10.08.2013 Aufrufe

KINDELSBERG- TURM - Ferndorf

KINDELSBERG- TURM - Ferndorf

KINDELSBERG- TURM - Ferndorf

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

„Das Fräulein vom Kindelsberg“<br />

Zu Kindelsberg auf dem hohen Schloß<br />

steht eine alte Linde.<br />

Von vielen Ästen kraus und groß,<br />

sie saust am kühl‘gen Winde.<br />

Da steht ein Stein, ist breit, ist groß,<br />

gar nah an dieser Linde,<br />

ist grau und rauh von altem Moos,<br />

steht fest im kühl‘gen Winde.<br />

Da schläft eine Jungfrau den traurigen Schlaf,<br />

die treu war ihrem Ritter,<br />

das war von der Mark ein edler Graf,<br />

ihr wurde das Leben bitter.<br />

Er war mit dem Bruder ins weite Land<br />

zur Ritterfehde gegangen,<br />

er gab der Jungfrau die eiserne Hand,<br />

sie weinte mit Verlangen.<br />

Die Zeit, die war nun lang vorbei,<br />

der Graf kam immer nicht wieder,<br />

mit Sorg‘ und Tränen mancherlei<br />

saß sie bei der Linde nieder.<br />

Da kam der junge Rittersmann<br />

auf seinem schwarzen Pferde,<br />

der sprach die Jungfrau freundlich an,<br />

ihr Herze er stolz begehrte.<br />

Die Jungfrau sprach: Du kannst mich nie<br />

zu deinem Weiblein haben,<br />

wenn‘s dürr ist, das grüne Lindlein hie,<br />

dann will ich dein Herze laben.<br />

Die Linde war noch jung und schlank,<br />

der Ritter sucht‘ im Lande<br />

ein‘ dürre Lind‘ so groß, so lang,<br />

bis er sie endlich fande.<br />

8<br />

Er ging wohl in dem Mondenschein,<br />

grub aus die grüne Linde.<br />

Und setzt die dürre dahinein,<br />

belegt‘s mit Rasen geschwinde.<br />

Die Jungfrau stand des Morgens auf,<br />

am Fenster war‘s so lichte.<br />

Des Lindleins Schatten spielt‘ nicht drauf,<br />

schwarz ward‘s ihr vor dem Gesichte.<br />

Die Jungfrau lief zur Linde hin,<br />

setzt‘ sich mit Weinen nieder,<br />

der Ritter kam mit stolzem Sinn,<br />

begehrt ihr Herze wieder.<br />

Die Jungfrau sprach in großer Not:<br />

Ich kann dich nimmer lieben !<br />

Der stolze Ritter stach sie tot,<br />

das tät den Graf betrüben.<br />

Der Graf kam noch denselben Tag,<br />

er sah mit traurigem Mute,<br />

wie da bei dürrer Linde lag<br />

die Jungfrau in rotem Blute.<br />

Er machte da ein tiefes Grab,<br />

der Braut zum Ruhebette,<br />

und sucht‘ eine Linde bergauf und -ab,<br />

die setzt‘ er an die Stätte.<br />

Und einen großen Stein dazu,<br />

der stehet noch im Winde,<br />

da schläft die Jungfrau in guter Ruh,<br />

im Schatten der grünen Linde.<br />

von Johann Heinrich Jung (1740-1817)<br />

- genannt Jung-Stilling -<br />

überlieferte oder gebildete Sage

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!