Leuchtfeuer und kleine Lichter - Evangelische Kirche Stuttgart
Leuchtfeuer und kleine Lichter - Evangelische Kirche Stuttgart
Leuchtfeuer und kleine Lichter - Evangelische Kirche Stuttgart
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Vogel: Das ist eine gute <strong>und</strong> heikle<br />
Frage. Ich würde sagen: Es gab hier<br />
eben diesen Kairos, also das Geschenk<br />
dieses Moments, in dem alles<br />
passte: das richtige Pfar rerspaar zur<br />
richtigen Zeit an der richtigen <strong>Kirche</strong>.<br />
Es ist nicht selbstverständlich, dass<br />
das hier einfach so weiter geht, wenn<br />
ich gehe.<br />
Ebinger: Und wenn ich die Ressourcen<br />
jetzt dem Projekt zuordne <strong>und</strong><br />
nicht der Person - das ist das<br />
Problem, das dahinter steht<br />
- dann laufe ich Gefahr: der<br />
nächste kommt, kann’s nicht so<br />
gut mit den Leuten, vergrätzt<br />
die Sponsoren, <strong>und</strong> dann kann so<br />
ein Angebot innerhalb von ein, zwei<br />
Jahren wieder auslaufen.<br />
Vogel: Deshalb würde ich auch nicht<br />
sagen, macht das noch 100 Jahre<br />
lang. Sondern eine Projektstelle auf<br />
sieben, acht Jahre, so dass man einen<br />
Horizont hat. Ich kann mein Projekt<br />
nicht einfach übertragen. Wir haben<br />
die „Nachtschicht“ hier peu à peu<br />
entwickelt. Sollen wir das absägen zu<br />
Lassen?<br />
Schon die Beatles wussten es: „Let it be!“ Profilbildung<br />
für <strong>Kirche</strong>ngemeinden bedeutet: nicht jede<br />
Gemeinde macht alles, sondern - insbesondere in der<br />
Stadt: Gemeinden spezialisieren sich. Extras, die sie<br />
im Angebot haben, machen sie gut. Anderes lassen<br />
sie bleiben, weil eine Nachbargemeinde es tut. „Tun<br />
<strong>und</strong> lassen mit Konzept“ heißt dementsprechend eine<br />
Handreichung der Landeskirche, die vor einigen Jahren<br />
erschienen ist.<br />
Aber gibt es sie wirklich? Gemeinden, die nicht nur<br />
neue Arbeit anfangen, sondern die Arbeitsbereiche<br />
ihrer Nachbargemeinde überlassen? Mir wurde ein<br />
Anruf bei Pfarrerin X. empfohlen: „Das ist eine <strong>kleine</strong><br />
<strong>Kirche</strong>ngemeinde, gut mit den Nachbargemeinden<br />
vernetzt“, wurde mir gesagt.<br />
Tatsächlich? „Ach nein, ich glaube, da sind wir nicht<br />
die Richtigen“, sagt die Kollegin. „Stimmt schon, wir<br />
sind eine <strong>kleine</strong> Gemeinde, <strong>und</strong> die Pfarrstelle wurde<br />
beim letzten Pfarrplan ver<strong>kleine</strong>rt. Wir arbeiten auch<br />
in gemeinsamen Projekten gut mit den Nachbargemeinden<br />
zusammen. Aber bei uns gibt es trotzdem<br />
alle Angebote, die es vorher gab, ja, wir fangen sogar<br />
Neues an. Es ist viel im Aufbruch <strong>und</strong> wächst vor Ort,<br />
was eben schwer nach außen verlegt werden kann.“<br />
Die Frage, ob sie wirklich nur 50 Prozent arbeitet,<br />
spare ich mir.<br />
einem Zeitpunkt, wo es noch nicht<br />
nötig wäre? Ich finde es besser, zu<br />
sagen: So lang es gut läuft, unterstütze<br />
ich das.<br />
Ebinger: Ich möchte noch einmal<br />
auf das <strong>Leuchtfeuer</strong>-Argument<br />
zurückkommen. Ich frage mich,<br />
ob es unterm Strich nicht mehr<br />
