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Technische Physik I - The Faculty of Computer Science and ...

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<strong>Technische</strong> <strong>Physik</strong> I<br />

für den Studiengang Electrical Engineering<br />

Vorlesungsmanuskript<br />

von<br />

Pr<strong>of</strong>. Dr. G. Waller<br />

Fachhochschule Kiel<br />

Fachbereich<br />

Informatik und Elektrotechnik<br />

Version 4.0<br />

ab WS 2005/2006


Seite 2 <strong>Technische</strong> <strong>Physik</strong> 2. September 2005


2. September 2005 <strong>Technische</strong> <strong>Physik</strong> Seite 3<br />

Inhaltsverzeichnis:<br />

1. Einleitung .......................................................... 7<br />

1.1 <strong>Physik</strong>, was ist das? ............................................... 7<br />

1.2 Basisgrößen und -einheiten ......................................... 8<br />

1.3 <strong>Physik</strong>alische Gleichungen ........................................ 11<br />

2. Mechanik fester Körper............................................... 13<br />

2.1 Kinematik...................................................... 13<br />

2.1.1 Geradlinige Bewegung ...................................... 13<br />

2.1.2 Das Unabhängigkeitsprinzip .................................. 21<br />

2.1.3 Bewegung in mehreren Dimensionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22<br />

2.1.4 Bewegung auf der Kreisbahn.................................. 26<br />

2.2 Dynamik....................................................... 30<br />

2.2.1 Die Newtonschen Bewegungsgesetze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30<br />

2.2.2 Beschleunigte Bezugssysteme und Trägheitskräfte . . . . . . . . . . . . . . . . . 38<br />

2.3 Der Impuls ..................................................... 41<br />

2.4 Arbeit und Energie............................................... 43<br />

2.5 Stoßprozesse ................................................... 51<br />

3. Mechanische Schwingungen ........................................... 55<br />

3.1 Freie, ungedämpfte Schwingung .................................... 55<br />

3.2 Freie, gedämpfte Schwingung ...................................... 60<br />

3.3 Erzwungene Schwingungen........................................ 64<br />

3.4 Gekoppelte Schwingungen ........................................ 70


Seite 4 <strong>Technische</strong> <strong>Physik</strong> 2. September 2005<br />

4. Wärmelehre ........................................................ 75<br />

4.1 Die Temperatur ................................................. 75<br />

4.2 <strong>The</strong>rmische Ausdehnung .......................................... 77<br />

4.2.1 Festkörper ................................................ 77<br />

4.2.2 Flüssigkeiten .............................................. 79<br />

4.2.3 Gase ..................................................... 80<br />

4.3 Die Wärmekapazität.............................................. 82<br />

4.4 Wärmeübertragung............................................... 84<br />

4.4.1 Wärmequellen ............................................. 84<br />

4.4.2 Konvektion, Wärmeströmung ................................. 86<br />

4.4.3 Wärmeleitung ............................................. 86<br />

4.4.4 Wärmestrahlung............................................ 88<br />

5. Einführung in die Wellenlehre ......................................... 93<br />

5.1 Die harmonische Welle ........................................... 93<br />

5.2 Typische Wellenerscheinungen .................................... 103<br />

5.2.1 Dopplereffekt............................................. 103<br />

5.2.2 Überlagerung von Wellen (Interferenz) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106<br />

5.2.3 Stehende Wellen .......................................... 111<br />

5.2.4 Das Huyghenssche Prinzip .................................. 115<br />

5.2.5 Reflexion von Wellen ...................................... 116<br />

5.2.6 Brechung von Wellen ...................................... 117<br />

5.2.7 Beugung von Wellen ....................................... 118<br />

6. Geometrische Optik................................................. 119<br />

6.1 Modellvorstellungen des Lichtes ................................... 119


2. September 2005 <strong>Technische</strong> <strong>Physik</strong> Seite 5<br />

6.2 Reflexion des Lichtes............................................ 120<br />

6.3 Brechung des Lichtes ............................................ 124<br />

6.4 Anwendung der Lichtbrechung .................................... 126<br />

6.4.1 Prisma .................................................. 126<br />

6.4.2 Optische Linsen ........................................... 127<br />

6.43 Lichtleitfasern ............................................ 129<br />

6.4.4 Brechungserscheinungen in der Natur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131<br />

7. Wellenoptik ....................................................... 135<br />

7.1 Die Spektralfarben des Lichtes .................................... 135<br />

7.2 Die Interferenz des Lichtes ....................................... 145<br />

7.2.1 Kohärenz ................................................ 145<br />

7.2.2 Interferenz an planparallelen Platten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 147<br />

7.3 Die Beugung des Lichtes ......................................... 150<br />

7.4 Die Polarisation des Lichtes....................................... 157


Seite 6 <strong>Technische</strong> <strong>Physik</strong> 2. September 2005


2. September 2005 <strong>Technische</strong> <strong>Physik</strong> Seite 7<br />

1. Einleitung<br />

1.1 <strong>Physik</strong>, was ist das?<br />

<strong>Physik</strong> kommt vom griechischen Wort physis=Natur. Das Hauptziel der <strong>Physik</strong> ist die Erforschung<br />

und das Verstehen der unbelebten Natur sowie die Beschreibung der Erscheinungen<br />

durch eine begrenzte Anzahl von Naturgesetzen. Dazu werden die Naturvorgänge gezielt<br />

durch Experimente studiert und anschließend mathematisch beschrieben. Dabei hat man<br />

historisch die Feststellung gemacht, dass ein Grundgesetz um so einfacher wird, je mehr man<br />

sich der Wahrheit annähert.<br />

Beispiel Planetenbewegung: Kristallsphären � Keplersche Gesetze.<br />

Eine Vielzahl von Grundgesetzen bilden zusammen gefasst eine wissenschaftliche <strong>The</strong>orie,<br />

die in sich widerspruchsfrei sein muss. Beispiele solcher <strong>The</strong>orien sind die Newtonsche Mechanik,<br />

die Quantenmechanik oder die Relativitätstheorie. Wichtiges Kennzeichen einer<br />

physikalischen <strong>The</strong>orie ist, dass sie einerseits Vorhersagen macht, die durch Experimente<br />

prinzipiell überprüft werden können (z.B. Bahnkurve eines Steines beim schiefen Wurf), <strong>and</strong>ererseits<br />

stets und überall in ihren Grundaussagen nachprüfbar ist durch entsprechende Experimente<br />

(z.B. F = m�a). Einstein hat dies sehr streng formuliert: "Jedes physikalische Gesetz<br />

muss gleichzeitig eine Messvorschrift für eine reproduzierbare Messung darstellen".<br />

Beispiel: Einsteins Vorhersage der Lichtablenkung im Gravitationsfeld der Sonne<br />

Bezeichnender Weise ist es bisher nicht gelungen alle physikalischen <strong>The</strong>orien unter einer<br />

gemeinsamen <strong>The</strong>orie zusammenzufassen. Während die Quantenmechanik und die Newtonsche<br />

Mechanik inein<strong>and</strong>er überzuführen sind beim Übergang von kleinen Dimensionen zu<br />

großen Dimensionen und dabei nicht zum Widerspruch führen, sind die Aussagen der Quantenmechanik<br />

konträr zu denen der Relativitätstheorie, wenn man sie auf kosmische Bereiche<br />

anwendet. Eines der Hauptziele der theoretischen <strong>Physik</strong> ist heute die Vereinheitlichung<br />

dieser beiden <strong>The</strong>orien.<br />

Beispiel: Heisenbergsche Weltformel in den 60ern oder Stephen Hawking heute<br />

Warum <strong>Physik</strong> für Elektroingenieure?<br />

In der Elektrotechnik stellt man sich gern auf den St<strong>and</strong>punkt, die Elektrizitätslehre als abgeschlossenes<br />

Gebiet zu betrachten, welches auch ohne den physikalischen Hintergrund zu<br />

beh<strong>and</strong>eln ist. Dies ist in vielen Fällen auch sinnvoll und richtig und erlaubt ein praxisnahes<br />

Verständnis der elektrischen Vorgänge (Beispiel: technische Stromrichtung, der Strom fließt<br />

vom Pluspol einer Spannungsquelle zum Minuspol, physikalisch werden aber Elektronen<br />

durch den Draht transportiert, vom Minuspol zum Pluspol. Dies ist z.B. wichtig beim Halleffekt<br />

oder den Halbleitern).


Seite 8 <strong>Technische</strong> <strong>Physik</strong> 2. September 2005<br />

Zunehmend werden heute aber die Elektroingenieure mit Arbeitsbereichen konfrontiert, die<br />

mehr und mehr dem Bereich der <strong>Physik</strong> zuzuordnen sind. Hierzu einige Beispiele:<br />

- der überwiegende Anteil der elektrischen Energie wird durch Wärmekraftmaschinen<br />

erzeugt, hier spielt die <strong>The</strong>rmodynamik die entscheidende Rolle; für Kernkraftwerke<br />

kommt die Atomphysik hinzu;<br />

- die moderne Kommunikation wird zukünftig verstärkt durch optische Nachrichtenübertragung<br />

erfolgen, ein sehr wichtiges Instrument hierfür ist der Laser, der sich nur<br />

auf der Basis der Atomphysik verstehen lässt; (Inhalt des zweiten Semesters)<br />

- die Halbleitertechnik entwickelt sich derzeit zu einer Nanostrukturtechnik, d.h. die<br />

Abmessungen der Bauteile sind kleiner als 1�m<br />

Folie Nr.1: 4-Mbit-DRAM<br />

bei der Herstellung solcher Strukturen müssen ganz neue Technologien zum Tragen<br />

kommen, wie die Röntgenstrahl-Lithographie oder der Einsatz von Synchrotron-Strahlung;<br />

- neueste Entwicklungen im Halbleiterbereich sprechen von der Elektronik mit einzelnen<br />

Elektronen (Quantenpunkte), hier kann ohne die Quantentheorie nicht mehr<br />

gearbeitet werden;<br />

Folie: Atome als Datenspeicher<br />

- die Energieübertragung setzt große H<strong>of</strong>fnungen auf Supraleiter, die schon nahe der<br />

Raumtemperatur supraleitend sind, die Entwicklung ist bisher bei einer Temperatur<br />

von etwa 125K (-148°C) angelangt, ein Verständnis der Supraleitung ist nur über die<br />

Quantenmechanik möglich (die Hochtemperatur-Supraleitung ist bis heute noch nicht<br />

vollständig verst<strong>and</strong>en).<br />

1.2 Basisgrößen und -einheiten<br />

Ein großer Teil der <strong>Physik</strong> beschäftigt sich mit der Messung von physikalischen Größen, wie<br />

z.B. Länge, Zeit, Frequenz, Geschwindigkeit u.v.m. Dabei wird einer Größe G immer ein bestimmter<br />

Zahlenwert {G} zugeordnet. Dieser Zahlenwert macht aber nur dann einen Sinn,<br />

wenn wir ihn mit einer bestimmten Grundeinheit vergleichen können. So ist die Aussage, dass<br />

die Länge 2 ist sinnlos, solange wir nicht sagen, auf welche Grundeinheit (z.B. m, ft, Å) sich<br />

dieser Wert bezieht. Daher gibt man zu jedem Zahlenwert der physikalischen Größe auch stets<br />

die Einheit [G] mit an. Eine physikalische Größe ist also nach folgendem Schema aufgebaut:<br />

So gilt für die Länge � = 2m: {�} = 2 und [�] = m.<br />

(1.1)


2. September 2005 <strong>Technische</strong> <strong>Physik</strong> Seite 9<br />

Viele physikalische Größen lassen sich durch <strong>and</strong>ere Größen ausdrücken, so dass nicht für<br />

jede Größe eine eigene Grundeinheit definiert werden muss. So lässt sich die Größe<br />

Geschwindigkeit als Quotient aus Länge und Zeit ausdrücken oder die Kraft als Produkt aus<br />

Masse und Länge dividiert durch das Quadrat der Zeit. Für einige Größen führen wir abkürzende<br />

neue Einheiten ein (z.B. [Kraft] = N = kg�m/s²), bei <strong>and</strong>eren benutzen wir eine zusammengesetzte<br />

Einheit (z.B. [Geschwindigkeit] = m/s). Es ist gelungen, alle physikalische Größen<br />

auf eine Zusammensetzung aus sieben Basisgrößen zu reduzieren. Diese Größen bilden<br />

das internationale Einheitensystem (SI-System):<br />

Basisgröße Basiseinheit Abkürzung<br />

Zeit Sekunde s<br />

Länge Meter m<br />

Masse Kilogramm kg<br />

elektrische Stromstärke Ampere A<br />

Temperatur Kelvin K<br />

Lichtstärke C<strong>and</strong>ela cd<br />

St<strong>of</strong>fmenge Mol mol<br />

Da diese Größen vonein<strong>and</strong>er unabhängig sind, werden sie <strong>of</strong>t auch als Dimensionen bezeichnet<br />

(ähnlich, wie wir von einem dreidimensionalen Raum sprechen und damit die drei<br />

unabhängigen Raumrichtungen meinen, mit deren Hilfe wir jeden Punkt im Raum eindeutig<br />

beschreiben können). Im Laufe der Vorlesung werden wir einige dieser Größen an geeigneter<br />

Stelle genauer definieren. Für die im folgenden betrachtete Mechanik reichen drei dieser<br />

Basisgrößen zur Beschreibung vollständig aus. Es sind dies: Zeit, Länge und Masse.<br />

Aus allen Einheiten lassen sich durch entsprechende Vorsilben größere oder kleinere Einheiten<br />

bilden:<br />

Vorsilbe Abkürzung Zehnerpotenz<br />

Yotta Y 10 24<br />

Zetta Z 10 21<br />

Exa E 10 18<br />

Peta P 10 15<br />

Tera T 10 12<br />

Giga G 10 9<br />

Mega M 10 6


Seite 10 <strong>Technische</strong> <strong>Physik</strong> 2. September 2005<br />

Kilo k 10 3<br />

Hekto h 10 2<br />

Dezi d 10 -1<br />

Zenti c 10 -2<br />

Milli m 10 -3<br />

Mikro � 10 -6<br />

Nano n 10 -9<br />

Pico p 10 -12<br />

Femto f 10 -15<br />

Atto a 10 -18<br />

Folie: Gewicht der Erde<br />

Video Nr 1: "Zehn hoch"<br />

Zeit<br />

Die Einheit der Zeitmessung ist die Sekunde. Sie wurde ursprünglich aus der Rotationsdauer<br />

der Erde abgeleitet, dadurch dass jeder Tag in 24h, jede Stunde in 60min und jede Minute in<br />

60s eingeteilt wurde. Eine Sekunde war somit der 86400ste Teil eines mittleren Sonnentages.<br />

Präzisionsmessungen haben allerdings ergeben, dass die Rotation der Erde nicht konstant ist,<br />

sondern sich beständig verlangsamt. Aus diesem Grunde hat man eine unabhängige Zeitdefinition<br />

getr<strong>of</strong>fen:<br />

1s ist die Dauer von 9.192.631.770 Perioden der Strahlung des Atoms Caesium 133<br />

zwischen den Hyperfeinstrukturniveaus des Grundzust<strong>and</strong>es<br />

Realisiert wird die Zeiteinheit in Deutschl<strong>and</strong> durch die sogenannte Atomuhr bei der <strong>Physik</strong>alisch<br />

<strong>Technische</strong>n Bundesanstalt (PTB) in Braunschweig. Diese Zeiteinheit wird über Funksignale<br />

jedem Nutzer zugänglich gemacht. Um die Zeitrechnung des Kalenders (Erddrehung)<br />

mit der Atomuhr zu synchronisieren sind am Ende eines Jahres <strong>of</strong>t sogenannte Schaltsekunden<br />

notwendig.<br />

Video Nr. 2: Definition der Sekunde, Atomuhr<br />

-10<br />

Folie Nr. 2: Atomuhr, Uhrengenauigkeit (heute 10 s/Tag)<br />

-13<br />

Folie: neue Atomuhr (zukünftig 10 s/Tag)


2. September 2005 <strong>Technische</strong> <strong>Physik</strong> Seite 11<br />

Länge<br />

Die Längeneinheit Meter wurde ursprünglich als ein Zehnmillionstel des Abst<strong>and</strong>es zwischen<br />

Nordpol und Äquator definiert und als so genanntes Urmeter in Paris für jeden nachmessbar<br />

aufbewahrt. Um eine höhere Genauigkeit zu erreichen und eine allgemeinere Festlegung zu<br />

schaffen, wurde folgende SI-Definition getr<strong>of</strong>fen:<br />

1m ist die Länge der Strecke, die Licht im Vakuum während der Zeitspanne von<br />

1/299.792.458 Sekunden durchläuft<br />

Bei dieser Definition sehen wir zweierlei: Zum einen wird die Geschwindigkeit des Lichtes<br />

im Vakuum als konstant und unveränderlich vorausgesetzt, zum <strong>and</strong>eren hängt diese Festlegung<br />

von der Definition der Sekunde ab. Die Basiseinheiten sind somit zwar unabhängig<br />

vonein<strong>and</strong>er, ihre Darstellung kann aber von <strong>and</strong>eren Basiseinheiten abhängen.<br />

Video Nr. 3: Definition des Meters<br />

Masse<br />

Die Festlegung der Masseneinheit kg ist praktisch noch "antiquiert". Man benutzt einen in<br />

Paris aufbewahrten Zylinder aus Platin-Iridium von 39mm Durchmesser und 39mm Höhe.<br />

Angelehnt ist diese Definition an die ursprüngliche Festlegung der Masse von 1g als 1cm³<br />

Wasser unter bestimmten Druck und Temperaturbedingungen. Verglichen werden Massen<br />

mitein<strong>and</strong>er durch die Kräfte, welche die Schwerkraft der Erde (Gravitation) auf die Massen<br />

ausübt (Wiegen).<br />

Video Nr. 4: neue Massendefinition mit Hilfe von Silizium<br />

Folie: Wie viel Atome hat ein kg?<br />

Folie Nr. 3: Wertebereich in der Natur<br />

1.3 <strong>Physik</strong>alische Gleichungen<br />

Größengleichungen<br />

Jedes physikalische Gesetz verbindet verschiedene physikalische Größen mitein<strong>and</strong>er und<br />

stellt so einen Zusammenhang zwischen ihnen her. Diese Gleichungen werden als Größengleichungen<br />

bezeichnet. Jede Größe ist hier durch ein Größensymbol (Formelzeichen) vertreten.<br />

Beispiel: Berechne die Masse von 300 m Kupferdraht des Querschnitts 0,785 mm² und der<br />

Dichte �=8,93 g/cm³. Es ergibt sich die allgemeine Lösung


Seite 12 <strong>Technische</strong> <strong>Physik</strong> 2. September 2005<br />

mit den Formelzeichen m = Masse, A = Querschnitt, V = Volumen und � = Länge.<br />

Durch Einsetzen der jeweiligen Größen als Produkt von Zahlenwert und Einheit folgt eine<br />

spezielle Lösung<br />

Hier ist zu sehen, dass die Einheiten wie Faktoren beh<strong>and</strong>elt werden, gekürzt werden können<br />

und inein<strong>and</strong>er umgerechnet werden können.<br />

Einheitengleichungen<br />

Mit den Einheiten kann man folglich genauso rechnen, wie mit den physikalischen Größen<br />

selbst. Dies ist <strong>of</strong>t dann von Nutzen, wenn man sich über die Einheit einer physikalischen<br />

Größe, die keine Basisgröße ist, klar werden möchte.<br />

Beispiel: Kraft = Masse � Beschleunigung = m � a = F<br />

Diese Einheitengleichungen kann man auch sehr gut verwenden, um sich über den Aufbau<br />

einer Größengleichung Klarheit zu verschaffen.<br />

Beispiel: Zusammenhang zwischen Wellenlänge �, Frequenz f und Ausbreitungsgeschwindigkeit<br />

v einer Welle<br />

[�]=m, [f]=1/s, [v]=m/s<br />

Aus diesen Einheiten lässt sich folgende Einheitengleichung zusammenstellen:<br />

[v] = [f]�[�]<br />

Bis auf eventuelle Proportionalitätsfaktoren folgt damit auch der Zusammenhang:<br />

v = f � �


2. September 2005 <strong>Technische</strong> <strong>Physik</strong> Seite 13<br />

2. Mechanik fester Körper<br />

2.1 Kinematik<br />

Die Kinematik befasst sich mit der Untersuchung von Bewegungen, d.h. den Zusammenhängen<br />

zwischen den physikalischen Größen Ort, Geschwindigkeit, Beschleunigung und Zeit,<br />

ohne auf die Ursachen der Bewegung einzugehen. Letzteres bleibt dem nächsten Abschnitt,<br />

der Dynamik vorbehalten. Zur Definition der angegebenen Größen betrachten wir zunächst<br />

den einfachen Fall einer linearen Bewegung und verallgemeinern dies später auf die<br />

dreidimensionale Bewegung.<br />

2.1.1 Geradlinige Bewegung<br />

Der Begriff der Geschwindigkeit wird meist als das Verhältnis des zurückgelegten Weges zur<br />

dafür benötigten Zeit definiert:<br />

Wie das einfache Experiment mit der Luftkissenbahn zeigt, ist dies durchaus korrekt:<br />

Experiment 2.1: Luftkissenbahn mit konstanter Geschwindigkeit<br />

Weg s in m Zeit t in s Geschwindigkeit v in m/s<br />

0,358 1,04 0,344<br />

0,621 1,86 0,334<br />

0,930 2,94 0,316<br />

Wir sprechen in diesem Fall von einer gleichförmigen<br />

Bewegung des Körpers, d.h. einer<br />

Bewegung mit konstanter Geschwindigkeit.<br />

Im Weg-Zeit-Diagramm stellt sich diese Abhängigkeit<br />

wie nebenstehend dar. Dabei kann<br />

der Weg zur Zeit t = 0s schon einen Wert s0<br />

besitzen, so dass gilt<br />

(2.2)<br />

Wir sehen, dass die Geschwindigkeit v als<br />

Steigung der Geraden in dieser linearen Gleichung<br />

auftritt. Wir können daher auch schreiben:<br />

(2.1)<br />

Abb. 2.1


Seite 14 <strong>Technische</strong> <strong>Physik</strong> 2. September 2005<br />

Im allgemeinen Fall ändert sich die Geschwindigkeit<br />

eines Körpers mit der Zeit. Wir sprechen<br />

dann von einer ungleichförmige Bewegung.<br />

Mit Hilfe der Gleichung (2.3) kann die Geschwindigkeit<br />

nur noch näherungsweise bestimmt<br />

werden. Wir sprechen dann von der<br />

mittleren Geschwindigkeit im Zeitintervall<br />

�t.<br />

Wollen wir dagegen zu einem bestimmten Zeit-<br />

Abb. 2.2<br />

punkt t die momentane Geschwindigkeit bestimmen,<br />

so müssen wir das Zeitintervall �t möglichst klein machen, d.h. �s und �t gegen<br />

Null gehen lassen. Mathematisch wird dies als Übergang vom Differenzenquotienten zum<br />

Differentialquotienten beschrieben:<br />

Bei diesem Grenzübergang geht die Steigung<br />

der Sekante aus Abb. 2.2 über in die Steigung<br />

der Tangente, wie es in Abb. 2.3 dargestellt<br />

ist. Damit können wir ganz allgemein feststellen:<br />

Die Geschwindigkeit v ist die Steigung der<br />

Kurve im Weg-Zeit-Diagramm.<br />

Beispiel:<br />

Der Weg s ändere sich quadratisch mit der<br />

2<br />

Zeit, d.h. s=A�t . Berechne die<br />

Geschwindigkeit v zur Zeit t 1 (Abb. 2.4).<br />

Ausgehend von Gleichung (2.3) berechnen wir zunächst eine mittlere Geschwindigkeit:<br />

(2.3)<br />

(2.4)<br />

Abb. 2.3


2. September 2005 <strong>Technische</strong> <strong>Physik</strong> Seite 15<br />

Für t 2 setzen wir t 1+�t<br />

ein und erhalten:<br />

Führen wir jetzt den Übergang �t� 0 durch,<br />

so folgt:<br />

Dieses Ergebnis hätten wir natürlich mit den<br />

Regeln der Differentialrechnung und der<br />

Beziehung (2.4) schneller erreichen können:<br />

Abb. 2.4<br />

Die Änderung der Geschwindigkeit mit der Zeit bei der ungleichförmigen Bewegung wird<br />

durch eine Beschleunigung a beschrieben. Auch hier müssen wir wieder unterscheiden zwischen<br />

einer gleichförmig beschleunigten Bewegung und einer ungleichförmig beschleunigten<br />

Bewegung. Im ersten Fall ändert sich die Geschwindigkeit linear mit der Zeit (Abb. 2.5).<br />

Für diesen Fall gilt<br />

a besitzt die Einheit [a]= m/s .<br />

2<br />

Entsprechend errechnet sich die<br />

Geschwindigkeit zu einem bestimmten<br />

Zeitpunkt t zu<br />

Wir sehen auch hier:<br />

(2.5)<br />

(2.6)<br />

Abb. 2.5<br />

Die Beschleunigung entspricht der Steigung der Geraden im Geschwindigkeit-Zeit-Diagramm<br />

(v-t-Diagramm).<br />

Im Falle der ungleichförmig beschleunigten Bewegung können wir mit Hilfe der Gleichung<br />

(2.5) wiederum nur eine mittlere Beschleunigung bestimmen (siehe Abb. 2.6).


Seite 16 <strong>Technische</strong> <strong>Physik</strong> 2. September 2005<br />

Abb. 2.6<br />

Abb. 2.7<br />

Zur Ermittlung der momentanen Beschleunigung müssen wir wieder den Grenzübergang zu<br />

kleinen Intervallen durchführen (Abb. 2.7):<br />

Wie schon bei der Geschwindigkeit gilt auch hier:<br />

Die Beschleunigung stellt die Steigung im Geschwindigkeit-Zeit-Diagramm dar.<br />

Während die Berechnung der Geschwindigkeit bei einer gleichmäßig beschleunigten<br />

Bewegung nach (2.6) sehr einfach ist (a = const.), ist dies im allgemeinen Fall nicht so trivial<br />

(Abb. 2.8).<br />

Aus (2.5) folgt zunächst �v = a��t.<br />

Um hieraus die Geschwindigkeit zur Zeit t<br />

zu bestimmen, müssen wir die einzelnen Elemente<br />

�v aufsummieren. Dies stellt sich im<br />

Beschleunigung-Zeit-Diagramm als Bildung<br />

der Fläche unter der Kurve dar. Damit dies<br />

mit hoher Genauigkeit geschieht, muss wieder<br />

mit dem Grenzübergang �t� 0 gearbeitet<br />

werden:<br />

Abb. 2.8<br />

Diese Rechenvorschrift bezeichnet man als Integration. Besitzen wir zur Zeit t = 0 schon eine<br />

Geschwindigkeit v 0,<br />

so folgt:<br />

(2.7)


2. September 2005 <strong>Technische</strong> <strong>Physik</strong> Seite 17<br />

Die Geschwindigkeit zur Zeit t entspricht der Fläche unter der Kurve im Beschleunigung-Zeit-<br />

Diagramm.<br />

Für eine gleichmäßig beschleunigte Bewegung ist a konstant und kann somit vor das Integral<br />

gezogen werden. Es resultiert dann die Formel (2.6).<br />

Ausgangspunkt für die Berechnung des Weges bei ungleichförmiger Bewegung bieten in gleicher<br />

Weise die Beziehungen (2.3) und (2.4) (siehe Abb. 2.9). Wiederum erhalten wir durch<br />

Summation bzw. Integration die Formel:<br />

Da das Integral wiederum die Fläche unter der entsprechenden Kurve darstellt, gilt:<br />

Der zurückgelegte Weg entspricht der Fläche unter der Kurve im Geschwindigkeits-Zeit-<br />

Diagramm.<br />

Abb. 2.9<br />

Betrachten wir wiederum eine gleichmäßig beschleunigte Bewegung mit v = a�t (a = const.) so<br />

finden wir aus Abb. 2.9 das Ergebnis<br />

Da auf der <strong>and</strong>eren Seite gilt<br />

(2.8)<br />

(2.9)<br />

(2.10)


Seite 18 <strong>Technische</strong> <strong>Physik</strong> 2. September 2005<br />

finden wir hier die Bestätigung für die allgemeine Integrationsregel<br />

Hat zur Zeit t=0 die Geschwindigkeit v den Wert v 0 und der Weg den Wert s 0,<br />

so muss in das<br />

Integral zur Wegberechnung v = a�t + v 0 eingesetzt werden. Wir erhalten dann die allgemeinere<br />

Beziehung:<br />

Experiment 2.2: Luftkissenbahn mit konstanter Beschleunigung<br />

Anmerkungen:<br />

Weg s in m Zeit t in s Beschleunigung a in<br />

m/s 2<br />

0,429 1,34 0,478 0,641<br />

0,747 1,82 0,451 0,821<br />

1,023 2,16 0,439 0,948<br />

Geschwindigkeit v in<br />

m/s<br />

Abb. 2.10<br />

1) Bremsvorgänge sind ebenfalls Beschleunigungen, allerdings mit negativem Vorzeichen.<br />

2) Eine Bewegung mit einer größeren Geschwindigkeit als der des Lichtes ist nicht<br />

möglich. Die Gleichungen (2.6) und folgende können daher nicht ganz korrekt sein,<br />

da sie bei genügend langer Zeit eine beliebig hohe Geschwindigkeit liefern. Die von<br />

(2.11)<br />

(2.12)


2. September 2005 <strong>Technische</strong> <strong>Physik</strong> Seite 19<br />

Einstein entwickelte Relativitätstheorie gibt folgende korrekte Beziehung an:<br />

Dabei ist c die Lichtgeschwindigkeit und a die konstante Beschleunigung. Man<br />

erkennt, dass für kleine Zeiten t und damit geringe Geschwindigkeiten der Nenner zu 1<br />

wird und wir die Formel (2.6) so als Grenzfall erhalten. Für sehr große Zeiten t ist<br />

dagegen die 1 im Nenner zu vernachlässigen und wir erhalten v=c.<br />

Fallbewegung:<br />

Ein sehr typisches Beispiel für eine gleichförmig beschleunigte Bewegung ist der freie Fall<br />

von Körpern nahe der Erdoberfläche. Schon von Galilei wurde festgestellt, dass alle Körper<br />

die gleiche Fallbeschleunigung erfahren, s<strong>of</strong>ern der Luftwiderst<strong>and</strong> ausgeschaltet ist.<br />

Experiment 2.3: Freier Fall im Vakuum<br />

Der Wert der Beschleunigung kann durch Fallversuche ermittelt werden:<br />

Experiment 2.4: Freier Fall mit elektronischer Zeitmessung<br />

Grundlage für die Auswertung ist die Gleichung (2.10): a = 2s/t 2<br />

s/m 0,3 0,4 0,6 0,8 0,8 1,0 1,0 1,2 1,4 1,4<br />

t/s 0,24 0,27 0,34 0,40 0,39 0,45 0,44 0,49 0,52 0,53<br />

2<br />

a/m/s 10,4 11,0 10,4 10,0 10,5 9,9 10,3 10,0 10,4 10,0<br />

Wir sehen, dass wir bei dieser Messreihe verschiedene Werte für die Beschleunigung erhalten.<br />

Ursache sind nicht exakt zu kontrollierende Fehler des Experimentes, wie z.B. eine ungleiche<br />

Reibkraft der Kugel in der Halterung. Aus diesem Grunde müssen physikalische Messungen<br />

häufig wiederholt werden. Einen Näherungswert für den gesuchten Messwert liefert uns dann<br />

das arithmetische Mittel über alle durchgeführten Messungen:<br />

x i stellt dabei das einzelne Messergebnis dar, N die Anzahl der Messungen.<br />

a� = 10,3 m/s 2<br />

Auch dieser Mittelwert der Messung kann mehr oder weniger stark vom tatsächlich gültigen<br />

(2.13)<br />

(2.14)


Seite 20 <strong>Technische</strong> <strong>Physik</strong> 2. September 2005<br />

Wert abweichen. Die mittlere Erdbeschleunigung ist international auf den Wert<br />

g = 9,80665 m/s 2<br />

festgelegt. Ursache für Abweichungen sind einerseits in der Form der Erde zu suchen,<br />

<strong>and</strong>ererseits spielen noch eine Reihe von systematischen Messfehlern eine wichtige Rolle.<br />

Hier sind in erster Linie zu nennen: Luftreibung und Auftrieb; Gangungenauigkeit der Uhr;<br />

Fehler in der Längenmessung der Fallstrecke, Hysterese des Haltemagneten.<br />

Die Erdbeschleunigung ist ein für die Erde typischer Wert und hängt mit der Größe der Erde<br />

und deren Masse zusammen (dies wird später gezeigt).<br />

Betrachten wir nun den senkrechten<br />

Wurf als Beispiel für die<br />

Fallbewegung. Wir legen unser<br />

Koordinatensystem so, dass die<br />

positive Wegachse nach oben weist<br />

und werfen einen Ball mit der<br />

Anfangsgeschwindigkeit v 0 = 10<br />

m/s senkrecht in die Höhe. Die<br />

Starthöhe sei h 0 = 0 m. Der Vorgang<br />

wird durch die Gleichung (2.12) beschrieben,<br />

die Beschleunigung weist<br />

in die negative Richtung, d.h. a = -g.<br />

Damit folgt:<br />

Abb. 2.11<br />

Wir sehen in Abb. 2.11, dass der Ball zunächst ansteigt, dann eine maximale Höhe erreicht,<br />

anschließend wieder zu fallen beginnt. Im Punkt der maximalen Höhe muss die Geschwindigkeit<br />

v auf Null abgefallen sein. Um<br />

den Scheitelpunkt festzulegen,<br />

bestimmen wir zunächst den Verlauf<br />

der Geschwindigkeit.<br />

Hierzu müssen wir entsprechend (2.4)<br />

den Weg differenzieren. Wir erhalten:<br />

Abb. 2.12


2. September 2005 <strong>Technische</strong> <strong>Physik</strong> Seite 21<br />

Dies ergibt eine Gerade mit negativer Steigung und einem Achsenabschnitt bei v 0.<br />

Der Zeitpunkt für die maximale Höhe bestimmt sich jetzt zu<br />

und das Maximum der Höhe dann durch Einsetzen in die Höhenformel zu:<br />

Für den Aufschlagzeitpunkt des Balles errechnet sich aus der Höhenformel mit h=0:<br />

und<br />

D.h. der Ball trifft mit der gleichen Geschwindigkeit wieder auf, mit der er abgeworfen wurde.<br />

2.1.2 Das Unabhängigkeitsprinzip<br />

Aus unserer täglichen Erfahrung ist uns bewusst, dass Bewegungen überlagert werden<br />

können, z.B. Laufen im Zug, Rudern mit oder gegen den Strom. Hierbei addieren sich die<br />

Geschwindigkeiten beider Bewegungen zu einer Gesamtgeschwindigkeit. Dies ist allerding<br />

nur dann physikalisch und mathematisch korrekt, wenn wir davon ausgehen, dass sich die<br />

beiden Bewegungen nicht gegenseitig beeinflussen. Wir wollen die Unabhängigkeit von<br />

Bewegungen in einem Experiment untersuchen:<br />

Experiment 2.5: Überlagerung von horizontaler und vertikaler Bewegung<br />

Wir sehen, dass die Kugel, der eine zusätzliche horizontale Bewegung mitgegeben wurde,<br />

trotzdem zur gleichen Zeit auf dem Boden aufkommt, wie die frei fallende Kugel. Die<br />

Fallbewegung wird augenscheinlich nicht von der horizontalen Bewegung beeinflusst.<br />

Dies wird allgemein als das Unabhängigkeitsprinzip oder Prinzip der ungestörten<br />

Superposition bezeichnet:<br />

Zwei gleichzeitig stattfindende Bewegungen eines Körpers sind unabhängig vonein<strong>and</strong>er.<br />

Sie setzen sich so zusammen, als ob sie zeitlich nachein<strong>and</strong>er stattfinden würden


Seite 22 <strong>Technische</strong> <strong>Physik</strong> 2. September 2005<br />

Anmerkung:<br />

Bei sehr hohen Geschwindigkeiten in der Nähe der Lichtgeschwindigkeit kann dieses Prinzip<br />

so nicht mehr gelten, da sonst durch Addition zweier Geschwindigkeiten leicht die Lichtgeschwindigkeit<br />

überschritten werden könnte (Abschießen einer Rakete von einer Rakete). Hier<br />

müssen folglich Korrekturen vorgenommen werden. Im Bereich der in der Alltagspraxis auftretenden<br />

Geschwindigkeiten spielt dies allerdings keine Rolle.<br />

2.1.3 Bewegung in mehreren Dimensionen<br />

Bewegt sich ein Körper nicht mehr geradlinig, sondern auf einer Bahnkurve durch den Raum,<br />

so reicht zur Beschreibung seiner aktuellen Lage nicht mehr eine einzige Zahl aus. Wir<br />

müssen ein Koordinatensystem einführen und den Körper in Bezug auf dieses System<br />

beschreiben.<br />

Jedem Punkt des Raumes lässt sich<br />

durch seine Projektion auf die Achsen<br />

ein Zahlentripel zuweisen, welches<br />

seine Lage im Raum symbolisiert.<br />

Diese drei Koordinaten fasst man zu<br />

einem Ortsvektor zusammen:<br />

Die Bahnkurve wird dann durch die<br />

zeitliche Änderung des Ortsvektors<br />

beschrieben:<br />

Beispiel:<br />

Abb. 2.13<br />

für z(t)=0 ergibt sich ein Kreis in der x-y-Ebene mit dem Radius R, für z(t)=c�t Spirale um die<br />

z-Achse mit dem Radius R.<br />

Wie in der Abb. 2.13 dargestellt, wird ein Vektor immer durch einen Pfeil symbolisiert. Er besitzt<br />

eine bestimmte Richtung und eine bestimmte Länge. Seine Länge lässt sich aus den Koordinaten<br />

mit Hilfe des Satzes des Phytagoras ermitteln:<br />

Die Geschwindigkeit des Körpers finden wir wieder aus der zeitlichen Änderung des<br />

Ortsvektors bezogen auf das Zeitintervall, mit �t� 0 (Abb. 2.13):<br />

(2.16)


2. September 2005 <strong>Technische</strong> <strong>Physik</strong> Seite 23<br />

In dieser Formel taucht wieder das Unabhängigkeitsprinzip auf, da wir die drei Bewegungen<br />

in die Koordinatenrichtungen als unabhängig vonein<strong>and</strong>er betrachtet haben.<br />

Wie aus der Abbildung 2.13 deutlich wird, stellt der Geschwindigkeitsvektor einen Tangentenvektor<br />

an die Bahnkurve dar, d.h seine Richtung ist die Richtung der Tangente an die<br />

Bahnkurve, seine Länge entspricht dem Betrag der momentanen Geschwindigkeit.<br />

Mit Hilfe der Vektordarstellung ist es jetzt sehr<br />

einfach möglich Geschwindigkeiten zu addieren.<br />

Die Abb. 2.14 zeigt zunächst die Definition des<br />

negativen Vektors. Bei ihm ist der Betrag gleich,<br />

die Richtung umgekehrt. Die Vektoraddition<br />

erfolgt nun entsprechend des Unabhängigkeitsprinzips<br />

so, dass die einzelnen Komponenten der<br />

Vektoren addiert werden:<br />

In der grafischen Addition der Vektoren entspricht<br />

dies der Bildung eines Vektorparallelogramms,<br />

bzw. dem Ansetzen des zweiten Vektors an die<br />

Spitze des Ersten. Bei der Bildung der<br />

Abb. 2.14<br />

Vektordifferenz wird entweder der negative Vektor<br />

addiert oder die direkte Verbindung zwischen den beiden Vektorspitzen verwendet.<br />

1. Beispiel:<br />

Eine Fähre will einen Fluss auf<br />

kürzestem Wege überqueren, der mit<br />

einer Geschwindigkeit von 5km/h strömt.<br />

Das Boot besitzt eine maximale Geschwindigkeit<br />

von 10km/h. Unter welchem<br />

Winkel muss gesteuert werden und<br />

wie groß ist die resultierende Geschwindigkeit?<br />

Lösung:<br />

(2.18)<br />

(2.17)<br />

Abb. 2.15<br />

Die resultierende Geschwindigkeit v' ist<br />

die Vektorsumme aus v und v W. Sie steht senkrecht zu v W.<br />

Daher bilden die drei Vektoren ein<br />

rechtwinkliges Dreieck. Hier gilt:


Seite 24 <strong>Technische</strong> <strong>Physik</strong> 2. September 2005<br />

2. Beispiel: schiefer Wurf<br />

Beim schiefen Wurf wird ein Ball<br />

unter einem bestimmten Winkel<br />

� und mit fester Geschwindigkeit<br />

v 0 abgeschossen:<br />

Experiment 2.6: schiefer Wurf<br />

Es stellt sich die Frage, unter<br />

welchem Winkel � die größte<br />

Weite erreicht wird.<br />

Die Bewegung ist zusammengesetzt<br />

aus zwei unabhängigen Teilbewegungen:<br />

a) In x-Richtung liegt eine<br />

gleichförmige Bewegung mit der Geschwindigkeit<br />

vor;<br />

b) In y-Richtung liegt eine gleichmäßig beschleunigte Bewegung vor, die wir vom<br />

senkrechten Wurf her kennen:<br />

Durch Integration folgt für die Wege:<br />

Wir erhalten die Bahnkurve, indem wir t eliminieren:<br />

Wir sehen, dass dies eine Parabelgleichung ist (Wurfparabel).<br />

Abb. 2.16


2. September 2005 <strong>Technische</strong> <strong>Physik</strong> Seite 25<br />

Experiment 2.7: Wasserstrahl als Wurfparabel<br />

Die Wurfweite können wir über die Bedingung y=0 bestimmen:<br />

Für die maximal erreichbare Wurfweite folgt dann s<strong>of</strong>ort, dass sin2� maximal sein muss, also<br />

2�=90° sein muss und damit �=45°.<br />

Die Steighöhe y m wird aus Symmetriegründen bei x m/2<br />

erreicht:<br />

Maximale Steighöhe wird folglich bei �=90° erreicht, also dem senkrechten Wurf.<br />

