15.06.2012 Aufrufe

Thyssenkrupp Magazin Werkstoffe

Thyssenkrupp Magazin Werkstoffe

Thyssenkrupp Magazin Werkstoffe

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

magazin<br />

Das TK<br />

Denken, nachdenken,<br />

ausdenken – ThyssenKrupp<br />

formt aus Rohstoffen<br />

viele <strong>Werkstoffe</strong>, in jeder nur<br />

denkbaren Form. Die<br />

Faszination im Konzern für<br />

neue <strong>Werkstoffe</strong> kann man<br />

nicht nur sehen, sondern<br />

spüren, mit eigenen<br />

Händen. Weltweit.


Wir denken <strong>Werkstoffe</strong> weiter<br />

Von Prof. Dr. Ekkehard D. Schulz,<br />

Vorsitzender des Vorstands der ThyssenKrupp AG<br />

Welche Aufgabe der Wissenschaftler hat, darüber wurde zu<br />

allen Zeiten diskutiert. War er nur auf der Suche nach der<br />

Wahrheit oder wollte er im Kern doch die Welt verändern?<br />

Brachte er der Menschheit Segen oder war er der endgültig entfesselte<br />

Prometheus, der zügellos die Wissenschaft nutzte, um zur Bedrohung<br />

zu werden? ThyssenKrupp kommt als führender Technologiekonzern<br />

zwangsläufig mit der Naturwissenschaft in Berührung. Den Anspruch,<br />

die Welt verändern zu wollen, erheben wir nicht. Wohl aber stellen wir<br />

uns der Erwartung unserer Stakeholder. In Richtung Zukunft führt unser<br />

Weg, mit allem kreativen Potenzial, das unsere Mitarbeiterinnen und<br />

Mitarbeiter nutzbringend einsetzen.<br />

Die neue Ausgabe des ThyssenKrupp <strong>Magazin</strong>s führt Ihnen praktische<br />

Ergebnisse solch innovativen Denkens vor. Der Umgang mit<br />

<strong>Werkstoffe</strong>n gehörte und gehört noch immer zur Kernkompetenz unseres<br />

Konzerns, angefangen bei den Gründern von Krupp, Thyssen und<br />

Hoesch. Auch durch ihre Erfindungen und ihr unternehmerisches Wirken<br />

blieb die Welt nicht so, wie sie war.<br />

Das Tempo des Wandels wurde sicher schneller. Denker unserer<br />

Zeit beobachten scharfsichtig die wahrnehmbaren Veränderungen –<br />

und ziehen daraus ihre Schlüsse. „Der rasche Wandel ist vor allem eine<br />

Folge der Wissenschaft“, hat vor mehr als drei Jahrzehnten der Philosoph<br />

und Physiker Carl Friedrich von Weizsäcker festgestellt. Bei aller<br />

Wahrheit dieser Aussage: Aus Sicht von ThyssenKrupp ist der Wandel<br />

vor allem eine Folge veränderter Kundenwünsche. Der Kunde und seine<br />

Bedürfnisse stehen am Ausgangspunkt aller unserer Überlegungen.<br />

Denn Kundeninteressen zu erkennen, ist eine Verpflichtung für uns alle<br />

und gleichzeitig die Basis zukunftsorientierten Handelns.<br />

Dass wir hier auf dem richtigen Weg sind, zeigt die ganze Vielfalt<br />

im Umgang mit <strong>Werkstoffe</strong>n. Stahl bildet bei den <strong>Werkstoffe</strong>n zweifellos<br />

noch immer den Schwerpunkt. Doch Stahl hat ein ungeahntes Potenzial.<br />

Im Autozuliefererbereich etwa ist es unseren Ingenieuren gelungen,<br />

mit dem „NewSteelBody“ eine extrem leichte Karosserie zu bauen.<br />

Ähnliches gilt für neuartige „Gebaute Nockenwellen“ mit großer Gewichtsreduzierung.<br />

Oder nehmen Sie das immer breiter werdende Angebotsfeld<br />

von Edelstahl: Auch hier denken wir diesen Werkstoff weiter,<br />

in der Anwendung im Haushalt, in der Lebensmittelherstellung, im Baubereich,<br />

nicht zu vergessen in einer der sehr schnellen Sportarten, dem<br />

Bobfahren. Sogar eine der nachhaltigsten Applikationen stammt aus<br />

unserem Haus: Edelstahlcontainer, in denen das so genannte „Kulturschutzgut<br />

Deutschlands“, Millionen verfilmte Schriftstücke, in einem<br />

Stollen im Schauinsland bei Freiburg für mindestens 500 Jahre verwahrt<br />

werden.<br />

Doch wir begnügen uns nicht mit dem Werkstoff Stahl. Magnesium,<br />

einem spannenden Werkstoff, dessen Erforschung für Kundeninteressen<br />

erst am Anfang steht, widmen sich unsere Ingenieure, Aluminium<br />

nicht weniger – hervorragend geeignet für die Anwendung in der<br />

Das TK <strong>Magazin</strong> | 1 | 2004 |<br />

EDITORIAL 1<br />

Automobilproduktion. Mit neuer Vakuumtechnik erhalten wir <strong>Werkstoffe</strong>,<br />

die höchsten Anforderungen in der Luft- und Raumfahrt gerecht<br />

werden.<br />

Der Kunde ist König – und übt damit den wichtigsten Einfluss auf<br />

unseren Umgang mit <strong>Werkstoffe</strong>n aus. ThyssenKrupp Services bietet<br />

dafür eine Plattform: Ein Werkstoff-Auswahlprogramm präsentiert dem<br />

Kunden in Sekundenschnelle Vorschläge, welcher Werkstoff für ihn am<br />

besten geeignet ist. Über den direkten Werkstoff hinaus haben wir viel<br />

zu bieten. Blohm + Voss beispielsweise verfügt über „Oil Tools“, Werkzeuge,<br />

um tonnenschwere, aus spezifischen Materialien bestehende<br />

Teile auf Ölplattformen zu bewegen. Der Werkstoff war hier Ausgangspunkt,<br />

um das passende Werkzeug zu entwickeln. Im Schiffbau verhält<br />

es sich nicht anders: Mit einer neuartigen Laserschweißtechnik können<br />

wir meterlange Paneele mit engsten Toleranzen bearbeiten.<br />

Sind das Beispiele für die Arbeit des entfesselten Prometheus?<br />

Wohl kaum, im Gegenteil. ThyssenKrupp bekennt sich zu einem Grundsatz:<br />

dem Prinzip Verantwortung. Dem werden wir gerecht. Deshalb suchen<br />

wir den Kontakt zu jungen Werkstoffforschern in Universitäten und<br />

Instituten und unterstützen sie bei ihren Projekten.<br />

Das Prinzip Verantwortung hat seine nachhaltigen Seiten. Wenn<br />

wir in diesem Jahr Edelstahlprofile für den Besucherturm des Kölner<br />

Doms liefern, vereint sich die Technik mit der Kultur. Andere gelungene<br />

Beispiele für diese Annäherung finden Sie in dieser neuen <strong>Magazin</strong>-<br />

Ausgabe. Lassen Sie sich informiert und unterhaltend mitnehmen, auf<br />

der Reise durch die Welt der <strong>Werkstoffe</strong> bei ThyssenKrupp.<br />

Prof. Dr. Ekkehard D. Schulz,<br />

Vorsitzender des Vorstands der<br />

ThyssenKrupp AG


2 INHALT<br />

12 Wunderkerzen<br />

machen ihrem Namen<br />

in jeder Weise Ehre<br />

4 In ihrem pfeilschnellen<br />

Bob ist Susi<br />

Erdmann Weltspitze<br />

32 Werkzeuge<br />

für Bohrrohre greifen<br />

sehr sensibel zu<br />

Das TK <strong>Magazin</strong> | 1 | 2004<br />

4 Für rasende Fahrten geeignet<br />

Kufen aus Stahl im Eiskanal<br />

12 Mit Sterneneffekt getaucht<br />

Das Eisenpulver in der Wunderkerze<br />

20 Am gesägten Berg verlegt<br />

Schwellen für die Zahnradbahn in Montserrat<br />

30 Aus Komponenten gefertigt<br />

Gebaute Nockenwellen für moderne Motoren<br />

32 Auf Präzision getrimmt<br />

Oil Tools für tonnenschwere Bohrrohre<br />

38 Als Blickfang dienend<br />

Die Kultur des Kabinendesigns von Aufzügen<br />

42 Auf glänzendes Profil bedacht<br />

Die Kölner Dombaumeisterin Barbara Schock-Werner<br />

48 Bei der Stahlherstellung erzeugt<br />

LiDonit, eine stabilisierte Schlacke für den Straßenbau<br />

54 Von Leichtigkeit durchdrungen<br />

Der NewSteelBody als Schaustück feinster Stahlwerkstoffe<br />

58 Für Innovationen werbend<br />

„Wir brauchen Menschen, die sich für <strong>Werkstoffe</strong> begeistern“<br />

Interview mit Prof. Dr. Ulrich Middelmann<br />

20 Zum Kloster<br />

Montserrat fährt die Bahn<br />

auf neuen Schwellen<br />

Das TK <strong>Magazin</strong> | 1 | 2004 |


62 In der „Hall of Fame“ gelandet<br />

Edward G. Budd, der Erfinder der Ganzstahlkarosserie<br />

68 In leichtem Gewand gestylt<br />

Die neue Aluminium-Karosserie des Lamborghini Gallardo<br />

74 Auf Pucksicherheit geprüft<br />

Die Bandenumrandung aus Kunststoff im Düsseldorfer Eisstadion<br />

76 Für Kunden erfunden<br />

Das Werkstoff-Auswahlprogramm von Jochen Adams<br />

84 Beim Vollanschluss unerreicht<br />

Laserschweißtechnik in der Schiffbaufertigung<br />

88 In der Hochreinheit unübertroffen<br />

Superlegierungen aus dem Vacuum Induction Melting Ofen<br />

92 Gegen Korrosion geschützt<br />

Anwendungen von Edelstahl im Alltag der Menschen<br />

94 Auf die Zukunft gerichtet<br />

Magnesium wird von Forschern als Werkstoff entdeckt<br />

100 Auf Jahrhunderte angelegt<br />

Container für Kulturschutzgut im Barbarastollen in Oberried<br />

110 Glossar<br />

112 Impressum<br />

Das TK <strong>Magazin</strong> | 1 | 2004 |<br />

68 Der Lamborghini<br />

Gallardo trägt verdeckt<br />

Aluminium zur Schau<br />

58 „Der Umgang<br />

mit <strong>Werkstoffe</strong>n fördert<br />

die Kreativität“,<br />

sagt Prof. Dr. Ulrich<br />

Middelmann<br />

38 Das Kabinendesign<br />

von Fahrstühlen<br />

verrät viel über Land<br />

und Leute<br />

INHALT 3<br />

42 Dombaumeisterin<br />

Barbara Schock-Werner<br />

verbaut Edelstahl<br />

am Mahnmal Gottes<br />

in Köln


4 BOBFAHREN<br />

Susi Erdmann ist die<br />

amtierende Weltmeisterin im<br />

Zweierbob. Auch sie profitiert<br />

vom Know-how des Bob-<br />

Spezialisten Klaus Nowak.<br />

Er hat für sie neue Kufen<br />

entwickelt, in der Hoffnung,<br />

dass sie weiterhin in den<br />

Eiskanälen der Welt nur<br />

schwer zu schlagen ist.<br />

Das Gefühl ist mulmig. Schon das Erlebnis, einen Bobschlitten mit Tempo 150<br />

schnell wie einen Pfeil an einem vorbeirauschen zu sehen – Wahnsinn! Aber<br />

dann selbst im Gefährt zu sitzen, einen Helm auf dem Kopf, der jeden Millimeter<br />

des Hauptes fast liebevoll umfasst, um durch heftige Stöße ja keinen Schaden zu<br />

erleiden, das ist gar nicht mehr lustig. Denn was wird einen bei dieser Schussfahrt erwarten,<br />

außer dem garantierten „ultimativen Kick“?<br />

Welch ein Glück, dass man im Bob Platz nehmen darf und drei junge Männer das<br />

Gefährt anschieben. Nicht irgendwie, sondern mit aller Macht. Schön, die ersten<br />

zwanzig Meter im Eiskanal erinnern an eine Sight-Seeing-Tour, man blickt in die Landschaft,<br />

auf die schönen Hügel im beschaulichen Winterberg im Sauerland. Doch nur<br />

wenige Sekunden, bis der Bob in die erste Kurve einbiegt – die rasende Fahrt beginnt,<br />

unaufhaltsam, schnell und immer schneller werdend, ohne dass der von allem nichts<br />

ahnende Bobmitfahrer auch nur merkt, durch welche Kurve er gerade mit einer solchen<br />

Wucht schießt, als wolle ihm der Atem stocken.<br />

„Bobfahren ist kein Kinderspiel.“ Dies sagt einer mit ernster Stimme, aber deutlich<br />

glänzenden Augen, die eines auf Anhieb deutlich machen: Klaus Nowak ist von<br />

diesem Sport begeistert, und zwar restlos. Selbst in seinem kleinen Büro, mitten im<br />

weitläufigen Wittener Werksgelände der Edelstahl Witten-Krefeld GmbH, die zu Thys-<br />

Edelstahl<br />

pfeilschnell im<br />

Eiskanal<br />

Wer im Bob an der Weltspitze fahren<br />

will, braucht bestes Material für<br />

den Schlitten. Klaus Nowak von der<br />

Edelstahl Witten-Krefeld GmbH<br />

zählt zu den „Kufenpäpsten“ im<br />

eiskalten Rennsport<br />

Von Heribert Klein | Fotos Walter Schmitz<br />

senKrupp Steel gehört, springt der Bob-Funke über. Da<br />

sitzt er wie der Fahrlehrer, der die Theorie des Autofahrens<br />

erklärt, an seinem Computer und nimmt den Gast mit auf<br />

die Reise unter und durch den Bobschlitten, was sonst für<br />

Fremde so gut wie ausgeschlossen ist. Denn ein Bob ist<br />

ein Hightech-Produkt, in das der Konstrukteur außer den<br />

Bobpiloten niemanden hineinschauen lässt. Aus guten<br />

Gründen, denn wer die Weltspitze der Bobfahrer und –fahrerinnen<br />

betrachtet, sieht die Unterschiede nicht im Bereich<br />

von Sekunden, sondern von Hundertstel-Sekunden,<br />

das heißt im Abstand von Zentimetern, nicht von Metern.<br />

TECHNIK-FREAK FÜR DAS BOB-TUNING<br />

„Kufenpapst“ wurde Nowak hin und wieder genannt. Um<br />

damit auszudrücken, er sei einer der Top-Spezialisten, die<br />

sich mit diesem schwierigen Phänomen der Kufen und<br />

des Bobschlittens bestens auskennen. Dabei ist er<br />

zunächst einmal im Wittener Werk für die mechanische In-<br />

Das TK <strong>Magazin</strong> | 1 | 2004 |


BOBFAHREN 5


6 BOBFAHREN<br />

Mit Fliehkräften im Randbereich<br />

Wer einen Bob steuern<br />

will, braucht sehr viel Gefühl<br />

in den Fingerspitzen. Nur<br />

so findet er zur Ideallinie und<br />

schießt mit gesteigertem<br />

Drive auf Kufen in die Kurve.


BOBFAHREN 7


8 BOBFAHREN


standsetzung einschließlich der Kraftfahrzeug-Technik und Hydraulik zuständig – angesichts<br />

der riesig daherkommenden Anlagen auf dem Werksgelände eine verantwortungsvolle<br />

Aufgabe. Doch wie das Leben so spielt: irgendwann, Ende der achtziger<br />

Jahre, kam er (und damit auch das Unternehmen) mit dem Bobsport in<br />

Berührung. „Ich bin ein Technik-Freak“ umschreibt er die Basis, um seit Jahren mit<br />

größter Leidenschaft einen Teil seines Lebens dem „Tuning“ von Bobs, wie er es<br />

nennt, zu widmen. Der Techniker, der unterdessen fünfunddreißig Berufsjahre im<br />

Edelstahlwerk auf dem Buckel hat, wurde rasch berühmt. So berühmt, dass er mehrere<br />

Jahre lang die Schweizer Bob-Nationalmannschaft technisch betreute und ausrüstete<br />

– die Edelstahl Witten-Krefeld als Sponsor der Teams im Rücken. Denn was<br />

spricht mehr für ein Unternehmen als ein Mitarbeiter, der seinen Arbeitgeber als Erstes<br />

herausstellt und sich selbst ganz und gar nicht in den Mittelpunkt des Geschehens<br />

rückt?<br />

GRENZERLEBNIS MIT EXTREMEN QUERBESCHLEUNIGUNGEN<br />

Wo er es doch mit Fug und Recht könnte. Susi Erdmann beispielsweise, die amtierende<br />

Zweierbob-Weltmeisterin, hat von Nowak gerade brandneue Kufen bekommen.<br />

Welche Legierung genau die Kufen ausweisen, verschweigt auch die blonde athletische<br />

Rennsportlerin. „Wenn man keine exzellenten Kufen hat, die bestens laufen, hat<br />

man keine Chance“, sagt die groß gewachsene Sportlerin, die von dieser Kombination<br />

aus Geschwindigkeit und Fliehkräften fast schon rauschhaft gefangen ist. Fast,<br />

denn das Lenken des Bobs ist mindestens so sensibel wie seine Herstellung. „Man<br />

lenkt mit den Fingerspitzen“, meint Susi Erdmann, „die Fingerspitzen spüren am ge-<br />

Auf Spitzenmaterial an die Spitze<br />

Die Bobbahn in Königssee<br />

kennt Susi Erdmann bis ins<br />

kleinste Detail. Hier, in ihrem<br />

heimatlichen Eiskanal,<br />

beweist sie einmal mehr,<br />

wie ungeheuer schnell sie<br />

reagieren kann. Die neuen<br />

Kufen aus geschmiedeten<br />

Stählen tragen dazu<br />

bei, dass sie noch bessere<br />

Zeiten fährt.<br />

Das TK <strong>Magazin</strong> | 1 | 2004 |<br />

Ohne intensive mentale<br />

Vorbereitung steigt Susi Erdmann<br />

nie als Pilotin in den Bob.<br />

Denn ihre Fähigkeit, die Leidenschaft<br />

für schnelle Fahrten<br />

zu kontrollieren, ist Teil ihres<br />

Erfolgs an der Weltspitze.<br />

BOBFAHREN 9<br />

nauesten, ob der Bob die Ideallinie trifft und er mit gesteigertem<br />

Drive aus der Kurve rausfährt. Man muss halt ungeheuer<br />

schnell reagieren können.“<br />

Wohlgemerkt im Eiskanal. Denn Fliehkräfte im<br />

Randbereich sind das eine, sie machen diese talwärts rasende<br />

Fahrt zum unvergesslichen Erlebnis. Doch das<br />

„Rumhirnen“ im Edelstahlwerk, wie es Nowak nennt, das<br />

ist die andere Seite dieser berauschenden Sportart.<br />

Nowak, ein Mann jenseits der fünfzig, geht gern mit<br />

jungen Leuten um. Kann er doch das, was er sich als<br />

Techniker ausgedacht, verändert, neu hergestellt und<br />

selbst getestet hat, zusammen mit Topfahrern im Eiskanal<br />

ausprobieren. Am liebsten mit ihnen im Bob vor Ort: Es<br />

wundert nicht, dass Stefan Drescher, siebenundzwanzig<br />

Jahre alt und derzeit als Mitglied im B-Kader der deutschen<br />

Bobfahrer ein besonderer Schützling von Klaus<br />

Nowak, von ihm das beste Material erhält, was er momentan<br />

hat. Doch der Konstrukteur will selbst spüren, wie<br />

sich Innovationen im Bob auswirken. Also steigt er als<br />

Bremser in Dreschers Gefährt – viermal nacheinander rast<br />

er durch den Eiskanal in Winterberg, nachher mit größter<br />

Genugtuung darüber, dass das neue Material sage und<br />

schreibe zwei Zehntelsekunden Zeit Vorsprung bedeutet.


10 BOBFAHREN<br />

Im Bobschlitten verbirgt sich Hochtechnologie. Klaus Nowak ist höchst daran interessiert, um mit neuen <strong>Werkstoffe</strong>n,<br />

ihrer Bearbeitung und ihrem Einsatz Pilotinnen wie Susi Erdmann den Platz an der Spitze zu sichern.<br />

Im Edelstahl-Chassis durch die Kurve<br />

Die Symbiose mutet merkwürdig an. Einerseits ein Bob, dem jeder Fahrkomfort<br />

fehlt. Ungedämmt hocken die Bob-Reisenden über den Kufen auf dem blanken<br />

Boden, eng in die Haube (aus Kohlefaser) gepfercht wie Heringe in der Dose. Doch<br />

Fahrkomfort, wer sucht dies schon bei dem Grenzerlebnis, das dem Körper mit heftigsten<br />

Querbeschleunigungen, abseits des Alltags, geboten wird, tatsächlich am<br />

Rand zum Rauschgefühl?<br />

„Ich bin kein Typ, der normale Stähle beim Bob verwendet“, grenzt Nowak seine<br />

Tuning-Arbeit von der Serienherstellung der schnellen Schlitten ab (auch für Skeleton<br />

und Rodeln betreibt er „Tuning“). Das sei eine ambitionierte Aufgabe, „denn Stähle,<br />

die hochlegiert sind, sind schwierig in den Griff zu kriegen, was die Bearbeitung betrifft.<br />

Für Susi Erdmann habe ich geschmiedete amagnetische Stähle eingesetzt, um<br />

ihr neue Kufen zu bauen. Sie leiten bei der Fahrt sehr schlecht die Wärme, was von<br />

Vorteil ist.“<br />

MIT DER HAUBE IN DEN WINDKANAL<br />

Drücken wir es mal formal aus: Der Baustahl ST 37-2 (allgemeiner Baustahl, Zugfestigkeit<br />

360 Newton pro Millimeter) ist für den Bob-Gebrauch nicht unbedingt Nowaks<br />

Werkstoff. Dann bevorzugt der Freund des Schraubens, weniger des Schweißens<br />

(wegen der oft nicht definierbaren Spannungszustände), schon eher hochlegierte<br />

Stähle in der Art einer Sorte (um ein ganz schlichtes Beispiel zu nennen) wie<br />

X 7 Cr 13. „Man muss sehr viel Erfahrung mit den <strong>Werkstoffe</strong>n haben“, fährt er fort,<br />

„denn ein widerspenstiger Stahl strebt in alle möglichen Richtungen, man muss ihn<br />

beginnen zu richten, der Präzision wegen. Das Ergebnis aber ist außergewöhnlich.“<br />

Da steht er, neben seinem „Lehrling“ Stefan Drescher, in einer kleinen Werkstatt<br />

in Winterberg – eine Art Heiligtum, in das kein Fremder Zutritt hat. Stück für Stück wird<br />

der Bob auseinander genommen, langsam wird sichtbar, welche Hochtechnologie<br />

sich im Inneren des Edelstahl-Geräts verbirgt. Mit vorsichtiger<br />

Hand präsentiert Nowak seine neueste gefräste<br />

Blattfeder, hergestellt aus verzugsarmem, ausscheidungshärtendem<br />

Stahl, dazu den Lenkkopf, Kufenblätter,<br />

Stabilisatoren und all das, was sonst noch zur technischen<br />

Hexerei gehört.<br />

Hexerei? Bei aller Emotion, die Nowak verbreitet: In<br />

seiner zurückhaltenden, fast introvertierten Art ist er<br />

zunächst ein Analytiker, der absolut nichts dem Zufall<br />

überlässt. Nicht bei der Haube (die er sogar im Windkanal<br />

Die Datenanalyse von <strong>Werkstoffe</strong>n und Bobfahrten am<br />

Computer ist für Klaus Nowak und seinen Schützling<br />

Stefan Drescher eine Selbstverständlichkeit. Ohne den<br />

technischen Aufwand gibt es keinen Erfolg.<br />

Das TK <strong>Magazin</strong> | 1 | 2004 |


Der Techniker Klaus Nowak ist sich sicher, dass auch Stefan Drescher immer mehr in die Weltspitze hineinfahren wird.<br />

Denn mittlerweile kennt der Bob-Pilot ganz genau seinen Schlitten und dessen technische Raffinessen.<br />

eines Automobilherstellers testen kann), nicht bei den Kufen und sonstigen Bob-Feinteilen.<br />

An den physikalischen Gegebenheiten rüttelt er nicht: „Bei einer harten Bahn<br />

mit engen Kurvenkombinationen brauche ich weiche Elemente im Bob, diese führen<br />

zu besseren Ergebnissen.“<br />

Das eng beschriebene technische Reglement des internationalen Bobverbands<br />

kennt er auswendig, doch was er noch besser kennt: die Toleranzbereiche des Reglements,<br />

die Neuentwicklungen zulassen. Hier, so scheint es, sieht Nowak sein eigentliches<br />

Arbeitsfeld, bei der Kreation neuer <strong>Werkstoffe</strong>, deren Bearbeitung und Einsatz<br />

– über deren letzte Einzelheiten er den Mantel des Schweigens deckt. Von Stefan Drescher<br />

abgesehen. „Stefan kennt jetzt genau sein Gerät. Er kann Lenkköpfe einbauen,<br />

Vorderachsen wechseln, Vorspannungen messen, kurzum, er weiß, mit welchem Material<br />

er fährt. Auf dem Weg zur Weltspitze ist dies unbedingt notwendig. Ich bin sicher,<br />

er wird in wenigen Jahren an der Weltspitze sein.“<br />

MIT BLATTFEDERN INS ZIEL<br />

Um dann, fragt sich verzagt der Bob-Amateur, wie von der Tarantel gestochen auf<br />

dem Edelstahl-Chassis durch den Eiskanal zu rasen? Bob-Piloten sind nicht verzagt,<br />

Stefan Drescher nicht, noch weniger Susi Erdmann. „Alles, was schnell fährt, finde ich<br />

toll“, stellt sie mit ihrer fröhlichen Unbekümmertheit fest. „Zum Beispiel Go-Kart-Fahren:<br />

Einmal im Jahr setzen wir uns in die Karts, weil es zum Trainingsprogramm<br />

gehört. Ich bin begeistert, wie schnell man damit fahren kann – was natürlich durch<br />

den Bob noch übertroffen wird.“<br />

Wer in eine solche Stahl-Kohlefaser-Hülse einsteigt, sollte wissen, dass es sich<br />

um einen Hochleistungs- und Rennsport handelt. Verdienen könne man nicht sehr viel,<br />

bemerkt die Weltmeisterin Erdmann. Andere Sportarten sieht sie im Vergleich zum Bobfahren<br />

sehr im Vorteil. Sponsoren hielten sich beim Bobsport mit Geldern lieber zurück,<br />

Das TK <strong>Magazin</strong> | 1 | 2004 |<br />

BOBFAHREN 11<br />

und dann brauche man gemessen daran eine „gigantische“<br />

technische Unterstützung mit dem neuesten und<br />

besten Material. „Trotzdem fahre ich noch immer mit größter<br />

Begeisterung, möglichst bis zum Jahr 2006, den Olympischen<br />

Spielen in Turin.“<br />

Klaus Nowak an der Seite, mag man hinzufügen,<br />

jener Mann, der irgendwie für Originalität, Seriosität und<br />

technisches Maximum steht. Immer auf der Suche nach<br />

Weiterentwicklung, nach Blattfedern, die er im Unternehmen<br />

mit einer Zweitausend-Tonnen-Presse kalt biegen<br />

kann und dadurch widrige Veränderungen vermeidet. So<br />

fällt am Ende das gleißende Licht, das im Eiskanal, übertragen<br />

gesagt, mit dem Namen Nowak verbunden wird,<br />

auf ihn und sein Unternehmen zurück. Denn auch daraus<br />

macht er kein Hehl: Ohne all die technischen Möglichkeiten<br />

bei Edelstahl Witten-Krefeld käme Nowak nicht zu den<br />

Ergebnissen, die er sich ausdenkt.<br />

Hätten mehr Menschen die Chance, selbst im Bob<br />

zu sitzen – die Faszination über diese (noch immer) Randsportart<br />

würde in höchste Höhen wachsen. Denn eines ist<br />

sicher: Wer nach einer Minute das Ziel erreicht, pfeilschnell<br />

in einem Hightech-Gefährt, der steigt aus, schüttelt<br />

sich, bringt seine etwas aus den Fugen geratenen<br />

Knochen wieder ins Lot und sagt sich: Wann beginnt die<br />

nächste Fahrt? So hat es Klaus Nowak, der ungekrönte<br />

„Kufen-Papst“ vorausgesagt. Recht hat er. 7


12 WUNDERKERZE<br />

Eisenpulver für goldene Sterne<br />

Von Sebastian Groß | Fotos Michael Wissing


WUNDERKERZE 13


14 WUNDERKERZE


WUNDERKERZE 15<br />

Stahldrähte im komponierten Brei


16 WUNDERKERZE<br />

Wunderkerzen mit Sternen-Bukett


WUNDERKERZE 17


18 WUNDERKERZE<br />

STICHWORT<br />

Schon der Name legt nahe, dass es bei der „Wunderkerze“ nicht<br />

mit rechten Dingen zugehen kann. Wie gern würde man da wissen,<br />

was genau sich hinter dieser „Wondercandle“ verbirgt. Am<br />

ehesten können die Poeten vielleicht noch weiterhelfen. Die Gnome beispielsweise<br />

in Goethes „Faust“: „Felschirurgen“ nennen sie sich,<br />

Wesen, die im Alltag „die hohen Berge schröpfen“, der Metallgewinnung<br />

wegen. Und genau die sollen im Laboratorium der Kerze das funkelnde<br />

Licht entlockt haben, das Faust so begeisterte, dass er nur noch<br />

ausrufen konnte: „Da sprühen Funken in der Nähe, / Wie ausgestreuter<br />

goldner Sand“.<br />

Georg Alef ist kein Poet, sondern ein fröhlicher Mann aus dem<br />

Rheinland, genau genommen aus Eitorf an der Sieg. In der pyrotechnischen<br />

Fabrik Weco entwickelt und erforscht er zusammen mit seinen<br />

Kollegen Feuerwerkskörper. Als Spezialisten für Großfeuerwerke, besonders<br />

für Musikfeuerwerke, haben sie es schon in Montreal zum Titel<br />

„Weltmeisters“ gebracht – der Lohn für eine grandiose Kombination<br />

von Musik und Feuerwerk.<br />

DIE WUNDERKERZE IST EIN SEHR KOMPLIZIERTES PRODUKT<br />

In der nüchtern wirkenden Produktionshalle in Eitorf ist von diesem<br />

betörenden Glanz wenig zu spüren. Alefs raschen Schritten folgend,<br />

führt die Besichtigung zum „Taucher“. Kein Gnom oder „Gezwergenfürst“,<br />

sondern ein absoluter Fachmann, dessen Tätigkeit darin besteht,<br />

ein ums andere Mal dünne verkupferte Stahldrähte, von denen<br />

vierhundert kerzengerade auf einem Brett sitzen, kurz in eine mausgraue<br />

Masse unterzutauchen, sie herauszuziehen, noch einmal kurz<br />

„abzudippen“ und sie dann in einem Metallregal zum Zwischentrocknen<br />

zu lagern. Hexerei? Mitnichten. Die Wunderkerze, siebzehn Zentimeter<br />

lang, ist wohl die schlichteste Art der Hexerei. Ein paar Sekunden Fun-<br />

kensterne, leises Knistern, sanftes Rauchen – fertig ist das Erlebnis.<br />

Wunderkerzenland ist abgebrannt.<br />

Was für ein grandioser Irrtum. „Für mich ist die Wunderkerze<br />

eines der kompliziertesten Systeme, das ich kenne“, stellt Alef, der<br />

Fachmann, fest. Leise Zusatzfrage: Was dies alles denn mit dem Thema<br />

Werkstoff zu tun habe? Viel, sehr viel, um mit Alefs Worten zu antworten.<br />

Denn was in der Wunderkerze vor allem verbrennt? Eisenpulver<br />

und so genannter Nadelschleifstaub, fein gemahlenes Eisen, dessen<br />

Körnung kaum noch mit dem Auge zu erkennen ist. Dieses brennt zusammen<br />

mit Bariumnitrat (als Sauerstoffträger) in einer Art hauseigenem<br />

Hochofenprozess ab, funkenstiebend, mehr oder weniger.<br />

DIE WUNDERKERZE IST EIN FASZINIERENDER GEGENSTAND<br />

Die Nachfrage, ob das denn alle Ingredienzen der Wunderkerze seien,<br />

beantwortet Alef eher zögernd. Es ist ihm noch zu entlocken, dass in der<br />

breiigen Tauchmasse zwei Sorten Aluminium, Dextrin (ein Abbauprodukt<br />

der Stärke) und Mehl als Bindemittel enthalten seien. Mehr will er<br />

nicht sagen, denn die genaue Rezeptur bleibt Geschäftsgeheimnis,<br />

über dessen Geheimhaltung mit Argusaugen gewacht wird.<br />

„Das Produkt ist sehr sensibel“, klärt Georg Alef weiter auf. Was<br />

insofern verständlich sei, als die Verbindung zwischen oxidierenden und<br />

metallischen Stoffen (etwa dem Aluminium) zu heftigen Reaktionen<br />

führen könne. Im schlimmsten Fall würde der Wunderkerzen-Brei aufkochen<br />

und sich am Ende selbst entzünden.<br />

Es ist so eines der Aha-Erlebnisse, das Erforschen dieses unscheinbaren<br />

Gegenstands, das bei Weco in englischer Fassung natürlich<br />

nicht Wondercandle, sondern „Electric Sparklers“ heißt – Referenz<br />

an einen funkelnden Geist, der auf einer intelligent ausgedachten Mischung<br />

beruht. Die sich wer ausgedacht hat? Da streikt des Pyrotech-<br />

Gemahlenes Eisen mit richtiger Körnung<br />

Wunderkerzen herzustellen,<br />

ist ein schwieriger Vorgang. Die<br />

Tauchmasse muss stimmen,<br />

in der Mischung aus Eisenpulver,<br />

Nadelschleifstaub und allen<br />

anderen Materialien. Nur dann<br />

lässt die Wunderkerze die<br />

Funken stieben.<br />

Das TK <strong>Magazin</strong> | 1 | 2004 |


nikers Auskunftslaune. Das wisse keiner, sagt Alef. Selbst sein Vorgesetzter<br />

