Wandel von Aufgaben und Funktion der öffentlichen ... - H-lucas.de
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Vorbemerkung<br />
Holger Lucas<br />
<strong>Wan<strong>de</strong>l</strong> <strong>von</strong> <strong>Aufgaben</strong> <strong>und</strong> <strong>Funktion</strong><br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>öffentlichen</strong> Verwaltung<br />
Diese Hausarbeit wur<strong>de</strong> im Seminar „Der <strong>de</strong>mokratische Staat“ an <strong><strong>de</strong>r</strong> Universität Erfurt<br />
während <strong>de</strong>s Wintersemesters 2002/2003 angefertigt <strong>und</strong> bei Prof. Dr. Arno Scherzberg<br />
sowie Prof. Dr. Arno Waschkuhn vorgelegt.<br />
Glie<strong><strong>de</strong>r</strong>ung<br />
1. Einleitung<br />
2. Die geschichtliche Entwicklung <strong>von</strong> Staat <strong>und</strong> Verwaltung<br />
2.1 Der Polizeistaat <strong>de</strong>s Absolutismus<br />
2.2 Der liberale Rechtsstaat<br />
2.3 Der mo<strong><strong>de</strong>r</strong>ne Präventionsstaat<br />
3. Die wesentlichen <strong>Aufgaben</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Verwaltung im mo<strong><strong>de</strong>r</strong>nen Staat<br />
3.1 Die Finanzverwaltung<br />
3.2 Die Daseinsvorsorgeverwaltung<br />
3.3 Die Planungsverwaltung<br />
4. <strong>Wan<strong>de</strong>l</strong> <strong>von</strong> <strong>Aufgaben</strong>, <strong>Funktion</strong>en <strong>und</strong> Handlungsformen <strong><strong>de</strong>r</strong> Verwaltung<br />
4.1 Der mo<strong><strong>de</strong>r</strong>ne Staat als Steuerungsstaat<br />
4.2 Informaler Rechtsstaat <strong>und</strong> informales Verwaltungshan<strong>de</strong>ln<br />
4.3 Kooperativer Staat <strong>und</strong> kooperatives Verwaltungshan<strong>de</strong>ln<br />
4.4 Verhan<strong>de</strong>ln<strong><strong>de</strong>r</strong> Staat <strong>und</strong> aushan<strong>de</strong>ln<strong>de</strong> Verwaltung<br />
4.5 Mo<strong><strong>de</strong>r</strong>ieren<strong><strong>de</strong>r</strong> Staat <strong>und</strong> konfliktmitteln<strong>de</strong> Verwaltung<br />
4.6 Kommunikativer Staat <strong>und</strong> kommunikatives Verwaltungshan<strong>de</strong>ln<br />
5. Resümee<br />
6. Anmerkungen<br />
7. Literatur<br />
1
1. Einleitung<br />
Kein Staat kommt ohne Verwaltung aus. Schon in vorstaatlichen Herrschaftsformen fan<strong>de</strong>n<br />
sich mehr o<strong><strong>de</strong>r</strong> weniger umfangreiche Verwaltungsstäbe 1 . Je mehr die <strong>Aufgaben</strong> <strong>de</strong>s Staates<br />
wuchsen je stärker sich die Gesellschaft differenzierte, umso mehr entwickelte sich eine<br />
territorial <strong>und</strong> funktional ausdifferenzierte Verwaltung. Ihre innere Organisation stabilisierte<br />
sich <strong>und</strong> so entstand die für <strong>de</strong>n mo<strong><strong>de</strong>r</strong>nen Staat nach Max Weber typische bürokratische<br />
Verwaltung 2 .<br />
Heute bezeichnet man als Verwaltung einen Apparat, <strong><strong>de</strong>r</strong> Handlungsvorgaben zur Erhaltung<br />
eines Staates durchführt. Die Tätigkeit <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>öffentlichen</strong> Verwaltung wird wegen ihrer<br />
Vielgestaltigkeit meist <strong>de</strong>finiert als diejenige staatliche Tätigkeit, die nicht Gesetzgebung o<strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Rechtsprechung ist. Die Verwaltung gehört im Gewaltenteilungsschema zur Exekutive 3 .<br />
Wie hat sich nun die Verwaltung bisher entwickelt, welche Verän<strong><strong>de</strong>r</strong>ungen wer<strong>de</strong>n aktuell<br />
vollzogen o<strong><strong>de</strong>r</strong> stehen bevor, angesichts einer immer komplizierteren Umwelt? Dazu wird im<br />
2. Kapitel kurz auf die geschichtliche Entwicklung <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Aufgaben</strong> <strong>von</strong> Staat <strong>und</strong> Verwaltung<br />
vom 18. bis zum 20. Jahrh<strong>und</strong>ert eingegangen. Das 3. Kapitel stellt die wesentlichen<br />
<strong>Aufgaben</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Verwaltung im mo<strong><strong>de</strong>r</strong>nen Staat dar. Im 4. Kapitel wer<strong>de</strong>n sodann bestimmte<br />
Verän<strong><strong>de</strong>r</strong>ungen <strong>von</strong> <strong>Aufgaben</strong>, <strong>Funktion</strong>en <strong>und</strong> Handlungsformen genauer untersucht.<br />
2. Die geschichtliche Entwicklung <strong>von</strong> Staat <strong>und</strong> Verwaltung<br />
Richard Rose hat in einer vergleichen<strong>de</strong>n historischen Untersuchung 4 mehrerer Staaten<br />
westlichen Typs festgestellt, dass in allen Staaten im Laufe ihrer Entwicklung verschie<strong>de</strong>ne<br />
