Thyssenkrupp Magazin Werkstoffe
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Lasereintrag ohne Toleranz<br />
Hände erzeugen können. Nicht, dass der Mensch überflüssig würde, aber seine Funktion<br />
reduziert sich auf die Überwachung des Vorgangs, der sich vor seinen Augen im<br />
Leitstand abspielt.<br />
Um es, mit Kahls Worten, technisch exakt zu definieren: „Wir verwenden spezielle<br />
Stähle mit spezifisch chemischer Zusammensetzung. Der Lasereintrag findet bei<br />
diesen Stählen hoch komprimiert auf engstem Raum statt.“ Will sagen: die Schrumpfungen<br />
sind kaum merkbar, die Abkühlgeschwindigkeiten extrem hoch, die Aufhärtungen<br />
verschwindend gering. Der hoch konzentrierte Laserstrahl führt zu einer minimalen<br />
thermischen Belastung, was gleichfalls den Verzug der Bleche minimiert.<br />
Kahl mangelt es nicht an eindrucksvollen Vergleichsstücken, die er dem Besucher<br />
vorführt. Herkömmlich geschweißte Profile und Nähte, gleich neben einer Lasernaht<br />
– da liegt dann doch der Vergleich nahe, dass im einen Fall mehr der Grobschlächter,<br />
im andern Fall der Feinchirurg am Werk war. So uneben und<br />
unausgeglichen die Schweißnaht nach alter Methode, so filigran wirkt die kunstvolle<br />
Naht nach neuer Laser-Art.<br />
DAS MODERNSTE FERTIGUNGSZENTRUM FÜR DIE VORMONTAGE<br />
Neu? Kahl räumt ein, dass der Schiffbau Jahre gebraucht habe, um die Lasertechnologie,<br />
in der Automobilherstellung längst eingesetzt, für seine Zwecke anzuwenden.<br />
Forschungsinstitute und Universitäten leisteten die Pionierarbeit der Entwicklung,<br />
Blohm + Voss machte sich die Ergebnisse zugute und baute, sagt Kahl, „das zurzeit<br />
im Schiffbau modernste Fertigungszentrum für die Vormontage“. Schnelligkeit geht<br />
dort einher mit Genauigkeit, unbeeindruckt von großen Lasten. „Die maximale Bauteilgröße<br />
von 4 x 12 Meter hat ein Gewicht von rund 9 Tonnen“, sagt Kahl. Man solle<br />
sich vorstellen: Die Werkstückträger wögen 16 Tonnen, die aufliegenden Bauteile<br />
nochmals 10 Tonnen. Zum Aufbau der Laseranlage gehöre eine fliegende Optik bei<br />
feststehendem Portal und drei bewegliche Werkstückträger sowie ein Spann- und Positionierportal.<br />
Die Laserstrahlquellen selbst seien dagegen fest montiert. Einen Effekt<br />
stellt Kahl besonders heraus: die Qualität des Schweißens von Profilen auf die be-<br />
Die I-Naht am T-Stoß, simultan<br />
lasergeschweißt – so kommt das<br />
Profil zur Stahlplatte. Der<br />
Tiefschweißeffekt erreicht einen<br />
Vollanschluss zwischen Platte<br />
und Stegelement. „Eine haltbarere<br />
Schweißnaht gibt es nicht“, sagt<br />
Alfred Kahl, der Leiter der<br />
Schiffbaufertigung bei Blohm + Voss<br />
Das TK <strong>Magazin</strong> | 1 | 2004 |<br />
LASER 87<br />
schichteten Stahlplatten. Der Fachmann wüsste sofort: I-<br />
Naht am T-Stoß, simultan laserstrahlgeschweißt, darum<br />
geht es. Fotos und Grafiken, die Kahl zum Beweis in die<br />
Hand nimmt, zeigen überdeutlich den Unterschied zu konventionellen<br />
Kehlnähten. Während mit dieser Methode nur<br />
die Eckpunkte verbunden werden, wirken die Laser sehr<br />
viel intensiver auf die <strong>Werkstoffe</strong> ein. „Wir erreichen mit<br />
dem Tiefschweißeffekt einen Vollanschluss zwischen Platte<br />
und Stegelement. Eine haltbarere Schweißnaht gibt es<br />
nicht. Der Germanische Lloyd hat uns diese Technik zertifiziert.“<br />
Chirurgische Präzision bei Produkten, deren Fläche<br />
ein ganzes Feld bedecken kann – darin besteht der Reiz<br />
der Lasertechnologie im Schiffbau. Womit, Kahls Worten<br />
folgend, der Leichtbau endgültig Einzug gehalten hat in<br />
den Bau von „schnellen Schiffen“. Stellt man sich vor,<br />
dass pro Schiff potenziell Laserschweißnähte in einer<br />
Länge von zweihundert Kilometern und Flächen von sechzigtausend<br />
Quadratmetern entstehen, erkennt man die<br />
gewaltigen Dimensionen.<br />
„Der Laser wird es schon richten“, mag man ausrufen.<br />
Doch was heißt „richten“? Hier muss nichts mehr<br />
warm- oder flammgerichtet werden, denn Winkelschrumpfung,<br />
Beulung und Biegung gehören der Vergangenheit<br />
an. Wenn der Laser seine komprimierte, gleißend<br />
helle Arbeit auf den Paneelen erledigt hat, passt alles<br />
haargenau. Nur mit den Toleranzen – da versteht der<br />
Laser keinen Spaß. Denn große Toleranzen und Genaufertigung,<br />
das geht nicht zusammen. Partout nicht. 7