Lutz Kegler, der Leiter der Weco-Forschung und -Entwicklung,<br />

der im Februar nach 35 Jahren und 32 Wochen in Ruhestand geht und<br />

zu den Experten seines Fachs zählt – er weiß es auch nicht. Seit dem<br />

neunzehnten Jahrhundert seien Wunderkerzen bekannt, weiß er zu berichten.<br />

Mit dem Einsatz von Erdalkalimetallen sei vermutlich auch die<br />

Wunderkerze zum Leben erwacht. Auch er hat in seiner langen Berufszeit<br />

immer wieder erlebt, wie sensibel die Produktion der Wunderkerze<br />

ist. Beispiel Eisenpulver: Glühender Stahl ins kalte Wasser gespritzt, ergibt<br />

einen Härtungseffekt, der Stahl platzt auseinander, was zu einem<br />

kantigen Korn führt. „Beim Erhitzen in der Wunderkerze gibt es wiederum<br />

Spannungsrisse. Der Funke wird abgesprengt, brennt, heizt sich auf<br />

und zerplatzt erneut in Teile, was zum Sterneneffekt führt.“ Doch in der<br />

Konsistenz des Eisenpulvers, darin lag oft das Problem, meint Kegler.<br />

Ist es zu weich, gibt dies nur Fäden, „das war nix“. Spröde muss das<br />

Pulver sein, damit es noch einmal auseinander platzt.<br />

Die exakt konzipierte Mixtur aus einer feinen und einer gröberen<br />

Körnung lässt ein äußeres und ein inneres Bukett entstehen – was entscheidend<br />

für jene hohe Qualität von Wunderkerzen ist, die wie im Fall<br />

von Weco mit der Hand getaucht werden.<br />

Es ist ein stilles Geschäft, dem der Taucher nachgeht. Mit geübtem,<br />

sicherem Griff nimmt er das Holzbrett, lässt es in den Kerzenbrei<br />

hinab und zieht es im selben Rhythmus wieder heraus. Nach dem Zwischentrocknen<br />

wiederholt er den Vorgang noch einmal. Die Masse darf<br />

nicht unausgewogen, mit Bläschen oder sonstigen Unebenheiten aufgebracht<br />

werden – der Wunderkerzennutzer hätte seine liebe Not. Tropfen<br />

bilden sich, Brandflecken hinterlassen bleibende Spuren auf dem<br />

Teppich oder auf dem Parkettboden, nicht weniger auf der Hand, am<br />

Arm, auf der Hose oder im Hemd. Vorbei wäre das Wunder dieser<br />

Das TK <strong>Magazin</strong> | 1 | 2004 |<br />

WUNDERKERZE STICHWORT 19<br />

freundlich brennenden, funkelnagelneuen Kerze. Vermaledeit sei der<br />

Traum vom Sternenglanz, der zum Albtraum wird.<br />

„Welch Schauspiel! Aber ach! Ein Schauspiel nur!“ würde Faust<br />

dazu sagen. Es ist auch nicht die aufwändige Technik, die im Falle der<br />

Wunderkerzenherstellung zum Staunen führt. Es sieht alles so harmlos<br />

aus, man wähnt sich eher in Fausts Laboratorium (Zweiter Teil) „im<br />

Sinne des Mittelalters, mit weitläufigen unbehülflichen Apparaten zu<br />

phantastischen Zwecken“. Immer wieder sei mit der Zusammensetzung<br />

der Wunderkerze experimentiert worden, sagt Alef. Zeitweise versuchte<br />

man es mit Metalliclacken, mit denen die Wunderkerzen beschichtet<br />

wurden. „Das sah gut aus, doch die Herstellung war zu aufwändig.“<br />

Magnesium kam auch schon zum Einsatz, doch auch das führte zu keinem<br />

zufrieden stellenden Ergebnis.<br />

DIE WUNDERKERZE IST EIN BRENNENDES SYMBOL<br />

Also ließen die Weco-Wunderleute die Rezeptur so, wie sie war und<br />

ist. Das Eisenpulver und sein „güldener“ Glanz genügt, um noch<br />

immer die Menschheit für Wunderkerzen zu begeistern (übrigens mit<br />

derzeit steigender Tendenz). Sogar beim Verschweißen von Eisenbahnschienen,<br />

weiß Alef zu berichten, würden Eisenbrenner eingesetzt,<br />

um die Thermitmischungen zu entzünden – „ein richtiger industrieller<br />

Anzünder“.<br />

Längst ist die Wunderkerze zum Symbol geworden. Für die Funken,<br />

die von Herzen zu Herzen gehen, für den Menschen, der ein<br />

wenig Licht ins Dunkel bringt, aber auch für das Burnout-Syndrom,<br />

bei dem der arbeitende Mensch wahrhaft euphorisch die letzten Funken<br />

aus sich herausschlägt, bevor er erlischt. So bleibt sie am Ende<br />

doch geheimnisvoll, die wunderliche Kerze, deren Erfinder wir noch<br />

nicht einmal kennen. 7


20 Y-SCHWELLEN


Das TK <strong>Magazin</strong> | 1 | 2004 |<br />

Y-SCHWELLEN STICHWORT 21<br />

Schwellen für den gesägten Berg<br />

Zum Kloster Montserrat fährt wieder eine Zahnradbahn hoch – auf Y-Schwellen mit Dreieicksform<br />

Von Heribert Klein | Fotos Bernd Jonkmanns<br />

Was wäre das Kloster Montserrat ohne die Engel! Den Gebirgsstock, 30 Kilometer<br />

nordwestlich von Barcelona gelegen, hätte es so, wie er heute aus<br />

der Ferne zu sehen ist, nie gegeben. Denn in grauer Vorzeit ging die Mär,<br />

er sei so steil, dass kein Mensch jemals den Fuß auf das 1200 Meter hohe Massiv<br />

gesetzt habe. Erst Engel hätten mittels einer Säge den Felsen angesägt, um Platz zu<br />

schaffen für einen Palast, dessen Glanz das katalanische Land ringsumher erleuchtete.<br />

Was den Namen Montserrat einfühlsam erklärt, bedeutet er doch nichts anderes<br />

als „gesägter Berg“.<br />

Lassen wir die Legende zunächst Legende sein. Im Mittelalter war das entlegene,<br />

von Menschen kaum einnehmbare Massiv Ort eines Klosters, dessen Mönche<br />

nach der Gründung durch Abt Oliva de Ripoll zu Beginn des 11. Jahrhunderts nach<br />

der „Regula Benedicti“ lebten, nach der Regel des heiligen Benedikt von Nursia.<br />

Durch den Rückzug in die Einsamkeit, in die „Wüste“, wurden sie zu „monachoi“, zu<br />

Mönchen – genau dadurch aber erregten sie das Interesse der Menschen, die zu<br />

ihnen zogen, ihrer Lebensweise wegen.<br />

DER AUFSTIEG WAR UND BLEIBT UNWEGSAM<br />

Geändert hat sich daran nichts. Der Berg ist die Silhouette Katalaniens, der Jahr für<br />

Jahr gut und gern 2,5 Millionen Menschen folgen, hinauf zum Kloster (meist mit dem<br />

Auto), zur Basilika, zur „Schwarzen Madonna“. Was wie ein Eiland aus den flachen<br />

Wassern sich zu erheben scheint, ist (aus geologischer Sicht) ein Gebirgsstock aus<br />

einem Sockel aus eozänen Konglomerat- und Sandsteinschichten (rund 60 Millionen<br />

Jahre alt) und einem darüber liegenden Block aus oligozänem Sedimentgestein, gebildet<br />

aus Schottern, beeinflusst von Wind und Wetter und deswegen so eigenartig<br />

Eine neue Ära beginnt für<br />

Montserrat, in der Nähe von<br />

Barcelona gelegen. Erstmals<br />

seit 1957 fährt eine<br />

Schmalspurbahn den steilen<br />

Berg hoch. Die ThyssenKrupp<br />

GfT Gleistechnik GmbH<br />

hat dafür, präzis ausgedrückt,<br />

„gleislagestabile Schwellen“<br />

geliefert.


22 Y-SCHWELLEN


Y-SCHWELLEN 23<br />

Einsiedelei für Millionen Menschen<br />

Der Klosterberg ist die<br />

Silhouette Katalaniens. Der<br />

Legende nach haben Engel<br />

mit einer Säge Hand an<br />

den Felsen gelegt, um Platz zu<br />

schaffen für einen glänzenden<br />

Palast, der das Land hell<br />

erleuchtet.


24 Y-SCHWELLEN


und unnachahmlich geformt. Unwegsam ist der steile Aufstieg geblieben. Mit dem<br />

Unterschied, dass er anders als früher komfortabel verläuft, zockelt doch eine moderne<br />

Bahn auf schmaler Spur hinauf und herunter. Dazu hat es viele Jahre gedauert,<br />

denn 1957 wurde die ursprüngliche Zahnradbahn stillgelegt. Beendet war die<br />

Fahrt, die 1892 im Ort Monistrol begonnen hatte und am Kloster endete.<br />

GENÜGEND PLATZ AM MONTSERRAT IST MANGELWARE<br />

Als sei die Bahn aus dem Dornröschenschlaf erwacht: Wenige Monate sind es her,<br />

dass die Triebwagen wieder fahren. Nicht irgendwie, sondern „auf gleislagestabilen<br />

Schwellen“. So spricht nur der Fachmann, und der heißt in diesem Fall Manfred<br />

Mahn, Verkaufsleiter bei der ThyssenKrupp GfT Gleistechnik GmbH, einem Unternehmen<br />

von ThyssenKrupp Services. Sein Büro in Hannover, im Stadtteil Vahrenwald,<br />

hat wenig Entrücktes von der Einsiedelei in Montserrat. Und doch besteht eine<br />

direkte Verbindung zwischen Mahn und Montserrat: Die Bahn zum Kloster, 8624<br />

Meter lang, brauchte neue Schwellen, knapp 5000 Schwellen wurden von der GfT<br />

Gleistechnik nach Katalanien geliefert. Nun ist Bahn nicht gleich Bahn, und Schwelle<br />

nicht gleich Schwelle. Die Strecke zum Kloster würde wohl kaum einen Hochgeschwindigkeitszug<br />

vertragen. Eher stellt man sich angesichts des meditativen Ortes<br />

eine beschauliche Eisenbahn vor, die sich auf leisen Sohlen gemächlich dem Orato-<br />

Schwellen mit<br />

eigener Geometrie<br />

Das TK <strong>Magazin</strong> | 1 | 2004 |<br />

rium in luftiger Höhe nähert. „Für solche Zwecke ist die Y-<br />

Stahlschwelle genau passend. Denn deren Dreiecksform<br />

ist auch für Schmalspurbahnen mit engen Radien besonders<br />

gut geeignet und im Vergleich zu Betonschwellen<br />

sind die Y-Schwellen leiser.“<br />

Ausreichend Platz am Montserrat – das ist wahrhaft<br />

Mangelware. Allein die Überlegung, schwere Betonschwellen,<br />

gut zwei Meter lang, über zweihundert Kilogramm<br />

schwer, dort einzubauen, scheitert. Der Höhenunterschied<br />

ist enorm: 539 Meter sind auf den wenigen<br />

Kilometern zu überwinden. Schwere Maschinen wären<br />

kaum einzusetzen, die Räume sind zu eng. Die Y-Schwelle<br />

dagegen, 1,50 Meter lang und nur hundertzwanzig Kilogramm<br />

schwer, ist mit sehr viel geringerem Aufwand zu<br />

verlegen. Die schmalere Breite wird ergänzt durch einen<br />

anderen Vorteil: „Wir können die Y-Schwelle auf Altsubstanz<br />

legen und müssen nicht ein verkrustetes, lange<br />

liegendes und deswegen konsolidiertes Schotterbett verändern.<br />

Wir nutzen dieses vorhandene Planum zum Auf-<br />

Montserrat zieht Jahr für<br />

Jahr gut und gern zweieinhalb<br />

Millionen Besucher an.<br />

Mit der Schmalspurbahn können<br />

sie nun komfortabel zum<br />

Kloster hinauffahren, in engen<br />

Radien auf leisen Schwellen.<br />

Y-SCHWELLEN 25


26 STICHWORT<br />

Y-SCHWELLEN<br />

bau eines neuen Schotterbettes, was erst durch die geringe Bauhöhe der Schwelle<br />

von 95 Millimetern möglich wird “, berichtet Mahn aus mittlerweile langer Erfahrung<br />

mit der Y-Schwelle.<br />

Das Material in Verbindung mit der geometrischen Form – darin besteht das Besondere<br />

der „Schläfer“ („Y-Sleepers“), wie die Schwellen in Angelsachsen genannt<br />

werden. Vor knapp 20 Jahren wurden die „Schläfer“ von der Salzgitter-Tochter Peiner<br />

Träger ausgedacht und entwickelt, ThyssenKrupp GfT beteiligte sich am Nachdenken,<br />

beiden gehört je zur Hälfte das Patent dieser Innovation. 1997 hat das Eisenbahnbundesamt<br />

die Y-Klasse zugelassen, neben Stahltrog-, Beton- und Holzschwellen.<br />

Potenziell sieht Mahn dafür einen mehr als ausreichenden Markt, denn das Streckennetz<br />

der Bahn hat in Deutschland eine Länge von circa 33.000 Streckenkilometern,<br />

von denen zwei Drittel für den Einsatz der Y-Schwelle geeignet sind. Die Schwelle wird<br />

heute überwiegend im Geschwindigkeitsbereich bis 120 km/h eingesetzt.<br />

In Montserrat besteht dafür natürlich keine Notwendigkeit. Wer sein Auto in Monistrol-Vila<br />

abstellt (Parkplätze bestehen für tausend Fahrzeuge und hundert Busse)<br />

und die neue Zahnradbahn besteigt, eilt mit einer Höchstgeschwindigkeit von 45 km/h<br />

zur Endstation, über Brücken, durch Tunnel, mit wunderbarem Blick auf die Ebene am<br />

Fuß des Gebirgsmassivs, dem sich die Bahn Zahn um Zahn zu entschwinden scheint.<br />

Zeit und Zeitlosigkeit spielen, im Umkreis aller Klöster, eine wichtige Rolle – was ist im<br />

Das Kloster ist die<br />

Endstation der Bahn, die<br />

unten in Monistrol beginnt.<br />

Über Brücken und durch<br />

Tunnel gleitet die Zahnradbahn<br />

immer höher, mit<br />

wunderbarem Blick auf<br />

die Ebene am Fuß des<br />

Gebirgsstocks.<br />

Die Heimat der Schwarzen Madonna<br />

Gleisbau anders? Mahn stellt fest: „Wenn grundsätzlich<br />

Fehler beim Oberbau gemacht werden, merkt man dies<br />

erst nach vielen Jahren. Oberbau ist eine konservative<br />

Technik, die ihre Zeit braucht. Deswegen liegt die Abschreibungszeit<br />

beim Oberbau auch bei durchschnittlich<br />

fünfundzwanzig Jahren.“ Schwellen lägen ja im Schotter,<br />

einem grobkörnigen Gestein. Dieses müsse für Wasser<br />

durchlässig sein, „das Gleis muss atmen können“.<br />

DREIEICKSFORMEN WIE IM FACHWERKBAU<br />

Lückenlos verschweißte Gleise auch in engen Bögen verlegen<br />

zu können, ist ein weiterer Vorteil der Y-Schwelle.<br />

Mahn braucht gar nicht die Informationsbroschüre mit<br />

wirklich allen Details zu dieser Schwelle zur Hand zu nehmen:<br />

Der passionierte Techniker (der für die GfT Gleistechnik<br />

auch die Komplettlösung für die Herstellung des<br />

„Lückenlosen Gleises“ auf der Festen Fahrbahn im nördlich<br />

gelegenen Los A der Schnellfahrstrecke Köln-Frankfurt<br />

verantwortete) beherrscht auswendig sämtliche rele-<br />

Das TK <strong>Magazin</strong> | 1 | 2004 |


Y-SCHWELLEN 27


28 Y-SCHWELLEN<br />

vanten Daten dieses Schwellensystems. Vor allem die<br />

Form des Dreiecks, klärt er auf, führe zu den bekannten<br />

Vorteilen: „Die Dreiecksform, wie sie aus dem Fachwerkbau<br />

bekannt ist, hat gegenüber der Parallelogrammform<br />

des normalen Gleises den Vorteil, dass sie die seitlichen<br />

Kräfte, die auf das Gleis wirken, wesentlich besser aufnimmt.“<br />

Rahmensteifigkeit und Querverschiebewiderstand<br />

– zwei Faktoren, die aus Mahns Sicht entscheidende<br />

Wettbewerbsvorteile haben, vom geringeren<br />

Schotterbedarf, dem niedrigeren Transportgewicht, einer<br />

langen Lebensdauer, hervorragenden Recyclingeigenschaften<br />

und größtmöglicher Flexibilität des Werkstoffs<br />

Stahl bei der Verwendung für Sonderbauarten abgesehen.<br />

Zuviel auf einmal? Das bestreitet Mahn entschieden.<br />

„Ich sehe mich trotz meiner Herkunft von der Technik her<br />

in erster Linie als Verkäufer, der gemeinsam mit der Fertigung<br />

die Wünsche der Kunden erfüllen muss. Meine<br />

lange Erfahrung kommt mir da nur entgegen.“ Erfahrung<br />

gerade mit Y-Schwellen: Die Auftraggeber in Monserrat<br />

Ein Symbol für Glück und Ruhe<br />

konnten sich schon in der Schweiz von der Funktionsfähigkeit des Y-Systems überzeugen.<br />

Denn bei der Furka-Oberalp Bahn wurden auf dem Abschnitt von Andermatt<br />

nach Oberalp erstmals Y-Stahlschwellen mit Zahnstangen eingebaut, genauso, wie<br />

sie in Montserrat zum Zuge kamen.<br />

Es dürfte nach Mahns Ansicht ganz und gar nicht das letzte Projekt dieser Art<br />

sein, im Gegenteil. Die Expansion nach Osteuropa, seine Erkundungen vor Ort in Ländern<br />

wie Ungarn, Polen, Tschechien, neben der Aussicht auf entsprechende Aufträge<br />

aus dem innerdeutschen Streckennetz stimmen ihn optimistisch.<br />

DER MENSCH AUF DEM WEG IN DIE INNERE WELT<br />

Dennoch dürfte die Strecke in Montserrat dank ihres Panoramablicks, ihrer Fahrt in<br />

klimatisierten Wagen hoch über Stock und Stein, Täler und Höhen, ein Ausnahmefall<br />

sein. Montserrat bleibt ein Symbol für Eigenständigkeit, Unangreifbarkeit, Festigkeit,<br />

für Religion und für Musik. Seit Jahrhunderten sind die Menschen dorthin gepilgert,<br />

sehnsuchtsvoll, enthusiastisch wie Wilhelm von Humboldt oder auch Friedrich Schiller.<br />

Montserrat, schrieb er einst, sauge den Menschen von der äußeren Welt weg in<br />

die innere Welt hinein. Nicht nur das: Goethe wünschte Montserrat jedem Menschen,<br />

davon überzeugt, „ganz allein der Mensch kann auf seinem eigenen Montserrat Glück<br />

und Ruhe finden“. 7<br />

Das Kloster Montserrat<br />

wurde von Benediktinern<br />

gegründet. Noch heute<br />

leben hier Mönche dieses<br />

Ordens in einer traumhaft<br />

schönen Umgebung.<br />

Während der Fahrt mit<br />

der Zahnradbahn wird<br />

deutlich, weshalb sich<br />

wunderbare Legenden um<br />

Montserrat ranken.<br />

Das TK <strong>Magazin</strong> | 1 | 2004 |


Y-SCHWELLEN 29


30 NOCKENWELLE<br />

Wer sagt, er müsse sich mit der Nockenwelle nicht beschäftigen,<br />

dem kann man nur zurufen: Stimmt! Aber es würde sich dennoch<br />

lohnen. Denn in den vergangenen Jahren hat sich bei<br />

diesem in Verbrennungsmotoren so wichtigen Bauteil viel getan. Ganz<br />

vorn mit dabei: Das Unternehmen ThyssenKrupp Presta. Es hat sich in<br />

wenigen Jahren einen guten Namen erworben mit der Fertigung „Gebauter<br />

Nockenwellen“ – sehr exakt auf ihren Verwendungszweck ausgerichtete<br />

Bauteile, die aus dem modernen Motorenbau nicht mehr wegzudenken<br />

sind. Eine Nockenwelle werkelt in nahezu jedem Fahrzeug mit<br />

Verbrennungsmotor. Viertakt-Benzin- und Dieselaggregate brauchen sie<br />

wie die Luft zum Atmen, sonst gelangt das Treibstoff-Sauerstoff-<br />

Gemisch nicht in den Brennraum und das Abgas nicht wieder hinaus.<br />

Nur knatternde Zweitakter verzichten in ihrem Gehäuse auf so ein präzise<br />

gefertigtes Schmuckstück.<br />

Fragt man Autofahrer nach ihren Wünschen an das moderne Gefährt,<br />

rangieren zwei Antworten weit oben: Das Auto soll ökonomisch<br />

und ökologisch sein. Neben allen Faktoren, die dabei eine Rolle spielen,<br />

kommt natürlich dem Motor eine große Bedeutung zu: Verbraucht er<br />

wenig, freut sich der Besitzer. Die Fortschritte in der Motorentechnik<br />

während der vergangenen Jahre waren immens – Diesel- und Benzindirekteinspritzung<br />

sind nur zwei große Schlagworte, die das umreißen,<br />

was in und um die Brennräume herum stattgefunden hat. Und zum<br />

Drumherum gehört die Nockenwelle. Denn alle Elemente eines Motors<br />

sorgen im Zusammenspiel dafür, dass der ganze Motor noch präziser<br />

und effizienter läuft und der Kraftstoff besser genutzt wird.<br />

Ein Verbrennungsmotor funktioniert so: Durch ein Ventil wird ein<br />

Gas-Luft-Gemisch in einen runden Raum geleitet, den Zylinder. Dieser<br />

Atmen mit der Welle<br />

Eine Spezialität für moderne Motoren liefert<br />

ThyssenKrupp Presta: Gebaute Nockenwellen<br />

Von Rüdiger Abele | Foto Andreas Böttcher<br />

wird zu einer Seite durch einen beweglichen Schieber abgeschlossen,<br />

den Kolben. Beim Entzünden des Gases dehnt es sich schlagartig aus,<br />

drückt den Kolben weg, dessen Gleitbewegung durch eine Mechanik in<br />

eine Drehung der Kurbelwelle umgesetzt wird, die wiederum an die<br />

Räder geleitet wird: Das Gefährt rollt. Das verbrannte Gasgemisch wird<br />

durch ein weiteres Ventil aus dem Zylinder herausgeleitet. An den Ventilen<br />

kommt die Nockenwelle ins Spiel. Im Takt des Motors steuert sie die<br />

Öffnung der Ventile: „Auf“ bedeutet – Gemisch hinein, „zu“ meint soviel<br />

wie Abgas hinaus. Somit braucht man mindestens zwei Ventile je Zylinder,<br />

doch für eine bessere Verbrennung haben sich längst vier Stück<br />

durchgesetzt („Vierventiler“). Da etwa ein Automotor selten nur einen<br />

Zylinder hat, sondern in den häufigsten Fällen vier, hat er 16 Ventile, die<br />

zu steuern sind, in einem entsprechenden Sechszylinder sind es schon<br />

24 Ventile – die Rechnung lässt sich entsprechend fortsetzen.<br />

SCHMIEDESTAHL TRIFFT PRÄZISIONSSTAHL<br />

Zurück zur Nockenwelle: Sie besteht aus einem Rohr, an dem die Nocken<br />

angebracht sind, die in ihrer Form einem längs geschnittenen Hühnerei<br />

ähnlich sind. Sie rotiert kontinuierlich über dem Ventilstößel; an ihrer<br />

höchsten Stelle drückt sie das Ventil zu, an allen übrigen Punkten der Rotationsbahn<br />

ist es leicht bis ganz offen und lässt den Zylinder atmen. Je<br />

Brennraum ist mindestens eine Nocke für mindestens zwei Ventile zuständig<br />

und sorgt dann für Zu- und Abluft.<br />

Der besseren Steuerung wegen sind heute zwei Nockenwellen je Motor<br />

schon weit verbreitet (die eine für die Einlass-, die andere für die Auslassventile),<br />

manches Aggregat hat schon vier Wellen. „Die steigende<br />

Zahl freut uns natürlich“, sagt Hermann Weissenhorn, der für Nocken-<br />

Das TK <strong>Magazin</strong> | 1 | 2004 |


wellen zuständige Geschäftsbereichsleiter bei ThyssenKrupp Presta.<br />

Zumal deren Spezialität der „Gebauten Nockenwelle“ von den Motorenbauern<br />

dieser Welt sehr gut angenommen wird. „Gebaut“ heißt: Die<br />

Nockenwelle wird nicht in Form geschmiedet oder aus flüssigem Metall<br />

gegossen, sondern aus einzelnen, separat gefertigten Komponenten zusammengesetzt:<br />

dem Rohr mit aufgeschobenen, aber äußerst fest sitzenden<br />

Nocken sowie den Lager- und Antriebselementen. Dabei können<br />

die Materialien sehr gezielt für ihren Einsatz und entsprechend des Kostenrahmens<br />

ausgewählt werden: Die Nocken beispielsweise aus sehr<br />

verschleißfestem Schmiedestahl oder Sintermaterial und das Rohr aus<br />

einem einfacheren Präzisionsstahl.<br />

ROHR UND NOCKEN GEHÖREN IRGENDWANN ZUSAMMEN<br />

Dieses funktioniert mit dem Presta-Verfahren folgendermaßen: Ein blankes<br />

Stahlrohr von exakter Länge wird mit dem Endstück versehen, etwa<br />

einem Zahnrad, das später dem Nockenwellen-Antrieb dient. Jetzt wird<br />

es genutzt, um das Rohr jederzeit in der Fertigung exakt auszurichten –<br />

das ist wichtig, damit die Nocken in die richtige Richtung zeigen und die<br />

Ventile sich nicht aus dem Takt bewegen. Ein Motor bringt das Rohr auf<br />

eine sehr hohe Drehzahl, um an der Stelle, wo in wenigen Augenblicken<br />

die Nocken sitzen, die „Rollierung“ anbringen zu lassen: Ein eher stumpfes<br />

Werkzeug drückt in den Rohrstahl, verdrängt gezielt Material nach<br />

außen, so dass feine, nebeneinander liegende Ringe entstehen, die im<br />

Durchmesser um einige Zehntelmillimeter größer sind als das Rohr. Das<br />

genügt, um die Nocke ganz fest zu fixieren: Das Rohr wird gestoppt und<br />

die vorgefertigte Nocke auf die Rollierung gepresst, in exakt der vorgegebenen<br />

Winkellage. Zerstörungsfrei sind Nocke und Rohr nun nicht<br />

Das TK <strong>Magazin</strong> | 1 | 2004 |<br />

Die „Gebaute Nockenwelle“<br />

hat einen großen Vorteil: Sie wird<br />

aus einzelnen, separat gefertigten<br />

Komponenten zusammengesetzt.<br />

Die <strong>Werkstoffe</strong> werden sehr gezielt<br />

für den Einsatz ausgewählt .<br />

NOCKENWELLE 31<br />

mehr zu trennen. Wieder rotiert das Rohr für die nächste Rollierung, wird<br />

die zweite Nocke aufgesteckt – so lange, bis die gewünschte Zahl erreicht<br />

ist. Zwischendurch werden auch Lagerstellen aufgeschoben.<br />

Eine erste Qualitätsprüfung schließt sich an, bevor die Welle geschliffen<br />

wird – ThyssenKrupp Presta liefert die Nockenwellen einbaufertig<br />

an seine Kunden. Eine weitere, genauere Prüfung folgt, dann werden<br />

die Nockenwellen sicher verpackt und über den Globus expediert,<br />

um schon bald in einem Motor für das richtige Maß an Atmung zu sorgen.<br />

Das Bauen einer Presta-Nockenwelle findet vollautomatisch in Fertigungszellen<br />

statt, blitzschnell und mit sehr engen Taktzeiten. Für einen<br />

Personenwagen mit Vierzylinder-Motor ist sie etwa 60 Zentimeter lang<br />

und wiegt ein Kilogramm.<br />

„Bei optimaler Gestaltung lässt sich mit der Gebauten Nockenwelle<br />

im Vergleich zu herkömmlichen Verfahren bis zu 30 Prozent an Gewicht<br />

sparen“, sagt Hermann Weissenhorn. Dadurch laufe der Motor geschmeidiger,<br />

sei der Kraftstoffverbrauch niedriger.<br />

ThyssenKrupp Presta, ein traditionsreiches Unternehmen, ist im Geschäft<br />

mit Nockenwellen noch nicht lange vertreten. Alles begann 1986 mit dem<br />

Entschluss, in diesem Feld zu starten. „Erst einmal haben wir sechs Jahre<br />

lang Grundlagenentwicklung betrieben und uns mit Materialien beschäftigt“,<br />

erinnert sich Weissenhorn. Schließlich stand das Verfahren – und der<br />

erste Großauftrag kam von Ford, die Lieferung begann 1995. Seitdem<br />

ging es steil aufwärts. Im Jahr 2003 wurden mehr als 12 Millionen<br />

Nockenwellen für die großen Autohersteller der Welt gefertigt, in zwei Jahren<br />

sollen es mehr als 16,5 Millionen Stück sein. Und dies alles bei höchster<br />

Präzision, bei Toleranzen im Bereich von hundertstel Millimetern. „Was<br />

wir machen, ist Präzision wie bei einer Rolex-Uhr“, sagt Weissenhorn. 7


32 OIL TOOLS


Foto Gettyimages<br />

Der Vergleich mit dem rohen Ei scheint von weit hergeholt und<br />

liegt dennoch zum Greifen nahe: Ein Bohrrohr auf einer dieser gigantischen<br />

Bohrinseln anzufassen, es zu drehen, zu heben, zu<br />

wenden, ist ein diffiziler Akt. Ungeachtet der Lasten, die zu bewältigen<br />

sind. Was aber bei genauem Hinsehen wenig besagt, denn 1380 Tonnen<br />

Last sind für die speziellen Werkzeuge, so genannte Oil Tools, normalerweise<br />

kein Problem. Dies stellt Jens Lutzhöft fest, Fertigungsleiter<br />

der Blohm + Voss Repair GmbH, Oil Tool Division – einem Unternehmen,<br />

das zu ThyssenKrupp Technologies gehört. Mit hanseatischer<br />

Nüchternheit präsentiert er in der Werkshalle auf dem Werftgelände in<br />

Hamburg die aufwändig hergestellten Werkzeuge, die von außen betrachtet<br />

nach nichts aussehen. Kaum vorstellbar, dass ein solcher<br />

„Power Slip“ ein Bohrrohr, 750 Tonnen schwer, umfassen und halten<br />

kann.<br />

Was dieses mit dem Thema Werkstoff zu tun hat? „Sehr viel“,<br />

meint Lutzhöft, „denn ein Bohrrohr anzufassen, ist höchst sensibel. Der<br />

Rohrdurchmesser kann bis zu einem Meter betragen, das Rohr selbst<br />

hat aber eine vergleichbar dünne Wandstärke. Das Werkzeug muss<br />

genau darauf adjustiert sein, andernfalls kollabiert das Rohr.“<br />

WELTMARKTFÜHRER BEI OIL TOOLS<br />

Der Markt, besser gesagt, die Anforderungen der Kunden haben sich<br />

zweifellos verändert. Die Zeiten, dass wie früher Bohrrohre, von welchem<br />

Durchmesser auch immer, mit der Hand bewegt und verschraubt<br />

wurden, gehören immer mehr der Vergangenheit an. Der Gefahr, dass<br />

schwere Teile auf einer Bohrinsel herabfallen und Menschen gefährden<br />

können, versucht man durch den verstärkten Einsatz von ferngesteuerten<br />

Werkzeugen zu entgehen.<br />

Was einfach klingt, in Wahrheit aber schwierig zu realisieren ist.<br />

Denn die Vorschriften sind streng, sie unterliegen zum Beispiel dem<br />

American Petroleum Institute, der Klassifikationsgesellschaft American<br />

Bureau of Shipping, Det Norske Veritas, Lloyd´s Register und auch dem<br />

Germanischen Lloyd. Der weltweite Einsatz der Oil Tools von Blohm +<br />

Voss macht es notwendig, dass man die Sicherheitsstandards, in welchem<br />

Land auch immer, erfüllen kann. Im Übrigen gehört es zum<br />

Marktwert des, wie Lutzhöft feststellt, „Weltmarktführers bei solchen<br />

Das TK <strong>Magazin</strong> | 1 | 2004 |<br />

Von Benedikt Breith | Fotos Blohm + Voss<br />

OIL TOOLS 33<br />

Werkzeuge<br />

für große Lasten<br />

auf Bohrinseln<br />

Elevatoren von Blohm + Voss Repair haben eine<br />

Hebekraft von bis zu vierzehnhundert Tonnen<br />

Ein Bohrrohr zu umfassen,<br />

ist höchst sensibel. Die „Oil Tools“<br />

müssen aus speziellen <strong>Werkstoffe</strong>n<br />

gebaut sein, um auch Rohre mit<br />

einem Meter Durchmesser,<br />

aber sehr dünnen Wandstärken<br />

anzupacken, ohne sie zu zerstören.


