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„Arbeitszeitverlängerung: Der falsche Weg“ - Arbeitskammer des ...

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<strong>„Arbeitszeitverlängerung</strong>:<br />

<strong>Der</strong> <strong>falsche</strong> <strong>Weg“</strong><br />

Beschäftigungssicherung durch<br />

Betriebsvereinbarung<br />

- Redemanuskript -<br />

Rüdiger Zakrzewski<br />

Vorsitzender <strong>des</strong> Vorstan<strong>des</strong><br />

der <strong>Arbeitskammer</strong> <strong>des</strong> Saarlan<strong>des</strong>


Liebe Kolleginnen und Kollegen aus den Betrieben<br />

Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Gäste<br />

Saarbrücken, 21.04.2005<br />

Ich möchte Euch heute hier im Namen der Gastgeber, der<br />

<strong>Arbeitskammer</strong> <strong>des</strong> Saarlan<strong>des</strong>, dem DGB-Saar und den vier<br />

saarländischen IG Metall Verwaltungsstellen, ganz herzlich begrüßen.<br />

Wir freuen uns sehr, dass so viele unserer Einladung zu einem<br />

hochaktuellen und interessanten Thema gefolgt sind. Besonders<br />

begrüße ich dabei den 2.Vorsitzenden der IG Metall, Berthold Huber.<br />

Berthold, schön, dass Du heute den Weg zu uns ins Saarland gefunden<br />

hast.<br />

Wichtig ist es mir außerdem, den weiteren Hauptreferenten <strong>des</strong><br />

heutigen Morgens, Prof. Gerhard Bosch noch einmal zu gesondert zu<br />

begrüßen. Er ist Vizepräsident <strong>des</strong> Instituts für Arbeit und Technik in<br />

Gelsenkirchen, das sich in der Vergangenheit sehr intensiv mit Fragen<br />

der Arbeitzeit beschäftigt hat.<br />

Bevor ich das Wort an die beiden Redner übergebe, möchte ich selbst<br />

noch ein paar Worte zu unserer heutigen Thematik sagen.<br />

Bereits bei den ersten Überlegungen, Arbeitszeit zum wiederholten<br />

Male auf die Tagesordnung eines <strong>Arbeitskammer</strong>-Forums zu setzen,<br />

waren wir uns darüber im Klaren, dass dies ein Thema ist, das in den<br />

Betrieben auf den Nägeln brennt. Während der Tagungsvorbereitung<br />

zeigte sich, dass die Arbeitszeitdiskussion von Woche zu Woche<br />

immer heftiger geführt wurde. Wir liegen also mit unserer<br />

Veranstaltung quasi voll im Trend.<br />

Lasst mich - bevor ich auf das aktuelle Geschehen Bezug nehme -<br />

kurz auf die Entwicklung der letzten Jahre zurück blicken: Jahrelang<br />

war die Diskussion um die Arbeitszeit geprägt von Verhandlungen<br />

darüber, wie man sie verkürzen und damit besser auf die<br />

Beschäftigten verteilen kann. Im Zuge <strong>des</strong>sen setzte die IG Metall im<br />

Geltungsbereich ihrer Tarifverträge die 35 Stundenwoche durch. Sie


wird in den Betrieben der Metall- und Elektroindustrie umgesetzt,<br />

kombiniert mit vielerlei Möglichkeiten der flexiblen Handhabung und<br />

begrenzten Erhöhung der wöchentlichen Arbeitzeit, z.B. durch die<br />

Euch bekannte 13% Regelung. Darüber hinaus werden mit<br />

Zustimmung der Arbeitnehmervertreter die unterschiedlichsten<br />

Formen der Arbeitszeitkonten praktiziert, die kurzfristige und auch<br />

längerfristige Veränderungen der wöchentlichen Arbeitszeiten<br />

möglich machen.<br />

Zusätzlich zu diesen im Manteltarifvertrag geregelten Einzelheiten<br />

wurde in unserem Bezirk im März letzten Jahres eine<br />

Tarifvereinbarung zur Wettbewerbsfähigkeit und Standortsicherung<br />

abgeschlossen. Diese Vereinbarung ermöglicht es, ergänzende bzw.<br />

abweichende, befristete Tarifregelungen zu vereinbaren, wenn dies<br />

von den verhandelnden Parteien für notwendig erachtet wird. Dazu<br />

gehört beispielsweise die unter bestimmten Umständen mögliche<br />

Ausweitung der oben genannten 13% Quote, also eine Vergrößerung<br />

<strong>des</strong> Anteils derjenigen, die regelmäßig bis zu 40 Stunden arbeiten.<br />

