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Uni on 58 - European University Viadrina Frankfurt (Oder)

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Tagungen 11<br />

[UNI<strong>on</strong>]<br />

1,2,3: meine Sprache, deine Sprache, unsere Sprache?<br />

Tagung mit Teilnehmern aus 40 Ländern zum Sprachgebrauch in mehrsprachigen Räumen<br />

Vom 10. bis 13. Juni 2010 trafen in <strong>Frankfurt</strong><br />

(<strong>Oder</strong>) über 40 Sprachwissenschaftler aus Europa<br />

und Amerika zusammen, um sich über Fragen<br />

des Sprachgebrauchs in mehrsprachigen Räumen<br />

auszutauschen. Unter diesem politisch wie gesellschaftlich<br />

aktuellen Thema versammelte die<br />

Tagung eine Vielzahl v<strong>on</strong> Wissenschaftlern aus<br />

verschiedenen sprach- und sozialwissenschaftlichen<br />

Disziplinen.<br />

Die Themenauswahl spiegelt das Anliegen der<br />

<strong>Frankfurt</strong>er Sprachwissenschaftler wider, neben<br />

den wissenschaftlichen Perspektiven nicht die<br />

gesellschaftspolitische Verantwortung der<br />

Sprachwissenschaft zu vernachlässigen. Nicht<br />

zuletzt deswegen thematisierte die Tagung<br />

sprachpolitische Fragen und Probleme des<br />

Sprachgebrauchs in mehrsprachigen Familien<br />

und gesellschaftlichen Instituti<strong>on</strong>en wie Schule<br />

und Medien. Damit steht die Tagung in der Traditi<strong>on</strong><br />

des v<strong>on</strong> Harald Weydt und Peter Rosenberg<br />

gegründeten Kolloquiums „Migrati<strong>on</strong> und Minderheiten“,<br />

dessen 64. Sitzung sie zugleich war.<br />

Am 10. Juni wurde die Tagung feierlich v<strong>on</strong> der<br />

Gastgeberin, Prof. Dr. K<strong>on</strong>stanze Jungbluth, eröffnet.<br />

Ab 11. Juni wurde dann in insgesamt acht<br />

Panels – die unter hervorragenden örtlichen Bedingungen<br />

im Collegium Pol<strong>on</strong>icum abgehalten<br />

wurden – zu den zahlreichen Themen der Vielsprachigkeit<br />

diskutiert.<br />

Zum Auftakt der Tagung wurden in den Panels<br />

zur Migrati<strong>on</strong>slinguistik und zum Sprachk<strong>on</strong>takt<br />

Phänomene beschrieben, wie sie beispielsweise<br />

durch Migrati<strong>on</strong>sbewegungen v<strong>on</strong> Sprechern<br />

verschiedener Sprachen entstehen. Harald Weydt<br />

(<strong>Frankfurt</strong>/<strong>Oder</strong>) verdeutlichte, dass in solchen<br />

Sprachsituati<strong>on</strong>en K<strong>on</strong>flikte nicht selten sind. Sie<br />

können aber ebenso kreative Kräfte in den Sprechergruppen<br />

freisetzen. Der Beitrag v<strong>on</strong> Jérôme<br />

Jaminet (Luxemburg) zur Perspektive des polyglotten<br />

Individuums machte dies ebenso deutlich<br />

wie die Vorträge zu verschiedenen Textformen<br />

v<strong>on</strong> Alexander Kartosia (Tbilissi und <strong>Frankfurt</strong>/<strong>Oder</strong>),<br />

Elena Gómez (Madrid) und Valéria<br />

Gomes (Recife). Wiltrud Mihatsch, Carolin Patzelt<br />

(beide aus Bochum) und Beata Grzeszczakowska-<br />

Pawlikowska (Łódz) fokussierten in ihren Beiträgen<br />

auf Effekte der Mehrsprachigkeit in den Bereichen<br />

Pragmatik und Ph<strong>on</strong>etik. Ebenso wurde<br />

in diesem K<strong>on</strong>text v<strong>on</strong> K<strong>on</strong>stanze Jungbluth<br />