Bisher haben wir uns mit der Zusammensetzung von Vektoren beschäftigt. Das letzte Beispiel<br />

hat aber gezeigt, dass Vektoren auch zerlegt werden können. Hier hatten wir die Geschwindigkeit<br />

v 0 zerlegt in zwei Komponenten jeweils parallel zu den Koordinatenachsen x und y.<br />

Bisher haben wir nur den Ort und die Geschwindigkeit als Vektor betrachtet, aber auch die<br />

Beschleunigung stellt als Ableitung der Geschwindigkeit einen Vektor dar:<br />

Den Geschwindigkeitsvektor konnten wir als Tangentenvektor an die Bahnkurve interpretieren.<br />

Welche Bedeutung kommt jetzt dem Beschleunigungsvektor zu.<br />

Betrachten wir einen Teil der Bahnkurve, so finden wir, dass<br />

der Beschleunigungsvektor a im allgemeinen schräg zu<br />

dieser Bahnkurve liegen muss, da die Geschwindigkeit nicht<br />

nur ihren Betrag ändert, sondern auch ihre Richtung. Wir<br />

zerlegen den Beschleunigungsvektor daher in eine<br />

Komponente parallel zur Geschwindigkeit, also eine<br />

tangentiale Beschleunigung a t und eine Komponente senk-<br />

recht hierzu, die sogenannte Normalbeschleunigung a n.<br />

Die<br />

tangentiale Beschleunigung verändert den Betrag der Geschwindigkeit,<br />

die normale Beschleunigung verändert die<br />

Richtung der Geschwindigkeit. Wir werden beide Komponenten<br />

im nächsten Abschnitt am Beispiel der<br />

Abb. 2.17


Seite 26 <strong>Technische</strong> <strong>Physik</strong> 2. September 2005<br />

Kreisbewegung ausführlich diskutieren.<br />

2.1.4 Bewegung auf der Kreisbahn<br />

Die Bewegung auf der Kreisbahn ist ein Spezialfall der<br />

allgemeinen krummlinigen Bewegung. Da man jede<br />

Bahnkurve aber lokal durch einen Kreisbahnabschnitt<br />

annähern kann, lassen sich die hier gewonnenen<br />

Erkenntnisse auch auf die allgemeine Bewegungsform<br />

übertragen.<br />

Bewegt sich ein Körper auf einer Kreisbahn, so sind der<br />

Winkel � und der Radius r geeignete Größen um diese<br />

Bewegung zu beschreiben. Wir sprechen hierbei von<br />

sogenannten Polarkoordinaten. Zur Umrechnung in<br />

die kartesischen Koordinaten gilt:<br />

Abb. 2.18<br />

Unter einem ebenen Winkel versteht man das Verhältnis vom Kreisbogen s zum Radius r:<br />

Die Einheit des Winkel ergibt sich zu [�]= m/m = 1 � 1 rad (Radiant).<br />

Zu einem Winkel von 1rad gehört folglich ein Kreisbogen der Länge r. Da der volle Kreis<br />

einen Umfang von U=2�r besitzt, entspricht der Vollkreis einem Winkel von 2� rad. Wir<br />

sprechen hier meist vom Winkel im Bogenmaß. Für die Umrechnung zur SI-fremden, aber<br />

häufig verwendeten Einheit Grad (Winkel im Gradmaß) gilt dann:<br />

-3<br />

2� rad = 360°; 1rad = 57,3°; 1° = 17,45�10 rad<br />

Betrachten wir die Bewegung im einzelnen:<br />

Winkelgeschwindigkeit:<br />

Bewegt sich der Körper in der Umlaufzeit T einmal um den Mittelpunkt herum, so können<br />

wir ihm eine Drehzahl n zuschreiben:<br />

Die Bahngeschwindigkeit v ist dann gegeben durch:<br />

(2.22)


2. September 2005 <strong>Technische</strong> <strong>Physik</strong> Seite 27<br />

Wir sehen, dass die Bahngeschwindigkeit vom Radius r des Kreises abhängt. Daher definiert<br />

man für die Kreisbewegung eine Winkelgeschwindigkeit �, welche die<br />

Änderungsgeschwindigkeit des Winkels � darstellt:<br />

[�] = 1 rad/s = 1/s<br />

Wie hängen die Bahngeschwindigkeit v und die Winkelgeschwindigkeit � zusammen?<br />

Bei einer gleichförmigen Drehung sind n und � konstant, dann gilt:<br />

Da in der Umlaufzeit T der Winkel 2� zurückgelegt wird, gilt weiter:<br />

Multipliziert man diesen Ausdruck mit dem Radius r und vergleicht das Ergebnis mit (2.23)<br />

so folgt s<strong>of</strong>ort:<br />

Dieser für die gleichförmige Drehung abgeleitete Zusammenhang gilt auch ganz allgemein für<br />

die beschleunigte Drehbewegung.<br />

Zentripetalbeschleunigung:<br />

Wir hatten festgestellt, dass bei einer allgemeinen Bahnkurve zwei Beschleunigungskomponenten<br />

auftreten. Diese wollen wir separat untersuchen. Im ersten Fall betrachten wir die<br />

gleichförmige Kreisbewegung, d.h. die Bahngeschwindigkeit ist konstant. Dann kann keine<br />

Tangentialkomponente der Beschleunigung vorliegen, wir haben nur eine Normalkomponente.<br />

Diese wird als Zentripetalbeschleunigung bezeichnet.<br />

(2.23)<br />

(2.24)<br />

(2.25)<br />

(2.26)<br />

(2.27)<br />

Wir betrachten zwei Zeitpunkte der Bahnbewegung, die um �t ausein<strong>and</strong>er liegen. In dieser<br />

Zeit wird der Winkel �� durchlaufen. Die Geschwindigkeit ändert sich um �v, wobei die Beträge<br />

von v 1 und v 2 identisch sind. Für kleine Zeiten �t sehen wir, dass �v senkrecht auf v<br />

steht, so dass tatsächlich nur eine Normalkomponente der Beschleunigung vorliegt. Weiter


Seite 28 <strong>Technische</strong> <strong>Physik</strong> 2. September 2005<br />

entspricht �s dem Bogen, der<br />

durchlaufen wird. Da die Geschwindigkeiten<br />

senkrecht auf den<br />

Radien stehen, sind die<br />

Dreiecke ähnlich zuein<strong>and</strong>er<br />

und es gilt daher:<br />

Dividieren wir beide Seiten<br />

durch �t, so folgt:<br />

Im Grenzfall �t � 0 folgt somit:<br />

In Vektorschreibweise folgt:<br />

Beispiel: Satellit auf der Erdumlaufbahn<br />

Bei einer erdnahen Umlaufbahn des Satelliten wirkt die Erdbeschleunigung g als<br />

Zentripetalbeschleunigung:<br />

Es resultiert eine Geschwindigkeit von<br />

Abb. 2.19<br />

(2.28)<br />

(2.29)<br />

Ist die Geschwindigkeit geringer als dieser Wert, so resultiert aus (2.28) ein Radius kleiner als<br />

R E und der Satellit stürzt auf die Erde, ist die Geschwindigkeit höher, so erreicht er eine<br />

höhere Umlaufbahn. Die errechnete Geschwindigkeit stellt somit eine<br />

Mindestgeschwindigkeit für Satelliten dar. Sie wird als erste kosmische Geschwindigkeit<br />

bezeichnet. Es errechnet sich eine Umlaufzeit von


2. September 2005 <strong>Technische</strong> <strong>Physik</strong> Seite 29<br />

Winkelbeschleunigung:<br />

Betrachten wir eine zusätzliche Änderung des<br />

Betrages der Bahngeschwindigkeit, so tritt neben der<br />

Zentripetalbeschleunigung auch noch eine<br />

Tangentialbeschleunigung auf.<br />

Diese ist für die Betragsänderung zuständig. Nach<br />

Abb. 2.20 gilt für die Betragsänderung:<br />

und<br />

(2.30)<br />

Zu beachten ist, dass hier nur die Beträge verwendet<br />

werden.<br />

Wir sprechen bei a t von der Bahnbeschleunigung.<br />

Wie bei der Definition der Winkelgeschwindigkeit kann man jetzt auch eine Winkelbeschleunigung<br />

definieren:<br />

Für eine gleichmäßig beschleunigte Drehbewegung gilt wieder �=const. und somit<br />

Für den Zusammenhang zwischen Winkelbeschleunigung und Bahnbeschleunigung gilt:<br />

Zwischen den Bahngrößen und den Winkelgrößen gilt also stets der Zusammenhang:<br />

Abb. 2.20<br />

(2.31)<br />

(2.32)<br />

(2.33)


Seite 30 <strong>Technische</strong> <strong>Physik</strong> 2. September 2005<br />

Alle Größen �, � und � hängen somit genauso mitein<strong>and</strong>er zusammen, wie die Größen der<br />

linearen Bewegung s, v und a. Alle Gleichungen der eindimensionalen Kinematik können wir<br />

auf die Drehbewegung übertragen, indem wir s � �, v � � und a � � ersetzen.<br />

Beispiel: gleichmäßig beschleunigte Drehbewegung<br />

2.2 Dynamik<br />

Die bisher betrachtete Kinematik beschrieb verschiedene Bewegungszustände ohne danach zu<br />

fragen, wie diese Zustände entst<strong>and</strong>en sind. Die jetzt zu betrachtende Dynamik beschäftigt<br />

sich dagegen mit den Ursachen der Bewegung. Schon von Aristoteles wurde die erste<br />

Ursachenforschung betrieben. Er formulierte als Bewegungsgesetz:<br />

Alles, was sich bewegt, bewegt sich entweder von Natur aus (fallender Stein) oder durch eine<br />

äußere Kraft (Wagen) oder vermöge seines freien Willens (Mensch).<br />

Hiervon wird der Kerngedanke, dass eine Bewegung nur durch eine äußere Kraft in Gang<br />

gesetzt und aufrecht erhalten werden kann, bis heute immer noch von vielen Menschen auf<br />

Grund der persönlichen Erfahrungen als richtig angesehen.<br />

Schon im 17. Jahrhundert (und zuvor auch schon von Galilei) wurde allerding von Isaac<br />

Newton eine ganz <strong>and</strong>ere Sichtweise entwickelt und in den drei Newtonschen Axiomen<br />

festgehalten. Diese Axiome beschreiben die klassische, makroskopische Welt exakt, versagen<br />

jedoch in Bereichen der Quantenphysik sowie bei Geschwindigkeiten nahe der Lichtgeschwindigkeit.<br />

2.2.1 Die Newtonschen Bewegungsgesetze<br />

1. Newtonsches Axiom (Trägheitsgesetz)<br />

Ein Körper bleibt solange im Zust<strong>and</strong> der Ruhe oder gleichförmig geradlinigen<br />

Bewegung, wie keine Kräfte auf ihn einwirken.<br />

Mathematisch:<br />

(2.34)


2. September 2005 <strong>Technische</strong> <strong>Physik</strong> Seite 31<br />

2. Newtonsches Axiom (Aktionsgesetz=Grundgesetz der Mechanik)<br />

Die zeitliche Änderung der Bewegungsgröße p�=m�v� ist gleich der resultierenden<br />

Kraft, die auf den Körper einwirkt.<br />

Mathematisch:<br />

3. Newtonsches Axiom (Wechselwirkungsgesetz: Actio = Reactio)<br />

Wirkt ein Körper 1 auf einen Körper 2 mit der Kraft F 12 , so wirkt der Körper 2 auf den<br />

Körper 1 mit der Kraft F 21 ; beide Kräfte haben den gleichen Betrag, aber entgegengesetzte<br />

Richtungen.<br />

Mathematisch:<br />

Betrachten wir diese drei Axiome und ihre Auswirkungen etwas näher:<br />

Das erste Newtonsche Axiom wurde in seiner verbalen Form schon von Galilei formuliert.<br />

Es erscheint uns wie ein Spezialfall des zweiten Axioms. Wenn man jedoch vom Weltbild des<br />

Aristoteles kommt, so hat diese Aussage einen sehr grundsätzlichen Charakter. Darüber<br />

hinaus steckt in diesem Axiom die Existenz der so genannten Inertialsysteme:<br />

Betrachten wir die Bahnkurve eines Körpers (z.B. rollende Kugel) von zwei Koordinatensystemen<br />

aus, die sich gegenein<strong>and</strong>er mit konstanter Geschwindigkeit bewegen (z.B. Bahnsteig<br />

und Zug mit konstanter Geschwindigkeit), so werden wir von beiden St<strong>and</strong>punkten aus registrieren,<br />

dass keine Kraft auf die Kugel einwirkt, d.h. die Addition einer konstanten Geschwindigkeit<br />

verändert nicht die wirkenden Kräfte.<br />

Experiment 2.8: rotierendes Bezugssystem<br />

Betrachten wir dagegen die Bewegung der Kugel von einem<br />

rotierenden Bezugssystem aus, so finden wir eine gekrümmte<br />

Bahnkurve. Für diesen Betrachter muss folglich eine Kraft gewirkt<br />

haben. Das Trägheitsgesetz hat hier folglich keine Gültigkeit<br />

mehr. Über die hier wirkenden Scheinkräfte werden wir<br />

später sprechen.<br />

Inertialsysteme sind folglich besonders ausgezeichnete<br />

Bezugssysteme:<br />

Abb. 2.21


Seite 32 <strong>Technische</strong> <strong>Physik</strong> 2. September 2005<br />

Inertialsysteme sind Bezugssysteme, die relativ zum Fixsternhimmel ruhen oder sich<br />

relativ zu ihm geradlinig oder gleichförmig bewegen<br />

Die Erde stellt infolge ihrer Rotation kein Inertialsystem dar, kann aber wegen ihrer Größe für<br />

kurzzeitige Experimente als solches benutzt werden. Abweichungen werden wir später<br />

diskutieren.<br />

Im zweiten Newtonschen Axiom wird zunächst eine neue Größe eingeführt, die man Impuls<br />

nennt:<br />

und welche die Geschwindigkeit eines Körpers mit seiner Masse verknüpft. Wir werden uns<br />

später noch ausführlich mit den Eigenschaften des Impulses vertraut machen. Das zweite<br />

Newtonsche Axiom definiert nun mit Hilfe des Impulses den Begriff der Kraft in der Form,<br />

dass eine Kraft gleich der zeitlichen Änderung des Impulses ist:<br />

In der klassischen Mechanik ist die Masse eines Körpers in der Regel eine Konstante und<br />

dann kann (2.36) zu der allgemein bekannten Beziehung<br />

umgeschrieben werden. Wichtig ist, dass man bei Anwendung der Gleichung (2.37) immer<br />

die Wirkung aller Kräfte berücksichtigt, F� also die resultierende Kraft darstellt (z.B. wird<br />

ein Körper nicht beschleunigen, wenn er von einer Kraft gegen die W<strong>and</strong> gedrückt wird).<br />

In der Relativitätstheorie gilt dies nicht mehr, hier hängt die Masse eines Körpers von der Geschwindigkeit<br />

ab:<br />

Ursache ist die Äquivalenz von Masse und Energie, die Einstein formuliert hat und die dazu<br />

führt, dass eine hohe Bewegungsenergie eines Körpers wie eine zusätzliche Masse wirkt.<br />

Wir wollen den Begriff der Kraft, der hier definiert wird, etwas näher untersuchen:<br />

Entsprechend dem zweiten Newtonschen Axiom ist die Kraft ein Vektor, der parallel zum<br />

(2.35)<br />

(2.36)<br />

(2.37)<br />

(2.38)


2. September 2005 <strong>Technische</strong> <strong>Physik</strong> Seite 33<br />

Beschleunigungsvektor liegt. Folglich lassen sich auch alle Vektoreigenschaften auf die Kraft<br />

anwenden (z.B. Addition und Zerlegung von Vektoren). Als Einheit ergibt sich für die Kraft<br />

2<br />

[F] = kg�m/s = N (Newton).<br />

Experiment 2.9: Zusammensetzung und Zerlegung von Kräften (Magnetw<strong>and</strong>)<br />

a) statisches Gleichgewicht<br />

Ist die Beschleunigung eines Körpers a = 0, so muss die resultierende Wirkung alle Kräfte<br />

ebenfalls gleich Null sein:<br />

Dies ist die Grundgleichung aller statischen Probleme.<br />

b) Gravitationskraft<br />

Die Bewegung des Mondes um die Erde brachte Newton dazu, eine Kraft zu postulieren,<br />

welche die für die Kreisbahn notwendige Zentripetalbeschleunigung bewirkt. Diese sollte den<br />

beiden Massen der Körper proportional sein, sowie mit dem Abst<strong>and</strong> abnehmen. Durch<br />

einfache Rechnung (siehe Übungen) f<strong>and</strong> er den Zusammenhang<br />

Da alle drei physikalischen Größen schon in ihrer Einheit festliegen, müssen wir noch eine<br />

Konstante einführen, die aus dieser Proportionalität eine Gleichung macht:<br />

Durch Messungen kann die Gravitationskonstante � bestimmt werden:<br />

Dieses Gesetz können wir auch anwenden, um die Kraft zu bestimmen, mit der ein Körper auf<br />

der Erdoberfläche angezogen wird:<br />

Diese Kraft bezeichnen wir allgemein als Gewicht oder Gewichtskraft. Die Größe g, die in<br />

(2.39)<br />

(2.40)<br />

(2.41)<br />

(2.42)


Seite 34 <strong>Technische</strong> <strong>Physik</strong> 2. September 2005<br />

dieser Gleichung auftritt, hat die Einheit einer Beschleunigung und wird als<br />

Erdbeschleunigung bezeichnet. Er entspricht dem Wert, den wir aus den Fallversuchen<br />

ermittelt hatten:<br />

g = 9,80665 m/s . 2<br />

Mit Hilfe von (2.42) läßt sich dann z.B. die Masse der Erde errechnen, bzw. die mittlere<br />

Dichte der Erde.<br />

Folie: Laserwaage ermittelt exaktes Gewicht der Erde<br />

c) Zentripetalkraft<br />

Die Beschleunigung, die einen Körper auf einer Kreisbahn hält, hatten wir im letzten<br />

Abschnitt bestimmt. Nach dem 2. Newtonschen Axiom ist hiermit eine Kraft verbunden:<br />

Diese Kraft wird als Zentripetalkraft bezeichnet. Sie ist zum Mittelpunkt der Kreisbahn<br />

gerichtet.<br />

Experiment 2.10: Bestimmung der Zentripetalkraft<br />

-1 -1<br />

n/min �/s r/cm m/g F zp /N Sollwert<br />

200 20,9 9,5 12,5 0,6 0,52<br />

200 20,9 9,5 25 1,05 1,04<br />

200 20,9 19 25 2,4 2,08<br />

300 31,4 9,5 12,5 1,25 1,17<br />

Das Experiment bestätigt also den oben dargestellten Zusammenhang.<br />

d) Federkräfte<br />

Kräfte können nicht nur Massen<br />

beschleunigen, sondern auch die<br />

geometrische Form von Körpern verändern.<br />

Umgekehrt üben deformierte Körper Kräfte<br />

aus, die als elastische Kräfte oder<br />

Federkräfte bezeichnet werden. Ein Beispiel<br />

bei dem man dies besonders gut erkennen<br />

kann ist die Deformation einer Feder:<br />

Experiment 2.11: Ermittlung der Federkon<br />

stante<br />

(2.43)<br />

Abb. 2.22


2. September 2005 <strong>Technische</strong> <strong>Physik</strong> Seite 35<br />

m / g F / N s / cm<br />

50 0,5 1,7<br />

100 1,0 3,4<br />

200 2,0 6,7<br />

400 4,0 13,4<br />

Wie das Experiment zeigt, ist die Längenänderung der Feder der angreifenden Kraft<br />

proportional. Die elastische Kraft F el muss nach dem dritten Newtonschen Axiom entgegengesetzt<br />

gleich der angreifenden Kraft sein. Wir finden folglich in Vektorschreibweise:<br />

Alle Festkörper zeigen bei kleinen Verformungen dieses lineare elastische Verhalten. Wir<br />

sprechen vom Hookeschen Gesetz.<br />

Für die Federkonstante D ergibt sich im Experiment:<br />

Eine sehr wichtige Anwendung der elastischen Verformung ist die Messung von Kräften. Die<br />

folgende Folie gibt hierzu einige Beispiele:<br />

Folie Nr. 4: Kraftmessung durch Verformung<br />

e) Reibungskraft<br />

Befindet sich ein Körper auf einer waagerechten Ebene in Ruhe, so kann auf ihn eine<br />

waagerechte Kraft ausgeübt werden, ohne dass sich der Körper bewegt.<br />

Experiment 2.12: Haftreibung<br />

Das Experiment zeigt, dass die<br />

Kraft bis zu einem Grenzwert<br />

erhöht werden kann, an dem die<br />

Bewegung dann einsetzt. Weiter<br />

zeigt das Experiment, dass die<br />

Kraft F R der wirkenden<br />

Normalkraft F N proportional ist,<br />

aber nicht von der Berührungsfläche des Körpers abhängt. Wir können folgenden<br />

Zusammenhang aufstellen:<br />

(2.44)<br />

Abb. 2.23<br />

(2.45)


Seite 36 <strong>Technische</strong> <strong>Physik</strong> 2. September 2005<br />

Dieses Phänomen wird als Haftreibung bezeichnet, die Konstante � als Reibungszahl. Sie<br />

ist lediglich abhängig von den Materialien, die hier in Kontakt sind. Ursache für die Haftreibung<br />

sind Oberflächenrauheiten, die zu einer Verzahnung<br />

führen, sowie Kräfte zwischen den<br />

R<strong>and</strong>atomen beider Körper, sogenannte Adhäsionskräfte.<br />

Wichtig ist, dass die Gleichung (2.45) keinen vektoriellen<br />

Zusammenhang herstellt. Die Reibungskraft ist<br />

senkrecht zur Normalkraft gerichtet und immer der<br />

Bewegungskraft entgegen gerichtet.<br />

Abb. 2.24<br />

Wird die Haftreibungskraft überwunden durch eine größere äußere Kraft, so setzt sich der<br />

Gegenst<strong>and</strong> in Bewegung. Aber auch jetzt ist ständig eine äußere Kraft notwendig um eine<br />

konstante Geschwindigkeit aufrecht zu erhalten. Nach dem 2. Newtonschen Axiom muss<br />

folglich eine Kraft vorh<strong>and</strong>en sein, welche die angreifende Kraft kompensiert. Auch dies ist<br />

eine Reibungskraft, welche den gleichen Gesetzmäßigkeiten genügt wie die Haftreibungskraft.<br />

Da sie beim Gleiten des Körpers auftritt sprechen wir von der Gleitreibung.<br />

Experiment 2.13: Gleitreibung<br />

m / g F N / N F RH / N F RG / N �H�G 100 1 0,25 0,12 0,25 0,12<br />

300 3 0,6 0,4 0,2 0,13<br />

500 5 0,9 0,65 0,18 0,13<br />

(2.46)


2. September 2005 <strong>Technische</strong> <strong>Physik</strong> Seite 37<br />

Die Reibungszahl � G ist im<br />

allgemeinen kleiner als die<br />

Haftreibungszahl, so dass nach<br />

Überwinden der Haftreibung<br />

eine geringere Kraft zur<br />

Aufrechterhaltung einer<br />

Bewegung notwendig ist. Die<br />

Reibungszahl ist wiederum<br />

stark abhängig von der Oberflächenbeschaffenheit,<br />

den<br />

Werkst<strong>of</strong>fen sowie den<br />

Schmiermitteln zwischen den<br />

Werkst<strong>of</strong>fen. Im Bereich der<br />

Festkörperreibung (d.h. ohne<br />

Abb. 2.25<br />

Schmiermedium) ist die<br />

Gleitreibung nahezu geschwindigkeitsunabhängig. Bei Flüssigkeiten und Gasen tritt dagegen<br />

eine starke Geschwindigkeitsabhängigkeit auf.<br />

Betrachten wir schließlich noch das dritte<br />

Newtonsche Axiom. Für zwei Massen m Aund m B,<br />

die aufein<strong>and</strong>er Kräfte ausüben, gilt stets, dass die<br />

Kraft F AB,<br />

die A auf B ausübt genauso groß ist wie<br />

die Kraft F BA,<br />

die B auf A ausübt. Dies können<br />

Gravitationskräfte, elektrische Kräfte oder auch<br />

Kontaktkräfte sein, falls sich die Massen berühren:<br />

Wir wollen dies zunächst an zwei einfachen<br />

Beispielen untersuchen:<br />

Wird ein Körper mit einer Kraft F gegen eine W<strong>and</strong><br />

gedrückt (Abb. 2.27), so muss von der W<strong>and</strong> eine<br />

gleichgroße Kraft F 1 auf den Körper wirken. Damit<br />

ist die Summe der Kräfte Null und der Körper wird<br />

nicht beschleunigt. Das gleiche gilt auch für die Gewichtskraft<br />

F G. Sie wird durch die Kraft F2<br />

kompensiert.<br />

Betrachten wir jetzt die Masse m A,<br />

die durch die<br />

Kraft F gegen m B gedrückt wird. Bei Massen liegen<br />

auf einer reibungslosen Fläche.<br />

Mit welcher Kraft F AB drückt A gegen B? Wird die<br />

Abb. 2.26<br />

(2.47)<br />

Abb. 2.27


Seite 38 <strong>Technische</strong> <strong>Physik</strong> 2. September 2005<br />

Kraft F durch A auf B übertragen?<br />

Wäre F AB = F, so wäre auch F BA = F und die resultierende Kraft auf A wäre 0. Trotz wirkender<br />

Kraft würde also A nicht beschleunigt. Dies widerspricht dem 2. Newtonschen Axiom. Wir<br />

können über F AB zunächst noch keine Aussage machen, sondern müssen die Kräfte an den<br />

Einzelmassen separat untersuchen.<br />

Auf A wirkt dann die Kraft F-F BA und auf B die Kraft F AB.<br />

Das zweite Newtonsche Gesetz<br />

ergibt dann:<br />

Durch Addition beider Gleichungen folgt:<br />

hierbei wurde Gleichung (2.47) ausgenutzt.<br />

Wir sehen, beide Blöcke werden wie ein einzelner Block mit der Summenmasse beschleunigt.<br />

2.2.2 Beschleunigte Bezugssysteme und Trägheitskräfte<br />

Wir hatten bisher gesehen, dass die Newtonschen<br />

Axiome nur in Bezugssystemen gelten, die sich mit<br />

konstanter Geschwindigkeit bewegen oder in Ruhe sind.<br />

Betrachten wir als Beispiel die Bewegung eines<br />

Fahrstuhls, in dem sich eine Masse an einem Kraftmesser<br />

befindet:<br />

Befindet sich der Fahrstuhl in Ruhe oder bewegt er sich<br />

mit konstanter Geschwindigkeit, so wird der Kraft-<br />

messer die Kraft F feder = mg anzeigen (F Feder - mg = 0; a =<br />

0). Wird der Fahrstuhl mit der Beschleunigung a nach<br />

oben beschleunigt, so ändert sich die Federkraft, da jetzt<br />

eine resultierende Kraft für die Beschleunigung der<br />

Masse vorh<strong>and</strong>en sein muss:<br />

ruhendes Bezugssystem<br />

Versetzen wir uns jetzt in einen Beobachter, der mit dem Fahrstuhl mitfährt:<br />

Abb. 2.28<br />

Wird der Fahrstuhl beschleunigt, so beobachtet er ebenfalls ein Anwachsen der Federkraft.


2. September 2005 <strong>Technische</strong> <strong>Physik</strong> Seite 39<br />

Für ihn ist die Masse aber weiterhin im Ruhezust<strong>and</strong>, muss<br />

sich also im Gleichgewicht befinden. Die Federkraft muss<br />

folglich durch eine zusätzliche Kraft in Richtung der Gewichtskraft<br />

ausgeglichen werden. Wir erhalten wiederum:<br />

Da diese Kraft der wirkenden Beschleunigung entgegen<br />

gerichtet ist, h<strong>and</strong>elt es sich um eine Gegenkraft, die der<br />

Körper der Änderung seines Bewegungszust<strong>and</strong>es<br />

entgegensetzt. Wir sprechen von der Trägheit des Körpers<br />

und bezeichnen die Kraft als Trägheitskraft:<br />

beschleunigtes Bezugssystem<br />

(2.48)<br />

Abb. 2.29<br />

Diese Trägheitskraft ist eine sogenannte Scheinkraft, da sie<br />

nur in beschleunigten Bezugssystem auftritt. Betrachtet man das Experiment aus der Sicht<br />

eines ruhenden Beobachters, so treten keine Trägheitskräfte auf.<br />

Führt man diese Scheinkräfte in einem beschleunigten Bezugssystem zusätzlich mit ein, so<br />

gelten dann auch die Newtonschen Gesetze in dem beschleunigten Bezugssystem. a� ist dabei<br />

die Beschleunigung des Systems.<br />

Der französische <strong>Physik</strong>er d'Alembert interpretierte diesen Sachverhalt im 18. Jahrhundert<br />

<strong>and</strong>ers. Ausgehend von den oben angestellten Überlegungen f<strong>and</strong> er, dass jedes dynamische<br />

Problem in ein statisches Problem umgeschrieben werden kann, wenn man zu den realen<br />

Kräften die Trägheitskräfte addiert:<br />

Dies wird als das d'Alembertsche Prinzip bezeichnet:<br />

Die Trägheitskräfte stehen mit den äußeren Kräften im Gleichgewicht<br />

Für unseren Fahrstuhl heißt dies, ohne dass wir uns über das Bezugssystem Gedanken machen<br />

müssen:<br />

Nicht nur in linear beschleunigten Bezugssystemen treten Trägheitskräfte auf, auch in<br />

(2.49)


Seite 40 <strong>Technische</strong> <strong>Physik</strong> 2. September 2005<br />

rotierenden Bezugssystemen, die ja einer ständigen Zentripetalbeschleunigung unterliegen<br />

werden solche Kräfte beobachtet.<br />

Ein nicht mit rotierender Beobachter A wird immer<br />

nur die Zentripetalkraft feststellen.<br />

Für den mit rotierenden Beobachter ist die Masse m<br />

jedoch im Ruhezust<strong>and</strong>. Da er aber die Kraft F zp registriert,<br />

mit der die Masse gehalten werden muss,<br />

geht er von einer entgegen gerichteten Zusatzkraft<br />

F z aus, welche die Zentripetalkraft kompensiert:<br />

Diese Trägheitskraft wird als Zentrifugalkraft<br />

bezeichnet.<br />

Bewegt sich ein Körper in einem rotierenden<br />

Bezugssystem, so tritt eine weitere Kraft auf. Als Beispiel<br />

betrachten wir eine Kugel, welche von der Scheibenmitte<br />

mit konstanter Geschwindigkeit v zum R<strong>and</strong> rollt. Der<br />

außenstehende Beobachter wird eine geradlinige Bahn<br />

sehen. Nach der Zeit t=r/v erreicht die Kugel den R<strong>and</strong>.<br />

Der mit rotierende Beobachter B beobachtet eine<br />

gekrümmte Bahn, da sich die Scheibe unter der Kugel<br />

hindurch dreht. In der Zeit t hat sich die Scheibe um den<br />

Winkel �=��t weitergedreht. Somit hat die Kugel für diesen<br />

Beobachter zusätzlich die Strecke s=r�� zurückgelegt.<br />

Hieraus errechnet sich eine Beschleunigung von:<br />

Abb. 2.30<br />

Abb. 2.31<br />

Diese Beschleunigung wird als Coriolis-Beschleunigung<br />

bezeichnet. Sie steht immer senkrecht zur Geschwindigkeit v und tritt nur bei bewegten<br />

Körpern in rotierenden Bezugssystemen auf. Verbunden mit der Beschleunigung ist natürlich<br />

eine entsprechende Kraft:<br />

Wir sprechen von der Corioliskraft.<br />

(2.50)<br />

(2.51)<br />

Da auch die Erde ein rotierenden Bezugssystem darstellt, müssen hier Auswirkungen dieser<br />

Scheinkräfte zu beobachten sein.<br />

(2.52)


2. September 2005 <strong>Technische</strong> <strong>Physik</strong> Seite 41<br />

Die Zentrifugalkraft der Erde spiegelt sich wider in der Abplattung der Erde:<br />

Experiment 2.14: Modellversuch zur Erdabplattung<br />

Ursache ist der größere Radius und damit die größere Zentrifugalkraft am Äquator. Die<br />

Erdabplattung an den Polen beträgt allerdings nur 1/297 des Äquatordurchmessers.<br />

Die Auswirkung der Corioliskraft läßt sich durch das Foucaultsche Pendel zeigen:<br />

Video Nr. 5: Foucaultsches Pendel<br />

Die nur für einen mit rotierenden Beobachter sichtbare Drehung der Pendelebene wird durch<br />

die Corioliskraft bewirkt.<br />

Video Nr.6: Anwendung der Corioliskraft<br />

Entdeckt wurde die Corioliskraft bei der Untersuchung unerklärlicher Abweichungen von<br />

Geschossbahnen, da beim Abschießen nach Norden stets eine Ostabweichung und beim<br />

Abschießen nach Süden stets eine Westabweichung auftritt.<br />

Lässt man einen Stein von einem Turm fallen, so fällt er nicht genau senkrecht, sondern wird<br />

etwas nach Osten abgelenkt. Bei 100m Höhe und einer nördlichen Breite von 54� ergibt sich<br />

eine Abweichung von 1,9cm.<br />

Video Nr. 7: Wolkenwirbel und Abflusswirbel<br />

2.3 Der Impuls<br />

Im zweiten Newtonschen Axiom haben wir den Begriff Impuls schon als eine Eigenschaft<br />

bewegter Körper kennen gelernt:<br />

Insbesondere beschreibt das Newtonsche Axiom die Änderung des Impulses als Wirkung<br />

einer Kraft:<br />

Für die Einheit des Impulses gilt: [p]=kgm/s=Ns.<br />

Betrachten wir als erstes ein System aus zwei Körpern, zwischen<br />

denen Wechselwirkungskräfte wirken und auf die<br />

äußere Kräfte einwirken.<br />

Für jeden Massenpunkt wenden wir das 2. Newtonsche<br />

Gesetz separat an:<br />

Abb. 2.32


Seite 42 <strong>Technische</strong> <strong>Physik</strong> 2. September 2005<br />

Durch Summenbildung folgt:<br />

Die beiden inneren Kräfte F 21 und F 12 sind nach dem 3. Newtonschen Axiom entgegengesetzt<br />

gleich groß. Ihre Summe verschwindet folglich und es bleibt:<br />

Die zeitliche Änderung des Gesamtimpulses ist folglich gleich der von außen am System<br />

angreifenden Gesamtkraft:<br />

Dies entspricht wiederum dem 2. Newtonschen Gesetz und wird als Impulssatz bezeichnet.<br />

Aus dieser Ableitung ergibt sich eine wichtige Folgerung: Greifen an einem System keine<br />

resultierenden äußeren Kräfte an, so ist die Änderung des Gesamtimpulses Null, der<br />

Gesamtimpuls eines Systems ist somit konstant:<br />

Für die Summe der Einzelimpulse eines Systems gilt der Impulserhaltungssatz,<br />

solange keine äußeren Kräfte wirken<br />

Dabei können sich die Einzelimpulse eines Systems durchaus auf Grund der inneren Kräfte<br />

ändern.<br />

Beispiel:<br />

Ein Gewehr, mit einer Masse von 3kg, verschießt Kugeln einer Masse von 10g mit einer<br />

Mündungsgeschwindigkeit von 600m/s. Wie groß ist die Rückstoßgeschwindigkeit?<br />

(2.53)<br />

(2.54)


2. September 2005 <strong>Technische</strong> <strong>Physik</strong> Seite 43<br />

Lösung:<br />

Eine besondere Anwendung des Impulserhaltungssatzes ist der Raketenantrieb. Eine Masse<br />

wird mit hoher Geschwindigkeit ausgestoßen, auf Grund der Impulserhaltung wird der Körper<br />

in die entgegengesetzte Richtung beschleunigt.<br />

Experiment 2.15: Rakete mit CO 2 Patrone<br />

Wegen der Impulserhaltung muss gelten:<br />

Für eine große<br />

Abb. 2.33<br />

Geschwindigkeitsänderung der Rakete<br />

ist folglich ein hoher Massenausstoß und<br />

eine große Treibst<strong>of</strong>fgeschwindigkeit erforderlich. Typisch heute: v tr = 2200 m/s. dabei kann<br />

die Endgeschwindigkeit der Rakete deutlich größer werden als die Treibst<strong>of</strong>fgeschwindigkeit<br />

(z.B. 7,9 km/s für die Erdumlaufbahn).<br />

2.4 Arbeit und Energie<br />

Wirkt eine Kraft auf einen Körper ein und verändert<br />

dessen Position, so sprechen wir davon, dass an dem<br />

Körper eine Arbeit verrichtet wird. Diese Arbeit ist um<br />

so größer, je größer die Kraft ist und je größer die<br />

Wegstrecke ist, die zurückgelegt wird. Dabei bewirkt<br />

allerdings nur die Kraftkomponente eine<br />

Ortsveränderung, die parallel zum Weg liegt. Als<br />

Arbeit wird folglich definiert:<br />

(2.55)<br />

Da aber sowohl F als auch s vektorielle Größen sind,<br />

können wir dies auch wie folgt schreiben:<br />

Abb. 2.34<br />

Diese Art der Produktbildung zweier Vektoren wird als Skalarprodukt bezeichnet, da das<br />

Ergebnis kein Vektor sondern eine skalare Größe (also eine Zahl) ist. Es gilt die allgemeine<br />

Regel:<br />

(2.56)


Seite 44 <strong>Technische</strong> <strong>Physik</strong> 2. September 2005<br />

Die Berechnung der Arbeit nach (2.56) setzt voraus, dass die Kraft über den gesamten Weg<br />

konstant wirkt. Dies ist sicherlich nur in Sonderfällen gegeben.<br />

Im allgemeinen Fall setzt sich die<br />

Gesamtarbeit zusammen aus kleinen<br />

Elementen �W, über die aufsummiert<br />

werden muss. Die Arbeit ergibt sich somit<br />

als Fläche unter der Kraft-Weg-Kurve<br />

und damit als Integral über Kraft und<br />

Weg:<br />

Die Einheit der Arbeit ist [W]=Nm=J<br />

(Joule).<br />

(2.57)<br />

Wir wollen uns einige Typen mechanischer Arbeit näher anschauen:<br />

Abb. 2.35<br />

a) Für den Körper, der in Abb. 2.34 über eine Ebene gezogen wird, gilt bei konstanter<br />

Geschwindigkeit, dass die angreifende horizontale Kraftkomponente gleich der<br />

Reibkraft sein muss. Wir sprechen von der Verschiebearbeit oder Reibungsarbeit:<br />

b) Wird ein Körper in die Höhe gehoben, so ist eine Kraft gegen das Gewicht des<br />

Körpers zu leisten, der Weg entspricht der Höhendifferenz h. Wir sprechen von<br />

Hubarbeit:<br />

(2.58)<br />

(2.59)<br />

Da immer nur die zur Kraft parallele Wegkomponente die Größe der Arbeit bestimmt,<br />

spielt beim Hochheben der Last eine seitliche Bewegung keine Rolle. Die Hubarbeit<br />

ist allein von der Höhe abhängig, also nur vom Anfangspunkt und Endpunkt der<br />

Bewegung. Wir bezeichnen Kräfte, die diese Eigenschaft besitzen als konservative<br />

Kräfte. Bei der oben diskutierten Reibungskraft h<strong>and</strong>elt es sich nicht um eine<br />

konservative Kraft, die verrichtete Arbeit hängt von der Weglänge und nicht von der<br />

kürzesten Verbindung zwischen Start- und Endpunkt ab.<br />

c) Wird ein Körper durch die Wirkung einer Kraft beschleunigt, so wird Arbeit gegen die<br />

Trägheitskraft F=m�a geleistet. Wir sprechen von der Beschleunigungsarbeit. Betrachten<br />

wir den einfachen Fall einer konstanten Beschleunigung eines zunächst<br />

ruhenden Körpers, so gilt:


2. September 2005 <strong>Technische</strong> <strong>Physik</strong> Seite 45<br />

Lag bei Beginn der Beschleunigung schon eine Geschwindigkeit v 0 vor, so muss die<br />

Arbeit zur Erreichung von v 0 abgezogen werden:<br />

d) Spannen wir durch die Wirkung<br />

einer Kraft eine Feder, so haben wir<br />

es hier mit einer wegabhängigen<br />

Kraft zu tun, da gilt:<br />

Da die geleistete Arbeit gleich der<br />

Fläche unter der Kurve im Kraft-<br />

Weg-Diagramm ist, folgt s<strong>of</strong>ort:<br />

Wir sprechen hierbei von der Spannarbeit oder Verformungsarbeit.<br />

Abb. 2.36<br />

Wird die Arbeit gegen eine Kraft in einer bestimmten Zeitspanne t durchgeführt, so sprechen<br />

wir von einer hohen Leistung, wenn t sehr klein ist und von einer geringen Leistung, wenn t<br />

sehr groß ist. Folglich ist es sinnvoll einen physikalischen Begriff der Leistung als Quotient<br />

der Arbeit und der dafür benötigten Zeitspanne zu definieren. Wir sprechen von der mittleren<br />

Leistung:<br />

Als Einheit der Leistung ergibt sich: [P]=J/s=Nm/s=W (Watt). Eine veraltete aber <strong>of</strong>t noch<br />

gebräuchliche Leistungseinheit ist das PS: 1PS = 735,5W.<br />

Die momentane Leistung ergibt sich dann beim Übergang zu sehr kleinen Zeiteinheiten:<br />

(2.60)<br />

(2.61)<br />

(2.62)<br />

(2.63)


Seite 46 <strong>Technische</strong> <strong>Physik</strong> 2. September 2005<br />

Eng verbunden mit dem Begriff Arbeit ist auch der Begriff des Wirkungsgrades. Die von<br />

einer Maschine geleistete mechanische Arbeit ist stets geringer als die ihr zugeführte Arbeit.<br />

Ursache sind die nicht zu vermeidenden Reibungskräfte, gegen die ebenfalls Arbeit geleistet<br />

werden muss.<br />

Das Verhältnis der Nutzarbeit zur zugeführten Arbeit wird als Wirkungsgrad bezeichnet<br />

