Jakub Kloc-Konkolowicz (Warszawa) Die Gelehrten zwischen dem ...
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Geben und Empfangen von Erkenntnissen, ist der eigentümliche Charakter der Menschheit“. 21 <strong>Die</strong><br />
Idee der Wechselwirkung <strong>zwischen</strong> den vernünftigen Wesen kann nur als Wechselwirkung durch<br />
das „Geben und Empfangen“ der Vorstellungen, Begriffen und Argumente verwirklicht werden. So<br />
gelangt Fichte an eigene Formulierung dessen, was heute gerne als „kommunikative Vernunft“<br />
beschrieben wird. Dahinten verbirgt sich die Einsicht Fichtes, dass die Personen nur mittelbar,<br />
durch Begriffe, auf sich gegenseitig Einfluss nehmen können, im Unterschied zu physischen<br />
Gegenständen, die sich unmittelbar abstoßen oder anziehen. <strong>Die</strong> Vernunfteinheit, die durch<br />
unterschiedliche und einseitige Entfaltung der Individuen gestört wurde, kann nur in Form einer<br />
solchen Kommunikationsstruktur wiederhergestellt werden. Der wichtigste Unterschied <strong>zwischen</strong><br />
den heutigen Komunnikationstheorien und <strong>dem</strong> Fichteschen Ansatz scheint dabei in <strong>dem</strong> von Fichte<br />
vorausgesetzten materiellen Wahrheitsbegriff zu bestehen, der von den meisten zeitgenössischen<br />
Theoretikern der „kommunikativen Vernunft“ nicht mehr akzeptiert wird.<br />
<strong>Die</strong> Bereitschaft zum „Geben und Empfangen“ muss eben bei <strong>dem</strong> <strong>Gelehrten</strong>stand am meistens<br />
entwickelt werden. Nun sollten wir aber genauer zusehen, wie dieses <strong>Gelehrten</strong>dialog konzipiert ist.<br />
Im System der Sittenlehre aus <strong>dem</strong> Jahre 1798 versucht Fichte zu erklären, wie zwei anscheinend<br />
entgegengesetzte Sätze zu vereinbaren sind: 22 einerseits soll ich meine eigene Meinung über Staat<br />
und Religion entwickeln, was ich – wie es sich im folgenden zeigt – nur durch Mitteilung und<br />
Austausch mit den Anderen erreichen kann, 23 andererseits jedoch darf ich diese Meinung nicht allen<br />
mitteilen, weil es gefährlich für die Staatsverfassung sein könnte (den Staat umzustürzen ist laut<br />
Fichte eine Tat gegen das Gewissen). 24 <strong>Die</strong> Lösung dieses Problems lautet: ich darf meine Meinung<br />
nur <strong>dem</strong> gelehrten Publikum vorstellen. <strong>Die</strong>ses beschreibt Fichte als eine „absolute Demokratie“, 25<br />
wo keine Meinung aufgezwungen werden kann und wo jeder Teilnehmer sich des gleichen Status<br />
erfreut. Gelehrte zu sein ist dabei, ebenso wie in Kantischer Schrift Was ist Aufklärung, keine<br />
exklusive Eigenschaft: man kann etwa einerseits seine Pflichten als Staatsfunktionär oder<br />
Kirchenbeamte ausüben, andererseits seine kritischen Bemerkungen zu den Institutionen des Staates<br />
oder der Kirche an das <strong>Gelehrten</strong>publikum richten. Es handelt sich hier um die<br />
Funktionsunterscheidung, welche Kant unter den Begriffen des privaten und öffentlichen<br />
Vernunftgebrauch aufgefasst hat, wobei der private Vernunftgebrauch den die Pflichten ausübenden<br />
Beamten auszeichnet, der öffentliche dagegen – den <strong>Gelehrten</strong>, mag es auch dieselbe Person (zu<br />
verschiedenen Zeiten) sein.<br />
21 J.G. Fichte, Grundlage des Naturrechts, Hamburg 1979, S. 39-40.<br />
22 Vgl.: Fichte, Sittenlehre, S. 244.<br />
23 Vgl.: Ebd., S. 242.<br />
24 Vgl.: Ebd., S. 235.<br />
25 Ebd., S. 248.