihrer<br />

Vorbilder bezeichnet. Nicht nur, weil die Hamburger Künstlerin ebenfalls die Grenzen zwischen Musik<br />

und Bildender Kunst überschreitet. Sondern vor allem, weil deren Konzept auch auf solchen Wort und<br />

Zahlenreihen beruht.<br />

Ihre "künstlerischen Studien" betreibt Jorinde Voigt mit einer Ernsthaftigkeit und Akribie, die<br />

beeindruckt. Gerade in Zeiten, in denen bis vor kurzem noch der Hype um den Markt und seine jungen<br />

Künstler <strong>to</strong>bte. Die Schnelllebige Kunst ist genauso wenig ihre Welt, wie In-Parties und Vernissagen. Was<br />

nicht heißt, dass Jorinde Voigt nicht nach Anerkennung für ihre Arbeit streben würde.<br />

Und die bekommt die einstige Meisterschülerin von Katharina Sieverding an der Berliner Universität der<br />

Künste mehr und mehr. Im vergangenen Jahr stellte sie als GASAG-Förderpreisträgerin in der<br />

Berlinischen Galerie aus und ist derzeit innerhalb einer Präsentation von Neuankäufen der<br />

Bundeskunstsammlung im Martin Gropius Bau zu sehen. Im kommenden Jahr sind Ausstellungen in<br />

Valencia und New York geplant.<br />

Ein Erfolg, der sich vor allem beim genauen Hinsehen erschließt - denn die auf den ersten Blick<br />

manchmal statistisch spröde wirkenden Zeichnungen sind auf den Zweiten viel mehr als das.<br />

"Es ist eher so ein Spiel, es könnte ja auch so sein, oder so. Und was passiert, wenn das so ist. Und da<br />

sieht man halt, das erzeigt dann Crashs, oder wird absolut absurd, oder unglaublich schön und klar, wie<br />

sonst nichts im Leben. Aber man entdeckt dabei auch ständig etwas."<br />

© 2008 Deutschlandradio<br />

2 von 2 31.12.2008 12:41 Uhr


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News --><br />

Rhythmisches Phänomen =<br />

Zeichnung = Musik oder die<br />

Schönheit der Notation<br />

<br />

Zum Buch >Jorinde Voigt: Matrix & Lemniscate<<br />

english translation by google<br />

Jorinde Voigt auf art-in.de<br />

Jorinde Voigt Kataloge<br />

In scheinbar kühler, präziser Geduldsarbeit bringt Jorinde Voigt mit sicherer<br />

Hand fragile Linien, Ellipsen und Pfeile auf bis zu drei Meter großen<br />

Bildflächen zu Papier. Mit graziler Anmut und mathematischer Genauigkeit<br />

zeugen sie von ganz alltäglichen Begebenheiten wie den Flugbahnen eines<br />

Adlers, den Musik-Top 10 oder sich küssenden Paaren und strotzen trotz ihrer<br />

reduziert formalen Strenge von einer rhythmischen Dynamik. Voigt selbst<br />

bezeichnet ihre Zeichnungen als „Notationen“ und arbeitet seit Kurzem gerne<br />

auch mit Musikern zusammen. In der Galerie Christian Lehthert (Köln) waren<br />

vom 15.11.2008 bis zum 31.12.2008 Voigts >MatrixLemniscate/ < zu sehen, das in Zusammenarbeit mit<br />

den Musikern Patric Catani und Chris Imler entstanden ist. Zur Ausstellung ist<br />

eine Publikation im Kerber Verlag erschienen.<br />

„Lemniskate“ oder „Lemniscus“, das ist die Bezeichnung für die “liegende<br />

Acht“ ( ), die dreidimensional sinusförmige Figur, welche in der Mathematik<br />

die Unendlichkeit und Unbegrenztheit symbolisiert. Nicht nur in der<br />

abstrakten Welt der Mathematik, auch in Kunst und Natur sind Lemniskaten<br />

allgegenwärtig. So bewegt sich beispielsweise ein Drache im Wind entlang<br />

dieser Form und eine der bekanntesten künstlerischen Umsetzungen der<br />

Lemniskate ist M.C. Eschers >Möbius Band II< (1961). >Lemniscate/ <<br />

geht auf das Konzept der bildenden Künstlerin Jorinde Voigt und die<br />

Komposition von Patric Catani und Chris Imler zurück und ist eigentlich eine<br />

Klanginstallation, bei der der Betrachter eine immaterielle Geräusch-<br />

Lemniskate um den eigenen Körper herum erfahren soll. Ausgehend von<br />

Jorinde Voigts >Matrix< Serie haben der auch als E-De-Cologne bekannte<br />

Musikproduzent (u.a. Puppetmastaz) Patric Catani und der Schlagzeuger<br />

Chris Imler (beide zusammen treten auch als >Driver< im Bastard Berlin auf)<br />

eine Multichannel Audioinstallation geschaffen und eine Komposition aus 16<br />

Stücken produziert.<br />

>Matrix< besteht aus 40 Zeichnungen, die sich wiederum auf Jorinde Voigts<br />

Serie >Schwarm< beziehen, bzw. Elemente daraus als isolierte Formeln<br />

herauslösen. Auch hier taucht sie auf, die Figur der Lemniskate (z.B. auf<br />

>Berlin< (2008), S.24): auf Voigts Zeichnung legen sich gleich mehrere<br />

liegende Geräuschaufnahmen und aufrechte und Achten elektronisch übereinander erzeugten und Laute werden zusammengemischt,<br />

mit Beschriftungen<br />

um eine Lemniskate aus Klang zu erzeugen, die in der Galerie über ein<br />

Multikanalsystem mit 5 Lautsprechern in den Raum übertragen wurde. So<br />

haben „Voigts Zeichnungen oder "Partituren" beim Lemnsicate-Projekt das<br />

Papier verlassen und begonnen, sich Raum und Zeit zu erobern“ (Andrew<br />

Cannon).<br />

Neben Schwarzweißpho<strong>to</strong>s mit Ausstellungsansichten und den Abbildungen<br />

der >MatrixKollektive Bewegung, unendliches Band< hat<br />

Andrew Cannon (freier Kura<strong>to</strong>r, ehemals KW, Berlin) einen knappen und<br />

informativen Einleitungstext geschrieben, wohingegen >Leben als Matrix aus<br />

Raum und Zeit< von Oliver Tepel relativ verkopft daherkommt. Der freie<br />

Au<strong>to</strong>r, Journalist und Kura<strong>to</strong>r versucht sich über Verweise auf Elvis Presleys<br />

>Mein Leben ist Rhythmus< oder Zitate von Karl R. Popper, Christian Felix<br />

Klein und Bruno Taut, dem Werk von Jorinde Voigt zu nähern, und vergleicht<br />

Voigts Arbeiten bisweilen sogar mit der Höhlenmalerei prähis<strong>to</strong>rischer<br />

Künstler. Einleuchtender scheint hier sein Vergleich der Zeichnungen mit den<br />

mathematisch-wissenschaftlichen Grafiken und Diagrammen von Isaac<br />

New<strong>to</strong>n oder Heinrich Hertz. Sehr kurzweilig ist >In Particular, Infinity. Note<br />

and Copies from 8 <strong>to</strong> or the other Way around< von Anna Zett, die keinen<br />

Fließtext, sondern eine assoziative Sammlung von Textfragmenten,<br />

Gedanken, Ideen und Internetquellen rund um das Thema Lemniskate<br />

zusammengetragen hat. Hier sind sowohl Anleitungen für 8-er Knoten, der<br />

Text des >Figure Eight Songs< von Bob Dorough oder aber Diättips für eine<br />

„figure eight shape“ zu finden.<br />

Der Katalog zu >Lemniscate/oo< ist in schicken Rot-Weiß-Schwarz und<br />

bisweilen doppelte DINA 4 Seiten ausfüllenden Lettern anregend layoutet. Ein<br />

Manko sind jedoch die kleinen Abbildungen von Voigts Zeichnungen, die das<br />

Lesen der Beschriftungen nur schwer möglich machen. Leider muß auch die<br />

CD mit den 16 >Lemniscate/ < Stücken zusätzlich erworben werden, so<br />

dass man sich nur schwer ein Bild von der Klangarbeit machen kann. Aber<br />

zum Glück gibt es das Internet: z.B. unter web-records.com/ kann man<br />

sich einen ersten Eindruck verschaffen und in die Komposition reinhören.<br />

Jorinde Voigt<br />

Matrix & Lemniscate<br />

Kerber Verlag<br />

76 Seiten, deutsch/ englisch<br />

ISBN 978-3-86678-285-3<br />

Preis: 25 , 40 SFR<br />

jorindevoigt.com<br />

catani-music.de<br />

sonig.com<br />

Stefanie Ippendorf<br />

Kataloge/Medien zum Thema: Jorinde Voigt<br />

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Kataloge<br />

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Medien zur Kunst - Empfehlungen<br />

Atelier Van Lieshout. OUT SITE 04 - MUMOK,<br />

Wien<br />

Changing Channels - Museum Moderner Kunst,<br />

Wien<br />

Pressespiegel | Jorinde Voigt [ Aktuell März 2010 ] Seite 9<br />

Albrecht Schäfer. Ein Tag - Museum Morsbroich,


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E-Mail:<br />

Telefon:<br />

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info@kunstmarkt.com<br />

+49 (0)931 - 260 65 15<br />

+49 (0)931 - 260 65 16<br />

Jorinde Voigt,<br />

Symphonie Studie Var.<br />

XIII/2, 2009<br />

http://www.kunstmarkt.de/pages/all/print.php3?id=188163&printstyle=0<br />

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© www.kunstmarkt.com<br />

Agentur, Magazin, Service<br />

15.07.09 12:26<br />

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Jorinde Voigt in Heidelberg<br />

Unter den jungen Künstlerinnen und Künstlern in Deutschland<br />

gehört Jorinde Voigt zu den vielversprechendsten. <strong>2006</strong> gelang<br />

ihr deutschlandweit der Durchbruch. Erst im vergangenen Jahr<br />

wurde die 1977 in Frankfurt am Main geborene und heute in<br />

Berlin lebende Künstlerin mit dem angesehenen Ot<strong>to</strong>-Dix-Preis<br />

der Stadt Gera ausgezeichnet. Jetzt hat sie mit einer Ausstellung<br />

im Heidelberger Kunstverein eine weitere renommierte<br />

Ausstellungsstätte in Beschlag genommen. Bis Ende August sind dort ihre<br />

großformatigen Blätter mit den zierlichen schwarzen Linien, Zeichen, Pfeile,<br />

Notizen, Markierungen, Zahlen und vereinzelten roten Punkten zu sehen, die als<br />

winzige Chiffren einen Strom von Zeichen formieren und von der Dynamik des<br />

Reglosen künden.<br />

Bis unter die Decke des Heidelberger Kunstvereins hängen die großen gerahmten<br />

Blätter, die Jorinde Voigt für ihre Einzelausstellung geschaffen hat, insgesamt 27<br />

Arbeiten. Manche ihrer Werke muten geradezu wie musikalische Partituren an –<br />

kein Wunder: Seit früher Jugend an war sie als Cello-Spielerin aktiv und dachte<br />

später über eine Laufbahn als Pianistin nach. Doch nach einem Studium der<br />

Philosophie und deutschen Literatur in Göttingen sowie der Soziologie in Berlin<br />

1996 bis 1998 studierte sie bildende Kunst an der Akademie der Künste in Berlin<br />

unter anderem als Meisterschülerin bei Katharina Sieverding.<br />

Die Ausstellung „Jorinde Voigt – Beat und Proportion“ läuft bis zum 23. August.<br />

Der Heidelberger Kunstverein hat dienstags bis freitags von 12 bis 19 Uhr,<br />

samstags und sonntags von 11 bis 19 Uhr geöffnet. Der Eintrittspreis beträgt 3<br />

Euro, ermäßigt 1,50 Euro. Es erscheint ein Katalog.<br />

Heidelberger Kunstverein<br />

Hauptstraße 97<br />

D-69117 Heidelberg<br />

Telefon: +49 (0)6221 – 184 086<br />

Telefax: +49 (0)6221 – 164 162<br />

Kontakt:<br />

Heidelberger Kunstverein<br />

Hauptstraße 97<br />

Seite 1 von 2


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DE-69117 Heidelberg<br />

+49 (06221) 184 086<br />

+49 (06221) 164 162<br />

E-Mail: hdkv@hdkv.de<br />

Startseite: www.hdkv.de<br />

Weitere Inhalte:<br />

•Veranstaltung vom:<br />

04.07.2009, Jorinde Voigt – Beat und<br />

Proportion<br />

•Variabilder:<br />

Jorinde Voigt, Symphonic Area Var.<br />

XIII/7, 2009<br />

• Bei:<br />

Heidelberger<br />

Kunstverein<br />

• Künstler:<br />

Jorinde Voigt<br />

http://www.kunstmarkt.de/pages/all/print.php3?id=188163&printstyle=0<br />

14.07.2009<br />

Quelle/Au<strong>to</strong>r:Kunstmarkt.com/Johannes Sander<br />

• Variabilder:<br />

Sie sind Künstler?<br />

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Jorinde Voigt, Symphonie Studie Var.<br />

XIII/2, 2009<br />

15.07.09 12:26<br />

Seite 2 von 2


018_21_Kunst_K.qxp:Muster_ff.qxd 30.09.2009 15:30 Uhr Seite 18<br />

Fo<strong>to</strong>s: Wikipedia/Zenodot Verlagsgesellschaft<br />

SCHWERPUNKT<br />

18 FONO FORUM 11/09<br />

Klingende Farben<br />

Kann man Farben hören? Oder sieht man Bilder beim Hören von Musik? Wie musikalisch ist die<br />