Da die Nutzarbeit in der Regel in der gleichen Zeit geleistet wird, in der die Arbeit auch<br />

zugeführt wird, gilt diese Beziehung auch für die Leistungen:<br />

Wird allerdings die Arbeit in einer <strong>and</strong>eren Zeitdauer geleistet als sie zugeführt wird, so kann<br />

man diese Gleichung nicht mehr anwenden (z.B. Rammbär: langsames Anheben und schneller<br />

Aufprall).<br />

Beispiele: Arbeit und Leistung eines Menschen<br />

a) Hochlaufen einer Treppe (4. Stock) in 15s<br />

b) 60 Kniebeugen in einer Minute<br />

Mit den Beinen kann der Mensch also kurzzeitig eine Leistung von etwa 1PS<br />

erbringen. Mit den Armen schafft er nur etwa 0,1PS=74W:<br />

(2.64)<br />

(2.65)<br />

(2.66)


2. September 2005 <strong>Technische</strong> <strong>Physik</strong> Seite 47<br />

c) Wie viele Klimmzüge schafft man in 60s?<br />

Man schafft also etwa 12 Klimmzüge in einer Minute.<br />

d) Ausschachten eines Loches von 1m² Querschnitt und 1m Tiefe in einer Stunde:<br />

Die mittlere Leistung dieser Tätigkeit ist also sehr gering.<br />

Wenn wir an einem Körper eine Arbeit verrichten, so wird der Körper verändert. Er kann<br />

seine Lage im Gravitationsfeld verändern (Hubarbeit), er kann seine Form ändern<br />

(Verformungsarbeit) oder er kann seine Geschwindigkeit ändern (Beschleunigungsarbeit). Hat<br />

man dem Körper in dieser Weise Arbeit zugeführt, so kann er anschließend Arbeit leisten. Die<br />

Arbeit ist quasi im Körper gespeichert. Dieses Vermögen Arbeit zu leisten bezeichnen wir als<br />

Energie des Körpers.<br />

Energie ist die Fähigkeit eines Körpers Arbeit zu verrichten<br />

Durch Zufuhr oder Abgabe von Arbeit wird die Energie eines Körpers erhöht oder erniedrigt:<br />

Im Bereich der Mechanik unterscheiden wir zwei Energieformen:<br />

Hängt die geleistete Arbeit von einer Ortskoordinate ab, so sprechen wir von einer<br />

potenziellen Energie (Energie der Lage). Beispiele hierfür sind die Hubarbeit, die zu einer<br />

potenziellen Energie des angehobenen Körpers führt<br />

sowie die Federspannung, die zu einer potenziellen Energie der Feder führt:<br />

Leisten wir an dem Körper dagegen Beschleunigungsarbeit und erhöhen so seine<br />

(2.67)<br />

(2.68)<br />

(2.69)


Seite 48 <strong>Technische</strong> <strong>Physik</strong> 2. September 2005<br />

Geschwindigkeit, so sprechen wir bei der Energie des Körpers von der kinetischen Energie<br />

(Energie der Bewegung):<br />

Die Arbeit gegen die Reibungskraft führt nicht zu einer Erhöhung der mechanischen Energie<br />

des Körpers, sondern der Körper und seine Umgebung erwärmen sich. Mit der Wärme tritt<br />

hier eine neue Energieform auf, über die wir uns später unterhalten werden. Für ein<br />

mechanisches System stellt sich diese Wärmeenergie als Verlust dar (Reibungsverluste),<br />

weshalb der Wirkungsgrad einer Maschine auch immer kleiner als 1 ist.<br />

Die Einheit der Energie entspricht natürlich der Einheit der Arbeit: [W kin]=[W pot]=<br />

[W] = J.<br />

Da die Änderung der Energie gleich der geleisteten Arbeit ist, können wir über die Definition<br />

der Arbeit auch die potenzielle Energie wie folgt schreiben:<br />

Das Minuszeichen wird benötigt, da per Definition die potenzielle Energie zunehmen soll,<br />

wenn Arbeit gegen eine Kraft verrichtet wird, die Vektoren F und s also entgegengesetzte<br />

Richtung haben.<br />

Das zweite Gleichheitszeichen gilt für konservative Kräfte, bei Ihnen ist die<br />

Energieänderung nicht vom speziell gewählten Weg abhängig. Für diese sehr häufig<br />

auftretenden Kräfte sieht man, dass eigentlich immer nur Änderungen der Energie wichtig<br />

sind. Üblicher Weise wählt man aber den Startpunkt A so, dass dort die potenzielle Energie<br />

verschwindet. Dann kann man jeder Ortskoordinate auch eine potenzielle Energie<br />

zuschreiben.<br />

Beispiele:<br />

a) Federspannung<br />

(2.70)<br />

(2.71)


2. September 2005 <strong>Technische</strong> <strong>Physik</strong> Seite 49<br />

b) Gravitation<br />

Wir sehen, dass in beiden Fällen die<br />

potenzielle Energie mit dem Weg<br />

zunimmt. Die Wahl der Nullpunkte ist<br />

aber in beiden Fällen sehr<br />

unterschiedlich.<br />

Der Nullpunkt der Energie kann dabei<br />

willkürlich gewählt werden, da nur die<br />

Änderungen der Energie einen<br />

physikalischen Sinn haben.<br />

Dies gilt auch für die kinetische Energie.<br />

Wir hatten gelernt, dass alle<br />

Inertialsysteme gleichwertig sind. Sie<br />

Abb. 2.37<br />

unterscheiden sich nur durch ihre<br />

Geschwindigkeiten. Ein Körper besitzt folglich in verschiedenen Inertialsystemen<br />

unterschiedliche kinetische Energien, physikalisch wichtig sind aber nur die Änderungen der<br />

Energie und diese sind vom Inertialsystem unabhängig. Diese ganze Überlegung gilt nur für<br />

so genante konservative Kräfte, bei denen das Wegintegral in (2.71) vom gewählten Weg<br />

unabhängig ist. Ansonsten ließe sich keine eindeutige potentielle Energie definieren.<br />

Lassen wir eine konservative Kraft eine Beschleunigungsarbeit leisten, so gilt entsprechend zu<br />

(2.71) ebenfalls:<br />

Hier tritt kein Minuszeichen auf, da wir eine Erhöhung der kinetischen Energie bekommen,<br />

wenn die Kraft in Richtung des Weges wirkt.<br />

Wenn sowohl bei der potenziellen wie auch bei der kinetischen Energieänderung die selbe<br />

Kraft über den selben Weg wirkt, dann können wir das Arbeitsintegral aus (2.71) in (2.72)<br />

einsetzen und erhalten:<br />

(2.72)


Seite 50 <strong>Technische</strong> <strong>Physik</strong> 2. September 2005<br />

Dies bedeutet, für ein mechanisches System, in dem nur konservative Kräfte wirken, ist die<br />

Summe aus potentieller Energie und kinetischer Energie konstant.<br />

Energieerhaltungssatz der Mechanik:<br />

Mit Hilfe dieses Energieerhaltungssatzes lassen sich viele Probleme der Mechanik in sehr<br />

einfacher und eleganter Weise lösen, ohne dass immer die gesamten Bewegungsabläufe<br />

beschrieben werden müssen. Dies gilt immer dann, wenn nur die Anfangs- und Endzustände<br />

eines Systems von Interesse sind. Wir wollen dies an einem Beispiel deutlich machen:<br />

Experiment 2.16: mathematisches Pendel<br />

a) Eine Masse m hängt an einem starren Stab der<br />

Länge �. Welche Geschwindigkeit v0 muss der<br />

Masse gegeben werden, damit sie den oberen<br />

Punkt B erreichen kann?<br />

Lösung:<br />

Am unteren Punkt definieren wir die potenzielle<br />

Energie zu Null, der obere Punkt wird gerade erreicht,<br />

wenn die Geschwindigkeit zu Null wird<br />

und damit die kinetische Energie. Nach dem<br />

Energieerhaltungssatz folgt jetzt:<br />

b) Was verändert sich, wenn der Stab durch einen Faden ersetzt wird?<br />

Lösung: Damit der obere Punkt erreicht wird, muss an diesem Punkt die<br />

Zentripetalbeschleunigung gleich der Gravitationsbeschleunigung sein:<br />

Nach dem Energieerhaltungssatz folgt jetzt:<br />

(2.73)<br />

Abb. 2.38


2. September 2005 <strong>Technische</strong> <strong>Physik</strong> Seite 51<br />

Experiment 2.17: Looping-Bahn<br />

Den Energieerhaltungssatz kann man noch allgemeiner formulieren:<br />

In einem abgeschlossenen System bleibt der Energieinhalt konstant. Energie kann<br />

weder vernichtet werden noch aus dem Nichts entstehen; sie kann in verschiedene<br />

Formen umgew<strong>and</strong>elt werden oder zwischen verschiedenen Teilen des Systems<br />

ausgetauscht werden<br />

Ein abgeschlossenes System kennzeichnet dabei ein System ohne äußere Kräfte.<br />

Hieraus folgt auch folgende wichtige Tatsache:<br />

Es ist unmöglich ein Perpetuum mobile erster Art zu bauen<br />

Dies kennzeichnet eine Maschine, die ständig Arbeit leistet, ohne dass ihr ein entsprechender<br />

Energiebetrag zugeführt wird.<br />

2.5 Stoßprozesse<br />

Stoßprozesse sind das typische Bespiel für Probleme, bei denen sowohl die Energieerhaltung,<br />

wie auch die Impulserhaltung zu beachten sind.<br />

Diese Stoßprozesse laufen in der Regel in so kurzen Zeiträumen ab, daß während dessen praktisch<br />

keine Ortsveränderungen der Körper zu berücksichtigen sind. Dies hat zur Konsequenz,<br />

daß während eines Stoßes die potenzielle Energie nicht verändert wird. Der Energieerhaltungssatz<br />

reduziert sich also auf die Betrachtung der kinetischen Energie.<br />

Wir wollen im folgenden zwei typische Stoßprozesse untersuchen:<br />

a) gerader, elastischer Stoß<br />

Von einem geraden oder zentralen Stoß<br />

sprechen wir immer dann, wenn die<br />

Bewegungsrichtung des stoßenden<br />

Körpers mit der Verbindungslinie der beiden<br />

Schwerpunkte (Wirkungslinie) zusammenfällt.<br />

Beim elastischen Stoß ist<br />

die kinetische Energie vor und nach dem Stoß die gleiche.<br />

Experiment 2.18: elastischer Stoß auf der Fahrbahn<br />

Es müssen jetzt die beide bekannten Erhaltungssätze gelten:<br />

Abb. 2.39


Seite 52 <strong>Technische</strong> <strong>Physik</strong> 2. September 2005<br />

Wir haben damit zwei Gleichungen für die beiden unbekannten Geschwindigkeiten nach dem<br />

Stoß vorliegen. Hieraus kann man die beiden Geschwindigkeiten nach dem Stoß bestimmen:<br />

Dies sind die allgemeinen Lösungen für einen zentralen, elastischen Stoß.<br />

Diese sehr unübersichtlichen Gleichungen werden anschaulicher, wenn wir einige Spezialfälle<br />

betrachten:<br />

- m 1 = m 2 :<br />

Wir sehen, dass in diesem Fall die beiden Körper ihre Geschwindigkeiten austauschen.<br />

Experiment 2.19: elastischer Stoß auf der Fahrbahn mit m 1 = m2<br />

Insbesondere bleibt bei v 2 =0 nach dem Stoß die Masse 1 in Ruhe.<br />

- m 2 >> m 1 : (z.B. Fahrt gegen Mauer m 2 � �, v 2 =0)<br />

Experiment 2.20: elastischer Stoß gegen Begrenzung<br />

Wir sehen, dass in diesem Fall die Masse 1 ihre Bewegung umkehrt. Dies ist<br />

allerdings keine Verletzung des Impulserhaltungssatzes, da die Mauer in diesem Fall<br />

den Impuls p’ 2 = 2m 1 v1 aufnimmt:<br />

b) gerader, inelastischer Stoß<br />

(2.74)<br />

(2.75)<br />

Geht beim Stoßvorgang kinetische Energie verloren, z.B. durch Reibung oder nichtelastische<br />

Verformung, so muß dies entsprechend im Energieerhaltungssatz berücksichtigt werden:<br />

(2.76)


2. September 2005 <strong>Technische</strong> <strong>Physik</strong> Seite 53<br />

Unter Berücksichtigung des Impulserhaltungssatzes haben wir somit zwei Gleichungen für<br />

drei unbekannte Größen, dies ist nicht<br />

allgemein lösbar. Man benötigt folglich<br />

weitere Informationen, z.B. über die Geschwindigkeiten<br />

nach dem Stoß um etwas<br />

über den Energieverlust aussagen zu<br />

können. Wir wollen daher einen speziellen<br />

inelastischen Stoß betrachten, bei<br />

dem beide Körper nach dem Stoß zusammen<br />

haften und die selbe Ge-<br />

schwindigkeit v ges besitzen. Wir sprechen<br />

vom unelastischen Stoß.<br />

Abb. 2.40<br />

Wir wollen zwei Beispiele betrachten:<br />

a) m 1 = m 2 =m<br />

Experiment 2.21: unelastischer Stoß auf der Fahrbahn<br />

Jetzt gilt für die Impulserhaltung:<br />

Die Endgeschwindigkeit ergibt sich als Mittelwert der Anfangsgeschwindigkeiten.<br />

Setzen wir dies in die Energieerhaltung ein, so folgt:<br />

Bei v 2 =0 wird<br />

d.h. die Hälfte der kinetischen Energie wird in Verformungsenergie umgew<strong>and</strong>elt.<br />

b) ballistisches Pendel<br />

Das ballistische Pendel wird verwendet um Geschwindigkeiten von Kugeln zu bestimmen.<br />

Dabei wird mit einer Waffe auf einen Holzklotz geschossen der als Pendel


Seite 54 <strong>Technische</strong> <strong>Physik</strong> 2. September 2005<br />

aufgehängt ist. Aus der Auslenkung des<br />

Pendels kann die Kugelgeschwindigkeit<br />

bestimmt werden.<br />

Experiment 2.22: ballistisches Pendel<br />

mit Pistole<br />

Lösung: Impulssatz:<br />

Die kinetische Energie nach dem Stoß wird durch das Pendel bei maximaler<br />

Auslenkung in potentielle Energie umgew<strong>and</strong>elt:<br />

Für die gesuchte Geschwindigkeit gilt somit:<br />

Für das Verhältnis der kinetischen Energien gilt:<br />

Abb. 2.41<br />

In unserem Experiment beträgt die Masse der Kugel 1g, die Masse des Pendels 51,5g<br />

und die Länge der Pendelstange 27cm. Das Experiment ergibt einen Ausschlagwinkel<br />

von � = 40�. Setzen wir diese Werte in die obigen Gleichungen ein, so errechnet sich<br />

die Geschwindigkeit der Kugel zu 58,4 m/s und das Verhältnis der kinetischen<br />

Energien zu 1,9%. D.h. 98% der kinetischen Energie der Kugel wird in<br />

Verformungsarbeit und Reibung umgesetzt.


2. September 2005 <strong>Technische</strong> <strong>Physik</strong> Seite 55<br />

3. Mechanische Schwingungen<br />

3.1 Freie, ungedämpfte Schwingung<br />

Schwingungen begegnen uns in unserer Umgebung sehr häufig. Oft sind sie erwünscht, <strong>of</strong>t<br />

aber auch störend. Dabei kommen sie in unterschiedlichster Form vor: mechanische<br />

Schwingungen einer Mikr<strong>of</strong>onmembran oder einer Lautsprechermembran ermöglichen eine<br />

Umw<strong>and</strong>lung von Luftdruckschwankungen in elektrische Schwingungen und umgekehrt; ein<br />

elektrischer Schwingkreis wählt aus den vielen Signalen, die eine Antenne auffängt den<br />

gewünschten Sender heraus; die Dickenschwingung eines Quarzkristalls ermöglicht den<br />

Aufbau von sehr genauen Zeitnormalen. Unerwünscht sind Schwingungen, die bei Maschinen<br />

infolge ihrer Arbeitstätigkeit auftreten, sie führen zu verstärkter Lärmabstrahlung und zur<br />

Ermüdung von Maschinenkomponenten. Auch die Schwingungen, die von der Straße auf einen<br />

PKW und dessen Insassen übertragen werden sind unerwünscht und müssen entsprechend<br />

gedämpft werden.<br />

Unter einer Schwingung verstehen wir einen periodischen oder quasiperiodischen Vorgang.<br />

Echt periodisch ist er nur, wenn die Schwingungsamplitude zeitlich konstant bleibt. Dies ist<br />

aber ein Grenzfall des allgemein auftretenden Falles einer zeitlichen Abnahme der<br />

Schwingungsamplitude z.B. durch stets unvermeidbare Reibungsanteile. Letzteres bezeichnet<br />

man dann als quasiperiodischen Vorgang.<br />

Als einführendes Beispiel wollen wir<br />

ein Feder-Masse-System betrachten und<br />

hieran die wichtigsten Eigenschaften<br />

eines schwingenden Systems erarbeiten.<br />

Experiment 3.1: Feder-Masse-System<br />

Das Feder-Masse-System befindet sich<br />

zunächst im Zust<strong>and</strong> der Ruhe.<br />

Jetzt wird die Masse um den Weg s�<br />

nach unten ausgelenkt und die Feder<br />

somit gespannt. In dem System steckt<br />

jetzt die potentielle Energie<br />

Abb. 3.1<br />

Wird die Masse jetzt losgelassen, so wird sie durch die elastische Kraft F el nach oben<br />

beschleunigt. Erreicht die Masse die alte Ruhelage, so besitzt sie jetzt eine Geschwindigkeit v�.


Seite 56 <strong>Technische</strong> <strong>Physik</strong> 2. September 2005<br />

Die gesamte potentielle Energie ist in kinetische Energie umgew<strong>and</strong>elt worden:<br />

Bei ihrer weiteren Bewegung nach oben drückt die Masse die Feder zusammen. Dadurch<br />

entsteht eine elastische Kraft, welche die Masse abbremst. Sie kommt schließlich zur Ruhe.<br />

Jetzt ist die gesamte kinetische Energie wieder in potentielle Energie umgew<strong>and</strong>elt worden.<br />

Der Vorgang läuft anschließend in umgekehrter Richtung erneut ab. Bei einem solchen<br />

schwingenden System oder Oszillator wird also ständig Energie von einem Energietyp<br />

(potentielle Energie) in den <strong>and</strong>eren (kinetische Energie) umgew<strong>and</strong>elt. Die verschiedenen<br />

Oszillatorarten unterscheiden sich lediglich in der Art der Energiespeicherung. Bei<br />

mechanischen Schwingern wird die kinetische Energie in einer bewegten Masse gespeichert,<br />

die potentielle Energie kann in verformten Festkörpern, komprimierten Gasen und ähnliches<br />

gespeichert werden. Bei elektrische Schwingern wird die potentielle Energie durch die<br />

Ladungsspeicherung in einem Kondensator (elektrisches Feld), die kinetische Energie durch<br />

einen Stromfluß durch eine Spule (Magnetfeld) realisiert.<br />

All diese verschiedenen Arten von Schwingern lassen sich daher letztlich ähnlich beschreiben<br />

und besitzen ähnliche Gesetzmäßigkeiten.<br />

Da wir zunächst von einer konstanten Schwingungsamplitude ausgehen, muss die<br />

Gesamtenergie des Systems konstant sein. Daher gilt zu jedem Zeitpunkt:<br />

Dabei ist s� die maximale Auslenkung und v� die Geschwindigkeit im Nulldurchgang.<br />

Wir wollen im folgenden untersuchen,<br />

welchen Bewegungsablauf die<br />

Schwingung besitzt.<br />

Experiment 3.2: Nachweis der<br />

harmonische Schwingungsform<br />

Das Experiment zeigt, dass die lineare<br />

Schwingung der Masse im Einklang steht<br />

mit der Projektion einer Kreisbewegung.<br />

Wie die Abb. 3.2 verdeutlicht, entspricht<br />

diese Projektion aber dem Sinus des<br />

momentanen Drehwinkels �. Somit<br />

können wir die Schwingungsbewegung<br />

(3.1)<br />

Abb. 3.2


2. September 2005 <strong>Technische</strong> <strong>Physik</strong> Seite 57<br />

beschreiben durch folgenden Ansatz:<br />

In der Periodendauer T durchläuft der<br />

Winkel der Kreisbewegung den Bereich<br />

0 bis 2�, so dass gilt:<br />

� wird jetzt als Kreisfrequenz bezeichnet,<br />

f als Frequenz.<br />

Im folgenden wollen wir untersuchen,<br />

wie die Frequenz der Schwingung von<br />

Abb. 3.3<br />

den Systemeigenschaften abhängt. Dafür<br />

müssen wir nach dem zweiten Newtonschen Axiom die Bewegungsgleichung aufstellen. Die<br />

rücktreibende Kraft der Feder bewirkt die Beschleunigung der Masse:<br />

Mit<br />

folgt:<br />

(3.2)<br />

(3.3)<br />

Die Gleichung (3.3) stellt eine Differentialgleichung dar, welche den Weg s mit der<br />

Beschleunigung a verknüpft. Solche Differentialgleichungen sind häufig schwer zu lösen, eine<br />

geläufige Methode hierzu ist, eine Lösung zu „erraten” und diese dann einzusetzen. Wir<br />

kennen nach der obigen Überlegung schon eine Lösung der Differentialgleichung und setzen<br />

diese daher ein:


Seite 58 <strong>Technische</strong> <strong>Physik</strong> 2. September 2005<br />

Hiermit folgt:<br />

Damit ergibt sich:<br />

Wir erhalten auf diese Weise s<strong>of</strong>ort die Schwingungsfrequenz des Systems<br />

Die allgemeine Lösung der Differentialgleichung ergibt sich zu<br />

da zur Zeit t=0 die Auslenkung nicht notwendigerweise Null sein muss.<br />

Experiment 3.3: <strong>Computer</strong>simulation: D = 9 kg/s², m = 1 kg � � = 3 s -1<br />

-1<br />

(abgelesen: 6 Schwingungen = 12,6 s � T = 2,1 s; <strong>and</strong>ererseits: T=2�/� = 2�/3s =2,1 s)<br />

Die Größen s� und � 0 ergeben sich dann aus den sogenannten Anfangsbedingungen zur Zeit<br />

t=0:<br />

Mit v 0 = 0 ergibt sich: � 0 = 90�, � = s 0.<br />

Ist die rücktreibende Kraft, wie in diesem Fall, der Auslenkung stets proportional, so<br />

bezeichnen wir das schwingende System als harmonischen Oszillator, die resultierende<br />

Schwingung ist eine Sinusschwingung oder harmonische Schwingung. Die harmonische<br />

Schwingung ist ein Grenzfall der allgemeinen Schwingung, da eine absolute Proportionalität<br />

in der Regel nicht gegeben ist. Selbst die einfache Schraubenfeder zeigt Abweichungen vom<br />

(3.4)<br />

(3.5)<br />

(3.6)<br />

(3.7)


2. September 2005 <strong>Technische</strong> <strong>Physik</strong> Seite 59<br />

Hookeschen Gesetz.<br />

Setzen wir (3.4) in (3.3) ein, so erhalten wir eine sehr allgemeine Form der<br />

Differentialgleichung eines harmonischen Oszillators:<br />

Umgekehrt können wir sagen, dass jede Differentialgleichung, die sich auf diese Form<br />

bringen läßt, einen harmonischen Oszillator beschreibt und durch (3.6) gelöst wird.<br />

Beispiel: das mathematische Pendel<br />

Experiment 3.4: Fadenpendel<br />

Dieses Pendel wird beschrieben durch einen<br />

masselosen Faden und eine punktförmige Masse<br />

(daher mathematisches Pendel). Für die rücktreibende<br />

Kraft gilt jetzt:<br />

Wir sehen, dass in diesem Fall die rücktreibende<br />

Kraft nicht proportional zur Auslenkung � ist.<br />

Die entstehende Schwingung ist daher nicht<br />

harmonisch sondern anharmonisch. Die<br />

entstehende Differentialgleichung<br />

ist daher auch nicht mehr einfach lösbar. Für kleine Winkelausschläge � < 5° gilt allerdings in<br />

guter Näherung:<br />

Damit folgt dann<br />

Dies ist wiederum die Gleichung eines harmonischen Oszillators und es gilt somit:<br />

Experiment 3.5: Fadenpendel, Bestimmung von T und Vergleich mit Rechnung<br />

(3.8)<br />

Abb. 3.4<br />

(3.9)


Seite 60 <strong>Technische</strong> <strong>Physik</strong> 2. September 2005<br />

3.2 Freie, gedämpfte Schwingung<br />

Ohne Energiezufuhr nimmt die Amplitude eines schwingungsfähigen Systems mit der Zeit ab.<br />

Diesen Vorgang bezeichnen wir als Dämpfung.<br />

Experiment 3.6: Federschwingung mit Wirbelstrom-Bremse<br />

Ursache der Dämpfung ist die nie zu vermeidende Reibung. Dabei haben wir zwei wichtige<br />

Fälle zu unterscheiden:<br />

a) Geschwindigkeitsunabhängige Reibungskraft<br />

Diese Art der Reibung beobachten wir<br />

immer dann, wenn Festkörper direkt<br />

aufein<strong>and</strong>er reiben. Auch die<br />

Lagerreibung fällt in diese Kategorie.<br />

Die Reibungskraft ist dann immer<br />

konstant, die Richtung der Reibungskraft<br />

kehrt sich jedoch ständig<br />

um mit der Bewegungsrichtung des<br />

Schwingers.<br />

Die Größe der Amplitudenabnahme<br />

können wir einfach aus dem Ener-<br />

Abb. 3.5<br />

gieverlust während einer Halbwelle der Schwingung ermitteln. Der Schwinger legt in dieser<br />

Zeit den Weg s 0 + s 1 zurück. Die potentiellen Energien in den Umkehrpunkten unterscheiden<br />

sich dann um die Reibungsarbeit:<br />

Hieraus folgt:<br />

Dies ist die Abnahme während einer halben Periodendauer T. Die Amplitude der Schwingung<br />

nimmt folglich in jeder Periode um den gleichen Betrag


2. September 2005 <strong>Technische</strong> <strong>Physik</strong> Seite 61<br />

ab. Wir erhalten somit eine lineare Abnahme der Amplitude mit der Zeit. Nach einer bestimmten<br />

Anzahl von Schwingungen kommt das System zur Ruhe. Dabei muss die Ruhelage<br />

nicht mit der Nullage des Systems übereinstimmen, da die ständig wirkende Reibungskraft<br />

eine bestimmte Mindestfederkraft benötigt um überwunden zu werden (Haftreibung). Dies ist<br />

insbesondere auch bei Zeigermeßgeräten zu beobachten, bei denen die Reibungskraft zu groß<br />

geworden ist. Der Zeiger geht nicht mehr in die Nullage zurück.<br />

b) geschwindigkeitsabhängige Dämpfung<br />

Die geschwindigkeitsabhängige Dämpfung wird dann beobachtet, wenn Reibung in<br />

Flüssigkeiten oder Gasen vorliegt, solange diese Medien ohne Verwirbelung strömen können.<br />

Auch die elektrische Wirbelstromdämpfung ist der Geschwindigkeit proportional. Solche<br />

Wirbelstromdämpfung tritt immer dann auf, wenn eine leitende Platte in einem Magnetfeld<br />

bewegt wird.<br />

Experiment 3.7: Wirbelstromdämpfung<br />

Video Nr. 8: Wirbelstromdämpfung<br />

Für die wirkende Reibkraft machen wir<br />

folgenden Ansatz:<br />

Experiment 3.8: <strong>Computer</strong>simulation<br />

mit b = 0,6 kg/s<br />

Da mit abnehmender Amplitude auch<br />

Abb. 3.6<br />

die Geschwindigkeit der Masse abnimmt,<br />

wird auch die Reibkraft ständig schwächer. Man beobachtet daher keine lineare<br />

Abnahme der Amplitude, sondern eine Abnahme nach einer Exponentialfunktion. Für die<br />

Schwingungsgleichung folgt:<br />

Auf Grund der bisherigen Erfahrungen und der exponentiellen Abnahme der Amplitude<br />

machen wir folgenden Lösungsansatz:<br />

Für die Zeitableitungen folgt somit:<br />

(3.10)<br />

(3.11)


Seite 62 <strong>Technische</strong> <strong>Physik</strong> 2. September 2005<br />

und<br />

Setzen wir diese Ergebnisse in (3.10) ein, so erhalten wir eine Summe aus Sinus- und Cosinusfunktionen,<br />

deren Ergebnis Null sein soll. Dies ist aber nur möglich, wenn die Amplituden<br />

dieser Funktionen Null sind. Daher fassen wird die beiden Anteile getrennt zusammen:<br />

Sinusfunktion:<br />

Cosinusfunktion:<br />

Die Größe � in der Exponentialfunktion ist daher proportional zur Reibkraftgröße b. Sie wird<br />

als Dämpfungkonstante bezeichnet. Wir sehen auch, dass die Wirkung der Reibkraft durch<br />

eine große Masse abgeschwächt wird, d.h. eine große Masse verringert ihre Amplitude<br />

langsamer als eine kleine Masse.<br />

Bestimmen wir noch die Frequenz �:<br />

Dabei wurde (3.12) und (3.4) verwendet.<br />

(3.12)


2. September 2005 <strong>Technische</strong> <strong>Physik</strong> Seite 63<br />

Wie dieses Ergebnis zeigt, ist die Schwingungsfrequenz einer geschwindigkeitsproportional<br />

gedämpften Schwingung geringer, als die einer ungedämpften Schwingung und zwar um so<br />

kleiner, je höher die Dämpfung ist.<br />

Mit Hilfe von (3.12) und (3.4) können wir die Differentialgleichung wieder in eine allgemein<br />

gültige Form bringen:<br />

Diese besitzt die allgemeine Lösung:<br />

Die Dämpfungskonstante � können wir aus der Änderung der Amplitude bestimmen. Diese<br />

Änderung wird durch die Exponentialfunktion beschrieben:<br />

Die Größe �=�T wird als logarithmisches Dekrement bezeichnet, denn:<br />

Experiment 3.9:<strong>Computer</strong>simulation: Bestimmung von � aus den Amplituden und nach b/2m<br />

mit b=1kg/s, s 0 = -1m, m = 1kg, D = 9 kg/s 2<br />

Rechnung: m = 1 kg, b = 1 kg/s � � = 0,5 1/s; D = 9 kg/s², m = 1 kg � � = 3 1/s � T =<br />

2,1 s<br />

Messung: s 0 = -1 m � s n = 0,58 m, s n+1 = 0,2 m, T = 2,1 s � � = 0,51 1/s<br />

Die Gleichung (3.13) zeigt einen wichtigen Sonderfall bei sehr großer Dämpfung. Für �=�0<br />

wird die Frequenz der Schwingung Null, d.h. das System kann nicht mehr schwingen. Nach<br />

(3.13)<br />

(3.14)<br />

(3.15)<br />

(3.16)


Seite 64 <strong>Technische</strong> <strong>Physik</strong> 2. September 2005<br />

einer Auslenkung aus der Ruhelage bewegt sich die Masse entsprechend der Exponentialfunktion<br />

wieder zur Ruhelage zurück.<br />

Diesen Fall bezeichnet man als<br />

aperiodischen Grenzfall. Dieser Fall ist<br />

für schwingende Systeme sehr wichtig,<br />

da das System jetzt ohne Schwingungen<br />

schnell zur Ruhelage zurück kehrt.<br />

Aperiodischer Grenzfall:<br />

� = � 0 = 3 1/s = b/2m,<br />

m = 1 kg � b = 6 kg/s<br />

Experiment 3.10:<strong>Computer</strong>simulation<br />

mit b=6kg/s, 5kg/s, 4kg/s<br />

Experiment 3.11: aperiodisch gedämpfte Schwingung eines Messgerätezeigers<br />

Dieser Fall der Dämpfung wird gern bei Messgeräten eingesetzt, da der Zeiger dann bei einem<br />

Ausschlag nicht über schwingt, sondern sich schnell auf den Messwert einstellt. Dabei bleibt<br />

man meist etwas unter dem Grenzfall, so dass noch ein minimales Überschwingen zu<br />

beobachten ist. Die Einstellzeit auf den Messwert verkürzt sich dadurch weiter.<br />

Wird die Dämpfung noch größer, so stellt sich das System nur noch nach unendlich langer<br />

Zeit auf den neuen Zust<strong>and</strong> ein. Wir sprechen vom Kriechfall.<br />

3.3 Erzwungene Schwingungen<br />

Wird ein schwingungsfähiges System durch eine einmalig wirkende Kraft ausgelenkt, so führt<br />

es anschließend eine freie Schwingung mit der ihm eigenen Frequenz aus. Geschieht die<br />

Anregung dagegen periodisch, so wird dem System eine ihm fremde Frequenz aufgezwungen.<br />

Experiment 3.12: Feder-Masse-System mit H<strong>and</strong>anregung<br />

Wir wollen den einfachsten Fall einer sinusförmigen Anregung näher betrachten:<br />

Experiment 3.13: Drehschwinger mit externer Anregung<br />

Fassen wir die Beobachtungen zunächst zusammen:<br />

a) Bei geringen Anregungsfrequenzen folgt das schwingende System mit geringer<br />

Verzögerung der Anregung. Die Schwingungsamplitude entspricht der Anregungsamplitude.<br />

Abb. 3.7<br />

(3.17)


2. September 2005 <strong>Technische</strong> <strong>Physik</strong> Seite 65<br />

b) Erhöht man die Frequenz der Anregung, so steigert sich die Schwingungsamplitude<br />

bis zu einem Maximalwert. Die Schwingung erfolgt deutlich verzögert zur Anregung.<br />

c) Bei noch höherer Anregungsfrequenz nimmt die Schwingungsamplitude sehr schnell<br />

auf geringe Werte ab. Man beobachtet eine Gegenphasigkeit der Schwingung zur<br />

Anregung.<br />

Zur Klärung dieser Ergebnisse betrachten wir ein<br />

einfaches Feder-Masse-System mit periodischer<br />

Anregung. Nach dem 2. Newtonschen Axiom gilt:<br />

Mit<br />

folgt<br />

Diese Art der Differentialgleichung wird als inhomogene Differentialgleichung bezeichnet.<br />

Wir können sie wieder lösen durch eine speziell ausgesuchte Lösung. Diese finden wir nach<br />

dem obigen Experiment wie folgt:<br />

Wir haben beobachtet, dass das System<br />

mit der Anregungsfrequenz schwingt,<br />

seine Schwingung allerdings etwas<br />

verzögert auftritt:<br />

Setzt man diesen Ansatz in die obige<br />

Differentialgleichung ein, so lassen sich<br />

die unbekannten Größen s 0 und �<br />

wieder bestimmen, indem man die<br />

Sinus- und Cosinusterme einzeln<br />

betrachtet:<br />

Abb. 3.8<br />

Abb. 3.9


Seite 66 <strong>Technische</strong> <strong>Physik</strong> 2. September 2005<br />

Da die anregende Kraft auf den oberen Punkt der Feder wirkt, lässt sich noch folgender<br />

Zusammenhang aufstellen:<br />

Aus diesen Formeln ergibt sich folgendes grafisches Ergebnis für die Frequenzabhängigkeit<br />

der Schwingung:<br />

Experiment 3.14: <strong>Computer</strong>simulation: Aufnehmen der Resonanzkurve und der Phasenkurve<br />

Es ergeben sich folgende Halbwertsbreiten �� der Resonanzkurven und folgende Güten<br />

Q = ��/� 0:<br />

(3.18)<br />

Abb. 3.10 Abb. 3.11<br />

Hub = 0,15; Startpunkt = 0; Frequenz = 2,0....4,0 1/s; b = 0,1 kg/s, 0,2 kg/s und 0,5 kg/s;<br />

�t = 0,01s �10000 Zyklen = 100 s � 50 Schwingungen; Schrittrate �� = 0,05


2. September 2005 <strong>Technische</strong> <strong>Physik</strong> Seite 67<br />

-1<br />

b / kg/s �� / s Q<br />

0,1 0,26 11,5<br />

0,2 0,56 5,4<br />

0,5 1,23 2,44<br />

Die maximale Amplitude der Schwingung wird in der Nähe der Eigenschwingungsfrequenz<br />

erreicht. Sie wird ausschließlich durch die Dämpfung bestimmt. Die Phasenverschiebung an<br />

diesem Punkt beträgt 90°. Dies bezeichnen wir als Resonanz. Bei stärkerer Dämpfung nimmt<br />

die Amplitude ab. Das Maximum verschiebt sich etwas zu geringeren Frequenzen. Bei sehr<br />

hohen Frequenzen geht die Amplitude gegen Null und die Phase gegen 180°. Die Masse kann<br />

jetzt infolge ihrer Trägheit der Anregung nicht mehr folgen.<br />

Bei sehr geringen Dämpfungen kann die Amplitude im Resonanzfall sehr groß werden. Dies<br />

kann dann zu unzulässigen Belastungen des schwingenden Systems führen. Wir sprechen von<br />

der Resonanzkatastrophe.<br />

Experiment 3.15: Modellauto mit Unwucht<br />

Video Nr. 9: Brückeneinsturz<br />

Da jedes schwingungsfähige System solche Resonanzen besitzt, müssen diese entsprechend<br />

beachtet werden.<br />

a) Eine Turbine, die bei sehr hohen Drehzahlen arbeitet, wird so konstruiert, dass ihre<br />

Resonanz bei niedrigen Frequenzen liegt. Dann sind die auftretenden Schwingungsamplituden<br />

sehr gering. Allerdings muss man beim Hochfahren der Turbine<br />

diese Resonanzfrequenz durchlaufen. Dies muss entsprechend schnell geschehen,<br />

damit sich keine starken Schwingungen ausbilden können.<br />

b) Ein Lautsprecher soll mit möglichst großer Amplitude schwingen können. Seine<br />

Resonanz muss daher bei hohen Frequenzen liegen. Um einen möglichst linearen Frequenzgang<br />

zu erreichen, wird er zusätzlich künstlich gedämpft, was einen<br />

verschlechterten Wirkungsgrad zur Folge hat.<br />

c) Eine technische Ausnutzung der mechanischen Resonanzschwingung ist der<br />

mechanische Frequenzmesser.<br />

Experiment 3.16: mechanischer Frequenzmesser<br />

Er beruht auf der Anregung von Metallzungen mit unterschiedlicher Länge. Die<br />

Längen sind so abgestimmt, dass bei der Sollfrequenz (z.B. 50Hz) die entsprechende<br />

Zunge in Resonanz ist.


