Jenseits der Konflikte
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Andreas Losch, <strong>Jenseits</strong> <strong>der</strong> <strong>Konflikte</strong><br />
18 Einführung<br />
und Theologie die These eines kontinuierlichen Spektrums <strong>der</strong> Wissenschaften<br />
zugrunde liegt, welche <strong>der</strong> deutschen geisteswissenschaftlichen Tradition<br />
wi<strong>der</strong>spricht. Um dem Unterschied in <strong>der</strong> Erkenntnis von Natur- und Geisteswissenschaften<br />
gerecht zu werden, wird eine Modifikation des Kritischen Realismus<br />
zum »Konstruktiv-Kritischen Realismus« vorgeschlagen.<br />
Ein Exkurs zur Philosophie Michael Polanyis (Kapitel 7) wird dem Rezeptionsdefizit<br />
dieses originellen Chemikers und Wissenschaftsphilosophen im<br />
deutschsprachigen Bereich gerecht. Die For<strong>der</strong>ung Clicqués nach einer noch<br />
ausstehenden Diskussion seiner Positionen im Gespräch von Theologie und<br />
Naturwissenschaften macht auf den deutschen Sprachraum bezogen ja durchaus<br />
Sinn. Daneben ist Michael Polanyi für Polkinghorne <strong>der</strong> Vertreter des Kritischen<br />
Realismus par excellence, weswegen im Exkurs genau untersucht werden<br />
soll, ob dieser Gebrauch <strong>der</strong> Philosophie Polanyis als Gewährsmann des<br />
Kritischen Realismus gerechtfertigt ist. »Wir wissen mehr als wir zu sagen wissen«.<br />
Diese zentrale These Polanyis soll in ihrer Bedeutung für die Wissenschaftstheorie<br />
und das Gespräch zwischen Theologie und Naturwissenschaften<br />
dargestellt werden. Dass nach Polanyi zu jedem Wissenserwerb ein stillschweigen<strong>der</strong><br />
und leidenschaftlicher Beitrag <strong>der</strong> Person, die zu wissen<br />
wünscht, gehört, macht verständlich, warum er als Gewährsmann des Kritischen<br />
Realismus herangezogen worden ist: im Gegensatz zum naiven Realismus<br />
weiß <strong>der</strong> Kritische Realismus ja um die Bedeutung des Subjektes im Forschungsprozess.<br />
Polanyis objektorientierte Unterscheidung von Verifikation<br />
und Validation von Wissen berücksichtigt <strong>der</strong> Kritische Realismus allerdings<br />
nicht, ein weiterer Grund, ihn so zu modifizieren, dass er dem Unterschied<br />
Rechnung tragen kann.<br />
Der Schlussteil <strong>der</strong> Arbeit vergleicht die Idee eines Kritischen Realismus mit<br />
den Grundannahmen und wesentlichen Themen des deutschsprachigen<br />
Gesprächs zwischen Theologie und Naturwissenschaft. Ein Thema in Kapitel 8<br />
ist die Auseinan<strong>der</strong>setzung um ein angemessenes Zeitverständnis, wie es von<br />
A.M.K. Müller im Anschluss an Carl Friedrich von Weizsäcker und Georg<br />
Picht entwickelt worden ist. Dieses konvergiert mit Eberhard Jüngels Betonung<br />
<strong>der</strong> Möglichkeit vor <strong>der</strong> Wirklichkeit. Es ist zu fragen, wie sich Müllers<br />
Zeitverständnis zum Kritischen Realismus verhält und wie die Autoren, die<br />
diesen unterstützen, mit dem Thema Zeit umgehen.<br />
Abschließend soll diskutiert werden, ob <strong>der</strong> Kritische Realismus zu Viktor<br />
von Weizsäckers Einblicken in die Einheit von Wahrnehmung und Bewegung<br />
in Beziehung gesetzt werden kann (Kapitel 9). Lebendes zu erforschen heißt<br />
demnach sich am Leben zu beteiligen, wesentlich ist hier die Einführung des<br />
Subjektes in den Erkenntnisprozess. Dies korreliert mit <strong>der</strong> Einsicht meines<br />
Konstruktiv-Kritischen Realismus, nachdem das Subjekt nicht nur im Forschungsprozess<br />
eine Rolle spielt, son<strong>der</strong>n mehr noch die Wirklichkeit im<br />
Zusammenspiel mit den Forschern konstruktiv gestaltet werden muss. Das<br />
Modell Viktor von Weizsäckers wurde als den Gegensatz zwischen Nominalis-<br />
© 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen<br />
ISBN Print: 9783525563663 — ISBN E-Book: 9783647563644