Bildende Kunst, und wie bildhaft ist Musik? Sabine Krebber hat sich sehend und hörend Gedanken gemacht<br />

und einige Werke gefunden, in denen Bildende Kunst und Musik synästhetisch verschmelzen.<br />

Wer Musik hört, kann zugleich<br />

Farben sehen und<br />

hat eine lebendige Vor -<br />

stel lung vom Vergehen der Zeit? Wer<br />

Farben wählt oder bestimmte Geome t -<br />

rien bevorzugt, hört zugleich Töne? In<br />

den folgenden Leseminuten möchte ich<br />

Ihnen einige außergewöhnliche Bilder<br />

und Menschen vorstellen, bei denen lebendig<br />

wird, was das Zusammenspiel<br />

zwischen Musik und Bildender Kunst<br />

bewirken kann. Dabei beschäftigten<br />

mich folgende Fragen: Kann man ein<br />

Re nais sancebild hören und sehen?<br />

Dann erfuhr ich, dass Interpreten Kunst<br />

sehen, wenn sie spielen. Wie wird ein<br />

Roko kobild Musik? Gibt es Kompo nis -<br />

ten, die sich von einer Zeichnung inspirieren<br />

lassen und umgekehrt Künstler,<br />

die sich bei der Arbeit von Musik inspirieren<br />

lassen, und wie ist es mit den<br />

Doppel be ga bungen im Jahr 2009?<br />

Es ist ein alter Traum, den schon Py -<br />

tha goras träumte – Licht, Ton und Farbe<br />

werden eins und schärfen deshalb den<br />

Verstand. Der mit allen Sinnen operierende<br />

Mathematiker der Antike widmete<br />

den Künsten so viel Zeit der Begeg -<br />

nung wie der Mathematik und Astro -<br />

nomie. Dass zwischen Tönen, die eine<br />

Oktave auseinanderliegen, ein natürliches<br />

Verhältnis besteht, diese Erkennt -<br />

nis haben wir Pythagoras zu verdanken,<br />

der im 6. Jh. v. Chr. keine Grenzen zwischen<br />

den Schönen Künsten und den<br />

Naturwissenschaften sah. Musik und<br />

Kunst liegen nur eine Oktave weit auseinander!<br />

Lassen Sie sich zunächst auf ein Expe riment<br />

ein, schließen Sie die Augen, denken<br />

an Gehörtes und Gesehenes, und<br />

schon kann die Reise in die Verknüpfun -<br />

gen Ihrer Sinne, die sie abrufen können,<br />

beginnen: In kleine Wellen im Gegen -<br />

licht schauen und plötzlich im inneren<br />

Ohr Debussy hören, sich an Seerosen<br />

von Monet und Santa Maria della Salute<br />

in Venedig zugleich erinnern! Sie sind<br />

am Strand, haben Durst und denken an<br />

das wunderbare „Concier<strong>to</strong> de Aranjuez“<br />

von Joaquin Rodrigo? Heute müssten<br />

Sie als Bergsteiger aufmerksam in den<br />

Himmel schauen, die Sextener Rotwand<br />

steht auf dem Programm. Sehen Sie diese<br />

Gewitterwolken? Und dann ertönt im<br />

Radio der 19. Abschnitt aus „Eine Alpen -<br />

sinfonie“ von Richard Strauss, danach<br />

bleiben Sie im Tal.<br />

Ländliches Konzert<br />

Eines der ungewöhnlichsten Bilder<br />

der Kunstgeschichte stammt von Gior -<br />

gio ne. Ein „Ländliches Konzert“ aus dem<br />

Jahr 1508 liest sich wie ein perfekt insze-<br />

Gruppenbild mit Damen in C-Dur: Das<br />

„Ländliche Konzert“ von Giorgione ist eine<br />

perfekte Trias aus „Hören Sehen Fühlen“.