Seite 68 <strong>Technische</strong> <strong>Physik</strong> 2. September 2005<br />

d) Eine sehr wichtige Anwendung der<br />

erzwungenen Schwingung stellt der<br />

elektrische Schwingkreis dar. Ohne<br />

auf die elektrischen Zusammenhänge<br />

näher einzugehen, wollen wir dies<br />

unter dem Hinblick Schwingungen<br />

einmal näher betrachten:<br />

Der Schwingkreis besteht aus den<br />

Abb. 3.12<br />

beiden Bauelementen Kondensator<br />

und Spule sowie einem Widerst<strong>and</strong>. Betrachten wir zunächst den Schwingkreis ohne<br />

äußere Anregung. Nach dem zweiten Kirchh<strong>of</strong>fschen Gesetz muss die Summe aller<br />

Spannungen in einem geschlossenen Stromkreis Null sein:<br />

Nun gilt für die Einzelspannungen:<br />

und für den Zusammenhang zwischen Strom I und Ladung Q:<br />

Fassen wir dies zusammen, so gilt:<br />

(3.19)<br />

Im Vergleich mit der mechanischen Schwingungsgleichung sehen wir, dass die Spule<br />

die Aufgabe der Masse übernimmt (kinetische Energie), der Kondensator die Aufgabe<br />

der Feder besitzt (potentielle Energie) und der Widerst<strong>and</strong> die Reibungskraft darstellt.<br />

Die Lösung dieser Differentialgleichung können wir jetzt durch direkte Analogie im


2. September 2005 <strong>Technische</strong> <strong>Physik</strong> Seite 69<br />

Vergleich mit (3.14) ableiten:<br />

Wir sehen, dass die Resonanzfrequenz des Schwingkreises durch die Spule und den<br />

Kondensator bestimmt wird, die Dämpfung dagegen durch den Verlustwiderst<strong>and</strong> R.<br />

Die Betrachtung lässt sich in gleicher Weise auch auf den fremd angeregten Schwingkreis<br />

übertragen:<br />

Mit dem Lösungsansatz<br />

erhalten wir ein Maximum der transportierten bzw. im Kondensator gespeicherten Ladung<br />

bei der Frequenz � 0.<br />

Experiment 3.17: elektrischer Schwingkreis<br />

(3.20)<br />

(3.21)


Seite 70 <strong>Technische</strong> <strong>Physik</strong> 2. September 2005<br />

3.4 Gekoppelte Schwingungen<br />

Bei vielen Erscheinungen in der Natur treten mehrere<br />

mitein<strong>and</strong>er verkoppelte schwingende Systeme in<br />

Erscheinung. Das wichtigste Beispiel sind die festen<br />

Körper. Jedes Atom kann um seine Ruhelage Schwingungen<br />

ausführen. Es übt dabei Kräfte auf die<br />

benachbarten Atome aus, die ebenfalls schwingen können.<br />

Diese Schwingungen beeinflussen sich in ganz<br />

charakteristischer Weise. Wir wollen uns den<br />

einfachsten Fall von zwei mitein<strong>and</strong>er gekoppelten<br />

Pendeln anschauen:<br />

Experiment 3.18: gekoppelte Pendel<br />

Zwischen den beiden Pendeln bewirkt eine Feder mit der Federkonstanten D eine<br />

Verkopplung der Bewegungen. Das Experiment zeigt, dass hierdurch die Bewegungsenergie<br />

von einem Pendel auf das nächste übertragen werden kann. In der Natur der festen Körper<br />

bedeutet dies ein Transport von Wärme (= atomare Schwingungen) durch den Körper. Um<br />

dieses Verhalten verstehen zu können, stellen wir zunächst die Bewegungsgleichungen der<br />

Pendel für kleine Auslenkungen auf:<br />

Pendel 1:<br />

Pendel 2: (analog)<br />

Abb. 3.13<br />

Wir sehen, dass beide Differentialgleichungen mitein<strong>and</strong>er verkoppelt sind. Durch Addition<br />

beider Gleichungen erhalten wir:<br />

(3.22)<br />

(3.23)


2. September 2005 <strong>Technische</strong> <strong>Physik</strong> Seite 71<br />

Durch Subtraktion ergibt sich:<br />

Wir erhalten somit zwei homogene, ungedämpfte Schwingungsgleichungen, einmal für die<br />

Summe beider Auslenkungen, einmal für die Differenz beider Auslenkungen. Diese beiden<br />

Gleichungen lassen sich in der gewohnten Weise lösen:<br />

mit<br />

Wir wollen uns die Bedeutung dieser beiden Lösungen an einigen Spezialfällen näher<br />

anschauen:<br />

a) � 1 = �2<br />

Dies bedeutet, dass beide Pendel<br />

gleichsinnig schwingen. Die zweite<br />

Lösung verschwindet, dass System<br />

schwingt mit der Frequenz � 1,<br />

als<br />

wäre die Feder nicht vorh<strong>and</strong>en:<br />

Experiment 3.19: gleichsinnige<br />

Schwingung<br />

Experiment 3.20: <strong>Computer</strong>simulation: � 0,1 = 0,28; � 0,2 = 0,20; A = 0,24<br />

(3.24)<br />

(3.25)<br />

(3.26)<br />

(3.27)<br />

Abb. 3.14


Seite 72 <strong>Technische</strong> <strong>Physik</strong> 2. September 2005<br />

b) � 1 = -�2<br />

In diesem Falle schwingen die Pendel gegensinnig. Die erste Lösung verschwindet<br />

und das System wird allein durch die zweite Lösung beschrieben. Die Pendel<br />

schwingen jetzt mit der höheren Frequenz � 2,<br />

da die Feder eine zusätzliche<br />

rücktreibende Kraft bewirkt.<br />

Experiment 3.21: gegensinnige Schwingung<br />

Experiment 3.22: <strong>Computer</strong>simulation: � 0,1 = -0,20; � 0,2 = 0,20; A = 0,24<br />

� T 2 = 1,83 s; abgelesen T 2 = 20 s/11 =1,83 s<br />

Diese beiden Schwingungen bezeichnet man als Fundamentalschwingungen dieses<br />

Systems. Bei diesen Schwingungen findet kein Energieaustausch zwischen den beiden<br />

Pendeln statt. Im ersten Fall gilt dies, da die Feder nie belastet wird, im zweiten Fall<br />

bleibt der Mittelpunkt der Feder immer in Ruhe, auf jedes Pendel wirkt daher eine<br />

halbe Feder mit damit doppelter Federkonstanten.<br />

c) � 1(0)=A 1, � 2(0)=0, �� 1(0)=0, �� 2(0)=0,<br />

Am Anfang wird das Pendel 1 ausgelenkt, das Pendel 2 bleibt in Ruhe:<br />

Experiment 3.23: einseitige Auslenkung mit graphischer Aufzeichnung<br />

Experiment 3.24: <strong>Computer</strong>simulation: � 0,1 = 0,04; � 0,2 = 0,2<br />

Aus den beiden Lösungen (3.26) folgt zur Zeit t=0:<br />

sowie<br />

� T 1 = 2 s; abgelesen T 1 = 2 s


2. September 2005 <strong>Technische</strong> <strong>Physik</strong> Seite 73<br />

d.h. A 1 = A 2 und � = � = 0. Damit folgt:<br />

Durch Addition und Subtraktion können wir hieraus die Schwingungen der<br />

Einzelpendel bestimmen:<br />

Die Bedeutung dieses Ergebnisses erkennt man besser, wenn man die Formeln umschreibt<br />

mit Hilfe der Additionstheoreme:<br />

Dann ergibt sich:<br />

Dieses Ergebnis lässt sich jetzt wie folgt interpretieren:<br />

Die Pendel schwingen mit einer mittleren Frequenz aus beiden Fundamentalfrequenzen,<br />

(3.28)<br />

(3.29)<br />

(3.30)<br />

die Amplitude der Schwingungen wird verändert im Rhythmus der halben Differenzfrequenz.<br />

Die entstehende Zeitabhängigkeit wird als Schwebung bezeichnet.<br />

Deutlich zu erkennen ist, wie beide Pendel ihre Schwingungsenergie austauschen. Der


Seite 74 <strong>Technische</strong> <strong>Physik</strong> 2. September 2005<br />

zeitliche Abst<strong>and</strong> zweier Maxima wird als Schwebungsperiodendauer T p bezeichnet.<br />

Experiment 3.24: Auswertung der <strong>Computer</strong>simulation<br />

P P<br />

Berechnet: T = 2�/(3,44 - 3,13) s = 20,3 s; abgelesen: T = 20,9 s<br />

Berechnet: T = 2�/(3,44 + 3,13)/2 s = 1,92 s; abgelesen: T = 1,9 s<br />

Das System aus zwei Pendeln wird durch<br />

zwei Fundamentalschwingungen<br />

beschrieben. Für jedes weitere Pendel<br />

kommt eine weitere Fundamentalschwingung<br />

hinzu, bei der die Pendel<br />

ohne Energieaustausch schwingen. In<br />

einem Festköper mit seinen etwa 10 23<br />

Atomen liegen daher entsprechend viele<br />

Fundamentalschwingungen vor, die das<br />

System beschreiben. Da mit jeder<br />

Fundamentalschwingung eine bestimmte<br />

Schwingungsenergie verknüpft ist, gibt es<br />

entsprechend viele Energiezustände in<br />

einem Festkörper.<br />

Experiment 3.25: Pendelkette als linearer<br />

Festkörper<br />

(3.31)<br />

Abb. 3.15


2. September 2005 <strong>Technische</strong> <strong>Physik</strong> Seite 75<br />

4. Wärmelehre<br />

4.1 Die Temperatur<br />

Neben einer kinetischen oder potentiellen Energie kann ein Körper (System) auch eine<br />

Energie in Form von Wärme aufnehmen oder abgeben. Die Wärmelehre beschreibt die<br />

hiermit verbundenen Zustände und den möglichen Energieaustausch mit <strong>and</strong>eren<br />

Energieformen.<br />

Wir Menschen haben ein natürliches, aber mehr oder weniger subjektives Empfinden für den<br />

Wärmezust<strong>and</strong> eines Körpers, den wir dann mit "kalt", "warm" oder "heiß" kennzeichnen. Zur<br />

objektiven Beschreibung des Wärmezust<strong>and</strong>es benötigen wir eine neue Messgröße, da die<br />

bisher verwendeten Größen nur mechanische Vorgänge beschreiben. Diese neue Basisgröße<br />

wird Temperatur genannt.<br />

Die Temperatur ist die den Wärmezust<strong>and</strong> eines Körpers kennzeichnende Größe<br />

Wir werden sehen, dass die Temperatur nicht mit der Wärmemenge identisch ist, die in einem<br />

Körper steckt. Es ergeben sich z.B. unterschiedliche Temperaturänderungen bei gleicher<br />

Wärmezufuhr.<br />

Zur Messung der Temperatur verwendet man z.B. die Volumenänderung eines Körpers, die<br />

mit einer Temperaturänderung einhergeht (s.u.).<br />

Die Festlegung der Einheit der Temperatur hat einen historischen Hintergrund und geht darauf<br />

zurück, dass Celsius bei der Definition seiner Temperaturskala den Erstarrungspunkt von<br />

Wasser und den Kochpunkt von Wasser als Referenzpunkte verwendete und ihren Abst<strong>and</strong><br />

auf seiner Messskala in 100 Teile unterteilte. Man bekommt so eine Temperaturskala in �C<br />

(Grad Celsius) mit dem Nullpunkt am Erstarrungspunkt des Wassers. Diese heute noch sehr<br />

gebräuchlich (aber nicht zum SI-System gehörende Einheit) hat den Nachteil, dass beide<br />

Referenzpunkte nicht fix sind sondern von den Umgebungsbedingungen abhängen.<br />

Folie Nr. 6: Temperatureichwerte<br />

Aus diesem Grunde wurde 1967 als Temperatureinheit das Kelvin (K) festgelegt. Die<br />

Grundlage der Definition dieser Einheit ist, dass alle Experimente bisher gezeigt haben, dass<br />

es einen absoluten Nullpunkt der Temperatur gibt. Diesen Punkt verwendet man als Nullpunkt<br />

der Kelvinskala. Er entspricht dem Wert -273,15�C. Als zweiten Referenzpunkt verwendet<br />

man den so genannten Tripelpunkt des Wassers, der bei 0,01�C liegt, allerdings bei einem<br />

sehr tiefen Druck von 610 Pa (normaler Luftdruck ca. 100 000 Pa). An diesem Punkt liegt<br />

Wasser in allen drei Aggregatzustände (fest, flüssig, gasförmig) vor. Dieser Tripelpunkt ist<br />

leicht zu realisieren und daher ein guter Referenzpunkt. Wir sprechen jetzt von der


Seite 76 <strong>Technische</strong> <strong>Physik</strong> 2. September 2005<br />

thermodynamischen Temperatur. Als Einheit dieser Temperatur wird jetzt definiert:<br />

1 Kelvin ist der 273,16te Teil der thermodynamischen Temperatur des Tripelpunktes<br />

von Wasser<br />

Durch diese Definition wird erreicht, dass Temperaturdifferenzen sowohl in der Kelvin-Skala<br />

wie auch in der Celsiusskala den selben Wert haben. Als Umrechnung gilt:<br />

Zur Messung der Temperatur verwendet man verschiedene physikalische Prinzipien:<br />

a) Volumenänderung von Festkörpern, Flüssigkeiten und Gasen<br />

typische Beispiele: Quecksilberthermometer, Alkoholthermometer,<br />

Bimetallthermometer (s.u.).<br />

Experiment 4.1: verschiedene <strong>The</strong>rmometer<br />

b) Änderung elektrischer Eigenschaften<br />

typische Beispiele: Widerst<strong>and</strong>sthermometer, <strong>The</strong>rmoelemente (siehe Vorlesung<br />

Bauelemente und Werkst<strong>of</strong>fkunde)<br />

c) Strahlung heißer Körper<br />

typische Beispiele: Pyrometer (Messung der Farbe des vom heißen Körper emittierten<br />

Lichtes)<br />

Was unterscheidet einen Körper mit geringer Temperatur von einem Körper mit hoher<br />

Temperatur?<br />

Experiment 4.2: Brownsche Molekularbewegung<br />

Wir sehen hieran, dass mit zunehmender Temperatur die Bewegung der Atome und Moleküle<br />

ebenfalls zunimmt:<br />

Die Temperatur eines Körpers ist ein Maß für die thermische Bewegung seiner Atome<br />

und Moleküle<br />

Folie Nr. 5: Temperaturskalen der Welt<br />

(4.1)


2. September 2005 <strong>Technische</strong> <strong>Physik</strong> Seite 77<br />

4.2 <strong>The</strong>rmische Ausdehnung<br />

4.2.1 Festkörper<br />

Die meisten Festkörper dehnen sich beim Erwärmen aus (Ausnahmen: Leder, Gummi, St<strong>of</strong>fe<br />

mit Kristallumw<strong>and</strong>lung z.B. Eisen bei der Curie-Temperatur, Wasser in der Nähe des<br />

Erstarrungspunktes).<br />

Experiment 4.3: Längenausdehnung fester Körper<br />

Die Experimente ergeben, dass die Längenausdehnung fester Körper über einen mittleren<br />

Temperaturbereich der Temperatur direkt proportional ist:<br />

� wird als Längenausdehnungskoeffizient bezeichnet. Für größere Temperaturbereiche kann<br />

man � nicht mehr als Konstante annehmen. In der Regel nimmt � mit der Temperatur leicht<br />

zu:<br />

-6 -1<br />

� in 10 K<br />

Temperaturbereich 0 ... 100 �C 0 ... 500 �C<br />

Aluminium 23,8 27,4<br />

Kupfer 16,4 17,9<br />

rostfreier Stahl V2A 16,4 18,2<br />

Invarstahl 1<br />

Quarzglas 0,5 0,6<br />

gewöhnliches Glas 9 10,2<br />

Selbstverständlich dehnt sich ein Körper nicht nur in einer Richtung aus, sondern in alle<br />

Raumrichtungen. Dabei kann für die meisten Festkörper angenommen werden, dass diese<br />

Ausdehnung für alle Richtungen gleich groß ist. Für die Volumenänderung eines Körpers<br />

errechnet sich daher:<br />

Der Volumenausdehnungskoeffizient � kann also etwa gleich dem dreifachen<br />

Längenausdehnungskoeffizienten � gesetzt werden.<br />

(4.2)<br />

(4.3)


Seite 78 <strong>Technische</strong> <strong>Physik</strong> 2. September 2005<br />

Experiment 4.4: Kugel durch Ring<br />

Die Ausdehnung fester Körper hat viele technische Konsequenzen:<br />

a) Wärmespannungen<br />

Wird die Ausdehnung der Körper durch äußere Kräfte verhindert, so treten im<br />

Werkst<strong>of</strong>f Spannungen auf. Diese Spannungen dürfen die Elastizitätsgrenze nicht<br />

überschreiten, sonst treten bleibende Verformungen auf. Bei noch höheren<br />

Spannungen kann das Werkstück zerstört werden.<br />

Experiment 4.5: Bolzensprenger<br />

Ausgenutzt werden diese Wärmespannungen beim Zusammenfügen von Bauteilen. So<br />

werden Lagerringe erhitzt auf eine Welle geschoben und sitzen nach dem Abkühlen<br />

sehr fest (durch die Reibungskräfte gehalten). Einzupassende Teile werden dagegen<br />

stark abgekühlt und passen sich dann von Innen an.<br />

Probleme können auftreten beim zu schnellen Aufheizen oder Abkühlen, da dann eine<br />

ungleichmäßige Temperaturverteilung im Werkst<strong>of</strong>finneren zu starken Spannungen<br />

und damit zu Rissbildungen führen kann.<br />

b) technische Berücksichtigung der thermischen Ausdehnung<br />

Nahezu alle technischen Anlagen sind ständigen Temperaturschwankungen<br />

unterworfen, allein schon durch die Änderung der Umgebungstemperatur. Die damit<br />

verbundenen Längenänderungen müssen berücksichtigt werden. Beispiele hierfür sind:<br />

- Kurven bei Bahnstrecken, welche die Ausdehnung aufnehmen können; (Problem<br />

bei langen geraden ICE-Strecken, da nahtlos verschweißt; heute daher <strong>and</strong>ers<br />

gelöst: Die Schienen werden beim Verlegen gestreckt, diese Streckung nimmt<br />

die Wärmeausdehnung auf)<br />

- Ausdehnungsbogen bei Heißwasser- oder Heißdampfleitungen;<br />

- Dehnungsfugen in Brücken (bewegliche Brückenlagerung);<br />

- Durchhängen von Überl<strong>and</strong>leitungen;<br />

- Längenänderungen von Maßstäben;<br />

- Zwei unterschiedliche Materialien können nur dann dauerhaft mitein<strong>and</strong>er<br />

verbunden werden, wenn ihre Ausdehnungskoeffizienten sehr ähnlich sind:<br />

positive Beispiele: Beton und Stahl; Spezialglas und Invar;<br />

negative Beispiele: Email auf Stahlblech; Gold oder Aluminium auf Silizium


2. September 2005 <strong>Technische</strong> <strong>Physik</strong> Seite 79<br />

Folie Nr 6: Ausdehnungskoeffizienten<br />

c) technische Ausnutzung der Wärmeausdehnung<br />

Bekanntestes Beispiel ist der<br />

Bimetallstreifen. Hier werden zwei<br />

Metalle mit unterschiedlichem<br />

Ausdehnungskoeffizienten<br />

mitein<strong>and</strong>er verbunden. Die<br />

unterschiedliche Ausdehnung der<br />

Werkst<strong>of</strong>fe führt zu einer Verbiegung<br />

Abb. 4.1<br />

des Streifens. Dies kann man<br />

ausnutzen um, temperaturabhängige Schalter zu realisieren oder um die Temperatur<br />

zu messen (Bimetallthermometer).<br />

Experiment 4.6: Bimetallverbiegung<br />

4.2.2 Flüssigkeiten<br />

Da Flüssigkeiten keine feste Gestalt besitzen, ist bei ihnen nur die Volumenausdehnung von<br />

Interesse. Auch hier gilt:<br />

Der Volumenausdehnungskoeffizient ist allerdings ein Vielfaches größer als bei den festen<br />

Körpern:<br />

Experiment 4.7: Wärmeausdehnung von Wasser<br />

-3 -1<br />

Flüssigkeit (bei 20 �C) � in 10 K<br />

Wasser 0,208<br />

Alkohol 1,10<br />

Quecksilber 0,182<br />

Öl 0,7...1,0<br />

Äther 1,60<br />

Damit sind die Raumausdehnungskoeffizienten der Flüssigkeiten etwa um den Faktor 10-50<br />

größer als die der Festkörper.<br />

Die Ausdehnung von Quecksilber muss insbesondere bei Quecksilberbarometern berücksichtigt<br />

werden, da bei höheren Temperaturen sonst ein zu großer Luftdruck gemessen wird.


Seite 80 <strong>Technische</strong> <strong>Physik</strong> 2. September 2005<br />

Die Abweichung von der linearen<br />

Änderung des Volumens mit der<br />

Temperatur ist beim Wasser am<br />

stärksten ausgeprägt. Wir sprechen<br />

von der Anomalie des Wassers.<br />

Wir finden bei einer Temperatur von<br />

4�C die größte Dichte des Wassers.<br />

Bei weiterer Abkühlung nimmt die<br />

Dichte wieder ab.<br />

Die Ursache für dieses Verhalten ist<br />

im Aufbau des Wassermoleküls zu<br />

Abb. 4.2<br />

finden. Das Molekül besteht aus zwei<br />

Wasserst<strong>of</strong>fatomen und einem Sauerst<strong>of</strong>fatom, die in einem<br />

Winkel von 105� zuein<strong>and</strong>er angeordnet sind. Auf Grund der<br />

Bindungskräfte sind die Wasserst<strong>of</strong>fatome positiv geladen, das<br />

Sauerst<strong>of</strong>fatom dagegen negativ. Dadurch kommt es zu<br />

Anziehungskräften zwischen benachbarten Molekülen. Diese<br />

Anziehungskräfte spielen bei höheren Temperaturen aber nur<br />

eine untergeordnete Rolle im Vergleich zur Bewegungsenergie<br />

der Moleküle. In der Nähe des Gefrierpunktes beginnen diese<br />

Abb. 4.3<br />

Kräfte aber zu dominieren. Die Wassermoleküle nehmen daher<br />

schon im flüssigen Zust<strong>and</strong> eine Vorzugsorientierung ein, die man bei noch tieferen<br />

Temperaturen auch im Eis wiederfindet (z.B. in der Form der Schneeflocken, sechszackige<br />

Sterne). In diese Struktur sind die Moleküle aber weniger dicht gepackt als in der wärmeren<br />

Flüssigkeit (die Dichte von Eis ist daher 10% geringer als die Dichte des Wassers).<br />

Diese Anomalie des Wassers ist von größter Bedeutung für das Leben auf der Erde. Wäre sie<br />

nicht vorh<strong>and</strong>en, so würde das dann dichtere kalte Wasser und das dichtere Eis auf den Boden<br />

der Seen und Meere absinken. Dies führte zu einer ständigen Zirkulation des Wassers<br />

(gefrieren an der Oberfläche und Absinken) bis das gesamte Wasser gefroren wäre. Seen und<br />

Meere würden also im Winter und insbesondere während der Eiszeiten zufrieren und damit<br />

das Leben unmöglich machen. Durch die Anomalie sammelt sich das 4�C kalte Wasser an der<br />

tiefsten Stelle, das noch kältere Wasser sowie das Eis lagert sich darüber an. Es findet keine<br />

Durchmischung mehr statt und die weitere Abkühlung des Wassers kann nur noch über<br />

Wärmeleitung stattfinden. Dies geht aber so langsam von statten, dass die Seen im Winter bei<br />

ausreichender Tiefe nicht vollständig einfrieren.<br />

4.2.3 Gase<br />

Wollen wir die Temperaturabhängigkeit des Volumens eines Gases untersuchen, so müssen<br />

wir den Druck konstant halten, da dieser natürlich auch einen starken Einfluß auf das


2. September 2005 <strong>Technische</strong> <strong>Physik</strong> Seite 81<br />

Volumen besitzt.<br />

Experiment 4.8: Wärmeausdehnung der Luft (Luftballon auf Flasche)<br />

Die Experimente von J.L. Gay-Lussac zeigen, dass sich das Volumen der Gase unter der<br />

Bedingung p = const. wiederum linear mit der Temperatur ändert.<br />

Dabei ist V 0 das Volumen bei 0�C und � die Temperatur in �C.<br />

Für praktisch alle Gase f<strong>and</strong> Gay-Lussac dabei den gleichen Wert für den<br />

Volumenausdehnungskoeffizienten. Dabei nähert sich der Wert mit abnehmendem Druck der<br />

Gase einem festen Grenzwert von<br />

Alle Gase, die sich in diesem Grenzzust<strong>and</strong> befinden, d.h. sich entsprechend diesem<br />

Volumenausdehnungskoeffizienten verhalten werden als ideale Gase bezeichnet.<br />

Abweichungen davon werden den realen Gasen zugeschrieben.<br />

Trägt man das Volumen über der<br />

Temperatur auf, so findet man folglich<br />

für ideale Gase, dass das Volumen<br />

genau beim absoluten Nullpunkt verschwindet.<br />

Dies war der Grund dafür,<br />

den absoluten Nullpunkt einzuführen.<br />

Natürlich gilt das Gesetz von Gay-<br />

Lussac bei sehr tiefen Temperaturen<br />

nicht mehr, da das Volumen ja nicht verschwinden<br />

kann.<br />

(4.4)<br />

Verwenden wir die absolute Temperatur<br />

Abb. 4.4<br />

zur Beschreibung der<br />

Volumenveränderung, so nimmt das Gesetz von Guy-Lussac für die idealen Gase folgende<br />

einfache Form an:<br />

(4.5)


Seite 82 <strong>Technische</strong> <strong>Physik</strong> 2. September 2005<br />

4.3 Die Wärmekapazität<br />

Wir haben bisher gesehen, dass die Temperatur eines Körpers ein Maß für die ungeordnete<br />

thermische Bewegung der Teilchen ist. Bringen wir zwei Körper mit unterschiedlicher<br />

Temperatur in Kontakt mitein<strong>and</strong>er, so beobachten wir, dass die Temperatur des kälteren<br />

Körpers ansteigt, die des wärmeren Körpers abnimmt. Dies bedeutet, dass Energie übertragen<br />

wird vom wärmeren Körper auf den kälteren Körper. Diese Energieübertragung belegen wir<br />

mit dem Wort Wärme oder Wärmemenge.<br />

Wärme ist die Energie, die aufgrund eines Temperaturunterschiedes zwischen zwei<br />

Körpern übertragen wird. Die Wärme fließt dabei stets in Richtung der niedrigeren<br />

Temperatur.<br />

Der Wärmeübergang ist folglich ein irreversibler Prozess, d.h. er kann nicht umgekehrt<br />

ablaufen.<br />

Das Formelzeichen für die Wärme ist Q, die Einheit der Wärme ist natürlich die<br />

Energieeinheit: [Q] = J.<br />

Wird einem Körper Energie in Form von Wärme zugeführt, so erhöht sich in der Regel seine<br />

Temperatur, d.h. die Bewegung der Teilchen wird schneller. Nur in wenigen Ausnahmefällen<br />

trifft dies nicht zu, z.B. bei Phasenumw<strong>and</strong>lungen. Wir finden folgenden linearen<br />

Zusammenhang:<br />

Die Konstante C bezeichnet man als Wärmekapazität des Körpers. Sie ist nur in gewissen<br />

Grenzen eine Konstante und hängt mehr oder weniger stark von der Temperatur ab. Die<br />

Wärmekapazität ist der Masse eines Körpers proportional, da die Verteilung der<br />

Wärmeenergie auf die einzelnen Teilchen natürlich entsprechend der Gesamtzahl der Teilchen<br />

erfolgt. Daher definiert man sinnvoller Weise die spezifische Wärmekapazität entsprechend:<br />

Früher hatte man für die Wärmeenergie eine eigene Einheit eingeführt um sie von der<br />

mechanischen Energie abzuheben. Diese Einheit war die Kilokalorie (kcal). Sie war dabei<br />

wie folgt definiert: 1 kcal ist die Wärmemenge, die benötigt wird um 1 kg Wasser von<br />

14,5 �C auf 15,5 �C zu erwärmen.<br />

Da man diese Erwärmung auch durch mechanische Reibarbeit herbeiführen kann, lässt sich<br />

zwischen der mechanisch definierten Energieeinheit J und der Wärmeeinheit kcal der<br />

Zusammenhang bestimmen:<br />

(4.6)<br />

(4.7)


2. September 2005 <strong>Technische</strong> <strong>Physik</strong> Seite 83<br />

1 kcal = 4,1868 kJ<br />

Diese Größe wird <strong>of</strong>t als mechanisches Wärmeäquivalent bezeichnet. Man sollte sich<br />

jedoch angewöhnen, alle Energien in J anzugeben.<br />

Betrachten wir zunächst einmal die Wärmekapazität verschiedener, gleich schwerer Körper,<br />

die sich alle auf der gleichen Temperatur befinden:<br />

Experiment 4.9: Eintauchtiefe in Wachs<br />

Wir sehen, dass die Körper unterschiedlich weit in das Parafin eintauchen, d.h. sie haben<br />

unterschiedlich viel Wärme an das Wachs abgegeben. Da die Massen gleich sind, müssen sich<br />

ihre spezifischen Wärmekapazitäten unterscheiden.<br />

Im Folgenden wollen wir diese spezifischen Wärmekapazitäten bestimmen. Dazu können wir<br />

die Energieabgabe eines heißen Körpers messen. Die einfachste Möglichkeit hierzu ist, diesen<br />

Körper in eine Flüssigkeit mit bekannter Wärmekapazität zu tauchen und deren Aufheizung<br />

zu bestimmen. Führt man diesen Versuch in einer Umgebung aus, die keinen Wärmeverlust<br />

zuläßt, so muß nach dem Energieerhaltungssatz gelten:<br />

dabei ist C k die Wärmekapazität des Testgefäßes, die in einem Vorversuch ermittelt werden<br />

muß und c die spezifische Wärmekapazität der Flüssigkeit. Es ergibt sich:<br />

1<br />

Aus den gleichen Überlegungen können wir auch ableiten, was geschieht wenn wir eine heiße<br />

Flüssigkeit mit einer kalten vermischen. Wir nehmen an c 1 = c 2 und C k = 0:<br />

Dieser Zusammenhang wird als Mischungsregel bezeichnet.<br />

Experiment 4.10: Bestimmung der Mischungstemperatur<br />

(m Al = 35,2 g, m W = 100 g, c W = 4,187 kJ/kgK, C K = m Gl � c Gl = 0,092 kg � 0,84 kJ/kgK =<br />

77,5 J/K, T = 100�C; gemessen wird: T und T )<br />

Al W m<br />

(4.9)<br />

(4.10)


Seite 84 <strong>Technische</strong> <strong>Physik</strong> 2. September 2005<br />

Als Ergebnis solcher Versuche finden wir folgende typische spezifische Wärmekapazitäten:<br />

spezifische Wärmekapazitäten (0...100�C) in J/g�K<br />

Flüssigkeiten Metalle <strong>and</strong>ere Festkörper<br />

Wasser 4,19 Aluminium 0,89 Eis 2,0<br />

Alkohol 2,43 Stahl 0,5..0,7 Erde 1,3..2,5<br />

Glycerin 2,39 Eisen 0,47 Holz 1,0..1,7<br />

Öl 1,9..2,1 Kupfer 0,38 Porzellan 0,92<br />

Quecksilber 0,138 Blei 0,13 Glas 0,8<br />

Wir sehen an diesen Werten, dass die Flüssigkeiten und hier insbesondere das Wasser eine<br />

sehr hohe spezifische Wärmekapazität besitzen. Die Metalle können deutlich weniger<br />

Wärmeenergie speichern, bei gleichen Temperaturunterschieden.<br />

Die hohe spezifische Wärmekapazität des Wassers ist wieder dafür verantwortlich, dass das<br />

Leben hier auf der Erde möglich ist. Die Meere können große Wärmemengen speichern, ohne<br />

dass sich ihre Temperatur dramatisch erhöht. Die Wärme kann in den kälteren Tages- und<br />

Jahreszeiten abgegeben werden und so die Temperaturschwankungen ausgleichen.<br />

Beispiele:<br />

a) der Golfstrom ist nur wenige Grad wärmer als das umgebende Meer, transportiert<br />

aber eine riesige Wärmemenge nach Nordeuropa und sorgt so für relativ milde<br />

Winter;<br />

b) in den Wüstenbereichen ist wenig Wasser vorh<strong>and</strong>en, daher heizen sie sich tagsüber<br />

stark auf und kühlen nachts stark ab;<br />

c) Das kontinentale Klima ist deutlich stärkeren Temperaturschwankungen zwischen<br />

Sommer und Winter unterworfen als das Klima in Küstennähe.<br />

4.4 Wärmeübertragung<br />

4.4.1 Wärmequellen<br />

Die größte und wichtigste Wärmequelle stellt für uns die Sonne dar. Die Wärme wird dabei in<br />

Form von Strahlung transportiert (s.u.). Auf eine Fläche von 1 m², die senkrecht zur<br />

Sonneneinstrahlung steht, fällt dabei pro Sekunde eine Energie von 1,3 kJ. Dies entspricht<br />

einer Leistungsdichte von 1,3 kW/m². Dieser Wert wird als Solarkonstante bezeichnet.<br />

Durch Absorption in der Erdatmosphäre und durch Reflexion an den Wolken erreicht davon<br />

im Mittel nur etwa die Hälfte die Erdoberfläche.<br />

Eine direkte Nutzung der Sonnenenergie ist durch Sonnenkollektoren möglich, bei denen


2. September 2005 <strong>Technische</strong> <strong>Physik</strong> Seite 85<br />

durch die Sonneneinstrahlung Wasser oder eine <strong>and</strong>ere Flüssigkeit erwärmt wird. Eine<br />

indirekte Nutzung als Wärmequelle ist durch Ausnutzung der Bodenerwärmung mit Hilfe von<br />

Wärmepumpen gegeben. Auch zur Stromerzeugung kann diese Energiequelle eingesetzt<br />

werden, entweder über direkte Umsetzung der Strahlung in elektrische Energie innerhalb der<br />

Solarzelle oder bei der Umsetzung der Wärmeenergie z.B. mit Hilfe von Windkraftwerken.<br />

Die Ausnutzung von Sonnenenergie hat bisher allerdings nur einen sehr geringen Anteil an<br />

der Energieerzeugung. Dies liegt insbesondere daran, dass alternative Energieformen bisher<br />

sehr viel günstiger verfügbar waren. Hierbei h<strong>and</strong>elt es sich insbesondere um die<br />

Verbrennungsenergie, die bei der chemischen Reaktion eines St<strong>of</strong>fes mit Sauerst<strong>of</strong>f entsteht.<br />

Für die verschiedene St<strong>of</strong>fe findet man einen Brennwert H, aus dem sich die erzeugbare<br />

Wärmemenge bestimmen lässt:<br />

Heizwert in MJ/kg in MJ/m³<br />

(4.11)<br />

Torf 14 Benzin 42,5 Acetylen 86<br />

Steinkohle 30 Heizöl 41,8 Stadtgas 20<br />

Holz 15 Methylalkohol 19,5 Wasserst<strong>of</strong>f 10,8<br />

Holzkohle 31 Spiritus 25,0 Erdgas 43,9<br />

Eine weitere wichtige Wärmequelle ist die Atomenergie, bei der die durch Spaltung eines<br />

Atomkerns frei gewordene Bindungsenergie zunächst in Bewegungsenergie der Kernbruchstücke<br />

umgesetzt wird und dann auf ein Kühlmittel durch Abbremsung übertragen wird. Bei<br />

235<br />

der Verwendung von reinem U und vollständiger Spaltung aller Kerne können dabei etwa<br />

7<br />

7�10 MJ/kg gewonnen werden, also etwa 2 Millionen mal mehr Energie als bei der<br />

Kohleverbrennung. Selbst wenn man berücksichtigt, dass nur etwa 1...5 % des Spaltst<strong>of</strong>fes<br />

235 238<br />

aus U und der Rest aus U besteht, macht dies immer noch einen Faktor 20...100-Tausend<br />

238 239<br />

aus. Dazu kommt, dass das U im Reaktor in Pu umgew<strong>and</strong>elt wird, welches sich wieder<br />

spalten lässt. Hierdurch verdoppelt sich der Energiegewinn. Dies war der Grund für den sehr<br />

euphorischen Aufschwung der Kernkraft in den sechziger und siebziger Jahren.<br />

Eine Wärmequelle der Zukunft könnte die Kernfusion werden, bei der aus schwerem<br />

7<br />

Wasserst<strong>of</strong>f Heliumkerne erzeugt werden. Die erzielbare Energie liegt bei etwa 28�10 MJ/kg<br />

und damit ca. 8 Millionen mal höher als bei der Steinkohleverbrennung. Nachteilig und heute<br />

noch nicht beherrschbar sind die notwendigerweise sehr hohen Temperaturen von etwa 100<br />

Millionen K.


Seite 86 <strong>Technische</strong> <strong>Physik</strong> 2. September 2005<br />

4.4.2 Konvektion, Wärmeströmung<br />

Der Wärmetransport durch Konvektion ist auf Flüssigkeiten und Gase beschränkt. Er beruht<br />

auf einem direkten Transport von Molekülen und Atomen, die dabei ihre Wärmeenergie<br />

mitnehmen. Dabei spielen einerseits die Dichteunterschiede zwischen warmen und kalten<br />

Bereichen eine große Rolle, da hierdurch Auftriebskräfte entstehen. Warme und damit<br />

leichtere Gase und Flüssigkeiten steigen nach oben, kalte sinken nach unten. Dies bezeichnet<br />

man als freie Konvektion. Beispiele hierfür sind die Erwärmung der Raumluft durch<br />

Heizkörper oder die Lufterwärmung, die tagsüber durch Sonneneinstrahlung am Erdboden<br />

stattfindet. Diese erwärmte Luft steigt auf und kühlt sich an <strong>and</strong>erer Stelle wieder ab (z.B.<br />

über dem Meer) hierdurch entstehen Luftbewegungen (Winde), die global das ganze Wetter<br />

bestimmen (Passat-Winde am Äquator, Auf-, L<strong>and</strong>- und Seewind).<br />

Experiment 4.11: Wärmeströmung in Wasser und Luft<br />

Neben der freien Konvektion spielt die erzwungene Konvektion eine große Rolle, da hiermit<br />

gezielt Wärme transportiert werden kann. Dies trifft z.B. bei Pumpen für warmes Wasser<br />

(Heizung) oder bei Ventilatoren zu.<br />

4.4.3 Wärmeleitung<br />

Im Gegensatz zur Konvektion findet bei der Wärmeleitung kein Massentransport statt,<br />

sondern es wird nur Wärmeenergie durch das Medium transportiert.<br />

Bei Festkörpern sind dabei<br />

zwei verschiedene<br />

Mechanismen zu<br />

unterscheiden. Da die<br />

Wärmeenergie eines Festkörpers<br />

in den Schwingungen<br />

der Atome um ihre<br />

Bindungsplätze gespeichert<br />

ist und die Atome über die<br />

Bindungskräfte mitein<strong>and</strong>er<br />

verkoppelt sind, kann die<br />

Schwingung von einem Atom<br />

Abb. 4.5<br />

auf das Nachbaratom übertragen werden, wie wir dies bei den gekoppelten Pendeln gesehen<br />

haben. Da die Atome bei höherer Temperatur stärker schwingen, wird von diesen auch mehr<br />

Energie auf die Nachbaratome übertragen. Die Wärme wird folglich vom heißen Bereich zum<br />

kälteren Bereich transportiert. Dieses wird als Wärmetransport durch Gitterschwingungen<br />

bezeichnet.<br />

Daneben tritt bei den Metallen noch ein weiterer Wärmetransport über die freien Elektronen<br />

auf, die sich wie ein Elektronengas zwischen den Atomen befinden. Hier wird die


2. September 2005 <strong>Technische</strong> <strong>Physik</strong> Seite 87<br />

Wärmeenergie durch Stöße von einem Elektron auf das nächste übertragen oder auch durch<br />

Stöße zwischen Elektronen und Atomen ausgetauscht. Wir sprechen vom Wärmetransport<br />

durch das Elektronengas.<br />

Bei Flüssigkeiten und Gasen ist die Wärmeenergie in der Bewegungsenergie der Moleküle<br />

und Atome gespeichert. Diese kann durch Stöße auf <strong>and</strong>ere Teilchen übertragen werden.<br />

Dabei übertragen die schnelleren Teilchen mehr Energie auf die langsamen als umgekehrt, so<br />

dass auch hier ein Wärmetransport vom heißen Bereich zum kalten erfolgt. Wir sprechen vom<br />

Wärmetransport durch Stöße.<br />

Betrachten wir einen Stab der Länge �, dessen<br />

beide Enden sich auf den Temperaturen T 1 und T2<br />

befinden, so wird durch diesen Stab in der Zeit t<br />

die Wärmemenge<br />

transportiert. Die Konstante � wird als Wärmeleitfähigkeit<br />

des Werkst<strong>of</strong>fes bezeichnet:<br />

([�] = W/m�K)<br />

(4.11)<br />

Experiment 4.12: Wärmeleitung bei verschiedenen St<strong>of</strong>fen<br />

Beim Vergleich der verschiedenen Metalle finden wir einen direkten Zusammenhang<br />

zwischen der Wärmeleitfähigkeit und der elektrischen Leitfähigkeit. Dies zeigt, dass die<br />

Wärmeleitung der Metalle überwiegend auf dem Transport durch das Elektronengas beruht.<br />

Dieser Zusammenhang wird als Wiedemann-Franz-Gesetz bezeichnet:<br />

Wärmeleitfähigkeit � in W/mK<br />

Silber 411 Beton ~1 Wasser 0,6<br />

Kupfer 380 Eis 2,2 dünne Luftschicht<br />

Aluminium 220 Glas ~0,8<br />

< 5mm<br />

Stahl ~40 Holz ~0,2 dicke Luftschicht<br />

Stein ~2 Hartschaum 0,035<br />

15 cm<br />

Die hohe Wärmeleitung der Metalle hat man sich früher bei den Grubenlampen zunutze<br />

Abb. 4.6<br />

(4.12)<br />

0,025<br />

~1


Seite 88 <strong>Technische</strong> <strong>Physik</strong> 2. September 2005<br />

gemacht. Die <strong>of</strong>fene Flamme war von einem Drahtgitter umgeben. Hierdurch wird die Wärme<br />

der Flamme abgeleitet und das Gas kann außerhalb der Lampe nicht entzündet werden.<br />

Experiment 4.13: Wärmeleitung durch Drahtnetz<br />

Die geringe Wärmeleitung des Wassers ist neben der Anomalie des Wassers mit dafür<br />

verantwortlich, dass die Seen im Winter nicht mehr zufrieren. Hat das Wasser in der Tiefe<br />

4�C erreicht, so findet keine Konvektion mehr statt. Die weitere Abkühlung kann nur über<br />

Wärmeleitung erfolgen.<br />

Die sehr geringe Wärmeleitfähigkeit der Gase macht man sich in der Wärmeisolationstechnik<br />

zu nutze. Bei sehr dünnen Luftschichten findet keine Konvektion statt und wir erhalten eine<br />

gute Wärmeisolierung (z.B. Isolierverglasung). Auch die geringe Wärmeleitfähigkeit der<br />

Dämmst<strong>of</strong>fe und der Porenbetons beruhen auch dem Einschluss von Luft in diesem Material.<br />

Auch unser Temperaturempfinden beim Berühren verschiedener St<strong>of</strong>fe wird im wesentlichen<br />

durch die Wärmeleitung und nicht durch die absolute Temperatur bestimmt. So erscheint uns<br />

ein Stück Metall stets kühler als ein Stück Holz, auch wenn sie die gleiche Temperatur<br />

besitzen und diese unter der Körpertemperatur liegt. Das Metall führt die Wärme viel<br />

schneller vom Körper ab, als das Holz.<br />

4.4.4 Wärmestrahlung<br />

Die Wärmeenergie, die von der Sonne zu uns kommt, kann nicht durch Konvektion oder<br />

Wärmeleitung übertragen werden, da das hierfür notwendige Medium fehlt. Diese Wärme<br />

kann nur in Form von Strahlung übertragen werden. Ursache dieser Strahlung ist die<br />

Bewegung der geladenen Bausteine der Materie, insbesondere der Elektronen. Diese<br />

Bewegung ist nicht gleichförmig sondern die Teilchen werden ständig beschleunigt und<br />

abgebremst. Beschleunigte Ladungen geben aber Energie in Form einer elektromagnetischen<br />

Welle ab. Dies zeigt, das jeder Körper, der eine gewisse Temperatur besitzt<br />

elektromagnetische Wellen abstrahlt, und dies um so mehr, je heißer er ist. In ihrer Art<br />

unterscheiden sich die Wärmestrahlen nicht von <strong>and</strong>eren bekannten elektromagnetischen<br />

Strahlungen, wie z.B. Licht oder Rundfunkwellen. Der einzige Unterschied liegt in der<br />

Wellenlänge der Strahlung.<br />

Die Wärmestrahlen sind elektromagnetische Wellen, die von einem Körper infolge<br />

seines Temperaturzust<strong>and</strong>es ausges<strong>and</strong>t werden.<br />

Experiment 4.14: Nachweis der Wärmestrahlung<br />

Das Experiment zeigt, dass das <strong>The</strong>rmoelement durch die Lampe aufgeheizt wird. Bei jedem<br />

