BGH, Urteil vom 31. Mai 1960, BGHSt 14, 314 – Amanda ...
BGH, Urteil vom 31. Mai 1960, BGHSt 14, 314 – Amanda ...
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Universitäts-Repetitorium der Humboldt-Universität zu Berlin<br />
c) Taterfolg<br />
Umstritten ist jedoch, ob § 239 I StGB auch einen Taterfolg in dem Sinne<br />
voraussetzt, dass das Opfer von der Einsperrung gewusst hat und der aktuelle<br />
Wille zur Fortbewegung beeinträchtigt wurde oder ob die Beeinträchtigung<br />
der potentiellen Fortbewegungsmöglichkeit ausreicht. Hierzu werden<br />
im Wesentlichen drei Theorien vertreten:<br />
aa) Aktualitätstheorie<br />
Nach der Aktualitätstheorie liegt eine vollendete Freiheitsberaubung erst in<br />
dem Moment vor, in dem sich das Opfer tatsächlich fortbewegen will. §<br />
239 StGB schütze nämlich den natürlichen Willen des Opfers, den Aufenthaltsort<br />
zu ändern. Wer den Willen, sich wegzubewegen, nicht hat, kann<br />
auch nicht seiner Fortbewegungsfreiheit beraubt werden. Nach dieser Theorie<br />
müsste eine Bestrafung Manfreds aus dem vollendeten Delikt mithin<br />
ausscheiden, da Petra das Zimmer nicht verlassen wollte.<br />
bb) Potentialitätstheorie<br />
Demgegenüber geht die Potentialitätstheorie von einem umfassenden Schutz<br />
des § 239 StGB aus, so dass weder ein aktueller Fortbewegungswille noch<br />
ein entsprechendes Bewusstsein des Opfers erforderlich ist. § 239 StGB<br />
schütze bereits die potentielle Fortbewegungsfreiheit, gleichgültig, ob sich<br />
das Opfer gar nicht fortbewegen will bzw. seine Lage gar nicht bemerkt.<br />
Folgte man dieser Auffassung, wäre der objektive Tatbestand der Freiheitsberaubung<br />
erfüllt.<br />
cc) Aktualisierbarkeitstheorie<br />
Die vermittelnde Aktualisierbarkeitstheorie verlangt eine Situation, in der<br />
das Opfer seinen potentiell vorhandenen Fortbewegungswillen jederzeit<br />
aktualisieren könnte, selbst wenn es die Lage tatsächlich nicht bemerkt hat.<br />
Begründet wird diese Theorie damit, dass § 239 StGB denjenigen schützen<br />
soll, der seine persönliche Freiheit auch nutzen kann. Ist dies generell (z. B.<br />
bei Säuglingen) oder vorübergehend (z. B. bei Bewusstlosen) nicht der Fall,<br />
könne auch keine „potentielle“ Fortbewegungsfreiheit beeinträchtigt werden.<br />
Da Petra sich jederzeit hätte fortbewegen können, wäre auch nach<br />
Universitäts-Repetitorium der Humboldt-Universität zu Berlin / Strafrecht / Prof. Heinrich