018_21_Kunst_K.qxp:Muster_ff.qxd 30.09.2009 15:30 Uhr Seite 19<br />

Ein Hauch von Tragik liegt über den Bildern von<br />

Francesco Guardi. Die Ruderschläge der Gondolieri<br />

liefern dazu den musikalischen Rhythmus.<br />

niertes Schauspiel zur Trias „Hö ren<br />

Sehen Fühlen“. Ein junger Mann, mit<br />

seinem Be glei ter und einer nackten jungen<br />

Frau – für uns in Rückenansicht –<br />

auf dem Boden sitzend, hat auf der<br />

Laute einen Akkord angeschlagen, den<br />

Giorgione als C-Dur-Griff malte. Dieser<br />

Akkord wabert in der abendlichen Luft,<br />

ist vielleicht Gegenstand der Unter hal -<br />

tung der beiden Männer, und auch die<br />

Frau mit der Schalmei, die ihnen gegenübersitzt,<br />

scheint dem<br />

Vibrieren des C nach zuhören.<br />

Allein ihr aufmerk -<br />

samer Blick ist ein zusätzlicher<br />

Akkord.<br />

Da gibt es noch einen<br />

Klang! Einer, den Wasser<br />

hervorbringt, wenn es mit<br />

einem feinen Strahl oder tröpfchenweise<br />

aus einem gläsernen Krug in ein steinernes<br />

Bassin fließt oder tropft. Wasser<br />

wird zum hellen, die dumpf-rote Farb -<br />

atmosphäre zerschneidenden Ton. Für<br />

diesen <strong>to</strong>nalen Gegenpart zum C-Ak -<br />

kord der Laute ist die zweite junge Frau<br />

verantwortlich. Sie erscheint uns als<br />

Nymphe. Noch sieht der Betrachter kein<br />

Wasser fließen, ihre Körperhaltung ist<br />

verschränkt, abwartend und hochkonzentriert<br />

auf den Ausgießer gerichtet, so<br />

als wollte sie nach einem zweiten Lau ten -<br />

„Ich sah Bilder, als<br />

hörte ich Vivaldis<br />

Musik. Dieses<br />

Wetterleuchten in<br />

beider Kunst!“<br />

akkord ihren Teil zum ländlichen C-Konzert<br />

beitragen. Bei nahe wie Jazz … Hören<br />

und Sehen gehen im „Länd lichen Kon -<br />

zert“ eine geheimnisvolle Symbiose ein.<br />

Evergreen Vivaldi<br />

In einem Gespräch 1999 mit Harald<br />

Wieser erzählt Anne-Sophie Mutter von<br />

ihrer Begegnung mit dem Künstler<br />

Gott hard Graubner, dessen Arbeiten im<br />

Atelier sie stark an die Komposition<br />

An<strong>to</strong> nio Vivaldis „Vier<br />

Jahreszeiten“ erinnerte:<br />

„Ohne Gotthard Graub -<br />

ners Ma lerei gäbe es diese<br />

Vivaldi-CD gar nicht.<br />

Seiner Malerei zuliebe habe<br />

ich den Wunsch geäußert,<br />

mein Publikum möge<br />

meine Interpretation auch mit den<br />

Augen hören. Die Idee, sie auf Schall -<br />

plat te einzuspielen, kam mir nämlich erst<br />

bei einem meiner Besuche in Gotthard<br />

Graubners Atelier. Ich sah Bilder, als<br />

hörte ich Vivaldis Musik. Diese beim<br />

modernen Maler und beim barocken<br />

Komponisten so enge Nachbarschaft<br />

von Licht und Schatten! Dieses explosive<br />

Funkeln, dieses Wetterleuchten in<br />

beider Kunst! Graubners Bilder vermitteln<br />

bis an die äußerste Grenze gehende<br />

Urgewalt, wie Vivaldis musikalische<br />

Stür me. Im selben Atemzug entdecke ich<br />

bei beiden zarteste Transparenz. Töne<br />

und Farben, die so federleicht wiegen,<br />

als würde mich die Winzigkeit der Ent -<br />

stehung eines Lebens anhauchen. Kli t -<br />

ze kleine Abstraktionen. Sinnesgebur -<br />

ten, kleiner als ein Embryo.“<br />

Musikalischer Ruderschlag<br />

„Schwarze Federn“, so nennen Ve ne -<br />

zianer ihre Gondeln, gleiten zu Hunder -<br />

ten über die Lagune. Feine salzige Gischt<br />

mischt sich mit der Feuchtigkeit der<br />

Luft. Ein Hauch von Tragik liegt über jedem<br />

Bild des Francesco Guardi, wenn er<br />

das Venedig des 18. Jahrhunderts porträtiert.<br />

Hugues Dufourt hat mit dem<br />

Ensemble Modern 2002 sein wunderbares<br />

Stück realisiert, das er „La gondole<br />

sur la lagune (d’après Guardi)“ nennt.<br />

Dufourt malt mit musikalischen Augen<br />

das Auf und Nieder der vielen hundert<br />

Ruder. Sie sind im gleißenden Gegen -<br />

licht ein Widerpart zur ewig horizontalen<br />

Linie der Lagune. Mit jedem Ru der -<br />

schlag wird die Horizontallinie diagonal<br />

„gestört“, es entsteht eine kurzfristige<br />

Ge genbewegung, die aber das Liegende,<br />

das Schwarz der Lagune, mit Tausenden<br />

von Rudereinstichen, die kleine Strudel<br />

hinterlassen, auf lange Sicht nicht stören<br />

kann.<br />

11/09 FONO FORUM<br />

19


018_21_Kunst_K.qxp:Muster_ff.qxd 30.09.2009 15:30 Uhr Seite 20<br />

Fo<strong>to</strong>s: Galerie m Bochum<br />

SCHWERPUNKT<br />

20 FONO FORUM 11/09<br />

Venusberg-Musik<br />

Eugène Delacroix macht sich 1861<br />

seinen malerischen, von französischer<br />

Salonkultur geprägten Reim auf das In -<br />

nere der Venushöhle. Nicht unbedingt<br />

begeisterter Wagnerianer, aber ein Be -<br />

wunderer Baudelaires, vollführt er nach<br />

dem „Tannhäuser“-Skandal in der Pari -<br />

ser Opéra mit dem Gouachepinsel seine<br />

charakteristischen Schwünge, die beides<br />

beinhalten: Trockenheit der Far be mit<br />

typisch flackernden Lich tern und Ver -<br />

schimmern sämtlicher Konturen. Nichts<br />

malt der Meister der französischen Ro -<br />

man tik so, wie ihm es die Geologie des<br />

Großen Hörselberges vorschreiben<br />

müsste. Da ist er so meisterhaft im Um -<br />

erdichten wie Richard Wagner. Die 450<br />

Meter über dem Meer gelegene so genannte<br />

„Venushöhle“ im Wart burg kreis<br />

wird zur unterirdischen Kathe dra le. Die<br />

Schaumgeborene sitzt weitab vom ge-<br />

zähmten Wasser (ein monströser phal lischer<br />

Springbrunnen) und s<strong>to</strong>ppt mit<br />

herrischer Geste den vom Marienglau -<br />

ben gepackten Tannhäuser. Des Ritters<br />

Credo „Mein Heil ruht in Maria“ bringt<br />

die Göttin aus ihrer bequemen Seiten-<br />

l age, selbst die Barthaare des Leoparden<br />

kann der Betrachter zittern sehen. De -<br />

lacroix, der „sein Bild auswendig weiß,<br />

bevor er es malt“, übersetzt die Span nung<br />

dieser Ritterarie in Muskelarchitektur.<br />

Das Innere der Höhle wird durch Kör -<br />

persprache zwischen Venus und Tann -<br />

häu ser noch einmal gespiegelt.<br />

Orchester in Blau<br />

Wassily Kandinsky ist es zu verdanken,<br />

dass die Künstler des 20. Jahr hun -<br />

derts die Synästhesie der Künste weiterentwickelt<br />

haben. Er selbst hat in „Über<br />

das Geistige in der Kunst“ zum ersten<br />

Mal versucht, Töne unterschiedlicher<br />

Musikinstrumente mit Farbtönen gleich-<br />

Die Bilder des Künstlers Gotthard<br />

Graubner inspirierten Anne-Sophie Mutter<br />

zu ihrer zweiten Aufnahme von Vivaldis<br />

„Vier Jahreszeiten“.<br />

zusetzen. Diese Schrift erregte bei<br />

Erscheinen 1912 weltweit Aufsehen. Ein<br />

Zitat belegt die – für einige Maler und<br />

Musiker künstlich geknüpfte – Ver -<br />

wandt schaft zwischen musikalischem<br />

und farbigem Klang. „Musikalisch dargestellt<br />

ist helles Blau einer Flöte ähnlich,<br />

das dunkle dem Cello, immer tiefer<br />

gehend den wunderbaren Klängen der<br />

Bassgeige; in tiefer, feierlicher Form ist<br />

der Klang des Blau dem der tiefen Orgel<br />

vergleichbar.“ Schaut man sich Gouachen<br />

auf schwarzem Tonpapier der<br />

zwanziger Jahre an und hört dazu „Kan -<br />

dinsky Va riations“ von Terry Longshore<br />

und Kol legen, dann wird hörbar, was der<br />

Bau hausmeister meinte: Blau zieht vielstimmig<br />

schwer eine Linie durch den<br />

Raum, von oben tröpfeln gelbe „akute“<br />

Punkte, plötzlich kommen helle Spira -<br />

len ins Bild (häufig in Weiß), um dann<br />

von einem Blau wieder eingefangen zu<br />

werden. Aufsteigend und Absteigend<br />

harmonisiert sich im dunklen Blau,<br />

dem Kandinsky’schen Gesetz der „inneren<br />

Notwendigkeit“ gehorchend. Zu hören<br />

bei „An Encounter With The Music<br />

Of William Kraft“ (Alba ny Records,<br />

2008).<br />

Bis in der aktuellen Musik die Malerei<br />

oder Grafik eine wichtige Rolle spielt,<br />

mussten nach Kandinsky viele Jahre vergehen.<br />

Doch heute beschäftigen sich<br />

junge Künstler und Komponisten zunehmend<br />

mit den Wechselwirkungen des<br />

Hörens und Sehens. Vorarbeit geleistet<br />

haben Ferdinand Hodler und Arnold<br />

Böcklin, die beide der Programmmusik<br />

im Bild huldigten. Und auch Giacomo<br />

Balla, Kurt Schwitters sowie Adolf<br />

Fleisch mann oder Luigi Veronesi sind<br />

überzeugende Experimente zur Verwe -<br />

bung des Sehen und Hören in ihren<br />

Werken gelungen. Eine enge Zusam men-


018_21_Kunst_K.qxp:Muster_ff.qxd 30.09.2009 15:30 Uhr Seite 21<br />

Aktuelle Bücher zum Thema<br />

Jörg Jewanski, Hajo Düchting, Musik und Bildende<br />

Kunst im 20. Jahrhundert. Begegnungen – Berührungen<br />

– Beeinflussungen. Kassel University Press, Kassel<br />

2009, 490 S., 29 Euro<br />

Gerhard Pauly, Farben und Klänge. Begegnungen mit<br />

Kunstwerken des 20. Jahrhunderts. Musik und Malerei<br />

im Vergleich. Gepa, Saarbrücken 2008, 132 S., 24,80<br />

Euro (plus Naxos-CD mit Klangbeispielen)<br />

arbeit zwischen Bildenden Künstlern und<br />

Musikern war bei der Arbeit „Infil tration –<br />

Homogen für Cello“ von Joseph Beuys mit<br />

John Cage und Nam June Paik mitzuerleben.<br />

Oder: Der New Yorker Videokünstler Bill<br />

Viola begreift den Körper, den er bei seinen<br />

Arbeiten immer in den Focus rückt, als (neuronales)<br />

System, in dem alle Sinne gleichberechtigt<br />

nebeneinander funktionieren. Allein<br />

durch das Ver weben von Bewegung, Stillstand,<br />

Ton und Figur entsteht in Violas Videos eine<br />

beinahe in Zeitlupe ablaufende Be schreibung<br />

unserer innersten Sinnen welt. Ohren und<br />

Augen des Betrach ters/Hörers sind bei diesem<br />

Künstler extrem gefordert. Die Schweizerin<br />

Pipi lotti Rist „mutete“ 2005 in ihrem Bien -<br />

nale-Beitrag für Venedig in der Kirche San Stae<br />

dem Publikum eine wahrhaft paradiesische<br />

Verwebung von Musik und Bewegungs bild in<br />

vielfach geschnittenen Facetten zu. Die Musik<br />

von Anders Guggisberg hatte maßgebenden<br />

Anteil am Erfolg des farblich-mobilen und tönenden<br />

Deckenfreskos – bis der Klerus zur Tat<br />

schritt und der paradiesischen Synthese der<br />

Künste ein abruptes Ende bereitete.<br />

Joachim-Ernst Berendt hat bereits in den<br />

achtziger Jahren eines der besten Bücher über<br />

das verloren gegangene, aber notwendige<br />

Zusammenspiel zwischen Ohren und Augen<br />

geschrieben (Das dritte Ohr, 1985). Vielleicht<br />

Jorinde Voigts „Symphonic Area“ gleicht einer modernen grafischen Notation.<br />

hat die von ihm konstatierte „Hypertrophie“<br />

des Sehens mit der überall reproduzierten<br />

Wirklichkeit zu tun. Wir trauen unseren Au -<br />

gen mehr als unseren Ohren. „Das Auge sagt<br />

Ich“, doch „das Ohr stellt eine ,richtigere’<br />

Relation zwischen uns und dem anderen her,<br />

es impliziert nicht Trennung, sondern Ein -<br />

heit“. Beide Sinne miteinander eindringlich<br />

für Hör ende und Sehende zu verweben stellt<br />

an die Künstler – ob Musiker oder Bildende<br />

Künstler – hohe Anforde run gen.<br />

Diese stellt Jorinde Voigt auch an ihre Be -<br />

trachter. Als Cellistin und Zeichnerin verfolgt<br />

sie in beiden Künsten dieselben Strategien.<br />

Aufgemerkt haben alle Lieb haber der Zeich -<br />

nung, als sie auf der Art Cologne als weitgehend<br />

Unbekannte ein fulminantes grafisches<br />

Zeugnis ablegte, das der Zeichnung wieder etwas<br />

vom Disegno-Gedanken der Renais sance<br />

zurückgab: das „Einschließen von tausenden<br />

Momenten in einer einzelnen Zeich nung“, ohne<br />

den Eindruck der Improvi sation zu verwischen.<br />

Voigt friert in ihren Zeichnungen sozusagen<br />

Raum und Zeit ein. „Es gibt keine Hierarchien<br />

zwischen Akustischem, Erlerntem, Ge fühltem,<br />

ich schaffe durch meine Zeich nungen Be -<br />

trachtungs struktu ren.“ Jo rin de Voigts Aus -<br />

füh rungen zu gleichberechtigten Sinneserleb -<br />

nis sen lesen sich daher wie ein aktuelles Ma -<br />

nifest zur Synästhesie, die erlebbar ist. ■


http://www.derwesten.de/staedte/iserlohn/Die-Gleichzeitigkeit-von-Ereignissen-abbildenid2420046.html<br />

Villa Wessel<br />

<br />

<br />

<br />

Iserlohn. Mit Jorinde Voigt präsentiert die Villa Wessel in ihrer neuen Ausstellung eine<br />

Künstlerin, die auf zeichnerische Art die Gleichzeitigkeit von Ereignissen zu vereinen sucht.<br />

Dabei faszinieren ihre großformatigen Zeichnungen bereits auf den ersten Blick. Sie zeigen ein<br />

scheinbar wohl geordnetes Gewirr voller dynamischer Linien, die sich überlappen, aber auch<br />

Parallelen aufweisen, sich zu einem dynamischen Mittelpunkt zu vereinen scheinen, und an den<br />

Rändern doch wieder mehr der weißen Fläche Raum geben. Unwillkürlich fällt einem eine nicht<br />

definierbare Rhythmik auf, deren Geheimnis aber verschlossen bleibt. Visuelle Anklänge an bereits<br />

Gesehenes scheint es bei Jorinde Voigts Zeichnungen nicht zu geben, sie bilden nichts Reales ab,<br />

sind aber auch dem Abstrakten nicht zuzuordnen, unterliegen ganz offensichtlich völlig eigenen<br />

Gesetzen. „Ich habe eine tiefe Sehnsucht nach Ordnung, obwohl ich weiß, dass Ordnung nur eine<br />

Projektion ist”, hat Jorinde Voigt, die 1977 in Frankfurt am Main geboren wurde, kürzlich über ihre<br />

Arbeiten gesagt. Und in ihnen stellt sie z.B. die fiktiven Flugkurven von hundert gleichzeitig<br />

losfliegenden Adlern dar, kodiert den Aktionsablauf küssender Paare, stellt daneben die Rotation der<br />

Himmelsrichtungen, versieht Linien mit Zahlen, Anmerkungen, gibt dem Ordnungslosen so eine innere<br />

Ordnung zurück. Notate und Partituren nennt Jorinde Voigt ihre Arbeiten, an denen sie oft wochenlang<br />

arbeitet.<br />

Der Weg zur Kunst war bei Jorinde Voigt nicht von Beginn an geplant. Erst studiert sie Neue deutsche<br />

Literatur, widmet sich danach der Soziologie und Philosophie, bevor sie dann 1999 in Berlin mit einem<br />

Studium der Bildenden Kunst bei Prof. Christiane Moebus beginnt. Ab 2001 setzt sie ihre Studien bei<br />

Prof. Katharina Sieverding an der Universität der Künste in Berlin fort. Anfangs steht die Fo<strong>to</strong>grafie im<br />

Mittelpunkt. Schon hier versucht sie sich an Doppelungen, Mehrfachbelichtungen. Doch schnell<br />

erkennt die junge Künstlerin, dass ihre Ausdrucksmöglichkeit die Zeichnung ist. Bereits <strong>2006</strong> erhält sie<br />

ihre erste Auszeichnung, den Herbert-Zapp- Preis für junge Kunst, ein Jahr später folgt der Gasag-<br />

Förderpreis und 2008 der Ot<strong>to</strong>-Dix-Preis der Stadt Gera. Ihre Arbeiten waren in Einzelausstellungen in<br />

Deutschland, Holland und den USA zu sehen.<br />

Jetzt hat Jorinde Voigt auch die Skulptur für sich entdeckt. In ihren Serien „Botanic Code” aus Berlin<br />

und Sidney verschlüsselt sie nach mathematischen Regeln Pflanzen auf Röhren. Farben und<br />

Durchmesser werden bestimmt durch die Anlehnung an die Natur, doch auch hier versteckt für den<br />

Betrachter, doch strengen Regeln folgend.<br />

Eröffnet wird die Ausstellung am Freitag, 22. Januar, um 19 Uhr. Die Einführung erfolgt durch Prof. Dr.<br />

Hubertus von Amelunxen, Berlin. Die Künstlerin wird anwesend sein.<br />

Pressespiegel | Jorinde Voigt [ Aktuell März 2010 ] Seite 7


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Ausstellung in der Villa Wessel<br />

Jorinde Voigts Kunstformel, die Kunst formt<br />

Region, 02.02.2010, Alexander Althöfer<br />

Iserlohn. „Es geht!” Joachim Stracke ist überzeugt. Er hat es selber ausprobiert,<br />

wahrscheinlich Stunden dafür gebraucht. „Man kann jedes Werk aufdröseln”, sagt der Kura<strong>to</strong>r<br />

des Kunstvereins Villa Wessel in Iserlohn. „Aber man muss es nicht. Dann bleiben es einfach<br />

wunderschöne Zeichnungen.”<br />

Joachim Stracke schwärmt. Er schwärmt von Jorinde Voigt. Oder vielmehr von deren Werken. 23<br />

davon sind bis zum 21. März in der Villa Wessel ausgestellt. 21 von ihnen sind Zeichnungen. Die<br />

anderen beiden sind Skulpturen. Und tatsächlich: Das Skulpturenkonzept ist erklärbar. Mit wenigen<br />

Worten sogar: Die 32-jährige Künstlerin hat einen Bruchteil der Pflanzenvielfalt der botanischen<br />

Gärten Berlins und Sydneys kodiert - auf Aluminiumrohren. Jede Pflanze ein Rohr, jedes Rohr in den<br />

Farben der Pflanze, 15 Rohre ergeben den Code Berlins. Jorinde Voigt hat dafür einen Namen<br />

gefunden: „Botanic Code” . Für die Flora Sydneys brauchte die gebürtige Frankfurterin 16 Rohre. Dort<br />

war sie im nämlich im Dezember. Im Sommer also.<br />

Aber dann sind da diese Zeichnungen. Sind es überhaupt Zeichnungen? „Es ist ein zeichnerisches<br />

Werk”, sagt Joachim Stracke. Und das obwohl er eingeweiht ist: „Die Künstlerin selber sagt, sie<br />

schreibt”, weiß er. Vier groß- und 17 kleinformatige Werke sind in der Villa Wessel ausgestellt. Sie alle<br />

haben zweierlei gemein. Erstens: Ein strenges Konzept, welches jede Zeichnung regelrecht zu fesseln<br />

scheint. Zweitens: Was Jorinde Voigt da „schreibt”, das umhüllt sie mit dem Deckmantel der<br />

Wissenschaftlichkeit: Physik, vor allem aber Mathematik geben dem Werk die Form. Oder besser: Sie<br />

ergänzen sich zu einer Formel, deren Ergebnis nur dieses eine Werk sein kann.<br />

Filigrane Linien und zahllose Zahlen<br />

Ein Biespiel: Die Serie „Zwei küssen sich”. Tinte und Bleistift haben unzählige filigrane Linien zu<br />

Papier gebracht. Keine davon beginnt im Irgendwo oder endet im Nirgendwo, sondern jede genau da,<br />

wo sie es muss. Dazwischen, darüber, darunter sind Pfeile, scheinbar mit dem Lineal gezogen. Auch<br />

zahllose Zahlen sind zu sehen, fast scheinen sie zu verschwimmen. Zum Glück sind da ja noch die<br />

Worte Joachim Strackes: „Man kann die Werke aufdröseln, muss man aber nicht.” Gehen wir also drei<br />

Schritte zurück. Dann bleiben es wunderschöne Zeichnungen. Ganz einfach.<br />

Jorinde Voigts Werke sind noch bis zum 21. März in der Villa Wessel zu sehen. www.villa-wessel.de<br />

ORT DES GESCHEHENS<br />

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Archiv » 2010 » 30. März » Berlin-Planer: Kunst<br />

Textarchiv<br />

Manisch gezeichnete Kulturtheorie<br />

Jorinde Voigts "Collective Time" in der Galerie Klosterfelde<br />

Ingeborg Ruthe<br />

Vielleicht will sie es ja gar nicht sein, aber es ist nun mal so: Jorinde Voigt, vor<br />

33 jahren in Frankfurt am Main geboren, manische Zeichnerin und mit ihren<br />

Minimal-Objekten eine so strenge wie spielerische Konzeptualistin, ist in der<br />

prallen Berliner Kunstszene eine Ausnahmeerscheinung. In der schieren<br />

Masse und dem Jahrmarkt der Beliebigkeiten vermag sie noch mit Eigensinn<br />

zu überraschen, denn sie folgt keinem offensichtlichen Trend, keiner Mode.<br />

Allerdings haben ihre Arbeiten, die inzwischen in großen Museen gesammelt<br />

werden, etwa von der Stiftung Moritzburg in Halle, schon eine Menge mit<br />

dem Zeitgeist zu tun. Jorinde Voigt arbeitet nicht retrospektiv. Ihr geht es<br />

ums Universale, um die Symbiose von Kunst und Wissenschaft. Also arbeitet<br />

sie in die Zukunft.<br />

Wie sehr, das besagt jetzt eine Ausstellungen der großen und kleineren,<br />

schlicht gerahmten Zeichnungen und minimalistischen Objekte in der Galerie<br />

Klosterfeld am neuen Standort - in der Potsdamer Straße, diesem neuen<br />

Galerienviertel nahe der Neuen Nationalgalerie. Galerist Klosterfelde hat ins<br />

Bürgerhaus-Ambiente gewechselt. Das aufgegebene Domizil an der<br />

Zimmerstraße in Mitte prägten die Profanbauten eines ehemaligen<br />

Gewerbehofes. Nun residiert die junge Kunst unter prächtigem<br />

Gründerzeitstuck und vor und hinter schönen Flügeltüren. Hin zu ihr gelangt<br />

man über Marmortreppen und durch ein verspiegeltes Treppenhaus.<br />

Als "Grammatik VII" lässt Jorinde Voigt acht kleine schwarze und beschriftete<br />

Propeller an der hohen weißen Wand des ersten Raumes rotieren - das wirkt<br />

nüchtern und zugleich surreal. Im nächsten Zimmer lehnt an der Wand eine<br />

Arbeit aus langen und kurzen grauschwarzen Stäben, eine Art filigraner<br />

Orgelpfeifenprospekt - oder auch eine Diagrammskulptur, so minimalistisch<br />

wie subtil.