34 OIL TOOLS<br />

Ein „Power Slip“ muss<br />

genau auf die Bohrrohre<br />

adjustiert sein. Andernfalls<br />

kollabiert das Rohr.<br />

Festigkeit und Streckgrenzen<br />

müssen für diese Zwecke<br />

sehr hoch sein.<br />

Werkzeugen“, sämtliche vorhandenen Sicherheitsstandards einzuhalten.<br />

Den Werkstoff für die Werkzeuge so verändern, dass die Lasten<br />

schwer und schwerer werden können, war eine der Herausforderungen<br />

für Lutzhöft und seine Mitarbeiter auf dem Werftgelände. Die frühere<br />

Spezifikation, wo hochfester Werkstoff abgegossen wurde, reicht nun<br />

nicht mehr. Festigkeit und Streckgrenzen waren zu erhöhen, „im Grunde<br />

genommen mit neuen Chrom-Nickel-Legierungen, aus denen kann<br />

man noch viel Potenzial herauskitzeln“, umschreibt der Fertigungsleiter<br />

die Gegebenheiten. Dies sei für den Vergütungsprozess relevant, über<br />

den sich auch die mechanischen Kenngrößen verändern ließen.<br />

GENAUER EINBLICK IN KRITISCHE BEREICHE<br />

Die Bilder, die er am Computer einspielt, machen einen spielerischen<br />

Eindruck, und der Detailblick in das Innere solcher Tools vermittelt<br />

eine eigene Ästhetik. Farbige Ansichten sagen dem Fachmann<br />

auf einen Blick, in welchen Bereichen sich die kritischen<br />

Spannungen befinden. Was wiederum jene Zone verdeutlicht,<br />

auf die der Blick des Ingenieurs besonders gerichtet werden<br />

muss. Andernfalls? Der eine oder andere „Elevator“ (so der<br />

Fachbegriff für die Werkzeuge, die über Verbindungsmuffen Lasten<br />

von Bohrrohren beim Absenken oder Anheben aufnehmen),<br />

der in der weitläufigen Werkshalle aufgebaut ist, zeigt durchaus auch<br />

Das TK <strong>Magazin</strong> | 1 | 2004 |


Blessuren, Oberflächenrisse, die mit sehr viel Aufwand geschlossen<br />

werden müssen. Zumal wenn es sich um einen Prototypen handelt, der<br />

mit einer Überlast bis hin zur Zerreißung des Materials geprüft wird – mit<br />

einer 4000-Tonnen-Presse, deren Anblick allein Achtung, wenn nicht<br />

gar Ehrfurcht erzeugt. Ohne diese Art von Belastungstests verlässt<br />

nichts die Halle. „Unsere Elevatoren, Zangen und Elevatorenbügel müssen<br />

vor der Auslieferung einen Überlasttest mit anderthalbfacher Nutzlast<br />

bestehen“, sagt Lutzhöft. „Die Ölgesellschaften wollen lückenlos<br />

Zertifikate für alle Last tragenden Teile sehen. Dafür brauchen wir dieses<br />

Qualitätssystem.“<br />

Die angelsächsische Sprache hat für das, was die Mitarbeiter herstellen,<br />

einen anschaulichen Begriff: „Pipe Handling Equipment“ heißt<br />

es dort, eine Umschreibung für ein Portfolio, das mittlerweile rund 200<br />

Werkzeuge umfasst, die ein Eigengewicht von mehr als zwei Tonnen<br />

haben können.<br />

Aller durch Computer gesteuerten Technik zum Trotz hat die Herstellung<br />

der Werkzeuge für die Öl- und Gasförderung viel mit Handarbeit<br />

zu tun. Deswegen sind die Mitarbeiter in den dafür eingerichteten<br />

Werkshallen absolute Spezialisten, eine Art Manufakturisten, die sich<br />

mit den <strong>Werkstoffe</strong>n genauso auskennen müssen wie mit dem Wärmebehandeln,<br />

der Festigkeit, den Kerbschlagwerten und Dehnungen. Das<br />

Geschäft ist lukrativ. Sofern es gelingt, ganze Systeme zu verkaufen,<br />

Das TK <strong>Magazin</strong> | 1 | 2004 |<br />

Belastungstests<br />

für alle Fälle<br />

OIL TOOLS 35


36 OIL TOOLS


mit Power Slip und Elevatoren, ist ein solcher Auftrag gut 2,5 Millionen<br />

Euro wert. Sicher herrsche bei solchen Aufträgen meist hoher Termindruck.<br />

Großkunden wie beispielsweise die amerikanische Gesellschaft<br />

GlobalSantaFe haben extreme Vorstellungen von Werkzeugen, die<br />

tatsächlich in eine bisher nicht bekannte Dimension vorstoßen und Elevatoren<br />

mit fast 1400 Tonnen Hebekraft verlangen. Dies freilich in kürzester<br />

Zeit, denn Zeit ist Geld. Sieben Monate, das sollte genügen. Bedenkt<br />

man aber, dass drei Monate notwendig sind, um den passenden<br />

Werkstoff herzustellen, vier Wochen für die weitere Vorbereitung, dann<br />

bleibt für die Fertigung des Prototypen nicht mehr viel übrig. „Dies geht<br />

an die Grenze des Machbaren“, meint Lutzhöft. Er sagt dies aber auch<br />

gar nicht klagend, sondern stellt mit dem ihm eigenen Understatement<br />

sichtlich stolz fest: „Es gelingt uns trotzdem, den Kunden zufrieden zu<br />

stellen. Denn auf der Basis uns bekannter <strong>Werkstoffe</strong> finden wir in kurzer<br />

Zeit innovative Lösungen.“<br />

SERVICE UND WARTUNG STEHEN AUCH IM MITTELPUNKT<br />

Von Hamburg aus, jener Stadt, für die schon immer die weite Welt das<br />

Feld war, machen die Elevatoren von Blohm + Voss Repair ihre Kunden-Reise<br />

zum Zielpunkt in Amerika, Skandinavien, Großbritannien,<br />

Singapur, China, Indien, Südamerika, Kanada. Es sind Präzisionsgeräte,<br />

die schwierigsten Anforderungen gerecht werden müssen. Vom<br />

Werkstoff angefangen, muss aber auch alles bei einem solchen Greifwerkzeug<br />

funktionieren. Andernfalls ist wieder die ganze Kompetenz<br />

von Fachleuten wie Jens Lutzhöft gefragt, die neben der Herstellung<br />

von Elevatoren eines mindestens genauso in den Mittelpunkt rücken –<br />

den Service und die Wartung. 7<br />

Die Ölgesellschaften<br />

haben immer größere Erwartungen<br />

an die Werkzeuge – dem muss<br />

Blohm + Voss Repair gerecht<br />

werden. Elevatoren und Power Slip<br />

stoßen in neue Dimensionen<br />

vor, gebaut aus innovativen <strong>Werkstoffe</strong>n,<br />

die auch bei härtester<br />

Belastung nicht zerbersten.<br />

Das TK <strong>Magazin</strong> | 1 | 2004 |<br />

Qualitätswerkzeug<br />

für Handarbeiter<br />

OIL TOOLS 37


38 KABINENDESIGN


Von Sybille Wilhelm | Fotos ThyssenKrupp Elevator<br />

Ohne Aufzüge gäbe es keine Hochhäuser. Doch damit nicht genug:<br />

Die Erfindung des Fahrstuhls stellte das Haus auch gleich auf<br />

den Kopf. Während die Armen früher im kalten Dachstübchen<br />

hausen mussten – worüber zum Beispiel Spitzwegs „armer Poet“ Zeugnis<br />

ablegt –, waren die unteren Etagen den feinen Herrschaften vorbehalten.<br />

Doch dann kam vor rund 150 Jahren die bewegliche Fahrkabine<br />

und revolutionierte die vertikale Haushierarchie. Der Gesinderaum von<br />

einst wurde um das Jahr 1900 zunächst in amerikanischen Hotels,<br />

wenig später auch in Europa zum teuren Zimmer mit Aussicht. Aus der<br />

Personalkammer wurde das Penthouse.<br />

Da es sich weder damals noch heute schickt, die Mitfahrenden<br />

neugierig zu betrachten, weiß man meist nicht so recht, wohin man<br />

stattdessen blicken soll. Da empfiehlt es sich, die Innenausstattung des<br />

Aufzugs genauer in Augenschein zu nehmen: Die verrät nämlich viel<br />

über den Architekten, den Zeitgeschmack und das Land, in dem man<br />

sich gerade befindet. Anders ausgedrückt: Es gibt sie, die Kultur des<br />

Kabinendesigns.<br />

IN JEDER KABINE GLÄNZT EINE NEUE WELT<br />

Ist der gesamte Aufzug eher klein und die Decke niedrig, befindet man<br />

sich wahrscheinlich gerade in Spanien, Osteuropa oder Asien. „In diesen<br />

Ländern hat man kein Problem damit, dichter neben anderen Leuten<br />

zu stehen“, erläutert Dr. Rembert Horstmann, Leiter der Zentralabteilung<br />

Kommunikation und Marketing bei ThyssenKrupp Elevator. In<br />

westlichen Ländern hingegen baut man die Aufzüge heutzutage so großzügig<br />

wie möglich, damit ein jeder Fahrende seinen persönlichen<br />

Schutzraum hat – so ähnlich wie im Bus, bei denen der eine Fahrgast<br />

dem anderen instinktiv nicht zu dicht auf die Pelle rücken will, wenn viele<br />

Plätze frei sind.<br />

Sind die Seitenwände aus Edelstahl gefertigt, ist man in der Moderne<br />

des Aufzugsbaus angekommen. Denn früher wurden die Fahr-<br />

Die Kultur<br />

fährt immer mit<br />

Das Fahrstuhl-Design verrät vieles<br />

über Land und Leute<br />

Das TK <strong>Magazin</strong> | 1 | 2004 |<br />

Eckige Fahrstühle sind<br />

praktisch, runde dagegen ein<br />

Genuss. Mittlerweile verstecken<br />

Architekten die Aufzüge<br />

nicht länger, sondern bauen<br />

sie als Kleinod im<br />

Gesamtkunstwerk ein.<br />

KABINENDESIGN 39


40 KABINENDESIGN<br />

stühle überwiegend aus Holz gebaut – ein Material, das heute fast nur<br />

noch in Spanien und Amerika Anhänger findet. Allerdings sind die mobilen<br />

Holzräume heute aus Gründen des Brandschutzes nicht mehr<br />

opportun: Aufzüge sollen aus so wenig brennbarem Material wie möglich<br />

bestehen. Nicht zuletzt deshalb sind sieben von zehn Aufzügen aus<br />

dem Hause ThyssenKrupp innen mit dem hochwertigen korrosionsbeständigen<br />

Edelstahl ausgestattet.<br />

Mit dem edlen Stahl hat es noch eine weitere Bewandtnis: Die Aufzüge<br />

von ThyssenKrupp Elevator werden für den mittleren bis gehobenen<br />

Markt gebaut, und die Kunden wollen, dass die Kabinen dies auch<br />

ausstrahlen: „Zwar wirkt Edelstahl nicht gerade warm und gemütlich, ist<br />

aber dafür elegant und hochwertig“, sagt Bernd Scherzinger, Leiter der<br />

Vertriebszentrale in Neuhausen bei Stuttgart. Darüber hinaus ist das Material<br />

langlebig und pflegeleichter, als es die früher beliebten lackierten<br />

Bleche oder gar die Resopalplatten der siebziger Jahre waren.<br />

Der derzeitige „Renner“ ist aus Designer-Sicht der Edelstahl „Korn<br />

220“, der gebürstet und geschliffen satt und samtig glänzt, sowie der<br />

Edelstahl mit Leinenstruktur, auf dem selbst Fettfinger kaum Spuren<br />

hinterlassen. Auch in Rautenmuster oder mit einer Lederstruktur kann<br />

man den Edelstahl bestellen.<br />

Kommt es dem Bauherren mehr aufs Prestige und weniger aufs<br />

Putzen an, kann er den exklusiven, spiegelpolierten Edelstahl ordern und<br />

ihn je nach Geschmack mit geätzten Mustern verzieren lassen. Beliebt<br />

sind diese prunkvolleren Edelstähle eher im asiatischen Raum. In westlichen<br />

Industrieländern wird eine großflächige Spiegelwand im Aufzug<br />

höchstens auf der gegenüberliegenden Seite des Eingangs angebracht:<br />

Damit soll es Rollstuhlfahrern leichter gemacht werden, rückwärts aus<br />

dem Aufzug zu rangieren. Kunden vor allem aus dem arabischen Raum<br />

mögen Fahrkabinen, die noch mehr als „nur“ in Edelstahl glänzen: Dort<br />

funkeln die Bleche öfter mal in Kupfer, Messing oder Gold. „In Ländern<br />

wie Deutschland gibt es in aller Regel keine goldenen Aufzüge“, sagt<br />

Bernd Scherzinger. „Das wäre in unseren Breitengraden zu prunkvoll.“<br />

ThyssenKrupp gilt zwar als der größte Produzent von Edelstahl auf<br />

der ganzen Welt, ist aber zum Glück nicht allein auf den Aufzugsbau angewiesen.<br />

Denn „dort werden nur Apothekermengen verarbeitet“, erläutert<br />

Rembert Horstmann. „Das, was man vom Aufzug sieht, erweckt<br />

den Eindruck, er besteht nur aus Edelstahl.“ Den Edelstahl, der auf der<br />

ganzen Welt im Jahr insgesamt in der Aufzugsbranche verbaut wird,<br />

kann ThyssenKrupp in rund zwei Wochen produzieren.<br />

DIE ZUKUNFT LEBT VON DER TRANSPARENZ<br />

Andere Trends deuten sich im Kabinendesign an. Seit ein paar Jahren<br />

liebt der Geschmack beim Fahrstuhlbau Durchsichtiges. Etwa jeder fünfte<br />

Aufzug, den ThyssenKrupp baut, besteht mittlerweile aus Glas. „Das<br />

verlangt auch ganz andere optische Maßstäbe an das Schachtgerüst“,<br />

erläutert Scherzinger. Bei „normalen“ Aufzügen gilt nämlich buchstäblich:<br />

All das, was man als Aufzugfahrer nicht sieht, muss nicht schön,<br />

sondern nur praktisch sein. Also sind die Kabinenbleche rückseitig beispielsweise<br />

mit Dämmmaterial verklebt, der Schacht besteht aus<br />

schmucklosem Beton und hinter wenigen Millimetern Edelstahl kommt<br />

gleich ein Stahlblech. Darüber hinaus sind alle Kabinen mit Fangsystemen<br />

ausgerüstet, die das aus Hollywood-Streifen bekannte Absturz-<br />

Szenario – das übrigens frei erfunden ist, denn seit 1853 sind Aufzüge<br />

absturzsicher konstruiert – unmöglich machen. Auch Glasaufzüge haben<br />

all diese Sicherheits-Elemente, die ein Aufzug braucht, doch dort sind<br />

sie eben so unsichtbar wie möglich – was natürlich kostspieliger ist.<br />

Gläserne Aufzüge werden meist als architektonische Blickfänge<br />

verwendet. Außerdem kann der König Kunde im Kaufhaus majestätisch<br />

Einblick in Vergangenheit und Gegenwart


durch die Halle schweben – und noch das ein oder andere entdecken,<br />

das er kaufen kann. In Bahnhöfen oder Flughäfen ist die Transparenz jedoch<br />

vor allem der Sicherheit geschuldet: Zum einen sollen Passagiere<br />

vor unbeobachteten Gewalttaten geschützt werden. Zum anderen soll<br />

das Verstecken etwa von Bomben unmöglich gemacht werden.<br />

Die Glasaufzüge haben sogar noch einen ganz anderen Vorteil:<br />

„Niemand kommt auf die Idee, aus Langeweile an die Wände zu kritzeln“,<br />

sagt Bernd Scherzinger. „Denn er fühlt sich beobachtet.“ Den<br />

gleichen psychologischen Effekt erzielt im Übrigen auch ein einfacher<br />

Spiegel. „Selbst wenn der Täter sich bloß selbst sieht, fühlt er sich beobachtet<br />

und nimmt davon Abstand, etwas zu zerstören.“<br />

Der Aufzug steht nach langen Jahren als unbeachteter Lastenträger<br />

heute auch bei den Architekten hoch im Kurs. War er früher ein notwendiges<br />

Übel, das es möglichst zu verstecken galt, ist er heute oft ein<br />

architektonisches Kleinod, das sich in die Baukunst einpassen soll. So<br />

verzichten manche Architekten auf die Platz sparende Form des Rechtoder<br />

Vierecks und wählen ein verschwenderisches Rund. Der Übergang<br />

von der Empfangshalle zum Aufzug soll heute möglichst harmonisch<br />

sein – etwa durch die Wahl des gleichen Bodenbelags wie zum Beispiel<br />

Marmor oder Fliesen. Oder aber es wird ein nicht allzu dominanter Standarduntergrund<br />

gewählt.<br />

Die Aufzugsdecke besticht ebenfalls meist durch schlichte Eleganz.<br />

Licht und Luft soll sie spenden und ansonsten recht unauffällig sein.<br />

Allerdings lohnt sich ein Blick nach oben: Dort gibt es von der klassischen<br />

Lampe über Halogenspots oder einer Kassettendecke bis hin zur<br />

indirekten Beleuchtung oder mit Lasern geschnittenen Mustern im<br />

Deckenblech fast nichts, womit nicht auch große Räume illuminiert werden.<br />

Oft sind über den Köpfen auch Ventilatoren versteckt – in Asien beispielsweise<br />

ein Muss, um überhaupt das feuchtwarme Klima zu ertra-<br />

Facelifting schafft Emotionen:<br />

Im Stuttgarter SI-Centrum<br />

und im Ana Grand Hotel in Wien<br />

(Fotos ganz links) sehen die<br />

Fahrkabinen viel älter aus als<br />

sie wirklich sind. In Banken<br />

dagegen signalisieren moderne<br />

Fahrstühle von Beginn an<br />

nüchterne Professionalität.<br />

KABINENDESIGN 41<br />

gen. Immer aber sind im Türbereich Luftschlitze. „Ersticken kann man<br />

also nicht, selbst wenn man mal stecken bleibt“, räumt Bernd Scherzinger<br />

mit einem weiteren Vorurteil gegen Aufzüge auf.<br />

Ebenfalls unauffällig und praktisch sind die Fußleisten und der<br />

„Handlauf“. Die Stangen auf Hüfthöhe aus Holz oder Edelstahl sind zwar<br />

auch fürs gelegentliche Festhalten oder Abstützen gedacht, aber vor<br />

allem sollen sie Einkaufswagen und andere Dinge davon abhalten,<br />

gegen die Aufzugswand zu schlagen. Holz wirkt hier edel, ist aber empfindlicher<br />

als Edelstahl.<br />

DIE ÄSTHETIK REICHT BIS INS KLEINSTE TEIL<br />

Ohne das sichtbare Herzstück schließlich geht beim Aufzug gar nichts:<br />

Das so genannte Bedienpaneel bestimmt, wohin die Reise gehen soll.<br />

Das heute am häufigsten verwendete System ist der Druckknopf, der<br />

sich in den zwanziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts etablierte.<br />

Damals machte er den Berufsstand des Fahrstuhlführers überflüssig,<br />

weil der „Selbstfahrer“ den komplizierten technischen Vorgang im<br />

Hintergrund ganz einfach selbst bedienen konnte.<br />

Doch bald gerät der Knopf wohl selbst unter Druck. Die nächste<br />

Aufzugsgeneration wird mit Hilfe von so genannten Touchscreens bedient.<br />

Dabei berührt der Fahrgast bloß noch ein Feld auf einem kleinen<br />

Bildschirm und der muss sich nicht mehr im Aufzug befinden. Denn<br />

mittlerweile gibt es derlei Bediensysteme an einer zentralen Stelle auf<br />

der Etage, die die intelligentesten Fahrwege für die einzelnen Aufzüge<br />

heraussuchen. Das spart Energie, Zeit und auch Platz im Gebäude. Einmal<br />

mehr wird diese Zielauswahlsteuerung Teil jener Kabinen-Ästhetik,<br />

die auch in Zukunft mit welchen Materialien und mit welchem Design<br />

auch immer eines spiegeln wird: die Kultur des Landes, in welchem der<br />

Aufzug die Fahrgäste befördert. 7


42 DOMBAUMEISTERIN


Schätzungsweise neun Millionen Menschen im Jahr besuchen ihn,<br />

den Dom zu Köln. Stets mit dem Gefühl des Erstaunens über das<br />

schier nicht enden wollende Gebirge aus Steinen, das geradezu<br />

den Himmel berühren möchte.<br />

Gerieben freilich hat sich die Menschheit durch alle Zeiten an dieser,<br />

wie es der Dichter Heinrich Heine in seinen „Stänkerreimen“ ausdrückte,<br />

„Bastille des Geistes“. Ihm gefiel der Dom nicht. Er war ihm ein<br />

„kolossaler Gesell“, „er ragt verteufelt schwarz empor / Das ist der Dom<br />

von Köllen“.<br />

An der Schwärze seines Äußeren hat sich wahrhaftig nichts geändert.<br />

Auch nicht daran, dass der Dom, bautechnisch betrachtet, eine<br />

Baustelle ist und bleibt. Wer wüsste dies besser als Barbara Schock-<br />

Werner, die erste Frau, die seit dem 1. Januar 1999 im herausragenden<br />

Amt der Dombaumeisterin arbeitet?<br />

Baustelle hin, Baustelle her, natürlich hat die Dombaumeisterin<br />

zuerst klare Prinzipien: „Der Dom ist ein Mahnmal für Gott.“ Kein Mahnmal<br />

für Kriegszerstörung oder für den zerstörenden Einfluss schädlicher<br />

Stoffe in der Umwelt, auch kein Museum, sondern eine Kirche. Punkt.<br />

So ist es, und so bleibt es.<br />

Umso leichter lässt sich auf dieser unumstößlichen Basis der<br />

Dom als Baustelle mit unterschiedlichsten Anforderungen betrachten.<br />

Ein wunderbares Areal für <strong>Werkstoffe</strong>, zum Beispiel auch Stahl. Dazu<br />

hat Frau Schock-Werner eine klare Auffassung: „Stahl ist ein besonderes<br />

Produkt. Gerade in den höher gelegenen Teilen setzen wir gern Edelstahl<br />

ein, denn nur dieser ist der dauerhaften harten Beanspruchung<br />

bei Wind und Wetter gewachsen.“ Mit Edelstahl-Winkeln wird das Segment<br />

ThyssenKrupp Steel in diesem Jahr einen sprichwörtlich stabili-<br />

Das TK <strong>Magazin</strong> | 1 | 2004 |<br />

DOMBAUMEISTERIN 43<br />

Edelstahl für das Mahnmal Gottes<br />

Der Kölner Dom ist Deutschlands bekannteste Attraktion.<br />

Barbara Schock-Werner ist die Baumeisterin am Dom – „eine richtig tolle Aufgabe“<br />

Von Heribert Klein | Fotos Barbara Klemm<br />

sierenden Beitrag leisten: Die Besucherumgänge am Südturm in luftiger<br />

Höhe von rund hundert Metern, Tag für Tag von Tausenden frequentiert,<br />

bedürfen neuer Stahlträger. Diese wird Steel liefern. „Die Witterung<br />

hat auch diese tragenden Winkel zerstört“, sagt lakonisch die<br />

Dombaumeisterin. Andererseits, die Beanspruchung ist groß, denn die<br />

zahlreichen Besucher nehmen die allein konditionelle Herausforderung<br />

gern an und stapfen Stufe für Stufe zu diesem Besucherumgang – der<br />

ungestörte Blick über die Weite von Köln, hinüber zum Horizont, der sich<br />

in der Ferne zu verlieren scheint, lohnt den körperlichen Aufwand. Die<br />

Frage, weshalb durchweg nur noch Edelstahl im und am Dom verwendet<br />

wird, wenn tragende Teile ersetzt werden müssen, lenkt Frau<br />

Schock-Werner ins Grundsätzliche: „Ziel jeder unserer Maßnahmen ist<br />

es, uns möglichst überflüssig zu machen. Anders gesagt: Das Material<br />

soll so lange wie möglich halten.“<br />

DIE WITTERUNG HAT TRAGENDE WINKEL ZERSTÖRT<br />

Damit ist eine Weisheit bestätigt, die so alt ist wie der Dom selbst: Sollte<br />

er denn jemals vollendet sein, ist der Beginn der Ewigkeit gekommen.<br />

Das kann dauern. Also begnügt man sich mit der Nichtvollendung,<br />

und macht daraus gleich eine Theorie, wie sie der Dichter Heine<br />

entwickelt hat: „Er ward nicht vollendet – und das ist gut, / Denn die<br />

Nichtvollendung / Macht ihn zum Denkmal von Deutschlands Kraft /<br />

Und protestantischer Sendung.“<br />

Mit dieser Art von Poesie kann die Baumeisterin wenig anfangen.<br />

Als sie vor wenigen Jahren, zur Überraschung vieler Außenstehender,<br />

in ihr Amt gewählt wurde, ordnete man sie gleich ein: katholisch,<br />

schwindelfrei, weiblich, tatkräftig, temperamentvoll, willensstark, ein<br />

Das Ziel der Dombaumeisterin<br />

ist nachhaltig: Das Material am<br />

Dom soll so lange wie möglich<br />

halten. Ein Netz aus Edelstahl<br />

bietet am Südturm den Besuchern<br />

Schutz – und gewährt dennoch<br />

Ein- und Ausblicke


44 DOMBAUMEISTERIN<br />

Wirbelwind, der die Hosen an hat. In ihrem Hosenanzug wirkt sie elegant,<br />

stilvoll, in ihrem kleinen Büro in einem Gebäude auf der Kölner<br />

Domplatte. Schreibtisch, Besuchertisch und Schränke strahlen den Charme<br />

von Möbelstücken aus, die die Vergangenheit überdauern. Doch<br />

der Computer auf dem Schreibtisch macht gleich deutlich, dass Barbara<br />

Schock-Werner nicht in der Vergangenheít lebt. Überhaupt nicht.<br />

„Wir leben in der Gegenwart und sind deswegen modern. Das möchte<br />

ich auch nach außen hin zeigen. Ich erfülle hier eine Funktion, ich verwende<br />

Materialien unserer Zeit – und werde in einigen Jahren auch<br />

wieder verschwinden, wenn das Alter gekommen ist.“<br />

An Beispielen mangelt es ihr nicht. In der neu hergerichteten<br />

Schatzkammer seien mit Absicht moderne Materialien zum Einsatz gekommen,<br />

Edelstahl etwa, dem sie wegen der Eleganz, der Ästhetik und<br />

der Geradlinigkeit viel abgewinnen kann.<br />

Wie es nun mal mit den ästhetischen Kategorien ist: Sie sagen viel<br />

über denjenigen oder diejenige aus, die sie kundtun. Sicher ist der Dom<br />

für die Leiterin der Dombauhütte sehr viel mehr als eine schnöde Baustelle.<br />

Ihre Funktion würde sie dementsprechend auch nie als Job bezeichnen,<br />

dann schon eher als „richtig tolle Aufgabe“. Bei der es, wie<br />

sie ehrlich zugibt, mitunter Tage gibt, in denen sie den Eindruck habe,<br />

Normalität sei die Ausnahme – Abstrusitäten, Eigenarten, Verrücktheiten<br />

dagegen die Regel. Und dennoch: Sie sucht nicht die Konfrontation,<br />

sondern das Gespräch, den Ausgleich zwischen den unterschiedlichen<br />

Interessen.<br />

DIE DOMBAUMEISTERIN BEHERRSCHT VIELES<br />

Ein Glück nur, dass der Dom sich selbst gehört, keinem anderen. Der<br />

Dom ist, rechtlich gesehen, auf sich selbst eingetragen – weshalb auch<br />

niemand Besitzansprüche erheben kann. Was man erreichen kann,<br />

sind Patenschaften oder fürsorgliches Wirken, wie sie sich etwa das<br />

Domkapitel oder der Dombauverein zueigen macht.<br />

Wer im Brennpunkt solch unterschiedlicher Interessenlagen steht,<br />

bedarf der persönlichen Robustheit. Die würde der Dombaumeisterin<br />

niemand absprechen, schon von der Herkunft her. Heute Mitte fünfzig,<br />

wuchs sie in Stuttgart auf. Die schwäbische Handwerkerfamilie hinterließ<br />

Spuren: „Das deutsche Bildungswesen durchlief ich sozusagen diagonal.<br />

Mittlere Reife, danach Bauzeichnerlehre, weil ich mich schon<br />

immer einerseits für die Kunst, andererseits für die Mathematik interessierte.<br />

Dem folgte ein Architekturstudium an der Fachhochschule in<br />

Stuttgart.“ Um die Diagonale weiterzuführen: zwischendurch absolvierte<br />

sie auch ein Praktikum auf dem Bau als Maurer, später bei einem Zimmermann.<br />

Das Prüfstück verschweigt sie nicht: ein zweizügiger Kamin,<br />

Tragende Winkel<br />

aus Stahl


DOMBAUMEISTERIN 45<br />

Die Besucherumgänge am<br />

Südturm, in einer Höhe<br />

von hundert Metern, brauchen<br />

neue Stahlträger. Die Edelstahlprofile<br />

von ThyssenKrupp Steel<br />

werden Wind und Wetter<br />

gewachsen sein.


