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„Wochenblatt“-Skandal weitet sich aus - Regensburger Stadtzeitung

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<strong>Skandal</strong> beim Wochenblatt Mai 2008<br />

„Wochenblatt“-<strong>Skandal</strong> <strong>weitet</strong> <strong>sich</strong> <strong>aus</strong><br />

Geschäftsführer Zelzer zahlte 170 000 Euro Schmiergeld<br />

Die Enthüllung der schier unglaublichen<br />

„Wochenblatt“-Schmiergeldaffäre durch die<br />

<strong>Stadtzeitung</strong> schlug in Öffentlichkeit und Medienszene<br />

wie eine Bombe ein (RSZ 4/08). Die<br />

„Mittelbayerische Zeitung“ und die „Donau-<br />

Post“ zogen nach, überregional griffen die<br />

„Süddeutsche Zeitung“, das führende Branchenblatt<br />

„Werben und verkaufen“ sowie das<br />

angesehene Fachorgan „Kress-Report“ den Fall<br />

auf. Und sogar die „Welt“, der „Focus“ und der<br />

„Spiegel“ beschäftigten <strong>sich</strong> mit den Ergebnissen<br />

der <strong>Stadtzeitung</strong>srecherchen.<br />

In Windeseile war die Gesamtauflage der <strong>Stadtzeitung</strong><br />

vergriffen, ihre Internetseiten erlebten<br />

einen dramatischen Besucherrekord.<br />

Zur Erinnerung: In ihrer letzten Ausgabe berichtete<br />

die <strong>Regensburger</strong> <strong>Stadtzeitung</strong> exklu-<br />

8 Die <strong>Regensburger</strong> <strong>Stadtzeitung</strong><br />

siv darüber, dass Herbert Zelzer (53), Geschäftsführer<br />

der Wochenblatt-Verlagsgruppe<br />

und zugleich oberster Chef des <strong>Regensburger</strong><br />

Wochenblattes, in einen für die Branche bislang<br />

einzigartigen Bestechungsskandal verstrickt ist.<br />

In der Zwischenzeit hat dieser sogar noch größere<br />

Ausmaße angenommen als ursprünglich<br />

angenommen: Herbert Zelzer zahlte nach den<br />

Ermittlungen der Landshuter Staatsanwaltschaft<br />

ab 2000 über Jahre hinweg erhebliche Summen<br />

an den Mitarbeiter eines Großkunden, um an<br />

einen Anzeigenauftrag zu kommen und ihn<br />

später zu halten. Insgesamt schmierte Zelzer<br />

den Mittelsmann mit 170.000 Euro. „Diese Zahl<br />

hat <strong>sich</strong> jetzt konkretisiert“, so Pressesprecher<br />

Markus Brümmer am <strong>Stadtzeitung</strong>stelefon.<br />

Mit drei Mann rückte vor wenigen Wochen die<br />

Der smarte Wochenblatt-Geschäftsführer Herbert Zelzer gerät mehr und mehr in die Bredouille.<br />

Die Staatsanwaltschaft weiß jetzt, dass er wesentlich mehr Schmiergeld bezahlt hat als<br />