Körper sind aber stets zwei Prozesse vorherrschend. Einerseits gibt jeder Körper entsprechend<br />

seiner Temperatur Wärmeenergie in Form von Strahlung ab, <strong>and</strong>ererseits nimmt er aus der


2. September 2005 <strong>Technische</strong> <strong>Physik</strong> Seite 89<br />

Umgebung zu jedem Zeitpunkt Energie über die Wärmestrahlung auf. Ein Körper ist dann im<br />

Gleichgewicht mit seiner Umgebung, wenn er genau so viel Energie aufnimmt, wie er durch<br />

Strahlung wieder abgibt.<br />

Betrachten wir zunächst die von außen auf den Körper einfallende Strahlung. Diese kann vom<br />

Körper reflektiert werden, sie kann absorbiert werden oder sie kann durchgelassen<br />

(transmittiert) werden. Wir definieren daher:<br />

Da die Summe aller drei Anteile die Gesamtstrahlung ergibt, muss gelten:<br />

Die Werte für diese drei Anteile sind stark von der Wellenlänge abhängig. So ist Wasser für<br />

sichtbares Licht durchlässig, d.h. � ist sehr groß, absorbiert die Wärmestrahlung dagegen sehr<br />

gut. Umgekehrt ist das schwarze Silizium für Licht undurchlässig, die Wärmestrahlung kann<br />

dagegen sehr leicht hindurch dringen.<br />

Ein Körper, der alles sichtbare Licht<br />

absorbiert erscheint uns vollkommen<br />

schwarz (� = 1). Einen solchen Körper<br />

gibt es in der Natur nicht. Selbst Ruß<br />

besitzt noch einen Reflexionsgrad von<br />

etwa 4%. Er lässt sich aber technisch in<br />

sehr guter Näherung realisieren. Dazu wird<br />

ein Hohlraum verw<strong>and</strong>t, dessen<br />

Innenwände gut geschwärzt sind. Die<br />

einfallende Strahlung wird häufig<br />

reflektiert und verliert jedesmal Energie. Es kann praktisch keine Strahlung aus dem<br />

Hohlraum entweichen. Wir sprechen von einem schwarzen Körper.<br />

(4.13)<br />

Abb. 4.7<br />

Durch die ständige Energiezufuhr würde sich der schwarze Körper aber ständig aufheizen.<br />

Damit nimmt automatisch seine Emission zu. Es stellt sich ein Gleichgewicht ein, bei dem der<br />

schwarze Körper genau so viel Energie abstrahlt, wie er aufnimmt. D.h. seine Emission ist<br />

genau so groß wie seine Absorption. Da ein schwarzer Körper optimal absorbiert, muss er<br />

umgekehrt genauso gut emittieren. Damit gilt:


Seite 90 <strong>Technische</strong> <strong>Physik</strong> 2. September 2005<br />

Ein schwarzer Körper besitzt von allen Körpern bei gegebener Temperatur die höchste<br />

Wärmeabstrahlung: schwarzer Strahler.<br />

Experiment 4.15: Abhängigkeit der Wärmeabstrahlung von der Oberflächenbeschaffenheit<br />

Das Experiment zeigt, dass eine Oberfläche mit geringem Absorptionskoeffizienten auch eine<br />

geringe Emission besitzt.<br />

Betrachten wir die Abstrahlung näher. Wenn von einer Fläche A in der Zeit t die<br />

Wärmemenge Q e abgestrahlt wird, so sprechen wir von einer Strahlungsleistung<br />

oder bezogen auf die Fläche von einer spezifischen Ausstrahlung<br />

Ein schwarzer Körper besitzt die höchste spezifische Ausstrahlung, so dass wir für jeden<br />

<strong>and</strong>eren Körper einen Emissionsgrad wie folgt definieren können:<br />

Dabei ist M e,SK die spezifische Ausstrahlung eines schwarzen Körpers, die wie wir sehen<br />

werden nur noch von der Temperatur des Körpers abhängt.<br />

Nun muss aber für jeden Körper gelten, dass er genausoviel Wärme abstrahlt, wie er<br />

absorbiert, wenn er sich im Gleichgewicht mit der Umgebung befindet. Hieraus folgt s<strong>of</strong>ort:<br />

D.h. der Absorptionsgrad entspricht dem Emissionsgrad.<br />

Für die gesamte Strahlungsmenge, die von einem schwarzen Körper ausges<strong>and</strong>t wird, wurde<br />

von Stefan und Boltzmann die folgende Beziehung gefunden:<br />

Die Konstante � heißt Stefan-Boltzmann-Konstante und hat den Wert:<br />

(4.13)<br />

(4.14)<br />

(4.15)<br />

(4.16)<br />

(4.17)


2. September 2005 <strong>Technische</strong> <strong>Physik</strong> Seite 91<br />

Dieses Gesetz wird auch häufig als Boltzmannsches T-hoch-4-Gesetz bezeichnet, da es nur<br />

wenige physikalische Gesetze mit so hohen Potenzen gibt. Diese hohe Potenz bewirkt, dass<br />

bei hohen Temperaturen der größte Teil der Wärmeabgabe eines Körpers über die Strahlung<br />

erfolgt, bei niedrigen Temperaturen dagegen die Konvektion und die Wärmeleitung<br />

überwiegt.<br />

Die Gesamtstrahlung eines schwarzen Körpers kann natürlich nicht auf alle Wellenlängen<br />

gleichmäßig verteilt sein, da dann immer eine unendliche Energiemenge vorliegen müßte.<br />

Man beobachtet vielmehr eine Wellenlänge, bei der die Energieabstrahlung maximal ist,<br />

darüber und darunter nimmt die Energieabstrahlung stark ab. Der erste, der die Verteilung der<br />

Strahlungsenergie auf die Wellenlängen exakt beschreiben konnte war Max Plank. Dafür<br />

mußte er annehmen, dass die Energie nicht kontinuierlich abgestrahlt wurde, sondern immer<br />

in Energiepaketen zusammengefasst ist (sogenannte Quanten). Hierauf wird im Abschnitt<br />

Atomphysik näher eingegangen.<br />

Die Strahlungskurve eines schwarzen<br />

Körpers zeigt auf der Seite kurzer<br />

Wellenlängen einen sehr steilen<br />

Abfall, auf der Seite großer<br />

Wellenlängen dagegen einen<br />

langsamen Abfall. Erst bei sehr hohen<br />

Temperaturen liegt das Maximum der<br />

Kurve in dem Wellenlängenbereich,<br />

der dem menschlichen Auge<br />

zugänglich ist. Naturgemäß entspricht<br />

die zugehörige Temperatur genau der<br />

Oberflächentemperatur der Sonne von<br />

5800K.<br />

Bei niedrigeren Temperaturen liegt das Maximum der Strahlung im so genannten Infrarot-<br />

Bereich. Dies bezeichnen wir als Wärmestrahlung, da alle heißen Körper auf der Erde in<br />

diesem Bereich ihre maximale Abstrahlung<br />

besitzen. Das Maximum der Kurve ist<br />

temperaturabhängig nach dem so genannten<br />

Wienschen Verschiebungsgesetz:<br />

(4.18)<br />

Da jeder reale Körper eine geringere Emis<br />

sion besitzt als ein schwarzer Körper, muss<br />

dessen Strahlungsverteilung über der<br />

Wellenlänge stets unterhalb der Plankschen<br />

Strahlungskurve bei gleicher Temperatur<br />

Abb. 4.8<br />

Abb. 4.9


Seite 92 <strong>Technische</strong> <strong>Physik</strong> 2. September 2005<br />

verlaufen. Dabei ist der Verlauf in der Regel sehr unregelmäßig über der Wellenlänge verteilt.<br />

Da der Absorptionskoeffizient gleich dem Emissionskoeffizienten ist, besitzt dieser auch die<br />

gleiche Wellenlängenabhängigkeit.<br />

Da jeder Körper bei seiner eigenen Temperatur T strahlt und infolge der Raumtemperatur TU<br />

gleichzeitig Strahlung aufnimmt, gilt insgesamt für die abgestrahlte Wärmeleistung:<br />

(4.19)


2. September 2005 <strong>Technische</strong> <strong>Physik</strong> Seite 93<br />

5. Einführung in die Wellenlehre<br />

5.1 Die harmonische Welle<br />

Im Kapitel 3 haben wir harmonische Schwingungen betrachtet und dabei festgestellt, dass bei<br />

einer Kopplung von zwei Pendeln Energie zwischen diesen Pendeln ausgetauscht wird:<br />

Experiment 5.1: gekoppelte Pendel<br />

Erweitern wir diese beiden Pendel zu einer Pendelkette, so beobachten wir eine Anregung<br />

aller Pendel. Diese erfolgt aber zeitlich verzögert gegenüber dem ersten Pendel:<br />

Experiment 5.2: Pendelkette<br />

Man erkennt, dass die erste Auslenkung wie ein Berg durch die gesamte Pendelkette läuft.<br />

Dieses Phänomen bezeichnet man als Welle. Die Welle ist gekennzeichnet durch eine<br />

Ausbreitungsgeschwindigkeit, mit der sich die Anregung in eine bestimmte Richtung<br />

fortpflanzt. Steht, wie in diesem Fall, die Auslenkung der Pendel senkrecht zur<br />

Ausbreitungsrichtung der Welle, so sprechen wir von einer Transversalwelle.<br />

Experiment 5.3: Wellenmaschine<br />

Experiment 5.4: longitudinale Welle in der Pendelkette, Feder<br />

Wird die Pendelkette in Ausbreitungsrichtung<br />

angeregt, so<br />

schwingen auch alle übrigen Pendel<br />

in Ausbreitungsrichtung. Wir Abb. 5.1<br />

beobachten Bereiche mit geringem<br />

Abst<strong>and</strong> der Pendel vonein<strong>and</strong>er sowie Bereiche mit großem Abst<strong>and</strong> der Pendel vonein<strong>and</strong>er.<br />

Eine derartige Welle bezeichnet man als Longitudinalwelle.<br />

Eine besondere Art der Transversalwelle ist die Torsionswelle. Sie entsteht bei Wirkung<br />

eines Drehmomentes:<br />

Experiment 5.5: Torsionswelle<br />

Wichtig ist: Bei einer Welle wird keine Materie transportiert, es wird aber Energie<br />

transportiert.<br />

Damit sich eine transversale Welle ausbreiten kann, sind stets Kräfte notwendig, die quer zur<br />

Ausbreitungsrichtung wirken. In einem festen Körper stellen die einzelnen Atome die Pendel<br />

dar, die Bindungskräfte zwischen den Atomen bilden die Kopplung der Pendel. Diese<br />

Kopplungskräfte wirken auch senkrecht zur Ausbreitung einer Welle, d.h. in einem festen<br />

Werkst<strong>of</strong>f können sich Transversalwellen ausbreiten.


Seite 94 <strong>Technische</strong> <strong>Physik</strong> 2. September 2005<br />

Anders sieht es bei Flüssigkeiten und Gasen aus. Hier können nur Kräfte übertragen werden,<br />

wenn die Atome gegenein<strong>and</strong>er stoßen (Druckkräfte). In diesen Medien sind daher nur<br />

Longitudinalwellen möglich.<br />

Wie können wir eine solche Welle jetzt beschreiben? Der Einfachheit halber betrachten wir<br />

eine Transversalwelle, die grafisch einfacher darstellbar ist. Da die Anregung der Welle<br />

harmonisch ist, wird jeder Schwinger ebenfalls eine harmonische Schwingung ausführen. Wir<br />

können folglich einige Begriffe der harmonischen Schwingung auch auf die Welle übertragen.<br />

Die Amplitude der Welle entspricht der<br />

Amplitude der einzelnen Schwinger (^s).<br />

Die Periodendauer der Welle entspricht<br />

der Periodendauer der Schwinger (T).<br />

Damit entspricht auch die Frequenz der<br />

Welle der Frequenz der Schwinger<br />

(f=1/T).<br />

Diese Frequenz muss dabei nicht die<br />

Eigenfrequenz der Schwinger sein. Vielmehr<br />

h<strong>and</strong>elt es sich in den meisten<br />

Fällen um erzwungene Schwingungen,<br />

die ja mit jeder Frequenz möglich sind.<br />

Machen wir eine Momentaufnahme der Welle zu einer bestimmten Zeit, so erkennen wir, dass<br />

entlang der Ausbreitungsrichtung x ebenfalls eine sinusförmige (harmonische) Auslenkung<br />

vorliegt. Die periodische Wiederholung der Auslenkung legt die Definition einer Wellenlänge<br />

� nahe.<br />

Als letzte Größe fehlt uns jetzt<br />

noch die Ausbreitungsgeschwindigkeit<br />

der Welle,<br />

die wir mit c kennzeichnen.<br />

Um diese zu bestimmen, betrachten<br />

wir die Entstehung der<br />

Welle an der Pendelkette in<br />

Abb. 5.3. Wenn das erste<br />

(anregende) Pendel eine volle<br />

Schwingung ausgeführt hat, hat<br />

sich die Welle genau um � in<br />

der Pendelkette fortgepflanzt.<br />

Die<br />

Abb. 5.2<br />

Abb. 5.3


2. September 2005 <strong>Technische</strong> <strong>Physik</strong> Seite 95<br />

Ausbreitungsgeschwindigkeit einer Welle ist somit gegeben durch:<br />

Während die Frequenz f und die Periodendauer T von der Anregung vorgegeben werden, stellt<br />

sich die Wellenlänge und damit auch die Ausbreitungsgeschwindigkeit nach den Kopplungsgegebenheiten<br />

ein. Bei einer sehr starren Kopplung werden die benachbarten Pendel<br />

schon frühzeitig ausgelenkt, es ergibt sich somit eine große Wellenlänge und eine große<br />

Ausbreitungsgeschwindigkeit. Bei schwacher Kopplung dagegen wird die Wellenlänge klein,<br />

die Ausbreitungsgeschwindigkeit gering.<br />

Ein Beispiel dafür ist die Schallgeschwindigkeit in verschiedenen Medien:<br />

Medium Luft Wasser Stahl<br />

Schallgeschwindigkeit in m/s 330 1500 5100<br />

Die Ausbreitungsgeschwindigkeit c einer Welle müssen wir streng von der Geschwindigkeit<br />

unterscheiden, mit der sich die einzelnen Pendel oder auch Atome bewegen. Diese<br />

Teilchenbewegung wird als Schnelle bezeichnet.<br />

Wie können wir eine solche Welle jetzt mathematisch beschreiben?<br />

Für den Ort x=0 finden wir eine einfache<br />

harmonische Schwingung:<br />

Betrachten wir einen beliebigen <strong>and</strong>eren<br />

Ort x 1,<br />

so zeigt die Abb. 5.4, dass hier<br />

der gleiche mathematische Verlauf<br />

vorliegen muss. Er tritt aber erst um die<br />

Zeit �t verzögert auf:<br />

Den Zeitunterschied �t können wir mit Hilfe der Ausbreitungsgeschwindigkeit berechnen:<br />

(5.1)<br />

Abb. 5.4


Seite 96 <strong>Technische</strong> <strong>Physik</strong> 2. September 2005<br />

Setzen wir dies ein, so ergibt sich für die mathematische Beschreibung der Welle an einem<br />

beliebigen Ort x und zu einer beliebigen Zeit t folgender Zusammenhang:<br />

Mit den folgenden Abkürzungen<br />

ergibt sich dann:<br />

Die Größe k wird als Wellenzahl bezeichnet und dient im wesentlichen der vereinfachten<br />

mathematischen Schreibweise.<br />

Welche Energie wird durch eine Welle transportiert?<br />

Hierzu betrachten wir zunächst wieder die Pendelkette und einen einzelnen Schwinger. Im<br />

Kapitel 3 haben wir festgestellt, dass sich die Gesamtenergie eines schwingenden Systems<br />

errechnet nach:<br />

Führen wir die Schwingungsfrequenz über ein, so finden wir:<br />

(5.2)<br />

(5.3)<br />

(5.4)<br />

(5.5)


2. September 2005 <strong>Technische</strong> <strong>Physik</strong> Seite 97<br />

Diese, für ein mit der Eigenschwingung schwingendes Pendel abgeleitete Beziehung gilt auch<br />

ganz allgemein für jede Schwingungsfrequenz.<br />

Die Energie einer Schwingung und damit einer Welle wächst mit dem Quadrat der<br />

Frequenz und dem Quadrat der Amplitude<br />

Da zunächst nur ein Pendel schwingt, zu einem späteren Zeitpunkt aber auch weitere, muss<br />

diese Energie mit der Ausbreitungsgeschwindigkeit der Welle transportiert werden.<br />

Betrachten wir eine Wellenausbreitung in einem Medium (z.B. Luft), so müssen wir die<br />

Masse m durch ein bestimmtes, betrachtetes Volumenelement V ersetzen:<br />

Sinnvoll wird dann die Einführung der Energiedichte einer Welle:<br />

Die Energie, die mit der Welle pro<br />

Sekunde durch eine Fläche A hindurch<br />

strömt, wird bezogen auf diese Fläche als<br />

Energiestromdichte oder Intensität der<br />

Welle bezeichnet:<br />

Beispiele für verschiedene Wellen:<br />

a) Wasserwellen<br />

(5.7)<br />

Während sich im Innern des Wassers Wellen nur in Form von Longitudinalwellen ausbreiten<br />

können, sind an der Oberfläche auch Transversalwellen möglich. Die Ursache hierfür ist die<br />

rückstellende Kraft durch die Schwerkraft sowie durch die Oberflächenspannung.<br />

Beobachtet man Wasserwellen, so hat man den Eindruck, daß mit den Wellen eine gewisse<br />

Wassermenge transportiert wird:<br />

(5.6)<br />

Abb. 5.5


Seite 98 <strong>Technische</strong> <strong>Physik</strong> 2. September 2005<br />

Experiment 5.6: Wellenwanne<br />

Legt man einen schwimmenden Gegenst<strong>and</strong> auf das Wasser so erkennt man allerdings, daß<br />

auf diesen keine Nettobewegung wirkt. Er bewegt sich lediglich auf und ab und etwas vor und<br />

zurück.<br />

Video Nr. 10: Wellenbad<br />

Experiment 5.7: Wellenwanne mit zwei verschiedenen Tiefen<br />

Wir beobachten, daß sich die Wellen im flacheren Wasser langsamer ausbreiten als im tiefen<br />

Wasser. Läuft eine Welle schräg auf ein Ufer zu, bemerken wir daher eine Ablenkung der<br />

Ausbreitungsrichtung der Welle. Die Wellen treffen dadurch nahezu senkrecht auf das Ufer.<br />

Diesen Welleneffekt werden wir später in der Optik als Brechung des Lichtes wiederfinden.<br />

Experiment 5.8: <strong>Computer</strong>simulation Brechung<br />

Im Gegensatz dazu hat die Frequenz der Welle keinen Einfluß auf die<br />

Ausbreitungsgeschwindigkeit.<br />

Dies ist <strong>and</strong>ers, als in der Optik. Dort beobachten wir eine Abhängigkeit der<br />

Wellengeschwindigkeit von der Frequenz.<br />

Einmal angeregte Wasserwellen können sich über sehr große Strecken fortbewegen. So<br />

konnte man beispielsweise Wellen an der Südwestküste Engl<strong>and</strong>s mit einem Hurrikan in<br />

Verbindung bringen, der vier Tage zuvor in Florida wütete. Auch die Energien, welche die<br />

Wellen transportieren können ganz erheblich sein. So kann eine Br<strong>and</strong>ungswelle pro<br />

Quadratmeter eine Kraft von 500 000 N auf eine Steilküste übertragen. Dies führt zu heftigen<br />

Zerstörungen an den Küsten, die dann zum Teil um mehrere Meter pro Jahr abgetragen<br />

werden.<br />

Video Nr. 11: Wasserwellen laufen ausein<strong>and</strong>er, Solitonen, Tsunami<br />

b) Schallwellen<br />

Experiment 5.9: Lochsirene<br />

Es entstehen durch die Unterbrechung des Luftstromes Druckschwankungen in der Luft, die<br />

sich als Druckwelle ausbreiten.<br />

Die Luftmoleküle selbst bewegen sich dabei ähnlich wie die Pendel bei der Longitudinalwelle<br />

in der Pendelkette. Nur auf diese Weise können in einem Gas Kräfte ausgetauscht werden.<br />

Schallwellen in einem Gas sind also immer Longitudinalwellen. Das diese Schallwellen an<br />

das Medium Luft gebunden sind können wir in einem berühmten Versuch von Boyle<br />

nachvollziehen:<br />

Experiment 5.10: Wecker im Vakuum


2. September 2005 <strong>Technische</strong> <strong>Physik</strong> Seite 99<br />

Auch in Flüssigkeiten können in der Regel keine Scherkräfte übertragen werden. Daher<br />

breiten sich Schallwellen in Flüssigkeiten ebenfalls nur als Longitudinalwelle (Druckwelle)<br />

aus.<br />

In einem festen Körper können<br />

dagegen über die Bindungskräfte auch<br />

Scherkräfte übertragen werden. Lenkt<br />

man ein Atom aus, so entstehen<br />

folglich gleichzeitig sowohl<br />

Transversalwellen, wie auch<br />

Longitudinalwellen. Natürlich<br />

entstehen auch komplizierte<br />

Mischformen dieser Wellen.<br />

Als Menschen verstehen wir unter<br />

akustischen Wellen im allgemeinen<br />

immer nur Wellen, die wir hören und<br />

Abb. 5.6<br />

eventuell noch fühlen können. In der<br />

<strong>Physik</strong> muß man allerdings sagen, daß jede mechanische Welle in einem Medium eine<br />

akustische Welle ist, unabhängig von ihrer Entstehung und ihrer Frequenz. Dies geht sogar<br />

soweit, daß die Ausbreitung von Gitterschwingungen in einem Kristallgitter als Phononen bezeichnet<br />

wird, denen man ähnliche Eigenschaften zuschreiben kann wie den Photonen des<br />

Lichtes (Teilcheneigenschaften).<br />

Der Frequenzbereich der Schallwellen ist daher sehr ausgedehnt. Frequenzen unterhalb des für<br />

Menschen hörbaren Bereiches (< 20 Hz) bezeichnen wir als Infraschall. Hierzu gehören z.B.<br />

Erdbebenschwingungen aber auch der Schall der längsten Orgelpfeifen (19,5 m lang, 16,5<br />

Hz).<br />

12<br />

Der Ultraschall beginnt etwa bei einer Frequenz von 20kHz und reicht bis zu 10 Hz. Diese<br />

Schallwellen werden von einigen Tieren noch wahrgenommen (z.B. Delphin bis 500 000 Hz,<br />

Fledermaus bis 200 000 Hz). In der Technik ist besonders die hohe Energie der Ultraschallwellen<br />

(prop. zu f²) nutzbringend, z.B. zum Reinigen von Oberflächen.<br />

Video Nr. 12: Ultraschallanwendungen<br />

Abb. 5.7


Seite 100 <strong>Technische</strong> <strong>Physik</strong> 2. September 2005<br />

Folie: Ultraschalllautsprecher<br />

Die Geschwindigkeit, mit der sich eine Schallwelle in Luft ausbreitet, wurde schon um 1640<br />

zum ersten Mal bestimmt, indem man die Laufzeit des Schalles beim Abfeuern einer Kanone<br />

maß. Startpunkt der Messung war der Lichtblitz des Mündungsfeuers. Man erhielt damals<br />

einen Wert von etwa 300 m/s. Später verglich man den Knall einer Kanone mit dem einer<br />

Flinte und konnte so feststellen, daß die Schallgeschwindigkeit in Luft nicht von der<br />

Frequenz der Schallwelle abhängt.<br />

Experiment 5.11: Bestimmung der Schallgeschwindigkeit in Luft<br />

Das Experiment zeigt:<br />

Die Schallgeschwindigkeit in Luft beträgt bei 20�C etwa 340 m/s<br />

Schallgeschwindigkeit in verschiedenen Medien in m/s<br />

Gas 0�C und 1013mbar Flüssigkeiten 20�C Festkörper 20�C<br />

Luft 332 Wasser 1483 Stahl 5100<br />

Helium 971 Meerwasser 1531 Glas 5300<br />

Wasserst<strong>of</strong>f 1286 Quecksilber 1421 Ziegel 3650<br />

c) elektromagnetische Wellen<br />

Die elektromagnetischen Wellen stellen den wohl<br />

wichtigsten Wellentyp dar. Sie entstehen immer<br />

dann, wenn eine Ladung beschleunigt wird.<br />

Schalten wir einen Kondensator und eine Spule<br />

zusammen zu einem Schwingkreis, so ist zu einem<br />

Zeitpunkt der Kondensator vollständig geladen, es<br />

fließt kein Strom. Die gesamte Energie ist im<br />

elektrischen Feld des Kondensators gespeichert. Im<br />

nächsten Moment entlädt sich der Kondensator über<br />

die Spule, es fließt ein Strom, in der Spule wird ein<br />

Magnetfeld erzeugt. Ist der Kondensator entladen,<br />

so ist die gesamte Energie im Magnetfeld<br />

gespeichert.<br />

Ein ähnliches Feldlinienbild ergibt sich auch bei einem Antennendipol, den wir uns als<br />

aufgebogenen Plattenkondensator vorstellen können.<br />

Abb. 5.8<br />

Auch bei diesem Antennendipol wechselt sich das E-Feld und das B-Feld ab, denn bei der


2. September 2005 <strong>Technische</strong> <strong>Physik</strong> Seite 101<br />

Ladung und Entladung des Dipols fließt ein Strom entlang der Antenne, welcher ein Magnetfeld<br />

erzeugt.<br />

Damit entsteht allerdings noch<br />

keine Welle.<br />

Folie Nr. 8: ablösende<br />

Feldlinien von einem Dipol<br />

Video Nr. 13: Entstehung<br />

elektromagnetischer Wellen<br />

Betrachten wir die örtliche<br />

und zeitliche Änderung der<br />

Feldstärkevektoren, so finden<br />

Abb. 5.9<br />

wir sowohl für das E-Feld, wie auch für das B-Feld sinusförmige Abhängigkeiten. Der<br />

Feldstärkevektor des E-Feldes ist dabei<br />

immer parallel zum Antennendipol<br />

ausgerichtet. Der Feldstärkevektor des<br />

Magnetfeldes steht stets senkrecht dazu.<br />

Elektromagnetische Wellen sind also<br />

immer Transversalwellen und sie sind<br />

durch die Lage der Antenne polarisiert.<br />

Als Polarisationsrichtung ist die<br />

Richtung des E-Feld-Vektors festgelegt<br />

Abb. 5.10<br />

worden.<br />

Video Nr. 14: Hertz und die Entdeckung der elektromagnetischen Wellen<br />

Aus den so genannten Maxwellschen Gleichungen der Elektrodynamik lässt sich die<br />

Geschwindigkeit der elektromagnetischen Welle ableiten. Da diese durch die elektrischen und<br />

magnetischen Eigenschaften der Umgebung geprägt sein wird, ist es nicht verwunderlich, dass<br />

sich folgender Zusammenhang ergibt:<br />

� stellt die sogenannte Permittivität ( früher Dielektrizitätszahl), � die magnetische<br />

Permeabilität des Werkst<strong>of</strong>fes dar (siehe Vorlesung Werkst<strong>of</strong>fkunde).<br />

Da elektromagnetische Wellen, im Gegensatz zu den Schallwellen, nicht an ein Medium<br />

(5.7)<br />

(5.8)


Seite 102 <strong>Technische</strong> <strong>Physik</strong> 2. September 2005<br />

gebunden sind, können sie sich auch im Vakuum ausbreiten. Hier gilt � r = � r = 1 und somit:<br />

Die Ausbreitungsgeschwindigkeit in einem Werkst<strong>of</strong>f ergibt sich dann zu:<br />

c 0 bezeichnet man auch als Vakuum-Lichtgeschwindigkeit, da dieser Wert auch für Licht<br />

bestimmt wird. Innerhalb eines Mediums ist die Ausbreitungsgeschwindigkeit der<br />

elektromagnetischen Welle also immer geringer als im Vakuum.<br />

Diese Übereinstimmung der Ausbreitungsgeschwindigkeit der elektromagnetischen Wellen<br />

mit der Lichtgeschwindigkeit führte dazu, dass man auch das Licht als eine<br />

elektromagnetische Welle betrachtete. Dies wurde durch die Ergebnisse der Atomphysik dann<br />

bestätigt, als man erkannte, dass Licht immer dann entsteht, wenn ein Elektron in Atomnähe<br />

Energie verliert, also seinen Bewegungszust<strong>and</strong> ändert. Damit lassen sich auch alle Erscheinungen<br />

der Optik, die wir später beh<strong>and</strong>eln werden, auf die Maxwellschen Gleichungen<br />

zurückführen.<br />

Der Frequenzbereich der elektromagnetischen Wellen ist sehr groß. Er reicht von den<br />

niederfrequenten Anwendungen innerhalb des Hörfrequenzbereiches bis zu dem um 20<br />

Zehnerpotenzen höheren Frequenzbereich der kosmischen Strahlung und �-Strahlung, also<br />

23 5<br />

von etwa von 10³ Hz bis zu 10 Hz. Die entsprechenden Wellenlängen gehen von etwa 10 m<br />

-15<br />

bis hinab zu 10 m. Die wichtigsten Bereiche und Größenordnungen sind in folgender Folie<br />

dargestellt:<br />

Folie Nr.9: Spektrum der elektromagnetischen Strahlung<br />

Wir werden uns im Rahmen dieser Vorlesung mit dem Bereich des sichtbaren Lichtes sowie<br />

mit den atomaren Größen ausein<strong>and</strong>er setzen.<br />

(5.9)


2. September 2005 <strong>Technische</strong> <strong>Physik</strong> Seite 103<br />

5.2 Typische Wellenerscheinungen<br />

5.2.1 Dopplereffekt<br />

Wir alle kennen das Phänomen, wenn ein Rettungswagen mit eingeschalteter Sirene an uns<br />

vorbei fährt. Im Moment der Vorbeifahrt ändert sich der Klang der Sirene, der Ton wird<br />

plötzlich tiefer. Dieser Effekt wurde schon 1842 von Christian Doppler untersucht. Er wies<br />

darauf hin, dass die Tonhöhe nicht durch die Frequenz der Schallquelle festgelegt wird,<br />

sondern durch die Frequenz, mit der die Schallwelle das Ohr erreicht.<br />

Wir wollen zwei einfache Fälle untersuchen:<br />

a) ruhende Schallquelle (Q), bewegter Beobachter (B)<br />

Von der ruhenden Schallquelle breiten<br />

sich die Schallwellen in alle<br />

Richtungen gleichmäßig aus:<br />

Experiment 5.12: Kreiswellen in der<br />

Wellenwanne<br />

Die Ausbreitungsgeschwindigkeit c ist<br />

folglich in alle Richtungen gleich und<br />

damit auch die Wellenlänge � der<br />

Schallwellen:<br />

Experiment 5.13: <strong>Computer</strong>simulation Albert, Wellen 1x1<br />

Abb. 5.11<br />

Für den Beobachter, der sich mit der Geschwindigkeit v B auf die Schallquelle zubewegt, ist<br />

die Geschwindigkeit der Schallwelle scheinbar höher. Der Schall läuft mit c + v B an ihm<br />

vorbei. Da die Wellenlänge � fest ist, registriert der Beobachter folglich die Frequenz:<br />

Die vom Beobachter registrierte Frequenz wird also höher. Entfernt sich der Beobachter<br />

umgekehrt von der Quelle, so muss seine Geschwindigkeit negativ eingesetzt werden, die<br />

Frequenz wird folglich tiefer. Zusammen gefasst findet man folgende Formel:


Seite 104 <strong>Technische</strong> <strong>Physik</strong> 2. September 2005<br />

b) bewegte Schallquelle (Q), ruhender Beobachter (B)<br />

Bei der Bewegung der Schallquelle<br />

entsteht keine gleichmäßige<br />

Schallausbreitung, da die aufein<strong>and</strong>er<br />

folgenden Wellenberge von<br />

verschiedenen Orten ausges<strong>and</strong>t<br />

werden.<br />

Experiment 5.14: <strong>Computer</strong>simulation<br />

Albert, Machkegel für v < c<br />

In Bewegungsrichtung erscheint<br />

Schallausbreitung verlangsamt, da die<br />

Quelle dem Schall hinterherläuft. Man<br />

findet eine Ausbreitungsgeschwindigkeit<br />

von c - v Q.<br />

Damit ergibt sich eine Wellenlänge von:<br />

Der ruhende Beobachter registriert dagegen eine normale Schallgeschwindigkeit c und findet<br />

somit die Frequenz:<br />

Entfernt sich die Quelle dagegen vom Beobachter, so muss mit negativem v Q gerechnet<br />

werden. Damit ergibt sich als allgemeine Formel:<br />

Der Vergleich von (5.10) mit (5.11) zeigt, dass es nicht egal ist, ob sich der Beobachter<br />

bewegt oder ob sich die Schallquelle bewegt. Die Ursache hierfür ist das als ruhend<br />

angenommene Trägermedium Luft, in welchem sich der Schall ausbreitet.<br />

(5.10)<br />

Abb. 5.12<br />

(5.11)


2. September 2005 <strong>Technische</strong> <strong>Physik</strong> Seite 105<br />

Der Doppler-Effekt wird nicht nur bei Schallwellen beobachtet, sondern auch bei<br />

elektromagnetischen Wellen. In der mathematischen Beh<strong>and</strong>lung gibt es aber einen wichtigen<br />

Unterschied. Die Relativitätstheorie sagt, dass die Lichtgeschwindigkeit für jeden Beobachter<br />

gleich ist, egal ob er sich bewegt oder nicht. Aus diesem Grunde gibt es keine Addition der<br />

Lichtgeschwindigkeit mit der Quellen- oder Beobachtergeschwindigkeit wie beim Schall.<br />

Trotzdem kommt es natürlich zu der beschriebenen Wellenlängenveränderung. Die<br />

Relativitätstheorie liefert als Frequenzveränderung durch den Dopplereffekt:<br />

Dabei ist v die Relativgeschwindigkeit mit der sich Quelle und Beobachter aufein<strong>and</strong>er<br />

zubewegen. Entfernen sie sich von ein<strong>and</strong>er, muss v negativ angesetzt werden.<br />

Diese Frequenzverschiebung hat verschiedene Anwendungen:<br />

- In der Astronomie findet man die sogenannte Rotverschiebung des Lichtes weit<br />

entfernter Sterne. Dies bedeutet, dass sich die Frequenz des Lichtes, welches diese<br />

Sterne aussenden, zu geringeren Frequenzen verschiebt. (5.12) liefert dafür eine<br />

negative Geschwindigkeit, was bedeutet, dass sich die Sterne von uns entfernen. Da<br />

dies für alle Sterne gefunden wird, postuliert man, dass sich das Universum beständig<br />

ausdehnt. Diese Ausdehnung verläuft um so schneller, je weiter die Sterne von uns<br />

entfernt sich. So hat man für die am weitesten entfernten Objekte Rotverschiebungen<br />

um den Faktor 3 gefunden (f Q = 3f B),<br />

welches einer Geschwindigkeit von etwa 80%<br />

der Lichtgeschwindigkeit entspricht.<br />

- Mit Hilfe der Frequenzverschiebung kann man Geschwindigkeiten messen. Dies wird<br />

z.B. beim Verkehrsradar ausgenutzt. Man verwendet hierfür Mikrowellenstrahlung<br />

mit einer Frequenz von einigen GHz und registriert die vom Messobjekt reflektierte<br />

Strahlung. Es ergibt sich eine doppelt so große Frequenzverschiebung wie nach<br />

(5.12). Hieraus kann elektronisch die Objektgeschwindigkeit ermittelt werden.<br />

c) Schallquelle bewegt sich mit Überschallgeschwindigkeit<br />

Experiment 5.15: <strong>Computer</strong>simulation Albert, Machkegel für v > c<br />

(5.12)<br />

Steigert man in Abb 5.12 die Geschwindigkeit der Quelle immer weiter, bis v Q = c wird, so<br />

fallen die Wellenflächen auf der Vorderseite schließlich alle zusammen. Die Summe aller<br />

Wellen erscheint jetzt wie eine ebene W<strong>and</strong>. Man spricht hierbei von der Schallmauer.<br />

Durchstößt die Quelle diese Schallmauer bei noch höherer Geschwindigkeit, so stellt sich das<br />

Wellenfeld der Abb. 5.13 ein.