(<strong>Frankfurt</strong>/<strong>Oder</strong>) die Funkti<strong>on</strong> v<strong>on</strong> Grenzen thematisiert.<br />

In den sprachlichen Äußerungen polyglotter<br />

Sprecher werden die Grenzen zwischen<br />

einzelnen Sprachen immer durchlässiger, manchmal<br />

sogar obsolet.<br />

An den Folgetagen widmeten sich drei Panels<br />

den durch Mehrsprachigkeit entstehenden<br />

Sprachk<strong>on</strong>taktphänomenen. Diskutiert wurde<br />

unter anderem der Status niederdeutscher Varietäten<br />

im norddeutschen Raum. Zahlreiche Ergebnisse<br />

des auch in <strong>Frankfurt</strong> (<strong>Oder</strong>) durchgeführten<br />

DFG-Forschungsprojektes „Sprachvariati<strong>on</strong> in<br />

Norddeutschland“ wurden präsentiert. Jens Phillipp<br />

Lanwer (Münster) und Kathleen Ziemann<br />

(<strong>Frankfurt</strong>/<strong>Oder</strong>) berichteten über den Gebrauch<br />

v<strong>on</strong> Plattdeutsch und Standarddeutsch in Norddeutschland.<br />

Martin Luginbühl (Zürich) zeigte<br />

FOTO: PRIVAT<br />

ähnliche Phänomene im Gebrauch v<strong>on</strong> Schweizerdeutsch<br />

und Standarddeutsch in den Schweizer<br />

Medien. Klaas-Hinrich Ehlers (<strong>Frankfurt</strong>/<strong>Oder</strong>)<br />

untersuchte in seinem Vortrag die historische Dimensi<strong>on</strong><br />

des Gebrauchs v<strong>on</strong> Standard und Varietäten<br />

in einer Mecklenburger Kleinstadt durch<br />

Vertriebene.<br />

Ein weiterer Fokus lag auf europäischen Minderheiten-<br />

und Regi<strong>on</strong>alsprachen. Sarah Dess-<br />

Schmid (Tübingen) und Jochen Hafner (München)<br />

stellten ihre Arbeiten zum Katalanischen in<br />

Italien vor; Nataša Tolimir-Hölzl (Berlin) sprach<br />

über Spracheinstellungen in der Republik Srpska;<br />

Natia Gogoladze-Hermani (Essen) zeigte Chancen<br />

und Widersprüche der sprachlichen Integrati<strong>on</strong><br />

in Georgien auf und Natalia Sender (<strong>Frankfurt</strong>/<strong>Oder</strong>)<br />

diskutierte den Status v<strong>on</strong> TrasjankasprecherInnen<br />

in Belarus. Ver<strong>on</strong>ika Ries (Bielefeld)<br />

analysierte die Sprache v<strong>on</strong> Russlanddeutschen.<br />

Schließlich gab Gëzim Xhaferri (Tetovo) einen<br />

Einblick in die K<strong>on</strong>flikte um das schulische<br />

Sprachenlernen in Mazed<strong>on</strong>ien. K<strong>on</strong>trovers wurde<br />