Parallel dazu regelt die Vereinbarung, dass die Möglichkeiten, die<br />

Arbeitzeitkonten bieten, ausgeschöpft werden und bei dauerhaft<br />

zusätzlichem Arbeitsvolumen Neueinstellungen getätigt werden.<br />

Warum erkläre ich das alles einem Publikum, das diese Regelungen<br />

vermutlich im Detail kennt?<br />

Kurz gesagt: Um dem immer wieder zu hörenden Vorwurf zu<br />

begegnen, die Gewerkschaften und damit oft auch die Belegschaften<br />

seien zu unflexibel, würden sich den wirtschaftlichen Realitäten<br />

verschließen und seien letztlich mitverantwortlich für die hohe<br />

Arbeitslosigkeit. Unser Wirtschaftsminister Dr. Georgi hat sich mit<br />

solchen Äußerungen erst vor kurzem hervor getan – nicht ohne den<br />

entsprechenden Sturm von der Arbeitnehmerseite dafür zu ernten. Ich<br />

brauche das hier eigentlich nicht gesondert zu erklären, aber trotzdem<br />

noch einmal die Feststellung: Wer sich die betrieblichen Regelungen<br />

ansieht, der weiß genau: Ohne das regulierende Eingreifen der<br />

Gewerkschaften zusammen mit den Belegschaften sähe die Situation<br />

im Saarland in vielen Branchen noch viel düsterer aus. Ich nenne hier<br />

nur das Beispiel der Stahlindustrie. Vor diesem Hintergrund waren die


Äußerungen <strong>des</strong> Wirtschaftsministers geradezu ein Schlag ins Gesicht<br />

aller an der Mitbestimmung Beteiligten. Dies sieht im übrigen auch<br />

der Arbeitgeberverband so. Er drückt sich nur etwas vornehmer aus.<br />

Zum Stichwort wirtschaftliche Realität: Wie Ihr alle wisst, ist die<br />

konjunkturelle Lage seit geraumer Zeit angespannt. Ich nenne hier nur<br />

die Stichworte verstärkter internationaler Konkurrenzdruck,<br />

Abwanderungsdrohungen der Betriebe in Billiglohnländer, schwache<br />

Binnennachfrage in bestimmten Branchen. Gleichzeitig aber boomen<br />

gerade Betriebe, die für den Export produzieren teilweise in<br />

ungeahntem Maße. Nichts <strong>des</strong>to trotz reden plötzlich fast alle<br />

Arbeitgeber und selbst ernannte Experten von notwendiger<br />

flächendeckender Arbeitszeitverlängerung. Diese soll angeblich die<br />

Wettbewerbsfähigkeit erhöhen. Tatsächlich sollen damit verdeckte<br />

Lohnsenkungen umgesetzt werden. <strong>Der</strong> Flexibilisierungsspielraum<br />

innerhalb der Betriebe wird gleichzeitig extrem eingeschränkt und<br />

letztlich wird weniger Personal gebraucht.<br />

Würde man die Arbeitszeit im Saarland flächendeckend um 2 Stunden<br />

pro Woche erhöhen, so würde dies nach unseren Berechnungen einen<br />

„Weniger-Bedarf“ von insgesamt rund 33.000 Arbeitsplätzen<br />

bedeuten, wenn die Wertschöpfung von heute an betrachtet<br />

unverändert bliebe. Zusätzliche Arbeitsplätze würden hingegen erst<br />

dann entstehen, wenn die Produktion um mehr als 7,8% zulegen<br />

würde – eine Annahme, die höchst unrealistisch ist. Wenn dies – der<br />

Arbeitsplatzabbau von 33.000 Arbeitsplätzen - das Ergebnis von<br />

flächendeckender Arbeitszeitverlängerung ist, dann müssen und<br />

werden wir mit aller Vehemenz dagegen eintreten!<br />

Den vorläufigen Höhepunkt fand die Auseinandersetzung um die<br />

Rolle der Gewerkschaften und die Arbeitzeit im März, als der<br />

saarländische Wirtschaftsminister in der Presse äußerte, die<br />

Arbeitszeiten im Saarland seien generell mit die kürzesten in<br />

Deutschland und gleichzeitig die Löhne höher als im Durchschnitt.<br />

Dies sind Behauptungen, die schlicht und einfach falsch sind. Das<br />

stellte bereits die Saarbrücker Zeitung ganz sachlich fest.