bringt, wenn viele Gemeinden viele<br />
Zweitgottesdienste feiern, wenn<br />
es also statt weniger besonderer<br />
Es ist wichtig, dass die <strong>Kirche</strong> auch mit<br />
Inhalten in der Presse kommt.<br />
<strong>Leuchtfeuer</strong> viele <strong>kleine</strong> <strong>Lichter</strong> gibt.<br />
Auch auf die Gefahr hin, dass diese<br />
nicht so medienwirksam sind. Der<br />
Medienerfolg ist ja trügerisch: Über<br />
die <strong>kleine</strong>n Sachen wird nicht so<br />
viel berichtet. Aber in der Summe<br />
erreichen die vielen <strong>kleine</strong>n <strong>Lichter</strong><br />
mindestens so viele Menschen.<br />
Vogel: Ich denke, es muss beides<br />
geben. Ich glaube nicht, dass es<br />
zukunftsträchtig wäre, wenn wir<br />
Zwei Telefonate<br />
Lassen!<br />
Profilierung von Gemeinden<br />
nur sagen würden: Jetzt machen<br />
wir maximale Versorgung der Ortsgemeinde,<br />
<strong>und</strong> dann seht, wie ihr<br />
zurechtkommt. Das gegenteilige Modell<br />
geht natürlich auch nicht, wenn<br />
wir sagen würden: Wir machen jetzt<br />
nur noch Profile.<br />
Was die Sache mit den Medien betrifft:<br />
Ich würde die Medienaufmerksamkeit<br />
nicht zu gering ein schätzen.<br />
Es ist wichtig, dass die <strong>Kirche</strong> auch<br />
mit Inhalten in die Presse kommt<br />
<strong>und</strong> nicht nur mit Austrittszahlen<br />
<strong>und</strong> Problemen<br />
mit Immobilien. Bei<br />
der „Nachtschicht“ ist die<br />
Werbung Teil des Projektes,<br />
<strong>und</strong> unsere Inhalte werden von<br />
der Öffentlichkeit wahrgenommen.<br />
So erreichen wir Menschen, die<br />
die <strong>Kirche</strong>ngemeinden sonst nicht<br />
erreichen.<br />
Fragen <strong>und</strong> Protokoll: cs<br />
Ein Anruf in Dürrlewang. „Na klar lassen wir manches<br />
bleiben, wir arbeiten in enger Abstimmung mit<br />
der Nachbargemeinde Rohr“, erzählt Pfarrerin Claudia<br />
Kook. Zu Fuß gelangt man in 15 Minuten von<br />
einer <strong>Kirche</strong> zur anderen - wenn man gut zu Fuß ist.<br />
„Die Angebote für Senioren sind bei uns geblieben,<br />
für sie ist der Weg zu beschwerlich“, berichtet Kook.<br />
Dafür gibt es bei Kindern <strong>und</strong> Jugendlichen klare<br />
nachbarschaftliche Absprachen: Regelmäßige Angebote<br />
wie Kinderkirche <strong>und</strong> Jugendgruppen finden in<br />
Rohr statt. Dort wohnen viele Familien, es gibt eine<br />
aktive Jugendarbeit. Besondere Veranstaltungen,<br />
beispielsweise Aktionstage für Jugendliche, sind in<br />
Dürrlewang. Auch auf gelegentliche Krabbelgottesdienste,<br />
Familiengottesdienste <strong>und</strong> das Krippenspiel<br />
müssen die Dürrlewanger nicht verzichten.<br />
Die Erfahrungen: „Wir Hauptamtlichen sind natürlich<br />
froh, weil wir uns weniger verzetteln“, sagt<br />
Pfarrerin Kook. „Und außerdem bleibt es uns erspart,<br />
Kinderkirche mit zwei Kindern zu machen!“<br />
Manchen Gemeindegliedern müsse man jedoch das<br />
arbeitsteilige Modell immer wieder erklären. Und<br />
die Betroffenen selbst? „Für die Jugendlichen selber<br />
ist es gar kein Problem“, sagt Claudia Kook.<br />
cs<br />
5<br />
IN dezember 2010