Staatsaufgaben im Vor<strong><strong>de</strong>r</strong>gr<strong>und</strong> stan<strong>de</strong>n. Das waren zuerst die „<strong>de</strong>fining activities“, die<br />
Gewährleistung <strong>von</strong> Sicherheit nach innen <strong>und</strong> außen sowie die Sicherung <strong><strong>de</strong>r</strong> finanziellen<br />
Basis <strong>de</strong>s Staates. Des weiteren nennt er Maßnahmen zur För<strong><strong>de</strong>r</strong>ung <strong>de</strong>s wirtschaftlichen<br />
Wohlstan<strong>de</strong>s, z. B. För<strong><strong>de</strong>r</strong>ung <strong>von</strong> Han<strong>de</strong>l, Industrie, Landwirtschaft, Post, Telegrafenwesen<br />
etc. Die jüngste Kategorie <strong>von</strong> Staatsaufgaben sind die <strong>de</strong>s Sozialstaates.<br />
2.1 Der Polizeistaat <strong>de</strong>s Absolutismus<br />
Der absolutistische Wohlfahrtsstaat verfolgte das Ziel <strong><strong>de</strong>r</strong> „Beför<strong><strong>de</strong>r</strong>ung <strong><strong>de</strong>r</strong> allgemeinen<br />
Glückseligkeit“ 5 . In seinem Polizeiverständnis waren die polizeilichen Kompetenzen daher<br />
praktisch unbegrenzt 6 . Unter „Polizei“ konnte man die gesamte innerstaatliche, nichtmilitärische<br />
Exekutive verstehen. Ihre allumfassen<strong>de</strong>n „Handlungsformen reichten vom<br />
Polizeibefehl bis zu <strong>de</strong>n umfangreichen Kodifikationen <strong><strong>de</strong>r</strong> Polizeiordnungen“ 7 . Sie erfassten<br />
die Lebensbereiche aller Stän<strong>de</strong>, um „christliche Zucht <strong>und</strong> Ehrbarkeit“ zu erhalten, daneben<br />
2
fan<strong>de</strong>n sich auch umfangreiche Regelungen zur <strong>öffentlichen</strong> Ordnung im engeren Sinne<br />
sowie <strong><strong>de</strong>r</strong> Wirtschaftsför<strong><strong>de</strong>r</strong>ung.<br />
Die theoretische F<strong>und</strong>ierung lieferte die Polizeiwissenschaft, die zu Beginn <strong>de</strong>s 18.<br />
Jahrh<strong>und</strong>erts begrün<strong>de</strong>t wur<strong>de</strong>. Nach ihrem Verständnis sollte die Gesellschaft nicht sich<br />
selbst überlassen sein, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n ihr Wohlergehen gezielt geför<strong><strong>de</strong>r</strong>t wer<strong>de</strong>n 8 . Es wur<strong>de</strong> nicht<br />
zwischen staatlichen <strong>und</strong> nicht-staatlichen Zielen unterschie<strong>de</strong>n, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n das Wohlergehen<br />
<strong>de</strong>s Staates (das ist letztendlich <strong><strong>de</strong>r</strong> Monarch) <strong>und</strong> seiner Untertanen sind i<strong>de</strong>ntisch. Alles<br />
strebt nach <strong><strong>de</strong>r</strong> „gemeinschaftlichen Glückseligkeit“ 9 .<br />
2.2 Der liberale Rechtsstaat<br />
Mit <strong>de</strong>m Allgemeinen Preußischen Landrecht <strong>von</strong> 1794 begann die Hinwendung zum<br />
Rechtsstaat liberaler Prägung 10 . In diesem wur<strong>de</strong> insbeson<strong><strong>de</strong>r</strong>e <strong><strong>de</strong>r</strong> Polizeibegriff auf die<br />
Sicherheitspolizei reduziert 11 . Zentralbegriff für das staatliche Han<strong>de</strong>ln war die<br />
„Gefahrenabwehr“ zur Abwendung <strong>von</strong> unmittelbar drohen<strong>de</strong>n Gefahren für die<br />
Allgemeinheit. Hingegen sollten Wohlfahrtszwecke vom Staat nicht mehr unter Einsatz<br />
obrigkeitlicher Gewalt verfolgt wer<strong>de</strong>n 12 . Im rechtlichen Bereich wur<strong>de</strong> die<br />
Polizeiwissenschaft vom Verwaltungsrecht abgelöst.<br />
Das Gefahrenabwehrmo<strong>de</strong>ll beruht auf <strong><strong>de</strong>r</strong> Fähigkeit <strong>de</strong>s Staates, Sicherheit zu<br />
gewährleisten, das heißt Rechtsgüterschä<strong>de</strong>n durch die Natur o<strong><strong>de</strong>r</strong> durch Dritte zu<br />
verhin<strong><strong>de</strong>r</strong>n 13 . Es stößt an seine Grenzen, wenn es heutzutage, z. B. im Umweltschutz,<br />
weniger um die Abwehr <strong>von</strong> Gefahren, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n vielmehr um Gefahrenvorsorge geht 14 .<br />
2.3 Der mo<strong><strong>de</strong>r</strong>ne Präventionsstaat<br />
Jetzt ist Risikovorsorge zur Staatsaufgabe 15 gewor<strong>de</strong>n. Der Präventionsstaat versucht,<br />
„mögliche Krisen bereits im Ansatz aufzuspüren <strong>und</strong> zu ersticken“ 16 . Er wehrt nicht erst<br />
konkrete Gefahren, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n bereits abstrakte Risiken, die zu unerwünschten Entwicklungen<br />
führen könnten, ab 17 . Das Ziel <strong><strong>de</strong>r</strong> Staatstätigkeit besteht darin, in einem umfassen<strong>de</strong>n Sinn<br />