Und dann, im nächsten Raum hinter Glas: Oben, unten, links, rechts, überall<br />

nur Weiß und Schwarz, hingestrichelt mit Bleistift und Tinte. Über die<br />

Papierbahnen zieht sich ein Sog aus Strichen, Kritzeln, Zahlen, Plus-und<br />

Minuszeichen. Pfeile wirbeln übers Papier, formieren sich zu Zahlentabellen<br />

oder zu gezackten, unleserlichen Schriftzügen. Manche Gebilde sehen aus wie<br />

Programmierstrukturen aus der Computerwelt. Andere zeichnen einen<br />

Adlerflug, eine anbrandende Meereswelle, einen weiblichen Mund auf, in<br />

zarten Zeichengebilden. Dicht an dicht wie Gewebe oder weit<br />

auseinandergezerrt wie Kettenglieder nehmen Zahlen, Zeichen, Buchstaben<br />

die Formen von Denklandschaften an. Oder sind es wissenschaftliche<br />

Aggregate?<br />

Jorinde Voigts Schau gleicht einem minimalistischen Labora<strong>to</strong>rium, einer<br />

Messstation. Sie zeichnete Strukturen auf, sie untersuchte Situationen.<br />

Philosophie, Musik, Mathematik, Physik, Chemie, Bildkunst - es gibt keine<br />

Grenze. Zeichnend testet die junge Künstlerin aus, was passiert, wenn man<br />

mit naturwissenschaftlichen und gesellschaftlichen Regeln spielt und wissen<br />

will, wie sich all die Elemente zueinander verhalten. Und wie Rhythmus,<br />

Wiederholung, Variation - und schließlich Poesie entstehen. Dass alles so<br />

musikalisch wirkt, hat tiefere Gründe, denn mit acht lernte sie das Cellospiel,<br />

fast hätte sie den Weg als Orchestermusikerin angetreten. Dann studierte sie<br />

ein paar Semester Philosophie, und 1999 entschied sie sich für die Bildende<br />

Kunst. Bald wurde sie Meisterschülerin bei der Fo<strong>to</strong>künstlerin Katharina<br />

Sieverding an der Berliner Universität der Künste.<br />

Jorinde Voigt schafft mit ihren manischen Zeichnungen und den Objekten<br />

hochkomplexe Kompositionen zu Zeit und Raum, eine Art der<br />

Kar<strong>to</strong>grafierungen einer Welt, in der Äußeres Inneres wird - und umgekehrt.<br />

Welch eigentümliche Grammatik der Striche, der Kürzel, der Chiffren tut sich<br />

hier auf. In den Zeichnungen versucht Jorinde Voigt die Welt zu vermessen,<br />

vertikal und horizontal, nach Himmelsrichtungen oder Windstärken, nach<br />

Rotationen, Interferenzen und akustischen Impulsen. Manche der mit<br />

Bleistift, Buntstift oder Tinte auf Papier entstandenen Gebilde und Strukturen<br />

gleichen Temperaturskalen oder Stromimpulsen, wie sie medizinische<br />

Überwachungsgeräte produzieren: Herztöne, Hirnströme, Pulsschläge. Die<br />

Zeichnerin sieht dies offensichtlich alles als Geflecht aus Verbindungen,<br />

Beziehungen, Gegensätzlichkeiten, aus Wechselwirkungen und<br />

Abhängigkeiten.<br />

Alles hängt mit allem zusammen, das sagen diese präzisen Kritzel "Collective<br />

Time" auf teils tafelbildhaften Papiergründen. Deren Ausmaße verblüffen


nicht bloß wegen der unglaublichen Zeichenanordnungen, welche<br />

ungewöhnlich dynamischen Denkvorgängen, analytischen Kombinationen<br />

und einer luziden Phantasie entsprungen sein müssen. Der körperliche<br />

Krafteinsatz ist nicht weniger enorm.<br />

Galerie Klosterfelde, Potsdamer Straße 93, 1. Etage (Tiergarten). Bis 30. 4.,<br />

Di-Sa 11-18 Uhr.<br />

------------------------------<br />

Fo<strong>to</strong>: Eine Art Lippenplanet ist die Zeichnung von 2010. Wieder geht es<br />

Jorinde Voigt ums Universale.<br />

Fo<strong>to</strong>: Alles hängt mit allem zusammen, das wollen Jorinde Voigts Kürzel<br />

sagen.<br />

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<strong>JORINDE</strong> <strong>VOIGT</strong> AXIOMA<br />

Galerie Marie-Laure Fleisch, März 2010, Rom, Italien


<strong>JORINDE</strong> <strong>VOIGT</strong> AXIOMA<br />

Galerie Marie-Laure Fleisch, März 2010, Rom, Italien<br />

Artikel: Axioma in mostra<br />

Erscheinungsdatum: 1. März 2010<br />

Onlinemagazin: www.cultumedia.it<br />

Au<strong>to</strong>rin: Silvia Costa<br />

Übersetzerin: Annette Dobler<br />

Axioma zur Schau gestellt<br />

Die Kraft von Jorinde Voigt, gezeigt in der Galerie Marie-Laure Fleisch vom 2. März bis 30. April<br />

Axioma, „was Kraft hat“. Das ist der Titel der ersten Ausstellung, die Jorinde Voigt nach Italien führt.<br />

Eine Offenbarung aus Linien und sanften Geometrien, ausgestellt vom 2. März bis 30. April in der<br />

Galerie Marie-Laure Fleisch, ein Ausstellungsort für zeitgenössische Kunst, der auf Zeichnungen<br />

auf Papier spezialisiert ist und sich im Zentrum von Rom befindet. Mit Jorinde Voigt eröffnet die<br />

Galerie die Saison. In der Einzelausstellung werden eine Reihe unveröffentlichter mittelgroßer bis<br />

großer Tinten- und Bleistiftzeichnungen auf Papier und eine site specific Installation, bestehend aus<br />

Carboxyl-Propellern und mechanischen Mo<strong>to</strong>ren, ausgestellt.<br />

Jorinde Voigt spielt im Allgemeinen mit dem Zwischenraum von Objektivität und Subjektivität. Dort,<br />

wo das Individuum mit seiner Umwelt in Verbindung tritt, hic et nunc, und Raum für Interpretationen<br />

schafft. Interpretationen, die die dreiunddreißigjährige Berlinerin sowohl in der wissenschaftlichen<br />

Sphäre des Rationalen, als auch in der ausschließlich künstlerischen Sphäre des Irrationalen<br />

ansiedelt. Die Künstlerin verwendet hierbei die Zeichnung als Kommunikationsprodukt der uns<br />

umgebenden Realität, als letzte Phase eines Übersetzungsprozesses von Naturphänomenen und<br />

kulturellen Prozessen, wie Musik, Pop, Elektrizität, Temperatur, Wind, Flugzeuge, Melodien und<br />

vieles mehr.<br />

Von London, Paris und New York bis <strong>to</strong> Rome. In den unveröffentlichten Werken trifft man auf ein<br />

Zusammenwirken von feinen Zeichen, eleganten Buchstaben, Pfeilen, Nummern und Wörtern, die im<br />

Akt des Zeichnens als Teil des Performativen der Werke nur so aus der Künstlerin herauszusprudeln<br />

scheinen. Durch die Wahl, die Zeichnungen in Sequenzen und Tabellen einzuteilen, wird ein Takt<br />

erzeugt, während eine dritte Dimension durch die vielfältigen Ausrichtungen der unterschiedlichen<br />

Bestandteile der Zeichnungen erreicht wird. Auch der Betrachter ist aufgefordert zu agieren, einen<br />

Zugang zu den vielzähligen Perspektiven zu finden und dabei deren seriellen Charakter zu erkennen.<br />

Grammatik hingegen ist der Titel des ersten mechanischen Versuchs von Voigt. Eine wahrhaftige<br />

„Kunst des Schreibens“, bestehend aus acht schwarz lackierten Carboxyl-Propellern, die an einer<br />

Wand der Galerie montiert sind. Die Propeller werden von elektrischen Mo<strong>to</strong>ren angetrieben, die<br />

deren Geschwindigkeit und Bewegungsrichtung bestimmen und dafür sorgen, dass die Körper sich<br />

scheinbar au<strong>to</strong>nom im Raum bewegen. Die auf dem ersten Propeller erscheinende Aufschrift „Ich<br />

liebe dich – ich liebe dich nicht “, wird auf den anderen Propellern, die sich unterschiedlich schnell<br />

und in verschiedenen Richtungen bewegen, in all ihren grammatikalischen Verbformen dekliniert.<br />

Die dargestellten grammatikalischen Möglichkeiten der Aufschrift regen zu Reflektionen an, die<br />

das Thema der subjektiven Beobachtung der Welt aus verschiedenen Perspektiven betrachtet und<br />

der daraus resultierenden Zerlegung der Realität in ihre vielzähligen Aspekte und Kompositionen<br />

betreffen.


<strong>JORINDE</strong> <strong>VOIGT</strong> AXIOMA<br />

Galerie Marie-Laure Fleisch, März 2010, Rom, Italien


<strong>JORINDE</strong> <strong>VOIGT</strong> AXIOMA<br />

Galerie Marie-Laure Fleisch, März 2010, Rom, Italien<br />

Artikel: I pensieri di Jorinde Voigt<br />

Erscheinungsdatum: 1. März 2010<br />

Onlinemagazin: www.sguardocontemporaneo.it<br />

Au<strong>to</strong>rin: Roberta<br />

Übersetzerin: Annette Dobler<br />

Die Gedanken von Jorinde Voigt<br />

In ihrer ersten italienischen Ausstellung stellt Jorinde Voigt in den eleganten, im Zentrum von Rom<br />

gelegenen Ausstellungsräumlichkeiten der Galerie Marie-Laure Fleisch, die auf Zeichnungen auf<br />

Papier spezialisiert ist, eine Reihe unveröffentlichter Zeichnungen mit dem Titel Axioma und eine<br />

Wandinstallation aus.<br />

Seit jeher verwendet Jorinde Voigt die Zeichnung als Ausdrucksmittel für ihre charakteristischen<br />

technischen und konzeptuellen Arbeiten. Die junge deutsche Künstlerin wurde 1977 in Frankfurt<br />

am Main geboren, hat in Berlin studiert, wo sie momentan auch lebt und arbeitet. Voigt lässt in<br />

ihre Zeichnungen unterschiedliche Ausdrucksformen einfließen, um sich künstlerisch zu entfalten:<br />

es tauchen in ihnen gerade Linien, Kritzeleien, aber auch Zahlen, Buchstaben frei kombiniert mit<br />

geografischen Landkarten, musikalische Partituren und geometrische Figuren auf. Auf der weißen<br />

Oberfläche des Papiers ballen sich die zarten und eleganten Linien zusammen, sie verfolgen<br />

sich, teilen sich, überlagern sich und verschwimmen, sie verästeln und verlieren sich in den<br />

Zeichenschemen. Die Zeichnung wird in den Händen von Voigt zu einem Instrument um die sie<br />

umgebende Welt, die sich mit ihren politischen, sozialen und kulturellen Veränderungen in ihren<br />

Gedanken widerspiegelt, zu vermessen. Als Zeitzeugen der Gegenwart greifen ihre Werke oft auf<br />

musikalische Ausdrucksformen zurück: Noten, Partituren aber auch Subwoofer, Frequenzbände<br />

oder Takte, die mit ihrer Phrasierung das Betrachten der Zeichnungen rhythmisieren. Darüber hinaus<br />

bleiben auch Bezüge zum Fliegen oder schematische Analysen von Kommunikationssystemen und<br />