Seite 106 <strong>Technische</strong> <strong>Physik</strong> 2. September 2005<br />

Die Wellenfronten liegen jetzt alle auf<br />

einer Kegeloberfläche, dem so<br />

genannten Machschen Kegel. Auf<br />

diesem Kegelmantel addieren sich alle<br />

Druckerhöhungen, weshalb ein<br />

Beobachter, auf den diese Wellenfront<br />

trifft einen explosionsartigen Knall<br />

vernimmt (Überschall-Knall).<br />

Das Objekt muss dabei gar keine Schallwellen<br />

aussenden. Allein durch die<br />

Verdrängung der Luftmoleküle baut sich<br />

diese Stoßwelle auf.<br />

Der halbe Öffnungswinkel � des Machschen Kegels ergibt sich über die zurückgelegten<br />

Strecken zu:<br />

Ma wird als sogenannte Machsche Zahl bezeichnet.<br />

Beispiele für solche Überschallphänomene findet man insbesondere bei Flugzeugen und Geschossen,<br />

aber auch beim Peitschenknall. Bei speziellen Hubschraubern (US-Hubschrauber im<br />

Vietnamkrieg) hört man bei jeder Rotorumdrehung mehrfach den Knall, da die Rotorspitze<br />

hier den Überschallkegel ständig im Kreis herum führt. In der Regel vermeidet man aber die<br />

Überschallgeschwindigkeit der Rotorblätter um die Materialbelastung und die Lautstärke zu<br />

verringern.<br />

Auch bei Schiffen auf dem Meer findet man derartige Phänomene, da sie sich in der Regel mit<br />

einer Geschwindigkeit fortbewegen, die größer ist als die Ausbreitungsgeschwindigkeit der<br />

Wasserwellen. Es entsteht eine sogenannte Bugwelle.<br />

Folie Nr. 10: Bugwelle eines Schiffes<br />

Wie das Bild zeigt, sind aber deutliche Unterschiede zur Schallwelle zu erkennen, da die<br />

Wellen nicht tangential an den Kegel grenzen. Ursache ist, dass es sich hier um<br />

Oberflächenwellen eines nicht komprimierbaren Mediums h<strong>and</strong>elt (Schwerewellen) und nicht<br />

um Schallwellen in Luft. Der Öffnungswinkel des Kegels ist daher auch nicht direkt von der<br />

Schiffsgeschwindigkeit abhängig.<br />

5.2.2 Überlagerung von Wellen (Interferenz)<br />

Abb. 5.13<br />

Betrachten wir zunächst zwei Wasserwellen, so stellen wir fest, dass beide Wellen sich<br />

ungestört durchdringen und nach der Durchdringung so weiter laufen als hätte es die zweite<br />

(5.13)


2. September 2005 <strong>Technische</strong> <strong>Physik</strong> Seite 107<br />

Welle nicht gegeben. Dies hatten wir bei den Solitonen-Wasserwellen im Video Nr. 11<br />

gesehen.<br />

Dieses allgemeingültige Verhalten bezeichnet man als das Gesetz der ungestörten<br />

Überlagerung:<br />

Zwei Wellen laufen überein<strong>and</strong>er hinweg, ohne sich gegenseitig zu beeinflussen. An<br />

der Überlagerungsstelle erhält man die Auslenkung der resultierenden Welle durch<br />

vektorielle Addition der Einzelauslenkungen<br />

Die Gültigkeit dieses Gesetzes erkennt man z.B. auch daran, dass man sich innerhalb einer<br />

größeren Gruppe durchaus unterhalten kann, auch wenn mehrere Personen gleichzeitig sprechen<br />

oder wenn Musik spielt.<br />

Wir wollen dieses Gesetz zunächst auf zwei harmonische Wellen anwenden, welche die<br />

gleiche Frequenz besitzen und sich in gleicher Richtung ausbreiten.<br />

Hierzu müssen wir zunächst einige neue<br />

Begriffe einführen:<br />

- Gangunterschied<br />

Unter dem Gangunterschied d<br />

zwischen zwei Wellen gleicher<br />

Wellenlänge verstehen wir den<br />

räumlichen Abst<strong>and</strong> um den<br />

die erste Welle vor der zweiten<br />

herläuft.<br />

- Schwingungsebene<br />

Bei Transversalwellen steht die<br />

Auslenkung stets senkrecht zur<br />

Ausbreitungsrichtung. Damit ist<br />

sie aber nicht eindeutig<br />

charakterisiert. Wir definieren<br />

daher die sogenannte Schwingungsebene<br />

oder Polarisationsebene.<br />

Diese Ebene wird gebildet durch<br />

die Schwingungsrichtung und<br />

die Ausbreitungsrichtung.<br />

Abb. 5.14<br />

Abb. 5.15


Seite 108 <strong>Technische</strong> <strong>Physik</strong> 2. September 2005<br />

Besitzt eine Welle eine feste Schwingungsrichtung und damit Polarisationsebene, so<br />

bezeichnen wir diese Welle als linear polarisiert.<br />

a) Konstruktive und destruktive Interferenz<br />

Überlagern wir zwei gleichartige, linear polarisierte Wellen, deren Schwingungsebenen<br />

zusammenfallen und die sich in gleicher Richtung ausbreiten, so entscheidet der<br />

Gangunterschied zwischen beiden Wellen, wie die resultierende Welle aussieht. Als<br />

Grenzfälle betrachten wir d = 0, d = �/2, d = �/4.<br />

Experiment 5.16: <strong>Computer</strong>simulation Albert, Wellen 1x1, zwei Wellen<br />

Im Fall d=0 verstärken sich beide Wellen vollständig. Wir sprechen von der konstruktiven<br />

Interferenz.<br />

Im Fall d=�/2 löschen sich beide Wellen vollständig aus. Wir sprechen von der destruktiven<br />

Interferenz.<br />

Im Fall d=�/4, und jedem <strong>and</strong>eren Gangunterschied ergibt sich die resultierende Welle als<br />

Summenbildung der örtlichen Amplituden.<br />

Solche Interferenzerscheinungen treten<br />

auch bei Longitudinalwellen auf. Daher<br />

findet man sie auch bei Schallwellen.<br />

Experiment 5.17: Interferenzversuch mit<br />

Lautsprecher und Mikrophon<br />

Eine besondere Anwendung der destruktiven<br />

Interferenz bei Schallwellen<br />

ist die Lärmbekämpfung. Dabei werden<br />

Störgeräusche über ein Mikrophon<br />

gezielt aufgenommen und der Person<br />

über einen Kopfhörer mit<br />

entgegengesetzter Phasenlage (also<br />

Abb. 5.16<br />

d = �/2) zugespielt. Gemeinsam mit dem Außengeräusch wird dadurch das Störgeräusch<br />

ausgelöscht.<br />

Video Nr 15: Schallauslöschung durch Gegenschall<br />

Interferenzen von Wellenfeldern kann man in einer Wellenwanne besonders deutlich machen:<br />

Experiment 5.18: Interferenz von zwei Wellenfeldern in der Wellenwanne<br />

Wir erkennen dort, wo die Wellenberge zusammentreffen (bzw. wo die Täler<br />

zusammentreffen) eine konstruktive Interferenz. Hier findet eine starke Wellenbewegung statt,


2. September 2005 <strong>Technische</strong> <strong>Physik</strong> Seite 109<br />

die sich durch dunkle Linien<br />

widerspiegelt. Dazwischen liegen<br />

Bereiche destruktiver Interferenz in<br />

denen das Wasser sehr ruhig ist.<br />

Dies können wir auch mit Hilfe von<br />

zwei Folien nachvollziehen:<br />

Experiment 5.19: Überdeckung von zwei<br />

transparenten Folien mit konzentrischen<br />

Kreisen<br />

b) zirkular polarisierte Welle<br />

Abb. 5.17<br />

Überlagern wir zwei linear polarisierte<br />

Wellen, deren Schwingungsebenen senkrecht aufein<strong>and</strong>er stehen, so erhalten wir in den Fälle<br />

wo der Gangunterschied d=0 oder d=�/2 ist wieder eine linear polarisierte Welle, deren<br />

Schwingungsebene jetzt um 45� bzw 135� geneigt ist.<br />

Experiment 5.20: <strong>Computer</strong>simulation Albert, Polarisiertes Licht<br />

Beträgt der Gangunterschied zwischen beiden Wellen dagegen d=�/4 oder d=3�/4, so erhalten<br />

wir eine zirkular polarisierte Welle. Betrachten wir einen festen Ort, an dem die Welle<br />

vorbei läuft, so beobachten wir einen Auslenkungsvektor der Welle, der ständig den gleichen<br />

Betrag besitzt aber seine Richtung im Uhrzeigersinn oder im Gegenuhrzeigersinn verändert.<br />

Die Spitze bewegt sich auf einem Kreis. Wir sprechen von rechtszirkular und linkszirkular.<br />

Sind die Amplituden der Ausgangswellen unterschiedlich groß, so erhalten wir eine elliptisch<br />

polarisierte Welle.<br />

Zirkular polarisierte Wellen werden wir insbesondere in der Optik wiederfinden.<br />

Abb. 5.18


Seite 110 <strong>Technische</strong> <strong>Physik</strong> 2. September 2005<br />

c) Schwebung<br />

Experiment 5.21: <strong>Computer</strong>simulation Albert, Wellen 1x1, zwei verschiedene Frequenzen<br />

Überlagert man zwei Wellen<br />

gleicher Polarisation und Ausbreitungsrichtung,<br />

die sich geringfügig<br />

in Frequenz und Wellenlänge<br />

unterscheiden, so bildet die Überlagerung<br />

einen Wellenzug, dessen<br />

Amplitude nicht konstant ist. Wir<br />

finden Zonen der Verstärkung und<br />

der Auslöschung. Dieses<br />

Phänomen wird als Schwebung<br />

bezeichnet. Wir finden sie auch bei<br />

den Schallwellen:<br />

Experiment 5.22: Schwebung mit<br />

zwei Stimmgabeln<br />

Experiment 5.23: Darstellung der Schwebung auf dem Oszillographen<br />

Wird der Frequenzunterschied zwischen den Wellen größer so wird die Periode der<br />

Schwebung immer kürzer. Schließlich nimmt man beide Wellen getrennt war. Umgekehrt<br />

kann man die Schwebung ausnutzen, um zwei Tongeber auf die gleiche Frequenz<br />

abzustimmen (Stimmen von Musikinstrumenten).<br />

Diese Überlagerung von zwei Wellen führt zu einer neuen Welle. Diesen Sachverhalt können<br />

wir weiter verallgemeinern. Es gilt der Satz von Fourier:<br />

Jede Welle läßt sich in eindeutiger Weise aus harmonischen Wellen zusammensetzen<br />

Wir wollen diesen Sachverhalt an einem<br />

einfachen Beispiel deutlich machen:<br />

Eine Rechteckwelle kann aus<br />

harmonischen Wellen zusammengesetzt<br />

werden, die folgender Beziehung<br />

genügen:<br />

Abb. 5.19<br />

Abb. 5.20


2. September 2005 <strong>Technische</strong> <strong>Physik</strong> Seite 111<br />

Video Nr. 16: Fourier-Synthese einer Rechteckwelle<br />

Dies bedeutet auch, dass jeder beliebige Ton aus harmonischen Wellen zusammengesetzt<br />

werden kann:<br />

Folie Nr. 11: Frequenzspektrum der Vokale A und I<br />

Wir erhalten stets eine Grundschwingung und entsprechende Oberschwingungen mit einem<br />

Vielfachen der Grundfrequenz. Die Amplituden der einzelnen Schwingungen bestimmen dann<br />

die Erscheinung des Tones. Die Gesamtheit aus Grundschwingung und Oberschwingungen<br />

bezeichnet man als Frequenzspektrum des Tones.<br />

5.2.3 Stehende Wellen<br />

Bisher haben wir Interferenzen erzeugt, indem wir zwei gleichartige Wellen überlagert haben,<br />

die sich in gleicher Richtung ausbreiteten. Im folgenden wollen wir die beiden Wellen<br />

entgegengesetzt laufen lassen. Mathematisch bedeutet dies:<br />

Die resultierende Welle ergibt sich durch Addition:<br />

Dabei wurde das Additionstheorem<br />

verwendet. Diese Welle zeigt<br />

folgende Orts- und<br />

Zeitabhängigkeiten:<br />

Wir erhalten Schwingungs<br />

knoten und Schwingungsbäuche.<br />

Diese sind ortsfest<br />

und der Grund dafür, dass man<br />

diese Welle als stehende Welle<br />

(5.14)<br />

Abb. 5.21


Seite 112 <strong>Technische</strong> <strong>Physik</strong> 2. September 2005<br />

bezeichnet. Zwischen zwei benachbarten Knoten bzw. Bäuchen liegt stets die halbe<br />

Wellenlänge.<br />

Experiment 5.24: stehende Wellen auf Gummib<strong>and</strong> und Torsionswellenmaschine (Einfrieren<br />

der stehenden Welle)<br />

Auch mit (longitudinalen) Schallwellen lassen sich stehende Wellen erzeugen. Dabei findet in<br />

den Bäuchen eine starke Bewegung der Luftmoleküle statt, während in den Knoten praktisch<br />

keine Bewegung stattfindet. Dafür findet hier eine starke Druckänderung statt. Dies kann auch<br />

optisch sichtbargemacht werden:<br />

Experiment 5.25: Kundtsche Staubfiguren<br />

Ergebnis: f=495Hz, �=0,68m � c=f��=337m/s<br />

Zur Erzeugung stehender Wellen sind immer zwei identische Wellen notwendig, die sich in<br />

entgegengesetzter Richtung ausbreiten. Am einfachsten kann man sich die zweite Welle durch<br />

Reflexion der ersten Welle schaffen. Hierzu betrachten wir zunächst den Effekt der Reflexion<br />

an einem Wellenberg:<br />

Experiment 5.26: Reflexion eines Wellenberges am festen und am losen Ende<br />

(Torsionswellenmaschine)<br />

Experiment 5.27: <strong>Computer</strong>simulation Albert, Wellenmaschine: festes und loses Ende, D=1<br />

und D=2 (c ändert sich)<br />

Läuft der Wellenberg auf ein festes Ende (starre<br />

Aufhängung) zu, so kann hier keine Auslenkung<br />

auftreten. Es wirkt folglich eine Kraft dem<br />

Wellenberg entgegen. Dies bewirkt eine Auslenkung<br />

des Wellenberges in die entgegengesetzte Richtung:<br />

der Wellenberg wird als Wellental reflektiert.<br />

Läuft der Wellenberg dagegen auf ein loses Ende<br />

(elastische Aufhängung) zu, so kann er hier frei<br />

ausschwingen: der Wellenberg wird als<br />

Wellenberg reflektiert.<br />

Mathematisch bedeutet dies:<br />

Abb. 5.22<br />

Bei der Reflektion am festen Ende (optisch dichteres Medium) ergibt sich ein Phasensprung<br />

von �/2;<br />

bei der Reflexion am losen Ende (optisch dünneres Medium) ergibt sich kein Phasensprung


2. September 2005 <strong>Technische</strong> <strong>Physik</strong> Seite 113<br />

Für die stehende Welle, die aus der hinlaufenden Welle und der reflektierten Welle gebildet<br />

wird bedeutet dies:<br />

Eine stehende Welle besitzt am festen Ende stets einen Knoten, am freien Ende dagegen<br />

stets einen Bauch<br />

Beispiele für stehende Wellen:<br />

a) Transversale Wellen auf Saiten<br />

Spannen wir eine Saite (Gummib<strong>and</strong>) ein und regen sie zu stehenden Wellen an, so müssen<br />

wir bedenken, dass jetzt an beiden Einspannstellen ein Schwingungsknoten vorliegen muss:<br />

Experiment 5.28: Stehende Wellen einer Saite (Gummib<strong>and</strong>)<br />

Experiment 5.29: <strong>Computer</strong>simulation Albert, Wellenmaschine: D=2,6, Hub=0,7, f=0,10,<br />

0,20, 0,30, 0,40, 0,50<br />

Da die Wellenlänge aber durch die<br />

Anregung und die Ausbreitungsgeschwindigkeit<br />

vorgegeben<br />

ist, lassen sich nur bestimmte stehende<br />

Wellen anregen. Für diese muss gelten:<br />

Mit c = ��f ergibt sich dann für die<br />

Frequenzen:<br />

Diese möglichen stehenden Wellen bezeichnet man als harmonische Eigenschwingungen.<br />

Für n=1 sprechen wir von der Grundschwingung, für die höheren n von den<br />

Oberschwingungen.<br />

Die Frequenz der Eigenschwingungen hängt von der Ausbreitungsgeschwindigkeit der Welle<br />

ab. Diese kann bei einem Musikinstrument durch die Spannung der Saiten verändert werden.<br />

Experiment 5.30: Monochord mit veränderlicher Spannung<br />

Abb. 5.23<br />

(5.15)


Seite 114 <strong>Technische</strong> <strong>Physik</strong> 2. September 2005<br />

Hier wird natürlich nicht die Schallgeschwindigkeit im Werkst<strong>of</strong>f verändert, sondern die<br />

Ausbreitungsgeschwindigkeit der transversalen Saitenauslenkung.<br />

Experiment 5.31: <strong>Computer</strong>simulation Albert, Wellenmaschine: D=2,6 � f=0,10,<br />

D=4,0 � f=0,13<br />

b) Longitudinalwellen in Luftsäulen<br />

Hierfür haben wir schon ein Beispiel kennen gelernt, das Kundtsche Rohr (Staubfiguren).<br />

Hierbei h<strong>and</strong>elt es sich um einseitig geschlossenen Röhren:<br />

Am geschlossenen Ende muss immer ein<br />

Schwingungsknoten auftreten, am<br />

<strong>of</strong>fenen Ende wird dagegen ein Schwingungsbauch<br />

liegen. Grund für den<br />

Schwingungsbauch ist, dass auch am<br />

<strong>of</strong>fenen Ende eine Änderung der Schallausbreitung<br />

erfolgt und dies mit einer<br />

Reflexion der Schallwelle einhergeht.<br />

Abb. 5.24<br />

Allerdings können sich hier die Luftmoleküle ungehindert bewegen. Für die Wellenlänge der<br />

stehenden Welle ergibt sich somit folgende Bedingung:<br />

Mit c = � � f folgt s<strong>of</strong>ort:<br />

Experiment 5.32: <strong>Computer</strong>simulation Albert, Wellenmaschine: D=2,6, Hub=0,7, f=0,05,<br />

0,15, 0,25, 0,35<br />

Für n = 1 erhalten wir die Grundschwingung mit der Frequenz f = c/4�.<br />

Öffnen wir die bisher verschlossene<br />

Seite der Glasröhre, so ändert sich die<br />

Frequenz der Eigenschwingung. Auf<br />

beiden Seiten der Röhre muss jetzt ein<br />

Schwingungsbauch entstehen.<br />

Wir sehen in Abb. 5.25, dass sich hier<br />

frequenzmäßig die gleichen Eigenschwingungen<br />

einstellen, wie bei der<br />

(5.16)<br />

Abb. 5.25


2. September 2005 <strong>Technische</strong> <strong>Physik</strong> Seite 115<br />

Saitenschwingung. Wir können folglich die Gleichung (5.15) übernehmen:<br />

Anwendungsbeispiele für diese stehenden Wellen finden wir in der Akustik bei den<br />

Musikinstrumenten.<br />

c) Transversale Eigenschwingungen einer Membran<br />

Auch flächenhafte Körper zeigen Eigenschwingungen. Betrachten wir eine dünne Platte<br />

(Membran), die zu Schwingungen angeregt wird, so erkennen wir komplizierte Muster auf der<br />

Oberfläche. Diese Muster können wir durch feinen S<strong>and</strong> auf der Oberfläche sichtbar machen,<br />

da dieser in den Schwingungsbäuchen entfernt wird und sich in den Schwingungsknoten<br />

ansammelt. Wir erhalten folglich ein Muster von Knotenlinien.<br />

Video Nr. 18: Chladnische Klangfiguren<br />

Die Grundschwingungen einer kreisförmigen Membran sind in folgender Folie dargestellt:<br />

Folie Nr. 12: Grundschwingungen einer Membran<br />

Experiment 5.33: <strong>Computer</strong>simulation Albert, Paukenfell kreisförmig, C 00=0,6 bzw. C 01=0,6<br />

bzw. C 10=0,6<br />

5.2.4 Das Huyghenssche Prinzip<br />

Betrachten wir die Wellenausbreitung in einer Wellenwanne, so sehen wir dunkle Linien, die<br />

sich über die Wasseroberfläche bewegen. Diese Linien verbinden Punkte gleicher Phase in<br />

der Wasserwelle (Wellenberge bzw. -täler).<br />

Experiment 5.34: Kreiswelle und ebene Welle in der Wellenwanne<br />

Dieses Prinzip können wir für beliebige<br />

Wellen verallgemeinern. Verbinden wir<br />

die benachbarten Punkte gleicher Phase<br />

mitein<strong>and</strong>er, so erhalten wir sogenannte<br />

Wellenflächen. Ein einzelner Punkt<br />

einer Wellenfläche ist physikalisch<br />

dabei nicht zu unterscheiden vom<br />

Erregungszentrum der Welle, er führt<br />

die gleichen Wellenbewegungen aus.<br />

Dies hat schon im 17. Jahrhundert den<br />

Wissenschaftler Christian Huyghens<br />

dazu gebracht, sich die Ausbreitung<br />

(5.17)<br />

Abb. 5.26


Seite 116 <strong>Technische</strong> <strong>Physik</strong> 2. September 2005<br />

einer Welle so vorzustellen, dass er jeden Punkt einer Welle wieder als Erregungszentrum<br />

ansah, von dem eine sogenannte Elementarwelle (Kugelwelle) ausgeht. Die Wellenfläche zu<br />

einem späteren Zeitpunkt ergibt sich dann aus der Überlagerung dieser Elementarwellen.<br />

Dieses Prinzip können wir an der Wellenwanne sehr schön veranschaulichen. Dazu betrachten<br />

wir zunächst eine ebene Wasserwelle, die auf eine W<strong>and</strong> mit einem Spalt fällt.<br />

Experiment 5.35: Wellenwanne mit Spalt, <strong>Computer</strong>simulation Medium 2D mit Spalt<br />

Hinter dem Spalt beobachten wir eine Elementarwelle, die sich kreisförmig ausbreitet.<br />

Ersetzen wir den Einzelspalt durch sehr viele Spalte, so sehen wir eine Vielzahl von<br />

Elementarwellen, die sich zu einer neuen ebenen Welle vereinigen.<br />

Experiment 5.36: Wellenwanne mit Vielfachspalt<br />

Mit Hilfe der Elementarwellen lässt sich das Verhalten von Wellen an einem Hindernis jetzt<br />

sehr schön beschreiben. Im folgenden wollen wir verschiedene Fälle untersuchen: Reflexion,<br />

Brechung und Beugung von Wellen.<br />

5.2.5 Reflexion von Wellen<br />

Experiment 5.37: Reflexion in der Wellenwanne<br />

Video Nr. 19: Reflexion nach dem Huyghensschen Prinzip<br />

Wir betrachten eine ebene Welle, die<br />

unter dem Winkel � auf ein Hindernis<br />

zu läuft. Die Wellenfläche A�D�<br />

kennzeichnet die Welle, wenn sie im<br />

Punkt A auf das Hindernis trifft. Während<br />

Punkt D mit der Geschwindigkeit c<br />

auf den Punkt C zuläuft, breitet sich von<br />

A eine Elementarwelle aus, die sich<br />

ebenfalls mit c fortbewegt. Hat D den<br />

Punkt C erreicht, so hat die<br />

Elementarwelle den Radius A�E�<br />

zurückgelegt. Verbindet man diese<br />

Abb. 5.27<br />

Elementarwelle mit der jetzt in Punkt C<br />

entstehenden, so entsteht die neue Wellenfront E�C�. Diese neue Welle bewegt sich unter dem<br />

Winkel � vom Hindernis weg.<br />

Nun sind die Dreiecke ACD und ACE beide rechtwinklig und kongruent, da D�C� = A�E� und<br />

A�C� für beide gleich. Hieraus folgt für die Winkel � und �:


2. September 2005 <strong>Technische</strong> <strong>Physik</strong> Seite 117<br />

5.2.6 Brechung von Wellen<br />

Experiment 5.38: Brechung in der <strong>Computer</strong>simulation Medium 2D: Brechung, mechanisches<br />

Modell der Brechung<br />

Wie das Experiment zeigt, werden die Wellen beim Übergang zwischen zwei Bereichen mit<br />

unterschiedlicher Ausbreitungsgeschwindigkeit aus ihrer ursprünglichen Richtung abgelenkt.<br />

Bei Wasserwellen wird dies durch veränderte Wassertiefen hervorgerufen, bei Luft durch<br />

unterschiedliche Luftdichten, bei elektromagnetischen Wellen durch unterschiedliche<br />

Werkst<strong>of</strong>fe. Wir sprechen ganz allgemein von verschiedenen Ausbreitungsmedien.<br />

Wieder betrachten wir eine ebene Welle,<br />

die unter dem Winkel � auf das<br />

Hindernis zuläuft. Die Wellenfront wird<br />

durch A�D� festgelegt, wenn die Welle in<br />

A auftrifft. Während sich D mit der<br />

Geschwindigkeit c 1 auf C zubewegt,<br />

breitet sich von A eine Elementarwelle<br />

mit c 2 aus. Kommt D bei C an, so hat<br />

diese Elementarwelle den Radius A�E�<br />

zurückgelegt. Die neue Wellenfläche im<br />

Medium 2 erhalten wir jetzt, indem wir<br />

die Elementarwelle von A mit der in C<br />

Abb. 5.28<br />

entstehenden verbinden. Wieder<br />

entstehen zwei rechtwinklige Dreiecke mit der Basis A�C�, die Strecken D�C� und A�E� sind<br />

jedoch unterschiedlich lang auf Grund der unterschiedlichen Ausbreitungsgeschwindigkeiten.<br />

Es gilt:<br />

Für die Winkel folgt:<br />

Fassen wir dies zusammen, so ergibt sich:<br />

(5.18)


Seite 118 <strong>Technische</strong> <strong>Physik</strong> 2. September 2005<br />

Dieses Gesetz wird als das Brechungsgesetz von Snellius bezeichnet.<br />

In der Optik spricht man auch davon, dass die Welle beim Übergang zum optisch dichteren<br />

Medium zum Lot hin gebrochen wird. Da die oben gezeigte Herleitung von der Richtung der<br />

Welle unabhängig ist, kann der Weg natürlich auch umgekehrt werden, die Welle wird dann<br />

vom Lot weggebrochen.<br />

Die Brechung tritt natürlich nicht isoliert auf, vielmehr beobachtet man stets auch die<br />

reflektierte Welle.<br />

5.2.7 Beugung von Wellen<br />

Betrachten wir ein begrenztes Hindernis oder ein Hindernis mit Löchern, so kommt es zu<br />

einem weiteren Wellenphänomen.<br />

Experiment 5.39: Beugung von Wasserwellen in der Wellenwanne<br />

Experiment 5.40: <strong>Computer</strong>simulation Medium 2D, Beugung am breiten Spalt<br />

Ein Teil der Welle läuft am Hindernis<br />

vorbei, ein Teil wird am Hindernis<br />

reflektiert. An der Kante des<br />

Hindernisses entstehen<br />

Elementarwellen, die sich hinter dem<br />

Hindernis ausbreiten, obwohl dieser<br />

Bereich nicht von der Quelle der Welle<br />

einsehbar ist. Diesen Effekt bezeichnen<br />

wir als Beugung der Welle. Er stellt die<br />

wohl seltsamste Eigenschaft einer<br />

Welle dar und wird daher <strong>of</strong>t als das<br />

besondere Charakteristikum einer Welle<br />

angesehen. So konnte Hertz bei der<br />

Abb. 5.29<br />

Entdeckung der elektromagnetischen Wellen den Wellencharakter durch<br />

Beugungsexperimente nachweisen. Auch die Welleneigenschaften von Elektronen und<br />

<strong>and</strong>eren Elementarteilchen werden insbesondere durch Beugung nachgewiesen.<br />

Insbesondere in der Optik werden wir auf Beugungserscheinungen näher eingehen.<br />

(5.19)<br />

Während es für die Reflexion und die Beugung auch ein mechanisches Analogon gibt,<br />

existiert dieses für die Beugung nicht. Die Beugung ist folglich eine reine Wellenerscheinung.


2. September 2005 <strong>Technische</strong> <strong>Physik</strong> Seite 119<br />

6. Geometrische Optik<br />

6.1 Modellvorstellungen des Lichtes<br />

Im Abschnitt "Einführung in die Wellenlehre" hatten wir das Licht als elektromagnetische<br />

Welle kennen gelernt. Damit verbunden waren eine Reihe von Welleneigenschaften, wie<br />

Reflexion, Brechung und Beugung, auf die wir auch in diesem Abschnitt wieder eingehen<br />

werden.<br />

Die älteste Vorstellung vom Licht knüpft aber an die geradlinige Ausbreitung des Lichtes an.<br />

Man stellte sich das Licht als Bündel von einzelnen Strahlen vor (diese Vorstellung wird<br />

insbesondere durch Naturbeobachtungen gestützt: wenn das Sonnenlicht zwischen den<br />

Wolken hindurch strahlt, meint man diese Strahlen direkt beobachten zu können).<br />

Die Strahlentheorie des Lichtes konnte allerdings nicht die Reflexions- und Brechungserscheinungen<br />

des Lichtes befriedigend erklären sondern nur anschaulich machen.<br />

Daher unternahm schon Isaac Newton den Versuch, das Licht als einen Strom von Teilchen<br />

zu beschreiben. Mit Hilfe der Impulserhaltung konnte er dann das Reflexionsgesetz erklären,<br />

durch Anziehungskräfte zwischen den Teilchen und den Atomen konnte er auch die Brechung<br />

in einem St<strong>of</strong>f erklären. Allerdings vermochte er nicht zu beschreiben, warum sich kreuzende<br />

Lichtstrahlen ohne Behinderung durchdringen können.<br />

Überraschender Weise ist<br />

man mit der Entwicklung<br />

der Atomphysik wieder<br />

zu einem neuen<br />

Teilchenbild des Lichtes<br />

gekommen, da bestimmte<br />

Phänomene nur durch<br />

solche<br />

Teilcheneigenschaften erklärt werden können (z.B. der Photoeffekt, Einstein 1905). Hierauf<br />

werden wir im Abschnitt Atomphysik näher eingehen. Man spricht heute von der so<br />

genannten Welle-Teilchen-Dualität, und meint damit, dass sich das Licht bei einigen<br />

Versuchen wie eine Welle verhält, bei <strong>and</strong>eren dagegen wie ein Teilchen.<br />

Innerhalb der geometrischen Optik stellt man sich gern auf den St<strong>and</strong>punkt des Strahlenmodells,<br />

da hiermit insbesondere die Konstruktion von Abbildungen sehr anschaulich ist.<br />

Wir sprechen daher auch von der Strahlenoptik.


Seite 120 <strong>Technische</strong> <strong>Physik</strong> 2. September 2005<br />

6.2 Reflexion des Lichtes<br />

Das Phänomen der Reflexion hatten wir schon anh<strong>and</strong> der Welleneigenschaften erläutert und<br />

mathematisch beh<strong>and</strong>elt. Als Ergebnis ergab sich das Gesetz:<br />

Experiment 6.1: Reflexionsgesetz<br />

Als Beispiele für die Reflexion wollen<br />

wir uns verschiedene Spiegeltypen<br />

ansehen:<br />

Experiment 6.2: verschiedene<br />

Spiegeltypen<br />

a) Bildentstehung am ebenen Spiegel<br />

Betrachten wir mit dem Auge eine<br />

Lichtquelle L in einem Spiegel, so<br />

scheint das Licht von einem Punkt<br />

hinter dem Spiegel zu kommen. Diesen<br />

können wir konstruieren, indem wir die<br />

Abb. 6.1<br />

reflektierten Strahlen nach hinten verlängern. Sie schneiden sich dann bei L'. Dieses hinter<br />

dem Spiegel liegende Bild bezeichnen wir als virtuelles Bild, da wir es nicht mit einer<br />

Leinw<strong>and</strong> auffangen können. Der Abst<strong>and</strong> des virtuellen Bildes entspricht dem des realen<br />

Gegenst<strong>and</strong>es.<br />

Betrachten wir einen Gegenst<strong>and</strong> im<br />

Spiegel, so finden wir, dass Bildgröße<br />

und Gegenst<strong>and</strong>sgröße immer gleich<br />

sind. Das virtuelle Bild des<br />

Gegenst<strong>and</strong>es konstruiert man am<br />

leichtesten unter Verwendung eines ins<br />

Auge reflektierten Strahles und des<br />

senkrecht zum Spiegel laufenden Lichtstrahles.<br />

Wir erkennen, dass das<br />

Spiegelbild seitenverkehrt entsteht.<br />

b) Bildentstehung am Hohlspiegel<br />

Beim Hohlspiegel gehen wir von einer Kugelfläche vom Radius r aus:<br />

Experiment 6.3: Brennweite eines Hohlspiegels (Hertelsche Scheibe)<br />

Abb. 6.2


2. September 2005 <strong>Technische</strong> <strong>Physik</strong> Seite 121<br />

Das Experiment zeigt, dass ein paralleles Lichtbündel in einem Punkt konzentriert wird.<br />

Diesen Punkt bezeichnen wir als Brennpunkt des Spiegels. Wir wollen zunächst überlegen ,<br />

wo dieser Brennpunkt liegt. Dazu betrachten wir einen Lichtstrahl, der parallel zur<br />

Symmetrieachse (optische Achse) des Spiegels im Abst<strong>and</strong> d einfällt:<br />

Experiment 6.4: ausgezeichnete<br />

Strahlen am Hohlspiegel<br />

Für jeden Punkt des Spiegels gilt das<br />

Reflexionsgesetz. Wie die Abbildung<br />

zeigt, steht die Normale der Reflexion<br />

ebenfalls unter dem Winkel � zur<br />

optischen Achse. Damit ergibt sich:<br />

Da das Dreieck MAF gleichschenklig ist, gilt für den Winkel � ebenfalls:<br />

und damit für den Schnittpunkt der reflektierten Strahlen mit der optischen Achse:<br />

Diesen Abst<strong>and</strong> vom Scheitelpunkt des Spiegels bezeichnet man als Brennweite des<br />

Spiegels. Für achsennahe Lichtstrahlen, also d � r, wird � klein und damit kann cos � mit 1<br />

angenähert werden. Dann gilt für die Brennweite des Hohlspiegels:<br />

Wir sehen, dass die Brennweite jetzt<br />

unabhängig von � und damit von d ist.<br />

Achsennahe Strahlen laufen folglich nach<br />

der Reflexion alle durch diesen Punkt.<br />

Für achsenferne Strahlen wird die Brennweite<br />

entsprechend (6.1) dagegen kleiner.<br />

Diese Abweichung des Brennpunktes ist<br />

auf die Kugelform des Spiegels zurück<br />

zuführen.<br />

Abb. 6.3<br />

(6.1)<br />

(6.2)<br />

Abb. 6.4


Seite 122 <strong>Technische</strong> <strong>Physik</strong> 2. September 2005<br />

Verändern wir die Spiegelform zu einem parabolischen Spiegel, so beobachten wir, dass sich<br />

alle Lichtstrahlen, auch die achsenfernen, in einem Punkt schneiden.<br />

Experiment 6.5: Brennpunkt<br />

des Parabolspiegels<br />

Bei Umkehrung des<br />

Strahlenganges beobachten<br />

wir, dass eine im Brennpunkt<br />

stehende Lampe jetzt ein<br />

paralleles Lichtbündel<br />

Abb. 6.5<br />

aussendet. Dies wird bei allen<br />

Scheinwerfern angew<strong>and</strong>t um das Licht über große Entfernungen ausnutzen zu können.<br />

Im Folgenden wollen wir die Bildentstehung<br />

am Hohlspiegel betrachten:<br />

Anstatt alle Lichtstrahlen, die von einem<br />

Gegenst<strong>and</strong>spunkt ausgehen, zu<br />

betrachten, verwendet man zur<br />

Bildkonstruktion 3 ausgezeichnete<br />

Strahlen:<br />

- der Parallelstrahl wird zum<br />

Brennpunktstrahl<br />

- der Brennpunktstrahl wird zum<br />

Parallelstrahl<br />

- der Mittelpunktstrahl wird in sich reflektiert<br />

Dort, wo sich diese drei Strahlen<br />

schneiden, entsteht das Bild. Wir<br />

erkennen, dass in diesem dargestellten<br />

Fall ein reelles Bild entsteht, da sich die<br />

Strahlen schneiden. Hier könnte man<br />

eine Leinw<strong>and</strong> aufstellen und das Bild<br />

auffangen.<br />

Abb. 6.6<br />

Um den Zusammenhang zwischen der<br />

Abb.6.7<br />

Gegenst<strong>and</strong>sgröße G, der Bildgröße B,<br />

der Gegenst<strong>and</strong>sweite g und der Bildweite b herzustellen, reduzieren wir das Problem auf<br />

zwei Strahlen und vernachlässigen die Krümmung des Spiegels dadurch, dass wir nur<br />

achsennahe Strahlen betrachten.


2. September 2005 <strong>Technische</strong> <strong>Physik</strong> Seite 123<br />

Mit Hilfe des Zentrumsstrahles (gestrichelt) sowie des Reflexionsgesetzes ergibt sich folgende<br />

Beziehung:<br />

Mit Hilfe des Brennpunktstrahles gewinnen wir die Beziehung:<br />

Kombinieren wir beide Gleichungen und multiplizieren aus, so folgt schließlich:<br />

Diese Beziehung bezeichnet man als Abbildungsgleichung, v bezeichnet man als<br />

Abbildungsmaßstab.<br />

Bisher haben wir den Fall beh<strong>and</strong>elt, das g > r ist. Dabei ergibt sich immer ein verkleinertes,<br />

kopfstehendes, reelles Bild. Lassen wir jetzt g immer kleiner werden, so ergeben sich<br />

folgende Besonderheiten:<br />

Experiment 6.6: <strong>Computer</strong>simulation, Erlangen: sphärische Linsen, Hohlspiegel<br />

g = r = 2f: Dann zeigt die obige Gleichung (6.4): b = 2f oder g = b. Damit gilt auch G=B.<br />

2f > g > f: Hier wird b > g und auch B > G. Wir erhalten ein vergrößertes, kopfstehendes,<br />

reelles Bild.<br />

g = f: Aus (6.3) folgt: 1/b = 0 oder b = �. Wir erhalten somit ein unendlich großes Bild im<br />

unendlichen.<br />

g < f: Aus (6.3) folgt 1/b wird negativ, d.h. b<br />

nimmt einen negativen Wert an und<br />

damit auch B. Dies bedeutet, wir erhalten<br />

ein virtuelles Bild des Gegenst<strong>and</strong>es,<br />

welches hinter dem Spiegel liegt.<br />

Experiment 6.7: virtuelles Bild am Hohlspiegel<br />

Wir erhalten ein aufrechtstehendes,<br />

vergrößertes, virtuelles Bild des<br />

Gegenst<strong>and</strong>es.<br />

(6.3)<br />

Abb. 6.8


Seite 124 <strong>Technische</strong> <strong>Physik</strong> 2. September 2005<br />

6.3 Brechung des Lichtes<br />

Auch die Brechung haben wir als allgemeine Welleneigenschaft schon beschrieben. Dabei<br />

f<strong>and</strong>en wir, dass die Ursache der Brechung einer Welle die unterschiedliche<br />

Ausbreitungsgeschwindigkeit in verschiedenen Medien ist. Das Strahlenbild des Lichtes kann<br />

ein solches Verhalten nicht erklären, die Brechung lässt sich in ihm aber sehr gut darstellen.<br />

Betrachten wir einen Lichtstrahl, der unter<br />

dem Winkel � auf eine Grenzfläche trifft, so<br />

wird er hier gebrochen und läuft im Medium<br />

2 unter dem Winkel � weiter. Als Beziehung<br />

zwischen beiden Winkeln hatten wir ganz<br />

allgemein gefunden:<br />

(6.4)<br />

n 12 wird dabei als Brechungsquotient für<br />

den Übergang vom Medium 1 zum Medium<br />

2 bezeichnet.<br />

Experiment 6.8: Brechung des Lichtes, Luft-Glas-Übertritt, Glas-Luft-Übertritt,<br />

Umkehrbarkeit des Strahlenganges<br />

Das Medium mit der kleineren Lichtgeschwindigkeit wird als optisch dichter, das mit der<br />

größeren Lichtgeschwindigkeit als optisch dünner bezeichnet. Fällt ein Lichtstrahl vom<br />

optisch dünnen Medium in ein optisch dichtes Medium, so folgt aus (6.5) � < �, d.h. der Strahl<br />

wird zum Lot hin gebrochen. Fällt ein Lichtstrahl vom optisch dichteren Medium in das<br />

optisch dünnere Medium, so gilt entsprechend � > �, d.h. der Strahl wird vom Lot<br />

weggebrochen.<br />

Experiment 6.9: Brechung beim Übergang Wasser-<br />

Luft<br />

Bei diesem Experiment erkennen wir einen<br />

Grenzfall, die sogenannte Totalreflexion. Mit<br />

zunehmendem Einfallswinkel � im Wasser nähert<br />

sich der Ausfallswinkel � dem Wert 90� an. Dieser<br />

Wert wird nach (6.5) erreicht für:<br />

(6.5)<br />

Abb. 6.9<br />

Abb. 6.10


2. September 2005 <strong>Technische</strong> <strong>Physik</strong> Seite 125<br />

Hierbei ist c 1 < c 2 und n 12 < 1. Diesen Winkel bezeichnet man als Grenzwinkel der<br />

Totalreflexion. Für größere Einfallswinkel � kann das Licht folglich nicht mehr in das<br />

Medium 2 eindringen. Es wird an der Grenzfläche total reflektiert.<br />

Video Nr. 20: Totalreflexion mechanisch<br />

Um zu einer eindeutigen Kennzeichnung der Brechung in einem Medium zu kommen,<br />

betrachtet man den Lichtübertritt aus dem Vakuum in dieses Medium. Hierfür gilt:<br />

Da die Vakuum-Lichtgeschwindigkeit die größtmögliche Geschwindigkeit ist, ergibt sich<br />

hierbei immer ein Wert n M > 1. Diesen Wert nennt man den Brechungsindex des Mediums.<br />

Für den Übergang zwischen zwei verschiedenen St<strong>of</strong>fen findet man dann:<br />

Wir sehen, der Brechungsquotient, der den Übergang zwischen zwei verschiedenen<br />

Materialien beschreibt, errechnet sich als Quotient der Brechungsindizes beider Materialien.<br />

Brechungsindex einiger St<strong>of</strong>fe für gelbes Licht � = 589,3nm<br />

Quarzglas 1,4588 Wasser 1,3329<br />

Kronglas 1,5181 Äthylalkohol 1,3605<br />

Diamant 2,4173 Benzol 1,5013<br />

Aluminiumoxid<br />

(Rubin,Saphir)<br />

1,64<br />

Eis 1,31 Luft 1,000292<br />

Plexiglas 1,491 Kohlendioxid 1,00449<br />

Bei den meisten Problemen der Optik haben wir es mit einem Übergang von Luft in ein<br />

<strong>and</strong>eres Medium zu tun. Dann kann in der Regel n 1 = 1 gesetzt werden, da die Abweichung<br />

vom Vakuumwert nur sehr gering ist. Entsprechend vereinfachen sich die obigen Formeln:<br />

(6.6)<br />

(6.7)<br />

(6.8)


Seite 126 <strong>Technische</strong> <strong>Physik</strong> 2. September 2005<br />

6.4 Anwendung der Lichtbrechung<br />

6.4.1 Prisma<br />

Unter einem Prisma verstehen wir einen<br />

dreikantigen Glaskörper entsprechend<br />

der Abb. 6.11. Zwei ebene, polierte<br />

Flächen sind gegenein<strong>and</strong>er um den brechenden<br />

Winkel � geneigt. Sie<br />

schneiden sich in der brechenden<br />

Kante K und werden unten durch die<br />

Basis b abgeschlossen. Wir betrachten<br />

einen Lichtstrahl, der in der<br />

Zeichenebene unter dem Winkel � 1 auf<br />

Abb. 6.11<br />

eine Fläche fällt. Das Prisma bestehe aus einem Werkst<strong>of</strong>f mit dem Brechungsindex n. Der<br />

Lichtstrahl wird durch das Prisma um den Winkel � abgelenkt.<br />

Experiment 6.10: Strahlengang am Ablenkprisma, Bestimmung der minimalen Ablenkung<br />

Wie das Experiment zeigt, gibt es einen Einfallswinkel � 1,<br />

bei dem die Gesamtablenkung �<br />

minimal wird. Der Strahl verläuft dann im Prisma parallel zur Basis b. Wir sprechen vom<br />

Minimum der Ablenkung.<br />

Da der Brechungsindex für Glas etwa bei 1,5 liegt, ergibt sich ein Grenzwinkel der<br />

Totalreflektion von etwa 42� beim Übergang zur Luft. Verwendet man ein rechtwinkliggleichschenkliges<br />

Prisma, so kann dieser Grenzwinkel im Innern leicht überschritten werden,<br />

da die Eckwinkel mit 45� etwas größer sind und es tritt Totalreflektion ein. Die Abbildung<br />

zeigt drei Anwendungsbeispiele dieser Totalreflexion:<br />

Experiment 6.11: Strahlengang im Umlenkprisma<br />

Hierbei findet eine Reflexion der Lichtstrahlen auch ohne Spiegelfläche statt. Das Licht wird<br />

dabei mit sehr geringen Verlusten reflektiert. Solche Prismen werden z.B. in Ferngläsern<br />

eingesetzt.<br />

Folie Nr. 13: Strahlengang im Prismenfernglas<br />

Abb. 6.12


2. September 2005 <strong>Technische</strong> <strong>Physik</strong> Seite 127<br />

6.4.2 Optische Linsen<br />

Linsen sind durchsichtige Körper, die von zwei gekrümmten Flächen begrenzt sind. In der<br />

Regel h<strong>and</strong>elt es sich dabei um Kugelflächen, weswegen man auch von sphärischen Linsen<br />

spricht. Diese Kugelflächen können entweder konvex, konkav oder im Grenzfall plan sein.<br />

Damit ergeben sich sechs verschiedene Linsentypen:<br />

a) bikonvex<br />

b) plankonvex<br />

c) konkavkonvex<br />

d) bikonkav<br />

e) plankonkav<br />

f) konvexkonkav<br />

Der erste Wortteil steht immer für die Fläche mit dem größeren Krümmungsradius. Da der<br />

kleinere Krümmungsradius (stärker gekrümmte Fläche) das Gesamtverhalten der Linse<br />

bestimmt, werden die ersten drei Linsen als Sammellinsen, die zweiten drei als<br />

Zerstreuungslinsen bezeichnet. Den Grund dafür liefert uns das Experiment:<br />

Experiment 6.12: Strahlengang an einer Sammellinse und einer Zerstreuungslinse<br />

a) Sammellinsen<br />

Diese Linsen sind in der Mitte<br />

alle dicker als am R<strong>and</strong>. Sie<br />

haben die Eigenschaft<br />

achsenparallele Strahlen in<br />

einem Punkt zu fokussieren.<br />

b) Zerstreuungslinsen<br />

Diese Linsen sind in der Mitte<br />

alle dünner als am R<strong>and</strong>. Sie<br />

haben die Eigenschaft<br />

achsenparallele Strahlen zu<br />

zerstreuen. Die zerstreuten<br />

Strahlen scheinen alle aus einem<br />

Punkt zu kommen.<br />

Betrachten wir zwei ausgezeichnete<br />

Strahlen, so stellen wir fest: der Mittelpunktstrahl<br />

erleidet einen Parallelversatz,<br />

Abb. 6.13<br />

Abb. 6.14<br />

Abb. 6.15


Seite 128 <strong>Technische</strong> <strong>Physik</strong> 2. September 2005<br />

der Parallelstrahl wird zweimal gebrochen. Für sehr dünne Linsen können wir das Problem<br />

wesentlich vereinfachen, da hier der Parallelversatz vernachlässigt werden kann und die<br />

beiden Brechungen durch eine einzige Brechung an der Mittelebene der Linse ersetzt werden<br />

kann. Die Brennweite f der Linse muss dabei erhalten bleiben. Sie ist die allein bestimmende<br />