Die Wochenarbeitszeit der Vollzeitbeschäftigten im saarländischen<br />

Produzierenden Gewerbe ist mit 38,3 Stunden so hoch wie in keinem<br />

anderen westlichen Bun<strong>des</strong>land. Ebenso gilt, dass das Saarland bei der<br />

tatsächlich geleisteten Jahresarbeitszeit, also einschließlich aller<br />

Feiertage, Krankheitstage usw., in der Spitzengruppe der<br />

Bun<strong>des</strong>länder liegt. Wir leisten mit Abstand die meisten<br />

Mehrarbeitsstunden aller Bun<strong>des</strong>länder. Wenn man diese<br />

Feststellungen so hört, muss man sich ernsthaft fragen, was der<br />

Wirtschaftsminister und andere eigentlich noch wollen! Sie sollten<br />

doch wenigstens die betriebliche Wirklichkeit in unserem Bun<strong>des</strong>land<br />

endlich zur Kenntnis nehmen und nicht einen solchen Unsinn<br />

erzählen. Wer so wider besseren Wissens redet, schadet dem<br />

Wirtschaftsstandort Saarland – und das ist eigentlich nicht Aufgabe<br />

eines Wirtschaftsministers.<br />

Ebenso wenig nachzuvollziehen ist die Behauptung, die<br />

Saarländer/innen würden zu viel verdienen. Seit Jahren – um nicht zu<br />

sagen seit Jahrzehnten – beobachtet die <strong>Arbeitskammer</strong> die<br />

Lohnentwicklung im Saarland im Vergleich zum Bun<strong>des</strong>gebiet. Und<br />

kommt immer zu dem gleichen Ergebnis: Die Löhne im Saarland<br />

liegen deutlich unter dem Bun<strong>des</strong>niveau. Auch dies ist eigentlich<br />

unumstritten. Noch Ende der 90er wurde der Lohnrückstand von 10<br />

bis 20 Prozent sogar als positiver Standortfaktor in der Werbung für<br />

das Saarland von der IHK gelobt – wer damals ihr<br />

Hauptgeschäftsführer war, wissen alle.<br />

In diesem Zusammenhang noch ein Hinweis: Bei dieser unnötigen,<br />

weil standortschädigenden Diskussion geraten wirklich wichtige<br />

Themen völlig aus dem Blick, die im Zusammenhang mit der<br />

Arbeitszeitgestaltung dringend angesprochen gehören. Dies sind die<br />

Themenfelder Vereinbarkeit von Familie und Beruf bzw. die<br />

absehbare Alterung der Belegschaften. Es ist angesichts der<br />

demografischen Entwicklungen, die sich hier abzeichnen, absolut kein<br />

Luxus, sich diesen Themen stärker zuzuwenden. Bereits heute zeigen<br />

sich die Auswirkungen in den Betrieben - und damit in der<br />

Wirtschaftsentwicklung - insgesamt immer stärker. Das sind die<br />

Themen, um die sich ein Wirtschaftsminister kümmern muss. Statt<br />

<strong>des</strong>sen führt er unsinnige Diskussionen um Maßnahmen, die letztlich


die Arbeitsmarktsituation weiter verschärfen und nichts zur Lösung<br />

der wirklichen Zukunftsthemen beitragen.<br />

Ganz kurz noch einmal zum weiteren Ablauf <strong>des</strong> Tages: Durch die<br />

Veranstaltung wird Euch Prof. Heinz Bierbaum, der Leiter <strong>des</strong><br />

hiesigen Info-Instituts – den sicher viele von Euch kennen – begleiten.<br />

Bevor ich ihm das Wort übergebe, wünsche ich der Veranstaltung im<br />

Namen der Gastgeber von dieser Stelle aus einen guten Verlauf. Dabei<br />

bin ich mir sicher, dass wir heute Nachmittag nach Hause gehen<br />

werden mit der Erkenntnis: Eine generelle Arbeitszeitverlängerung ist<br />

der <strong>falsche</strong> Weg für die Zukunft!

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