„Sicherheit“ zu gewährleisten, um <strong>de</strong>n vielfältigen Risiken <strong>und</strong> Ängsten 18 <strong><strong>de</strong>r</strong> mo<strong><strong>de</strong>r</strong>nen<br />
Gesellschaft zu begegnen.<br />
Dabei wan<strong>de</strong>lt sich das klassische Polizei- <strong>und</strong> Ordnungsrecht zum Sicherheitsrecht.<br />
3
3. Die wesentlichen <strong>Aufgaben</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Verwaltung im mo<strong><strong>de</strong>r</strong>nen Staat<br />
3.1 Die Finanzverwaltung<br />
„Der mo<strong><strong>de</strong>r</strong>ne Staat ist ein Steuerstaat“ 19 , d. h. er finanziert sich größtenteils durch<br />
Steuereinnahmen. Die Verfügung über die Staatsfinanzen ist die Gr<strong>und</strong>lage <strong>von</strong> Macht, <strong>de</strong>nn<br />
zum einen wird über die Erhebung <strong><strong>de</strong>r</strong> Einnahmen eine Belastungsentscheidung getroffen,<br />
zum an<strong><strong>de</strong>r</strong>en entschei<strong>de</strong>t <strong><strong>de</strong>r</strong> Staat über die Verwendung <strong><strong>de</strong>r</strong> Mittel <strong>und</strong> damit über die<br />
Nutznießer 20 .<br />
Heute dient <strong><strong>de</strong>r</strong> Steuerstaat vor allem <strong><strong>de</strong>r</strong> Finanzierung <strong>de</strong>s Sozialstaates: „Der mo<strong><strong>de</strong>r</strong>ne<br />
Rechtsstaat ist Sozialstaat wesentlich in seiner <strong>Funktion</strong> als Steuerstaat“ 21 . Die Finanz- <strong>und</strong><br />
Steuerverwaltung ist als „harter Kern“ <strong>de</strong>s Sozial- o<strong><strong>de</strong>r</strong> Umverteilungsstaates anzusehen,<br />
<strong>de</strong>nn sie sichert seine Existenz <strong>und</strong> Handlungsfreiheit.<br />
Das Mo<strong>de</strong>ll <strong>de</strong>s Steuerstaates ist insoweit in <strong><strong>de</strong>r</strong> Finanzverfassung <strong>de</strong>s Gr<strong>und</strong>gesetzes (Art.<br />
104a ff. GG) verankert.<br />
3.2 Die Daseinsvorsorgeverwaltung<br />
Die Daseinsvorsorgeverwaltung ist ein beson<strong><strong>de</strong>r</strong>es Kennzeichen <strong>de</strong>s Sozialstaates. Aus <strong>de</strong>m<br />
Sozialstaatsprinzip <strong>de</strong>s Art. 20 I GG kommt <strong>de</strong>m Staat <strong><strong>de</strong>r</strong> Auftrag zur Sozialgestaltung <strong>und</strong><br />
zur beson<strong><strong>de</strong>r</strong>en Bedachtnahme auf die Bedürftigkeit <strong>de</strong>s einzelnen zu 22 . Damit ist die<br />
Verwaltung „zum unentbehrlichen Steuerungselement <strong><strong>de</strong>r</strong> Gesellschaft <strong>und</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Daseinssicherung <strong>de</strong>s einzelnen gewor<strong>de</strong>n“ 23 .<br />
Die Lebenssituation <strong>de</strong>s mo<strong><strong>de</strong>r</strong>nen Menschen in <strong><strong>de</strong>r</strong> Industriegesellschaft ist geprägt durch<br />
seine soziale Bedürftigkeit 24 , das heißt er ist nicht mehr in <strong><strong>de</strong>r</strong> Lage, die gr<strong>und</strong>legendsten<br />
Bedürfnisse seiner Existenz selbständig abzusichern. Daraus erwächst eine kollektive <strong>und</strong><br />
politische Verantwortung für die Daseinsvorsorge. Die <strong>Funktion</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Verwaltung besteht nun<br />
darin, <strong>de</strong>m einzelnen die Leistungen zur Verfügung zu stellen, auf die er „lebens-notwendig<br />
angewiesen ist“ 25 , z. B. Wasser, Elektrizität, Gas, Verkehrsmittel, Müllabfuhr, Altersvorsorge<br />
etc.<br />
Die Daseinsvorsorgeverwaltung ist nicht <strong>von</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> einseitigen staatlichen Anordnung, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n<br />
<strong>von</strong> zweiseitigen Leistungsverhältnissen gekennzeichnet.<br />
3.3 Die Planungsverwaltung<br />
Der mo<strong><strong>de</strong>r</strong>ne Staat wirkt sozial- <strong>und</strong> zukunftsgestaltend. Deshalb ist die Planung „Ausdruck<br />
sozialstaatlichen Han<strong>de</strong>lns“ 26 . Sie wirkt programmatisch, in<strong>de</strong>m sie bestimmte Sozialbereiche<br />
langfristig <strong>und</strong> losgelöst vom Einzelfall gestaltet. Es geht hierbei nicht um <strong>de</strong>n (klassischen)<br />
Gesetzesvollzug, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n um die Gesetzesverwirklichung 27 . Dabei muss die Verwaltung<br />
4
Gesetze konkretisierend umsetzen. Diese Planungsgesetze weisen eine beson<strong><strong>de</strong>r</strong>e<br />
Normstruktur auf, wodurch die Verwaltung final programmiert wird 28 .<br />