46 DOMBAUMEISTERIN


von ihr selbst gemauert. Und all das hat sie prädestiniert – um in die<br />

Fußstapfen von Meister Gerhard zu treten, dem mittelalterlichen ersten<br />

Baumeister, der wiederum vom mittelalterlichsten aller Denker, dem<br />

Gelehrten Albertus Magnus, beeinflusst wurde?<br />

Dombaumeisterin in Köln zu sein, ist keine schöngeistige Arbeit.<br />

Es ist, wenn man so will, die Anwendung der Kenntnis der antiken Sieben<br />

Freien Künste – dem „Trivium” (der Grammatik, Rhetorik, Dialektik)<br />

und dem „Quadrivium” (Geometrie, Arithmetik, Astronomie, Musik).<br />

Himmlische Harmonie, in einem sehr irdischen Haus, das aber dank<br />

seiner Geometrie im Großen wie im Kleinen die Menschen bewegt. Wer<br />

ließe sich nicht dadurch beeindrucken, verloren in einem Raum zu stehen,<br />

dessen Inhalt 400.000 Kubikmeter misst? Da geht es Frau<br />

Schock-Werner nicht anders als jedem der Besucher, die durch den<br />

Dom schreiten, schlendern oder schlurfen.<br />

Ist es Arbeit an einer gigantischen Fassade, in einer Art Potemkinscher<br />

Kirche? Nein, das würde die Meisterin der Dombauhütte strikt<br />

bestreiten. Neueste wissenschaftliche Erkenntnisse kommen zum Einsatz,<br />

bei der Steinkonservierung (zum Beispiel mit dem Acryl-Volltränkungsverfahren,<br />

bei dem Steine mit dem Kunstharz Methyl-Methacrylat<br />

getränkt werden, was wiederum im Inneren der Steine polymerisiert).<br />

Gern würde sie auch mit Metallurgen zusammenarbeiten, um Erkenntnisse<br />

darüber zu gewinnen, welche Legierungen bei verwendeten<br />

Stählen besonders witterungsbeständig sind. Platz für entsprechende<br />

Versuche hoch oben an den Türmen des Steinhauses gibt es genügend.<br />

Die Verwendung von Edelstahl ist jedenfalls heute unverzichtbar,<br />

wenn neue Stahlprofile oder –träger gebraucht werden.<br />

Dem Detail in einer groß, ja gigantisch angelegten Konzeption gerecht<br />

zu werden, darin sieht die Dombaumeisterin ihre Aufgabe. Überreich<br />

an Details, die vom Fundament bis zu den Turmspitzen reicht, wird<br />

die Restaurierung nie zu einem Ende kommen. Eine frustrierende Aus-<br />

Die Meisterin für den<br />

„kolossalen Gesell“<br />

Der Dom wird nie<br />

vollendet sein. Denn ein Raum<br />

mit vierhunderttausend<br />

Kubikmetern Inhalt instand<br />

zu halten, ist eine Aufgabe<br />

ohne Ende. Wenn jemals die<br />

Vollendung erreicht sein sollte,<br />

beginnt die Ewigkeit. Das<br />

aber kann dauern.<br />

Das TK <strong>Magazin</strong> | 1 | 2004 |<br />

DOMBAUMEISTERIN 47<br />

sicht? Auch da ordnet sie sich in eine lange währende Tradition ein. Im<br />

direkten wie im übertragenen Sinn: „Kirche in säkularer Welt, das ist für<br />

mich das Bild dieses Doms, und es ist auch das Bild der Kirche in unserer<br />

Gegenwart. An dieser Kirche will ich mitarbeiten.“<br />

DIE DOMBAUMEISTERIN STEHT MITTEN IM LEBEN<br />

Eine Sisyphus-Aufgabe ist es jedenfalls nicht. Der Fortschritt ist durchaus<br />

sichtbar. Die Kriegsschäden etwa geraten mehr und mehr aus dem<br />

Blickfeld. Ein im Krieg angeschossener Strebebogen im Chorbereich<br />

wurde durch einen neuen ersetzt, in diesem Jahr wird die so genannte<br />

Plombe verschlossen – eine Flickstelle, die 1944 notdürftig mit Ziegeln<br />

schnell vermauert wurde. „Eine sehr komplizierte Stelle mit aufwändiger<br />

Gliederung und anspruchsvollen Skulpturen, deren Restaurierung<br />

wir aber jetzt zum Abschluss bringen.“<br />

Sisyphus, heißt es bei Camus, müsse ein glücklicher Mensch<br />

sein, finde er doch den Sinn im Nicht-Sinn. Ihre unbekümmerte, fast<br />

schon rheinisch unbeschwerte Art mag Frau Schock-Werner vor solcher<br />

nihilistischer Sinngebung bewahren. Gegen den Begriff konservativ hat<br />

sie nichts, schon von Berufs wegen, als Sachverständige in Fragen des<br />

Bewahrens und Erhaltens. Aber ihr Denken ist immer in die Zukunft gerichtet,<br />

was ihre Neugierde erklärt in Fragen der Werkstoffforschung,<br />

der Steinkonservierung. Im Übrigen, wenn man wie sie einen Betrieb<br />

wie die Dombauhütte mit mehr als 80 Angestellten, etlichen Millionen<br />

Jahres-Budget und einer beträchtlichen Außenwirkung leitet, darf man<br />

kein Traumtänzer sein, sondern muss mitten im Leben stehen.<br />

Das tut sie mit Verve, mit größter Überzeugung, dass die Aufgabe,<br />

Dombaumeisterin in Köln zu sein, ein Traumberuf ist, arbeitet sie<br />

doch an einem Haus, das die Brücke zur Ewigkeit schlägt und nicht, wie<br />

Goethe eher süffisant schrieb, einem „Märchen vom Turme zu Babel an<br />

den Ufern des Rheins“ gleicht. 7


48 LiDONIT<br />

Von Sebastian Groß | Fotos Rainer Kaysers<br />

Sprachlich sollte man in diesem Fall schon genau werden. Denn<br />

anfallen heißt nicht abfallen. „Schlacke ist kein Abfall, sondern<br />

wird bei der Stahlproduktion erzeugt.“ Die korrekte Formulierung<br />

stammt von Michael Joost, zuständiger Mitarbeiter in der Unternehmensentwicklung<br />

der DSU Gesellschaft für Dienstleistungen und Umwelttechnik,<br />

die zu ThyssenKrupp Services gehört und den Asphalt-<br />

Spezialisten DEUTAG als zweiten Gesellschafter hat.<br />

Was demnach anfällt, ist ein Fall für sich, der unterdessen einen<br />

eigenen Namen hat: LiDonit. Das Wort stammt nicht aus kryptischen<br />

Lautquellen, sondern gründet in ganz einfacher Herkunft. Joost, ein<br />

ausgebildeter Aufbereiter, vermittelt nicht den Eindruck, als sei er der<br />

Verkäufer eines Gegenstands, den er nur vom Hörensagen her kennt.<br />

Wenn er zum Ausdruck bringt, bei dem neuen Produkt stecke der Teufel<br />

im Detail, glaubt man ihm dieses auf Anhieb. Denn er kann auf<br />

Nachfrage auch über das letzte verborgene LiDonit-Detail aufklären.<br />

Beginnend beim Namen: „LiDonit ist ein eingetragenes Wortzeichen,<br />

das sich von den österreichischen Stahlwerken in Linz und Donawitz<br />

sowie dem danach benannten Stahlherstellungsprozess mit dem griechischen<br />

Wort für Stein (lithos) ableitet.“ Fortfahrend bei dem, was das<br />

Wortzeichen inhaltlich bedeutet: „LiDonit ist ein synthetischer Mineralstoff,<br />

der aus der calciumsilikatreichen Schmelze bei der Stahlerzeugung<br />

gewonnen wird.“<br />

WIE DER MINERALSTOFF ZUM LEBEN ERWACHT<br />

Die abstrakte Erklärung in seinem Büro in Duisburg-Ruhrort wird greifbar,<br />

als er mit Helm, Schutzbrille, geeigneten Schuhen und Schutzjacke<br />

dorthin eilt, wo der wundersame Mineralstoff zum Leben erwacht: im<br />

Stahlwerk II der ThyssenKrupp Stahl AG in Duisburg-Beeckerwerth.<br />

Ein Abstich ist und bleibt ein Erlebnis. Denn die Urkräfte des Feuers,<br />

das im gefüllten Oxygenstahlkonverter mit Hilfe eingeblasenen<br />

Sauerstoffs einen einzigartigen Flammenrausch entfacht und nebenbei<br />

flüssiges Roheisen, Schrott und Zusätze zum Brodeln und Kochen<br />

bringt – der Vorgang scheint zurückzulenken zu den vulkanischen Aus-<br />

Edelsplitt, der<br />

unter die<br />

Räder kommt<br />

LiDonit ® heißt die stabilisierte Schlacke,<br />

die bei der Stahlherstellung erzeugt wird.<br />

Ihre Wirkung ist nachhaltig, denn sie<br />

wird beim Straßenbau verwendet


LiDonit ist am Ende ein körniges<br />

Material, das nach<br />

dem Erkalten von großen<br />

Brechern „runtergeknackt“<br />

wird. Bagger haben zuvor<br />

das Beet geräumt, in denen<br />

die Schlacke aus Kübelwagen<br />

entleert wurde.<br />

LiDONIT 49


50 LiDONIT


LiDONIT 51<br />

Mineralstoff mit Potenzial<br />

Beim Abkippen aus dem<br />

Konverter wird die Schlacke<br />

vom Rohstahl getrennt.<br />

Eingeblasener Sauerstoff<br />

verwirbelt Quarzsand zusammen<br />

mit der Schlacke zu einem<br />

hochwertigen Rohstoff. Im Beet<br />

kühlt LiDonit eine Woche lang<br />

ab, um dann in aufbereiteter<br />

Form als Fertigprodukt<br />

gelagert zu werden.


52 LiDONIT<br />

brüchen in grauer Vorzeit, als die Erde langsam in Jahren und Jahrtausenden<br />

zu ihrer (erkalteten) Form fand.<br />

Doch es ist eben nicht nur die kostbare Rohstahlmasse, die im<br />

Konverter entsteht, sondern die oft genug verächtlich „Abfall“ genannte<br />

Schlacke. „Beim Abkippen wird jetzt der Rohstahl von der Schlacke<br />

getrennt“, erläutert Joost den Kipp-Vorgang, bei dem der Konverter<br />

sich einmal nach links, dann nach rechts neigt. 27 Tonnen der rötlichgelb<br />

siedenden Schlacke werden in den bereitgestellten Kübel abgegossen<br />

– der nur wenige Augenblicke später langsam weiter rollt: zur<br />

derzeit weltweit einzigen Anlage, in der, präzis ausgedrückt, die Linz-<br />

Donawitz-Schlacke stabilisiert wird.<br />

WESHALB LIDONIT EIN WERTVOLLER MINERALSTOFF IST<br />

Es ist schon erstaunlich, die spätere, endgültige Form von LiDonit zu<br />

sehen – ein körniges Material, das in großen Brechern, wie man sie aus<br />

herkömmlichen Steinbrüchen kennt, auf eine unterschiedlich große<br />

Körnung „runtergeknackt“ wird, wie der Fachmann sagen würde. Was<br />

immer noch nicht ahnen lässt, wo der synthetische Mineralstoff am<br />

Ende tatsächlich verwendet wird: als zentraler Bestandteil einer Asphaltdeckschicht,<br />

mit denen Straßen gebaut werden. „Die stabilisierten<br />

Schlacken weisen eine sehr hohe Griffigkeit und eine nicht weniger<br />

hohe Festigkeit aus“, sagt DSU-Mann Joost. „Im Sinne der nachhaltigen<br />

Verwendung ist LiDonit ein idealer Stoff, der für Straßenbauer genauso<br />

interessant sein müsste wie für Umweltpolitiker“, fährt Joost fort.<br />

Denn nicht nur der Stahl, sondern auch die Schlacke sei für sich genommen<br />

ein Produkt mit Wertschöpfungspotenzial – was erwarte man<br />

mehr von <strong>Werkstoffe</strong>n in heutiger Zeit?<br />

Zwei Bereiche von ThyssenKrupp arbeiten in diesem Fall Hand in<br />

Hand. Carl-Heinz-Schütz, ein promovierter Ingenieur, der als Direktor<br />

für den Bereich Rohstahl, Division Metallurgie/Grobblech verantwortlich<br />

ist, verhehlt nicht seine Genugtuung über diese Verwendung von<br />

Schlacke mit<br />

hoher Griffigkeit<br />

Schlacke. Der Mann Ende fünfzig, der sich (kahlköpfig) durch Probleme<br />

im beruflichen Alltag keine grauen Haare mehr wachsen lässt, vermittelt<br />

jene Souveränität, die man mit den rhythmisch langfristig und<br />

übersichtlich geregelten Vorgängen im Stahlwerk verbindet. In der<br />

Ruhe liegt wie immer die Kraft – was in diesem Fall ganz und gar nicht<br />

ein durchschlagendes Argument gegen Schnelligkeit ist. Schütz berichtet,<br />

dass die Stahl-Leute gern die Idee Ende der neunziger Jahre<br />

aufnahmen, Edelsplitte zu produzieren, „unter Einsatz einer Lanze, die<br />

Sauerstoff und Quarzsand in die noch flüssige Schlacke einbläst“. Das<br />

Silicium verdünne die Schlacke. „Je geringer das Verhältnis von<br />

Calcium- zu Siliciumoxid, desto dünnflüssiger die Schlacke. Durch die<br />

Beimischung von Quarzsand werden freie Kalkanteile in den Calciumsilikaten<br />

gebunden.“<br />

Sehenden Auges diesen Vorgang zu betrachten, verbietet sich.<br />

Die Einblaslanze erzeugt einen solch grell-weißen Lichtreflex, dass nur<br />

Farbfilter die Augen vor dauerhafter Schädigung schützen können.<br />

Knapp eine Viertelstunde vergeht – fertig ist die LiDonit-Masse angerichtet.<br />

Und dann?<br />

Die Idee für diesen Mineralstoff habe, sagt Joost, in der Absicht<br />

gelegen, kalkreiche Schlacken, die sonst nicht als Straßenbaustoff zu<br />

verwenden seien, trotzdem sinnvoll weiterzuverarbeiten. „Damit geben<br />

wir verstärkt Mineralstoffe in den natürlichen Kreislauf zurück.<br />

Schlacken mit hohen freien Kalkanteilen, die wegen der Volumeninstabilität<br />

für den Straßenbau normalerweise nicht zu gebrauchen sind,<br />

werden auf diese Weise richtig interessant.“<br />

200.000 Tonnen LiDonit könnte das Stahlwerk II im Stabilisierungsverfahren<br />

bereitstellen. Die Nachfrage, weiß Joost zu berichten,<br />

steigt. Derzeit verlassen 120.000 Tonnen stabilisierter LD-Schlacke<br />

glühend heiß jährlich das Werk, um wenige hundert Meter entfernt aus<br />

dem flüssigen Zustand in einen festen zu wechseln. Dazu sind Beete<br />

angelegt, nicht in Manier des Kleingärtners, dessen „home“ sein<br />

Das TK <strong>Magazin</strong> | 1 | 2004 |


Das TK <strong>Magazin</strong> | 1 | 2004 |<br />

LiDonit ist ein Beispiel<br />

dafür, dass die DSU innovative<br />

Produkte entwickelt. Die Nachfrage<br />

nach dieser Schlacke ist<br />

steigend, denn von ihr profitiert<br />

der Deutschen liebstes Kind –<br />

das Auto auf den Straßen<br />

LiDONIT 53<br />

„castle“ ist. Die Beete (auch Tröge genannt) verbreiten keine Ästhetik,<br />

sondern reine Funktionalität. Trotzdem, allein das Farbspiel würde<br />

jeden Schrebergärtner begeistern. Denn die Schlacke im Kübelwagen<br />

fließt in das schwarze Beet, auf schon vorhandene, merklich abgekühlte<br />

Schlacke, die bereits im Trog vor sich hin abkühlt. Mehrere Tage wird<br />

ein ums andere Mal der Kübelwagen entleert. Eine Woche muss die<br />

Masse abkühlen, um kristallin zu erstarren. Die Qualität erkennt man<br />

schon daran, dass die Oberfläche von LiDonit nicht wie grobe Schollen<br />

im Eismeer herausstechen. LiDonit erstarrt völlig eben und ausgeglichen<br />

– nach einer Woche rücken die Bagger an, um das Beet zu entleeren.<br />

Muldenkipper übernehmen den Transport zum Brecher, von dort<br />

geht die Reise der stabilisierten Schlacke zum Straßenbauer. Gemischt<br />

mit Bitumen, Faser- und Mineralstoffen entsteht das Material, das dem<br />

liebsten Kind der Deutschen, dem Auto, Griffigkeit (Grip) und Festigkeit<br />

gegen schwere Lasten garantiert.<br />

WARUM LIDONIT UNSERE UMWELT SCHONT<br />

„Schlackenmanagement“ lautet das Angebot, das Michael Joost und<br />

die DSU als Dienstleister unterbreiten. Auch wenn die LiDonit-Herstellung<br />

Geld kostet – Joost sieht große, von vielen bisher gar nicht erkannte<br />

Potenziale in diesem Mineralstoff. Noch so eine Devise: „LiDonit<br />

schont unsere Umwelt. Der Einsatz des Stoffes schont natürliche Ressourcen.“<br />

Ob dieses vor allem Politikern, die ihr Dasein dem vorsichtigen<br />

Umgang mit den natürlichen Ressourcen verschrieben haben,<br />

schon bekannt ist – wo doch andernfalls Naturgestein in Steinbrüchen<br />

herausgebrochen und herbeigeschafft werden müsste?<br />

Die Zeiten, dass neue Deponien genehmigt werden, sieht er<br />

schwinden. Umso mehr sieht er die LiDonit-Zeit kommen. Von wegen<br />

Schlacke als schnöder Abfall! „Edelsplitt“ nennt Michael Joost den Stoff<br />

LiDonit, den die DSU im wahrsten Sinn des Wortes unter die Leute,<br />

noch mehr aber unter die Räder bringen will. 7


54 NEWSTEELBODY


Das Auto der<br />

Zukunft ist voller<br />

Leichtigkeit<br />

Der NewSteelBody von ThyssenKrupp Stahl ist<br />

ein Schaustück für feinste Stahlwerkstoffe<br />

Von Rüdiger Abele | Fotos ThyssenKrupp Stahl<br />

Der virtuose Umgang mit<br />

dem Werkstoff Stahl macht den<br />

NewSteelBody so leicht und<br />

stabil. Die vorderen Längsträger<br />

beispielsweise werden mit<br />

Hilfe von Wasser in Form<br />

gebracht und enthalten Stähle<br />

unterschiedlicher Festigkeit.<br />

Das TK <strong>Magazin</strong> | 1 | 2004 |<br />

NEWSTEELBODY 55<br />

Stabil und leicht – so soll die Rohkarosserie eines modernen Autos<br />

sein. Dabei kommt modernen Leichtbau-<strong>Werkstoffe</strong>n, die bei<br />

hoher Festigkeit gut umformbar sind, eine große Bedeutung zu –<br />

Materialien, wie sie ThyssenKrupp Stahl zahlreich im Programm hat.<br />

Das Unternehmen sorgte auf der größten Automesse der Welt, der IAA<br />

2003 in Frankfurt, für eine Überraschung: Präsentiert wurde die Rohkarosserie<br />

eines Minivans, die genauso stabil ist wie das Referenzmodell,<br />

der bewährte und beliebte Opel Zafira, dabei aber um 24 Prozent<br />

leichter und kaum teurer – nicht nur für Techniker war dies eine kleine<br />

Sensation. Denn wenn der „NewSteelBody“, so der Name des Projekts,<br />

eines Tages in der Großserie zu finden ist, hat der Autokäufer davon<br />

großen Nutzen: Zum Beispiel verbraucht sein modernes Gefährt, weil es<br />

leichter ist, pro Kilogramm Autogewicht weniger Treibstoff.<br />

HOCHFESTER STAHL MIT MODERNER FERTIGUNG<br />

„Wir wollen mit dem NewSteelBody zeigen, was heutzutage möglich<br />

ist“, sagt Dr.-Ing. Markus Weber, Bereichsleiter in der Division Auto von<br />

ThyssenKrupp Stahl in Duisburg. Und stellt klar: „In den Automobilbau<br />

steigt ThyssenKrupp Stahl damit aber nicht ein.“ Der NewSteelBody<br />

verstehe sich vielmehr als ein fachliches Angebot an die Fahrzeughersteller,<br />

auf die Kompetenz des Werkstofflieferanten zuzugreifen. „Denn<br />

kaum jemand ist so nah dran am Stahl wie wir.“<br />

Wichtig für das Konzept des NewSteelBody ist, dass er mit verfügbaren<br />

Technologien und Materialien hergestellt werden kann. So<br />

präsentiert er sich als ein Mix aus verschiedenen Ideen: hochfeste Stähle,<br />

die für manche Strukturen, bei denen Innovation gefragt ist, mit modernen<br />

Fertigungsverfahren verarbeitet, an anderen Stellen hingegen<br />

mit herkömmlichen Methoden in Form gebracht werden. „Die intelligente<br />

Mischung lässt den NewSteelBody bei absolut vertretbaren Kosten<br />

so leicht sein“, weiß der Projektleiter Bernhard Osburg. Der New-<br />

SteelBody koste gerade mal zwei Prozent mehr als eine herkömmliche


56 NEWSTEELBODY<br />

Struktur. „Ganz wichtig ist dabei die fachgerechte Konstruktion. Nur so<br />

lassen sich die Vorteile des Stahls optimal ausnutzen“, umreißt er das<br />

virtuose Spiel mit dem Material, das am besten durch eine Zahl charakterisiert<br />

wird: Hauchdünne 0,9 Millimeter messen beispielsweise die<br />

Wände einiger Hohlprofile des NewSteelBody.<br />

Eine unübliche Offenheit zeigte Opel für das Projekt: Der Hersteller<br />

stellte die gesamten Konstruktionsdaten des Zafira aus dem Computer<br />

Aided Design (CAD) zur Verfügung. „Das ist sehr selten, denn<br />

damit wird das gesamte Auto transparent“, freut Osburg sich über das<br />

Vertrauen. Doch die Daten sind sehr wichtig, denn sie geben die technischen<br />

Werte für die Steifigkeit und auch das Crashverhalten des New-<br />

SteelBody vor – absolut realitätsnah. Damit ging das Team von<br />

ThyssenKrupp Stahl ans Werk und konstruierte am Computer die Karosseriestruktur.<br />

Per Rechner wurden auch, wie bei jedem neuen Auto,<br />

Crashversuche nach neuesten Normen simuliert, um die Stabilität zu<br />

prüfen. Am Ende stand ein fertig aufgebauter Viertelschnitt des New-<br />

SteelBody in lebensechter Größe, wie er auf der IAA gezeigt wurde und<br />

nun für Kundenpräsentationen genutzt wird. Osburg ist zuversichtlich:<br />

Hochfest und formvollendet<br />

„In fünf Jahren könnte er in der Großserie sein.“ Diese Zeit brauche es<br />

einfach, um sich in die Entwicklung eines Neuwagens einzuklinken.<br />

Wobei, ein Vorteil des Konzepts, der NewSteelBody nicht nur bei einer<br />

vollständigen Neukonstruktion genutzt werden kann: Bei ihm heißt es<br />

bewusst nicht „ganz oder gar nicht“, denn auch einzelne Komponenten<br />

können nach und nach in die Serienfertigung einfließen.<br />

UMFASSENDES WISSEN ÜBER NEUE WERKSTOFFE<br />

Etwa die Hälfte der Rohkarosserie besteht aus Pressteilen, die andere<br />

Hälfte ist aus geschlossenen, dünnwandigen Hohlprofilen hergestellt.<br />

Ein fertigungstechnisches Schmankerl-Verfahren kam für die vorderen<br />

und hinteren Längsträger sowie den Dachrahmen des NewSteelBody<br />

zum Einsatz: Deren dünnwandige Rohre werden zunächst in annähernd<br />

endgültigen Maßen vorgefertigt und kommen dann in eine Presse, in<br />

der sie mit Wasser unter sehr hohem Druck von innen heraus in ihre<br />

endgültige Form gepresst werden – Innenhochdruckumformung nennt<br />

es der Fachmann. Die hinteren Längsträger bestehen darüber hinaus<br />

aus „Tailored Tubes“ („maßgeschneiderte Rohre“), die aus Stählen un-<br />

Das TK <strong>Magazin</strong> | 1 | 2004 |


terschiedlicher Festigkeit zusammengefügt sind, je nach Belastung.<br />

Und die vorderen Längsträger sind aus konischen Tailored Tubes hergestellt,<br />

werden also wie eine Fanfarentrompete immer weiter im<br />

Durchmesser – bei überall gleicher Wandstärke. Diese Form lässt die<br />

Träger bei einem Crash die Verformungsenergie viel besser aufnehmen<br />

im Vergleich zu zylindrischen Stahlprofilen.<br />

Um so mit den Materialeigenschaften der hochfesten Stähle umgehen<br />

zu können, müssen die Techniker sie sehr gut kennen. So wissen<br />

sie zum Beispiel, dass mancher Stahl durch Verformung härter wird<br />

– so wird er nicht nur in Form gebracht, sondern gleichzeitig fester. „Die<br />

Gefügestruktur ändert sich“, erläutert Markus Weber und zieht den Vergleich<br />

zu einer Büroklammer: Bewegt man ein Drahtende hin und her,<br />

reißt es schließlich ab – nicht, weil das Metall weich geworden ist, sondern<br />

weil es durch die Verformung hart wurde und schließlich unter der<br />

Belastung bricht. Hochfeste Stähle im Auto sollen natürlich bei einem<br />

Aufprall nicht brechen. Deshalb sind die Bauteile so ausgelegt, dass sie<br />

aufgrund der Fertigung nicht an ihre Stabilitätsgrenze kommen, sondern<br />

immer noch eine Restelastizität bleibt, die im Fall des Unfalles Ver-<br />

Der Weg aus dem<br />

Computer in die Großserie<br />

ist für den NewSteelBody<br />

nicht weit: In fünf Jahren<br />

könnte er über die Straßen<br />

rollen. Denn als praxisnahes<br />

Vorbild dient ein aktueller<br />

Minivan.<br />

Das TK <strong>Magazin</strong> | 1 | 2004 |<br />

NEWSTEELBODY 57<br />

formungsenergie aufnimmt. „Dieses umfassende Wissen über unsere<br />

neuen <strong>Werkstoffe</strong> haben viele Autohersteller schlicht und einfach<br />

nicht“, sagt Weber ganz sachlich, „aber wir geben es gern weiter.“ Der<br />

NewSteelBody sei ein transparentes System: Wer an einer Verwendung<br />

interessiert ist, erhält von ThyssenKrupp Stahl sämtliche Daten und<br />

technischen Einzelheiten. „Wir öffnen uns den Autoherstellern“, sagt<br />

Weber. Von den Kunden sei das sehr positiv angenommen worden.<br />

DÜNNWANDIGE PROFILE IN FORM GEBRACHT<br />

Und die Zukunft des NewSteelBody? Neue <strong>Werkstoffe</strong> werden eine<br />

weitere Verbesserung bringen, etwa noch stabilere Stähle („höherfest“).<br />

Auch erwarten beide Fachleute von ThyssenKrupp, dass beispielsweise<br />

die Verformung und Festigkeit dieser Stähle in einem noch<br />

günstigeren Verhältnis stehen werden. Oder dass dünnwandige Profile<br />

noch besser in Form gebracht werden können. Was auch immer es<br />

sein mag: Der NewSteelBody wird seinen Anteil daran haben, dass<br />

das Auto von morgen leichter ist als heute. Aber mindestens so stabil<br />

und sicher wie heute. 7


58 INTERVIEW


Wir brauchen junge<br />

Menschen, die sich für<br />

<strong>Werkstoffe</strong> begeistern<br />

Interview mit Prof. Dr. Ulrich Middelmann,<br />

stellvertretender Vorstandsvorsitzender der ThyssenKrupp AG<br />

Fotos Claudia Kempf<br />

Die ThyssenKrupp AG, Herr Professor Middelmann, ist Deutschlands<br />

größter Werkstoff- und Industriegüterkonzern. Liegt in der Werkstoffkompetenz<br />

das eigentliche Kapital des Unternehmens?<br />

Tatsache ist, dass sich unsere Werkstoffkompetenz durch den gesamten<br />

Konzern hindurchzieht, beginnend bei der Entwicklung und Produktion<br />

im Segment Steel. Nehmen Sie weiterhin nur den Automobilbereich:<br />

Auf einer metallurgischen Basis haben wir weitestgehende<br />

Kompetenzen entwickelt, was die Umformung von Außenhautteilen<br />

betrifft. Durch das Hydroforming können wir Stahlhohlkörper unter<br />

Hochdruck in komplizierte Formen bringen. Oder nehmen Sie Kurbelwellen:<br />

Auch die zeugen von einer sehr hohen Werkstoffkompetenz.<br />

Ähnliches gilt für Stoßdämpfer oder Nockenwellen. Um es zusammenfassend<br />

zu sagen: Das Auto ist bestes Beispiel für unsere Art, innovativ<br />

mit <strong>Werkstoffe</strong>n umzugehen und es unterstreicht unsere Kompetenz<br />

auf diesem Gebiet.<br />

Sie nennen den Werkstoff Stahl als Beispiel. Arbeiten Sie aber nicht mit<br />

einer Vielzahl unterschiedlichster <strong>Werkstoffe</strong>?<br />

Es ist richtig, dass wir mit vielen <strong>Werkstoffe</strong>n zu tun haben. Neue kommen<br />

hinzu, Magnesium ist so ein Beispiel – in Freiberg/Sachsen wurde<br />

ein erstes Flachprodukt abgegossen. Wenn es uns gelingt, produktionstechnisch<br />

Magnesium-Flachprodukte kostengünstig herzustellen,<br />

wäre dies ein Durchbruch für uns. Denn für den gesamten Bereich<br />

Leichtbau könnten wir dann ein Full-Service-Konzept anbieten. Gerade<br />

im Sinne nachhaltigen Produzierens wäre dies ein Vorzeigeprodukt.<br />

Dennoch müssen Sie grundsätzlich in unserem Konzern eines sehen:<br />

Wir haben eine fest umrissene Werkstoffpyramide. In dieser Hierarchie<br />

befinden sich unten die Massenstähle, auf ihnen bauen die so genannten<br />

Qualitätsstähle auf, denen die Gruppen der rostfreien Edelstähle<br />

und die Nickelbasislegierungen bei ThyssenKrupp VDM mit einem Nickel-Gehalt<br />

von mehr als dreißig Prozent folgen. Ganz oben in der Spitze<br />

der Pyramide sind die Titanlegierungen angesiedelt.<br />

Wie hat man sich die Wertproportionen dieser Pyramide vorzustellen?<br />

Die Proportionen sind klar definiert. Der Wert einer Tonne VDM-Stahl beispielsweise<br />

liegt bei 15.000 Euro, der Titan-Wert liegt noch höher. Der Ni-<br />

Das TK <strong>Magazin</strong> | 1 | 2004 |<br />

INTERVIEW 59<br />

rosta-Preis bewegt sich pro Tonne zwischen 1500 und 2500 Euro, der<br />

Wert von normal beschichtetem Qualitätsstahl beträgt rund 500 Euro.<br />

Dies ist, wenn Sie so wollen, der Werkstoff-Fächer. Der Qualität müssen<br />

Sie aber die Quantität gegenüberstellen. Da stellt sich die Pyramide auf<br />

den Kopf, vom Qualitätsstahl stellen wir 15 Millionen Tonnen her, von den<br />

rostfreien Stählen 2,5 Millionen Tonnen, bei den VDM-Stählen sind es<br />

rund 29.000 Tonnen.<br />

Insofern hat der Werkstoff Stahl Potenzial, womöglich ungeahntes Potenzial?<br />

Beim Segment Steel heißt der Slogan: Wir denken Stahl weiter. Innovationen<br />

sind zwingend notwendig, schon wegen der rasanten technologischen<br />

Veränderungen und der damit einhergehenden Veränderung<br />

der Produktanforderungen. Der Lebenszyklus auch unserer Produkte wird<br />

dadurch immer kürzer. Da gibt es in der Tat auf Dauer eine Vielzahl neuer<br />

Potenziale, die man ständig erschließen muss. Im Mittelpunkt der Aktivitäten<br />

steht dabei der Kunde als Partner. Deshalb wird frühzeitig die Entwicklungsarbeit<br />

mit den Vertriebsbelangen verzahnt.<br />

Welche Aufgabe hat dann der Werkstoffforscher im Unternehmen?<br />

Der Forscher ist der Treiber der Innovationen, aber eines muss auch ihm<br />

klar sein: Unternehmerisches Agieren orientiert sich am Markt. Was der<br />

Kunde haben will, versuchen wir ihm in einem Wertschöpfungsprozess an<br />

die Hand zu geben. Damit müssen wir Geld verdienen. In erster Linie bestimmt<br />

also der Kunde, was gemacht wird. Dies müssen jede Mitarbeiterin<br />

und jeder Mitarbeiter im Konzern verinnerlichen. Danach muss stringent<br />

gehandelt werden.<br />

Ist dieses Denken Teil einer neuen Unternehmenskultur bei Thyssen<br />

Krupp?<br />

Lassen Sie mich den entscheidenden Unterschied aufzeigen: In der Vergangenheit<br />

haben die Ingenieure häufig erst einmal gefragt, worin ihre<br />

Kompetenz besteht, dann wurde eine Vielzahl von <strong>Werkstoffe</strong>n entwickelt<br />

mit einer Vielzahl von Eigenschaften. Für diese <strong>Werkstoffe</strong> wurden dann<br />

Anwendungsgebiete gesucht. Die Erfahrung zeigt, dass dieser Weg weniger<br />

erfolgreich ist als die umgekehrte Denkweise: Erst werden die Kun-


60 INTERVIEW<br />

denbedürfnisse erforscht, darauf aufbauend wird durch eine Kombination<br />

der vorhandenen Kompetenzen die spezifische Lösung entwickelt, mit<br />

einem zu rechtfertigenden Aufwand. Aber ich mahne an: Hinter unserem<br />

unternehmerischen Handeln muss zwingend ein wirtschaftliches Ergebnis<br />

stehen, das Wertbeiträge schafft. All die modernen Produktionsanlagen,<br />

die wir haben, sind in erster Linie ein Instrument, um Gewinne zu erwirtschaften.<br />

Nur dann übrigens werden nachhaltig Arbeitsplätze<br />

geschaffen und erhalten.<br />

Wo bleibt da die Achtung vor der Kompetenz der Ingenieure?<br />

Die stelle ich gar nicht in Abrede. Aber nicht nur die Entscheider in unserem<br />