zunächst angenommen.<br />

Kriminalpolizei in den Geschäftsräumen der<br />

Wochenblatt-Verlagsgruppe in Landshut und<br />

Passau an, durchkämmte diese nach belastendem<br />

Material – und wurde fündig.<br />

Erste Reaktionen: Rücktritt und<br />

irritierte Großkunden<br />

Die ersten Reaktionen auf die Veröffentlichung<br />

der <strong>Stadtzeitung</strong> folgten prompt: Ein Vielzahl<br />

von „Wochenblatt“-Großkunden bekannte auf<br />

Anfrage, dass dieser Schmiergeldskandal von<br />

den unternehmerischen Entscheidergremien<br />

mit großem Unmut zur Kenntnis genommen<br />

wurde und über Konsequenzen diskutiert werde.<br />

Damit bestätigen <strong>sich</strong> die Ahnungen eines<br />

Brachenkenners, der bereits in der letzten <strong>Stadtzeitung</strong><br />

gemutmaßt hatte: „Gut möglich, dass<br />

<strong>sich</strong> der Markt sehr irritiert zeigt. Denn welcher<br />

Kunde setzt <strong>sich</strong> schon gerne dem Verdacht<br />

<strong>aus</strong>, für seine Werbeschaltungen Schmiergeldzahlungen<br />

erhalten zu haben?“<br />

Auch beim Bundesverband Deutscher Anzeigenblätter<br />

(BVDA) r<strong>aus</strong>chte es im Gebälk:<br />

Nachdem BVDA-Geschäftsführer Heiner Urh<strong>aus</strong>en<br />

nach den staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen<br />

bei seiner Befragung durch die<br />

<strong>Regensburger</strong> <strong>Stadtzeitung</strong> zunächst noch<br />

keinerlei Grund „für irgendwelche Konsequenzen“<br />

gesehen hatte, wurde der Druck<br />

auf den Verband und Zelzer im Zuge des gewaltigen<br />

Medieninteresses wohl unerträglich:<br />

Denn kurz darauf warf Zelzer das Handtuch.<br />

„Aus persönlichen Gründen“ trat er als Vizepräsident<br />

des Verbandes zurück.<br />

Durchhalteappelle und<br />

Halbwahrheiten für die Mitarbeiter<br />

Ebenfalls kurz nach Erscheinen der <strong>Stadtzeitung</strong><br />

versandte Herbert Zelzer an seine Mitarbeiter<br />

ein für seine Verhältnisse eher rührseliges Mail<br />

(das Dokument liegt der <strong>Stadtzeitung</strong> vor),<br />

welches fast schon die Diktion eines verzweifelten<br />

Durchhalteappells zeigte. Zerknirscht<br />

teilte er den „Wochenblatt“-Angestellten - in<br />

grammatikalisch leichter Schräglage - wörtlich<br />

mit: „Uns als Unternehmen und mir als Person<br />

bläst in der nächsten Zeit der Wind stark ins<br />

Ge<strong>sich</strong>t. Ich denke aber, dass wir das alles<br />

gemeinsam lösen und durchstehen werden.“<br />

Vom vermeintlichen Schulterschluss mit dem<br />

Geschäftsführer wollen aber etliche Mitarbeiter<br />

offenbar nichts mehr wissen: Der <strong>Stadtzeitung</strong><br />

liegen interne Informationen darüber vor, dass<br />

eine erhebliche Anzahl von Wochenblatt-Mitarbeitern<br />

<strong>sich</strong> bereits bei anderen Unternehmen<br />

beworben hat.


Mai 2008<br />

Auch in der <strong>Regensburger</strong> Kommandozentrale des Anzeigenblattes sorgte der <strong>Skandal</strong> um den Chef für helle Aufregung.<br />

Zudem versuchte Zelzer in seinem Schreiben<br />

die Vorwürfe der Staatsanwaltschaft mit ein paar<br />

eingestreuten Halbwahrheiten abzuschwächen:<br />

„Zum aktuellen Stand der Ermittlungen darf ich<br />

ihnen noch folgendes ergänzen: Der Vorwurf<br />

der ‚Bestechung’ wird nach aktuellen Aussagen<br />

der Staatsanwaltschaft derzeit nicht mehr aufrechterhalten.<br />

Es geht jetzt um den Tatbestand<br />

der ‚Untreue’. Man sagt, ich habe ‚Wochenblatt’<br />

mit meinem Verhalten geschädigt.“<br />

Dieser Darstellung widerspricht die Staatsanwaltschaft<br />

energisch. Pressesprecher Markus<br />

Brümmer zur <strong>Stadtzeitung</strong>: „Wir ermitteln auch<br />

weiterhin wegen Bestechung im geschäftlichen<br />

Verkehr. Die Untersuchungen wegen des Verdachts<br />

der Untreue führen wir zusätzlich“,<br />

so der Staatsanwalt. Für Zelzer könnte dieser<br />

Umstand sogar noch weit unangenehmere Konsequenzen<br />

nach <strong>sich</strong> ziehen: Der Strafrahmen<br />

beim Bestechungsvorwurf reicht bis zu drei<br />

Jahre Haft, bei erwiesener Untreue drohen bis<br />

zu fünf Jahre Freiheitsstrafe.<br />

Staatsanwalt lehnt „Deal“ ab und will<br />

eine öffentliche Verhandlung<br />

Brav bedankt <strong>sich</strong> Zelzer in seinem Mail auch<br />

für die angeblichen „aufmunternden Worte und<br />

Unterstützungen die mir in den letzten Tagen<br />

bereits zugekommen sind“ und bietet seinen<br />

Mitarbeiten an, dass sie ihn „gerne anrufen und<br />

mit mir über dieses Thema reden können.“<br />

Für Zelzer eine eher untypische Nähe zu seinen<br />

Untergebenen. Bisweilen pflegt er diese nämlich<br />

ganz anders zu behandeln. Sein Führungsstil<br />

gilt bei vielen Mitgliedern seiner Belegschaft<br />

eher als rüde.<br />

In einem jüngsten Fall ließ er einen Mitarbeiter,<br />

der <strong>sich</strong> zuvor erfolgreich gegen massive Mobbing-Attacken<br />

zur Wehr gesetzt hatte, auf der<br />

<strong>Skandal</strong> beim Wochenblatt<br />

Suche nach verwertbaren Kündigungsgründen<br />

von einer Privatdetektei <strong>aus</strong>forschen.<br />

In eigener Sache versucht der Wochenblatt-<br />

Chef und passionierte Golfer weiterhin verzweifelt,<br />

den Ball quasi <strong>aus</strong> dem Sandbunker auf das<br />

rettende Green zu spielen: Unbestätigten Informationen<br />

zufolge sollen Zelzers Rechtsvertreter<br />

hinter den Kulissen fieberhaft daran arbeiten,<br />

mit der Staatsanwaltschaft einen so genannten<br />

„Deal“ <strong>aus</strong>zuhandeln und die Angelegenheit<br />

mittels eines Strafbefehls zu regeln. Das hätte<br />

für Zelzer den Vorteil, dass er nicht vor Gericht<br />

erscheinen müsste. Doch von einem solchen<br />

Deal will Markus Brümmer nichts wissen: „Ich<br />

gehe davon <strong>aus</strong>, dass wir unsere Ermittlungen<br />

in etwa vier Wochen abgeschlossen haben und<br />

dann eine Anklageschrift formulieren. Die hätte<br />

in jedem Fall eine öffentliche Verhandlung zur<br />

Folge.“<br />

(ssm)<br />

Die <strong>Regensburger</strong> <strong>Stadtzeitung</strong> 9

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