An die Stelle <strong><strong>de</strong>r</strong> Genehmigung tritt die zukunftsweisen<strong>de</strong> Planungsentscheidung. Die<br />
planen<strong>de</strong> Verwaltung hat somit auch die Aufgabe, verschie<strong>de</strong>ne (öffentliche <strong>und</strong> private)<br />
Interessen abzustimmen. In <strong><strong>de</strong>r</strong> Folge steigt die Be<strong>de</strong>utung <strong><strong>de</strong>r</strong> Verwaltung im gesamten<br />
politischen System. Die Verwaltung ist nicht mehr länger nur Instrument <strong><strong>de</strong>r</strong> Politik, sie macht<br />
unter Umstän<strong>de</strong>n auch selbst Politik.<br />
4. <strong>Wan<strong>de</strong>l</strong> <strong>von</strong> <strong>Aufgaben</strong>, <strong>Funktion</strong>en <strong>und</strong> Handlungsformen <strong><strong>de</strong>r</strong> Verwaltung<br />
4.1 Der mo<strong><strong>de</strong>r</strong>ne Staat als Steuerungsstaat<br />
Die Steuerungsfähigkeit <strong>de</strong>s mo<strong><strong>de</strong>r</strong>nen Staates ist heute vielfach herausgefor<strong><strong>de</strong>r</strong>t, unter<br />
an<strong><strong>de</strong>r</strong>em durch die <strong>de</strong>mographische Entwicklung in <strong>de</strong>n Sozialsystemen, die wirtschaftliche<br />
Entwicklung o<strong><strong>de</strong>r</strong> neue Technologien. Dabei muss er mit vielen unterschiedlichen Akteuren<br />
umgehen. Angesichts immer weiter wachsen<strong><strong>de</strong>r</strong> Staatsaufgaben sieht Dieter Grimm sogar<br />
die Gefahr einer „sinken<strong>de</strong>n Steuerungsfähigkeit <strong>de</strong>s Rechts“. Die Gesellschaft for<strong><strong>de</strong>r</strong>t häufig<br />
ein präventives Eingreifen <strong>de</strong>s Staates, z. B. in <strong><strong>de</strong>r</strong> Sozial-, Wirtschafts- o<strong><strong>de</strong>r</strong> Kriminalpolitik<br />
29 .<br />
Hier greift das Prinzip <strong><strong>de</strong>r</strong> Steuerung durch Vorsorge 30 , <strong><strong>de</strong>r</strong> Staat steuert durch agieren<br />
anstatt durch reagieren. Beispiele dafür sind Risikovorsorge, Wachstumsvorsorge (abgeleitet<br />
aus Art. 109 II GG) o<strong><strong>de</strong>r</strong> auch Informationsvorsorge. Der Staat als Steuerungsstaat bedarf<br />
neuer Formen <strong><strong>de</strong>r</strong> direkten wie indirekten Verhaltenssteuerung. Das führt zu neuen<br />
Handlungsformen im Öffentlichen Recht 31 .<br />
Der <strong>Funktion</strong>swan<strong>de</strong>l <strong><strong>de</strong>r</strong> Verwaltung geht weg <strong>von</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> hierarchischen hin zur<br />
aushan<strong>de</strong>ln<strong>de</strong>n <strong>und</strong> mo<strong><strong>de</strong>r</strong>ieren<strong>de</strong>n Steuerung. Ihre sich verän<strong><strong>de</strong>r</strong>n<strong>de</strong>n Handlungsformen<br />
sind Kennzeichen <strong>de</strong>s „Übergangs vom Interventions- zum Interaktionsstaat“ 32 .<br />
Die Verwaltung <strong>de</strong>s Steuerungsstaates ist multifunktional. Ausdruck dafür ist die Typologie<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Verwaltungsverantwortung <strong>von</strong> Eberhard Schmidt-Aßmann, in <strong><strong>de</strong>r</strong> er Vollzugsverantwortung,<br />
Entfaltungsverantwortung (bei umrisshaften gesetzgeberischen<br />
Programmen), Verantwortung für die Programmverwirklichung, Initiativverantwortung <strong>und</strong><br />
letztlich Gesamtverantwortung unterschei<strong>de</strong>t 33 .<br />
Betrachten wir nun einige konkrete Aspekte dieser Entwicklung:<br />
5
4.2 Informaler Rechtsstaat <strong>und</strong> informales Verwaltungshan<strong>de</strong>ln<br />
Während <strong><strong>de</strong>r</strong> 70er Jahre gelangte man zu <strong><strong>de</strong>r</strong> Erkenntnis, dass es in <strong><strong>de</strong>r</strong> Verwaltung<br />
Vollzugs<strong>de</strong>fizite für Gesetze <strong>und</strong> politische Programme gibt 34 . In <strong><strong>de</strong>r</strong> Praxis wur<strong>de</strong> das<br />
formale Verwaltungshan<strong>de</strong>ln (Verwaltungsakt, öffentlich-rechtlicher Vertrag) durch informale<br />
Durchsetzungsstrategien (z. B. Überredung, Vorleistungen, Geld) ergänzt. Denn das „Gesetz<br />
[ist] nicht mehr das abgeschlossene <strong>und</strong> nur noch mechanisch umzusetzen<strong>de</strong> Produkt<br />
politischer Willensbildung, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n im Gr<strong>und</strong>e nur die erste Phase eines arbeitsteiligen<br />
Vorganges sozialgestalten<strong><strong>de</strong>r</strong> Rechtsverwirklichung“ 35 <strong>und</strong> muss somit durch die Verwaltung<br />
