Leuchtfeuer und kleine Lichter - Evangelische Kirche Stuttgart
Leuchtfeuer und kleine Lichter - Evangelische Kirche Stuttgart
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Aus dem <strong>Kirche</strong>nkreis<br />
Zu Besuch bei Fre<strong>und</strong>en<br />
Pfarrkonvent Zuffenhausen in Haifa <strong>und</strong> Ramallah<br />
Eine Reise durch Israel gehört zu den größten Erlebnissen, die Reisende<br />
machen können: Unzählige Formen von religiösen Richtungen <strong>und</strong><br />
Strömungen begegnen sich hier auf engstem Raum. Die 23-köpfige<br />
Reisegruppe des Pfarrkonventes Zuffenhausen suchte sich ihren Weg<br />
durch Kreuzfahrergewölbe, an den Häusern der Templer vorbei, traf<br />
sich bibellesend in Olivenhainen oder in den Gassen der Jerusalemer<br />
Altstadt.<br />
Reisebericht von Pfarrer Timmo<br />
Hertneck (Feuerbach)<br />
Für Dekanin Wiebke Wähling war<br />
es der zweite Besuch innerhalb von<br />
zwei Jahren. Die Partnerschaft ihres<br />
Dekanatsbezirkes mit den <strong>Kirche</strong>ngemeinden<br />
in Haifa <strong>und</strong> Ramallah<br />
wurde in den<br />
letzten Jahren<br />
vertieft <strong>und</strong> intensiviert.<br />
So<br />
hatte der frühere<br />
Pfarrer<br />
von Ramallah<br />
Suheil Dawani<br />
den nördlichen<br />
<strong>Stuttgart</strong>er Dekanatsbezirk<br />
vor drei Jahren<br />
besucht. Heute<br />
ist er Bischof<br />
der Episcopal<br />
Church in Jerusalem<br />
and The<br />
Middle East.<br />
Sein Nachfolger<br />
in Ramallah,<br />
Reverend<br />
Hanna Dally,<br />
legte den Pfarrerinnen <strong>und</strong> Pfarrern<br />
aus dem <strong>Stuttgart</strong>er Norden<br />
ans Herz die palästinensischen<br />
Christen nicht zu vergessen <strong>und</strong><br />
sagte: „Wir bleiben hier.“ Das ist<br />
nicht selbstverständlich, weil das<br />
Leben in den Westbanks von ungeheuren<br />
Belastungen geprägt ist:<br />
Eine acht Meter hohe Betonmauer<br />
um die Stadt vermittelt das Gefühl,<br />
in einem Gefängnis zu leben.<br />
Und dennoch stand Pfarrer Hanna<br />
Dally unerschütterlich vor seinen<br />
Kolleginnen <strong>und</strong> Kollegen aus dem<br />
Schwäbischen <strong>und</strong> sprach davon,<br />
„…dass die Menschen in Ramallah<br />
das Evangelium bräuchten.“<br />
Wobei seine Gemeinde ihre Hauptaufgabe<br />
im Betrieb zweier Schulen<br />
sieht. Über 800 Schülerinnen <strong>und</strong><br />
Schüler besuchen die Evangelical<br />
Home & School in Ramallah. Nochmals<br />
200 den Berufsbildungsbereich.<br />
Diese Leistung ist groß, weil<br />
die anglikanische Gemeinde von<br />
Pfarrer Hanna nur knapp 300 Gemeindeglieder<br />
hat. Das Miteinander<br />
zu den muslimischen Nachbarn in<br />
der Stadt ist unproblematisch. „Uns<br />
verbindet das gemeinsame Leid,<br />
nicht das gemeinsame Blut“, so der<br />
Pfarrer <strong>und</strong> betonte zugleich, dass<br />
heute niemand mehr die Juden aus<br />
dem Land vertreiben wolle: „Let’s<br />
live together in peace and humanity.“<br />
Zur selben Episcopal Church gehört<br />
die anglikanische Gemeinde in Haifa.<br />
Haifa gilt als weltoffene Stadt.<br />
Hier ist von Mauern nichts zu sehen.<br />
Rev. Hatem Shehadeh begrüßte die<br />
Gäste aus <strong>Stuttgart</strong> <strong>und</strong> freute sich<br />
besonders, Pfarrer Hartmut Häcker<br />
aus Weilimdorf wieder zu treffen,<br />
der die Partnerschaftsarbeit Zuffenhausen<br />
mit Ramallah <strong>und</strong> Haifa<br />
seit drei Jahren koordiniert. Auch<br />
in Haifa betreibt eine <strong>kleine</strong> Ge-<br />
meinde eine große Schule <strong>und</strong> der<br />
Zuffenhäuser Pfarrkonvent konnte<br />
hautnah erleben, welch große<br />
Leistungen auch <strong>kleine</strong> Gemeinden<br />
vollbringen können. Reverend Hatem<br />
Shehadeh mahnte seinerseits<br />
zur Besonnenheit im Umgang mit<br />
politischen Überlegungen <strong>und</strong> überließ<br />
die Fragen zur „Zwei-Staaten-<br />
Lösung“ einem Gemeindeglied, das<br />
auch im Stadtrat von Haifa wirkt.<br />
Umso berührender erlebte der<br />
Pfarrkonvent die Ausführungen<br />
von Prof. Dieter Vieweger, dessen<br />
Buch „Streit um das Heilige Land“<br />
zu der aufmerksamgelesenenReiselektüre<br />
der<br />
Pfarrerschaft<br />
gehörte. Der<br />
Archäologe<br />
<strong>und</strong> Theologe<br />
sieht die F<strong>und</strong>amentalisierung<br />
der Religionen<br />
mit<br />
Sorge. Gerade<br />
die extremenBevölkerungsgruppen<br />
würden<br />
durch hohe<br />
Kinderzahlen<br />
rasch zunehmen.<br />
Es gäbe<br />
in Jerusalem<br />
bereits das<br />
Wort vom „Krieg der Gebärmütter“.<br />
Es bräuchte dringend Menschen des<br />
Vertrauens wie es Jitzchak Rabin für<br />
die Israeliten <strong>und</strong> Jassir Arafat für<br />
die Palästinenser gewesen seien.<br />
Reise nach Jerusalem - <strong>und</strong> nach Haifa <strong>und</strong> Ramallah / Foto: Hertneck<br />
Pfarrer Ulrich Vallon aus Rot, der die<br />
Verantwortung für die organisatorische<br />
Seite der Reise übernommen<br />
hatte, erinnerte an die Worte, die<br />
der in Jerusalem lebende Reiseleiter<br />
Andreas Wagner zu Beginn der<br />
Reise gesagt hatte: „Ihr werdet mit<br />
mehr Fragen als Antworten nach<br />
Hause zurückkehren.“ Das ist so,<br />
doch ist viel Verständnis gewachsen,<br />
<strong>und</strong> es wird allen Teilnehmenden<br />
nun leichter fallen, das umzusetzen,<br />
um was die Fre<strong>und</strong>e in Ramallah<br />
<strong>und</strong> Haifa baten: „Betet für uns.“<br />
Timmo Hertneck<br />
9<br />
IN dezember 2010