Dialogen nicht aus. Flugzeugsilhouetten nehmen die weiße Bildfläche ein und animieren sie durch<br />

ihre sich überkreuzenden Flugbahnen. Alles, was sich in den Gedanken von Jorinde Voigt reflektiert,<br />

wird mit Hilfe eines visuellen Effektes, der chaotisch anmuten mag, aber nie zu grell ist, auf Papier<br />

übertragen.<br />

Schnell und mit Feingefühl notiert, kritzelt, schreibt und zeichnet sie mit Bleistift und Ausziehtusche<br />

ihre Gedanken, ohne sie dem Betrachter aufzudrängen. Vielmehr rufen sie selbst zusätzliche<br />

Überlegungen und Gedanken hervor. In ihren Zeichnungen befinden sich gleichzeitig philosophische<br />

Überlegungen und logisch-mathematische Operationen, welche Kunst und Wissenschaft, subjektive<br />

Gedanken und die objektive Analyse der Realität in Verbindung setzen. Es gibt keine Ordnung<br />

oder Richtlinien, die eine eindeutige Interpretation dieser Arbeiten zulassen würden: die Betrachter<br />

sind selbst dazu aufgefordert, einzeln die Verbindungen zwischen den verschiedenen Diagrammen<br />

zu suchen und jeweils für sich selbst die komplexen Konstruktionen zu entschlüsseln, um einen<br />

ganz persönlichen Nutzen daraus zu ziehen. Es ist durchaus legitim, sich zu fragen: Befinden wir<br />

uns vor abstrakten Zeichnungen oder mathematischen Diagrammen? Helfen uns Rhythmus und<br />

Wiederholungen, Leere und Fülle, Pfeile und Verbindungen bei der Betrachtung? Und, welchen<br />

Anteil haben die unterschiedlichen, von der Künstlerin in ihren Kompositionen verwendeten<br />

Ausdrucksformen hierbei?<br />

Voigts Arbeiten bewegen sich an der Schnittstelle von Zeichnung und Schrift. Auf den ersten Blick<br />

erscheinen ihre Werke als abstrakte Zeichnungen, bestehend aus mehr oder weniger dicken Linien,<br />

markierten Bereichen oder Intervallen voller oder leerer Felder. Bei näherer Betrachtung stellen sich<br />

die Zeichnungen als diagrammartige Konstruktionen mit Zeichen, die musikalischen, numerischen<br />

oder kar<strong>to</strong>graphischen Ausdrucksformen zugehörig sind, aus. ->


<strong>JORINDE</strong> <strong>VOIGT</strong> AXIOMA<br />

Galerie Marie-Laure Fleisch, März 2010, Rom, Italien<br />

Mit eben dieser genaueren Betrachtung nähern wir uns der Konstruktion ihrer Werke an: Voigt teilt<br />

uns ihre Art zu arbeiten, zu kreieren mit, ohne sich jeglicher Mystifizierung zu bedienen. Mit der<br />

ausgestellten Reihe von Zeichnungen führt Voigt ihre persönlichen Nachforschungen bezüglich der<br />

Konstruktion von Gedanken und Ausdrucksweisen fort, immer auch auf die semantische Analyse<br />

ihrer Werke bedacht – hierbei sei ihr abgeschlossenes Studium an der Fakultät für Philosophie<br />

und Geisteswissenschaften an der Freien Universität Berlin erwähnt. Gleichzeitig versucht sie<br />

sich in neuen künstlerischen Ausdrucksformen wie in ihrer Installation site-specific Grammatik.<br />

An einer Wand der Galerie sind acht verschieden große Carboxyl-Propeller montiert, die sich,<br />

durch Elektromo<strong>to</strong>ren angetrieben, unterschiedlich schnell bewegen und somit einen Effekt der<br />

Entmaterialisierung erzeugen. „Ich liebe dich – Ich liebe dich nicht“ lautet der Satz auf dem ersten<br />

Propeller, der sich dann in all seinen grammatikalischen Variationen auf den anderen Propellern<br />

wiederholt – zu der Reihe gehören eigentlich vierundsechzig Propeller, in der Galerie sind nur<br />

acht von ihnen ausgestellt. Das Spiel mit den Bedeutungen, die Rotation der Propeller und ihrer<br />

Aufschriften (eine die Negation der anderen) und die Bewegungen der leichten Körper tragen in ihrer<br />

Gesamtheit zur Analyse der konstituierenden Elemente von Sprache bei, sowohl gezeichnet, als<br />

auch geschrieben – oder, wie in dem Fall der Arbeiten von Voigt, beides zusammen.


<strong>JORINDE</strong> <strong>VOIGT</strong> AXIOMA<br />

Galerie Marie-Laure Fleisch, März 2010, Rom, Italien


<strong>JORINDE</strong> <strong>VOIGT</strong> AXIOMA<br />

Galerie Marie-Laure Fleisch, März 2010, Rom, Italien<br />

Artikel: La capacità di Jorinde Voigt di mostrare l’invisibile<br />

Erscheinungsdatum: 23. März 2010<br />

Tageszeitung: Il Messaggero<br />

Au<strong>to</strong>r: Massimo Di Forti<br />

Übersetzerin: Annette Dobler<br />

Die Fähigkeit von Jorinde Voigt, das Unsichtbare zu zeigen<br />

Das Unsichtbare zeigen. Es darstellen, zeichnen, malen. Mit außerordentlicher Anmut und<br />

unbeugsamer Strenge. In einer erstaunlichen Synthese aus Musik, Kunst, Physik, Mathematik,<br />

Graphik, Philosophie, Informatik, Psychologie. Schwierig? Nahezu unmöglich? Und warum? Yes,<br />

she can. Mit erst 33 Jahren kann sich Jorinde Voigt, Deutsche aus Frankfurt, nicht nur mit einem<br />

prestigereichen Lebenslauf durch Ausstellungen in Museen in halb Europa (Berlin, Paris, München,<br />

Zürich, Heidelberg) und Kanada rühmen. Sie ist ehemalige Cellistin, hat einen Philosophieabschluss<br />

(und als würde dies nicht schon genügen, hat sie zudem auch noch die strahlende Erscheinung<br />

eines Supermodels). Sie hat die Gabe, die komplexen, aus ihrer Fantasie entspringenden Strukturen<br />

mit der Lehre von John Cage, die Darstellung einer Serie von Küssen mit Hilfe der Fibonacci-Folge,<br />

die Gesetze des Raum-Zeit-Kontinuums mit Popsongs ect. zu verbinden.<br />

In ihrer ersten italienischen Ausstellung Axioma (in der Galerie Marie-Laure Fleisch, vicolo Sforza<br />

Cesarini 3a, bis zum 30. April) präsentiert Voigt eine Reihe von mittelgroßen bis großen Tinten- und<br />

Bleistiftzeichnungen auf Papier (unveröffentlicht und To Rome gewidmet), und eine Installation,<br />

die aus acht Carboxyl-Propellern besteht, welche durch mechanische Mo<strong>to</strong>ren unterschiedlich<br />

schnell bewegt werden. Nichts, nicht einmal der Zufall, ist dem Zufall überlassen. Ihre Kunst ist<br />

vielmehr Resultat fundierter Kenntnisse mathematischer und physikalischer Gesetzmäßigkeiten,<br />

welche originell durch kreative Einfälle bereichert werden und somit Naturphänomene und kulturelle<br />

Errungenschaften wie Elektrizität (für die Künstlerin Symbol unserer Zivilisation) und Volkslieder, das<br />

Fliegen und Musik, Gefühle und Rhythmus, mentale Prozesse und die Betrachtung der physischen<br />

Welt in Zusammenhang bringen. Die Installation Grammatik lässt die acht schwarz lackierten<br />

Propeller mit der weißen Aufschrift „Ich liebe dich – ich liebe dich nicht“, die auf dem ersten Propeller<br />

erscheint und dann auf den anderen Propellern in variierten Formen wiederholt wird, interagieren:<br />

Eine sowohl beeindruckende als auch überzeugende Demonstration der relativen Wahrnehmung der<br />

Realität und unserer subjektiven Erfahrungen.<br />

Die allen Nachforschungen zugrunde liegende Inspirationsquelle ist Musik als Synthese aus<br />

mathematischer Kohärenz und expressiver Anmut, als „unsichtbare“ Kunst par excellence. Fast<br />

nicht wahrnehmbare Zeichen von außerordentlicher Eleganz gliedern sich in ihren Zeichnungen<br />

auf Papier in regelrechte Partituren, um Gedankenflüsse, Maße des Raum-Zeit-Kontinuums,<br />

Gefühlsumschwünge und Analysen der Realität zu beschreiben. Jorinde Voigt zelebriert somit<br />

in einer Serie wunderbarer Überraschungen, die Allianz zwischen Kunst und Wissenschaft.<br />

Selbstverständlich in vollendeter Schönheit.


<strong>JORINDE</strong> <strong>VOIGT</strong> AXIOMA<br />

Galerie Marie-Laure Fleisch, März 2010, Rom, Italien


<strong>JORINDE</strong> <strong>VOIGT</strong> AXIOMA<br />

Galerie Marie-Laure Fleisch, März 2010, Rom, Italien<br />

Artikel: Marie-Laure Fleisch ospita la prima personale italiana<br />

di Jorinde Voigt<br />

Erscheinungsdatum: März 2010<br />

Onlinemagazin: www.arteecritica.it<br />

Au<strong>to</strong>r: A.R.<br />

Übersetzerin: Annette Dobler<br />

Jorinde Voigts erste italienische Einzelausstellung gezeigt von Marie-Laure Fleisch<br />

Jorinde Voigt verwendet die Zeichnung, um die Welt zu analysieren und zu vermessen. Sie benutzt<br />

sie, um Kräfte- und Spannungsstrukturen darzustellen, die sie durch die Beobachtung von kulturellen<br />

Phänomenen wie Musik und Melodien oder Naturphänomenen wie Wind, Elektrizität, Flug und<br />

Temperaturschwankungen auf weißem Papier graphisch umsetzt. Zwischen Kunst und Wissenschaft,<br />

philosophischen Überlegungen und Naturbeobachtungen verleiht die deutsche Künstlerin ihren<br />

Gedankenflüssen eine graziöse Form und wandelt somit eine sich im permanenten Wechsel<br />

begriffene Realität gleichsam in eine Ikone um, fast, um sich des vollständigen Verständnisses der<br />

sie am stärksten faszinierenden Phänomene noch einmal zu vergewissern. Für die Einzelausstellung<br />

Axioma, in der Galerie Marie-Laure Fleisch in Rom ausgestellt, präsentiert Voigt eine Auswahl ihrer<br />

Arbeiten der letzten zwei Jahre von großen bis mittelgroßen Zeichnungen und eine hypnotisierende<br />

Installation Grammatik, welche eine Reflektion über Parameter des Fliegens, Rotationen,<br />

Geschwindigkeit, Grammatik und verschiedener Dimensionen beinhaltet. Genauso wie die Zeichen<br />

in ihren Zeichnungen wiederholt werden und rhythmisch kadenziert sind, werden die acht schwarzen<br />

Flugzeugpropeller zyklisch mit Tendenz zum Paroxysmus bewegt. Elektrische Mo<strong>to</strong>ren lassen die<br />

Propeller, die acht von vierundsechzig möglichen Deklinationen des Satzes „I love you – I do not love<br />

you“ als Aufschrift tragen, unterschiedlich schnell bewegen.


Das komplexe Bild der Welt - taz.de http://www.taz.de/1/archiv/digitaz/artikel/?ressort=ku&dig=2...<br />

01.03.2010<br />

Das komplexe Bild der Welt<br />

LINIE LINE LINEA Von Fernando Bryce über Marc Brandenburg bis<br />

zu Jurinde Voigt: Eine Ausstellung im Kunstmuseum Bonn zeigt<br />

Werke von 20 Künstlern, die in Deutschland leben und zeichnen<br />

VON ANGELA HOHMANN<br />

Seit frühester Kindheit sind wir mit ihr vertraut, überall im Alltag<br />

begegnet sie uns: in Gebrauchsanweisungen, auf Straßenschildern<br />

oder Pik<strong>to</strong>grammen, selbst als Kondensstreifen am Himmel: die Linie<br />

als einfachstes Element der Zeichnung. Viel zu lange wurde sie nur<br />

stiefmütterlich behandelt, mehr als Hilfsmittel der Malerei, als Skizze<br />

und Probebühne für die eigentliche Kunst - das Gemälde oder die<br />

Skulptur. Doch seit ein paar Jahren erfährt die Zeichnung eine<br />

Renaissance, Künstler entdecken die ganze Brandbreite ihrer<br />

Ausdruckmöglichkeiten und Museen die Genuität dieser<br />

ursprünglichsten Form künstlerischen Ausdrucks.<br />

Der "Zeichnung der Gegenwart" widmet nun das Kunstmuseum Bonn<br />

unter dem Titel "Linie Line Linea" eine Ausstellung mit 20 Positionen<br />

und 87 Werken, u. a. von so bekannten in Deutschland lebenden<br />

Künstlern wie Fernando Bryce (1965), Jorinde Voigt (1977) oder Marc<br />

Brandenburg (1965). Initia<strong>to</strong>r der von Volker Adolphs kuratierten<br />