<strong>de</strong>n situativen Beson<strong><strong>de</strong>r</strong>heiten angepasst <strong>und</strong> bisweilen mit Kreativität <strong>und</strong> Eigeninitiative<br />
ausgefüllt wer<strong>de</strong>n 36 . „Und weil zwar die <strong>Aufgaben</strong>last <strong>de</strong>s Staates, nicht aber sein<br />
Erzwingungspotential steigt, die Rechtslage aus <strong>de</strong>n oben geschil<strong><strong>de</strong>r</strong>ten Grün<strong>de</strong>n [das sind<br />
vage normative Vorgaben, A. d. V.] stets ungewiss ist, müssen sie die Umsetzung <strong>de</strong>s<br />
Rechts tunlichst in eine glaubhafte Überzeugungsstrategie einbetten <strong>und</strong> die<br />
Normadressaten wie (Dritt-) Betroffenen konsensual einbin<strong>de</strong>n [...]“ 37 .<br />
Rechtsförmliches, hoheitliches Verwaltungshan<strong>de</strong>ln ist also nur noch ein Mittel <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Steuerung, die in <strong><strong>de</strong>r</strong> Rechtsordnung vorgesehenen Instrumente wer<strong>de</strong>n durch informale<br />
ergänzt. Dabei unterschei<strong>de</strong>t man zwei Typen: zum einen informale normvertreten<strong>de</strong><br />
Absprachen, darunter versteht man gesetzesvermei<strong>de</strong>n<strong>de</strong> Absprachen, z. B. Selbstverpflichtungen<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Wirtschaft, zum an<strong><strong>de</strong>r</strong>en informale normvollziehen<strong>de</strong> Verfahrenshandlungen,<br />
z. B. Vorverhandlungen o<strong><strong>de</strong>r</strong> Sanierungsabsprachen 38 .<br />
4.3 Kooperativer Staat <strong>und</strong> kooperatives Verwaltungshan<strong>de</strong>ln<br />
Dieser Staat, <strong><strong>de</strong>r</strong> mehr auf Übereinkommen <strong>de</strong>nn auf einseitige Anordnungen baut, ist<br />
gleichzeitig ein kooperativer Staat. Er ist gekennzeichnet <strong>von</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Entscheidungsverflechtung<br />
<strong>und</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Notwendigkeit zur Zusammenarbeit. Beson<strong><strong>de</strong>r</strong>s <strong>de</strong>utlich tritt das im Bereich <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Planungsverwaltung hervor, <strong>de</strong>nn dort verfügt man nur über einen Teil <strong><strong>de</strong>r</strong> Informationen, die<br />
für eine Entscheidung erfor<strong><strong>de</strong>r</strong>lich sind 39 . „Der planen<strong>de</strong> Staat hat mit <strong><strong>de</strong>r</strong> Komplexität <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Umwelt nicht nur zu rechnen, er muss ihr seinerseits komplexe <strong>und</strong> differenzierte Strategien<br />
entgegensetzen. Der planen<strong>de</strong> Staat muss dabei sowohl die konkreten Verhältnisse <strong>und</strong> die<br />
individuellen Beteiligten berücksichtigen, wie die Inter<strong>de</strong>pen<strong>de</strong>nzen <strong>de</strong>s wirtschaftlichen <strong>und</strong><br />
sozialen Geschehens im Blick behalten“ 40 . Deshalb ist er „auf die aktive Mitarbeit <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Planadressaten angewiesen“ 41 <strong>und</strong> muss folglich ein „sensibles, differenziertes, anpassungsfähiges<br />
<strong>und</strong> für Konsensbildungsprozesse offenes Instrumentarium“ 42 an Steuerungsmitteln<br />
entwickeln. „Der Staat steigt vom hoheitlich-hoheitsvollen Po<strong>de</strong>st <strong>de</strong>s einseitig Anweisen<strong>de</strong>n<br />
herab, er tritt auf die Ebene <strong>de</strong>s Austausches <strong>von</strong> Informationen <strong>und</strong> Leistungen <strong>und</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Verbindung zu abgestimmten Han<strong>de</strong>ln“ 43 .<br />
6
Kooperationen verlaufen auf zwei Ebenen: einerseits individuell zwischen <strong><strong>de</strong>r</strong> Verwaltung<br />
<strong>und</strong> einzelnen Unternehmen o<strong><strong>de</strong>r</strong> Bürgern, an<strong><strong>de</strong>r</strong>erseits kollektiv zwischen <strong>de</strong>m Staat <strong>und</strong><br />
gesellschaftlichen Gruppen (z. B. Interessenverbän<strong>de</strong>n) 44 . Voraussetzungen dafür sind unter<br />
an<strong><strong>de</strong>r</strong>em das Vorhan<strong>de</strong>nsein <strong>von</strong> geeigneten Partnern (<strong><strong>de</strong>r</strong> kooperative Staat <strong>und</strong> die<br />
gruppenhaft organisierte Gesellschaft), die Existenz eines bei<strong><strong>de</strong>r</strong>seitigen Minimalkonsenses,<br />
Loyalität <strong>und</strong> Vertrauen, die Verän<strong><strong>de</strong>r</strong>ung <strong>de</strong>s Rollenverständnisses auf bei<strong>de</strong>n Seiten (die<br />
