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dressler/fo dressler/fo 230//nachruf<br />
230//nachruf<br />
Thomas M. Disch (2.2.1940 – 4.7.2008)<br />
Der Science Fiction Autor Thomas M. Dish<br />
wur<strong>de</strong> am 5. Juli tot in seinem New Yorker<br />
Apartment aufgefun<strong>de</strong>n. Einen Tag zuvor<br />
hatte er mit einer Pistole Selbstmord begangen.<br />
Der Autor von so wegweisen<strong>de</strong>n<br />
Romanen wie „Camp Concentration“ o<strong>de</strong>r<br />
„334“ wur<strong>de</strong> 68 Jahre alt.<br />
Disch hatte nach <strong>de</strong>m Tod seines Lebensgefährten<br />
Charles Naylor im Jahr 2004, mit<br />
<strong>de</strong>m er drei Jahrzehnte zusammen gelebt<br />
hatte, an Depressionen gelitten. Im selben<br />
Jahr musste er das lange gemeinsam bewohnte<br />
Haus aufgeben. Zuletzt sah es<br />
sogar so aus, dass er das Apartment, in<br />
<strong>de</strong>m er tot aufgefun<strong>de</strong>n wur<strong>de</strong> und in <strong>de</strong>m<br />
er zur Miete wohnte, nicht mehr wür<strong>de</strong><br />
halten können.<br />
Thomas M. Dish war für seine Science<br />
Fiction Romane mehrfach ausgezeichnet<br />
wor<strong>de</strong>n, für „Auf Flügeln <strong>de</strong>s Gesangs“ aus<br />
<strong>de</strong>m Jahr 1979 gewann <strong>de</strong>n John W.<br />
Campbell Memorial Award. Neben seinen<br />
Genrearbeiten, für die er in <strong>de</strong>n <strong>de</strong>utschsprachigen<br />
Län<strong>de</strong>rn hauptsächlich bekannt<br />
ist, hatte er mehr als ein halbes Dutzend<br />
FO 230 · 08/08<br />
Gedichtbän<strong>de</strong> veröffentlicht. Ebenso war er<br />
<strong>de</strong>r Autor eines sekundärliterarischen Buches<br />
über spekulative Fiktion „The dreams our Stuff<br />
is ma<strong>de</strong> of“ sowie einer Novelle für Kin<strong>de</strong>r,<br />
die sogar von Disney verfilmt wur<strong>de</strong> („Tapferer<br />
kleiner Toaster“).<br />
Geboren wur<strong>de</strong> Disch in Des Moines, Iowa.<br />
Nach New York ging er, um dort Architektur<br />
zu studieren. Bereits in seinem ersten Jahr an<br />
<strong>de</strong>r Uni wur<strong>de</strong> er durch die Teilnahme an einem<br />
Schreibkurs verleitet, es mit <strong>de</strong>m Schreiben<br />
von Pulp Fiction zu versuchen. Der rasche<br />
Erfolg, nämlich <strong>de</strong>r Verkauf einer Geschichte<br />
an <strong>Fan</strong>tastic Stories für immerhin<br />
112,50 Dollar, überzeugten ihn, seinen Lebensunterhalt<br />
mit <strong>de</strong>m Verfassen von Literatur<br />
zu verdienen. Obwohl er zunächst auf diverse<br />
Aushilfsjobs angewiesen war, gelang<br />
ihm das später weitestgehend. In einem Interview<br />
von 2001 mit <strong>de</strong>m amerikanischen<br />
Magazin „Locus“ sagte er folgen<strong>de</strong>s über seine<br />
bevorzugte Literaturgattung:<br />
„Viele Menschen<br />
erwarten von mir, dass<br />
ich <strong>de</strong>r Science Fiction zu<br />
mehr Ansehen verhelfe,<br />
aber eigentlich wollen Sie<br />
immer nur bestimmte Argumente<br />
hören, so etwas<br />
wie ‘Science Fiction hilft<br />
<strong>de</strong>n Menschen, Wissenschaft<br />
zu verstehen’. Nun,<br />
das tut sie nicht. Das ist<br />
Unsinn...Aber die Science<br />
Fiction, die sich mit politischer<br />
Satire befasst, hat<br />
durchaus Erfolg. Und das<br />
ist die Science Fiction, die<br />
ich am ehesten genieße<br />
zu schreiben. Ich war<br />
immer ein Science Fiction<br />
Enthusiast und das erlaubt<br />
es mir gleichzeitig,<br />
einer ihrer härtesten Kritiker<br />
zu sein, weil ich<br />
weiß, wozu sie in <strong>de</strong>r<br />
Lage ist...“<br />
Cory Doctorow ist in sei-<br />
nem Nachruf <strong>de</strong>m Schriftstellerkollegen gegenüber<br />
durchaus kritisch. Er sei, so führt<br />
er aus, gerne Besucher das Weblog von<br />
Disch gewesen, als dieser jedoch begann,<br />
über die moralische Ver<strong>de</strong>rbtheit von Muslimen<br />
und Immigranten zu schreiben, habe<br />
er es nicht mehr lesen können. Er<br />
seinerseits wür<strong>de</strong> ihn zwar nicht unbedingt<br />
netter in Erinnerung behalten, aber be<strong>de</strong>utend<br />
klüger: als sprö<strong>de</strong>r, brillanter und ironischer<br />
Mensch mit leuchten<strong>de</strong>m Witz und<br />
gar keinem Optimismus.<br />
ddd<br />
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