Schau, die die Vielfalt des zeichnerischen Universums präsentiert, ist<br />

das Institut für Auslandsbeziehungen, das die Werke nach der ersten<br />

Station in Bonn um den ganzen Globus schickt: Was hier zu sehen<br />

ist, versteht sich also als Bilanzierung der zeitgenössischen<br />

Zeichnung in Deutschland. Die sorgfältig erarbeitete Auswahl<br />

beschränkt sich dabei auf Arbeiten, die sich auf Stift und Papier<br />

konzentrieren, sodass die zeichnerischen Strategien, die den Raum<br />

einbeziehen, bewusst außen vor gelassen wurden.<br />

Von Selbstbefragung und Welterkundung über das Spiel mit den<br />

Möglichkeiten des Mediums bis hin zum Erzählen und zum<br />

abstrakten Experiment reichen die Variationen der Zeichnungen.<br />

Dabei wird Wirklichkeit abgebildet, angeeignet, einverleibt, erfunden,<br />

verfremdet, verzerrt und vieles mehr. Bleistift, Bunt- und Filzstift,<br />

Kugelschreiber, Kohlestift, Tuschfeder und Gravurstift sind die<br />

Werkzeuge, mit denen feine Linien gezogen, weiche Flächen<br />

entweder schraffiert werden oder allmählich, Strich an Strich,<br />

entstehen. Bunte Punkte, akribisch aneinandergereiht, ergeben eine<br />

schemenhafte Form. Für einige Künstler sind Fo<strong>to</strong>grafien der<br />

Ausgangspunkt ihrer Arbeit. Gerhard Faulhaber (1945), der älteste<br />

Künstler der Ausstellung, verarbeitet Wärmebilder und<br />

Röntgenaufnahmen zu schemenhaften, fast durchsichtig anmutenden<br />

Bleistiftzeichnungen von menschlichen Gestalten, während Marc<br />

Brandenburg aus ins Negative übersetzten aufklebbaren<br />

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Das komplexe Bild der Welt - taz.de http://www.taz.de/1/archiv/digitaz/artikel/?ressort=ku&dig=2...<br />

Zeichnungen von Schwarz-Weiß-Fo<strong>to</strong>grafien eine collagierte Sinfonie<br />

des Großstadtlebens bastelt.<br />

Dann wieder entstehen aus zarten Linien ganze Welten: Ralf<br />

Ziervogel erfindet mit filigranem Tuschestrich ein Pandämonium der<br />

Grausamkeit, ganz pornografisches Welttheater, während sich<br />

Christian Pilzens (1978) Bleistift im Labyrinth einer Welt verliert, die<br />

mit unzähligen detailgenauen Wirklichkeitsfragmenten und vielen -<br />

wie bei Escher - ineinander verschlungenen Ebenen nur noch als<br />

Versatzstück erkennbar ist. Im Kontrast zu diesen opulenten<br />

Bilderwelten stehen abstrakte Kompositionen, wie die mathematisch<br />

präzisen und zum Teil mit dem Zirkel ausgeführten federfeinen<br />

Tuschezeichnungen von Jorinde Voigt oder die Formenbilder von<br />

Nanne Meyer (1953), die mit allem experimentieren, was durch die<br />

Bewegung der Hand aus einer Linie entstehen kann.<br />

Raumgreifend wird die Linie bei Katharina Hinsberg (1967), die in<br />

ihrer Arbeit "Nulla dies sine linea #3" (2001) ein quadratisches Blatt<br />

Papier in der Mitte mit einer Linie bemalt, diese auf ein weiteres Blatt<br />

durchpaust, und das Ganze 932-mal. Am Außenrand der zum<br />

skulpturalen Kubus gestapelten Blätter auf weißem Sockel ergibt sich<br />

aus den Abweichungen, die beim Durchpausen entstehen, eine neue<br />

Linie.<br />

Doch auch erzählen kann die Zeichnung, wie die 126 Blätter<br />

umfassende Arbeit "Marcel I" (1999) von Alexander Roob (1956), die<br />

mit filigranem Kreidestift auf Papier - zwischen S<strong>to</strong>ryboard und<br />

Zeichentrick - in kindlich-genialer Linienführung von einem Verfolger<br />

berichtet, der sich selbst verfolgt fühlt.<br />

Weniger Erzählung als humorvolles philosophisches Gedankenbild<br />

sind die schwarzen Filzstiftzeichnungen von Markus Vater (1970) in<br />

Arbeiten wie "He wants <strong>to</strong> make a model of god by filling the ocean<br />

with concrete" (2002), die einen Be<strong>to</strong>nmischer am Kai eines<br />

Gewässers zeigt, der gerade seine Ladung entlädt.<br />

Die Vielfalt zeichnerischer Technik und künstlerischen Ausdrucks<br />

zeigt, wie lebendig und einfallsreich die Zeichnung ist und wie<br />

glücklich wir uns schätzen können, dass sie sich weiterhin als<br />

eigenständigen Medium behaupten kann. Die Ausstellung gibt einen<br />

exzellenten Einblick in den aktuellen Umgang mit der Zeichnung und<br />

lässt ein ganzes Universum aus Linien und Schraffuren entdecken.<br />

Bis 16. Mai, Kunstmuseum Bonn (in Zusammenarbeit mit dem IFA)<br />

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http://www.tagesspiegel.de/kultur/der-laute-himmel/1802924.html<br />

17.04.2010 02:00 Uhr | Von Simone Reber<br />

Der laute Himmel<br />

Jorinde Voigts erste große Schau bei Klosterfelde<br />

Da liegt was in der Luft. Die Worte „Ich liebe dich, ich liebe dich nicht“ oder „Du liebst<br />

dich, du liebst dich nicht“ schwirren mit einiger Geschwindigkeit auf Propellerflügeln im<br />

Kreis. Aber anders als beim Abzählreim entscheiden nicht die Blütenblätter der<br />

Gänseblümchen über unsterbliche Liebe. Jorinde Voigt, bekannt für ihren ordnenden<br />

Blick auf die Welt, hat alle Möglichkeiten von Zu- und Abneigung grammatikalisch<br />

dekliniert. Von „Ich liebe mich“ bis „Sie lieben sich nicht“. Acht Ro<strong>to</strong>rflügel mit insgesamt<br />

64 sprachlichen Optionen drehen sich jetzt in unterschiedlichem Tempo an der Wand der<br />

Galerie Klosterfelde.<br />

Einen Namen hat sich Jorinde Voigt in den vergangenen Jahren mit ihren großformatigen<br />

Zeichnungen von atmosphärischen Phänomenen gemacht – von der Luftströmung bis<br />

zum Vogelflug. Sie hat Fo<strong>to</strong>grafie studiert und war Meisterschülerin an der Universität der<br />

Künste in Berlin bei Katharina Sieverding. Aber mehr noch glaubt man in ihrer Arbeit die<br />

Ausbildung zur Cellistin erkennen zu können. Die bogenförmige Bewegung der Hand auf<br />

dem Blatt, die ausladende Geste, die ergänzt wird durch präzise, punktuelle Eingriffe. Die<br />

asynchrone Geschwindigkeit der Hände. Jorinde Voigt selbst spricht von ihren<br />

Zeichnungen als Partituren. Tatsächlich versucht sie, Rhythmus und Zeitmaß von kaum<br />

wahrnehmbaren Schwingungen zu erfassen.<br />

Für die Ausstellung in der Galerie Klosterfelde, die die Künstlerin nun vertritt, hat sie die<br />

Flugrouten von Intercontinental-Maschinen aufgezeichnet. Von wegen grenzenloser<br />

Himmel. Auf dem weißen Blatt drängen sich die Flüge als feine Linien auf engstem Raum,<br />

denn die 33-jährige Künstlerin lässt sie alle auf derselben Ebene und zur selben Zeit<br />

fliegen. Da braut sich ein dunkler Schwarm zusammen, plötzlich verdichtet sich die<br />

unendliche Weite zu einer schweren Masse.<br />

Leise ist es am Himmel nicht. Jorinde Voigt listet all jene Audio-Programme auf, die<br />

Passagiere mit ihren Kopfhörern empfangen können. In zwanzig Kategorien geordnet<br />

reicht das von Opera über Hindi Music und Japanese Favorites bis zu Chinese Pop. Mit<br />

feinen Vek<strong>to</strong>ren führt die Künstlerin Schall und Geschwindigkeit in die Zeichnung ein und<br />

erforscht die Gleichzeitigkeit kultureller Erfahrungen (von 2200-22 000 Euro). Unsere<br />

Augen machen uns glauben, über den Wolken sei es blau und still. Tatsächlich aber muss<br />

es da oben lärmen und dröhnen, brummen und sirren. Die Unendlichkeit wird von<br />

Störgeräuschen <strong>to</strong>rpediert.<br />

Am schwächsten wirkt die Installation, die der Ausstellung ihren Titel gegeben hat:<br />

„Collective Time“. Mit schwarzer Farbe hat die Künstlerin auf Aluminiumstangen die<br />

Länge der populärsten Filme der westlichen Welt markiert. „Vom Winde verweht“ und


„Lawrence von Arabien“ gehören dazu. Die Phalanx der Stäbe lässt die Schnittmenge der<br />

Zeit erkennen, die Kinobesucher im gleichen Film verbracht haben. Aber hier gerät<br />

Jorinde Voigts Drang, die Welt zu systematisieren, zum Krampf. Die Arbeit lässt sich<br />

intellektuell schlüssig erklären, verfügt aber nicht über die gleiche sinnliche Verlockung<br />

wie die Zeichnungen. Ihr fehlt die Widersprüchlichkeit der Blätter, die ordnen wollen und<br />

doch im Chaos enden, die eine Erklärung suchen und Komplikation finden. Auch als<br />

Plastik erscheint Statistik eindimensional. Die Stärke von Jorinde Voigts Kunst liegt nicht<br />

in der Logik, sondern im Paradoxon.<br />

Galerie Klosterfelde, Potsdamer Str. 93; bis 24. April Di-Sa von 11-18 Uhr.


http://www.monopol-magazin.de1501 Diesen Artikel drucken<br />

Shortlist für Vik<strong>to</strong>r Pintschuks Kunstpreis steht fest<br />

Kiew (monopol): Die 21 Nominierten für den vom ukrainischen Sammler Vic<strong>to</strong>r<br />

Pintschuk gestifteten Future Generation Art Prize wurden bekanntgegeben.<br />

erstellt am 29.06.2010<br />

Der mit 100.000 Dollar dotierte Future Generation Art Prize, der ab 2010 alle zwei Jahre<br />

vergeben werden soll, bietet internationalen Künstlern bis zur Vollendung des 36. Lebensjahres<br />

langjährige Unterstützung – unabhängig davon, wo sie leben oder arbeiten. Eine<br />

siebenköpfige Jury hat unter den 6.000 Anfragen aus 125 Ländern 20 Künstler auserwählt. Der<br />

21. Nominierte ist Artem Volokytin, der im letzten Jahr den PinchukArtCentre Prize für junge,<br />

ukrainische Künstler gewann.<br />

Acht Frauen und 13 Männer dürfen nun auf die Auszeichnung hoffen. Zehn von ihnen<br />

stammen aus Europa, zwei aus Nordamerika, jeweils drei aus Südamerika und dem Mittleren<br />

Osten sowie je eine Person aus Afrika und Asien. Die Nominierten sind Ziad Antar, Fikret Atay,<br />

Fei Cao, Keren Cytter, Nathalie Djurberg, Simon Fujiwara, Nicholas Hlobo, Clemens Hollerer,<br />

Runo Lagomarsino, Cinthia Marcelle, Gareth Moore, Mircea Nicolae, Ruben Ochoa, Wilfredo<br />

Prie<strong>to</strong> Garcia, Katerina Seda, Guido van der Werve, Nico Vascellari, Jorinde Voigt, Artem<br />

Volokytin, Emily Wardill, Hec<strong>to</strong>r Zamora.<br />

Zur Jury gehören die Sammler Eli Broad und Dakis Joannou, der Sänger El<strong>to</strong>n John, die<br />

Modeschöpferin Miuccia Prada und die Museumsdirek<strong>to</strong>ren Richard Armstrong vom<br />

Guggenheim, Glenn D. Lowry vom New Yorker Museum of Modern Art, Alfred Pacquement<br />

vom Pariser Centre Pompidou und Nicholas Serota von der Londoner Tate.<br />

Monopol – Magazin für Kunst und Leben<br />

Eine Publikation der Ringier-Gruppe, Schweiz<br />

http://www.monopol-magazin.com/


ROSENKRANZ KUBIS IX: <strong>JORINDE</strong> <strong>VOIGT</strong><br />

10. September bis 3. November 2010<br />

<strong>PRESS</strong>EINFORMATION<br />

„Meine Arbeit ist wie Musik, man kann sie genießen, auch wenn man die Partitur<br />

nicht lesen kann.“ (Jorinde Voigt)<br />

Der neunte Rosenkranz Kubus präsentiert Arbeiten der Künstlerin Jorinde Voigt<br />

(*1977 Frankfurt am Main) aus der Sammlung Dieter und Si Rosenkranz. Mit neun<br />

Jahren lernte Jorinde Voigt Cello spielen und Noten lesen. 1996 begann sie<br />

Philosophie und Literatur an der Georg-August-Universität in Göttingen zu studieren.<br />

Zum besseren Verständnis der Themen zeichnete sie sich Diagramme, die die Worte<br />

in Gedankenbilder verwandelten. „Ich hatte das Gefühl, das Studium der Philosophie<br />

war durch Sätze eingeschränkt. Ich wusste, wie Noten funktionieren, wie sie zu lesen<br />

waren. Es war für mich nicht schwer, eine Musiknote für eine Idee, Situation oder<br />

Handlung einzusetzen. Diese Vorgehensweise half mir, Descartes und Wittgenstein zu<br />

verstehen.“ (Jorinde Voigt, 2010) Daraus entwickelte sich, nach dem Wechsel der<br />

Fachrichtung zur bildenden Kunst an die Universität der Künste in Berlin, eine ganz<br />

eigene Bildsprache und Herangehensweise.<br />

Jorinde Voigts filigran anmutende Arbeiten bewegen sich zwischen Schreiben und<br />