Verwaltung muss sich für gesellschaftliche Belange öffnen, die gesellschaftlichen Gruppen<br />
müssen Gemeinsinn entwickeln), auf bei<strong>de</strong>n Seiten müssen tauschfähige Leistungen <strong>und</strong><br />
Verhandlungsspielräume vorhan<strong>de</strong>n sein, Erwartungssicherheit muss existieren, ebenso wie<br />
Formen indirekter Steuerung (innerhalb <strong><strong>de</strong>r</strong> gesellschaftlichen Gruppen) 45 . Als ultima ratio<br />
bedarf es jedoch auch eines rechtlichen „Flankenschutzes“ als Korrektur- <strong>und</strong><br />
Einflussmechanismus 46 .<br />
Kooperationen funktionieren aufgr<strong>und</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Austauschlogik, einem Kalkül gegenseitigen<br />
Nutzens zwischen <strong><strong>de</strong>r</strong> Verwaltung <strong>und</strong> <strong>de</strong>n organisierten Akteuren. Entschei<strong>de</strong>nd ist <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Wille zu einer gemeinsamen <strong>und</strong> kooperativen Problemlösung.<br />
Das kooperative Verwaltungshan<strong>de</strong>ln kann fast je<strong>de</strong> Form annehmen, z. B. Verwaltungsakte,<br />
zivil- <strong>und</strong> öffentlich-rechtliche Verträge, Absprachen, Arrangements, Vorabzuleitung <strong>von</strong><br />
Beschei<strong>de</strong>ntwürfen 47 etc.<br />
Im kooperativen Staat erfährt das Recht <strong>Funktion</strong>sverän<strong><strong>de</strong>r</strong>ungen: vom hierarchischen zum<br />
zwei- o<strong><strong>de</strong>r</strong> mehrseitig vereinbarten Recht, vom hoheitlichen Rechtsvollzug zu<br />
Überzeugungsstrategien, <strong>von</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> unmittelbaren Rechtsbindung zur nichtrechtlichen,<br />
sozialnormativen Bindung <strong><strong>de</strong>r</strong> gesellschaftlichen Akteure <strong>und</strong>, im Ergebnis, <strong>von</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
rechtlichen Vollsteuerung zur rechtlichen Teilsteuerung 48 .<br />
Im kooperativen Staat wer<strong>de</strong>n, nach Horst Dreier, aus Bürokraten Politiker <strong>und</strong> aus Bürgern<br />
Verhandlungspartner 49 .<br />
4.4 Verhan<strong>de</strong>ln<strong><strong>de</strong>r</strong> Staat <strong>und</strong> aushan<strong>de</strong>ln<strong>de</strong> Verwaltung<br />
Der kooperative Staat ist notwendigerweise auch ein verhan<strong>de</strong>ln<strong><strong>de</strong>r</strong> Staat. Im verhan<strong>de</strong>ln<strong>de</strong>n<br />
Staat wird die hierarchische Steuerung durch aushan<strong>de</strong>ln<strong>de</strong> Steuerung 50 ersetzt. Allerdings<br />
stellt sich dabei die Frage nach <strong><strong>de</strong>r</strong> Handlungsfähigkeit <strong>de</strong>s Staates: „Der Steuerungserfolg<br />
wird erkauft durch die Enthierarchisierung <strong><strong>de</strong>r</strong> Beziehung zwischen Staat <strong>und</strong><br />
Gesellschaft“ 51 . Durch die internen wie externen Souveränitätsverluste <strong>de</strong>s mo<strong><strong>de</strong>r</strong>nen<br />
Staates haben Verhandlungszwänge zugenommen, in <strong>de</strong>n vielfach verflochtenen Systemen<br />
steht <strong><strong>de</strong>r</strong> er häufig unter Konsenszwang 52 .<br />
Folglich wird er zunehmend als gleichrangiger Verhandlungspartner in multilaterale<br />
Verhandlungssysteme einbezogen 53 . Dieses konsensuale Mo<strong>de</strong>ll steht im Gegensatz zum<br />
7
klassischen hierarchischen Mo<strong>de</strong>ll, <strong>de</strong>nn hier kommt es nicht, wie in <strong><strong>de</strong>r</strong> Demokratie, auf die<br />
Mehrheit, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n auf das Einverständnis aller Verhandlungspartner an 54 .<br />
Die verhan<strong>de</strong>ln<strong>de</strong> Verwaltung muss eine eigene aktive Interessenabstimmung <strong>und</strong><br />
Konsensbildung betreiben 55 , insbeson<strong><strong>de</strong>r</strong>e die Ministerialverwaltung ist zu einem „Ort <strong>de</strong>s<br />
Interessenausgleichs“ 56 gewor<strong>de</strong>n. Ihre bevorzugten Handlungsformen dafür sind<br />
Absprachen <strong>und</strong> Verträge.<br />
4.5 Mo<strong><strong>de</strong>r</strong>ieren<strong><strong>de</strong>r</strong> Staat <strong>und</strong> konfliktmitteln<strong>de</strong> Verwaltung<br />
In manchen Verhandlungsprozessen ist es nicht erfor<strong><strong>de</strong>r</strong>lich, dass <strong><strong>de</strong>r</strong> Staat selbst als<br />
Verhandlungspartner auftritt, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n es reicht aus, wenn er sich als Organisator <strong>und</strong><br />
Mo<strong><strong>de</strong>r</strong>ator beteiligt 57 . Der Staat verhan<strong>de</strong>lt nicht selbst, er lässt verhan<strong>de</strong>ln, ist gleichsam<br />