Konzern müssen wachgerüttelt werden. Jahrzehnte lang haben die<br />

Stahlkonzerne viel zu sehr der Technologie den Vorrang gegeben. Ingenieure<br />

und Techniker besitzen jedoch eine eigene Mentalität. Sie wollen die<br />

Ergebnisse ihrer Arbeit mit Stolz publizieren. So war der Informationsaustausch<br />

in der überschaubaren Branche grenzenlos. Jeder wusste vom<br />

anderen, was er Neues entwickelt hat. Das können wir uns nicht mehr<br />

leisten. Wir arbeiten global unter äußerst harten Wettbewerbsbedingungen.<br />

Die Kunst besteht darin, über echte Innovationen zu schweigen. Entscheidend<br />

ist es, Kunden für unsere innovativen Produkte zu gewinnen.<br />

Wenn ich Sie recht verstehe, muss der Ingenieur demnach genauso Verkäufer<br />

sein?<br />

Nicht unbedingt, doch von den Ingenieuren muss ich erwarten, dass sie<br />

die Machbarkeit der Vermarktung ihrer Neuentwicklungen immer im Blick<br />

behalten. Ich orientiere mich in diesem Punkt am originären Unternehmertum<br />

der Vergangenheit. Die Beziehung Produkt – Markt – Profitabilität<br />

– Verantwortung konzentrierte sich auf einen sehr kleinen Kreis von<br />

handelnden Personen. In Großkonzernen ist dieser Regelkreis anonymisiert.<br />

Der eine forscht, der andere produziert, wieder ein anderer verkauft,<br />

jeder sieht nur sein funktionales Ressort. Damit geht das unternehmerische<br />

Zusammenspiel häufig verloren. Das darf nicht so bleiben, wir müssen<br />

zurückkehren zum Verständnis von Regelkreisläufen. Alle Verantwortlichen<br />

müssen homogen denken mit klar definierten wirtschaftlichen und<br />

technischen Zielen vor Augen.<br />

Sie sind Schirmherr eines Werkstoff-Innovationspreises, der von<br />

ThyssenKrupp und der Ruhr-Universität Bochum vergeben wird. Ist das<br />

ein Beispiel dafür, dass Sie die Werkstoffforschung aus dem Konzern verlagern<br />

wollen in die Forschungsabteilungen von Hochschulen?<br />

Technik und <strong>Werkstoffe</strong> haben Prof. h.c. (CHN) Dr. Ulrich Middelmann durch<br />

sein Berufsleben begleitet. Der 58-Jährige, seit 2001 stellvertretender<br />

Vorstandsvorsitzender der ThyssenKrupp AG und Vorstandsvorsitzender<br />

der ThyssenKrupp Steel AG, studierte Maschinenbau in Darmstadt und<br />

Wirtschaftswissenschaften in Aachen. Er promovierte 1976 an der<br />

Ruhruniversität Bochum und erhielt im September 2003 die Berufung zum<br />

Honorarprofessor der Universität Tongji in Shanghai. 1977 ging er zur<br />

Krupp Stahl AG in Bochum. 1992 wurde er zum Vorstandsmitglied der<br />

Fried. Krupp AG Hoesch-Krupp, Essen/Dortmund, berufen. Im Zuge der<br />

Fusion der Thyssen AG und der Fried. Krupp AG wurde er 1999<br />

Vorstandsmitglied der ThyssenKrupp AG.<br />

Das TK <strong>Magazin</strong> | 1 | 2004 |


Die Antwort ist mehrschichtig. Zunächst arbeiten wir eng mit einer Reihe<br />

von nationalen und internationalen Universitäten zusammen, um rechtzeitig<br />

unseren Führungsnachwuchs zu rekrutieren. ThyssenKrupp beschäftigt<br />

allein in Deutschland insgesamt 8.837 Mitarbeiter mit einem<br />

Hochschulabschluss, darunter sind 6.430 Ingenieure. Da die Neigung<br />

der jungen Menschen, ein technisches Studium aufzunehmen, stark<br />

rückläufig ist, arbeiten wir mit der Ruhr-Universität Bochum an Programmen,<br />

den jungen Menschen die Attraktivität des Ingenieurberufs zu verdeutlichen.<br />

Darüber hinaus wollen wir die besonderen Leistungsträger,<br />

die diesen Studiengang begonnen haben, identifizieren. Hier ist der Werkstoff-Innovationspreis<br />

ein hervorragendes Instrument. Ich stehe mit den<br />

Verantwortlichen der Ruhr-Universität seit Jahren im Gespräch, um eine<br />

Reform der Ingenieurausbildung voran zu treiben. Die angehenden Ingenieure<br />

brauchen dringend kaufmännische Kompetenz. Als ausgebildeter<br />

Maschinenbauingenieur, der auch das Fach Wirtschaftswissenschaften<br />

studiert hat, weiß ich, wovon ich rede. Zwanzig Prozent der Studienzeit<br />

sollte zusätzlich kaufmännischen Inhalten gewidmet werden. Der Absolvent<br />

muss danach wissen, wie ein Unternehmen funktioniert, was Vertrieb<br />

bedeutet, Produktion, Beschaffung der Einsatzstoffe, Rechnungslegung<br />

und vieles mehr. Er sollte kalkulieren können, wissen, was hinter<br />

Projekt-Management steckt, was es mit Wertmanagement auf sich hat.<br />

Dann hat er auch verinnerlicht, dass sein Handeln letztlich dazu dient, den<br />

Wert eines Unternehmens zu sichern und zu mehren.<br />

Über das Mittel des Innovationspreises finden Sie dann zu dem dringend<br />

gesuchten Ingenieur-Nachwuchs, den es in Deutschland kaum gibt?<br />

Der Werkstoffpreis ist in der Tat ein geeignetes Medium, um mit jungen<br />

Menschen in Kontakt zu kommen, die für uns interessant sind. Wir suchen<br />

jedenfalls nicht primär erst unter den diplomierten Ingenieuren. Wir<br />

brauchen kreative Mitarbeiter, wie gesagt mit einem Feeling für Technik<br />

und kaufmännisches Denken. Über diesen Preis treten wir frühzeitig in<br />

einen interaktiven Dialog mit der Universität.<br />

Wo bleibt am Ende die Freiheit von Forschung und Lehre in der Universität,<br />

wenn Sie mit einer Universität kooperieren?<br />

Die Freiheit von Forschung und Lehre ist eine wichtige Funktion der Universität,<br />

die von uns respektiert wird. Jedoch kann eine Universität angesichts<br />

der leeren Kassen von Bund und Ländern nicht mehr ungehemmt<br />

zweckfrei forschen. Die öffentlichen Hände kürzen die Budgets. Daher<br />

wird der Wettbewerb unter den Unis härter. Sie müssen sich zunehmend<br />

Das TK <strong>Magazin</strong> | 1 | 2004 |<br />

INTERVIEW 61<br />

einem Ranking unterwerfen und möglichst attraktiv werden. Dann erhalten<br />

sie Mittel von Dritten. Kurz gesagt, die Universitäts-Mitarbeiter müssen<br />

Kontakt zu denen suchen, die ihnen Leistungen in geeigneter Weise<br />

finanziell honorieren. Dadurch wird Forschung und Lehre mitfinanziert.<br />

Die ThyssenKrupp AG unterhält ja viele Kooperationen zu anderen Hochschulen<br />

und Schulen. Die Mitglieder des Vorstands suchen den direkten<br />

Kontakt. Sind dies aber nicht doch unzureichende Versuche, für einen<br />

Hochtechnologiekonzern geeignete Mitarbeiter zu finden, die es – angefangen<br />

in den Schulen – immer weniger gibt?<br />

Ich stimme Ihnen darin zu, dass sich das gesamte Klima ändern müsste.<br />

Die Misere ist ungemein groß. Schüler begeistern sich immer weniger für<br />

Technik. Junge Leute lernen kaum noch Mathematik mit dem Argument,<br />

das verstehen wir nicht. Erst recht wächst dann die Phobie vor einem Ingenieurstudium,<br />

das sich in großer Tiefe mit Mathematik, Physik, Mechanik,<br />

Thermodynamik oder auch Chemie auseinandersetzt. Diese Technik-<br />

Skepsis wird durch verschlechterte politische Rahmenbedingungen<br />

verstärkt. So werden energieintensive Betriebe derzeit in Deutschland in<br />

ihrem Entfaltungsbereich durch unterschiedlichste Gesetzesvorhaben<br />

stark eingeschränkt und möglicherweise verdrängt. Dabei wird von der<br />

Politik verschwiegen, dass im nächsten logischen Schritt die Verarbeitungsindustrie<br />

in einem Zyklus von sieben bis zehn Jahren dem Weggang<br />

folgen wird. Ich habe den Eindruck, dass Juristen und Soziologen die Diskussion<br />

beherrschen. Mit ihnen und ihren Denkansätzen lässt sich jedoch<br />

keine Volkswirtschaft über Wasser halten.<br />

Wo bleibt Ihr Optimismus?<br />

Als Realist analysiere ich erst einmal die Fakten. Da müsste ich schwarz<br />

sehen für die technische Entwicklung in Deutschland. Aber ein Unternehmer<br />

muss auch die Eigenschaft Optimismus pflegen. Positiv stimmt<br />

mich, dass die Bundesregierung 2004 als Jahr der Technik geadelt hat.<br />

ThyssenKrupp beteiligt sich besonders aktiv an den verschiedenen Aktionen,<br />

die von der Bundesforschungsministerin Bulmahn initiiert werden.<br />

Denn wir müssen dringend für Technik und Innovationen werben, immer<br />

wieder. Wir müssen jungen Menschen vorführen, dass der Umgang mit<br />

<strong>Werkstoffe</strong>n Kreativität, handwerkliches Geschick und fundiertes technisches<br />

Know-how fordert und die Mitarbeit an technischen Problemlösungen<br />

ein hohes Maß an persönlicher und beruflicher Befriedigung bringt.<br />

Die Fragen stellte Heribert Klein<br />

Forscher sind die Treiber der Innovationen


62 EDWARD. G. BUDD


Ein Unternehmer mit Visionen<br />

Von Carsten Knop | Fotos Hagley Museum and Library<br />

Er wurde mit einer<br />

bahnbrechenden Erfindung<br />

bekannt: Zu Beginn des<br />

vergangenen Jahrhunderts<br />

ersetzte Edward G. Budd<br />

konventionelle <strong>Werkstoffe</strong> mit<br />

modernen Materialien. In<br />

Amerika wurde er zum Vater<br />

der Ganzstahlkarosserie<br />

Das TK <strong>Magazin</strong> | 1 | 2004 |<br />

Sein Name steht heute in Amerika in der „Hall of Fame“, in Anerkennung<br />

seiner Verdienste um die amerikanische Autoindustrie.<br />

Doch bis es so weit war, dauerte es lang, genau genommen sehr<br />

lang. Denn die Anfänge – sie sahen anders aus. Überschriften wie die<br />

folgende wollten Unternehmenschefs in der Wirtschaftspresse nicht<br />

lesen, auch der amerikanische Stahlverarbeiter und Automobilzulieferer<br />

Edward G. Budd nicht: „Pionier ohne Profit“, hatte das amerikanische<br />

Wirtschaftsmagazin Fortune im Februar 1937 über Budd geschrieben.<br />

Die Redakteure hatten sich die Bilanzen der Edward G.<br />

Budd Manufacturing Company besorgt und dabei zusammengezählt,<br />

dass Budd mit seinem Unternehmen in den vorangegangenen elf Jahren<br />

einen Verlust von insgesamt 3,3 Millionen Dollar gemacht hatte.<br />

Das las sich nicht gut. Wer sich aber von der wenig verheißungsvollen<br />

Überschrift nicht zum Weiterlesen anregen lassen konnte, verpasste<br />

die Beschreibung einer interessanten Zwischenstation auf einem langen<br />

Erfolgsweg. Denn Budd, vorübergehend tatsächlich ein Pionier<br />

ohne Gewinn, hatte die Verluste als wahrer Unternehmer bewusst in<br />

Kauf genommen. Er wollte seine Firma mit neuen Produkten am eigenen<br />

Schopf aus der Wirtschaftskrise ziehen. Das dauerte damals zwar<br />

länger als gedacht. Doch es sicherte in schwieriger Zeit die Arbeitsplätze<br />

tausender Mitarbeiter.<br />

EIN ERFINDER, DER SEINEN EIGENEN WEG GING<br />

Die Zeiten haben sich längst geändert. Heute würde in einer vergleichbaren<br />

Situation eher von einem „visionären Unternehmer“ gesprochen<br />

werden. Vielleicht wäre auch von einem mutigen Gründer die Rede, der<br />

so etwas wie einen Garagenbetrieb zu einem Weltkonzern machte. Was<br />

sich seither nicht geändert hat: Unternehmer brauchen für ihren Erfolg<br />

Kapitalgeber, die das kalkulierbare Risiko nicht scheuen. Budd war in dieser<br />

glücklichen Lage. Es war ihm, der mit seinem Unternehmen mitten in<br />

der Wirtschaftskrise 1934 finanziell mit dem Rücken zur Wand gestanden<br />

EDWARD. G. BUDD 63<br />

Aus bescheidenen Anfängen<br />

in Philadelphia stieg Budd<br />

mit seinem Unternehmen unter<br />

anderem zum Anbieter<br />

modernster Edelstahlzüge auf.<br />

Sie verkürzten die Reisezeit<br />

zwischen Chicago und Denver<br />

um zehn Stunden.


64 EDWARD. G. BUDD


EDWARD. G. BUDD 65<br />

hatte, mit Hilfe der New Yorker Bank Ladenburg gelungen, seine Bilanz<br />

wieder auf gesunde Füße zu stellen. In den zwei Jahrzehnten zuvor hatte<br />

Budd die Automobilindustrie mit einiger Ausdauer davon überzeugt, dass<br />

eine Ganzstahlkarosserie in jeder Hinsicht Autos aus Holz überlegen war.<br />

Jetzt konnte er sich mit frischem Kapital daran machen, Eisenbahnen die<br />

Vorzüge aus Edelstahl gefertigter Waggons zu zeigen.<br />

HOLZ, DAS DEM STAHL WEICHEN MUSSTE<br />

Budd war sein gesamtes Arbeitsleben lang stur, wenn es darum ging,<br />

konventionelle Materialien durch moderne <strong>Werkstoffe</strong> zu ersetzen. Er<br />

schlug seinen eigenen Weg ein – und das ging, wie sich nach einigen<br />

Lehr- und Arbeitsjahren in anderen Unternehmen gezeigt hatte, nur in<br />

seiner eigenen Firma. Als Fortune den Bericht über Budd schrieb, war<br />

sein Unternehmen schon ein Vierteljahrhundert alt. Gerade einmal<br />

250.000 Dollar hatten dem Praktiker Budd, der nach der High School-<br />

Zeit niemals ein College oder eine Universität besucht hatte, zur Gründung<br />

im Jahr 1912 zur Verfügung gestanden. Die Firma war damit so<br />

arm, dass das erste Presswerk in dem einstöckigen Fabrikgebäude in<br />

Philadelphia keinen Platz fand und zunächst zwar nicht in einer Garage,<br />

wohl aber in einem Zirkuszelt betrieben werden musste. Wichtiger als<br />

das knappe Geld war hingegen, dass es Budd gelungen war, die hellsten<br />

Köpfe bei seinem vorherigen Arbeitgeber Hale & Kilburn abzuwerben<br />

und mit ihnen gemeinsam den Neuanfang zu wagen. Das galt vor<br />

allem für den Ingenieur Joseph Ledwinka, der aus Wien stammte und<br />

mit seinen Erfindungen für Budd unverzichtbar wurde. Zudem halfen<br />

Die Möglichkeiten des<br />

neuen Werkstoffs Stahl wurden<br />

anfangs wenig genutzt. Die<br />

ersten Ganzstahlkarosserien<br />

waren noch sehr von ihren<br />

Vorbildern aus Holz geprägt –<br />

Revolutionen brauchen<br />

eben ihre Zeit.<br />

Mit Stahl zum großen Erfolg


66 EDWARD. G. BUDD<br />

die schon bestehenden Kontakte zur Autoindustrie, um an Aufträge zu<br />

kommen. Der erste Kunde für die Ganzstahlkarosserie des jungen Unternehmens<br />

war kein Geringerer als der Chef des Autoherstellers General<br />

Motors, Charles Nash. Der Durchbruch für Budd kam aber erst mit<br />

dem Auftrag der Gebrüder Dodge, die sich 1914 als Autohersteller<br />

selbständig gemacht hatten und nicht mehr nur Zulieferer für Henry<br />

Ford sein wollten. John und Horace Dodge hatten in den beiden Jahren<br />

zuvor viel Gutes von den Ganzstahlkarosserien aus Philadelphia gehört,<br />

nicht zuletzt auch davon, dass sie 10 Dollar billiger waren als die Konkurrenz<br />

aus Holz. Sie bestellten 5000 Stück – doch mit diesem Auftrag<br />

war das provisorische Zelt für Budd keine Lösung mehr. Es folgte ein<br />

Umzug, und nur ein Jahr später kam aus dem Hause Dodge die nächste<br />

Bestellung über die zehnfache Menge von Karosserien. Bei Budd erhöhte<br />

sich die Mitarbeiterzahl sprunghaft auf 2000. Nur zwei Jahre<br />

zuvor hatte das Unternehmen lediglich 800 Mitarbeiter beschäftigt.<br />

Inzwischen verließ in jeder Minute ein Karosseriesatz das Werk.<br />

Mit der Hilfe von neuen Schweißmaschinen ließ sich der Takt bald auf<br />

zwei Sätze je Minute erhöhen.<br />

So ging es weiter. Knapp zehn Jahre später verließen Millionen<br />

Karosserien die Bänder; die Kunden hießen Ford, Chrysler und Studebaker.<br />

Budd selbst war bei seinen Mitarbeitern nicht nur wegen der sicheren<br />

Arbeitsplätze beliebt. Der in einer kleinen Stadt aufgewachsene<br />

Unternehmer, der mit 17 als Lehrling in einem Maschinenbaubetrieb<br />

angefangen hatte, war zugänglich, ließ sich häufiger in den Fabrikhallen<br />

sehen als im Büro, kannte die meisten Beschäftigten persönlich. Er<br />

spendierte seinen Mitarbeitern schon kurz nach der Gründung des Unternehmens,<br />

mitten im Ersten Weltkrieg, eine kostenlose Lebensversicherung,<br />

mied nach Möglichkeit aber glanzvolle öffentliche Auftritte.<br />

Budd handelte lieber, weniger wollte er mit seinen Errungenschaften<br />

glänzen. In einer eigenen Werksklinik arbeitete ein nur für die Budd<br />

Company tätiger Werksarzt. Frauen verdienten bei ihm stets genauso<br />

viel wie Männer. Und vom Tag der Gründung an waren seine Mitarbeiter<br />

am Erfolg des Unternehmens beteiligt. Edward Budd verstand mehr<br />

Die Fabriken von<br />

Edward G. Budd galten<br />

stets als sehr<br />

fortschrittlich. Davon<br />

zeugen auch die mehr<br />

als hundert Patente von<br />

Budd – im Automobil-<br />

und im Eisenbahnbau.<br />

Karosserien<br />

im Minutentakt<br />

von dauerhafter Mitarbeitermotivation als die meisten seiner Zeitgenossen.<br />

STAHLAUTOS, DIE DURCH STABILITÄT GLÄNZTEN<br />

Vor allem war Budd erfolgreich. Seine potentiellen Abnehmer waren<br />

meist mit dem Bau von Kutschen groß geworden, und die waren eben<br />

aus Holz. Zwar besaß Budd so viele Patente, dass auf Jahrzehnte kein<br />

Autohersteller Ganzstahlkarossen pressen lassen konnte, ohne sein<br />

Unternehmen zu fragen. Doch war es Budd wichtiger, die Welt von seinem<br />

Konzept zu überzeugen als die Industrie mit überhöhten Lizenzgebühren<br />

zu gängeln und damit den Siegeszug des fortschrittlichen Materials<br />

Stahl zu bremsen. Das ist bis heute ein auch in anderen<br />

Branchen häufig genutztes Vermarktungskonzept geblieben. Bei seiner<br />

Überzeugungsarbeit war Budd zudem ein Freund spektakulärer Werbeaktionen:<br />

Hin und wieder ließ er seine Stahlautos sogar Klippen herunterstürzen<br />

und forderte seine Holzwettbewerber dazu auf, das Gleiche<br />

mit ihren Produkten zu versuchen. Auch ein Elefant musste herhalten,<br />

um die Stabilität eines Budd-Stahldachs zu beweisen.<br />

EIN UNTERNEHMER, DER DEN WEG NACH EUROPA WAGTE<br />

Budd war niemals ängstlich, wenn es um den zügigen Ausbau der Unternehmensaktivitäten<br />

ging. Den Schritt, mit einem eigenen Werk in die<br />

amerikanische Autometropole Detroit zu gehen, wagte er eher zu früh<br />

als zu spät. Und nach Europa zog es ihn schon 1924. Damals zeigte<br />

Citroën Interesse an seinen Produkten. So entstand unter anderem die<br />

Ambi-Budd Presswerk GmbH in Berlin, die in den Jahren darauf zu<br />

einem Lieferanten der Frankfurter Adler-Werke, an der Ambi-Budd beteiligt<br />

war, aber auch von Porsche, BMW oder Mercedes-Benz werden<br />

sollte. Der Kübelwagen von Volkswagen hatte bis zur Zerstörung des<br />

Berliner Werks bei einem Bombenangriff kurz vor Kriegsende ebenfalls<br />

eine Stahlkarosse von Ambi-Budd. Das deutsche Unternehmen war damals<br />

natürlich schon längst nicht mehr mit dem amerikanischen Mutterkonzern<br />

verbunden. Leider hatte die Expansion nach Europa in den<br />

Das TK <strong>Magazin</strong> | 1 | 2004 |


Das TK <strong>Magazin</strong> | 1 | 2004 |<br />

EDWARD. G. BUDD 67<br />

frühen dreißiger Jahren Budd nicht dabei helfen können, die Wirtschaftskrise<br />

besser zu überwinden. Im Gegenteil, der zeitgleiche Abschwung<br />

in Amerika und Europa traf Budd nun mit doppelter Härte.<br />

Plötzlich fand sich das Unternehmen mitten in eben jenen elf Verlustjahren<br />

wieder, die Fortune-Redakteure 1937 so akkurat zusammengezählt<br />

hatten. Doch Budd hielt durch. Er konnte 1934 nicht nur die<br />

Schwierigkeiten mit seinen Banken lösen. Im selben Jahr nahm auch<br />

der erste ausschließlich aus Edelstahl gebaute Eisenbahnzug seinen<br />

Dienst auf, der unter Eisenbahnfreunden legendäre Chicago, Burlington<br />

& Quincy „Zephyr“. Der aerodynamische, silbern glänzende Zug bestach<br />

mit einem niedrigeren Gewicht bei höherer Stabilität, einem<br />

neuen Dieselmotor von General Motors, neu entwickelten Sitzen, einer<br />

neuen Beleuchtung – und wurde trotz Wirtschaftskrise zu einem großen<br />

Erfolg, der zahlreiche Eisenbahngesellschaften dazu veranlasste, fortan<br />

vergleichbare Züge einzusetzen. Besonders die von den Budd-Ingenieuren<br />

entwickelte Schweißmethode für Edelstahl war revolutionär.<br />

Gleichwohl wurde Budd zunächst für die hohen Kosten der modernen<br />

Züge kritisiert. Er sagte darauf nur: „Ich bin an den Kosten nicht interessiert,<br />

es ist der Wert und der Nutzen, der zählt. Wir benutzen schließlich<br />

auch Diamanten, um Stahl zu schneiden.“ Doch blieb es zunächst<br />

noch für einige Zeit das Problem des Pioniers ohne Profit, beweisen zu<br />

können, dass sich Züge mit klangvollen Namen wie „Super Chief“,<br />

„Champion“, „Flying Yankee“, „Silver Meteor“, „Empire State Express“<br />

oder „El Capitan“ von der Budd Manufacturing Company mit Gewinn<br />

bauen ließen. In den Jahren des Zweiten Weltkriegs brauchte sich Budd<br />

um die Auslastung seiner Fabriken ohnehin keine Sorgen mehr zu machen.<br />

Das Unternehmen wurde wieder in die Rüstungsproduktion eingebunden.<br />

Budd überlebte den Krieg, starb aber 1946 im Alter von 75<br />

Jahren. Damals übernahm sein Sohn Edward G. Budd Jr. die Leitung<br />

des Unternehmens. 1985, knapp 40 Jahre nach seinem Tod, wurde der<br />

Name des Pioniers der Ganzstahlkarosserie in die „Hall of Fame“, also<br />

in die Ehrenliste der Größen der amerikanischen Autoindustrie, in Dearborn<br />

im Bundesstaat Michigan aufgenommen. 7


68 GALLARDO<br />

Das Design ist Leitlinie:<br />

Luc Donckerwolke, der Designer<br />

des Lamborghini Gallardo,<br />

schuf eine Skulptur auf Rädern.<br />

ThyssenKrupp Drauz hat sie<br />

mit einer Aluminium-Karosserie<br />

zum Leben erweckt.<br />

In Sant’ Agata wird sie mit<br />

allerlei feinen Dingen gefüllt.


Das TK <strong>Magazin</strong> | 1 | 2004 |<br />

GALLARDO 69<br />

Von Rüdiger Abele | Fotos ThyssenKrupp Drauz, Lamborghini<br />

Man nehme am besten 384 Aluminiumblech-, strangpressprofil-<br />

und -gussteile, 864 Stanznieten, 181 Schrauben, jage die<br />

Nieten an verordneter Position in das Leichtmetall, ziehe 115<br />

Meter Schweißnaht, drehe die Schrauben am vorgesehenen Ort fest<br />

und füge an passender Stelle noch Klebstoff hinzu: Fertig ist die Rohkarosserie<br />

eines Lamborghini Gallardo. Wenn – ja, wenn das so einfach<br />

wäre. Denn Aluminium zu verarbeiten, ist kompliziert. Doch die<br />

ThyssenKrupp Drauz GmbH in Heilbronn hat in ihrer langen Geschichte<br />

soviel Know-how im Karosseriebau angesammelt, dass Lamborghini<br />

ihr die komplette Fertigung der Rohkarosserie des flotten Flitzers anvertraut<br />

hat – schließlich wirkte Drauz ja schon bei den Alu-Karossen<br />

der Modelle Audi A2 und A8 mit. Beweis für die Qualität von Drauz:<br />

Die kunstvollen Lamborghini-Metallgebilde gelangen bei Audi direkt in<br />

die hochmoderne Lackierstraße.<br />

SCHMACKHAFTE ZUTATEN FÜR EINE AUTOMOBILE DELIKATESSE<br />

Vor dem Ausflug in die Produktion bei ThyssenKrupp Drauz sei der Blick<br />

auf das fertige Produkt gestattet: Ein Hochleistungsportwagen ist der<br />

Lamborghini Gallardo, gerade mal 1,16 Meter hoch, ein Fahrzeug, dem<br />

man seine Rasanz abnimmt, auch ohne die technischen Daten zu kennen.<br />

Sie seien dennoch genannt, weil sie äußerst schmackhafte Zutaten<br />

dieser automobilen Delikatesse sind: Der Motor schöpft aus zehn<br />

Zylindern mit insgesamt 5,0 Liter Hubraum satte 500 PS (368 kW), die<br />

den fahrbereit rund 1600 Kilogramm leichten Sportwagen innerhalb<br />

von 4,2 Sekunden die 100-km/h-Marke erreichen lassen. Der Vortrieb<br />

endet erst jenseits von 300 km/h. Noch Fragen?<br />

Italienischer<br />

Sportwagen im<br />

leichten Kleid<br />

ThyssenKrupp Drauz fertigt die Aluminiumkarosserie<br />

des Lamborghini Gallardo


70 GALLARDO<br />

Auf einem schnöden Wagen<br />

kommt der Lamborghini zunächst<br />

(obendrein höhergelegt) ins<br />

Rollen. Zur Rohkarosserie gehören<br />

fast vierhundert Aluminiumteile,<br />

die mit Stanznieten, Schrauben<br />

sowie mit Schweißnaht und Klebstoff<br />

zusammengefügt werden.<br />

Vielleicht die nach dem Design. Denn die Form der Karosserie hat<br />

natürlich Folgen für die Fertigung, wie bei ThyssenKrupp Drauz deutlich<br />

wird. Der aus Belgien stammende Lamborghini-Hausdesigner Luc<br />

Donckerwolke schuf den Gallardo als Skulptur auf Rädern – und war sich<br />

dieses Auftrags offenbar sehr bewusst. Denn in der Karosserie spiegelt<br />

sich große künstlerische Freiheit wieder, die fertigungstechnisch eine<br />

Vielzahl an Herausforderungen birgt: nicht praktisch und glatt wie die Karosserie<br />

von Großserienautos, sondern exaltiert und extravagant, mit<br />

scharfen Linien und schnittigen Vertiefungen. Che bella machina!<br />

HÖCHSTE QUALITÄT IST EINE SELBSTVERSTÄNDLICHKEIT<br />

So wundert es nicht, dass die Gallardo-Karosserie zu 95 Prozent in<br />

Handarbeit entsteht, zumal nur eine relativ kleine Stückzahl gebaut<br />

wird. In der hellen, blitzsauberen Werkhalle von ThyssenKrupp Drauz<br />

tummeln sich rund 100 Mitarbeiter, um dem Aluminium die schnittige<br />

Endform beizubringen, dazugesellt haben sich zwei Roboter für Spezialaufgaben.<br />