Zeichnen, sind begrifflich als Schrift, Partituren, Konzepte oder Notationen zu fassen.<br />

Es sind jedoch keine linear lesbaren Texte, sondern vielmehr diffizile Diagramme, die<br />

sie bestimmten Ordnungskriterien wie der Fibonacci-Folge unterwirft. Ihre Werke<br />

basieren meist auf messbaren physikalischen Parametern, etwa Temperaturverläufen<br />

oder akustischen Impulsen, die sie wie in naturwissenschaftlichen Diagrammen<br />

anordnet. Die rhythmischen Linienverläufe haben die Anmutung abstrakter<br />

Zeichnungen oder Konstruktionspläne, deren Systematik sich erst nach eingehender<br />

Betrachtung erschließt. Es ist der Künstlerin wichtig, ihren Arbeitsprozess<br />

nachvollziehbar zu machen und die zugrunde liegenden Algorithmen ihrer<br />

Zeichnungen zu offenbaren. „Ich finde es aufregend, den Betrachter aufzufordern,<br />

etwas auf eine andere Weise zu sehen. Natürlich können die Leute meine Arbeit rein<br />

visuell genießen, aber ich teile gern meine Denkweise mit und helfe ihnen, die Logik<br />

dahinter zu verstehen, damit sie – wenn man so will – die Partitur lesen können.“<br />

Mittels Pfeilen, Klammern, Plus- und Minuszeichen versucht sie, die Welt zu erfassen<br />

und zu ordnen, die Gleichzeitigkeit von Ereignissen sichtbar zu machen und<br />

miteinander in Bezug zu setzen.<br />

Jorinde Voigt zeichnet oftmals monatelang, bis zu zwölf Stunden täglich am Boden<br />

liegend, auf zum Teil überdimensioniertem Papier, geduldig und diszipliniert alles aus<br />

verschiedenen Blickwinkeln betrachtend. Dabei setzt die Künstlerin eine lineare<br />

Kettenreaktion in Gang, die zu dynamischen, feingliedrigen Bildwelten führt. Ihr<br />

Medium ist die Zeichnung, sie „ist eben die direkteste Form. Da ist außer der<br />

Bewegung des Körpers nichts mehr zwischen Denken und Tun geschaltet.“ Voigts<br />

Zeichnungen erscheinen wie der Versuch, sich einen Überblick über die symbolischen<br />

Aspekte unserer sozialen Organisation zu verschaffen. Ein Ordnungsstreben und<br />

Verstehenwollen der sie umgebenden Welt ist der Mo<strong>to</strong>r ihrer Arbeit.<br />

Katharinenstr. 10, 04109 Leipzig, T. 216 99 914, F. 216 99 999, www.mdbk.de, mdbk@leipzig.de


DIETER UND SI ROSENKRANZ<br />

Das in Berlin lebende Ehepaar unterstützt seit Jahren Museen in Paris, Bilbao, Los<br />

Angeles, Santa Barbara und Deutschland mit Leihgaben. Seit einigen Jahren haben<br />

Dieter und Si Rosenkranz ihr Augenmerk auch auf Leipzig gerichtet. Sie möchten<br />

zum einen die Kunst vor Ort fördern, zum anderen die Präsenz internationaler Kunst<br />

in der Stadt verstärken. <strong>2006</strong> haben Dieter und Si Rosenkranz deshalb dem<br />

Museum rund 500 Werke aus ihrer umfangreichen Kollektion moderner Kunst per<br />

Dauerleihvertrag auf zehn Jahre zur Verfügung gestellt. Zweimal jährlich wird eine<br />

Auswahl im Kubus im ersten Obergeschoss des Museums präsentiert.<br />

Die Sammlung Rosenkranz lässt sich in drei Schwerpunkte teilen: geometrischkonstruktivistische<br />

Kunst der europäischen Moderne (u. a. Auguste Herbin, Laszlo<br />

Moholy-Nagy, Vic<strong>to</strong>r Vasarely), konzeptionelle und prozessorientierte Kunst der<br />

1960er Jahre bis heute (u. a. Chris<strong>to</strong>, Nam June Paik, Klaus Rinke) und<br />

Gegenwartskunst von Künstlern der amerikanischen Westküste (u. a. Greg und Jeff<br />

Colson, Sam Francis, Ed Ruscha), wo das Ehepaar Rosenkranz von 1987 bis 2005<br />

einen zweiten Wohnsitz hatte.<br />

ROSENKRANZ KUBUS I – VIII<br />

Enrique Martínez Celaya: Schneebett (22. Juni – 30. Juli <strong>2006</strong>) | Chris<strong>to</strong> und<br />

Jeanne-Claude: Objekte und Projekte (15. November <strong>2006</strong> – 14. Januar 2007) | Ed<br />

Ruscha (6. September bis 18. November 2007) | Klaus Rinke (5. Dezember 2007 –<br />

30. März 2008) | Auguste Herbin (4. September – 23. November 2008 | Nam June<br />

Paik (1. März – 1. Juni 2009) | Robert Therrien (25. Februar – 2. Mai 2010) |<br />

Carsten Nicolai: Rota (25. Februar – 2. Mai 2010)<br />

SCHENKUNG<br />

2003 schenkten Dieter und Si Rosenkranz dem Museum der bildenden Künste die<br />

Arbeit Queen of the Seas des Künstlers Klaus Rinke (*1939), die auf einer der<br />

Terrassen des Museums gezeigt wird. Zur Eröffnung des ROSENKRANZ KUBUS I<br />

schenkten sie dem Museum die großformatigen Papierschnitte Sieger der Geschichte<br />

der Leipziger Künstlerin Annette Schröter (*1956), zur Eröffnung des KUBUS II die<br />

Arbeit VOID von Carsten Nicolai (*1965) und die Skulptur Scheiterhaufen von Jan<br />

Bünnig (*1972).<br />

VERANSTALTUNGEN<br />

Ausstellungsgespräch: Mittwoch, 15. September 2010, 17 Uhr mit Jorinde Voigt und<br />

Dr. Andreas Schalhorn, Kupferstichkabinett, Staatliche Museen zu Berlin<br />

Führung: Sonntag, 31. Ok<strong>to</strong>ber 2010, 11 Uhr mit Ariane Frauendorf<br />

EINTRITT & ÖFFNUNGSZEITEN<br />

Eintritt: 5 €, ermäßigt 3.50 €, am zweiten Mittwoch im Monat Eintritt frei.<br />

Öffnungszeiten<br />

Dienstag und Donnerstag bis Sonntag 10-18 Uhr | Mittwoch 12-20 Uhr<br />

Montag geschlossen | Feiertage 10-18 Uhr<br />

Kontakt & Informationen<br />

Museum der bildenden Künste Leipzig | Tel.:0341.21 69 99 42 |<br />

joerg.dittmer@leipzig.de<br />

www.mdbk.de | www.jorindevoigt.com


Symphonic Area (Blue) II, 2009 | Tinte, Bleistift auf Papier<br />

Symphonie Studie Var. XII/3, 2009 | Tinte, Bleistift auf Papier<br />

Schwerkraft ,11 Studien zur Gravitation I, 2010<br />

Tinte, Bleistift auf Millimeterpapier<br />

alle Abb.: Jorinde Voigt, © Sammlung Dieter und Si Rosenkranz, VG Bild-Kunst Bonn, 2010<br />

<strong>PRESS</strong>EBILDER<br />

Katharinenstr. 10, 04109 Leipzig, T. 216 99 914, F. 216 99 999, www.mdbk.de, mdbk@leipzig.de


Meet the Germans – Typically German - The Arty - Jorinde Voigt - Goethe-Institut<br />

Meet the Germans – Typically German - The Arty - Jorinde Voigt - Goethe-Institut<br />

http://www.goethe.de/ins/gb/lp/prj/mtg/men/kun/voi/enindex.htm<br />

Jorinde Voigt interviewed by Rory MacLean<br />

http://www.goethe.de/cgi-bin/print-url.pl?url=http://www.goethe.de/ins/gb/lp/prj/mtg/men/kun/voi/enindex.htm<br />

24.10.10 17:59<br />

Jorinde Voigt is one of German art’s rising stars. Tall and lean with intense<br />

dark eyes and high cheek bones, she met me in her studio near Berlin’s<br />

Hackescher Markt. She wore black from head <strong>to</strong> <strong>to</strong>e, apart from a pair of<br />

startling yellow sneakers. Likewise her studio offered only rare flashes of<br />

colour: purple lilies on the desk, a plastic East German KINO sign in the<br />

courtyard. Across the floor spread a vast black ink work-in-progress for one of<br />

the dozen solo and group shows coming up this year.<br />

‘My work is like music,’ she said, nodding at the drawing. ‘You can enjoy it<br />

without being able <strong>to</strong> read the score.’<br />

Voigt is best known<br />

for her graceful<br />

spiralling arcs and<br />

parallel looped lines,<br />

stretched and<br />

interwoven, bursting<br />

across the page as if<br />

caught up in a<br />

strange temporal<br />

chain reaction. Her<br />

meticulous drawings<br />

are schematic yet of<br />

the natural world, reminiscent of ocean current charts and water droplets falling in slow motion<br />

in<strong>to</strong> a pool. They are part timeline, part electronic wiring diagram, part exotic system of musical<br />

notation which chronicles subjective experience. Her work seems <strong>to</strong> be both familiar and <strong>to</strong>tally<br />

new, controlled yet wild and unhinged.<br />

I stared at her drawings like a code-breaker, trying <strong>to</strong> decipher line and meaning, <strong>to</strong> understand<br />

workings of her mind. To that end I asked about the process - the journey - which had brought<br />

her <strong>to</strong> create such extraordinary, dynamic drawings.<br />

‘My family was extremely strict,’ Voigt <strong>to</strong>ld me. She was born in 1977 in Frankfurt. ‘I grew up<br />

with an exaggerated respect for authority. At first that limited me. I had <strong>to</strong> fight <strong>to</strong> find my own<br />

way, fighting not against the old but for the new.’<br />

At nine years old she began <strong>to</strong> play the cello, learnt <strong>to</strong> read music and matured in<strong>to</strong> a gifted<br />

young performer. In 1996 she went <strong>to</strong> Göttingen’s Georg-August-Universität <strong>to</strong> study literature<br />

and philosophy. To help her understand the subjects she drew diagrams for herself, transforming<br />

words in<strong>to</strong> idea maps.<br />

‘I felt the study of philosophy was limited by sentences. I knew how the musical score functioned,<br />

how it’s meant <strong>to</strong> be read. It wasn’t hard for me <strong>to</strong> exchange a note of music for an idea,<br />

situation or action. The approach helped me <strong>to</strong> understand Descartes and Wittgenstein.’<br />

After a year she decided <strong>to</strong> move <strong>to</strong> Berlin’s Freie Universität. When she arrived its students were<br />

on strike. As their argument wasn’t hers and she wanted <strong>to</strong> work, Voigt assembled her<br />

philosophical idea maps in<strong>to</strong> a portfolio and applied <strong>to</strong> the University of the Arts ('UdK'). She was<br />

offered a place immediately. But once in UdK’s Multimedia faculty she again rejected old formulas.<br />

‘Pho<strong>to</strong>graphy pretends <strong>to</strong> be objective but it’s not. It claims <strong>to</strong> tell the truth, but it doesn’t,’ she<br />

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Meet the Germans – Typically German - The Arty - Jorinde Voigt - Goethe-Institut<br />

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said. ‘I needed <strong>to</strong> rid myself of the camera’s limited perspective. In those days pho<strong>to</strong>graphy was<br />

also really expensive. I spent all my money on prints. So I asked myself, what do I need? The<br />

answer was only a pen and paper. I started again from zero, trying <strong>to</strong> look at my subjects anew,<br />

as if for the very first time.’<br />

In Berlin and on trips <strong>to</strong> Florida and Indonesia her work<br />

began <strong>to</strong> develop its distinctive style. Her subjects – for<br />

example two men at a café table, the colour of clothes on a<br />

street, overheard pop songs and arbitrary text – were<br />

reduced <strong>to</strong> black and white notations as if on a score. In her<br />

precise and careful hand those notations then began <strong>to</strong><br />

interact on the page, enabling Voigt <strong>to</strong> portray her subjects<br />

from different points-of-view, and across time.<br />

‘Drawing allows me <strong>to</strong> develop maps <strong>to</strong> many constellations,<br />

across many possibilities’ she <strong>to</strong>ld me. ‘I deal a lot with what<br />

is subjective and objective. I create a time construct which is<br />

beyond our ability <strong>to</strong> experience.’ When I asked her <strong>to</strong> explain she smiled and said, ‘We are<br />

alive. We are not the person that we were yesterday. That’s why I am interested in multiple<br />

perspective.’ Her answer helped <strong>to</strong> explain why her shows have titles like EPM (emotions per<br />

minute), Rotating Remains and Collective Time.<br />

Voigt added, ‘It takes years <strong>to</strong> invent ones own structures. But I learnt <strong>to</strong> be disciplined by<br />

playing the cello. For the first five years you just have <strong>to</strong> practice, practice.’<br />

In her studio s<strong>to</strong>od an intriguing new sculptural work. Institution consists of<br />

seven black poles, each with two narrow bands of white on which was written<br />