„manager in the middle“. Dabei soll er vor allem „die Handlungsprämissen dieser Prozesse<br />
[...] beeinflussen, insbeson<strong><strong>de</strong>r</strong>e Spielregeln für gesellschaftliche Problembearbeitungsprozesse“<br />
58 vorlegen, um einen fairen Interessenausgleich herbeizuführen. Seine Position<br />
wird dadurch gestärkt, dass er über eine beson<strong><strong>de</strong>r</strong>e Legitimation (die <strong>de</strong>mokratische) <strong>und</strong><br />
eine spezifische Kompetenz (ein Belohnungs- <strong>und</strong> Sanktionspotential) verfügt.<br />
Der Verwaltung erwächst somit die Aufgabe <strong>de</strong>s <strong>öffentlichen</strong> Konfliktmanagements. Dazu<br />
soll sie sich vor allem dreier Konfliktmanagement-Techniken bedienen: Negotiation<br />
(multilaterale Verhandlungen), Mediation (Einsatz <strong>von</strong> Konfliktmittlern) <strong>und</strong> Animation<br />
(Anregung <strong>und</strong> Mo<strong><strong>de</strong>r</strong>ation <strong>von</strong> Prozessen) 59 . Hierbei ist man in Deutschland allerdings noch<br />
nicht weit fortgeschritten 60 .<br />
4.6 Kommunikativer Staat <strong>und</strong> kommunikatives Verwaltungshan<strong>de</strong>ln<br />
Der kommunikative Staat ist die notwendige Ergänzung zum kooperativen, verhan<strong>de</strong>ln<strong>de</strong>n<br />
<strong>und</strong> mo<strong><strong>de</strong>r</strong>ieren<strong>de</strong>n Staat, <strong>de</strong>nn er ist angewiesen auf <strong>de</strong>n Dialog mit <strong>de</strong>n Betroffenen.<br />
Der Verwaltung <strong>und</strong> vor allem <strong>de</strong>m Verwaltungsrecht kommt hier die Aufgabe zu, die<br />
Kommunikationsfähigkeit <strong>von</strong> unterschiedlichen Interessen 61 im Rahmen <strong>de</strong>s<br />
Verwaltungshan<strong>de</strong>lns zu gewährleisten.<br />
8
5. Resümee<br />
Staat <strong>und</strong> Verwaltung sind so selbst zum (fast gleichgeordneten) Akteur in Netzwerken zur<br />
Umsetzung staatlicher Politikprogramme gewor<strong>de</strong>n; sie sind Kooperationspartner,<br />
Verhandlungspartner, Kommunikationspartner <strong>und</strong> Mo<strong><strong>de</strong>r</strong>ator 62 . Diese Entwicklung beraubt<br />
die Verwaltung zwar einerseits ihrer traditionellen „Macht“, an<strong><strong>de</strong>r</strong>erseits kann die Effizienz<br />
<strong>de</strong>s Verwaltungshan<strong>de</strong>lns im mo<strong><strong>de</strong>r</strong>nen Staat steigen, da die nicht-staatlichen Akteure in <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Regel über ein spezifisches Wissen verfügen, welches die Verwaltung selbst nicht besitzt, für<br />
ihre Entscheidungen aber benötigt 63 . Des weiteren besteht die Chance, auch komplexe<br />
Probleme mit vielfältig vernetzten Ursachen zu bewältigen 64 . Außer<strong>de</strong>m können durch die<br />
Einbindung <strong><strong>de</strong>r</strong> Betroffenen Vollzugs<strong>de</strong>fizite, die sich durch Blocka<strong>de</strong>n o<strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Rechtsstreitigkeiten möglicherweise ergeben, vermie<strong>de</strong>n wer<strong>de</strong>n 65 .<br />
Kritik an dieser Entwicklung wird insbeson<strong><strong>de</strong>r</strong>e unter rechtsstaatlicher Perspektive geäußert:<br />
Verhandlungen zwischen Verwaltung <strong>und</strong> Adressaten <strong>und</strong> die mögliche Duldung <strong>von</strong><br />
Normverstößen schwächen die Orientierung an Rechtsgr<strong>und</strong>lagen 66 , außer<strong>de</strong>m könnte <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
„Gesetzesvollzug zum Han<strong>de</strong>lsobjekt“ 67 <strong>de</strong>gradiert wer<strong>de</strong>n. Aus <strong>de</strong>mokratietheoretischer<br />
Sicht ist vor allem die <strong>de</strong>mokratische Legitimation <strong><strong>de</strong>r</strong> nicht-staatlichen Akteure fragwürdig,<br />
wenn in Verhandlungsprozessen Entscheidungen getroffen wer<strong>de</strong>n, die sonst <strong>de</strong>m<br />
Parlament o<strong><strong>de</strong>r</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>von</strong> ihm legitimierten Exekutive vorbehalten wären. Des weiteren muss<br />
die Rollenverteilung innerhalb <strong>de</strong>s Staates, genauer gesagt zwischen <strong><strong>de</strong>r</strong> Politik (Parlament<br />
<strong>und</strong> Regierung) einerseits <strong>und</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Verwaltung an<strong><strong>de</strong>r</strong>erseits, angesichts dieser Bef<strong>und</strong>e neu<br />
überdacht wer<strong>de</strong>n.<br />