Größe der Linse. Eine ähnliche Analyse, wie wir sie am Hohlspiegel durchgeführt haben, führt<br />

zu einer Bestimmungsgleichung für diese Brennweite:<br />

r 1 > 0 ist dabei der Radius der ersten brechenden Fläche, r 2 < 0 derjenige der zweiten<br />

brechenden Fläche, n der Brechungsindex des Linsenmaterials. Ist die Linse nicht von Luft,<br />

sondern von einem <strong>and</strong>eren Medium umgeben, so muss n ersetzt werden durch n L/n M.<br />

Den Kehrwert der Brennweite f bezeichnet man als Brechkraft der Linse:<br />

-1<br />

Die Einheit von D ist [D] = 1dpt = 1m (Dioptrie).<br />

Mit diesem Wissen können wir<br />

das Abbildungsverhalten einer<br />

Linse jetzt beschreiben. Dazu<br />

betrachten wir wieder die<br />

ausgezeichneten Strahlen.<br />

Das Ergebnis zeigt die Abb. 6.15<br />

Für den Abbildungsmaßstab<br />

können wir s<strong>of</strong>ort ablesen:<br />

Außerdem ergibt sich:<br />

(6.11)<br />

Dividieren wir durch b, so folgt s<strong>of</strong>ort:<br />

(6.9)<br />

(6.10)<br />

Abb. 6.15<br />

(6.12)


2. September 2005 <strong>Technische</strong> <strong>Physik</strong> Seite 129<br />

Es zeigt sich, dass wir die gleichen Abbildungsgleichungen erhalten, wie bei der Abbildung<br />

am Spiegel. Die Gleichung (6.12) wird <strong>of</strong>t als Linsengleichung bezeichnet.<br />

Experiment 6.13: Bestätigung der Linsengleichung, Abbildungsmaßstab<br />

Eine sehr einfache Beziehung erhalten wir, wenn wir die Abstände von den Brennpunkten aus<br />

messen: g = f + z, b = f + z'. setzen wir dies in (6.12) ein, so ergibt sich s<strong>of</strong>ort:<br />

Diese Gleichung wird als Newtonsche Abbildungsgleichung bezeichnet.<br />

Für verschiedene Abstände des Gegenst<strong>and</strong>es von der Linse erhalten wir folgende<br />

Zusammenhänge:<br />

g � 2f � b � f B � G umgekehrt, reell<br />

g > 2f � f < b < 2f B < G "<br />

g = 2f � b = 2f B = G "<br />

2f < g < f � b > 2f B > G "<br />

g = f � b = � B = �<br />

g < f � b < 0, �b� > g �B� > G aufrecht, virtuell<br />

Die Abb. 6.16eigt die Konstruktion des<br />

Bildes für den Fall g < f.<br />

6.43 Lichtleitfasern<br />

Die Lichtleitfasern oder Lichtwellenleiter sind eine direkte Anwendung der Totalreflexion.<br />

Experiment 6.14: Lichtleitfasern<br />

Wir unterscheiden zwei Typen von Fasern, die Stufenindexfaser und die Gradientenfaser.<br />

- Stufenindexfaser<br />

(6.13)<br />

Abb. 6.16


Seite 130 <strong>Technische</strong> <strong>Physik</strong> 2. September 2005<br />

Die Stufenindexfaser besteht<br />

aus einem Kern mit hohem<br />

Brechungsindex und einem<br />

Mantel mit niedrigerem Brechungsindex.<br />

Typische Daten<br />

sind:<br />

Mantel: SiO 2 n 1 = 1,453<br />

Durchmesser 125�m<br />

Kern: SiO 2 mit 13,5% GeO 2 n2<br />

= 1,474<br />

Durchmesser 50�m.<br />

Ein Lichtstrahl, der unter dem Winkel � 0 auf den Eintritt der Lichtleitfaser fällt, wird<br />

im Innern unter � 1 weitergeleitet. Er trifft dann unter dem Winkel � = 90� - � 1 auf die<br />

Grenzfläche zum Mantel. Ist dieser Winkel größer als der Grenzwinkel der<br />

Totalreflexion, so wird der Strahl zu 100% reflektiert und somit weitergeleitet. Aus<br />

den Beziehungen:<br />

errechnet sich ein maximaler Eintrittswinkel von:<br />

Mit den angegebenen Werten errechnet sich ein Grenzwinkel von: � 0,max = 14,3�. Es<br />

werden also nur sehr flach einfallende Lichtstahlen weiter transportiert.<br />

- Gradientenfaser<br />

Abb. 6.17<br />

(6.14)<br />

Die Stufenindexfaser hat den Nachteil, dass Lichtstrahlen, die unter einem Winkel in<br />

die Faser eintreten immer einen längeren Weg zurücklegen, als die Strahlen, die<br />

entlang der Achse verlaufen, mit der Konsequenz, dass Lichtimpulse ausein<strong>and</strong>er<br />

laufen, also breiter werden. Hierdurch wird die Übertragungskapazität der Faser eingeschränkt.<br />

Dies wird durch die Gradientenfaser vermieden.<br />

Ändert sich der Brechungsindex kontinuierlich, so findet eine permanente Brechung<br />

des Lichtstrahles statt. Diesen Effekt nutzt die Gradientenfaser aus, um das Licht über<br />

eine große Strecke zu transportieren. Der Laufzeiteffekt wird hierbei stark verringert,<br />

da die stark gekrümmten Lichtstrahlen sich häufig in einem Gebiet mit geringerem


2. September 2005 <strong>Technische</strong> <strong>Physik</strong> Seite 131<br />

Brechungsindex aufhalten<br />

und damit schneller laufen.<br />

Diese Lichtleitfasern haben<br />

also eine höhere<br />

Übertragungskapazität.<br />

Ihre größte Bedeutung haben<br />

diese Lichtleitfasern in der<br />

Datenübertragung gewonnen.<br />

Sie sind heute schon so<br />

hochwertig, dass auf einer<br />

Länge von 5km nur so viel<br />

Lichtverlust auftritt wie bei einer normalen Fensterscheibe von 3mm Dicke.<br />

Aber auch in der Medizintechnik ist ihre Bedeutung sehr groß, da mit den dünnen<br />

Fasern optische Informationen aus dem Innern des Menschen gewonnen werden<br />

können (z.B. Magen, Blutgefäße, Herz).<br />

Experiment 6.15: Hohlraumsonde<br />

Video Nr. 21: Darmspiegelung,<br />

Video Nr. 22: Herstellung von Glasfasern<br />

6.4.4 Brechungserscheinungen in der Natur<br />

a) Luftspiegelung und Fata morgana<br />

Abb. 6.18<br />

Luftspiegelungen können verschiedene Ursachen haben. Nimmt der Brechungsindex<br />

kontinuierlich ab, so<br />

beobachten wir eine<br />

Krümmung der<br />

Lichtstrahlen, die dazu führt,<br />

dass man quasi um die Erdkrümmung<br />

herumschauen<br />

kann. Dies ist besonders<br />

über dem Meer zu<br />

beobachten, wo durch das<br />

Wasser die bodennahen<br />

Luftschichten stets kühler<br />

sind als die höheren und<br />

somit auch entsprechend<br />

dichter sind. Man findet<br />

dann ein aufrechtstehendes<br />

Abb. 6.19


Seite 132 <strong>Technische</strong> <strong>Physik</strong> 2. September 2005<br />

Bild des Gegenst<strong>and</strong>es, z.B. von weit entfernten Inseln.<br />

Schiebt sich dagegen eine warme Luftmasse über eine kühlere, so erhält man eine<br />

Trennschicht mit unterschiedlichem Brechungsindex. Hieran kann eine Totalreflexion<br />

eintreten. Das Bild erscheint dann kopfstehend.<br />

Bei der Fata Morgana (Fee Morgana = arabische Zauberin) erscheinen sogar mehrfache<br />

Spiegelbilder überein<strong>and</strong>er durch entsprechenden Verläufe des Brechungsindex (wird nur an<br />

wenigen Orten der Erde beobachtet, z.B. Straße von Messina).<br />

Liegt am Boden eine heiße Luftschicht und darüber eine kältere, so kommt es zur Spiegelung<br />

des Himmels durch Totalreflexion. Der helle Himmel täuscht dann Wasser am Boden vor.<br />

Dies findet man z.B. im Sommer auf Asphaltstraßen oder auch in Wüsten, wo dann Oasen<br />

vorgetäuscht werden. Insbesondere wird durch die Bewegung der heißen Luft auch eine<br />

vermeintliche Wellenbewegung des Wassers erzeugt.<br />

Video Nr. 23, Nr. 24: Luftspiegelungen am Boden und in der Luft<br />

b) Regenbogen<br />

Ein Regenbogen entsteht, wenn es bei<br />

Sonnenschein regnet. Ein Beobachter<br />

sieht ihn immer mit dem Rücken zur<br />

Sonne, d.h. es muss eine Rückreflektion<br />

des Lichtes vorliegen. Entscheidend ist<br />

hierfür die Brechung des Lichtes in<br />

einem Wassertropfen:<br />

Experiment 6.16: Modellversuch für die<br />

Entstehung eines Regenbogens<br />

Die Winkel, unter denen das Licht in<br />

einem Wassertropfen gebrochen und<br />

reflektiert wird, wurden schon von<br />

Descartes berechnet und experimentell nachgeprüft.<br />

Abb. 6.20<br />

Wir finden eine Brechung in Vorwärtsrichtung, die aber nicht beobachtet werden kann, da<br />

dieses Licht von der Sonne überstrahlt wird (allerdings kann man mitunter den Vollmond von<br />

einem solchen Regenbogen umgeben finden).<br />

Nach einer Reflexion tritt der Lichtstrahl unter einem Winkel von 42� nach hinten aus, nach<br />

zwei Reflexionen unter einem Winkel von 51� nach hinten. Weitere Reflexionen führen<br />

wieder in die Vorwärtsrichtung und können somit nicht beobachtet werden.


2. September 2005 <strong>Technische</strong> <strong>Physik</strong> Seite 133<br />

Es lassen sich somit zwei Regenbogen<br />

beobachten, wobei der<br />

äußere sehr schwach ist. Der<br />

eigentliche Regenbogeneffekt<br />

kommt jetzt dadurch zust<strong>and</strong>e,<br />

dass der Brechungsindex von<br />

Wasser für rotes Licht kleiner ist<br />

als der für blaues Licht. Das blaue<br />

Licht (gestrichelte Linien) wird<br />

also stärker gebrochen als das rote<br />

Abb. 6.21<br />

Licht (durchgezogene Linien). Dadurch ist der Austrittswinkel im Hauptregenbogen für blaues<br />

Licht kleiner, im Nebenregenbogen größer als für rotes Licht. Folglich beobachtet man im<br />

Hauptregenbogen Innen die blaue Farbe und Außen die rote Farbe. Im Nebenregenbogen ist es<br />

genau umgekehrt.<br />

In der Regel sieht man immer nur einen kleinen Ausschnitt vom Regenbogen, da der Bogen<br />

die Basis eines Kegels bildet, dessen Mittelachse die Verbindungslinie Sonne-Beobachter<br />

darstellt. Nur auf hohen Bergen kann man mitunter vollständige Kreise beobachten.


Seite 134 <strong>Technische</strong> <strong>Physik</strong> 2. September 2005


2. September 2005 <strong>Technische</strong> <strong>Physik</strong> Seite 135<br />

7. Wellenoptik<br />

7.1 Die Spektralfarben des Lichtes<br />

Lässt man Sonnenlicht auf ein Prisma fallen, so tritt auf der gegenüberliegenden Seite ein<br />

regenbogenähnlich gefärbtes Farbb<strong>and</strong> aus:<br />

Experiment 7.1: Zerlegung von weißem Licht durch ein Prisma<br />

Diese Tatsache war schon im Altertum bekannt. Aristoteles war der Meinung, dass die Farben<br />

erst beim Durchgang durch das Glas entstehen. Diese Auffassung wurde bis zum Ende des 17.<br />

Jahrhunderts beibehalten. Erst Newton war es vorbehalten, genauere Untersuchungen hierzu<br />

anzustellen. Diese Experimente wollen wir hier nachvollziehen:<br />

a) Zerlegung eines dünnen Lichtbündels<br />

Experiment 7.2: Zerlegung eines<br />

Lichtbündels<br />

Lassen wir ein schmales Lichtbündel auf<br />

das Prisma fallen, so beobachten wir<br />

einen Farbstreifen mit folgenden Farben:<br />

Rot, Orange, Gelb, Grün, Blau, Violett.<br />

Das rote Licht hat dabei die geringste<br />

Ablenkung erfahren, das blaue Licht<br />

erfährt die größte Ablenkung.<br />

Diese Farben, die bei der Zerlegung des Sonnenlichtes entstehen, nennt man Spektralfarben,<br />

die Gesamtheit wird als Spektrum bezeichnet.<br />

b) Unzerlegbarkeit der Spektralfarben<br />

Schneidet man mit Hilfe von Blenden<br />

eine dieser Spektralfarben heraus und<br />

leitet diese auf ein zweites Prisma, so<br />

lässt sich diese Farbe nicht weiter<br />

zerlegen.<br />

Experiment 7.3: Unzerlegbarkeit der<br />

Spektralfarben<br />

Abb. 7.1<br />

Abb. 7.2<br />

Weiter beobachten wir wieder, dass die blau Farbe stärker abgelenkt wird als die rote Farbe.<br />

Da die Brechung eine Eigenschaft des Werkst<strong>of</strong>fes ist und um so stärker ist, je kleiner die<br />

Lichtgeschwindigkeit im Werkst<strong>of</strong>f ist, stellen wir fest:


Seite 136 <strong>Technische</strong> <strong>Physik</strong> 2. September 2005<br />

Der Brechungsindex von Glas ist für blaues Licht größer als für rotes Licht, entsprechend<br />

ist die Lichtgeschwindigkeit in Glas für blaues Licht kleiner als für rotes<br />

Licht<br />

Dieses Verhalten des Werkst<strong>of</strong>fes bezeichnet man als Dispersion.<br />

c) Wiedervereinigung der Spektralfarben<br />

Lassen wir das Spektrum auf eine<br />

Sammellinse fallen, so können die<br />

Spektralfarben in der Brennebene<br />

wieder zusammengeführt werden.<br />

Experiment 7.4: Wiedervereinigung<br />

der Spektralfarben<br />

Auf dem Schirm sehen wir, dass die<br />

Abb. 7.3<br />

Vereinigung aller Spektralfarben<br />

wieder weißes Licht ergibt. Diesen Effekt können wir auch durch Rotation einer Farbscheibe<br />

erzielen:<br />

Experiment 7.5: Wiedervereinigung der Spektralfarben durch Rotation einer Farbscheibe<br />

d) Wiedervereinigung eines Teiles der Spektralfarben<br />

Blenden wir einen Teil des Spektrums<br />

mit einer Blende aus, so<br />

entsteht in der Brennebene kein<br />

weißer Fleck.<br />

Experiment 7.6: Ausblenden eines<br />

Spektrumteiles<br />

Wird Blau und Grün ausgeblendet,<br />

so erscheint der Fleck Orange.<br />

Abb. 7.4<br />

Obwohl Orange auch eine der Spektralfarben ist, h<strong>and</strong>elt es sich in diesem Fall nicht um eine<br />

Spektralfarbe sondern um eine Mischfarbe. Diese könnten wir nämlich durch ein Prisma in<br />

weitere Farben zerlegen.<br />

Betrachten wir in einem zweiten Versuch das auf der Blende zurückgehaltene Licht, so stellen<br />

wir einen grünlichen Farbton fest. Da das gesamte Licht zusammen wieder Weiß ergeben<br />

muss, können wir auch sagen, dass Orange gemeinsam mit Grün-Blau wieder Weiß ergeben<br />

muss.


2. September 2005 <strong>Technische</strong> <strong>Physik</strong> Seite 137<br />

Zwei solche Farben, die zusammen Weiß ergeben, bezeichnen wir als Komplementärfarben.<br />

Experiment 7.7: Demonstration von Komplementärfarben<br />

Diese Komplementärfarben können entweder reine Spektralfarben oder aber Mischfarben<br />

sein. Dies bedeutet, dass weißes Licht auch aus zwei geeigneten Spektralfarben<br />

zusammengesetzt werden kann. Weißes Licht enthält also nicht notwendiger Weise alle<br />

Spektralfarben.<br />

Wie wir später noch<br />

nachweisen werden,<br />

unterscheiden sich die<br />

verschiedenen Farben des<br />

Lichtes durch ihre<br />

Wellenlänge bzw. Frequenz.<br />

Wir können hierfür<br />

folgende Klassifizierung<br />

vornehmen:<br />

Der sichtbare Bereich<br />

erstreckt sich von � = 380 nm bis 780 nm. Die kurzen Wellenlängen erscheinen dem Auge<br />

blau, die langen Wellenlängen erscheinen rot. Streng genommen darf nur dieser Bereich als<br />

Licht bezeichnet werden.<br />

Im kurzwelligen Bereich schließt sich der Ultraviolettbereich UV an, der sich in UV-A, UV-<br />

B, und UV-C aufteilt. Dieser Bereich wird bis etwa 100nm gerechnet.<br />

Im langwelligen Bereich schließt sich<br />

der Infrarotbereich IR an, der<br />

wiederum in IR-A, IR-B und IR-C<br />

unterteilt wird. Der IR-B Bereich<br />

endet bei etwa � = 3�m, der IR-C Bereich<br />

wird bis � = 1mm gerechnet.<br />

Abb. 7.5<br />

Beschäftigen wir uns zunächst mit<br />

dem sichtbaren Licht. Dies ist die<br />

Welt der Farben. Der Farbeindruck<br />

entsteht natürlich erst im Auge, wenn<br />

Licht einer bestimmten Wellenlänge<br />

auf die Zapfen der Netzhaut fallen.<br />

Abb. 7.6<br />

Die drei Sorten von Zapfen reagieren<br />

sehr wellenlängenspezifisch auf die Farben Rot, Grün und Blau. Diese Empfindlichkeit der<br />

Augen hängt natürlich evolutionsbedingt sehr eng zusammen mit der Verteilung der<br />

Sonnenstrahlung. Diese hat entsprechend dem Plankschen Strahlungsgesetz ihr Maximum


Seite 138 <strong>Technische</strong> <strong>Physik</strong> 2. September 2005<br />

gerade im sichtbaren Bereich, woraus sich eine Oberflächentemperatur der Sonne von etwa<br />

6000K errechnet.<br />

Wir wollen jetzt untersuchen, warum uns ein Körper in einer bestimmten Farbe erscheint.<br />

a) Die Farben undurchsichtiger Körper<br />

Experiment 7.8: farbiges Papier im Spektrum<br />

Wir erkennen, dass farbiges Papier bevorzugt die Spektralfarben reflektiert, die wir als seine<br />

Körperfarbe ansehen. Im Licht <strong>and</strong>erer Spektralfarben erscheint uns der Körper schwarz.<br />

Undurchsichtige farbige Körper reflektieren nur einige Spektralfarben. Sie erscheinen<br />

uns in der Mischfarbe des reflektierten Lichtes.<br />

Ein Körper, der alle Spektralfarben gleich gut reflektiert, erscheint uns im weißen Licht grau,<br />

in rotem Licht rötlich und im blauen Licht bläulich.<br />

b) Die Farben durchsichtiger Körper<br />

Experiment 7.9: Zerlegung des von einem farbigen Glas durchgelassenen Lichtes mit einem<br />

Prisma<br />

Wir erkennen, dass ein durchsichtiger Körper nur einige Spektralfarben durchlässt.<br />

Durchsichtige farbige Körper lassen nur einige Spektralfarben durch. Sie erscheinen<br />

uns in der Mischfarbe des durchgelassenen Lichtes.<br />

Experiment 7.10: Vergleich der Spektralzerlegung hinter einem (gelben) Farbfilter und einem<br />

gleichfarbigem Glas<br />

Wir erkennen, dass ein Farbfilter nur eine Spektralfarbe hindurch lässt, während ein<br />

gleichfarbiges Glas in der Regel mehrere Spektralfarben hindurch lässt und uns in der<br />

Mischfarbe erscheint.<br />

Beide Effekte treten in der Regel gemeinsam auf. Beleuchten wir ein Rotfilter von hinten, so<br />

erscheint uns das durchgelassene Licht rot, beleuchten wir dagegen das Filter von vorn, so<br />

erscheint uns das reflektierte Licht grün.<br />

Experiment 7.11: rotes Interferenzfilter im reflektierten und durchgehenden Licht<br />

Im allgemeinen wird immer ein Teil des Lichtes an der Oberfläche eines Körpers reflektiert,<br />

der Rest dringt in den Körper ein. Hier wird wieder ein bestimmter Anteil des Lichtes


2. September 2005 <strong>Technische</strong> <strong>Physik</strong> Seite 139<br />

absorbiert. Der verbleibende Rest durchdringt den Körper (er wird transmittiert).<br />

Video Nr.25: Absorption von Licht<br />

Es gibt weitere Möglichkeit, Farberscheinungen hervorzurufen. Eine haben wir schon bei der<br />

Beh<strong>and</strong>lung des Regenbogens kennen gelernt. Hier liegt wieder die Dispersion der<br />

Lichtbrechung zu Grunde, die wir auch vom Prisma kennen. In der Atmosphäre der Erde<br />

beobachten wir aber noch einen <strong>and</strong>eren Farbeffekt:<br />

Video Nr. 26: Streuung von weißem Licht in Milchwasser<br />

Lassen wir das Licht durch ein Wasserbecken laufen, so können wir den Lichtstrahl von der<br />

Seite her praktisch nicht erkennen. Geben wir einige Tropfen Milch ins Wasser, so wird der<br />

Strahl aber s<strong>of</strong>ort sichtbar. Diesen Effekt bezeichnen wir als Lichtstreuung. Die Streuung ist<br />

dabei eine Kombination von Lichtabsorption und Lichtaussendung durch die kleinen<br />

Teilchen.<br />

Dieser Streuung verdanken wir unser Tageslicht. Die zahlreichen Luftteilchen streuen das<br />

Licht der Sonne so, dass es von allen Seiten her zur Erdoberfläche gelangt. Ohne Atmosphäre<br />

wäre der Himmel schwarz und man könnte die Sterne sehen. Dies ist ab 16000m Höhe der<br />

Fall, da hier die Atmosphäre so dünn ist, dass nahezu keine Streuung stattfindet. Auch auf<br />

dem Mond beobachtet man dieses Verhalten. Hier kommt hinzu, dass alle Schattenbereiche,<br />

die nicht direkt von der Sonne beschienen werden, absolut dunkel sind.<br />

Weiter finden wir, dass das seitlich austretende Licht bläulich erscheint, während das Licht in<br />

Durchsicht rötlich erscheint. Dies zeigt, dass das blaue Licht stärker der Streuung unterliegt<br />

4<br />

als das rote Licht (ähnlich wie bei der Brechung)(� 1/� ). Dadurch enthält das seitlich<br />

gestreute Licht vermehrt Blauanteile, die im durchgehenden Licht dann fehlen.<br />

Auch dieses Verhalten spiegelt sich in der Atmosphäre wider. In einiger Entfernung vom<br />

Sonnenst<strong>and</strong> erscheint uns der Himmel blau. Dieses Licht ist einer starken Streuung<br />

ausgesetzt, damit es unser Auge erreichen kann und die Rotanteile fehlen daher. Geht die<br />

Sonne unter, so muss das Licht einen größeren Weg durch die Atmosphäre zurücklegen. Der<br />

blaue Lichtanteil wird dabei sehr stark zur Seite gestreut und die Sonne erscheint uns zunächst<br />

gelb, dann orange und zuletzt tiefrot. Gleiches gilt auch für den Sonnenaufgang. Hieraus<br />

ergibt sich das Abend- und das Morgenrot.<br />

Mit Hilfe des Spektrums können wir auch verschiedene Lichtquellen untersuchen und<br />

charakterisieren. Hierfür schaffen wir uns zunächst ein verbessertes Spektrometer nach<br />

Fraunh<strong>of</strong>er:<br />

Ein sehr schmaler Spalt wird mit Hilfe von zwei Sammellinsen auf einen Schirm abgebildet.<br />

Dazu macht man das Licht des Spaltes mit der ersten Linse parallel und fokussiert dieses<br />

Licht mit der zweiten Linse wieder auf den Schirm.


Seite 140 <strong>Technische</strong> <strong>Physik</strong> 2. September 2005<br />

Im Bereich des Parallelstrahls wird<br />

ein Prisma untergebracht, welches<br />

das Spektrum erzeugt. Hierdurch<br />

erzielt man ein sehr scharfes<br />

Spektrum, bei dem jeder<br />

Wellenlänge ein genau definierter<br />

Ort auf dem Schirm zukommt.<br />

Experiment 7.12: Spektrometer mit<br />

Glühlampe und Hg-Lampe<br />

Das Experiment zeigt, dass die<br />

Glühlampe ein kontinuierliches Spektrum erzeugt. D.h. alle Spektralfarben sind im<br />

Spektrum enthalten. Ein solches Spektrum erhält man immer, wenn man glühende Körper<br />

betrachtet, d.h. eine Strahlung auf Grund der hohen Temperatur abgegeben wird. Diese<br />

Strahlung hatten wir im Rahmen der Wärmelehre als Wärmestrahlung kennen gelernt und sie<br />

nach dem Plankschen Strahlungsgesetz berechnet. Alle Wellenlängen sind hier mit<br />

verschiedenen Intensitäten vertreten.<br />

Betrachten wir das Spektrum der Quecksilberdampf-Lampe, so finden wir an Stelle des<br />

kontinuierlichen Spektrum nur einzelne Linien. Wir sprechen daher von einem<br />

Linienspektrum und hier insbesondere von einem Emissions-Linienspektrum. Ein<br />

derartiges Licht entsteht immer dann, wenn Gase zum Leuchten angeregt werden. Wir werden<br />

im Rahmen der Atomphysik sehen, dass hierbei Elektronen von einer Schale auf eine höhere<br />

gehoben werden und beim Rückfall Licht einer genau festliegenden Wellenlänge aussenden.<br />

Diese Linien sind charakteristisch für das verwendete Gas und somit können gasförmige<br />

St<strong>of</strong>fe anh<strong>and</strong> dieser Linien identifiziert werden:<br />

Experiment 7.13: Demonstration verschiedener Emissionsspektren<br />

Neben diesen Emissionsspektren existieren auch noch Absorptionsspektren. Diese entstehen<br />

dann, wenn das Licht, bevor es auf das Prisma fällt, <strong>and</strong>ere St<strong>of</strong>fe durchdringt.<br />

Experiment 7.14: Absorptionsspektren mit farbigen Gläsern und Flüssigkeiten<br />

Auch hier sind die Absorptionsbereiche typisch für die untersuchten Materialien und können<br />

wieder zur Charakterisierung verwendet werden. Insbesondere lassen sich auch Filter, die nur<br />

einen bestimmten Wellenlängenbereich durchlassen sollen, untersuchen.<br />

Besondere Bedeutung haben die Absorptions-Linienspektren.<br />

Derartige Absorptionslinien wurden zuerst von Fraunh<strong>of</strong>er bei der Untersuchung des<br />

Sonnenlichtes gefunden:<br />

Experiment 7.15: Sonnenspektrum mit Fraunh<strong>of</strong>erlinien<br />

Abb. 7.7


2. September 2005 <strong>Technische</strong> <strong>Physik</strong> Seite 141<br />

Nach ihm werden diese Linien auch Fraunh<strong>of</strong>ersche Linien genannt. Heute sind über 20000<br />

solcher Linien im Sonnenspektrum bekannt (Fraunh<strong>of</strong>er hatte 567 gefunden). Auch diese<br />

Linien stehen für die Absorption des Sonnenlichtes durch ein bestimmtes chemisches Element<br />

in der Sonnenatmosphäre. An H<strong>and</strong> dieser Linien kann man folglich eine chemische Analyse<br />

der Sonne vornehmen. Auch das Licht ferner Sterne lässt sich auf diese Weise untersuchen.<br />

Hierbei stellt man fest, dass überall die gleichen chemischen Elemente vertreten sind. Des<br />

weiteren findet man bei fernen Sternen eine Verschiebung dieser Linien zum langwelligen<br />

Bereich, die sogenannte Rotverschiebung infolge des Doppler-Effektes.<br />

Die Untersuchung der Spektren hat gezeigt, dass farbiges Licht durch Emission und<br />

Überlagerung von Spektralfarben entstehen kann, <strong>and</strong>ererseits können Farben aber auch<br />

entstehen, wenn durch Absorption Teile des Spektrums entfernt werden. Wir unterscheiden<br />

daher zwei grundsätzliche Möglichkeiten der Farbmischung, die additive und die subtraktive<br />

Farbmischung.<br />

a) additive Farbmischung<br />

Um 1800 machte der englische Arzt Thomas Young die Entdeckung, dass alle Farbeindrücke<br />

durch die Mischung von drei farbigen Strahlenbündeln hervorgerufen werden können. Als<br />

Grundfarben (Grundlichter) werden hierbei in der Regel Rot, Grün und Blau verwendet. Dies<br />

deckt sich mit den Empfindlichkeiten der drei Zapfenarten im Auge. Es sind aber auch <strong>and</strong>ere<br />

Farbkombinationen denkbar.<br />

Experiment 7.16: Dreifarbenversuch<br />

Wir erkennen, wo rotes und grünes Licht gemischt werden entsteht gelbes Licht, Rot und Blau<br />

liefert Purpur, Grün und Blau ergibt Grün-Blau (Magenta). Alle drei Grundlichter zusammen<br />

ergeben den Eindruck von weißem Licht. Ändert man die Intensitäten der einzelnen Farben,<br />

so entstehen weitere Mischfarben. Auf dieser Basis arbeiten heute alle Farbbildschirme,<br />

sowohl beim Fernsehen, wie auch beim <strong>Computer</strong>. Hier werden rote, grüne und blaue<br />

Leuchtfarben durch Elektronenstrahlen zum leuchten angeregt. Die verschiedenen Farbpunkte<br />

stehen dabei so nahe zusammen, dass sie für das Auge nicht mehr trennbar sind.<br />

Experiment 7.17: Bildschirm mit Lupe betrachtet<br />

b) subtraktive Farbmischung<br />

Ein gelbes Glas lässt die Farben Rot, Gelb und Grün hindurch dringen. Ein blaues Glas<br />

dagegen die Farben Grün, Blau und Violett. Lassen wir das Licht durch beide Gläser fallen, so<br />

finden wir nur noch die Farbe, die von beiden Gläsern durchgelassen wird, nämlich Grün:<br />

Experiment 7.18: Subtraktive Farbmischung mit gelbem und blauem Glas<br />

Dieses Verhalten kennen wir auch vom Farbmischen im Tuschekasten. Auch hier kann man<br />

die grüne Farbe herstellen durch Vermischen von blauer und gelber Farbe.


Seite 142 <strong>Technische</strong> <strong>Physik</strong> 2. September 2005<br />

Experiment 7.19: Vermischen von gelber und blauer Kreide<br />

Hier liegt die Ursache daran, dass die gelben Farbst<strong>of</strong>fe rotes, gelbes und grünes Licht<br />

reflektieren, blaues und violettes Licht aber absorbieren. Der blaue Farbst<strong>of</strong>f dagegen<br />

reflektiert grünes, blaues und violettes Licht, absorbiert aber gelbes und rotes Licht. In einer<br />

Mischung wird daher nur noch das grüne Licht reflektiert.<br />

Man kann zeigen, dass mit Hilfe der drei Grundfarben Gelb, Purpur und Blaugrün durch<br />

subtraktive Farbmischung alle Farbeindrücke für das Auge erzeugt werden können.<br />

Experiment 7.20: Subtraktive Farbmischung mit drei Filtern<br />

Eine Überlagerung aller drei Farben führt in der subtraktiven Farbmischung zum Farbeindruck<br />

schwarz, d.h. es wird kein Licht mehr hindurch gelassen bzw. reflektiert. Dieses Verfahren<br />

findet Anwendung bei den Farbdias, wo drei Filterschichten dieser Grundfarben existieren<br />

und so jede Farbe im Durchlicht erzeugen. Ebenso wichtig ist die subtraktive Farbmischung<br />

bei den Farbdrucken, die dann auf der Reflexion der nicht absorbierten Restkomponente<br />

beruht.<br />

Abschließend wollen wir uns noch mit den beiden R<strong>and</strong>bereichen des sichtbaren Bereiches<br />

befassen:<br />

a) Infrarotstrahlung<br />

Die Infrarotstrahlung ist der langwelligere Bereich der Strahlung, wenn wir vom Licht<br />

ausgehen. Wir wissen aus der Wärmelehre, dass ein Körper mit einer bestimmten Temperatur<br />

eine Strahlung nach dem Plankschen Strahlungsgesetz aussendet. Ist die Temperatur zu<br />

gering, erhalten wir im Bereich des sichtbaren Lichtes noch keine wesentliche Emission. Das<br />

Maximum der Strahlung liegt dann im Infrarotbereich. Sie macht sich für uns Menschen nur<br />

in Form einer Erwärmung der Umgebung bemerkbar. Daher sprechen wir bei dieser infraroten<br />

Strahlung auch von<br />

Wärmestrahlung.<br />

Man kann die Infrarotstrahlung<br />

aber auch für optische<br />

Anwendungen einsetzen. Das bekannteste<br />

Beispiel ist die<br />

Infrarotkamera. Hier werden<br />

Halbleiterchips verwendet, die<br />

nicht im sichtbaren Bereich<br />

sondern im Infrarotbereich auf die<br />

Strahlung reagieren. Man erhält so<br />

ein Wärmebild der Umgebung,<br />

kann also Temperaturunterschiede<br />

Abb. 7.8


2. September 2005 <strong>Technische</strong> <strong>Physik</strong> Seite 143<br />

aufdecken, die sich als Helligkeitsunterschiede im Wärmebild bemerkbar machen.<br />

Video Nr. 27: Bilder mit Infrarotkamera<br />

Die Infrarotstrahlung hat auch für das<br />

ökologische Gleichgewicht auf der Erde<br />

einen entscheidenden Einfluss. Das<br />

Temperaturgleichgewicht entsteht dadurch,<br />

dass von der Sonne Strahlung auf die Erde<br />

kommt, die ihr Maximum bei etwa 550nm<br />

hat und damit einer Temperatur von 6000K<br />

entspricht. Die Erde strahlt diese Energie<br />

wieder in den Weltraum ab, aber mit einer<br />

wesentlich geringeren Wellenlänge, da die<br />

mittlere Temperatur der Erde etwa 300K entspricht.<br />

Die Abstrahlung erfolgt also im<br />

Abb. 7.9<br />

Infrarotbereich. Wird diese Abstrahlung<br />

verändert, so ergeben sich Temperaturänderungen. In einer klaren Nacht wird daher sehr viel<br />

mehr Wärme abgestrahlt als bei einem bewölkten Himmel. Dies macht sich direkt in der<br />

Lufttemperatur bemerkbar (kalte Wüstennächte). Aber auch bestimmte Gase in der<br />

Atmosphäre können dieses Abstrahlungsgleichgewicht stören. So reflektiert das Molekül CO2<br />

bevorzugt die Infrarotstrahlung zur Erde zurück, sie kann nicht in den Weltraum entweichen.<br />

Durch alle Verbrennungsvorgänge wird der CO2-Gehalt in der Atmosphäre gesteigert, so dass<br />

damit zu rechnen ist, dass die mittlere Temperatur der Erde ansteigt. Dies bezeichnet man als<br />

Treibhauseffekt, da dieses Verhalten auch bei Treibhäusern gefunden wird. Nur ist es hier<br />

nicht das CO 2,<br />

sondern das normale Glas, welches das sichtbare Licht zwar eintreten, die<br />

Infrarotstrahlung aber nicht austreten lässt.<br />

Video Nr. 28, 29: Treibhauseffekt, Modellrechnung zum Treibhauseffekt<br />

b) Ultraviolettstrahlung<br />

Da die Energie einer Welle mit zunehmender Frequenz anwächst und, wie wir später sehen<br />

werden, für Licht direkt der Frequenz proportional ist, stellt die ultraviolette Strahlung eine<br />

sehr energiereiche Strahlung dar. Dies hat eine Reihe von Auswirkungen und Anwendungen:<br />

1. Wärmewirkung<br />

Auch mit dieser Strahlung kann man natürlich Wärmewirkungen erzielen, die sich<br />

durch Temperatursteigerungen nachweisen lassen.<br />

2. Photochemische Wirkung<br />

Schon im 18Jhd. erkannte man, dass die UV-Strahlung chemische Reaktionen<br />

einleiten kann. So werden Silbernitratsalze durch die Strahlung zur Reduktion


Seite 144 <strong>Technische</strong> <strong>Physik</strong> 2. September 2005<br />

angeregt. Dies äußert sich dann in einer Schwärzung der Salze, die proportional zur<br />

Strahlungsintensität ist. Hieraus entwickelte sich die gesamte Photographie. Außerdem<br />

kann man dieses Verfahren verwenden um die Spektren im UV-Bereich zu<br />

untersuchen.<br />

3. Fluoreszenz<br />

Experiment 7.21: Fluoreszenzwirkung<br />

Bei der Fluoreszenz beobachtet man, dass<br />

der St<strong>of</strong>f, der mit ultraviolettem Licht<br />

bestrahlt wird, im sichtbaren Bereich zu<br />

leuchten beginnt, d.h. er sendet selbst eine<br />

Strahlung aus. Hintergrund hierfür ist,<br />

dass die Atome durch die UV-Strahlung<br />

angeregt werden, diese Anregungsenergie<br />

aber in mehreren Schritten wieder<br />

abgeben. Dadurch besitzt das abgestrahlte<br />

Licht eine niedrigere Frequenz (�<br />

Abb. 7.10<br />

Energie) und eine höhere Wellenlänge.<br />

Fluoreszenzst<strong>of</strong>fe sind quasi Wellenlängentransformatoren. Dieses Verfahren wird<br />

z.B. bei den Leuchtst<strong>of</strong>fröhren ausgenutzt, wo der Leuchtst<strong>of</strong>f, der sich auf der<br />

Innenfläche des Glasrohres befindet, durch eine Gasentladung zur Fluoreszenz<br />

angeregt wird. Eine <strong>and</strong>ere Anwendung sind die Weißmacher in den Waschmitteln,<br />

die unter UV-Strahlung aufleuchten und so die Wäsche weißer erscheinen lassen:<br />

Experiment 7.22: Weißmacher im UV-Licht, verschiedene Waschmittel<br />

4. Phosphoreszenz<br />

Experiment 7.23: Phosphoreszenz mit UV-Strahlung<br />

Die Phosphoreszenz unterscheidet sich von der Fluoreszenz dadurch, dass auch nach<br />

Abschalten der UV-Strahlungsquelle der bestrahlte St<strong>of</strong>f weiterhin leuchtet. Dies<br />

bedeutet, hier wird Energie im St<strong>of</strong>f gespeichert und erst nach und nach abgegeben.<br />

Diese Energie wird in angeregten Atomen gespeichert, diese Anregungen können über<br />

Stunden aufrecht erhalten werden. Als Anwendungen dieser St<strong>of</strong>fe sind insbesondere<br />

die Leuchtziffern von Uhren zu nennen. Aber auch bei vielen Spielzeugen wird dieser<br />

Effekt ausgenutzt um im Dunkeln Geistereffekte zu erzeugen.<br />

5. Biologische Wirkung<br />

Infolge der hohen Energien können UV-Strahlungen auch Moleküle aufbrechen. Dies<br />

ist insbesondere bei biologischen Geweben gefährlich, da das Gewebe hierbei zerstört<br />

wird. Eine zu intensive Bestrahlung mit UV-Stahlen führt zu einer Verbrennung der


2. September 2005 <strong>Technische</strong> <strong>Physik</strong> Seite 145<br />

Haut (Sonnenbr<strong>and</strong>). Bei geringerer Strahlendosis baut die Haut dagegen einen<br />

Schutzmantel auf. Es wird ein Farbst<strong>of</strong>f produziert, der die UV-Strahlung in den<br />

obersten Hautschichten absorbiert und nicht in das tiefer gelegene Gewebe dringen<br />

lässt, die Haut bräunt sich. Diese Möglichkeit ist dem Auge nicht gegeben. Daher<br />

muss es durch Sonnenbrillen, die das UV-Licht nicht durchlassen, geschützt werden.<br />

In der Regel reicht hier schon normales Fensterglas, da dieses keine UV-Strahlung<br />

durch lässt. Anders sieht es bei Kunstst<strong>of</strong>fgläsern aus. Diese haben keine<br />

Sperrwirkung im UV-Bereich und müssen daher mit Filterschichten belegt werden.<br />

Der Abdunkelungsgrad der Gläser ist dabei kein Hinweis auf die Absorption der UV-<br />

Strahlung. Gute Sonnenbrillen lassen erst ab etwa 380-400nm die Sonnenstrahlung<br />

hindurch. Da Autoscheiben und Fensterscheiben keine UV-Strahlung durchtreten<br />

lassen, kann man sich folglich auch nicht bräunen hinter diesen Scheiben.<br />

Eine biologische Wirkung der UV-Strahlung ist auch die Zersetzung von Farbst<strong>of</strong>fen<br />

in Textilien und Bildern. Dies hat man früher zum Bleichen der Wäsche ausgenutzt. In<br />

Museen sind durch das UV-Licht der verwendeten Leuchtst<strong>of</strong>fröhren sehr viele<br />

Kunstwerke geschädigt worden bevor man den Zusammenhang erkannte.<br />

Video Nr. 30: Farbzerstörung durch UV-Licht<br />

Auch die UV-Strahlung spielt im Ökosystem der Erde eine große Rolle. Durch ihre<br />

biologische Wirkung hätte sie die Entstehung des Lebens vermutlich in ganz <strong>and</strong>ere<br />