Es gilt die Devise: Höchste Qualität ist zu produzieren. Deshalb<br />

wurden die Männer und Maschinen, bevor 2003 die Produktion<br />

anlief, fast anderthalb Jahre lang gründlich trainiert. Auch deswegen,<br />

weil Aluminium seine Eigenheiten hat und in vielerlei Hinsicht nicht vergleichbar<br />

ist mit Stahl. Mancher Mitarbeiter, der den Stahl-Karosseriebau<br />

von der Pike auf gelernt hat, musste sich stark umstellen.<br />

Teil um Teil wird so zusammengefügt – doch mittels Schweißen<br />

nur, wenn es konstruktiv absolut notwendig ist. Dieses Fügeverfahren<br />

Das TK <strong>Magazin</strong> | 1 | 2004 |


Das TK <strong>Magazin</strong> | 1 | 2004 |<br />

Genauigkeit heißt die Devise<br />

Schon die Zeichnungen<br />

lassen erkennen, dass an<br />

ThyssenKrupp Drauz<br />

große Herausforderungen in<br />

der Fertigungstechnik<br />

gestellt werden. Um die<br />

Karosserie für den Lamborghini<br />

Gallardo vollenden zu<br />

können, ist auch eine Menge<br />

Handarbeit nötig.<br />

GALLARDO 71


72 GALLARDO<br />

ist in der Aluminiumfertigung nicht unbedingt beliebt: Zum einen muss<br />

das Werkstück immer so ausgerichtet sein, das die Naht zugänglich ist<br />

– und deshalb sieht man bei ThyssenKrupp Drauz zahlreiche maßgeschneiderte<br />

Drehvorrichtungen, um die Teile entsprechend auszurichten.<br />

Zum anderen breitet sich die entstehende große Hitze aufgrund der<br />

vorzüglichen Wärmeleiteigenschaften des Leichtmetalls großflächig im<br />

Material aus, lässt es ausdehnen – um beim Abkühlen mitunter nicht in<br />

die ursprüngliche Form zurückzugehen. Das aber darf nicht sein bei Toleranzen<br />

von einem Millimeter im gesamten Rahmen des Gallardo und<br />

sogar nur zwei Zehntelmillimeter bei sichtbaren Teilen, etwa dem Abstand<br />

zwischen Tür und Rahmen. Deshalb berücksichtigen die Ingenieure<br />

die besonderen Materialeigenschaften des Aluminiums schon bei<br />

der Karosserie-Konstruktion und legen auch fest, wie die Teile zusammengefügt<br />

werden. Nieten etwa produzieren keinen Wärmeverzug, man<br />

nimmt sie, wo immer es geht, oder auch Schrauben – deshalb trägt der<br />

Lamborghini Gallardo so viele davon an unsichtbaren Stellen in sich.<br />

Der Monteur bedient sich eines Handgeräts oder nutzt eine entsprechende<br />

Anlage, um die Stanznieten in die Materialverbindung, wie der<br />

Ingenieur sagt, einzupressen. Ein nachdrückliches „Pock“ ist zu vernehmen<br />

– der Niet sitzt, und schon landet der nächste an vorbestimmter<br />

Stelle. Viele „Pocks“ lassen eine wunderbar gepunktete Linie entstehen,<br />

die hohe Festigkeit verleiht.<br />

Für den Lamborghini Gallardo entsteht zunächst der untere Rahmen,<br />

je nach Konstruktions-Vorgabe geschweißt oder genietet. Und<br />

zwar aus drei Sektionen: Vorderwagen und Hinterwagen werden mit<br />

Lamborghini-Hausdesigner<br />

Luc Donckerwolke hat wiederum<br />

eine Vision wirklich werden<br />

lassen, mit Ecken und Kanten,<br />

Einschnitten und Wölbungen.<br />

Roboter und feinfühlige<br />

Sensoren sorgen dafür, dass<br />

die Rohkarosse zur Formvollendung<br />

findet.<br />

Ein schickes Kleid aus Aluminium<br />

Das TK <strong>Magazin</strong> | 1 | 2004 |


dem Boden verbunden und geben ein erstes Gefühl, dass hier ein Auto<br />

entsteht. Ein wunderbares Beispiel, wie auf die Materialeigenschaften<br />

von Aluminium eingegangen wird, sind die FDS-Spezialschrauben<br />

(„Flow Drill Screw“), mit denen die Bodenbleche befestigt werden und<br />

um die sich einer der beiden Roboter kümmert: An seinem Arm ist ein<br />

Schraubautomat befestigt, dem per Luft die Schraube zugeschossen<br />

wird. Er lässt ihre Spitze auf dem nicht vorgebohrten Blech rotieren, so<br />

dass dort eine Temperatur von rund 200 Grad Celsius entsteht. Dabei<br />

wird das Aluminium weich, die Schraube dringt ein, furcht sich dabei ihr<br />

Gewinde, und die dosierende Steuerelektronik sorgt für ein Anzieh-<br />

Drehmoment von exakt sieben Newtonmeter.<br />

DIE ROHKAROSSERIE WIRD PENIBEL KONTROLLIERT<br />

Am Rahmen befestigen die Blechspezialisten die Außenhaut, Kotflügel<br />

für Kotflügel, Panel für Panel wird die schnittige Linie des Lamborghini<br />

erkennbar. Wiederum wird viel genietet, aber auch Schweißbrenner<br />

entzünden am Leichtmetall ihr verbindendes Feuer. Was er an Naht hinterlässt,<br />

wird zunächst grob mit einer Feile egalisiert. Für den letzten<br />

Feinschliff sorgen Karosseriespezialisten: Schmirgelnd wird jede noch<br />

so feine Unebenheit geglättet, fährt der Mann fühlend mit den Handschuhen<br />

darüber, nimmt noch einen Hauch Aluminium weg. Schließlich<br />

ist da, wo eben noch die Naht gut sichtbar war, eine absolut ebenmäßige<br />

Oberfläche.<br />

Nach all den Fertigungsschritten wird jede Rohkarosserie geprüft,<br />

ob sämtliche Maße so sind, wie Lamborghini es wünscht. Dazu<br />

Das TK <strong>Magazin</strong> | 1 | 2004 |<br />

Der Lamborghini-Gallardo<br />

ist ein Star auf den Straßen,<br />

Streets und Stradas dieser<br />

Welt. Fünfhundert Pferdestärken<br />

stehen bereit, um in knapp<br />

vier Sekunden auf Tempo<br />

100 zu kommen, mit leichter<br />

Karosserie.<br />

GALLARDO 73<br />

wird der künftige Sportwagen für kurze Zeit höher gelegt und gelangt<br />

in den „Lehrenwagen“, der den genauen Abmaßen entspricht. Weicht<br />

etwas ab, wird es gerichtet – doch an dieser Stelle der Produktion<br />

kommt das kaum noch vor. Eine Rohkarosserie wird jeden Tag noch<br />

rigoroser untersucht: Im Messraum tastet ein feinfühliger Sensor<br />

während vier Stunden rund Tausend Punkte ab und vergleicht sie mit<br />

den Computerdaten.<br />

Der Lamborghini-Torso ist noch nicht fertig. Das „Finishing“<br />

steht auf dem Programm: Die Karosserie wird mit feinem und feinstem<br />

Schleifmittel komplett geglättet. Das Ganze passiert in einem abgeteilten<br />

Raum, der erstens von bestem Licht erleuchtet ist und zweitens<br />

eine Feinstaubabsaugung hat. Wer hier arbeitet, ist ein absoluter<br />

Fachmann: Das Gespür und das Augenmaß, wo noch ein Hauch Metall<br />

wegzunehmen ist oder wo mit dem Hammer ganz leicht geklopft<br />

werden muss, um die dann wirklich perfekte Oberfläche zu bekommen,<br />

entwickelt nicht jeder. Und man lernt: Glatt ist noch nicht glatt<br />

genug. Denn erst die Lackierung offenbart gnadenlos jede noch so<br />

feine Unebenheit.<br />

Damit hat ThyssenKrupp Drauz seinen Teil am Lamborghini<br />

Gallardo getan: Makellose Rohkarosserien zu fertigen, die per Lastwagen<br />

erst zu Audi in die Lackierstraße und dann nach Sant’Agata in Italien<br />

gelangen. Dort bekommt der Gallardo all das, was einen italienischen<br />

Supersportwagen ausmacht – damit er mit seiner Technik und<br />

seinem hübschen Aluminiumkleid auf den Straßen, Streets und Stradas<br />

dieser Welt brilliert. 7


74 EISSTADION<br />

Eishockey – die schnellste und eine<br />

der härtesten Mannschaftssportarten der<br />

Welt. Hautnah beim Spiel dabei zu sein,<br />

ist für die Fans das größte Erlebnis<br />

Von Benedikt Breith | Fotos Andreas Möltgen<br />

Der Reiz liegt in der Schnelligkeit. In einer solchen Schnelligkeit,<br />

dass sie für den Menschen nicht nachvollziehbar ist. Nicht weniger<br />

liegt der Reiz aber in der prickelnden Gefahr. Einer solchen<br />

Gefahr, dass der Mensch sie sucht – wohl wissend, dass er sicher ist.<br />

Wir reden vom Eisstadion, konkret vom Stadion der Düsseldorfer Eislauf<br />

Gesellschaft (DEG) – seit Jahren und Jahrzehnten bekannt für die Stimmung<br />

der Fans, die durch die Kreativität der Sprüche, der Gesänge, der<br />

überschäumenden, aber nicht ausufernden Emotion immer wieder auf<br />

sich aufmerksam gemacht haben. Aus gutem Grund, denn Spieler und<br />

Fans leben in diesem Stadion in unmittelbarer Nähe. Bei einem Spiel,<br />

dessen Schnelligkeit die Faszination und das größte Gefahrenpotenzial<br />

ausmacht.<br />

KUNSTSTOFF ALS SCHUTZ FÜR DIE ZUSCHAUER<br />

Denn der Puck – der Stein der Weisen im Eishockey, der über Triumph<br />

und Enttäuschung entscheidet, erreicht, amtlich festgestellt, eine Aufprallgeschwindigkeit<br />

von 50 Metern in der Sekunde, was einer Stundengeschwindigkeit<br />

von 180 Kilometern in der Stunde entspricht. Für<br />

Eine Stadionbande für die Emotionen<br />

Das TK <strong>Magazin</strong> | 1 | 2004 |


die Zuschauer kann dies lebensgefährlich sein. Also wird Vorsorge getroffen.<br />

Im Fall des Düsseldorfer Stadions von ThyssenKrupp Services:<br />

Das Segment lieferte vor kurzem eine neuartige Bandenumrandung<br />

aus einem Werkstoff, den man natürlich nicht als Erstes mit Thyssen-<br />

Krupp assoziiert: Kunststoff. „Als Handelsorganisation besteht unsere<br />

Angebotspalette aus einem breiten Portfolio von <strong>Werkstoffe</strong>n“, fasst<br />

Werner Eschbach, Vorstandsmitglied der ThyssenKrupp Schulte GmbH,<br />

einem Unternehmen von ThyssenKrupp Services, die Gegebenheiten<br />

zusammen. Er ist zuständig für die Kunststoffsparte, ein Fachmann, der<br />

alles in allem seit mehr als fünfundzwanzig Jahren in diesem Metier<br />

tätig ist. „Man muss von dem Material, das man verkauft, begeistert<br />

sein“, lautet seine Überzeugung. Nur so könne man in einem mittelständisch<br />

geprägten Markt, wie er bei Kunststoffen herrsche, erfolgreich<br />

tätig sein.<br />

Der Auftrag für die neue Bande im Eisstadion der DEG trägt sicher<br />

nicht zur gewaltigen Umsatzsteigerung des Kunststoffhandels bei<br />

(worin aber ThyssenKrupp Services Weltmarktführer ist). Doch es ist ein<br />

Referenzprojekt, das jeden überzeugt. Pucksicherheit, Transparenz,<br />

Das TK <strong>Magazin</strong> | 1 | 2004 |<br />

Das Produkt „Margard ® “,<br />

ist schlagzäher als Glas. So<br />

schnell der Puck auch auf die<br />

Bande trifft, die Zuschauer<br />

stehen sicher und können<br />

ungestört dem schnellen Spiel<br />

auf dem Eis zuschauen, mit<br />

größter Begeisterung.<br />

EISSTADION 75<br />

Lichtdurchlässigkeit – dem sind die „Margard ® “-Polycarbonatplatten in<br />

jeder Weise gewachsen. Dies ist nicht nur eine werbewirksame Aussage,<br />

sondern das Ergebnis von extremen Prüfungen. Ein Prüfungszeugnis<br />

listet genau auf, wem alles der transparente Werkstoff trotzen<br />

musste: Dreißig Mal wurde der Puck auf das Polycarbonat geschossen,<br />

im Auftreffwinkel von 90 Grad, insgesamt vierundzwanzig Mal dann<br />

noch in einem Winkel von 45 Grad, bei gemessenen Aufprallgeschwindigkeiten<br />

von 50 Metern in der Sekunde.<br />

EINE BANDE MIT GROSSER PUCKSICHERHEIT<br />

Das war nicht alles: „Das Verglasungselement wurde 24 Stunden vor<br />

der Prüfung in einer Klimakammer auf 0 Grad vorklimatisiert, da in Eissporthallen<br />

in Bodenhöhe derartige Temperaturen vorherrschen und<br />

entscheidenden Einfluss auf die Schlagfestigkeit der Verglasung ausüben.“<br />

Das Ergebnis weist lakonisch aus: „Keine Veränderungen am<br />

Einbauelement. Das geprüfte Einbauelement überstand die Beanspruchung<br />

ohne Schäden. Es erwies sich somit als pucksicher gemäß den<br />

vorgenannten Prüfbedingungen.“


76 EISSTADION<br />

Frei war damit der Weg, den Fans in Düsseldorf neue Transparenz und<br />

ein Höchstmaß an Sicherheit zu gewähren. Das ist schon ein eigenartiges<br />

Gefühl. Hinter der Bande zu stehen, umgeben von einem ohrenbetäubenden<br />

Stimmengewirr, einer bunten Mischung aus Musik, Geschrei,<br />

anfeuernden Parolen und verächtlichen Sprüchen. Getrennt<br />

durch die kaum wahrnehmbare durchsichtige Bande, wähnt man sich<br />

umso mehr mitten im Spiel. Nicht zuletzt, weil einem die Pucks nur so<br />

um die Ohren fliegen – und vor der Bande gar keinen Halt machen, zur<br />

Begeisterung des Zuschauers, dem sie ins Gesicht donnern – gottlob<br />

nur scheinbar, dank der Schlagzähigkeit und Pucksicherheit des Polycarbonats.<br />

DURCHSICHTIGE SCHÖNHEIT IN EISKALTER UMGEBUNG<br />

Interessiert dies den Fan? Herzlich wenig. Doch wie es im Leben ist: Um<br />

Transparenz herzustellen, bedarf es großer Mühe. Eschbach argumentiert<br />

auch ganz grundsätzlich: „Wir sind Dienstleister und setzen uns auf<br />

den Stuhl des Kunden, um herauszufinden, was der Kunde braucht.<br />

Dieses liefern wir ihm.“ Rasch zieht er eine ganze Palette von Produkten<br />

hervor, die sich mit einem für ihn genauso wichtigen Werkstoff be-<br />

Der Puck bleibt sicher auf dem Eis<br />

schäftigen: Acryl – er vergisst nicht, die wunderbare Ästhetik von Acryl<br />

zu loben. Luxusmöbel aus Acryl, hoch kreative Kunstwerke aus Plexiglas®,<br />

„transparente Schönheiten“ genannte Lichtskulpturen, in der<br />

Licht und Plexiglas einander begegnen und miteinander in einen Dialog<br />

eintreten. „Die Marke Plexiglas® signalisiert Verlässlichkeit, Qualität<br />

und Innovationsfähigkeit.“<br />

Es bildet, folgt man Eschbachs Darstellung, die ideale Ergänzung<br />

zum Polycarbonat (das 1953 von dem Bayer-Forscher H. Schell erstmalig<br />

hergestellt und schon 1958 in industriellem Maßstab umgesetzt<br />

wurde, dasselbe gelang auch D.W. Fox, der zur selben Zeit das Polycarbonat<br />

für General Electric entdeckte). Schier unbegrenzt sind die Anwendungen,<br />

als Überdachung von Wintergärten, als Material für in die<br />

Zukunft gerichtete Badewannenformen, als Tonnengewölbe, als<br />

Schutzschild und Visier, als Fahrzeugverglasung und schützende Geräteverblendung.<br />

Gemessen daran kommt die Bande im Düsseldorfer Stadion<br />

schlicht daher. Wie sollte es anders sein? Es geht hier nicht (was sonst<br />

aus Eschbachs Sicht auch ein interessantes Anwendungsgebiet ist) um<br />

die Verwendung von Kunststoffen in der Luft- und Raumfahrt. Gefragt<br />

Das TK <strong>Magazin</strong> | 1 | 2004 |


ist hier eine Barriere, die trennt und dennoch alle miteinander vereint.<br />

Eine Schutzwand, die dennoch Emotionen durchlässt, dank der Lichtdurchlässigkeit<br />

im wahrsten Sinn des Wortes, gleichzeitig aber vor den<br />

Folgen der Härte und den Gefahren eines mitreißenden Eishockeyspiels<br />

jeden Besucher schützt. Zu fatal wären die Folgen, wenn ein Puck den<br />

ungehemmten Weg zu einem Zuschauer finden würde.<br />

Vergessen wir nicht den weit reichenden thermischen Einsatzbereich,<br />

der für Polycarbonat bei vierzig Grad unter Null beginnt und bei<br />

hundertfünfzehn Grad über Null endet. Und vergessen wir auch nicht<br />

die guten bis sehr guten Verarbeitungsmöglichkeiten. Denn das so genannte<br />

„Halbzeug aus PC“ (dazu zählt das Material der Stadionbande)<br />

lässt sich kalt biegen und warm formen, kalt und warm abkanten,<br />

sägen, bohren, fräsen, nageln und schrauben, ohne zu splittern. Obendrein<br />

ist es beständig gegen Chemikalien, gegen Benzin, Öle und aromatenfreie<br />

Fette.<br />

TRANSPARENZ LIEGT VOLL IM TREND<br />

Seine Begeisterung über diesen Werkstoff verhehlt Werner Eschbach<br />

nicht. Der Kunststoffhandel bewege sich in einem Wachstumsmarkt,<br />

Das TK <strong>Magazin</strong> | 1 | 2004 |<br />

Die Anforderungen an<br />

die Stadionbande sind hoch.<br />

Sie muss wie eine Schutzwand<br />

sein, doch sie muss vor allem<br />

die Emotionen begeisterter<br />

Fans passieren lassen. Unter<br />

den harten Bedingungen, wie<br />

sie im Eisstadion herrschen,<br />

wurden die Polycarbonatplatten<br />

geprüft – und dann zum Einbau<br />

genehmigt.<br />

EISSTADION 77<br />

umschreibt er die Lage aus der Sicht des Dienstleisters. „Hier sind wir<br />

extrem gut und breit aufgestellt, die Wertschöpfung ist überdurchschnittlich.“<br />

Transparenz herzustellen, liegt im Trend. Zumal bei einem Konzern<br />

wie ThyssenKrupp, der sich mit voller Absicht an die Spitze der<br />

Transparenz stellt (bei der Corporate Governance). Diesen Vergleich<br />

würde Eschbach natürlich nicht machen, aber die Parallele hält er für<br />

interessant. Um gleich hinterher zu schieben, dass die neue und hoch<br />

transparente Bande ein richtig tolles Beispiel dafür ist, wie Thyssen<br />

Krupp Schulte interessante Aufträge mit einer breiten Öffentlichkeitswirkung<br />

an sich ziehen kann.<br />

Übrigens ohne Einfluss auf den Ausgang des Spiels. Denn das<br />

Ergebnis des 156. rheinischen Derbys zwischen den DEG Metro Stars<br />

und den Kölner Haien ging kurz vor Weihnachten so aus, wie es der in<br />

Düsseldorf arbeitende, aber aus Köln stammende Werner Eschbach<br />

vielleicht doch, dem Herzen folgend, ein wenig goutierte: 3 : 0 für die<br />

Haie aus der Domstadt. Gesehen haben es mehr als zehntausend Besucher,<br />

durch und über die neue Bande hinweg, die jeden Blick passieren<br />

ließ, aber jeden Puck aufhielt. 7


78 WERKSTOFFAUSWAHL


<strong>Werkstoffe</strong> aus<br />

Metall – und<br />

ein Mann, der<br />

sie alle kennt<br />

Von Heribert Klein | Fotos Claudia Kempf<br />

Das TK <strong>Magazin</strong> | 1 | 2004 |<br />

WERKSTOFFAUSWAHL 79<br />

Jochen Adams arbeitet bei ThyssenKrupp<br />

Schulte. Er gilt als Erfinder eines Werkstoff-<br />

Auswahlprogramms – für Kunden die<br />

ideale Datenbank, um in kürzester Zeit das<br />

richtige Material zu finden<br />

Was er denn sei, welche Funktion er genau ausübe – darüber<br />

lässt er nicht den Hauch eines Zweifels aufkommen. Jochen<br />

Adams, so weist es seine Visitenkarte aus, ist „Leiter Zentraler<br />

Technischer Verkauf/Qualitätsmanagement“ bei ThyssenKrupp Schulte,<br />

einem Unternehmen von ThyssenKrupp Services. Der Titel klingt<br />

sperriger, als Adams wirkt. Denn dahinter verbirgt sich ein Mann, dessen<br />

ganzes Berufsleben vom Wissen, dem Interesse und der Leidenschaft<br />

für die metallischen <strong>Werkstoffe</strong> geprägt ist.<br />

„Hier gibt es viel zu tun“, sagt er in seinem Büro sitzend, das<br />

überquillt vor Akten, Blättern und Ordnern. Zu jedem Thema aus der<br />

Werkstoffkunde fallen ihm tausend weiterführende Gedanken ein. Dieser<br />

Prokurist namens Adams scheint ein wandelndes Lexikon zu sein,<br />

ein Mensch, der sehr wohl den Computer zu nutzen weiß, der aber mindestens<br />

genauso auf dem Prinzip beharrt: „Man muss viel lesen, um zu<br />

wissen, wo etwas steht.“ Dies alles im Sinne eines Dienstleisters für die<br />

Niederlassungen von ThyssenKrupp Schulte in allen Fragen, die metallische<br />

<strong>Werkstoffe</strong> betreffen.<br />

EINE DATENBANK ENTSTEHT ZUERST IM KOPF<br />

Diplom-Ingenieur Adams gilt als der „Erfinder“ und Betreiber eines praxisorientierten<br />

Werkstoffauswahlprogramms. Dahinter verbirgt sich<br />

eine mittlerweile schon gigantisch anmutende Datenbank, auf deren<br />

Grundlage Adams jedem Kunden die exakt auf seine Bedürfnisse zutreffende<br />

Stahlsorte anbieten kann „Wir haben jeden Stahl genommen<br />

und seine Eigenschaften analysiert, wobei nicht die Grenzwerte einer<br />

Norm für uns entscheidend waren, sondern die realistischen Daten unserer<br />

Auswertungen. Insofern haben wir wirklich gemessene Ergebnisse,<br />

die wir an unsere Kunden weitergeben können.“ Er hält sich zugute,<br />

dass er weiß, wovon er spricht, wenn er Ratschläge gibt. Von Haus aus<br />

ist er Metallkundler, 1967 fing er bei Thyssen Röhrenwerke an, wechselte<br />

dann 1970 zum Grobblechwalzwerk nach Duisburg-Süd in den<br />

Bereich des Qualitätswesens. „Man muss in seinem Leben viel Glück<br />

haben, um zum Erfolg zu kommen“, stellt er fest. Dass er, um nur ein<br />

Beispiel zu nennen, in dem Grobblechwalzwerk einen Stapel Prüfergebnisblätter<br />

von Stählen vorfand, an denen keiner außer ihm selbst Interesse<br />

hatte, war so ein Glücksfall.


80 WERKSTOFFAUSWAHL<br />

Den Kunden genau im Blick<br />

Jochen Adams hat<br />

die Eigenschaften von jedem<br />

Stahl analysiert und im<br />

Computer gespeichert. Die<br />

erfassten Daten sind für die<br />

Kunden von wesentlichem<br />

Nutzen. Sie können die Daten<br />

käuflich erwerben.


WERKSTOFFAUSWAHL 81


82 WERKSTOFFAUSWAHL<br />

Suche nach der optimalen Lösung<br />

Adams machte sich die Mühe, alles, was er sah, was ihm vor die<br />

Augen kam, zu studieren, Werte zu berechnen, die Ergebnisse zu vergleichen<br />

– um alle diese Fakten nach und nach in einer Datenbank zu<br />

erfassen. Die Lebenserfahrung freilich hat ihn gelehrt, alle Vorteile der<br />

Computertechnik zu nutzen, ohne Gefahr zu laufen, sie überzubewerten.<br />

Für ihn bleibt unumstößlich: „Der Computer kann nicht alles ersetzen,<br />

aber man kann auch den Computer nicht ganz und gar ersetzen.“<br />

Wie dieses in der Praxis funktioniert, führt er mit der ihm eigenen<br />

Leidenschaft vor. Oft steht er im Gespräch auf, eilt zu einem seiner<br />

Schränke, deren Inhalt er – für einen Außenstehenden kaum nachvollziehbar<br />

– Blatt für Blatt zu kennen scheint. Zielsicher zieht er einen Ordner<br />

heraus. Die Bemerkung „Ich kann Ihnen alles schwarz auf weiß zeigen“<br />

ist in Adams Fall keine Koketterie, sondern Ausdruck von<br />

Seriosität – die er in Streitfällen so zu nutzen weiß, dass der Hinweis auf<br />

diese oder jene Literaturstelle einen Disput fast immer beendet. „Solche<br />

Erfahrungen sind bei Auseinandersetzungen überaus hilfreich“<br />

sagt er, „vorausgesetzt, man hat all die technischen Berichte gelesen<br />

und weiß, wo man jedes Detail finden kann.“<br />

DETAILKENNTNISSE BEENDEN AM EINFACHSTEN DEN DISPUT<br />

Im Normalfall sucht der Kunde bei Jochen Adams die ideale Stahl-<br />

Lösung. Mit den heutigen Möglichkeiten kann dieser ihn umgehend bedienen.<br />

Angenommen, der Hersteller von Nutzfahrzeugen sucht nach<br />

einem Vergütungsschaubild, gibt alle möglichen Eigenschaften wie<br />

Härtbarkeit, Streckgrenze, Abkantradius, Schweißeignung, Blechdicke<br />

vor – dann kann er mit Hilfe des Computers in wenigen Augenblicken<br />

einen Stahl oder eine Auswahl geeigneter Sorten präsentieren, die<br />

zudem, was in der Regel zum Wichtigsten gehört, auch noch verfügbar<br />

sind. „Was nutzt der schönste Stahl, wenn ich ihn dem Kunden nicht liefern<br />

kann?“ fragt Adams, diesmal in der Rolle des Händlers, über die<br />

Funktion des Metallkundlers hinaus. Doch findet er zu allen Parametern<br />

passend ein Ergebnis in seinem Computer, hellt sich Adams Miene auf.<br />

„Volltreffer.“ Der insofern nicht unwichtig ist, als er zu neuem Umsatz<br />

bei ThyssenKrupp Schulte führt und Adams einmal mehr zur Prosperität<br />

des Unternehmens auf seine Art beiträgt. Eine langweilige Tätigkeit?<br />

Überhaupt nicht, meint Adams, es habe keinen Tag in seinem langen<br />

Berufsleben gegeben, an dem er ungern in den Betrieb gegangen<br />

sei, nicht zuletzt wegen der ständig neuen Herausforderungen.<br />

DIE ANGABEN ENTSPRECHEN DEN ERFAHRUNGEN<br />

Und dann wird er noch lebendiger als sonst. „Zusammen mit den Kunden<br />

suche ich anwendungsorientierte Lösungen. Aber mit Forschung<br />

hat dies nichts zu tun.“ Trotzdem, die Grenzen verschwimmen. Bringt<br />

er die <strong>Werkstoffe</strong> „TS-ThermoCut 1, TS-ThermoCut 2“ ins Spiel, wird<br />

schnell deutlich, dass man ihn auch hier guten Gewissens als Erfinder<br />

bezeichnen kann. Denn diese beiden Stähle für thermische Trennverfahren<br />

– insbesondere das Laserschneiden – hat er entwickelt. Auch<br />

die farbige Broschüre, welche die Eigenschaften der Neuheiten darstellt,<br />

spiegelt das Wissen und den Anspruch der Person Adams. Nicht<br />

nur die Einzelheiten betreffend, die übersichtlich dargestellten Informationen<br />

über die chemische Zusammensetzung, thermische Trennverfahren,<br />

Laserstrahlschneiden, Laserstrahlschweißen oder Kalt-Umformen.<br />

Die Feststellung „Die Angaben, mit denen wir Sie beraten<br />

wollen, entsprechen unseren Erfahrungen“ könnte von ihm stammen.<br />

Seit langem beschäftigt sich Jochen Adams besonders auch mit<br />

Problemfällen bei den <strong>Werkstoffe</strong>n. Von Natur aus ein Pragmatiker, auf<br />

der Basis gesicherten Wissens, holt er den einen oder anderen Gegenstand,<br />

legt ihn auf den Tisch und erklärt, worin denn das eigentliche<br />

und nicht das vermeintliche Problem besteht. Der Fahrzeugbauer etwa,<br />

der nicht mit dem vorgeschriebenen Radius von 10 Millimeter, sondern<br />

schon mit 1 Millimeter abkantet, woraufhin die Kante bricht: „Das kann<br />

so nicht funktionieren.“ Oder der Hersteller einer Maschine, die Fleisch<br />

in Vakuumfolie einschweißt: Die Maschine rostet an allen möglichen<br />

Ecken und Enden. Was, wie der Hersteller und Betreiber der Maschine<br />

ganz sicher zu wissen meint, am falschen Werkstoff liegt. Was aber, wie<br />

Adams noch sicherer weiß, in Wirklichkeit daran liegt, dass die Maschi-<br />

Das TK <strong>Magazin</strong> | 1 | 2004 |


Jochen Adams ist ein<br />

Pragmatiker, der ein Leben<br />

lang Erfahrungen im Umgang<br />

mit Stahl gesammelt hat. Sein<br />

Werkstoff-Auswahlprogramm<br />

dient nur einem – dem Rat<br />

suchenden Kunden.<br />

ne mit Reinigern arbeitet, die nicht sauber weggespült werden – und<br />

dadurch aggressiv auf das Metall einwirken.<br />

Oder jemand fertigt einen Druckbehälter für Hausgasanschlüsse,<br />

indem er hierzu einen Rundstahl ausdreht. Da steigt die Stimmlage<br />

von Adams, weggeblasen ist seine Lockerheit, man hört nun Wörter<br />

wie „unglaubliche Fehler, eine ziemliche Katastrophe“. Weshalb? „Da<br />

wird ein Druckbehälter aus Rundstahl gebaut, indem dieser ausgedreht<br />

wird. Ich habe gleich gesagt, das geht nicht – weil Rundstähle<br />

dieser Dicke im Inneren nicht immer gasdicht sind und somit Gas ausströmen<br />

kann. Unglaublich!“ Wer aber gibt schon gern Fehler zu? Keiner,<br />

das hat Adams in vielen Jahren erfahren. Umso beharrlicher hat<br />

er die Grundlage geschaffen, Fehler dort zu orten, wo sie entstehen –<br />

wo auch immer dies ist. Selbst wenn es im eigenen Unternehmen<br />

wäre: Adams ist ein zu ehrlicher Vertreter seiner Zunft, als dass er mit<br />

der Wahrheit hinter dem Berg hielte. Besteht doch ein wesentlicher Teil<br />

seines beruflichen Erfolgs darin, ein System entwickelt und aufgebaut<br />

zu haben, das sowohl der Fehlerermittlung als auch der Fehlervermeidung<br />

dient.<br />

ERFAHRUNGEN MUSS JEDER MENSCH FÜR SICH SAMMELN<br />

Und wenn er einmal in den Ruhestand geht, wer übernimmt dieses Erbe<br />

eines intensiven Berufslebens? Adams setzt seine ganze Hoffnung auf<br />

drei Techniker, die mit ihm zusammenarbeiten und die in seine Fußstapfen<br />

treten sollen. Die Voraussetzungen stehen nicht schlecht, denn<br />

Adams wird alle seine erworbenen Kenntnisse weitergeben. Soviel, so<br />

gut. Doch eine Restunsicherheit bleibt: Erfahrungen muss jeder<br />

Mensch für sich selbst sammeln. Und Erfahrungen sind Bestandteil von<br />

Adams’ Werkstoffauswahlprogramm für unlegierte, legierte und hochlegierte<br />

Stähle. Kaum vorstellbar, dass einer (wie Adams) irgendwann<br />

nicht mehr wird sagen können: Lesen Sie nach bei der Literaturstelle<br />

hier, im Jahr 1968, oder jener aus dem Jahr 1978 oder studieren Sie<br />

dieses Werkstoffblatt von 1989. Keine Frage, dass Jochen Adams noch<br />

lange dringend gebraucht wird. 7<br />

Das TK <strong>Magazin</strong> | 1 | 2004 |<br />

WERKSTOFFAUSWAHL 83<br />

DAS WERKSTOFF-AUSWAHLPROGRAMM AUF EINEN BLICK<br />

Das Programm empfiehlt – entsprechend den vom<br />

Nutzer ausgewählten Anforderungen – den geeigneten<br />

Werkstoff für die jeweilige Anwendung.<br />

In drei Schritten zum richtigen Werkstoff:<br />

1. Branche auswählen<br />

2. Eigenschaften bestimmen<br />

3. Merkmale festlegen<br />

Auf die Branchenauswahl folgt die Anzeige von bis zu drei<br />

vorausgewählten Eigenschaften, die für diese Branche<br />

besonders relevant sind. Der Nutzer kann diese Eigenschaften<br />

bestätigen oder selbst neue auswählen. Zu jeder Eigenschaft<br />

können dann die erforderlichen Merkmale exakt festgelegt<br />

werden. Bei der Auswahl überprüft das Programm auch die<br />

geforderte Verfügbarkeit des <strong>Werkstoffe</strong>s.<br />

Präzise Auswahlmöglichkeiten<br />

Bei den Eigenschaften werden 37 Gruppen wie zum Beispiel<br />

Schwingfestigkeit, Kaltumformbarkeit, Wärmeleitfähigkeit,<br />

Wetterbeständigkeit, Walzverfahren, Streckgrenze, Zugfestigkeit,<br />

Bruchdehnung, Schweißeignung, Abkantradius,<br />

Elastizitätsmodul, Oberflächenbehandlung etc. unterschieden.<br />

Jede der Eigenschaften lässt sich mit einem Wert präzisieren;<br />

dafür sind bis zu 50 Merkmale je Eigenschaft hinterlegt.<br />

Umfangreiche Inhalte<br />

Die Programmdatenbank enthält rund 500 Stähle inclusive<br />

der 32 gebräuchlichsten hochlegierten Stähle. Die Daten<br />

basieren auf gemessenen – und in Werkszeugnissen<br />

dokumentierten – Werkstoffanalysen aus der Stahlproduktion.<br />

Die Informationen werden laufend an den aktuellen Stand<br />

von Normung und Technik angepaßt.<br />

Für zahlreiche Stähle sind Werkstoffblätter abrufbar. Für<br />

wärmebehandlungsfähige Stähle stehen Zeit-Temperatur-<br />

Umwandlungs-Schaubilder zur Verfügung.<br />

Für Stahlsorten, die in Bauteilen mit schwingender<br />

Beanspruchung eingesetzt werden, sind Wöhlerkurven zur<br />

Beurteilung der Dauerfestigkeit hinterlegt.<br />

Alle Suchergebnisse sowie die hinterlegten ZTU-Schaubilder,<br />

Wöhlerkurven und Werkstoffblätter können ausgedruckt<br />

werden.