Auch in einem Kooperations- <strong>und</strong> Entscheidungsgeflecht muss Verantwortung zurechenbar<br />
sein 68 <strong>und</strong> auch dort sollte ein Min<strong>de</strong>stmaß an Öffentlichkeit herrschen, damit aus<br />
Verhandlungen keine „Kungelr<strong>und</strong>en“ wer<strong>de</strong>n 69 . Eine <strong><strong>de</strong>r</strong> meines Erachtens nach wichtigsten<br />
Fragen ist die nach <strong><strong>de</strong>r</strong> Rolle <strong>de</strong>s einzelnen Bürgers im korporativen Verhältnis, wenn nur<br />
noch organisierte Interessen Berücksichtigung fin<strong>de</strong>n.<br />
Insgesamt hat die öffentliche Verwaltung in <strong>de</strong>n vergangenen Jahrzehnten einen nicht zu<br />
unterschätzen<strong>de</strong>n <strong>Wan<strong>de</strong>l</strong> vollzogen, <strong><strong>de</strong>r</strong> sich auch in <strong><strong>de</strong>r</strong> Organisation <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Verwaltungsbehör<strong>de</strong>n wi<strong><strong>de</strong>r</strong>spiegelt. Aus <strong><strong>de</strong>r</strong> Bürokratie alten Stils wird, unter <strong>de</strong>m Einfluss<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> I<strong>de</strong>en <strong>de</strong>s „New Public Management“, ein an wirtschaftswissenschaftlichen Paradigmen<br />
orientiertes Verwaltungsmanagement 70 .<br />
9
6. Anmerkungen<br />
1 vgl. Benz, S. 129<br />
2 vgl. Max Weber: Wirtschaft <strong>und</strong> Gesellschaft, Tübingen 1921/1976<br />
3 vgl. Brockhaus 2002 u. Microsoft Encarta 2003<br />
4 vgl. Schuppert, S. 81 f.<br />
5 vgl. Schuppert, S. 82<br />
6 vgl. Schuppert, S. 83<br />
7 Michael Stolleis, zit. n. Schuppert, S. 83<br />
8 vgl. Schuppert, S. 83<br />
9 Johann <strong>von</strong> Justi, zit. n. Schuppert, S. 84<br />
10 vgl. Schuppert, S. 84<br />
11 vgl. Schuppert, S. 85<br />
12 vgl. ebd.<br />
13 vgl. ebd.<br />
14 vgl. Schuppert, S. 86<br />
15 Ulrich K. Preuß, vgl. Schuppert, S. 87<br />
16 Dieter Grimm, zit. n. Schuppert, S. 87<br />
17 vgl. Schuppert, S. 88<br />
18 vgl. Schuppert, S. 89<br />
19 Dieter Birk, zit. n. Schuppert, S. 89<br />
20 vgl. Schuppert, S. 89<br />
21 Ernst Forsthoff, zit. n. Schuppert, S. 91<br />
22 vgl. Schuppert, S. 94<br />
23 Peter Badura, zit. n. Schuppert, S. 94<br />
24 vgl. Schuppert, S. 95<br />
25 Forsthoff, zit. n. Schuppert, S. 96<br />
26 Wilfried Erbguth, zit. n. Schuppert, S. 98<br />
27 vgl. Schuppert, S. 99<br />
28 vgl. ebd.<br />
29 vgl. Schuppert, S. 109<br />
30 vgl. Schuppert, S. 108<br />
10
31 vgl. Schuppert, S. 107<br />
32 Walther Pauly, zit. n. Schuppert, S. 111<br />
33 vgl. Schuppert, S. 134<br />
34 vgl. Schuppert, S. 111 f.<br />
35 Horst Dreier, zit. n. Schuppert, S. 114 f.<br />
36 vgl. Voigt, S. 61<br />
37 Dreier, zit. n. Schuppert, S. 115<br />
38 vgl. Schuppert, S. 113<br />
39 vgl. Ritter, S. 391<br />
40 Ritter, S. 391<br />
41 ebd.<br />
42 ebd.<br />
43 Ritter, S. 393<br />
44 vgl. Schuppert, S. 116<br />
45 vgl. Schuppert, S. 116 ff.<br />
46 vgl. Ritter, S. 410<br />
47 vgl. Schuppert, S. 118<br />
48 vgl. Schuppert, S. 120<br />
49 vgl. ebd.<br />
50 vgl. Schuppert, S. 121<br />
51 Fritz Scharpf, zit. n. Schuppert, S. 121<br />
52 vgl. Schuppert, S. 122<br />
53 vgl. Schuppert, S. 121<br />
54 vgl. Schuppert, S. 122<br />
55 vgl. Schuppert, S. 123 f.<br />
56 Gerhard Lehmbruch, zit. n. Voigt, S. 59<br />
57 vgl. Schuppert, S. 125<br />
58 Dietrich Fürst, zit. n. Schuppert, S. 125<br />
59 vgl. Schuppert, S. 127 ff.<br />
60 vgl. Schuppert, S. 130<br />
61 vgl. Schuppert, S. 133<br />
11
62 vgl. Schuppert, S. 134 f.<br />
63 vgl. Voigt, S. 62<br />
64 vgl. Voigt, S. 63<br />
65 vgl. ebd.<br />
66 vgl. Voigt, S. 64 f.<br />
67 Winfried Brohm, zit. n. Voigt, S. 64<br />
68 vgl. Ritter, S. 413<br />
69 vgl. ebd.<br />
70 vgl. Benz, S. 134 f.<br />
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7. Literatur<br />
Benz, Arthur: Der mo<strong><strong>de</strong>r</strong>ne Staat. Gr<strong>und</strong>lagen <strong><strong>de</strong>r</strong> politologischen Analyse, München 2001<br />
Ritter, Ernst-Hasso: Der kooperative Staat. Bemerkungen zum Verhältnis <strong>von</strong> Staat <strong>und</strong><br />
Wirtschaft, in: Archiv <strong>de</strong>s Öffentlichen Rechts 104, 1979, S. 389 ff.<br />
Schuppert, Gunnar-Folke: Verwaltungswissenschaft. Verwaltung, Verwaltungsrecht,<br />
Verwaltungslehre, Ba<strong>de</strong>n-Ba<strong>de</strong>n 2000<br />
Voigt, Rüdiger: Der kooperative Staat. Auf <strong><strong>de</strong>r</strong> Suche nach einem neuen Steuerungsmodus,<br />
in: Ders. (Hrsg.): Der kooperative Staat. Krisenbewältigung durch Verhandlung, Ba<strong>de</strong>n-<br />
Ba<strong>de</strong>n 1995<br />
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