v<strong>on</strong> den anwesenden Schweizer, Luxemburger<br />

und georgischen Wissenschaftlern die Frage der<br />

Übertragbarkeit des Schweizer Modells der<br />

Sprachpolitik diskutiert. Ein weiteres Panel zur<br />

Thematik widmete sich Fallbeispielen zur K<strong>on</strong>taktsprache<br />

Türkisch. Christoph Schröder (Potsdam),<br />

Inke Du Bois (Vechta) und Yazgül Simsek<br />

(Potsdam) sprachen zum mündlichen und<br />

schriftlichen Sprachgebrauch türkischstämmiger<br />

Migranten in Deutschland. Sie zeigten zahlreiche<br />

Aspekte der typischen Jugendsprache und machten<br />

in der Diskussi<strong>on</strong> deutlich, dass die „Kanak<br />

Sprak“ analog zu anderen Jugendsprachen als relativ<br />

stabile Varietät des Deutschen gelten kann,<br />

die zwischen Stilisierung und adoleszentem<br />

Sprachgebrauch oszilliert.<br />

Die Teilnehmer der Tagung diskutierten darüber,<br />

welche Effekte Mehrsprachigkeit in der Schule<br />

haben kann. Karola Pitsch (Bielefeld)und Ira Gawlitzek<br />

sprachen über verschiedene Ansätze des<br />

zweisprachigen Unterrichts und thematisierten<br />

die speziellen Herausforderungen, die an ihn –<br />

nicht zuletzt zur optimalen Förderung der Schulkinder<br />

– gestellt werden. Mit ihrem Beitrag er-<br />

Teilnehmer der Tagung gut gelaunt auf Stati<strong>on</strong> am Bahnhof Finkenheerd.<br />

gänzte Hanna Pułaczewska (Łódz) die Diskussi<strong>on</strong><br />

um die polnische Perspektive. Ludmila Yushkova,<br />

(St. Petersburg) sprach zu Sprachbildungskompetenzen<br />

im medialen K<strong>on</strong>text.<br />

K<strong>on</strong>troverse Diskussi<strong>on</strong>en provozierten die letzten<br />

beiden Panels zum Spracherwerb in der Familie.<br />

Elke M<strong>on</strong>tanari (Koblenz) stellte ihre Arbeit<br />

zur sprachlichen Leistung v<strong>on</strong> mehrsprachigen<br />

Kindern im Bezug zum deutschen Genus und zur<br />

Artikelverwendung vor. Tanja Anstatt (Bochum),<br />

Oxana Rubcov (Tübingen) und Katharina Meng<br />

(Mannheim) berichteten über die spezifischen<br />

Probleme und Strategien v<strong>on</strong> zweisprachigen<br />

Kindern in russisch-deutschen Familien. Ein ganzes<br />

Panel, besetzt mit Marzena Schneider (Augsburg),<br />

Bogumiła Baumgartner (Regensburg) und<br />

Barbara Janczak (<strong>Frankfurt</strong>/<strong>Oder</strong>), widmete sich<br />

den Spezifika der Sprache in deutsch-polnischen<br />

Familien. Verschiedene Ansätze der mehrsprachigen<br />

Erziehung wurden lebendig diskutiert. Die<br />

Schwächen des oft vorgeschlagenen „Eine Pers<strong>on</strong>,<br />

eine Sprache“-Ansatzes wurden deutlich,<br />

insbes<strong>on</strong>dere, wenn eine reziproke Kompetenz<br />

der verwendeten Sprachen seitens der Eltern<br />

fehlt. Pragmatische Sprachverwendungsregeln,<br />

die sich an den Sprachkompetenzen aller Anwesenden<br />

orientieren, können v<strong>on</strong> Kindern ebenfalls<br />

erlernt werden, auch wenn der Erwerb dieser<br />

vergleichsweise komplexeren Regeln mehr<br />

Zeit beansprucht. Prestigeunterschiede zwischen<br />

den Sprachen spielen ebenfalls eine bedeutende<br />

Rolle, sodass eine abschließende Empfehlung an<br />

die Situati<strong>on</strong> angepasst werden müsste.<br />

Umrahmt wurde das wissenschaftliche Tagungsprogramm<br />

mit einem Grillabend an der <strong>Oder</strong>, einem<br />

feierlichen Abendessen und einer Bootstour<br />

auf dem Brieskower See und der <strong>Oder</strong>. Mit dem<br />

Mittagessen unter freiem Himmel fand die Tagung<br />

– auch dank der perfekten Organisati<strong>on</strong><br />

durch K<strong>on</strong>stanze Jungbluth, Barbara Janczak,<br />

Dagna Wilniewczyc und Iris Franke sowie zahlreicher<br />

studentischer Hilfskräfte – einen anregenden<br />

Ausklang.<br />

PROFESSUR FÜR SPRACHWISSENSCHAFT: DESKRIPTIVE<br />

LINGUISTIK UND INTERLINGUALE SOZIOLONGUISTIK

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