84 LASER


Für das Laserschweißen<br />

sind spezielle Stähle mit einer<br />

spezifischen Zusammensetzung<br />

notwendig. Bei diesen<br />

<strong>Werkstoffe</strong>n mit einer Blechdicke<br />

zwischen drei und<br />

zwölf Millimetern ist die<br />

Genaufertigung mit dem Laser<br />

unübertroffen.<br />

Von Benedikt Breith | Fotos Blohm + Voss<br />

Was, gesellschaftspolitisch gesehen, so wünschenswert<br />

ist, wird in diesem Fall so klein wie<br />

möglich gehalten: die Toleranz. Denn die „Genaufertigung“,<br />

wie der Fachmann sagt, ist das Ziel wie<br />

das Kennzeichen einer Technik, die sich des Lasers bedient,<br />

um die Toleranzbereiche ganz eng zu halten.<br />

Der Fachmann heißt Alfred Kahl, Leiter der Schiffbaufertigung<br />

in Hamburg bei Blohm + Voss, einem Unternehmen<br />

von ThyssenKrupp Technologies. Er ist ein nüchtern<br />

wirkender Ingenieur, der beim Thema Lasertechnik<br />

nicht in Überschwang gerät, wohl aber alle die Vorteile der<br />

Laserstrahltechnologie bis ins kleinste Detail zu benennen<br />

weiß. Dem Normalbürger kämen gleich mediale Assoziationen<br />

in den Sinn. Wie war das noch in einem James-<br />

Bond-Film? Hatte da nicht einer Laser benutzt, um Flugzeuge<br />

zerstören zu wollen, ja um die Herrschaft über die<br />

Welt zu erringen?<br />

Kahl bleibt, seinem Naturell entsprechend, lieber bei<br />

erdgebundenen Gedanken. Nun gut, nicht ganz, denn die<br />

Lasertechnologie – sie dient am Ende auch dazu, ein<br />

Schiff zu bauen, das sicher über die Meere der Welt<br />

schwimmt. Was wiederum zu dem zurückkehrt, worüber<br />

Kahl sehr gerne spricht: die Präzision beim Schiffbau.<br />

Allein die Halle mit der Lasertechnologie, durch die<br />

er den Gast führt, zeigt die riesigen Dimensionen, um die<br />

es hier geht. Was in gewisser Weise umgekehrt proportio-<br />

Das TK <strong>Magazin</strong> | 1 | 2004 |<br />

Der Laser<br />

richtet es perfekt<br />

Die neue Schweißtechnik von Blohm + Voss<br />

in Hamburg ist von der Qualität her Weltspitze<br />

LASER 85<br />

nal zu der Millimeter-Arbeit steht, die der Laser leistet. „Für uns sind beim Einsatz von<br />

Lasern Blechdicken zwischen drei und zwölf Millimetern relevant“, stellt Kahl fest. „Bei<br />

größeren Dicken setzen wir den Laser nicht mehr ein.“<br />

Präzision und räumliche Größe gehen in der Schiffbauhalle 3 von Blohm + Voss<br />

eine bestaunenswerte Symbiose ein. Denn was sind 150 Meter Länge gegen einen<br />

Fügespalt von maximal 0,3 Millimetern? Nichts. Oder doch eben ungeheuer viel, und<br />

dies bei Deckelementen, die im Höchstfall 12 Meter lang und 4 Meter breit auf der Laseranlage<br />

zusammengeschweißt werden können. Der große Aufwand für diese Hightech-Anlage<br />

lohne sich für das Ergebnis, meint Kahl. „Allein der Aufwand für Richtstunden<br />

liegt im Schnitt bei dreißigtausend Stunden. Durch den Lasereinsatz sparen<br />

wir ungefähr die Hälfte und können gleich in die nächste Verarbeitungsstufe gehen,<br />

ohne langwierige Richtarbeiten.“<br />

KUNSTVOLLE LASERTECHNIK FÜR FILIGRANE NÄHTE<br />

Wer vor einem Schiff steht, ist beeindruckt von der Größe. Haus-, turmhoch mutet die<br />

Mega Yacht oder das schnelle Kreuzfahrtschiff an, beide prinzipiell mit demselben Ziel:<br />

leicht und deswegen schnell fahren und manövrieren zu können. Was wesentliche Einflüsse<br />

auf die <strong>Werkstoffe</strong> hat, die verwendet werden müssen: Leicht und dennoch<br />

hochfest müssen sie sein, die Materialien mit sehr geringen Blech- und Profildicken.<br />

Wer unter die Hülle eines solchermaßen schwimmenden Wunderwerks blickt,<br />

erkennt auf Anhieb das weit verzweigte Netz von Schotten und Querwänden, die in<br />

einem Tragwerk miteinander verbunden sind, in einem kompliziert hergestellten, aber<br />

einfach angeordneten Geflecht von Längs- und Querbauteilungen.<br />

Nicht gebaut nach dem Prinzip „Villa Kunterbunt“, im Gegenteil. Wenn die beiden<br />

CO2-Laser ihre Maßarbeit, hell wie die Sonne beginnen, herrscht eine solche Präzision<br />

vor, wie sie nur sensorgesteuerte Maschinen, nicht mehr aber menschliche


86 LASER


Lasereintrag ohne Toleranz<br />

Hände erzeugen können. Nicht, dass der Mensch überflüssig würde, aber seine Funktion<br />

reduziert sich auf die Überwachung des Vorgangs, der sich vor seinen Augen im<br />

Leitstand abspielt.<br />

Um es, mit Kahls Worten, technisch exakt zu definieren: „Wir verwenden spezielle<br />

Stähle mit spezifisch chemischer Zusammensetzung. Der Lasereintrag findet bei<br />

diesen Stählen hoch komprimiert auf engstem Raum statt.“ Will sagen: die Schrumpfungen<br />

sind kaum merkbar, die Abkühlgeschwindigkeiten extrem hoch, die Aufhärtungen<br />

verschwindend gering. Der hoch konzentrierte Laserstrahl führt zu einer minimalen<br />

thermischen Belastung, was gleichfalls den Verzug der Bleche minimiert.<br />

Kahl mangelt es nicht an eindrucksvollen Vergleichsstücken, die er dem Besucher<br />

vorführt. Herkömmlich geschweißte Profile und Nähte, gleich neben einer Lasernaht<br />

– da liegt dann doch der Vergleich nahe, dass im einen Fall mehr der Grobschlächter,<br />

im andern Fall der Feinchirurg am Werk war. So uneben und<br />

unausgeglichen die Schweißnaht nach alter Methode, so filigran wirkt die kunstvolle<br />

Naht nach neuer Laser-Art.<br />

DAS MODERNSTE FERTIGUNGSZENTRUM FÜR DIE VORMONTAGE<br />

Neu? Kahl räumt ein, dass der Schiffbau Jahre gebraucht habe, um die Lasertechnologie,<br />

in der Automobilherstellung längst eingesetzt, für seine Zwecke anzuwenden.<br />

Forschungsinstitute und Universitäten leisteten die Pionierarbeit der Entwicklung,<br />

Blohm + Voss machte sich die Ergebnisse zugute und baute, sagt Kahl, „das zurzeit<br />

im Schiffbau modernste Fertigungszentrum für die Vormontage“. Schnelligkeit geht<br />

dort einher mit Genauigkeit, unbeeindruckt von großen Lasten. „Die maximale Bauteilgröße<br />

von 4 x 12 Meter hat ein Gewicht von rund 9 Tonnen“, sagt Kahl. Man solle<br />

sich vorstellen: Die Werkstückträger wögen 16 Tonnen, die aufliegenden Bauteile<br />

nochmals 10 Tonnen. Zum Aufbau der Laseranlage gehöre eine fliegende Optik bei<br />

feststehendem Portal und drei bewegliche Werkstückträger sowie ein Spann- und Positionierportal.<br />

Die Laserstrahlquellen selbst seien dagegen fest montiert. Einen Effekt<br />

stellt Kahl besonders heraus: die Qualität des Schweißens von Profilen auf die be-<br />

Die I-Naht am T-Stoß, simultan<br />

lasergeschweißt – so kommt das<br />

Profil zur Stahlplatte. Der<br />

Tiefschweißeffekt erreicht einen<br />

Vollanschluss zwischen Platte<br />

und Stegelement. „Eine haltbarere<br />

Schweißnaht gibt es nicht“, sagt<br />

Alfred Kahl, der Leiter der<br />

Schiffbaufertigung bei Blohm + Voss<br />

Das TK <strong>Magazin</strong> | 1 | 2004 |<br />

LASER 87<br />

schichteten Stahlplatten. Der Fachmann wüsste sofort: I-<br />

Naht am T-Stoß, simultan laserstrahlgeschweißt, darum<br />

geht es. Fotos und Grafiken, die Kahl zum Beweis in die<br />

Hand nimmt, zeigen überdeutlich den Unterschied zu konventionellen<br />

Kehlnähten. Während mit dieser Methode nur<br />

die Eckpunkte verbunden werden, wirken die Laser sehr<br />

viel intensiver auf die <strong>Werkstoffe</strong> ein. „Wir erreichen mit<br />

dem Tiefschweißeffekt einen Vollanschluss zwischen Platte<br />

und Stegelement. Eine haltbarere Schweißnaht gibt es<br />

nicht. Der Germanische Lloyd hat uns diese Technik zertifiziert.“<br />

Chirurgische Präzision bei Produkten, deren Fläche<br />

ein ganzes Feld bedecken kann – darin besteht der Reiz<br />

der Lasertechnologie im Schiffbau. Womit, Kahls Worten<br />

folgend, der Leichtbau endgültig Einzug gehalten hat in<br />

den Bau von „schnellen Schiffen“. Stellt man sich vor,<br />

dass pro Schiff potenziell Laserschweißnähte in einer<br />

Länge von zweihundert Kilometern und Flächen von sechzigtausend<br />

Quadratmetern entstehen, erkennt man die<br />

gewaltigen Dimensionen.<br />

„Der Laser wird es schon richten“, mag man ausrufen.<br />

Doch was heißt „richten“? Hier muss nichts mehr<br />

warm- oder flammgerichtet werden, denn Winkelschrumpfung,<br />

Beulung und Biegung gehören der Vergangenheit<br />

an. Wenn der Laser seine komprimierte, gleißend<br />

helle Arbeit auf den Paneelen erledigt hat, passt alles<br />

haargenau. Nur mit den Toleranzen – da versteht der<br />

Laser keinen Spaß. Denn große Toleranzen und Genaufertigung,<br />

das geht nicht zusammen. Partout nicht. 7


88 VIM-OFEN<br />

Höchstreine<br />

Superlegierungen<br />

sind das Ziel<br />

Der Vakuum-Induktions-Schmelzofen (VIM)<br />

von ThyssenKrupp VDM in Unna ist in<br />

Europa erste Adresse – für <strong>Werkstoffe</strong> mit<br />

extremen Eigenschaften<br />

Von Dieter Vogt | Illustrationen Tobias Wandres<br />

Es gibt Edleres als die Edelmetalle, die Hals und Handgelenk der<br />

Damen schmücken. Feiner und anspruchsvoller sind die sehr reinen<br />

metallischen Legierungen, die nicht zur Abendgarderobe getragen<br />

werden. Die meisten haben unbekannte Namen und werden nie<br />

so prominent wie Gold und Silber sein. Es sind Hochleistungswerkstoffe,<br />

die an kritischen Nahtstellen der Technik wichtige Aufgaben erfüllen.<br />

Und meistens im Verborgenen: in Autokatalysatoren, Flugtriebwerken,<br />

Fernsehapparaten, Rauchgasentschwefelungsanlagen.<br />

ZWEIHUNDERTSECHZIG KREATIONEN IM ANGEBOT<br />

Gießerstraße, Formerstraße: Adressen am Rande der Stadt Unna, geprägt<br />

von der Stahlindustrie. Den blauen Werkhallen sieht man nicht an,<br />

dass sie Europas erste Adresse für besondere Legierungen sind. Das<br />

Schmelzwerk Unna ist die Spezialitätenküche der ThyssenKrupp VDM<br />

GmbH. Legierungen entstehen durch Verschmelzung verschiedener<br />

Metalle; manchmal sind es nur zwei, manchmal ein Dutzend. Es geht<br />

darum, bestimmte Eigenschaften der Elemente zu optimieren oder ganz<br />

neue hervorzubringen. Die Hauptforderungen lauten immer wieder:<br />

mechanischen, thermischen oder chemischen Belastungen standzuhalten,<br />

mitunter allen dreien. Das Schmelzwerk Unna hat nicht weniger<br />

Das TK <strong>Magazin</strong> | 1 | 2004 |


Erst seit kurzem ist die<br />

Anlage in Unna in Betrieb.<br />

Gleichsam unter Weltraumbedingungen<br />

wird das<br />

Material im Ofen eingeschmolzen.<br />

Der Vakuumprozess im Ofen<br />

stellt sicher, dass die Legierungen<br />

frei von unerwünschten<br />

Verunreinigungen sind.<br />

VIM-OFEN 89


90 VIM-OFEN<br />

als 260 Legierungen anzubieten, und wenn Forschung und Entwicklung<br />

nicht zum Stillstand kommen, wird sich die Zahl noch vergrößern. Die<br />

Schwermetalle Nickel und Kobalt herrschen als Basiselemente vor.<br />

Der Standort Unna, 1972 von den Vereinigten Deutschen Metallwerken<br />

eröffnet, hat sich in drei Jahrzehnten nicht weniger gewandelt<br />

als die übrige Welt. Der jüngste Schritt in die Zukunft liegt gerade erst<br />

ein paar Wochen zurück. Unna erhielt für rund 15 Millionen Euro einen<br />

Vakuum-Induktions-Schmelzofen, unter Fachleuten „VIM-Ofen“ genannt,<br />

was für Vacuum Induction Melting steht. Das schlichte Wort Ofen<br />

taugt nicht recht zur Beschreibung dieser 30 Meter langen und 12 Meter<br />

hohen Anlage mit einer Anschlussleistung von 7000 kVA (Kilo Volt-Ampere).<br />

Die Metallkonstruktion ist über Treppen und Plattformen begehbar.<br />

Im hochgelegenen Steuerstand lässt sich der automatische<br />

Schmelz- und Abgussprozess auf Bildschirmen verfolgen und beeinflussen.<br />

Der eigentliche Ofen, Kern der Anlage, kann mit festem oder<br />

flüssigem Material beschickt werden. Er fasst maximal 30 Tonnen und<br />

ist damit größer als alle vergleichbaren Öfen in Europa. Bei Temperaturen<br />

bis zu 1750 Grad Celsius wird das Material gleichsam unter Weltraumbedingungen<br />

eingeschmolzen. Das Vakuum ermöglicht Legierungen,<br />

die frei von Sauerstoff, Stickstoff und anderen unerwünschten<br />

Verunreinigungen sind. Wie eine gute legierte Suppe muss das<br />

Schmelzbad gerührt werden, wofür ein elektromagnetisches Rührwerk<br />

sorgt. Nach dem Abguss landet die Schmelze in transportablen Kokillen<br />

und erkaltet. Aber die entstehenden Metallblöcke sind noch nicht<br />

der Feinheit letzter Schluss. Manche <strong>Werkstoffe</strong> müssen dreimal durchs<br />

Feuer: Das heißt, in Unna warten noch zwei Umschmelzanlagen darauf,<br />

den Werkstoff weiter zu säubern, zu homogenisieren, zu veredeln. Die<br />

Endprodukte sind höchstreine Superlegierungen. Sie werden zum Beispiel<br />

für Turbinenschaufeln in Strahltriebwerken gebraucht, wo sie bei<br />

hohen Temperaturen und extremen Fliehkräften eine lange Lebensdauer<br />

erreichen müssen.<br />

LEGIERUNGEN MIT EXOTISCH KLINGENDEN NAMEN<br />

Legierungen sind für Physiker das, was Rassepferde für Züchter sind.<br />

Liest man die lange Liste ihrer Schöpfungen, so stößt man auf exotisch<br />

klingende Namen: Nicorros, Nimofer, Pernifer, Conicro, Cunifer, Magnifer.<br />

Bei genauem Hinsehen sind es freilich nur schlichte Kunstworte, zusammengesetzt<br />

aus den chemischen Zeichen der beteiligten Metalle.<br />

Ni ist Nickel, Cro ist Chrom, Fer ist Eisen. Die Legierung Nicrofer 5219<br />

besteht aus nicht weniger als elf Elementen, darunter Eisen und Molybdän,<br />

doch sind Nickel mit 52 % und Chrom mit 19 % die wichtigsten.<br />

Was sich im Schmelzwerk Unna in all den Jahren nicht geändert hat, ist<br />

die sorgsame Kennzeichnung des Materials: vor und nach dem Feuer.<br />

Es darf keine Verwechslungen geben. Unter den Metallblöcken, die in<br />

Das TK <strong>Magazin</strong> | 1 | 2004 |


der Schmelzhalle und im Hof lagern, ist kein einziges Stück ohne Namensschild.<br />

Was aus der Gießrinne der Öfen fließt, wird zu Bändern,<br />

Stangen, Drähten, Blechen und Folien verarbeitet. Das geschieht nicht<br />

gleich in Unna. Einige <strong>Werkstoffe</strong> verlassen das Gelände in Spezialtransportern<br />

als glühende Blöcke – sie nehmen einen Teil der ungeheuren<br />

Wärmeenergie mit, der sie ihre Entstehung verdanken. Die Weiterverarbeitung<br />

ist ein Wettlauf gegen die Temperatur. Im Werk<br />

Duisburg werden die Chromstahl-Blöcke zu 8 bis 9 Meter langen Platten<br />

gewalzt. Auch das ist nur ein Übergang. Weiter geht es nach Ruhrort<br />

zum Schleifen und dann ins Werk Bochum, wo sie zu vier Millimeter<br />

dicken Bändern verarbeitet werden – bei einer Resttemperatur von<br />

immer noch 300 Grad.<br />

EIN WERKSTOFF, DER DIE AUTOWELT REVOLUTIONIERT<br />

Das Endprodukt Aluchrom 7AI YHF ist eine Neuentwicklung, hervorgegangen<br />

aus einem Forschungsprojekt des Bundes und ausgezeichnet<br />

mit dem Umweltschutzpreis des BDI. Aus dem Werkstoff, dem so<br />

fremdartige Elemente wie Yttrium und Hafnium zulegiert sind, werden<br />

30-40 Mikrometer dünne Folien hergestellt. Sie sind Schlüsselbausteine<br />

moderner Metall-Katalysatoren für Automotoren, die dem klassischen<br />

Trägerwerkstoff Keramik einiges voraushaben. Wegen ihrer<br />

schnellen Erwärmung sind sie schon in der Startphase voll wirksam.<br />

Die <strong>Werkstoffe</strong> mit den<br />

härtesten Anforderungen<br />

müssen dreimal durchs<br />

Feuer, erst dann erreichen<br />

sie die Höchstreinheit. Was<br />

am Ende die Gießrinne der<br />

Öfen freigibt, wird zu Folien,<br />

Blechen, Stangen, Bändern<br />

und Drähten verarbeitet.<br />

Das TK <strong>Magazin</strong> | 1 | 2004 |<br />

Legierungen aus feinster Schmelze<br />

VIM-OFEN 91<br />

Was Unna zusammenbraut, ist vom Feinsten, und das in gar nicht geringen<br />

Mengen. Im Jahr 2002 wurden mehr als 32.000 Tonnen Nickelbasislegierungen<br />

geliefert, je ein Drittel nach Deutschland, nach Europa,<br />

nach Amerika. In der Nickelsparte, die Mitte des 19. Jahrhunderts<br />

mit Münzprägungen ihren Aufschwung nahm, ist ThyssenKrupp VDM<br />

führend auf dem Weltmarkt. Hinzu kommen gut 5000 Tonnen Sonderedelstähle<br />

im Jahr. Auch beim Fernsehabend ist Unna dabei. Hochwertige<br />

Schattenmasken in Bildröhren sind aus der Speziallegierung<br />

Pernifer 36 gefertigt. Sie gleichen einem Sieb mit Löchern im Abstand<br />

von 20 Mikrometern, eine Größenordnung, die für das menschliche<br />

Auge praktisch nicht mehr wahrnehmbar ist. Das Material dehnt sich<br />

bei hohen Temperaturen kaum aus und ermöglicht so die Erzeugung<br />

scharfer Farbbildpunkte auf dem Schirm. Pernifer 42 dient als Trägermaterial<br />

für integrierte Schaltungen. Conicro 5010 W heißt ein hitzefester<br />

Werkstoff für die Schubdüsen der Ariane-Rakete.<br />

Werksleiter Dr.-Ing. Jürgen Loh, ein kompetenter Führer durch<br />

das staunenswerte Labyrinth der Hochleistungswerkstoffe, malt die<br />

Möglichkeiten der Zukunft aus. Crofer 22 APU ist eine ganz neue Eisen-<br />

Chrom-Legierung, die sich durch Hitzebeständigkeit, Leitfähigkeit und<br />

einen niedrigen Ausdehnungskoeffizienten auszeichnet. Ein idealer<br />

Werkstoff für die Serienfertigung von Brennstoffzellen. Das ist der revolutionäre<br />

Antrieb, der einmal die Autowelt auf den Kopf stellen soll. 7


92 STAINLESS<br />

Ein Werkstoff<br />

für die Zukunft<br />

Edelstahl hat eine lange Tradition,<br />

die ungebrochen ist. Anwendungen findet<br />

man überall im Leben<br />

Von Christa Klein<br />

Der Membran-<br />

Hohlspiegel aus Nirosta<br />

erreicht durch seine<br />

präzis gefertigte Oberflächenform<br />

einen sehr hohen<br />

Wirkungsgrad in der Nutzung<br />

der Sonnenenergie<br />

Für Operateure ist<br />

Edelstahl der ideale<br />

Werkstoff, dank der<br />

klinischen Reinheit<br />

und Sterilität der<br />

Operationsbestecke<br />

Der Architekt<br />

Frank O`Gehry hat<br />

dem Edelstahl ein<br />

bleibendes Denkmal<br />

gesetzt, am Neuen<br />

Zollhof in Düsseldorf<br />

Der praktische<br />

Nutzen von Edelstahl<br />

liegt auf dem Tisch,<br />

als glänzendes<br />

Besteck fürs Essen<br />

Aus einer wegweisenden Erfindung wurde eine weltberühmte<br />

Marke: NIROSTA ® hieß die Abkürzung für NIcht ROstender STAhl.<br />

Das Patent wurde schon im Jahr 1912 der damaligen Firma Fried.<br />

Krupp erteilt, zur Herstellung von rostbeständigem Stahl. Zehn Jahre<br />

später, 1922, begann der Vertrieb von Edelstahl Rostfrei unter der Marke<br />

NIROSTA ® . Aber auch das Haus Thyssen begann ungefähr zur selben<br />

Zeit mit der Herstellung nichtrostender Stähle. Unter Beteiligung von<br />

Thyssen wurde 1927 die „Deutsche Edelstahlwerke AG“ gegründet.<br />

Der eigentliche Siegeszug der nichtrostenden metallischen <strong>Werkstoffe</strong><br />

begann in der damaligen Zeit – und setzte sich bis heute ungebrochen<br />

fort. ThyssenKrupp Stainless zählt weltweit zu den wenigen Anbietern,<br />

die über ein komplettes Lieferprogramm verfügen aus Edelstahl<br />

Rostfrei, Nickelbasislegierungen und Titan. Vor allem der rostfreie Edelstahl<br />

ist zum Faszinosum geworden, das im Alltag in unterschiedlichster<br />

Weise anzutreffen ist. Gebrauchsgüter, Anwendungen in der Industrie<br />

oder auch in der Architektur nutzen die Möglichkeit, NIROSTA ® maßgeschneidert<br />

einsetzen zu können. Allein die Oberfläche des Edelstahls<br />

entfaltet eine eigene Ästhetik, die im Haushalt oft anzutreffen ist. Der Einsatz<br />

des Werkstoffs in der Medizin, in der Nahrungs- und Genussmittelindustrie<br />

macht sich dagegen einen anderen Vorteil der nichtrostenden<br />

und hitzebeständigen Erzeugnisse zugute: die Korrosionsbeständigkeit,<br />

die mit einem Höchstmaß an Reinheit und Sauberkeit einhergeht.<br />

Für viele ist der Edelstahl längst zum Symbol geworden – als die<br />

Welt spiegelnder und reflektierender Werkstoff, der Eleganz und praktischen<br />

Nutzen perfekt miteinander verbindet. Wäre sonst schon im Jahr<br />

1929 das spektakuläre Dach des Chrysler-Buildings in Manhattan mit<br />

rostfreiem Stahl verkleidet und dadurch weltberühmt geworden?<br />

Der Edelstahl wird auch in Zukunft die Phantasie beflügeln, bei den<br />

Designern und den Architekten, genauso aber bei den Werkstoffspezialisten,<br />

welche die Anwendungsmöglichkeiten immer wieder erweitern.<br />

Denn wenn diesem Werkstoff etwas gehört, dann die Zukunft.<br />

„Form follows function“,<br />

auch beim Edelstahl-Stuhl,<br />

der die Sicherheit mit<br />

der Ästhetik verbindet<br />

Das TK <strong>Magazin</strong> | 1 | 2004 |


Selbst aggressiven<br />

Waschmitteln trotzt die<br />

Korrosionsbeständigkeit<br />

des Edelstahls, wenn<br />

er in Waschmaschinen<br />

zum Einsatz kommt<br />

Das TK <strong>Magazin</strong> | 1 | 2004 |<br />

Die Herstellung<br />

komplizierter Formen<br />

von Edelstahl-<br />

Anwendungen im<br />

Haushalt ist selbst<br />

bei der automatischen<br />

Fertigung kein Problem<br />

Die chemische<br />

Verfahrenstechnik<br />

braucht Edelstahl,<br />

der durch Festigkeit<br />

und große<br />

Formbarkeit besticht<br />

Für die Lebensmittelhersteller<br />

ist Hygiene<br />

unabdingbar, die<br />

der Edelstahl besser<br />

als jeder andere<br />

Werkstoff bieten kann<br />

Wer Alessi-Gegenstände<br />

genießt, erinnert sich<br />

gern an Aldo Rossi, den<br />

Designer, der die<br />

angewandte Kunst in<br />

den Haushalt brachte<br />

Stabilität und Leichtigkeit<br />

von nichtrostendem<br />

Edelstahl nutzen die<br />

Automobilhersteller bei<br />

der Anwendung<br />

dieses Werkstoffs<br />

Für Köche<br />

sind Edelstahltöpfe<br />

besonders geeignet,<br />

durch die dauernde<br />

Hitzebeständigkeit<br />

STAINLESS 93<br />

Mit Edelstahl<br />

umzugehen, ist eine<br />

Kunst. Manche Designer<br />

formen mit dem Werkstoff<br />

regelrechte Kunstwerke


94 MAGNESIUM<br />

Magnesium ist ein<br />

anspruchsvoller Werkstoff,<br />

der der Hitze länger standhält.<br />

Magnesiumblech ist viel<br />

schwieriger entflammbar<br />

als andere Bauteile in einem<br />

Fahrzeug.


Das Leichtgewicht<br />

unter den <strong>Werkstoffe</strong>n<br />

Magnesium hat Zukunft – sofern die Magnesiumbleche<br />

im Preis konkurrenzfähig werden<br />

Von Sybille Wilhelm | Fotos Thomas Balzer<br />

MAGNESIUM 95


96 MAGNESIUM<br />

Ein nachhaltiger Werkstoff<br />

Magnesium in<br />

Karosserien einzusetzen,<br />

ist von Vorteil. Denn<br />

das Leichtmetall ist insofern<br />

nachhaltig, als das<br />

Gewicht eines Automobils<br />

geringer wird.


MAGNESIUM 97


98 MAGNESIUM<br />

Als Mineral ist der Werkstoff ein Geheimtipp gegen Kater: Wird Magnesium<br />

nach einer durchzechten Nacht rechtzeitig eingenommen,<br />

werden die Kopfschmerzen am folgenden Tag deutlich gemildert.<br />

Ohne Magnesium würde im menschlichen Organismus<br />

ohnehin nichts funktionieren. Die rund 25 Gramm im Körper eines erwachsenen<br />

Menschen sind für mehr als 300 biochemische Reaktionen<br />

verantwortlich. Der Mineralstoff unterstützt die Muskel- und Nervenfunktionen,<br />

hält den Herzrhythmus stabil und stärkt die Knochen.<br />

In der Medizin ist Magnesium seit Jahrhunderten bekannt; Verbindungen<br />

wie etwa das Bittersalz werden seit jeher als Heilmittel eingesetzt.<br />

Vor etwa 250 Jahren erkannte dann der englische Chemiker<br />

Joseph Black auch den Elementcharakter des Metalls. Magnesium<br />

bekam die Ordnungszahl 12 in der Periodentafel und kurz darauf die<br />

Abkürzung Mg.<br />

Dass Magnesium überdies ein Werkstoff mit einzigartigen Eigenschaften<br />

ist, wurde hingegen erst vor rund 80 Jahren entdeckt. Denn<br />

kein anderes bekanntes Metall ist so leicht wie Magnesium. Selbst ein<br />

vergleichbares Aluminiumblech wiegt ein Drittel mehr. Damit bietet der<br />

mit Abstand leichteste metallische Konstruktionswerkstoff die Möglichkeit<br />

der Diversifikation in technische Bereiche, die durch Stahl nicht abgedeckt<br />

werden.<br />

FERTIGUNG IN HÖCHSTER QUALITÄT<br />

Bei <strong>Werkstoffe</strong>n kommt es im Wesentlichen auf drei Dinge an: spezifische,<br />

das heißt auf die Dichte bezogene Steifigkeit und Festigkeit,<br />

außerdem noch gute Formbarkeit und Fügbarkeit, erläutert Bernhard<br />

Engl, Geschäftsführer der zu ThyssenKrupp Stahl gehörenden Magnesium<br />

Flachprodukte GmbH mit Sitz in der sächsischen Universitätsstadt<br />

Freiberg. Im Vergleich zu anderen <strong>Werkstoffe</strong>n schneidet Magnesium<br />

bei diesen Faktoren in vielen Anwendungen besonders gut ab:<br />

zum Beispiel bei großflächigen Bauteilen und dann vor allem, wenn<br />

das Leichtmetall als Blech zum Einsatz kommt. Es spricht also viel<br />

dafür, den Werkstoff Magnesium in Karosserien einzusetzen, sagt<br />

Bernhard Engl.<br />

Denn dort verbaut, würde der Werkstoff helfen, die Umwelt zu<br />

schonen. Einer amerikanischen Studie zufolge könnte der Einsatz von<br />

Magnesium hat<br />

besondere Eigenschaften.<br />

Kein anderes bekanntes<br />

Metall ist so leicht wie<br />

Magnesium. Schon dies<br />

spricht sehr für diesen<br />

Werkstoff und<br />

seine Erforschung.<br />

Das TK <strong>Magazin</strong> | 1 | 2004 |


Magnesiumblechen einen Personenkraftwagen rund 100 Kilogramm<br />

leichter machen. Das würde bedeuten, dass man die Autoabgase reduzieren<br />

und mit der gleichen Menge Benzin weiter als bisher fahren<br />

könnte.<br />

Doch Magnesium ist kein ganz einfacher Werkstoff. Es hat einen<br />

relativ niedrigen Schmelz- und Siedepunkt. Erhitzt man es an der Luft,<br />

verbrennt es von rund 500 Grad an mit der charakteristischen blendend<br />

weißen Flamme zu Magnesiumoxid. Gefährlich aber erscheint Magnesium<br />

nur für diejenigen, die zu wenig darüber wissen – davon ist Bernhard<br />

Engl, promovierter Werkstoff- und Umformingenieur, überzeugt.<br />

Der Schmelz- und Verarbeitungsvertrieb in Freiberg weiß selbstredend<br />

um die heftige Reaktion von Magnesium und Hitze, das Team hat deshalb<br />

umfangreiche Vorkehrungen getroffen. Flüssiges Magnesium wird<br />

nur in einer Atmosphäre aus Schutzgas verarbeitet, und die ist gleich<br />

mit einem dreifachen Sicherungssystem ausgerüstet.<br />

Magnesium ist nämlich nur flüssig ein problematischer Werkstoff;<br />

ein Magnesiumblech hingegen ist schwerer entflammbar als andere<br />

Bauteile im Fahrzeug. Auch wenn einzelne Komponenten in einem Auto<br />

aus Magnesium sind, stellt das Material keine Gefahr dar, sagt Bernhard<br />

Engl. Die Feuerwehr kämpft im Falle eines Brandes zunächst mit<br />

den wesentlich schneller entflammbaren Stoffen.<br />

Dass es bis heute so wenige Teile aus Magnesium im Auto gibt,<br />

hat denn auch einen anderen Grund als die Sensibilität, die man bei<br />

dessen Verarbeitung an den Tag legen muss. Magnesiumbleche sind<br />

noch zu teuer. Nur etwa ein Prozent des weltweit produzierten Magnesiums<br />

wird für Bleche eingesetzt. Und das, obwohl es mehr als genug<br />

Magnesium auf der Welt gibt. Zwar kommt „Mg“ nicht einfach irgendwo<br />

in elementarer Form vor, sondern nur in Verbindungen. Aber dafür<br />

findet man es überall, etwa in der Erdrinde oder in dem Mineral Dolomit,<br />

aus dem die Dolomiten gebildet sind.<br />

Und auch im Meer: Wird das Meerwasser entsalzt, um daraus<br />

Trinkwasser zu gewinnen, fällt Magnesiumchlorid in großen Mengen an.<br />

Würde man aus diesen Abfällen Magnesium gewinnen, hätte man<br />

sogar zwei Fliegen mit einer Klappe geschlagen. Zum einen könnten die<br />

anfallenden Lagerkosten für den „Müll“ gespart werden. Zum anderen<br />

gibt es keine Entsorgungsprobleme mit den Blechen: Das verarbeitete<br />

Ein Rohstoff<br />

ohne Mengenproblem<br />

Das TK <strong>Magazin</strong> | 1 | 2004 |<br />

MAGNESIUM 99<br />

Magnesium ist ein wahres Recyclingwunder und kann wieder eingeschmolzen<br />

werden.<br />

Ein Mengenproblem für den Rohstoff Magnesium gibt es nicht,<br />

bestätigt Bernhard Engl. Aber die Preisgestaltung macht Schätzungen<br />

über den Einsatz von Magnesiumblechen in Automobilen so unsicher.<br />

Gleichwohl ist dies eine der wichtigsten Aufgaben der Freiberger Forschungsgruppe:<br />

Bernhard Engl und sein Team müssen herausbekommen,<br />

wie günstig ThyssenKrupp Magnesiumbleche anbieten könnte.<br />

Und da sein Unternehmen die Weltmarktpreise für den Werkstoff nicht<br />

beeinflussen kann, muss es in der Fabrikhalle Ideen entwickeln und die<br />

Abläufe intelligent optimieren. So hat ThyssenKrupp zusammen mit der<br />

Technischen Universität Freiberg eine Gießwalztechnik entwickelt und<br />

zum Patent angemeldet, mit der die Magnesiumbleche in höchster<br />

Qualität industriell gefertigt werden können und gleichzeitig der bisherige<br />

Preis von Magnesiumblechen unterboten werden kann.<br />

ANWENDUNG MIT VIELEN MÖGLICHKEITEN<br />

„Dass das geht, wissen wir schon. Und auch, dass die Bleche in ihren<br />

Maßen und ihrer Beschaffenheit sofort einsatzfähig wären. Denn die<br />

Bleche sind mit zu erreichenden 1,3 mm ziemlich dünn, aber trotzdem<br />

stabil.“ Die ersten tiefgezogenen Versuchsbauteile, die Bernhard Engl<br />

vorweisen kann, beweisen, dass Magnesiumbauteile nicht unbedingt<br />

gegossen werden müssen: Von der technischen Seite steht der Verwendung<br />

von Magnesiumblechen also nichts mehr im Weg.<br />

Das Problem ist jetzt noch der Absatz, denn die Kunden entscheiden<br />

schließlich, ob die Magnesiumbleche im stofflichen Leichtbau akzeptiert<br />

und im Preis gegenüber den anderen <strong>Werkstoffe</strong>n konkurrenzfähig<br />

werden können. Doch genau diese Frage gestaltet sich bislang<br />

schwierig: Man müsste wissen, wie viele Bleche beispielsweise ein Autohersteller<br />

bereit wäre abzunehmen und wie viel er dafür zahlen würde.<br />

Sobald allerdings die Automobilbranche die Vorteile realisieren<br />

kann, könnten die ersten Hersteller Magnesiumbleche aus dem Hause<br />

ThyssenKrupp in die Serienproduktion übernehmen. Und der Einsatz<br />

der neuen Blechkonkurrenz in Auto und Luftfahrtindustrie zeichnet sich<br />

durch Vielfalt aus: Ob Haube, Dach, Instrumententräger oder Sitzschale<br />

– das Leichtgewicht hat noch eine große Zukunft vor sich. 7


100 OBERRIED<br />

In Oberried, südlich<br />

von Freiburg im Breisgau,<br />

liegt der Barbarastollen.<br />

Hier wird das Kulturschutzgut<br />

Deutschlands<br />

in Edelstahlbehältern<br />

verwahrt. Das weißblaue<br />

Zeichen in<br />

dreifacher Wiederholung<br />

gibt es fünf Mal in der<br />

Welt und nur ein Mal<br />

in Deutschland. Es<br />

weist darauf hin, dass<br />

das Kulturgut in<br />

Oberried unter Sonderschutz<br />

steht.<br />

Lagerstollen<br />

mit dem Segen<br />

der Barbara<br />

Von Heribert Klein | Fotos Walter Schmitz<br />

Das TK <strong>Magazin</strong> | 1 | 2004 |


OBERRIED 101


102 OBERRIED<br />

Archiviert für immer und ewig<br />

Der Werkstoff der Container<br />

stammt von ThyssenKrupp Nirosta<br />

in Dillenburg. Die Spezialbehälter<br />

müssen im Stollen hohen<br />

Anforderungen gerecht werden.<br />

Denn von äußeren Einflüssen<br />

sollen die eingelagerten Mikrofilme<br />

unbehelligt bleiben.