‘brown eyes’ or ‘pink silk-nylon-gold'.<br />

‘I travel a lot,’ she said. ‘When I arrive in a new country I always try <strong>to</strong> figure<br />

out the relationship between men and women. Last year I was in Lamu where<br />

many women wear a burka. The clothes seemed <strong>to</strong> reduce the individual <strong>to</strong><br />

eyes and ankles.’ She went on, ‘At the same time I had wanted <strong>to</strong> develop my<br />

work beyond paper, in<strong>to</strong> a third dimension. I knew that my drawings always<br />

have a vertical structure. I was interested in the round surface, as it concerns<br />

infinity. So I came on the idea of the poles: vertical yet rounded. I wanted <strong>to</strong><br />

reduce my first impressions, my perception of the women of Lamu, <strong>to</strong> a kind<br />

of short language, a society looking at you.’<br />

She laughed, ‘Of course it’s all an experiment. I am always discovering in my work.’<br />

On a wall behind the desk was the pro<strong>to</strong>type for Grammatik, a huge work of<br />

64 graceful, spinning, black carbon aircraft propellers, each blade inscribed<br />

with opposing handwritten words of love: Ich liebe mich, Ich liebe mich nicht,<br />

Er liebt mich, Er liebt mich nicht.<br />

Voigt looked around her office and studio. ‘Almost everything in our urban<br />

environment is a construct. This chair, that desk began as someone’s idea. If<br />

you can deconstruct the process, you can see the possibilities. You can<br />

imagine what might have been.’<br />

In her yellow sneakers, with and without her cello, Jorinde Voigt seemed <strong>to</strong> be<br />

forever questioning, challenging pre-conceptions. ‘I find it exciting <strong>to</strong> ask a<br />

viewer <strong>to</strong> imagine something in a different way, in ten different ways. Of course people can just<br />

enjoy my work visually but I liked <strong>to</strong> share my thinking, <strong>to</strong> help them <strong>to</strong> understand its logic so<br />

they can – if you like – read the score.’<br />

Rory MacLean<br />

http://www.goethe.de/cgi-bin/print-url.pl?url=http://www.goethe.de/ins/gb/lp/prj/mtg/men/kun/voi/enindex.htm<br />

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Meet the Germans – Typically German - The Arty - Jorinde Voigt - Goethe-Institut<br />

February 2010<br />

Related links<br />

Jorinde Voigt Homepage<br />

http://www.jorindevoigt.com/<br />

© Goethe-Institut<br />

http://www.goethe.de/cgi-bin/print-url.pl?url=http://www.goethe.de/ins/gb/lp/prj/mtg/men/kun/voi/enindex.htm<br />

24.10.10 17:59<br />

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Meet the Germans – Typisch deutsch - Die Künstlerischen - Jorinde Voigt - Goethe-Institut<br />

Meet the Germans – Typisch deutsch - Die Künstlerischen - Jorinde Voigt - Goethe-<br />

Institut<br />

http://www.goethe.de/ins/gb/lp/prj/mtg/men/kun/voi/deindex.htm<br />

Jorinde Voigt im Interview mit Rory MacLean<br />

kann.“<br />

http://www.goethe.de/cgi-bin/print-url.pl?url=http://www.goethe.de/ins/gb/lp/prj/mtg/men/kun/voi/deindex.htm<br />

24.10.10 17:58<br />

Jorinde Voigt ist ein aufsteigender Stern am deutschen Kunsthimmel. Groß und<br />

schmal, mit intensiven dunklen Augen und hohen Wangenknochen, empfängt<br />

sie mich in ihrem Atelier in der Nähe des Hackeschen Marktes von Berlin. Sie<br />

ist ganz in Schwarz gekleidet, nur an den Füßen trägt sie ein Paar verblüffend<br />

gelbe Turnschuhe. Ebenso bietet ihr Atelier nur hier und da einen Farbtupfer:<br />

lila Lilien auf dem Schreibtisch, ein ostdeutsches KINO-Schild aus Plastik im<br />

Innenhof. Auf dem Boden ist eine riesige, in Arbeit befindliche Zeichnung in<br />

schwarzer Tinte ausgebreitet, für eine der etwa ein Dutzend Einzel- und<br />

Gruppenausstellungen, die dieses Jahr vorgesehen sind.<br />

„Meine Arbeit ist wie Musik,“ sagt sie mit einem Kopfnicken in Richtung der<br />

Zeichnung. „Man kann sie genießen, auch wenn man die Partitur nicht lesen<br />

Voigt ist am besten für ihre anmutigen<br />

Spiralbögen und schlaufenförmigen<br />

Parallellinien bekannt, die gedehnt und<br />

miteinander verwoben sind oder auf dem<br />

Papier explodieren, als seien sie in einer<br />

seltsamen zeitlichen Kettenreaktion<br />

gefangen. Ihre akribischen Zeichnungen<br />

sind schematisch und gehören doch der<br />

natürlichen Welt an; sie erinnern an<br />

Karten von Meeresströmungen oder<br />

Wassertröpfchen, die in Zeitlupe in ein<br />

Becken fallen. Sie sind teils Zeitlinie,<br />

teils elektronischer Schaltplan, teils ein exotisches System musikalischer Notation, das subjektive<br />

Erfahrungen aufzeichnet. Ihre Arbeit scheint sowohl vertraut als auch völlig neu zu sein,<br />

kontrolliert und doch wild und überdreht.<br />

Ich starre ihre Zeichnungen an, als wäre ich ein Code-Knacker und würde versuchen, den Sinn<br />

ihrer Linien zu entschlüsseln, um ihre Gedankengänge nachzuvollziehen. Zu diesem Zweck frage<br />

ich nach dem Entstehungsprozess, nach der Reise, die sie dazu gebracht hat, so<br />

außergewöhnliche, dynamische Zeichnungen zu schaffen.<br />

‘“Meine Familie war äußerst streng,“ erzählt mir Voigt. Sie wurde 1977 in Frankfurt geboren. „Ich<br />

bin mit einem übertriebenen Respekt vor Au<strong>to</strong>rität groß geworden. Anfangs hat mich das<br />

eingeschränkt. Ich musste kämpfen, um meinen eigenen Weg finden, kämpfen nicht gegen das<br />

Alte, sondern für das Neue.“<br />

Im Alter von neun Jahren begann sie Cello zu spielen, lernte Noten lesen und entwickelte sich zu<br />

einer begabten jungen Musikerin. 1996 ging sie zum Studium der Literatur und Philosophie an die<br />

Göttinger Georg-August-Universität. Zum besseren Verständnis der Themen zeichnete sie sich<br />

Diagramme, um Worte in Gedankenbilder zu verwandeln.<br />

„Ich hatte das Gefühl, das Studium der Philosophie war durch Sätze eingeschränkt. Ich wusste,<br />

wie Noten funktionieren, wie sie zu lesen waren. Es war für mich nicht schwer, eine Musiknote für<br />

eine Idee, Situation oder Handlung einzusetzen. Diese Vorgehensweise half mir, Descartes und<br />

Wittgenstein zu verstehen.“<br />

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Meet the Germans – Typisch deutsch - Die Künstlerischen - Jorinde Voigt - Goethe-Institut<br />

24.10.10 17:58<br />

Nach einem Jahr beschloss sie, an die Freie Universität von Berlin zu wechseln. Als sie dort<br />

ankam, streikten die Studenten gerade. Da deren Streitpunkte nicht die ihren waren und sie<br />

arbeiten wollte, stellte Voigt eine Mappe ihrer philosophischen Gedankenbilder zusammen und<br />

bewarb sich an der Berliner Universität der Künste. Man bot ihr sofort einen Studienplatz an. Aber<br />

nachdem sie sich in der Fakultät Multimedia der UdK eingeschrieben hatte, stellte sie sich wieder<br />

gegen alte Formeln.<br />

„Die Fo<strong>to</strong>grafie soll objektiv sein, ist es aber nicht. Sie sagt angeblich die Wahrheit, tut es aber<br />

nicht,“ sagt sie. „Ich musste mich von der beschränkten Perspektive der Kamera lösen. Damals<br />

war die Fo<strong>to</strong>grafie außerdem richtig teuer. Ich gab mein ganzes Geld für Abzüge aus. Also fragte<br />

ich mich, was brauche ich? Die Antwort war, nur einen Stift und Papier. Ich fing wieder bei Null<br />

an und versuchte, meine Subjekte ganz neu zu sehen, wie zum allerersten Mal.“<br />

In Berlin und auf Reisen nach Florida und Indonesien begann<br />

ihre Arbeit, ihren unverkennbaren Stil zu entwickeln. Ihre<br />

Subjekte, z.B. zwei Männer an einem Cafétisch, die Farben<br />

der Kleidung auf der Straße, zufällig gehörte Popsongs und<br />

beliebige Texte, reduzierten sich auf Schwarz-Weiß-<br />

Notationen wie auf einer Partitur. In ihrer präzisen,<br />

sorgfältigen Handschrift traten diese Notationen dann<br />

allmählich auf dem Papier miteinander in Beziehung und<br />

ermöglichten Voigt, ihre Subjekte aus verschiedenen<br />

Gesichtspunkten und im Zeitverlauf darzustellen.<br />

„Das Zeichnen erlaubt mir, Karten für viele Konstellationen<br />

mit vielen Möglichkeiten zu entwickeln,“ erzählt sie mir. „Ich befasse mich ganz stark mit dem,<br />

was subjektiv und was objektiv ist. Ich schaffe ein Zeitkonstrukt, das jenseits unserer<br />

Erlebensmöglichkeiten liegt.“ Als ich sie um eine Erklärung bitte, sagt sie lächelnd: „Wir sind<br />

lebendig. Wir sind nicht der gleiche Mensch wie gestern. Deswegen bin ich an multipler<br />

Perspektive interessiert.“<br />

Ihre Antwort erklärt teilweise, warum ihre Ausstellungen Titel wie EPM (emotions per minute),<br />

Rotating Remains und Collective Time haben.<br />

Voigt fügt hinzu: „Man braucht Jahre, um eigene Strukturen zu entwickeln. Aber ich habe durch<br />

das Cellospielen Selbstdisziplin gelernt. Die ersten fünf Jahre muss man einfach nur üben, üben,<br />

üben.“<br />

In ihrem Studio steht eine faszinierende räumliche Arbeit. Institution besteht<br />

aus sieben schwarzen Pfosten, jeder mit zwei schmalen weißen Streifen mit<br />

Aufschriften wie „brown eyes“ oder „pink silk-nylon-gold“.<br />

„Ich reise viel,“ sagt sie. „Wenn ich in einem neuen Land ankomme, versuche<br />

ich immer, die Beziehung zwischen Männern und Frauen herauszufinden.<br />

Letztes Jahr war ich in Lamu, wo viele Frauen eine Burka tragen. Die Kleidung<br />

schien die Person auf die Augen und Fußknöchel zu reduzieren.“ Sie fährt fort:<br />

„Gleichzeitig wollte ich meine Arbeit über das Papier hinaus in eine dritte<br />

Dimension entwickeln. Ich wusste, dass meine Zeichnungen immer eine<br />

senkrechte Struktur haben. Mich interessierten runde Flächen, da diese etwas<br />

mit der Unendlichkeit zu tun haben. So kam mir die Idee der Pfosten:<br />

senkrecht, aber rund. Ich wollte meine ersten Eindrücke, meine Sicht der Frauen von Lamu, auf<br />

eine Art Kurzsprache reduzieren, auf eine Gesellschaft, die dich ansieht.“<br />

Sie lacht: „Natürlich ist das alles ein Experiment. Bei meiner Arbeit bin ich immer am Entdecken.“<br />

An der Wand hinter ihrem Schreibtisch steht der Pro<strong>to</strong>typ für Grammatik, eine<br />

riesige Arbeit von 64 anmutigen, rotierenden Flugzeugpropellern aus<br />

schwarzem Karbon, deren Blätter alle mit gegensätzlichen, handgeschriebenen<br />

Liebesworten beschrieben sind: Ich liebe mich, Ich liebe mich nicht, Er liebt<br />

http://www.goethe.de/cgi-bin/print-url.pl?url=http://www.goethe.de/ins/gb/lp/prj/mtg/men/kun/voi/deindex.htm<br />

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Meet the Germans – Typisch deutsch - Die Künstlerischen - Jorinde Voigt - Goethe-Institut<br />

mich, Er liebt mich nicht.<br />

http://www.goethe.de/cgi-bin/print-url.pl?url=http://www.goethe.de/ins/gb/lp/prj/mtg/men/kun/voi/deindex.htm<br />

24.10.10 17:58<br />

Voigt schaut sich in ihrem Büro und Atelier um. „In unserer urbanen<br />

Umgebung ist beinahe alles ein Konstrukt. Dieser Stuhl, dieser Schreibtisch<br />

begannen als Idee von irgendjemand. Wenn man den Prozess dekonstruieren<br />

kann, sieht man die Möglichkeiten. Man kann sich vorstellen, was hätte sein<br />

können.“<br />

In ihren gelben Turnschuhen, mit oder ohne Cello, scheint Jorinde Voigt vorgefasste Meinungen<br />

ständig zu hinterfragen, in Zweifel zu ziehen. „Ich finde es aufregend, den Betrachter<br />

aufzufordern, etwas auf eine andere Weise zu sehen, auf zehn verschiedene Weisen zu sehen.<br />

Natürlich können die Leute meine Arbeit rein visuell genießen, aber ich teile gern meine<br />

Denkweise mit und helfe ihnen, die Logik dahinter zu verstehen, damit sie – wenn man so will –<br />

die Partitur lesen können.“<br />

Rory MacLean<br />

Februar 2010<br />

Übersetzt von Susanne Mattern<br />

Links zum Thema<br />

Jorinde Voigt Homepage<br />

http://www.jorindevoigt.com/<br />

© Goethe-Institut<br />

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Jorinde Voigt<br />

STAAT / Random I - XI<br />

1 mei — 22 augustus 2010 Documentatie<br />

Gemeentemuseum Den Haag<br />

Gemeente<br />

Museum<br />

Den Haag

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