Leseprobe - OGST.at
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Roland Schaffer<br />
Die Volkswehr<br />
in der Steiermark<br />
1918 - 1920<br />
1
© 2012 by Österreichischer Milizverlag Salzburg. Verlagsanschrift: Kom mandoge bäu de<br />
Rie denburg, Moosstraße 1-3, 5010 Salzburg. Alle Rechte vorbehalten. Ohne schriftliche<br />
Ge nehmigung des Verlags darf kein Teil dieses Buches elektronisch, fotomechanisch oder<br />
in anderer Form vervielfältigt, bearbeitet, gespeichert oder über setzt<br />
werden.<br />
Erfüllungsort und Gerichtsstand ist Salzburg.<br />
Druck: Didi Jicha Printmanagement, Auerspergstraße 10, 5010 Salzburg.<br />
ISBN 978-3-901185-47-2<br />
2<br />
Geschichte der Steiermark:<br />
Sie lehre Dich der Väter Wert zu sein!
Inhaltsverzeichnis<br />
1. Vorwort .................................................................................................4<br />
2. Die Steiermark 1918 – Am Weg zum Frieden? .................................6<br />
2.1. Die Zeit des Umbruches und der Unruhen<br />
(Oktober – November 1918) ..........................................................7<br />
2.2. Ein neues Militär entsteht – Die Volkswehr ................................17<br />
2.3. Unruhen an der südsteirischen Grenze ........................................30<br />
3. Erste Bewährungsproben und weiterer Ausbau<br />
der Volkswehr .....................................................................................37<br />
3.1. Radkersburger „Bauernaufstand“ ................................................42<br />
3.2. „Grazer Samstag“ ........................................................................47<br />
3.3. Weiterer Ausbau der Volkswehr ...................................................54<br />
4. Der Schutz der steirischen Grenzen .................................................63<br />
4.1. Grenzschutz Süd ..........................................................................66<br />
4.2. Grenzschutz Ost ...........................................................................71<br />
4.3. Grenzschutz Nord ........................................................................82<br />
4.4. Beobachtung des Grenzraumes im Westen ..................................85<br />
5. Sta<strong>at</strong>svertrag von Saint Germain .....................................................88<br />
6. Von Deutschösterreich zu Österreich .............................................102<br />
7. Von der Volkswehr zum neuen Heer .............................................. 113<br />
8. Allgemeines .......................................................................................124<br />
9. Zusammenfassung ...........................................................................142<br />
10. Quellen- und Liter<strong>at</strong>urverzeichnis .................................................145<br />
10.1. Ungedruckte Quellen .................................................................145<br />
10.2. Gedruckte Quellen .....................................................................146<br />
10.3. Liter<strong>at</strong>ur .....................................................................................146<br />
11. Anhang ..............................................................................................153<br />
3
1. Vorwort<br />
4<br />
Humoristisches […]<br />
Zwei Freunde treffen sich auf der Straße, da fragt der eine den anderen:<br />
„Hör mal‘, was machst du am Sonntag?“ –<br />
„Eine Reise um Deutschösterreich.“ –<br />