OBERRIED 103


104 OBERRIED


OBERRIED 105<br />

Sicher vor Wind und Wetter<br />

Wenn die Container am Stolleneingang<br />

angekommen sind,<br />

stehen sie zum letzten Mal im<br />

Tageslicht. Die aufwändige<br />

Schweiß- und Verschlusstechnik<br />

garantiert die totale Abdichtung<br />

tief drinnen im Stollen, bei einer<br />

Temperatur von zehn Grad Celsius<br />

über Null.


106 OBERRIED<br />

Umgeben von Gneis und Granit<br />

Die Edelstahlcontainer sind<br />

ein Schatzhaus für die Kultur des<br />

gesamten Landes. Mehr als<br />

siebenhundert Millionen Dokumente<br />

lagern verfilmt in den blitzenden<br />

Hüllen, die luftdicht klimatisiert,<br />

von keinem Laut gestört, die<br />

Gegenwart überleben.


OBERRIED 107


108 OBERRIED<br />

Nichts, aber auch gar nichts weist darauf hin, dass sich mitten im Wald, tief in<br />

der Erde, ein einzigartiges Schatzhaus des deutschen Geistes verbirgt. Der<br />

Eingang liegt irgendwo im Forst. Das dreifach angebrachte weiß-blaue Zeichen<br />

hinter der Gittertür ist unscheinbar, nichts weist darauf hin, dass hier Kulturgut<br />

unter Sonderschutz steht. Der Besucher wähnt sich im Kyffhäuser, jenem Höhlenlabyrinth,<br />

in dem Rotbart Kaiser Barbarossa haust und seiner Wiederkehr harrt. In<br />

Wirklichkeit aber stapft der Besucher hinein in den Barbarastollen in Oberried bei<br />

Freiburg im Breisgau, den, wie es genau heißt, „Zentralen Bergungsort der Bundesrepublik<br />

Deutschland“. Roland Stachowiak von der Zentralstelle für Zivilschutz hat<br />

vielleicht wegen der schulterlangen Haare Ähnlichkeit mit dem mittelalterlichen Rotbart,<br />

doch im Barbarastollen wird der Verwaltungsbeamte, zuständig für den „Schutz<br />

von Kulturgut“, zum Fremdenführer, der mit Helm und gelber Jacke vorangeht, fünfhundert<br />

Meter weit, bei einer Temperatur von 10 Grad Celsius und einer relativen<br />

Luftfeuchtigkeit von fünfundsiebzig Prozent.<br />

„Hinter dieser Stahltür beginnt der eigentliche Lagerstollen“, stellt Stachowiak<br />

fest. Kaum hat er das Zahlenschloss eingestellt, braucht er zwei kräftige Arme, um die<br />

Stahltür (vor drei Jahrzehnten von Thyssen Industrie gebaut), gut und gern einen halben<br />

Meter dick, zu öffnen. Ein paar Schritte genügen – schon gibt die Schatzkammer,<br />

insgesamt hundert Meter lang, ihre Schätze preis.<br />

KULTUR IM SCHALBETON HINTER STAHLTÜREN<br />

Sie ist freilich von ganz eigenwilliger Art. Wer hier unschätzbare Relikte längst vergangener<br />

Zeiten zu sehen hofft, sieht sich enttäuscht. Rund dreizehnhundert Edelstahlbehälter<br />

sind doppelstöckig aufgereiht, fest verschlossen, unterschieden nur<br />

durch eine Kennnummer. Filme sind in den Containern enthalten, mikroverfilmte Archivalien<br />

mit Unikatswert und, wie es die Vorschrift sagt, „mit besonderer Aussagekraft<br />

zur deutschen Geschichte und Kultur“. 24.320 Meter Film fasst der Großbehälter<br />

aus V-2-A-Edelstahl, insgesamt sind es also knapp 32 Millionen Filmmeter, die<br />

dort unten im Schauinsland-Gebirge lagern, mit mehr als siebenhundert Millionen<br />

Dokumenten.<br />

Das Projekt wirkt skurril oder doch gespenstisch? Stachowiak ist vom Ernst der<br />

Angelegenheit überzeugt, restlos. „Die Haager Konvention von 1954 ist ein völkerrechtliches<br />

Kulturschutzabkommen. 1967 ist die Bundesrepublik Deutschland der<br />

Konvention beigetreten. 1975 fand hier im Barbarastollen die erste Einlagerung statt.<br />

Der Stollen selbst wurde mit Schalbeton ausgekleidet und mit Drucktüren abgesichert.<br />

An die Stahlbehälter wurden von Beginn an sehr hohe Anforderungen gestellt,<br />

schließlich sollen die Mikrofilme ja von äußeren Einflüssen in den Containern unbe-<br />

Was im Barbarastollen<br />

untergebracht wird, soll nach<br />

der Haager Konvention von<br />

1954 kulturell aussagekräftig<br />

sein. Roland Stachowiak<br />

von der Zentralstelle für den<br />

Zivilschutz wacht darüber, dass<br />

die Kulturdokumente ordnungsgemäß<br />

die letzte Ruhe finden.<br />

Das Endlager<br />

für die Geschichte<br />

helligt bleiben.“ Wer nun genau wissen will, was es mit<br />

diesen Containern auf sich hat, muss weit reisen. In Haiger<br />

bei Dillenburg findet er die Firma Ucon, den Lieferanten<br />

der Behälter. Klaus Kettner, dort für den Verkauf der<br />

Umformtechnik zuständig, kennt offenbar auch das letzte<br />

Detail dieses, wie er sagt, höchst anspruchsvollen zylindrischen<br />

Behälters. „Von ThyssenKrupp Nirosta in Dillenburg<br />

beziehen wir den fertigen Zuschnitt. Das Material<br />

muss tiefziehfähig sein, mit einer hohen Vergütung. Wir<br />

müssen, bei einer Tiefe von 350 Millimeter für jede Seite,<br />

einen relativ tiefen Corpus beim Ober- und Unterteil ziehen.<br />

Wichtig ist, dass beim Ziehvorgang ohne Glühen das<br />

Material nicht bricht. Hierfür haben wir spezielle Werkzeuge<br />

gebaut, über die nur wir verfügen. Nicht zuletzt wegen<br />

dieser Exklusivität sind wir seit vielen Jahren die Lieferanten<br />

der Container für den Barbarastollen in Oberried.“<br />

Dass sie luftdicht und entsprechend klimatisiert im<br />

Stollen gelagert werden, versteht sich von selbst. Kein<br />

Laut dringt hierher, nichts von der draußen lärmenden<br />

Welt. Früher wusste, von Eingeweihten abgesehen, kaum<br />

einer etwas von dem verborgenen kulturellen Schatz.<br />

„Schöpferische Landschaft“ hat die Gegend um Todtnau<br />

der Philosoph Martin Heidegger (1889 – 1976) genannt,<br />

beeindruckt von der strengen Einfachheit der tief verschneiten<br />

Flächen, „all das schiebt sich und drängt sich<br />

und schwingt durch das tägliche Dasein dort oben“. Wo<br />

besser kann sich die Kultur ausruhen, der DIN-Norm entsprechend,<br />

wie Stachowiak erklärt, mindestens für fünfhundert<br />

Jahre? Es könnten aber auch fünfzehnhundert<br />

Jahre sein, welche die Mikrofilme überdauern. „Wir jedenfalls<br />

werden es nicht mehr überprüfen können“, stellt<br />

er lakonisch fest.<br />

Für die Ungestörtheit wurden von Beginn an Vorkehrungen<br />

getroffen. Auch wenn nach Stachowiaks Worten<br />

von „Atombombensicherheit“ hier keine Rede sein<br />

kann: der aus Granit und Gneis bestehende Fels ist schon<br />

resistent. Obendrein gilt noch immer ein Überflugverbot<br />

Das TK <strong>Magazin</strong> | 1 | 2004 |


für Militärmaschinen, und auch Panzer dürfen sich dem Stollen nicht näher als fünf Kilometer<br />

nähern. Von all dem abgesehen: „Wir legen Wert auf größtmögliche Qualität<br />

bei den Behältern“, lautet die Maxime des Bergungsort-Beauftragten.<br />

Fürwahr, allein die Darstellung der Verschlusstechnik, wie sie Klaus Kettner erklärt,<br />

lässt die Qualität ahnen. Die Container müssen hochdruckbelastbar sein, die<br />

Edelstahlflansche werden innen und außen verschweißt, in sie ist jeweils eine Nut eingearbeitet,<br />

in diese hinein wird ein Kupferring gelegt. „Früher war dies ein Gummiring,<br />

doch der war zu weich und wurde porös“, erinnert sich Kettner. Also probierte man es<br />

mit Ringen aus Kautschuk, die aber rissen durch das Quetschen und lösten sich auf.<br />

„Heute verwenden wir reine Kupferdichtungen. Diese werden gerundet, an beiden<br />

Endstellen geschweißt, es entsteht ein leichter Wulst, der wird kalibriert. Die Schweißnaht<br />

muss absolut präzis auf den Durchmesser passen, der im Ursprungsmaterial ist.<br />

Nur so ist die totale Abdichtung gewährleistet.“ Am Ende werde alles verschraubt, in<br />

der Regel für Jahrhunderte. Sollte allerdings mal ein Container geöffnet werden,<br />

müsse der Ring erneuert werden, denn dieser werde durch das Öffnen zerstört. „Das<br />

alles ist ein relativ komplizierter Produktionsvorgang, der viel handwerkliches Geschick<br />

erfordert.“<br />

Zu sehen ist davon nichts tief im Berginnern. Nur, dass die heute eingelagerten<br />

Container sich von den Vorgängern insofern unterscheiden, als diese sehr viele<br />

Schweißnähte aufwiesen. Die Nachfolger lassen nichts davon erkennen. Die Unversehrtheit<br />

des Äußeren lässt sich auf das Innere übertragen. Sechzehn Filmrollen à<br />

1520 Meter können auf den „Tortenböden“ in einem Edelstahlbehälter gelagert werden,<br />

für immer und ewig. Nur zur Ansicht liegen auf einigen wenigen Containern Farbkopien<br />

von den Dokumenten, die archiviert sind. Wenn in fernen Zeiten ein Zeitgenosse<br />

Genaueres über den Frieden von Venedig 1174, das Titelblatt zur Goldenen<br />

Bulle König Wenzels um 1400, die Grundrechte des Deutschen Volkes vom Reichsverweser<br />

Johann oder ein „Ausschreiben“ von Friedrich August I. vom 27. Juni 1694<br />

wissen will: im Barbarastollen wird er fündig werden.<br />

CONTAINER FÜR DAS VOLK DER DICHTER UND DENKER<br />

Stellt sich die Sinnfrage. Gerade einmal drei Millionen Euro stellt das Bundesinnenministerium<br />

pro Jahr für diese Art von Archivierung bereit. Verschwindend wenig „für<br />

das Volk der Dichter und Denker“, wie Stachowiak gar nicht süffisant feststellt. Es bestehe<br />

doch geradezu eine Verpflichtung, Kulturgüter für zukünftige Generationen mit<br />

aller Sorgfalt zu verwahren. Solches müsse langfristig durchdacht werden und dürfe<br />

keinesfalls kurzfristigen monetären Überlegungen (wenn Geld fehlt) zum Opfer fallen.<br />

„Ich versuche seit Jahren klar zu machen, was hier auf dem Spiel steht, aber die Re-<br />

Das TK <strong>Magazin</strong> | 1 | 2004 |<br />

OBERRIED 109<br />

sonanz lässt sehr zu wünschen übrig, bei den mit Kulturgutschutz<br />

beauftragten Ministerien in Bund und Ländern“,<br />

sagt Stachowiak mit leicht resignierendem Ton. Wo<br />

doch dieser Stollen ein in Deutschland einzigartiges Projekt<br />

ist. Das weiß-blaue Zeichen in dreifacher Wiederholung<br />

ist weltweit nur fünf Mal vergeben worden – ein einziges<br />

Mal in Deutschland, allein dies erklärt den Stollen<br />

unter dem Schauinsland-Gebirge zum Unikat.<br />

SCHUTZGUT FÜR TAUSEND JAHRE<br />

Ob digitale Archivierung dies alles einmal überflüssig machen<br />

wird? Stachowiak widerspricht nachdrücklich. Zusammen<br />

mit dem Fraunhofer-Institut für physikalische<br />

Messtechnik werde daran gearbeitet, digitale Daten auf<br />

analogen Farbfilm zu bringen. Denn die digitalen Datenträger<br />

hielten sich nicht lange, Filme dagegen sehr wohl.<br />

Das Internet biete davon abgesehen die aktuelle Nutzung<br />

von verfilmten Archivalien an, wenn man die Idee in die<br />

Tat umsetze. Durch die Entgelte für die elektronische Webdarstellung<br />

ließe sich ein ziemlicher Teil der Kosten der Archivierung<br />

in Oberried amortisieren.<br />

So wird denn der Barbarastollen auf ferne Zeiten<br />

gebraucht werden. Mehr und mehr, glaubt man Roland<br />

Stachowiak. Die Firma Ucon mag sich darüber freuen,<br />

dass vom Jahr 2004 an noch mehr Container gebraucht<br />

werden, denn mit der Verfilmung auch von wichtigen Bibliotheksbeständen<br />

steigt die Zahl einzulagernder Behälter.<br />

Schon weist der Fachmann für den Schutz von Kulturgut<br />

darauf hin, dass ein zweiter Lagerstollen in<br />

absehbarer Zeit erschlossen und ausgebaut werden<br />

müsse. Um der Zukunft willen, welche die Vergangenheit<br />

bewahrt: im Dunkeln, vorbildlich klimatisiert, erdbebensicher,<br />

von Edelstahl rundherum umgeben. Fünfhundert,<br />

tausend, zweitausend und mehr Jahre lang. Beruhigend<br />

zu wissen, dass hier kein Barbarossa herumirrt, der am<br />

Ende den Stollen verlässt und sein Unwesen unter der<br />

Menschheit treibt. 7


110 GLOSSAR<br />

<strong>Werkstoffe</strong> mit einem Blick gesehen<br />

Was sie voneinander unterscheidet und wie viele dennoch zusammenhängen<br />

Erz. Erze sind Mineralien, in denen nutzbares<br />

Metall so stark angereichert vorkommt,<br />

dass sie sich zur Metallgewinnung eignen.<br />

Bestandteile der Erze sind aber nicht nur die<br />

nutzbaren Metalle oder ihre chemischen<br />

Verbindungen, sondern auch andere Minerale<br />

(z.B. Kalk oder Quarz). Sie werden als<br />

„taubes Gestein“ oder als „Gangart“ bezeichnet.<br />

Eisenerze. Die wichtigsten Eisenerze sind<br />

Eisen-Sauerstoff-Verbindungen wie Magneteisenstein,<br />

Rot-und Brauneisenstein (Pyrit und<br />

Eisenkies zählen zu den Eisen-Schwefel-Verbindungen).<br />

Aus ihnen wird im Hochofen<br />

durch Reduktion mit Kohlenstoff Eisen gewonnen.<br />

Dazu setzt man in der Regel Koks ein.<br />

Die Eisenoxide werden ferner mit Zuschlägen<br />

wie Sand oder Kalkstein versetzt, damit diese<br />

mit dem restlichen „tauben Gestein“ eine<br />

Schlacke bilden, die sich gut vom Roheisen<br />

trennen lässt.<br />

Roheisen. Das Roheisen, das den Hochofen<br />

verlässt, ist sehr hart und spröde. Es lässt<br />

sich mechanisch nicht verformen. Der Grund<br />

liegt darin, dass im Roheisen, welches zu 90<br />

% aus Eisen besteht, auch noch bis zu 5 %<br />

Kohlenstoff sowie andere Elemente wie beispielsweise<br />

Mangan (2 %), Silicium (1 %),<br />

Phosphor (0.3 %) und Schwefel (0.4 %) enthalten<br />

sind.<br />

Schlacke. Als Schlacke bezeichnet man das<br />

Gemisch, das sich beim Hochofenprozess aus<br />

dem „tauben Gestein“ und den Zuschlägen<br />

bildet. Es besteht unter anderem aus Kieselsäure,<br />

Metalloxiden und Kalk. Die Schlacke<br />

schwimmt auf Grund ihrer geringeren Dichte<br />

auf dem flüssigen Roheisen und erstarrt nach<br />

dem Abkühlen zu einer glasigen Masse.<br />

Schlacke wird zu Hochofenzement oder Düngemittel<br />

verarbeitet. Als so genannte stabilisierte<br />

Schlacke (die durch die Mischung zwischen<br />

Sauerstoff und Quarzsand zu LiDonit verarbeitet<br />

wird) kommt sie im Straßenbau als<br />

Deckschichtbelag mit hoher Griffigkeit und<br />

Belastungsfähigkeit zum Einsatz.<br />

Stahl. Stahl ist ein Sammelbegriff für eine<br />

sehr große Gruppe von Eisenwerkstoffen,<br />

die durch ihre Festigkeit, ihre gute Verarbeitbarkeit<br />

und Zähigkeit zu den wertvollen<br />

<strong>Werkstoffe</strong>n zählen. Entfernt man weitestgehend<br />

die Verunreinigungen aus dem Roheisen<br />

und senkt den Kohlenstoffgehalt auf<br />

höchstens 2 %, erhält man ein schmiedbares<br />

Eisen – eben den Stahl. Der Kohlenstoff ist<br />

wichtigstes Legierungselement des Stahls.<br />

Er beeinflusst schon in geringen Mengen die<br />

Verformbarkeit und Härtbarkeit des Stahls.<br />

Man unterscheidet heute zwischen rund 2000<br />

Sorten Stahl. Die Einteilung der Stahlsorten<br />

richtet sich nach ihrer chemischen Zusammensetzung<br />

und nach ihren Gebrauchseigenschaften:<br />

Es gibt entsprechend der<br />

chemischen Zusammensetzung unlegierte<br />

und legierte Stähle sowie im Hinblick auf<br />

die Gebrauchseigenschaften Grundstähle,<br />

Qualitätsstähle und Edelstähle.<br />

Edelstahl. 1912 wurde der Firma Fried. Krupp<br />

erstmals in der Welt ein Patent zur Herstellung<br />

von rostbeständigem Stahl erteilt. Von diesem<br />

Zeitpunkt an wurde Edelstahl Rostfrei in die<br />

gesamte Welt geliefert. Seit 1922 wird Edelstahl<br />

Rostfrei unter der Marke NIROSTA ® vertrieben<br />

– eine Abkürzung für Nicht Rostender<br />

Stahl. Beim Edelstahl werden die physikalischen<br />

und chemischen Eigenschaften durch<br />

andere Legierungsmetalle, die Stahlveredler,<br />

verbessert. Chrom trägt zur Korrosionsbeständigkeit<br />

bei und steigert die Härte. Zusammen<br />

mit Nickel verbessert es die Korrosionsbeständigkeit<br />

(Nirosta-Stahl). Molybdän und Wolfram<br />

vergrößern die Hitzebeständigkeit, so dass der<br />

Stahl auch bei Rotglut noch fest bleibt. Vanadium<br />

erhöht zum Beispiel die Festigkeit, Mangan<br />

vermindert die Abnutzung von Stahlwerkzeugen.<br />

Je nach Kohlenstoffgehalt und<br />

zulegierten Metallen weisen die verschiedenen<br />

Edelstähle je unterschiedliche Eigenschaften<br />

auf. ThyssenKrupp Stainless bietet sämtliche<br />

nichtrostende metallische <strong>Werkstoffe</strong> an: Edelstahl<br />

Rostfrei, Nickelbasislegierungen und<br />

Titan.<br />

Das TK <strong>Magazin</strong> | 1 | 2004 |


Das TK <strong>Magazin</strong> | 1 | 2004 |<br />

Titan. Als 22. Element im Periodensystem<br />

der chemischen Elemente kommt Titan<br />

häufig in der Erdkruste vor (mit einem<br />

Prozentanteil von 0,6 Prozent liegt es insgesamt<br />

an 9. Stelle). Es ist in der Natur sehr<br />

verteilt und jeweils nur in kleinen Konzentrationen<br />

anzutreffen.<br />

Besonders findet man Titan in eisenhaltigen<br />

Erzen. In den frühen fünfziger Jahren wurde<br />

eine Technik entwickelt, um Titan aus Erz als<br />

Basiswerkstoff zu gewinnen. Heute unterscheidet<br />

man zwei Kategorien: Reintitan (zu<br />

mehr als 99 Prozent bestehend aus Titan,<br />

ergänzt um die Begleitelemente wie etwa<br />

Sauerstoff, Kohlenstoff und Eisen. Die andere<br />

Kategorie bilden Titanlegierungen mit<br />

Anteilen dieses Werkstoffs zwischen 2 und<br />

20 Prozent. Die Anwendungsmöglichkeiten<br />

von Titan sind sehr vielfältig. Man findet<br />

Titan in der Medizintechnik, im Automobilbau,<br />

in der Schmuckherstellung. Die entscheidenden<br />

Gründe für die vielfältige Anwendung<br />

von Titan sind leicht zu benennen:<br />

hervorragende Korrosionsbeständigkeit,<br />

hohe Festigkeit bei niedriger Dichte, optimale<br />

mechanische und thermische Belastbarkeit<br />

und Körperverträglichkeit. Somit<br />

ist Titan alles andere als ein exotischer<br />

Werkstoff.<br />

Aluminium. Aluminium ist ein silberweißes<br />

Leichtmetall, das durch eine sich an Luft<br />

bildende Oxidschicht an der Oberfläche besonders<br />

korrosionsbeständig ist. In reiner<br />

Form als Metall kommt es wegen seiner<br />

großen Sauerstoffaffinität nicht vor.<br />

In Verbindungen ist es das am meisten auftretende<br />

Metall der Erde, circa 8 % der<br />

Erdrinde bestehen daraus. Trotz der Häufigkeit<br />

wurde es als Metall erst 1827 entdeckt,<br />

da seine Darstellung technisch sehr<br />

aufwändig ist. Drei Eigenschaften machen<br />

es zu einem wichtigen technischen Werkstoff:<br />

Einmal wird sein günstiges Verhältnis<br />

von Festigkeit zur Dichte (geringes Gewicht<br />

bei starker Festigkeit) in der Luftfahrt und in<br />

der Fahrzeugtechnik genutzt.<br />

GLOSSAR 111<br />

Magnesium. Magnesium ist ein silberglänzendes<br />

(unedles) Leichtmetall. In grellweißem<br />

Licht verbrennt es zu Magnesiumoxid.<br />

An der Luft bildet es eine undurchlässige<br />

Schicht von Magnesiumoxid und schützt so<br />

das Magnesium vor weiterer Oxidation. In<br />

der Natur existiert es in mineralischen Magnesiumverbindungen,<br />

zum Beispiel im Magnesit<br />

und Dolomit oder in gelöster Form im<br />

Meerwasser. Magnesium und Magnesium-<br />

Legierungen werden mittlerweile vielseitig als<br />

<strong>Werkstoffe</strong> genutzt.<br />

Polycarbonat. Polycarbonat ist ein so genannter<br />

Thermoplast und zählt zu der Gruppe<br />

der technischen Kunststoffe. 1953 wurde es<br />

erstmals von H. Schell bei Bayer hergestellt,<br />

1958 ging es in die industrielle Fertigung.<br />

Ähnlich entdeckte D.W. Fox, ein Mitarbeiter<br />

von General Electric, das Polycarbonat. General<br />

Electric stellte es ebenfalls industriell<br />

danach her. Konkret gehört das Polycarbonat<br />

zur Gruppe der Polyester. Zu seinen besonderen<br />

Eigenschaften zählen die glasklare<br />

Transparenz und die außerordentlich hohe<br />

Schlagzähigkeit. Es lässt sich nageln und<br />

schrauben ohne die Gefahr des Zersplitterns<br />

– dies bei Temperaturen von -40 Grad bis<br />

+115 Grad. Es eignet sich gut für Sichtschutzverkleidungen<br />

im industriellen Einsatzbereich,<br />

zum Beispiel in Kraftfahrzeugen als<br />

Seiten- und Heckscheiben. Das Polycarbonat<br />

hat eine lange Lebensdauer bei hoher und<br />

dauerhafter Farbechtheit. Es ist beständig<br />

gegen Benzin, Öle und Fette, die elektrischen<br />

Isoliereigenschaften sind sehr gut. Polycarbonat<br />

ist bruchsicherer als Glas und lässt<br />

sich auf Grund des niedrigen spezifischen<br />

Gewichts leichter handhaben. ckl


112 PUBLIKATIONEN<br />

Das ThyssenKrupp <strong>Magazin</strong><br />

Nachhaltigkeit war das Thema, das dem<br />

ThyssenKrupp <strong>Magazin</strong>, das vor Jahresfrist<br />

erschien, inhaltlich den roten Faden gab. Viele<br />

Beispiele wurden vorgestellt, die nachweisen,<br />

wie nachhaltig und damit zukunftsorientiert<br />

ThyssenKrupp arbeitet. Mit Wasserdruck lässt<br />

sich härtester Stahl formen, der neue Stahl FR<br />

30 ist eine halbe Stunde lang feuerresistent,<br />

das Konzept des so genannten TWIN-Aufzugs<br />

(zwei übereinander fahrende Aufzüge in einem<br />

Schacht) revolutioniert die Vorstellung von<br />

Fahrstühlen, neue Spundwände stabilisieren<br />

Deiche auf lange Zeit. ThyssenKrupp beweist<br />

mit all diesen Beispielen eines: Der Konzern<br />

entwickelt Produkte, die bei der Produktion<br />

Ressourcen, Energie und damit insgesamt<br />

Kosten sparen – ThyssenKrupp bekennt sich<br />

damit zur Nachhaltigkeit.<br />

Impressum<br />

Die <strong>Magazin</strong>e können Sie<br />

unter www.thyssenkrupp.com in<br />

der Service-Navigation unter<br />

„Publikationen“ bestellen.<br />

„Wer etwas bewegen will, muss sich selbst bewegen“, lautete das Motto<br />

des ThyssenKrupp <strong>Magazin</strong>s, das im Sommer des Jahres 2003 erschien.<br />

Vorstandsvorsitzender Prof. Dr. Ekkehard D. Schulz brachte es auf den Punkt:<br />

„Wir bringen Bewegung ins Denken.“ Was damit gemeint ist, lässt sich in<br />

20 Geschichten in dieser <strong>Magazin</strong>-Ausgabe nachlesen. Fahrtreppen in<br />

Toledo, Mega Yachten von Blohm + Voss, eine Wasser-Achterbahn mit<br />

stählernen Pylonen von ThyssenKrupp, Großwälzlager von Rothe Erde, die<br />

auf höchstem Niveau den richtigen Dreh finden – der Konzern beweist ein<br />

ums andere Mal, wie innovativ er aufgestellt ist. In Asturien wurde ein<br />

neuer Fahrsteig entwickelt, der seine Geschwindigkeit ändert; in England<br />

lieferte der Konzern Schienen für eine Hochgeschwindigkeitstrasse und<br />

restaurierte die legendäre Forth Rail Bridge in Schottland. Dank spezieller<br />

Kenntnisse und Fähigkeiten wird ThyssenKrupp ein unverzichtbarer<br />

Systempartner der Automobilhersteller, dank Simultaneous Engineering,<br />

das Kosten und Zeit spart. Zum wichtigsten Partner wurde der Konzern<br />

aber auch in anderer Art: als Partner der Tournee der Gruppe PUR. Wer<br />

wissen will, was hinter Hartmut Engler, dem Sänger der Kultband, steckt – in<br />

diesem <strong>Magazin</strong> erfährt er viel darüber.<br />

Herausgeber: ThyssenKrupp AG, Dr. Jürgen Claassen, August-Thyssen-Straße 1, 40211 Düsseldorf, Telefon: +49 211-824-0<br />

Projektleitung: Dr. Heribert Klein (verantwortlich für den redaktionellen Inhalt) • Art Director: Peter Breul<br />

Projektleitung bei ThyssenKrupp: Barbara Scholten<br />

Anschrift der Redaktion: Redaktionsbüro Dr. Heribert Klein, Wichernweg 8, 65549 Limburg,<br />

Telefon: +49 6431 47610, Fax: +49 6431 408916, e-Mail: H.Klein@teliko.net<br />

Autoren: Rüdiger Abele, Benedikt Breith, Sebastian Groß, Christa Klein, Carsten Knop, Sybille Wilhelm, Dieter Vogt<br />

Schluß- und Bildredaktion: Christa Klein • Layout: Esther Rodriguez<br />

Verlag: F.A.Z.-Institut für Management-, Markt- und Medieninformationen GmbH,<br />

Mainzer Landstraße 195, 60326 Frankfurt am Main, Telefon: +49 69–75 91-0, Fax: +49 69–75 91-1966<br />

Geschäftsführung: Dr. Gero Kalt, Volker Sach, Peter Steinke<br />

Litho: Goldbeck Sytem-Litho, Frankfurt am Main<br />

Druck: SocietätsDruck, Mörfelden<br />

Der Inhalt der Beiträge gibt nicht in jedem Fall die Meinung des Herausgebers wieder. Nachdruck nur mit Quellenangabe und Belegexemplar<br />

Das TK <strong>Magazin</strong> | 1 | 2004 |

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!