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Projektgruppe Hörmax - Augustenstift zu Schwerin

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Seite 24<br />

Meine<br />

Leseempfehlung:<br />

Paul Auster:<br />

Auggie Wrens<br />

Weihnachtsgeschichte<br />

Zwölf Fotoalben mit über 4000<br />

Bildern mit exakt ein und demselben<br />

Motiv. Jeden morgen um<br />

7 Uhr fotografiert der Zigarrenverkäufer<br />

die Straße vor seinem<br />

Eckladen. Lange Jahre war Paul<br />

Auster in dem Laden nur ein<br />

Stammkunde wie jeder andere.<br />

Eines Tages hat der Verkäufer<br />

mitbekommen, dass er Schriftsteller<br />

ist. Er nahm ihn mit in sein<br />

Hinterzimmer und zeigte ihm seine<br />

Sammlung. Jedes Bild genau<br />

datiert und der Reihenfolge nach<br />

eingeklebt. „Was soll das?“,<br />

fragte sich der Schriftsteller und<br />

blätterte gedankenverloren weiter<br />

und weiter. „Sie sind <strong>zu</strong><br />

schnell. Wenn sie nicht langsamer<br />

machen, werden sie nie dahinter<br />

kommen.“, sagte der Zigarrenverkäufer.<br />

Gut, er versuchte es, verlangsamte<br />

das Tempo und schaute<br />

genauer hin. Da war also die<br />

Straße, die Treppenaufgänge <strong>zu</strong><br />

den Häusern, Mülltonnen und<br />

Laternen - eine feste Kulisse.<br />

Dann sah er den Wechsel der<br />

Jahreszeiten und des Wetters:<br />

Schneeflocken, Sonnenstrahlen,<br />

Regen, Nebel und die Farbe der<br />

Blätter. Doch mehr und mehr zogen<br />

die abgebildeten Menschen<br />

seine Aufmerksamkeit auf sich.<br />

Manchen begegnete er so oft,<br />

dass er schon meinte, sie <strong>zu</strong><br />

kennen. Er erkannte, ob sich jemand<br />

in fröhlicher Stimmung auf<br />

den Weg <strong>zu</strong>r Arbeit machte oder<br />

gestresst die Kinder hinter sich<br />

Moment mal<br />

her zog. Aus dieser Monotonie<br />

ewig gleicher Bilder heben sich<br />

plötzlich Charaktere ab. Menschen<br />

werden dem Betrachter<br />

<strong>zu</strong>m Gegenüber in all ihrer Individualität,<br />

in all ihrer Besonderheit.<br />

Der Zigarrenverkäufer beobachtet<br />

den Schriftsteller mit<br />

einem Lächeln auf den Lippen.<br />

„Er hat es erkannt“, wusste er<br />

„ich haben nichts anderes fotografiert<br />

als: die Zeit.“<br />

In einem Kirchenlied von Jochen<br />

Klepper singen wir:<br />

„Der du die Zeit in Händen hast,<br />

Herr nimm auch dieses Jahres<br />

Last<br />

und wandle sie in Segen.“<br />

Die Geschichte mit den Fotoalben<br />

möchte uns darauf aufmerksam<br />

machen, wie kostbar<br />

unsere Zeit ist. Dankbar dürfen<br />

wir sie als Geschenk Gottes<br />

auskosten. Wie der Betrachter<br />

der Bilder sollten wir genau hinschauen,<br />

wahrnehmen, kleine<br />

Gesten entdecken, genießen,<br />

mit anderen Freud und Leid teilen<br />

– im Vertrauen darauf, dass<br />

Gott uns nahe ist – auch über<br />

unser irdische Zeit hinaus.<br />

„Der du allein der Ewge heißt<br />

und Anfang Ziel<br />

und Mitte weißt im Fluge unserer<br />

Zeiten;<br />

bleib Du uns gnädig <strong>zu</strong>gewandt<br />

und führe uns an deiner Hand,<br />

damit wir sicher schreiten.“<br />

Ralf Schlenker<br />

Pastor der Bernogemeinde und<br />

Religionslehrer

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