„Und was machst du nachmittags?“<br />
Murtaler Zeitung, 11. Oktober 1919, 7.<br />
Die Anfangseuphorie des Ersten Weltkrieges verschwand auch im Habsburgerreich<br />
kurz nach Kriegsbeginn. Politische Führung, Armee und Zivilbevölkerung<br />
wurden schon bald von der Realität und Brutalität des Krieges eingeholt. 1918 war<br />
auch dieser Krieg verloren. Aus der Sicht Deutschösterreichs blieb von einem großen<br />
Reich nur mehr der Rest eines Weltreiches übrig. Zu Hunger und Armut kamen<br />
für die Bevölkerung jetzt auch noch Plünderungen und Unruhen, gegen welche sich<br />
die einzelnen Gemeinden mit eigenen Wehrverbänden behalfen.<br />
Nun stellte sich die Frage, wie der neue Sta<strong>at</strong> Deutschösterreich auf diese – völlig<br />
veränderte – Situ<strong>at</strong>ion reagieren würde. Wie reagieren die Länder? Welche Initi<strong>at</strong>iven<br />
wurden zur Aufstellung eines sta<strong>at</strong>lichen (oder länderorientierten?) Heeres<br />
unternommen?<br />
Betrachtet wird in der vorliegenden Arbeit der Bogen von der Auflösung der „alten<br />
Armee“ und parallelen Aufstellung der Volkswehr bis zu ihrer Wiederauflösung<br />
und Aufstellung bzw. Überleitung in das Österreichische Bundesheer der Ersten<br />
Republik. Beinahe untrennbar mit der Entwicklung der Volkswehr verbunden, waren<br />
die Entstehung und der Ausbau der Heimwehr sowie der Wachabteilungen der<br />
Steiermark. Auch diese werden in der vorliegenden Arbeit – immer in Anbetracht<br />
ihrer Verbindungen zur Volkswehr in der Steiermark – kurz dargestellt.<br />
Diese Arbeit soll jedoch nicht nur ein kleiner Beitrag zur österreichischen Militärgeschichte<br />
sein. Es war vor allem ein Anliegen, die Darstellung der Entwicklung<br />
des Heeres eng mit einer Betrachtung der steirischen Landesgeschichte zu sehen.<br />
Dabei kann der große parteipolitische Einfluss nicht außer Acht gelassen werden.<br />
Viele Jahre waren (Deutsch-)Österreicher, Ungarn, Slowenen und andere Völker<br />
unter der Habsburgerkrone vereint. Das Ziehen der neuen Grenzen und die damit<br />
aufkeimenden bzw. verstärkten Konflikte zwischen den einzelnen Bevölkerungsgruppen<br />
gipfelten in bewaffneten Konflikten. Daher wurden eigene Grenzschutzeinheiten<br />
der Volkswehr aufgestellt, welche hier beleuchtet werden. Ebenfalls gab<br />
es innerhalb Deutschösterreichs zahlreiche Konflikte und Differenzen. Nicht nur<br />
gegen die neuen Nachbarländer, sondern auch gegen Niederösterreich und Kärnten
wurde ein Grenzschutz aufgestellt.<br />
Ein weiteres Spannungsfeld bot das Verhältnis zwischen der Volkswehr als<br />
„sta<strong>at</strong>liche“, sowie den Heimwehren als „örtlich organisierte“ paramilitärische Organis<strong>at</strong>ionen.<br />
Damit verbunden ist das Verhältnis der Volkswehr zur Zivilbevölkerung.<br />
Waffenlieferungen, Verhalten bei Demonstr<strong>at</strong>ionen und dergleichen seien hier<br />
nur als Schlagwörter angeführt.<br />
Zur Quellen- und Forschungslage muss angeführt werden, dass die bisherigen<br />
Studien über die Volkswehr der Steiermark kaum behandelt haben. Darstellungen der<br />
(Deutsch-)österreichischen Einheiten sind etwa bei Karl Glaubauf „Die Volkswehr<br />
1918-1920 und die Gründung der Republik“ nachzulesen. Andere Bundesländer –<br />
allen voran die Studien über die Volkswehr und die „Rote Garde“ in Wien – werden<br />
in zahlreichen Aufsätzen näher beleuchtet. Eine militärhistorische Würdigung der<br />
Steiermark in den Jahren 1918-1920 wurde bisher jedoch nicht durchgeführt.<br />
