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Keine Gnade für Lilith!

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Christopher A. Weidner – <strong>Lilith</strong> Seite 7 von 11<br />

Implementierung neuer Mythen in das Horoskop größer als der Wille zu Exaktheit. Ich möchte wagen<br />

zu behaupten, dass eine unkorrigierte <strong>Lilith</strong> dem Versuch gleichkäme, die Rückläufigkeit der Planeten<br />

aus Bequemlichkeit herauszukürzen …<br />

Schwerwiegender jedoch wirkt der Umstand, dass <strong>Lilith</strong> keinerlei astrologisches Anschauungsmaterial<br />

bietet, da sie nicht wirklich am Himmel vorhanden ist. Dies ist den <strong>Lilith</strong>ianerInnen natürlich bewusst,<br />

und so fehlt es nicht an Bekräftigungen, dass es sich bei <strong>Lilith</strong> eben wie bei den Mondknoten oder gar<br />

den Häuserspitzen um einen "sensitiven Punkt" handelt – und diese könne man ja schließlich auch<br />

nicht sehen. 24 Dabei wird jedoch übersehen, dass sowohl die Häuser als auch die Mondknoten<br />

ungleich <strong>Lilith</strong> nicht erst auf den Tierkreis projiziert werden müssen. So sind die Mondknoten<br />

Schnittpunkt der Ekliptik (Tierkreis) mit der Mondumlaufbahn und die Häuser entweder per se<br />

Ekliptikstellen (z.B. bei Placidus) oder ebenfalls Schnittpunkte bestimmter räumlicher Koordinaten mit<br />

der Ekliptik (z.B. Campanus). Allein Planeten werden auf Grund ihrer nördlichen und südlichen<br />

Abweichung von der Ekliptik auf selbige projiziert, und so nimmt <strong>Lilith</strong> eine seltsame Zwitterposition<br />

ein, möchte sensitiver Punkt sein und zugleich wie ein Planet behandelt werden. <strong>Lilith</strong> wandert abseits<br />

des Tierkreises in einer komplizierten Bahn um die Erde und täuscht dabei eine eigenständige<br />

Bewegung vor – weswegen sie dazu verleitet wie ein echtes Planetenprinzip betrachtet zu werden.<br />

Bei <strong>Lilith</strong> handelt es nicht um einen Faktor von klassischer Wichtigkeit, denn mit ihr lassen sich auch<br />

keine wirklich wichtigen himmlischen Ereignisse verknüpfen, wie z.B. die Sonnen- und<br />

Mondfinsternisse mit den Mondknoten. 25 <strong>Lilith</strong> ist ein Produkt aus der Erkenntnis der elliptoiden<br />

Umlaufbahn des Mondes um die Erde, wie sie erst seit Kepler bekannt ist. <strong>Lilith</strong> kann folglich nur dann<br />

relevant werden, wenn wir bei ihr eine Ausnahme von der rein geozentrischen Perspektive des<br />

Horoskops machen, denn die Gestalt der Mondbahn kann nur aus heliozentrischer Sicht erkannt<br />

werden und nur aus dieser besitzt ein Begriff wie Apogäum überhaupt einen Sinn. Für den im<br />

Mittelpunkt des astrologischen Universums stehenden Betrachter auf der Erde ist die Mondbahn<br />

jedoch wie jede andere Planetenbahn eine Kreisbahn, womit <strong>Lilith</strong> <strong>für</strong> ihn keinerlei Bedeutung<br />

besitzen kann. Wenn sich aber kein <strong>für</strong> die menschliche Anschauung bedeutsames himmlisches<br />

Phänomen mit <strong>Lilith</strong> verknüpfen lässt, ist m.E. ein astrologischer Anspruch im klassischen Sinne<br />

verwirkt.<br />

Auch wenn in meinen Augen die angeführten Argumente durchaus dazu angetan sind, die Rolle einer<br />

<strong>Lilith</strong> im Horoskop generell infrage zu stellen, könnte man freilich etwas kulanter sein und aus der Not<br />

eine Tugend machen und all die hier angeführten Kritikpunkte zu <strong>Lilith</strong>s Charakteristiken stilisieren.<br />

24<br />

Spitzfindige ZeitgenossInnen können mir zurecht vorhalten, dass man ja auch die Transsaturnier nicht sehen kann – dennoch<br />

sind sie fassliche Objekte unseres Sonnensystems und können sichtbar gemacht werden, wenn auch unter Zuhilfenahme von<br />

Teleskopen, ein Umstand, der sogar ein wichtiger Beitrag zu ihrer Deutungsgeschichte ist. Vgl. hierzu Weidner a.a.O. S.128ff<br />

25 Allein Claudia von Schierstedt erwähnt einen astronomisch relevanten Zusammenhang mit ringförmigen Sonnenfinsternissen.<br />

vgl. von Schierstedt, Claudia, Finsternisse astrologisch deuten. Mössingen 1999. S.15<br />

© Christopher A. Weidner 2002

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