VV Nalimov - Fachbereich Mathematik - Universität Kaiserslautern
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Scientometrie.<br />
Wesentliche Beiträge leistete er zunächst in der von ihm in Russland mitbegründeten „chemischen<br />
Kybernetik“ und dann auf dem Gebiet des in den 60er und 70er Jahren neuen Gebiets<br />
'Scientometrics', eine Übersetzung des ursprünglich russischen Begriffs 'Naukometrika'. Der<br />
'Science Citation Index' den viele von uns kennen, ist ein typisches Produkt und Hilfsmittel dieser<br />
Wissenschaft. Worum geht es? Die seit etwa 30 Jahren erscheinende Zeitschrift 'Scientometrics' hat<br />
den Untertitel: 'An International Journal for all Quantitative Aspects of the Science of Science,<br />
Communication in Science and Science Policy'. Die offizielle Definition dieses Forschungsgebiets<br />
ist das „Studium der Messung von wissenschaftlichem und technologischem Fortschritt“ ([13]).<br />
Man versteht, daß dies Konzept auch gut in sozialistische 7-Jahrespläne passen könnte. Ich muß<br />
gestehen, daß ich bei der Vorbereitung zunächst Mühe hatte zu akzeptieren, daß ein Mann, dem ich<br />
a priori wegen seiner persönlichen Ausstrahlung, seines mathematischen Hintergrunds und seines<br />
tiefen und weiten geistigen Horizonts viel Sympathie entgegenbrachte, sich so intensiv mit diesem<br />
„Zahlensalat für Technokraten“ befaßte. Ich möchte drei Erklärungen anbieten, die zusammen uns<br />
schon recht nah an seine Ideenwelt führen.<br />
Das eine ist sicher seine gesellschaftliche Anteilnahme: In Faces of Science bringt er ausführliche<br />
Statistiken über den zeitlichen Verlauf von Stellenangebote für verschiedene Arten von<br />
Wissenschaftlern ([3], Ch. 12, p. 261 ff). Wie entwickelt sich dieser Bedarf im Lauf der Zeit? Ist es<br />
möglich, Voraussagen zu machen? Wie soll das akademische Bildungssystem modifiziert werden?<br />
An diesen Fragen war er einfach praktisch interessiert. Insbesondere auch um mitzuhelfen, den<br />
Entscheidungsprozess von allzu vielen Vorurteilen freizuhalten.<br />
Das zweite ist sein Verhältnis zu Zahlen. Ich werde nachher noch etwas ausführlicher auf seine<br />
Philosophie der Zahl eingehen, weil er in diesem Aspekt seines Denkens vielleicht am klarsten die<br />
eingangs vermutete Verbindung zwischen dem quantitativen Studium der Wissenschaft und der<br />
Natur unseres inneren geistigen Auges artikuliert hat.<br />
Der dritte Quelle von <strong>Nalimov</strong>s Faszination an dem Studium der Entwicklung der Wissenschaften<br />
liegt in seinem umfassenden Konzept des Bewußtseins, das die große Linie der geistigen Reifung<br />
der Menschheit oder, um die Natur nicht ausszuschließen, der Erde als Ganzem mit im Blick hat.<br />
(vgl. das Ende dieses Vortrags). Hier scheint mir sein Anliegen ähnlich umfassend wie das von<br />
Gebser.<br />
Im Westen wurde <strong>Nalimov</strong> zunächst vor allem durch diese Beiträge zur Scientometrie bekannt. Das<br />
ISI (Institute for Scientific Information) in Philadelphia, das den Science Citation Index herausgibt,<br />
hat die meisten seiner Bücher auf Englisch herausgegeben, teilweise bevor die Originale in der<br />
Sowjetunion erscheinen durften.<br />
Der probabilistische Ansatz.<br />
Schon in seinen Arbeiten zur Kyberenetik in der Chemie lag ein damals in diesem Bereich neuer<br />
Gesichtspunkt im Abschied von einem deterministischen Bild der wissenschaftlichen Erkenntnis.<br />
Er ist überzeugt von einer probabilistischen Sicht der Welt. Was heißt das? Ich fasse einige<br />
Abschnitte aus dem Buch Realms of the Unconscious: The Enchanted Frontier [5] zusammen.<br />
In der Wahrscheinlichkeitstheorie sprechen wir von einer Zufallsvariablen, wenn eine<br />
Beobachtungsgröße nicht sicher einen ganz bestimmten Wert hat, sondern wir nur ihre Verteilung<br />
oder Verteilungsfunktion kennen, die für die verschiedenen denkbaren Wertebereich angibt, mit