Die vorliegende Arbeit ist 2004 an der Geisteswissenschaftlichen Fakultät der<br />
Karl-Franzens-Universität Graz als Dissert<strong>at</strong>ion unter dem Titel „Die Volkswehr in<br />
der Steiermark“ eingereicht worden. Neben der allgemeinen Liter<strong>at</strong>ur wurde vor allem<br />
der umfangreiche Aktenbestand des Österreichischen Sta<strong>at</strong>sarchivs bearbeitet.<br />
Zum Abschluss sei an dieser Stelle Dank ausgesprochen, all jenen Damen und<br />
Herren, welche mich bei der Erstellung dieser Arbeit unterstützt haben. Dieter Anton<br />
Binder, der mit seiner Unterstützung und wissenschaftlichen Ber<strong>at</strong>ung wesentlichen<br />
Anteil am Zustandekommen dieses Buches h<strong>at</strong>te. Manfred Weißenbacher h<strong>at</strong> mit Akribie<br />
die Dissert<strong>at</strong>ion korrigiert. Meinen Eltern danke ich besonders für die Unterstützung,<br />
die sie mir jederzeit zukommen ließen. Diese Ausführungen hätte ich jedoch<br />
nicht ohne den Rückhalt meiner G<strong>at</strong>tin Maria Schaffer abschließen können.<br />
Roland Schaffer<br />
5
2. Die Steiermark 1918 – Am Weg zum Frieden?<br />
Das drohende Scheitern der Friedensverhandlungen von Brest-Litowsk, die weiteren<br />
Kürzungen der Lebensmittelr<strong>at</strong>ionen und die vorherrschende Kriegsmüdigkeit<br />
führten zu den sogenannten „Jännerstreiks“ im Jänner 1918. Nach dem Ausbruch<br />
zahlreicher Proteste in Graz griffen diese rasch auf die steirischen Industriegebiete<br />
(unter anderem auf Kapfenberg, Aflenz, Donawitz, Eisenerz, Judenburg oder Liezen)<br />
über. 1 Den Höhepunkt bildete eine Protestkundgebung auf dem Grazer Hauptpl<strong>at</strong>z<br />
am 20. Jänner 1918 an der zirka 40.000 2 Menschen teilnahmen. Viele davon stimmten<br />
dabei der „Vier-Punkteerklärung“ der österreichischen Arbeiterbewegung zu. 3<br />
Am 19. März 1918 kam es bereits zur Bildung des ersten Grazer Volkstages,<br />
wobei die Forderung nach einem Ausbau des Bündnisses zum deutschen Reich erhoben<br />
wurde. Der Wunsch nach neuen Ernährungs- und Wirtschaftsprogrammen<br />
stellte das Hauptanliegen bei der Konstituierung des ersten Brucker Volkstages am<br />
7. Juli 1918 dar.<br />
Ende Frühjahr 1918 stand der Ausgang des Ersten Weltkrieges noch „auf des<br />
Messers Schneide“. Die Mittelmächte konnten im Frieden von Brest-Litowsk einen<br />
Sieg über das, durch die Erste Revolution destabilisierte Russland erreichen.<br />
Vielfach glaubte der Generalstab der Mittelmächte den Krieg noch gewinnen zu<br />
können. Dieser Glauben wurde spätestens im Juli 1918 von der Realität eingeholt.<br />
Nach der mißglückten Julioffensive der österreichisch-ungarischen Armee begann<br />
endgültig das Ende der Armee und des Habsburgerreiches.<br />
Am 26. September proklamierte Masaryk den selbstständigen tschechoslowakischen<br />
Sta<strong>at</strong>. Wenige Tage später, am 6. Oktober, tr<strong>at</strong> in Agram der N<strong>at</strong>ionalr<strong>at</strong><br />
der Slowenen, Kro<strong>at</strong>en und Serben zusammen um den SHS-Sta<strong>at</strong> zu begründen.<br />
Nach der Abspaltung Rumäniens wurde auch ein eigenständiger polnischer Sta<strong>at</strong><br />
ausgerufen. Die noch von Kaiser Karl I. eingesetzte ungarische Regierung des Grafen<br />
Michael Karolyi erklärte am 31. Oktober 1918 die Selbständigkeit des Landes<br />
außerhalb der Monarchie.<br />
1 Vgl.: Hinteregger, Die Steiermark, 10.<br />
2 Hinteregger, Die Steiermark, 13.<br />
