Thyssenkrupp Magazin Werkstoffe
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Schätzungsweise neun Millionen Menschen im Jahr besuchen ihn,<br />
den Dom zu Köln. Stets mit dem Gefühl des Erstaunens über das<br />
schier nicht enden wollende Gebirge aus Steinen, das geradezu<br />
den Himmel berühren möchte.<br />
Gerieben freilich hat sich die Menschheit durch alle Zeiten an dieser,<br />
wie es der Dichter Heinrich Heine in seinen „Stänkerreimen“ ausdrückte,<br />
„Bastille des Geistes“. Ihm gefiel der Dom nicht. Er war ihm ein<br />
„kolossaler Gesell“, „er ragt verteufelt schwarz empor / Das ist der Dom<br />
von Köllen“.<br />
An der Schwärze seines Äußeren hat sich wahrhaftig nichts geändert.<br />
Auch nicht daran, dass der Dom, bautechnisch betrachtet, eine<br />
Baustelle ist und bleibt. Wer wüsste dies besser als Barbara Schock-<br />
Werner, die erste Frau, die seit dem 1. Januar 1999 im herausragenden<br />
Amt der Dombaumeisterin arbeitet?<br />
Baustelle hin, Baustelle her, natürlich hat die Dombaumeisterin<br />
zuerst klare Prinzipien: „Der Dom ist ein Mahnmal für Gott.“ Kein Mahnmal<br />
für Kriegszerstörung oder für den zerstörenden Einfluss schädlicher<br />
Stoffe in der Umwelt, auch kein Museum, sondern eine Kirche. Punkt.<br />
So ist es, und so bleibt es.<br />
Umso leichter lässt sich auf dieser unumstößlichen Basis der<br />
Dom als Baustelle mit unterschiedlichsten Anforderungen betrachten.<br />
Ein wunderbares Areal für <strong>Werkstoffe</strong>, zum Beispiel auch Stahl. Dazu<br />
hat Frau Schock-Werner eine klare Auffassung: „Stahl ist ein besonderes<br />
Produkt. Gerade in den höher gelegenen Teilen setzen wir gern Edelstahl<br />
ein, denn nur dieser ist der dauerhaften harten Beanspruchung<br />
bei Wind und Wetter gewachsen.“ Mit Edelstahl-Winkeln wird das Segment<br />
ThyssenKrupp Steel in diesem Jahr einen sprichwörtlich stabili-<br />
Das TK <strong>Magazin</strong> | 1 | 2004 |<br />
DOMBAUMEISTERIN 43<br />
Edelstahl für das Mahnmal Gottes<br />
Der Kölner Dom ist Deutschlands bekannteste Attraktion.<br />
Barbara Schock-Werner ist die Baumeisterin am Dom – „eine richtig tolle Aufgabe“<br />
Von Heribert Klein | Fotos Barbara Klemm<br />
sierenden Beitrag leisten: Die Besucherumgänge am Südturm in luftiger<br />
Höhe von rund hundert Metern, Tag für Tag von Tausenden frequentiert,<br />
bedürfen neuer Stahlträger. Diese wird Steel liefern. „Die Witterung<br />
hat auch diese tragenden Winkel zerstört“, sagt lakonisch die<br />
Dombaumeisterin. Andererseits, die Beanspruchung ist groß, denn die<br />
zahlreichen Besucher nehmen die allein konditionelle Herausforderung<br />
gern an und stapfen Stufe für Stufe zu diesem Besucherumgang – der<br />
ungestörte Blick über die Weite von Köln, hinüber zum Horizont, der sich<br />
in der Ferne zu verlieren scheint, lohnt den körperlichen Aufwand. Die<br />
Frage, weshalb durchweg nur noch Edelstahl im und am Dom verwendet<br />
wird, wenn tragende Teile ersetzt werden müssen, lenkt Frau<br />
Schock-Werner ins Grundsätzliche: „Ziel jeder unserer Maßnahmen ist<br />
es, uns möglichst überflüssig zu machen. Anders gesagt: Das Material<br />
soll so lange wie möglich halten.“<br />
DIE WITTERUNG HAT TRAGENDE WINKEL ZERSTÖRT<br />
Damit ist eine Weisheit bestätigt, die so alt ist wie der Dom selbst: Sollte<br />
er denn jemals vollendet sein, ist der Beginn der Ewigkeit gekommen.<br />
Das kann dauern. Also begnügt man sich mit der Nichtvollendung,<br />
und macht daraus gleich eine Theorie, wie sie der Dichter Heine<br />
entwickelt hat: „Er ward nicht vollendet – und das ist gut, / Denn die<br />
Nichtvollendung / Macht ihn zum Denkmal von Deutschlands Kraft /<br />
Und protestantischer Sendung.“<br />
Mit dieser Art von Poesie kann die Baumeisterin wenig anfangen.<br />
Als sie vor wenigen Jahren, zur Überraschung vieler Außenstehender,<br />
in ihr Amt gewählt wurde, ordnete man sie gleich ein: katholisch,<br />
schwindelfrei, weiblich, tatkräftig, temperamentvoll, willensstark, ein<br />
Das Ziel der Dombaumeisterin<br />
ist nachhaltig: Das Material am<br />
Dom soll so lange wie möglich<br />
halten. Ein Netz aus Edelstahl<br />
bietet am Südturm den Besuchern<br />
Schutz – und gewährt dennoch<br />
Ein- und Ausblicke