Bahnen gelenkt oder sogar verhindert. Zum Glück besitzt die Erde in der Atmosphäre<br />

eine Filterschicht, die nur noch einen Bruchteil der UV-Strahlung der Sonne durch<br />

lässt. Diese Filterschicht wird durch das Molekül Ozon gebildet und heißt daher<br />

Ozonschicht. In den letzten Jahren hat man nun festgestellt, dass diese Ozonschicht<br />

insbesondere über den Polen der Erde geschwächt wird. Die Ursache hierfür sind<br />

insbesondere der starke Gebrauch von chlorierten Kohlenwasserst<strong>of</strong>fen als Treibgase<br />

in Sprühdosen, als Kältemittel in Kühlschränken oder als Reinigungsmittel in der<br />

Industrie (Frigen). Diese geschwächten Bereiche der Ozonschicht (Ozonlöcher) lassen<br />

vermehrt UV-Strahlung auf die Erde treffen und es ist mit stärkeren biologischen<br />

Schädigungen zu rechnen (z.B. Hautkrebs). Da die Abbauzeit dieser chlorierten<br />

Kohlenwasserst<strong>of</strong>fe in der oberen Atmosphäre mehrere Jahrzehnte beträgt, ist trotz<br />

weltweiter Reduktion der Produktion dieser St<strong>of</strong>fe nicht mit einer Verringerung des<br />

Gefahrenpotentials in den nächsten Jahren zu rechnen.<br />

7.2 Die Interferenz des Lichtes<br />

7.2.1 Kohärenz<br />

Über die Überlagerung von Wellen hatten wir schon ganz allgemein gesprochen. Dabei hatten<br />

wir festgestellt, dass sich die lokalen Amplituden zweier Wellen zu einer resultierenden Welle<br />

addieren. Besitzen beide Wellen die gleiche Frequenz, so kann es zur Auslöschung


Seite 146 <strong>Technische</strong> <strong>Physik</strong> 2. September 2005<br />

(destruktive Interferenz) oder Verstärkung (konstruktive Interferenz) der Wellen<br />

kommen. Will man die Interferenz von Licht untersuchen, so stellt man bei Verwendung von<br />

zwei Lichtquellen zunächst keine Interferenzerscheinungen fest:<br />

Experiment 7.24: Überlagerung zweier Lichtquellen<br />

Erzeugt man dagegen mit Hilfe von mehreren Spalte aus einer Lichtquelle mehrere virtuelle<br />

Lichtquellen, so beobachtet man auf dem Schirm konstruktive und insbesondere destruktive<br />

Interferenz:<br />

Experiment 7.25: Interferenz mit Hilfe von weißem Licht und einem Gitter<br />

Wie kommt es zu diesem Unterschied der Ergebnisse?<br />

Die Ursache hierfür ist in der<br />

Erzeugung des Lichtes in der<br />

Lichtquelle zu suchen. Ein einzelnes<br />

Atom der Lichtquelle sendet Licht in<br />

Form eines Photons aus. Dieser<br />

Aussendeprozess verläuft ungesteuert<br />

und zufällig. Er ist auch nach sehr<br />

-10<br />

kurzer Zeit ( 10 s) abgeschlossen.<br />

Hieraus folgt, dass man einer<br />

Lichtwelle etwa eine Wellenzuglänge<br />

von � = c/�t = 3cm zuschreiben<br />

kann.<br />

Überlagert man jetzt zwei solche<br />

Abb. 7.11<br />

Wellenzüge von unabhängigen Lichtquellen, so kommt es nur sehr kurzzeitig zu einer<br />

-10<br />

Interferenz ( 10 s). Danach überlagern sich <strong>and</strong>ere Wellenzüge mit einer <strong>and</strong>eren<br />

Phasenbeziehung zuein<strong>and</strong>er. Die Interferenzerscheinung wechselt also ständig und wir<br />

erhalten nur den Mittelwert als Helligkeit.<br />

In der zweiten Versuchsanordnung werden dagegen aus jedem Photon, welches sich ja als<br />

Kugelwelle ausbreitet, mit Hilfe der Spalte zwei gleichartige Wellenzüge gemacht, die in<br />

einem Punkt zur Interferenz gebracht werden. Da hierbei jede Welle mit sich selbst zur<br />

Interferenz gebracht wird, entsteht auch immer ein Interferenzmuster. Beide Wellenzüge<br />

haben stets eine feste Phasenbeziehung zuein<strong>and</strong>er.<br />

Zwei (virtuelle) Lichtquellen, die auf diese Weise zur Interferenz gebracht werden können,<br />

nennt man kohärente Lichtquellen. Die Länge des Wellenzuges, die zur Interferenz zur<br />

Verfügung steht nennt man daher die Kohärenzlänge des Lichtes, da nur dann eine<br />

Interferenz möglich ist, wenn der Wegunterschied kleiner als die Kohärenzlänge ist.<br />

Experiment 7.26: Laser mit Doppelspalt (0,1/0,3mm)


2. September 2005 <strong>Technische</strong> <strong>Physik</strong> Seite 147<br />

Wir wollen die auf dem Schirm<br />

entstehenden<br />

Interferenzerscheinungen näher<br />

untersuchen. Dafür ersetzen wir<br />

die Spalte durch zwei kohärente<br />

Lichtquellen und betrachten das<br />

Interferenzmuster auf einem<br />

Schirm im Abst<strong>and</strong> a.<br />

Im Abst<strong>and</strong> d vom Zentrum sei<br />

der m-te helle Streifen zu finden<br />

(m. Ordnung). Dann gilt für den<br />

Wegunterschied zwischen den<br />

beiden Lichtstrahlen:<br />

Weiter gilt nach Pythagoras:<br />

Da der Schirmabst<strong>and</strong> a im Vergleich zu d und � sehr groß ist, können wir in sehr guter<br />

Näherung x + y = 2a setzen. Damit folgt:<br />

Diese Gleichung lässt sich jetzt verwenden, um die Wellenlänge des Lichtes zu bestimmen:<br />

Da die Lage der Beugungsmaxima von der Wellenlänge und damit von der Farbe des Lichtes<br />

abhängt, erhalten wir bei Verwendung von weißem Licht sehr farbige Interferenzstreifen. Wir<br />

sprechen hierbei von Interferenzfarben, da sich hier die Maxima verschiedener Farben<br />

überlagern können (Mischfarben). Nur bei den ersten Ordnungen treten Spektralfarben auf.<br />

7.2.2 Interferenz an planparallelen Platten<br />

Abb. 7.12<br />

Auch mit Hilfe einer planparallelen Platte können wir uns kohärente Lichtquellen schaffen.<br />

Hierbei verwenden wir die an den beiden verschiedenen Grenzflächen reflektierten Lichtstrahlen.<br />

Der Einfachheit halber betrachten wir nur den senkrechten Lichteinfall.<br />

(7.1)


Seite 148 <strong>Technische</strong> <strong>Physik</strong> 2. September 2005<br />

Wir erhalten zunächst beim Übergang<br />

von der Luft ins Glas eine Reflexion 1'<br />

sowie eine Brechung 2. Der gebrochene<br />

Strahl wird dann beim Übergang Glas-<br />

Luft erneut reflektiert 2' und gebrochen<br />

3. Dieser Vorgang kann sich mehrfach<br />

wiederholen. Bei der Reflexion am Luft-<br />

Glas-Übergang tritt dabei zusätzlich ein<br />

Phasensprung um �/2 auf, da hier eine<br />

Reflexion am festen Ende (optisch<br />

dichteres Medium) vorliegt.<br />

Betrachten wir das reflektierte Licht im<br />

Punkt P, so finden wir zwischen den<br />

benachbarten Strahlen einen Wegunterschied von:<br />

Hierbei haben wir den Weg im Glas um den Faktor n vergrößert, da das Licht sich hier mit<br />

geringerer Geschwindigkeit ausbreitet. Dies können wir berücksichtigen, indem wir vom<br />

wahren Weg d auf den optischen Weg d’ übergehen: d' = n � d.<br />

Beträgt dieser Gangunterschied ganzzahlige Vielfache von � (� = m��), so erhalten wir im<br />

Punkt P Helligkeit, bei ungeradzahligen Vielfachen von �/2 (� = (2m+1)��/2) erhalten wir<br />

Dunkelheit.<br />

Betrachten wir dagegen das durchgehende Licht, so tritt bei keiner Reflexion ein<br />

Phasensprung auf. Hierfür gilt folglich:<br />

Dies bedeutet, beobachten wir in P Auslöschung (Dunkelheit) so erhalten wir in Q<br />

Verstärkung (Helligkeit) und umgekehrt.<br />

Wie beim Doppelspaltversuch hängen die Auslöschungen und Verstärkungen wieder von der<br />

Wellenlänge des Lichtes ab. Verwenden wir weißes Licht, so werden wir folglich farbige<br />

Interferenzmuster erhalten. Ein deutliches Beispiel für diese farbigen Interferenzmuster bietet<br />

eine Seifenblase:<br />

Experiment 7.27: Interferenz an einer Seifenblase<br />

Abb. 7.13<br />

Schon Newton vermutete, dass dieser Effekt mit der Reflexion an der Innen- und Außenseite<br />

der Seifenblase zusammen hängt.<br />

(7.2)<br />

(7.3)


2. September 2005 <strong>Technische</strong> <strong>Physik</strong> Seite 149<br />

Welche Mindestdicke benötigt eine solche Seifenblase, damit diese Interferenzen auftreten?<br />

Setzen wir in (7.2) � = 3/2 � an, so ergibt sich d�n = �/2. Da die mittlere Wellenlänge des<br />

sichtbaren Lichtes etwa 500 nm beträgt, erhalten wir eine Mindestdicke der Seifenblase von<br />

200 nm (n = 1,33). Wodurch ist die maximale Dicke der Seifenblase gegeben? Die<br />

Farbstreifen auf der Seifenblase sind im allgemeinen sehr breit. Dies bedeutet, es liegen nur<br />

Interferenzen niederer Ordnung vor. Die Dicke einer Seifenblase liegt folglich in der<br />

Größenordnung der Lichtwellenlänge.<br />

Auch Ölfilme auf Wasseroberflächen liefern diese farbigen Streifenmuster. Wir beobachten<br />

ebenfalls Streifenbreiten von einigen mm bis zu cm. Dies deutet ebenfalls darauf hin, dass<br />

diese Ölfilme eine Dicke von etwa der Lichtwellenlänge besitzen.<br />

Eine wichtige technische Anwendung dieses Verfahrens ist die Vergütung von Linsen zur<br />

Verminderung der Reflexionen (Entspiegelung).<br />

Dazu wird auf die Oberfläche der Linse<br />

eine dünne Schicht aufgebracht. Damit an<br />

beiden Grenzflächen der Schicht eine<br />

Reflexion stattfinden kann, muss der<br />

Brechungsindex des Schichtmaterials<br />

zwischen dem von Luft und dem von Glas<br />

liegen. Man findet durch Intensitätsbetrachtungen<br />

(da die beiden reflektierten<br />

Strahlen etwa die gleiche Intensität<br />

besitzen müssen):<br />

(7.4)<br />

An beiden Grenzflächen tritt jetzt ein Phasensprung auf, der sich damit aufhebt. Für den<br />

senkrechten Lichteinfall folgt dann in Analogie zu (7.2):<br />

Als Dicke der Schicht für die Auslöschung mit m=0 erhalten wir damit:<br />

Geeignete Materialien für die Beschichtung sind z.B. Kryolith (Na3AlF 6)<br />

mit n=1,33 und<br />

Magnesiumfluorid (MgF 2)<br />

mit n=1,38.<br />

Abb. 7.14<br />

(7.5)


Seite 150 <strong>Technische</strong> <strong>Physik</strong> 2. September 2005<br />

Natürlich kann man die Auslöschung nur für eine Wellenlänge und einen Einfallswinkel<br />

vollständig erreichen. Mit Hilfe einer Schicht lässt sich der Anteil des reflektierten Lichtes<br />

aber schon von etwa 8% auf 1% reduzieren. Mit Hilfe von Mehrfachschichten erreicht man<br />

sogar 0,3% Reflexion.<br />

Da die Schichten in der Regel für gelbes Licht ausgelegt werden (� = 550nm) erscheint das<br />

reflektierte Licht in einer Mischung aus Blau und Rot (violette Farberscheinung). Man spricht<br />

daher auch vom Blaubelag auf den Linsen und erkennt die Linsenvergütung an dieser<br />

Farbwirkung. Oft spricht man auch von �/4-Schichten, da die Dicke der Schicht etwa �/4<br />

beträgt.<br />

Beispiel: Wie dick muss die Entspiegelungsschicht aus Magnesiumfluorid für �=550nm sein?<br />

Lösung:<br />

Beispiel: Entspiegelung von Silizium-Solarzellen<br />

n Si = 3,5 � hohe Reflexion von ca. 30%;<br />

es werden verschiedene Antireflexschichten verwendet: SiO 2 n = 1,45<br />

(Sollwert: �3,5 = 1,87) Si3N 4 n = 2,0<br />

TiO 2 n = 2,5 - 2,7<br />

Die Schichtdicken sind auf den nahen Infrarotbereich (800 - 1000 nm) abgestimmt, da das<br />

Silizium hier am empfindlichsten ist. Rot wird daher nur schwach reflektiert und die Schicht<br />

erscheint dem Betrachter bläulich.<br />

7.3 Die Beugung des Lichtes<br />

Die Beugung als allgemeines Wellenphänomen hatten wir schon bei den Wasserwellen<br />

beschrieben.<br />

Experiment 7.28: <strong>Computer</strong>simulation, Medium 2D: Beugung von Wellen an einer Kante<br />

Geht man davon aus, dass Licht ebenfalls eine Wellenerscheinung ist, so sollte auch hier die<br />

Beugung zu beobachten sein. Machen wir dazu einige Experimente:<br />

Experiment 7.29: Beugung an einem veränderlichen Spalt<br />

Das Experiment zeigt, solange der Spalt einen Durchmesser im Millimeterbereich hat, wird er<br />

durch das monochromatische Licht entsprechend den Vorhersagen der geometrischen Optik<br />

auf dem Schirm abgebildet. Wird der Spalt schmaler, so wird das Spaltbild zunächst


2. September 2005 <strong>Technische</strong> <strong>Physik</strong> Seite 151<br />

unschärfer, schließlich treten neben dem Spaltbild helle Streifen hervor. Diese werden um so<br />

intensiver und häufiger, je enger der Spalt wird. Dieses Verhalten ist mit der geometrischen<br />

Optik nicht mehr erklärbar.<br />

Auch an <strong>and</strong>eren Gegenständen finden wir beim genauen Hinsehen solche Beugungseffekte:<br />

Experiment 7.30: Beugung an der Kante, Draht und Spalt mit Laser<br />

Zur Erklärung dieses Phänomens betrachten wir einen Spalt der Breite d, welcher mit<br />

parallelem Licht beleuchtet wird.<br />

Nach dem Huyghenschen Prinzip können wir uns jeden Punkt im Innern des Spaltes als Ausgangspunkt<br />

einer Elementarwelle vorstellen. Wir müssen jetzt die Überlagerung dieser<br />

Elementarwellen unter verschiedenen Winkeln � betrachten. Der Einfachheit halber wählen<br />

wir zunächst spezielle Richtungen aus, die sich durch die Größe � beschreiben lassen. � ist<br />

der Wegunterschied zwischen den beiden am weitesten ausein<strong>and</strong>er liegenden Strahlen:<br />

� = 0, sin � = �/d = 0:<br />

Alle Elementarwellen haben in dieser<br />

Richtung die gleiche Phase. Dies<br />

bedeutet, sie verstärken sich und wir<br />

beobachten auf dem Schirm Helligkeit.<br />

� = �, sin � = �/d:<br />

Wir teilen das Lichtbündel in Richtung �<br />

in zwei gleichbreite Bündel ein. Zwischen<br />

diesen beiden Bündeln besteht<br />

jetzt ein Wegunterschied von �/2, d.h.<br />

für jeden Lichtstrahl aus dem einen<br />

Abb. 7.15<br />

Bündel finde ich im <strong>and</strong>eren Bündel<br />

einen Lichtstrahl der um �/2 verschoben ist. Damit müssen sich beide Bündel auslöschen. In<br />

Richtung � herrscht damit Dunkelheit.<br />

� = m��, sin � = m��/d:<br />

Wir teilen das Bündel in 2m Bündel auf. Für jeweils zwei benachbarte Bündel gilt dann das<br />

oben gesagte. Wir erhalten in dieser Richtung Dunkelheit.<br />

� = 3/2��, sin � = 3�/2d:<br />

Wir teilen das Bündel in drei gleiche Bündel auf. Zwischen zwei benachbarten Bündeln ist der<br />

Gangunterschied dann wieder �/2. Zwei der drei Bündel löschen sich daher aus. Das dritte<br />

bleibt übrig. In dieser Richtung erhalten wir folglich eine gewisse Lichtintensität und damit<br />

Helligkeit.


Seite 152 <strong>Technische</strong> <strong>Physik</strong> 2. September 2005<br />

� = (2m+1)��/2,<br />

sin � = (2m+1)��/2d:<br />

Wir teilen wieder in 2m+1 Bündel auf. für<br />

zwei benachbarte gilt das oben gesagte.<br />

Ein Bündel bleibt stets übrig und wir<br />

erhalten Helligkeit in dieser Richtung.<br />

Allgemein gilt somit:<br />

Dazu kommt der Winkel � = 0 für die zentrale Helligkeit.<br />

Experiment 7.31: <strong>Computer</strong>simulation Albert, Beugung am Gitter (Einfachspalt, reales Gitter,<br />

� = 0,25, d = 0,8)<br />

Wir erhalten über dem Winkel �<br />

also die nebenstehende Verteilung<br />

der Intensität. Je kleiner d wird, um<br />

so größer wird der Winkel � für das<br />

erste Minimum. Bei d = � liegt<br />

dieser Winkel sogar bei 90�, d.h der<br />

gesamte Bereich hinter dem Spalt<br />

wird gleichmäßig erhellt.<br />

Abb. 7.16<br />

Der Spalt stellt jetzt eine Huyghensche Elementarquelle dar. Für größere Spaltbreiten sehen<br />

wir, dass der Schatten dadurch entsteht, dass sich die einzelnen Elementarwellen nahezu vollständig<br />

auslöschen (er hat also nichts mit der geradlinigen Ausbreitung des Lichtes zu tun).<br />

(7.6)<br />

Abb. 7.17<br />

Betrachten wir in Erweiterung des Problems die Beugung an zwei Spalten der Breite d und<br />

des Abst<strong>and</strong>es g. Jeder einzelne Spalt liefert zunächst ein Beugungsbild, wie wir es vom<br />

Einzelspalt kennen. Da die Spaltabstände gering sind, fallen diese Bilder praktisch zusammen.


2. September 2005 <strong>Technische</strong> <strong>Physik</strong> Seite 153<br />

Experiment 7.32: <strong>Computer</strong>simulation<br />

Albert, Beugung am Gitter, 2-fach Spalt:<br />

g=2,7, d=0,9<br />

Das Experiment zeigt aber eine ganz<br />

<strong>and</strong>ere Verteilung der Intensität als am<br />

Einfachspalt. Ursache hierfür ist, dass<br />

zwischen beiden Spalten ebenfalls noch<br />

eine Interferenz eintreten kann. Ist der<br />

Gangunterschied zwischen beiden Spalten<br />

�/2, so werden sich beide Spalte<br />

gegenseitig auslöschen. Wir erhalten<br />

Dunkelheit. Ist der Gangunterschied<br />

Abb. 7.18<br />

dagegen �, so verstärken sich beide<br />

Spalte und wir erhalten Helligkeit. Dies gilt auch für die Vielfachen, so dass sich ergibt:<br />

m bezeichnen wir als Beugungsordnung.<br />

Wir erkennen an der<br />

Intensitätsverteilung, dass durch den<br />

zusätzlichen Spalt zusätzliche<br />

Minima eingebracht werden. Die<br />

verbleibenden Maxima werden dabei<br />

heller, da keine Intensität verloren<br />

gehen kann.<br />

Vergrößern wir die Zahl der Spalte<br />

weiter, so werden wir weiterhin<br />

Helligkeit in der Richtung � entsprechend<br />

(7.7) erhalten, da dann<br />

Abb. 7.20<br />

zwischen zwei benachbarten Spalten stets ein Gangunterschied von � besteht. Die in Abb.<br />

7.20 dargestellten Maxima bleiben somit bestehen.<br />

Experiment 7.33: <strong>Computer</strong>simulation Albert, Beugung am Gitter, 4-fach Spalt: g=2,7, d=0,9<br />

(7.7)


Seite 154 <strong>Technische</strong> <strong>Physik</strong> 2. September 2005<br />

Betrachten wir z.B. vier Spalte, so<br />

werden sich bei einem Gangunterschied<br />

von �/4, �/2 und 3�/4 jeweils zwei<br />

Spalte gegenseitig auslöschen, so dass<br />

hier Dunkelheit entsteht. Wir erhalten<br />

somit 4-1 = 3 Minima zwischen den<br />

Maxima. Dies setzt sich auch bei höherer<br />

Spaltzahl fort. Zwischen zwei Maxima<br />

entstehen immer n-1 Minima, wobei n<br />

die Zahl der Spalte ist.<br />

Damit müssen die Maxima immer<br />

schmaler und gleichzeitig immer höher werden, denn es kann keine Intensität verloren gehen.<br />

Bei sehr großer Spaltzahl sprechen wir<br />

von einem Gitter, der Spaltabst<strong>and</strong> g<br />

wird dann zur Gitterkonstanten und es<br />

gilt:<br />

Dabei ist n die Strichzahl je cm. Bei<br />

einem solchen Gitter verschwinden die<br />

Nebenmaxima vollständig und wir<br />

beobachten nur noch die Hauptmaxima, für die dann gilt:<br />

Experiment 7.34: Beugung am Gitter<br />

(7.8)<br />

Experiment 7.35: <strong>Computer</strong>simulation Albert, Beugung am Gitter, 10-fach Spalt: g=2,7,<br />

d=0,9<br />

Wie wir sehen, liefert das Gitter sehr scharfe Beugungsbilder des Spaltes.<br />

Führen wir diesen Versuch mit Licht verschiedener Farbe aus, so stellt man fest, dass der<br />

Abst<strong>and</strong> der Beugungsordnungen für rotes Licht größer ist, als für blaues Licht.<br />

Abb. 7.20<br />

Abb. 7.21<br />

Entsprechend der Formel (7.9) bedeutet dies, dass das blaue Licht eine kleinere Wellenlänge<br />

besitzt als das rote Licht. Auf diese Weise hat man zum ersten Mal den Zusammenhang<br />

zwischen der Farbe des Lichtes und seiner Wellenlänge nachweisen können.<br />

(7.9)


2. September 2005 <strong>Technische</strong> <strong>Physik</strong> Seite 155<br />

Bestrahlen wir das Gitter mit weißem<br />

Licht, so erhalten wir wieder die<br />

Spektralfarben.<br />

Experiment 7.36: Beugung am Gitter<br />

mit weißem Licht<br />

Es ergibt sich allerdings nicht nur ein<br />

Spektrum, sondern jede<br />

Beugungsordnung wird zu einem<br />

Abb. 7.22<br />

Spektrum. Wie wir in der Abb. 7.22<br />

erkennen, überlagern sich diese unterschiedlichen Spektren. Nur die erste Beugungsordnung<br />

erscheint noch getrennt. Im Gegensatz zum Prisma ist die Ablenkung streng der Wellenlänge<br />

des Lichtes proportional. Beim Prisma hängt es von der speziellen Dispersion n(�)der Glassorte<br />

ab und dieser Zusammenhang ist in der Regel nicht linear. Wir können daher mit dem<br />

Gitter ein so genanntes Normalspektrum erzeugen. Insbesondere lassen sich hiermit die<br />

Wellenlängen der Fraunh<strong>of</strong>erlinien im Sonnenspektrum sehr exakt bestimmen.<br />

Experiment 7.37: Beugung an der CD<br />

Ergebniss: Schirmabst<strong>and</strong> 2200 mm; Abst<strong>and</strong> der Beugungspunkte 1100 mm; � � = 26,6�<br />

Bisher haben wir die Beugung nur in einer Richtung betrachten, indem wir mehrere Spalte<br />

nebenein<strong>and</strong>er angeordnet haben. Bei einem Kreuzgitter sind jetzt zusätzlich auch noch<br />

senkrecht dazu angeordnete Spalte vorh<strong>and</strong>en.<br />

Experiment 7.38: Beugung am Kreuzgitter<br />

Wie wir sehen, wird jedes der Beugungsbilder der<br />

senkrechten Spalte jetzt durch die Beugung der<br />

waagerechten Spalte nochmals unterteilt. An Stelle der<br />

Striche erhalten wir so ein Punktraster. Für beide<br />

Richtungen gilt aber weiterhin die Gleichung (7.9), jetzt<br />

mit der jeweiligen Gitterkonstanten g 1 und g 2.<br />

Ein Beispiel für derartige Beugungsbilder liefert uns<br />

auch ein Regenschirm. Betrachten wir durch das<br />

Gewebe eines Regenschirmes das Licht einer<br />

Straßenlaterne oder die Lichter eines Autos so finden<br />

wir sehr eindrucksvolle farbige<br />

Beugungserscheinungen.<br />

Abb. 7.23


Seite 156 <strong>Technische</strong> <strong>Physik</strong> 2. September 2005<br />

Die Beugungserscheinungen sind nicht nur bei eckigen Begrenzungen anzutreffen, sondern<br />

bei jeglicher Begrenzung des Strahlenganges.<br />

Experiment 7.39: Beugung an der Lochblende und der Scheibenblende mit dem Laser<br />

Die Beugungserscheinungen beim Licht sind nicht so augenfällig. Dies liegt an der Kleinheit<br />

der Effekte, die sich hier ergeben. In der Wissenschaft und Technik hat sich in den letzten<br />

Jahrzehnten aber ein weites Feld an Untersuchungen mit Hilfe von Beugungserscheinungen<br />

ergeben. Hierzu zählt insbesondere die Beugung von Röntgenstrahlen an Kristallgittern, die<br />

ähnlich abläuft wie die Beugung des Lichtes am Kreuzgitter. Hiermit war es erstmals möglich<br />

Kristalle zu untersuchen und den Atomabst<strong>and</strong> in den Kristallen (Gitterkonstante) zu<br />

bestimmen. Nachdem man erkannt hatte, dass auch die Elementarteilchen<br />

Welleneigenschaften besitzen, hatte man Zugriff auf noch geringere Wellenlänge zur<br />

Beugungsuntersuchung im atomaren Bereich.<br />

Es gibt aber auch für die Beugungserscheinungen des Lichtes einen technisch sehr wichtigen<br />

Bereich, nämlich die optischen Instrumente. Wie wir oben bei der Beugung an der<br />

Kreisblende gesehen haben, treten auch an solchen Öffnungen Beugungsbilder auf. Nun stellt<br />

jede Linse aber eine solche kreisförmige Öffnung dar. D.h. auch an den Rändern einer Linse<br />

treten Beugungen auf.<br />

Beleuchten wir eine Linse mit<br />

parallelem Licht, so ergibt sich im<br />

Brennpunkt daher ein<br />

Beugungsscheibchen. Betrachten wir<br />

wegen der hohen Intensität nur das<br />

zentrale Beugungsmaximum, so finden<br />

wir wie beim Einfachspalt für das erste<br />

Minimum (7.6):<br />

Abb. 7.24<br />

(exakt gilt allerdings sin � = 1,22 �/D). Für den Radius r des zentralen Beugungsmaximums<br />

ergibt sich dann:<br />

(7.10)<br />

Da jede Öffnung eines optischen Instrumentes (z.B. auch des Auges) eine Beugung bewirkt,<br />

ergibt sich, dass optische Abbildungen nie vollständig scharf sein können. Nahe<br />

zusammenliegende Objekte können daher auch nicht mehr getrennt gesehen werden, da sich<br />

ihre Beugungsbilder überlagern.


2. September 2005 <strong>Technische</strong> <strong>Physik</strong> Seite 157<br />

7.4 Die Polarisation des Lichtes<br />

Die bisher besprochenen Effekte Brechung, Reflexion und Beugung gelten sowohl für<br />

Transversalwellen, wie auch für Longitudinalwellen (Wasser bzw. Schall). Es war lange Zeit<br />

unklar, ob das Licht eine transversale Welle ist oder eine longitudinale Welle. Insbesondere<br />

sprach die Äthertheorie für longitudinale Wellen, da der Äther sehr dünn sein musste und<br />

keine Scherkräfte übertragen konnte. Die Entdeckung der elektromagnetischen Wellen durch<br />

Hertz führte schließlich dazu, dass man das Licht als transversale Welle erkannte.<br />

Experiment 7.40: Aussendung und Empfang elektromagnetischer Wellen mit einem Dipol<br />

Dies Experiment zeigt deutlich, dass die elektromagnetischen Wellen eine bevorzugte<br />

Schwingungsrichtung besitzen, die durch ihre Erzeugung vorgegeben ist. Wir sagen, die<br />

Welle ist polarisiert.<br />

Wenn das Licht ebenfalls eine elektromagnetische Welle ist, dann muss auch hierfür eine<br />

Polarisation möglich sein. Wir wollen einige Methoden hierzu kennen lernen:<br />

a) Polarisation durch Absorption (Polarisationsfolien)<br />

Experiment 7.41: Polarisation des Lichtes mit Hilfe von Polarisationsfolien<br />

Diese Polarisationsfolien besitzen die gleiche Eigenschaft wie das Metallgitter, welches wir<br />

bei den elektromagnetischen Wellen verwendet haben. Sie bestehen aus einer Kunstst<strong>of</strong>folie,<br />

welche bei der Herstellung in einer Richtung gedehnt wurde. Dadurch erreicht man eine<br />

lineare Anordnung der langen<br />

Kunstst<strong>of</strong>fkettenmoleküle. Taucht man<br />

diese Folie dann in eine jodhaltige<br />

Lösung, so lagern sich entlang der<br />

Ketten Ionen an. Diese Ionen führen<br />

dazu, dass die Folie bei den<br />

Frequenzen des Lichtes entlang der<br />

Ketten leitfähig wird. Schwingt der E-<br />

Feld-Vektor des Lichtes parallel zu<br />

diesen Ketten, so werden hierdurch<br />

Ströme erzeugt und die Lichtenergie<br />

wird über diese Ströme absorbiert.<br />

Schwingt der E-Feld-Vektor senkrecht<br />

Abb. 7.25<br />

zu den Ketten, so können keine Ströme<br />

fließen und das Licht gelangt ungehindert durch die Folie hindurch. Diese Richtung senkrecht<br />

zu den Ketten bezeichnen wir als Transmissionsachse oder Polarisationsachse der Folie.<br />

Das Licht einer Lichtquelle erscheint in der Regel zunächst unpolarisiert. Lassen wir es durch<br />

ein Polarisationsfilter hindurchtreten, so wird nur die Schwingungsrichtung hindurch


Seite 158 <strong>Technische</strong> <strong>Physik</strong> 2. September 2005<br />

gelassen, die parallel zur Polarisationsachse liegt (dieses erste Filter wird daher auch als<br />

Polarisator bezeichnet). Wir erhalten auf diese Weise linear polarisiertes Licht. Fällt dieses<br />

Licht auf ein zweiten Polarisationsfilter (den so genannten Analysator), so besitzt das Licht<br />

hinterher die Polarisationsrichtung der Analysatorachse. Die Intensität muss dabei<br />

abgenommen haben. Dazu wird der Vektor E aufgespalten in zwei Komponenten, jeweils<br />

senkrecht und parallel zur Analysatorachse. Es gilt dann:<br />

Dies ist das Gesetz von Malus.<br />

b) Polarisation durch Reflexion<br />

Experiment 7.42: Polarisationszust<strong>and</strong> des an einer Glasplatte reflektierten Lichtes<br />

Das Experiment zeigt, dass das reflektierte Licht teilweise polarisiert ist. Verändern wir den<br />

Einfallswinkel des Lichtes, so finden wir bei dem verwendeten Kronglas unter dem Winkel<br />

von � P = 57� sogar eine vollständige Polarisation des reflektierten Lichtes:<br />

Experiment 7.43: vollständige Polarisation des reflektierten Lichtes<br />

Das reflektierte Licht schwingt dabei senkrecht zur Reflexionsebene des Lichtes. Für den<br />

gebrochenen Lichtstrahl finden wir dann:<br />

Die Summe von � P und � ergibt genau 90�.<br />

Diesen Winkel � P bezeichnet man als<br />

Polarisationswinkel oder Brewster-<br />

Winkel. Aus der Bedingung � P + � =<br />

90� folgt s<strong>of</strong>ort sin � = cos � P und<br />

damit:<br />

(7.12)<br />

Dies ist das Brewstersche Gesetz. Aus<br />

dem Polarisationswinkel lässt sich<br />

folglich der Brechungsindex<br />

bestimmen.<br />

(7.11)<br />

Abb. 7.26


2. September 2005 <strong>Technische</strong> <strong>Physik</strong> Seite 159<br />

Stehen reflektierter und gebrochener Strahl senkrecht aufein<strong>and</strong>er, so ist der reflektierte<br />

Strahl linear polarisiert und schwingt senkrecht zur Einfallsebene<br />

Dieses Prinzip gilt bei allen Reflexionen an transparenten Medien. Der gebrochene Strahl, der<br />

ins Medium eindringt, ist nur teilweise polarisiert.<br />

Diese Polarisationserscheinung findet man auch in der Natur: Sonnenlicht, welches an einer<br />

Wasseroberfläche reflektiert wird ist mehr oder weniger stark polarisiert. Dabei liegt die<br />

Polarisationsrichtung parallel zur Wasseroberfläche. Trägt man eine Sonnenbrille mit einer<br />

Polarisationsfolie (Polaroid-Brille) deren Polarisationsachse senkrecht steht, so wird dieses<br />

reflektierte Sonnenlicht teilweise ausgeblendet. Dies nutzt man auch in der Fotografie, wo<br />

durch Polarisationsfilter eine Kontrasterhöhung und Reflexverminderung erzielt wird.<br />

c) Polarisation durch Streuung<br />

Diese Polarisation tritt auch bei der Streuung des<br />

Sonnenlichtes an Luftmolekülen auf.<br />

Auch hier gilt, dass die Polarisation nie in<br />

Ausbreitungsrichtung liegen kann. Daher muss<br />

bei einer 90�-Streuung eine Polarisationsrichtung<br />

entfallen.<br />

Betrachtet man den Himmel mit einem<br />

Polarisationsfilter (Polaroidbrille), so findet man<br />

unter einem Streuwinkel von 90� zur Sonne<br />

linear polarisiertes Licht. Diese Polarisation wird<br />

von der Biene zur Orientierung heran gezogen.<br />

Abb. 7.27<br />

Aber auch eine Reihe <strong>and</strong>erer Tieren können den<br />

Polarisationzust<strong>and</strong> des Lichtes wahrnehmen. Fotografen nutzen bei Schwarz-Weiß-<br />

Aufnahmen Polarisationsfilter um das Blau des Himmels (Streulicht) abzudunkeln und so<br />

einen höheren Kontrast zu den weißen Wolken zu erzeugen.<br />

d) Polarisation durch Doppelbrechung<br />

Bei einigen optisch transparenten Kristallen sowie einigen Kunstst<strong>of</strong>fen beobachtet man das<br />

Phänomen, dass die Ausbreitungsgeschwindigkeit des Lichtes von der Richtung der<br />

Polarisation des Lichtes abhängt. Dabei gibt es stets eine Richtung in diesem Werkst<strong>of</strong>f, in der<br />

die Geschwindigkeit unabhängig von der Polarisation ist, in allen <strong>and</strong>eren Richtungen besteht<br />

eine Abhängigkeit. Diese ausgezeichnete Richtung bezeichnet man als optische Achse des<br />

St<strong>of</strong>fes.<br />

Bei den Kunstst<strong>of</strong>fen kann man dieses Phänomen an H<strong>and</strong> der langen Kettenmoleküle leicht


Seite 160 <strong>Technische</strong> <strong>Physik</strong> 2. September 2005<br />

verstehen. Breitet sich das Licht parallel zu<br />

den Kettenmolekülen aus, so besteht kein<br />

Grund für eine Abhängigkeit von der Lichtpolarisation.<br />

Breitet sich das Licht dagegen<br />

senkrecht zu den Ketten aus, so wird der<br />

Lichtanteil, dessen Polarisation senkrecht auf<br />

den Ketten steht durch die Ketten nicht<br />

beeinflusst. Liegt die Polarisation dagegen<br />

parallel zu den Ketten, so wird die<br />

Ausbreitungsgeschwindigkeit verändert. Sie<br />

kann größer oder kleiner werden, je nach<br />

Werkst<strong>of</strong>f.<br />

Bei den Kristallen wird der gleiche Effekt durch eine bestimmte Anordnung der Atome im<br />

Kristallgitter hervorgerufen.<br />

Diese St<strong>of</strong>fe sind folglich durch zwei Brechungsindizes gekennzeichnet, jeweils für parallel<br />

und senkrecht zur optischen Achse polarisiertes Licht. Den Lichtstrahl, dessen<br />

Geschwindigkeit sich mit der Orientierung zur optischen Achse ändert nennt man den<br />

außerordentlichen Strahl, er ist stets in der aus Einfallsrichtung und optischer Achse<br />

gebildeten Ebene polarisiert. Der <strong>and</strong>eren Strahl bezeichnet man als ordentlichen Strahl,<br />

seine Polarisation steht immer senkrecht zur optischen Achse. Den größten Unterschied im<br />

Brechungsindex findet man für Kalkspat: ordentlicher Strahl (o) n = 1,658, außerordentlicher<br />

Strahl (ao) n = 1,486.<br />

Experiment 7.45: Doppelbrechung bei Kalkspat<br />

Anwendungen:<br />

i. �/4-Plättchen<br />

Schneiden wir aus dem Kalkspat-Kristall ein Plättchen der Dicke d so heraus, dass das Licht<br />

senkrecht zur optischen Achse auftrifft(Abb. 7.32), so breiten sich ordentlicher und<br />

außerordentlicher Strahl unterschiedlich schnell aus. Nach dem Durchtritt durch den Kristall<br />

besitzen beide einen Phasenunterschied von<br />

Die Dicke d wird jetzt so eingestellt, dass der Phasenunterschied genau �/4 beträgt. Lässt man<br />

jetzt linear polarisiertes Licht unter einem Winkel von 45� zur optischen Achse auftreffen, so<br />

erhalten wir einen ordentlichen und einen außerordentlichen Strahl gleicher Intensität. Hinter<br />

dem Plättchen besitzen beide einen Gangunterschied von �/4. Dies bedeutet aber, dass wir<br />

hiermit aus dem linear polarisierten Licht zirkular polarisiertes Licht erzeugen.<br />

Experiment 7.46: Erzeugung von zirkular polarisiertem Licht mit einem �/4-Plättchen<br />

Abb. 7.28


2. September 2005 <strong>Technische</strong> <strong>Physik</strong> Seite 161<br />

Dieses Plättchen wird als �/4-Plättchen<br />

bezeichnet. Umgekehrt können wir hiermit<br />

aus zirkular polarisiertem Licht<br />

wieder linear polarisiertes Licht machen:<br />

ii) Spannungsoptik<br />

Experiment 7.47:<br />

Spannungsdoppelbrechung an verschiedenen<br />

Modellen<br />

Bringt man ein transparentes Werkstück aus Glas oder Plexiglas zwischen zwei gekreuzte<br />

Polarisatoren, so bleibt der Schirm zunächst dunkel. Üben wir jetzt eine Kraft auf das Werkstück<br />

aus, so erscheinen uns die<br />

Bereiche der stärksten Belastung<br />

plötzlich farbig auf dem Schirm.<br />

Ursache ist eine Doppelbrechung<br />

des Materials durch die inneren<br />

mechanischen Spannungen. Diese<br />

können hiermit folglich sichtbar<br />

gemacht werden und entsprechend<br />

bewertet werden. Auf diese Weise<br />

können komplizierte Geometrien<br />

Abb. 7.30<br />

und Belastungsfälle untersucht und<br />

optimiert werden.<br />

Heute ist man allerdings auch in der Lage diese inneren Spannungen mit Hilfe aufwendiger<br />

<strong>Computer</strong>-Programme zu berechnen. Dies wird als "finite Elemente Berechnung" bezeichnet.<br />

Zur Kontrolle der Rechnungsergebnisse sind aber diese optischen Darstellungen wieder sehr<br />

hilfreich.<br />

iii) elektrooptische Schalter<br />

Bei einigen Flüssigkeiten und<br />

einigen speziellen Kristallen kann<br />

die Doppelbrechung auch durch<br />

Anlegen eines elektrischen Feldes<br />

hervorgerufen werden. Dieser<br />

Effekt wird als elektrooptische<br />

Doppelbrechung oder Kerr-<br />

Effekt bezeichnet.<br />

Der Unterschied im<br />

Brechungsindex für den<br />

Abb. 7.29<br />

Abb. 7.31


Seite 162 <strong>Technische</strong> <strong>Physik</strong> 2. September 2005<br />

²<br />

ordentlichen und den außerordentlichen Strahl steigt dabei mit der Spannung an (�n � ��E).<br />

Wir erhalten bei einem Gangunterschied von �/4 zirkularpolarisiertes Licht und damit<br />

Helligkeit hinter dem Analysator. Bei einem Gangunterschied von �/2 liegt die<br />

Polarisationsrichtung parallel zum Analysator und wir erhalten maximale Helligkeit. Die<br />

Kerr-Zelle kann folglich zur trägheitslosen Helligkeitssteuerung und als schneller<br />

Lichtschalter verwendet werden. Außerdem lassen sich so Laserstrahlen mit einem<br />

elektrischen Signal modulieren, was für die optische Datenübertragung wichtig ist. Es sind<br />

hier Frequenzen bis 100MHz möglich. Allerdings ist dies heute auch direkt über Laserdioden<br />

möglich.<br />

Auch durch Magnetfelder können in transparenten Ferromagneten Drehungen der<br />

Polarisationsebene bewirkt werden. Dies bezeichnet man als Faraday-Effekt und hat<br />

besondere Wichtigkeit gewonnen in der magnetooptischen Datenspeicherung (bespielbare und<br />

löschbare CD).

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