3 Dabei handelte es sich um die Forderungen nach einem sofortigen Friedensschluß, einer Reorganis<strong>at</strong>ion<br />
des Ernährungswesens, der Einführung des allgemeinen Wahlrechts und mehr Rechte für die Arbeiter.<br />
6
2.1. Die Zeit des Umbruches und der Unruhen<br />
(Oktober – November 1918)<br />
Die darniederliegende Wirtschaft und die rasche militärische Entwicklung führten<br />
in der Steiermark zu Diskussionen über die Zukunft. So forderte zum Beispiel die<br />
Industriellenvereinigung eine Volksvertretung für alle Berufsstände. An den Zusammenkünften<br />
von steirischen Industriellen sowie Delegierten der Arbeiterschaft nahmen<br />
unter anderem die späteren Wirtschaftskommissäre Arnold Eisler, Viktor Wutte<br />
oder Reinhold Machold teil.<br />
In Wien beriet Kaiser Karl I. mit seinem Stab über die Zukunft des Landes. „Am 12.<br />
Oktober 1918 empfing der Kaiser von Österreich im Standort des Armeeoberkommandos<br />
die Parteiführer aller N<strong>at</strong>ionen des Abgeordnetenhauses um ihre Meinung zu erfahren,<br />
wie sie sich die Bildung der n<strong>at</strong>ionen Sta<strong>at</strong>en Österreichs vorstellen […].“ 4 Doch<br />
auch diese Besprechung mit Ministerpräsidenten Max von Hussarek und 32 Vertretern<br />
aller Parteien ging ohne Ergebnis zu Ende.<br />
Am 16. Oktober 1918 erließ Kaiser Karl I. das Völkermanifest „An meine getreuen<br />
österreichischen Völker!“ 5 Mit diesem Rettungsversuch wollte der Kaiser<br />
die Einheit des Reiches erhalten. „Meine Regierung ist beauftragt, zum Neuaufbau<br />
Österreichs ohne Verzug alle Arbeiten vorzubereiten. An die Völker, auf deren<br />
Selbstbestimmung das neue Reich sich gründen wird, ergeht mein Ruf, an dem großen<br />
Werke durch N<strong>at</strong>ionalräte mitzuwirken, die – gebildet aus den Reichstagsabgeordneten<br />
jeder N<strong>at</strong>ion – die Interessen der Völker zueinander sowie im Verkehre mit<br />
meiner Regierung zur Geltung bringen sollen.“ 6 Doch dieses Manifest kam viel zu<br />
spät. „Der Wortlaut des Manifestes bestätigt, dass auch jetzt wieder die alte österreichische<br />
Devise gilt: Zu spät und halb.“ 7 Der Zerfall der Monarchie konnte nicht<br />
mehr aufgehalten werden. Das Manifest beschleunigte ihn nicht nur, es besiegelte<br />
ihn regelrecht. Die N<strong>at</strong>ionalitäten der Habsburgermonarchie wurden zu eigenständigen<br />
Sta<strong>at</strong>strägern, „zum Neuaufbau Österreichs“ zeigten die neu entstehenden<br />
Einzelsta<strong>at</strong>en kaum mehr Interesse.<br />
Mit dem Völkermanifest erfüllte Karl auch eine Forderung der US-Amerikaner<br />
(Selbstbestimmungsrecht der Völker). Doch der Wunsch nach einer Föder<strong>at</strong>ion der Kronländer<br />
unter der Hoheit des Kaisers kam zu spät. Karl „erlaubte“ damit bestenfalls einen<br />
Umbruch, welcher ihm selbst aus der Kontrolle geriet.<br />
Gleichzeitig mit dem „Völkermanifest“ erließ Karl auch einen Befehl an die<br />
Armee und die Flotte, wobei er seiner Hoffnung der Bildung eines gemeinsamen<br />
Bundessta<strong>at</strong>es Ausdruck verlieh: „Den Wünschen aller Völker Österreichs entsprechend,<br />
erfolgt ihr Zusammenschluß in n<strong>at</strong>ionale Sta<strong>at</strong>en, vereint in einem Bundessta<strong>at</strong>.<br />
[…] In diesem bedeutungsvollem Augenblick wende ich mich an Armee und<br />
4 ÖStaA/AdR, BMLV/07, SchrGeschdÖBH, Ereignisse, 1.<br />
5 Arbeiterwille, 18 10 1918, 1.<br />
6 Arbeiterwille, 18 10 1918, 1.<br />
7 Arbeiterwille, 18 10 1918, 1.<br />
7