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Grundstrukturen der Gotteserfahrung im christlichen Glauben - Kath.de

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Mitmenschen sen<strong>de</strong>t. Gott erfahren be<strong>de</strong>utet mehr als ihn sehen, es heißt, ihn versichtbaren und<br />

sehbar machen: «Der Mitmensch, zu <strong>de</strong>m ich entsen<strong>de</strong>t bin, ist also nicht eine Ergänzung meiner<br />

<strong>Gotteserfahrung</strong>, er ist ebensowenig ein Ersatz dafür. Die Sendung zu ihm hin ist die Erfahrung<br />

Gottes, wenn es sich wirklich um eine Sendung han<strong>de</strong>lt und nicht um bloße Sympathie o<strong><strong>de</strong>r</strong><br />

menschliche Begier<strong>de</strong>, um eine Sendung, die in uns die Sendung <strong>de</strong>s Sohnes vom Vater weg<br />

9<br />

wie<strong><strong>de</strong>r</strong>holt.» Die Sendung fin<strong>de</strong>t ihre konkrete Gestalt <strong>im</strong> Wort <strong>de</strong>s Zeugen und <strong>im</strong> Dienst am<br />

Mitmenschen. Bei<strong>de</strong>s verdichtet sich in <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaft <strong>de</strong>s <strong>Glauben</strong>s.<br />

9<br />

10<br />

R. Brague, Was heißt christliche Erfahrung, 495f.<br />

Vgl. K. Beyschlag, Evangelium als Schicksal. München 1979, 116.<br />

11 2<br />

Die Mystik und das Wort. 1924.<br />

12<br />

III. In <strong><strong>de</strong>r</strong> Schule <strong><strong>de</strong>r</strong> Mystiker<br />

Die Begriffe «Mystik» und «mystisch» fin<strong>de</strong>n sich nicht in <strong><strong>de</strong>r</strong> Bibel. An diesem Punkt setzt oft die<br />

protestantische Kritik an <strong><strong>de</strong>r</strong> Mystik an: das mystische «Entwer<strong>de</strong>n» wird als ein «menschlicher»<br />

Kunstgriff, Gott auf geschichtslose Weise besitzen zu wollen, entlarvt und so relativiert. Harnack<br />

spricht von unerlaubten mystischen «Genußmitteln», vom «Taumelkelch <strong><strong>de</strong>r</strong> Mystik», <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>de</strong>n<br />

10 11<br />

klaren Sinn benebelt, und von geistlicher «Genußsucht». Für Emil Brunner ist Mystik (<strong><strong>de</strong>r</strong> Artikel<br />

muß eigentlich entfallen) we<strong><strong>de</strong>r</strong> eine katholische Möglichkeit noch eine protestantische Unmög-<br />

lichkeit, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n ein antichristliches Phänomen urmenschlicher Selbstvergötzung, <strong>de</strong>mgegenüber<br />

nur die eine Alternative steht: die Mystik o<strong><strong>de</strong>r</strong> das Wort. Wie läßt sich also das Wesen <strong><strong>de</strong>r</strong> Mystik<br />

genauer erfassen und vor falschen Deutungen bewahren?<br />

1. Annäherungen<br />

12<br />

Eine erste Definition von Mystik fin<strong>de</strong>t sich in <strong><strong>de</strong>r</strong> frühkirchlichen Theologie. Das Wort «mystikós»<br />

kommt vom Verbum «mýoh», was so viel heißt wie: die Augen schließen. Die früheste vor-<br />

christliche Verwendung fin<strong>de</strong>t sich in <strong>de</strong>n Mysterienreligionen, <strong><strong>de</strong>r</strong>en Zentralriten vor <strong>de</strong>n Nichtein-<br />

geweihten verborgen gehalten wur<strong>de</strong>n. Das rituelle Gehe<strong>im</strong>nis, also keine Lehre o<strong><strong>de</strong>r</strong> innere Er-<br />

kenntnis, wur<strong>de</strong> verborgen gehalten. Heißt es in Phil 4,12: «Ich bin darin eingeweiht (memýämai),<br />

mich satt zu essen wie auch Hunger zu lei<strong>de</strong>n», wird darin <strong><strong>de</strong>r</strong> Grad <strong>de</strong>s Banalen <strong>de</strong>utlich, <strong>de</strong>n die<br />

übertragene Verwendung <strong><strong>de</strong>r</strong> Mysterienausdrücke damals - auch schon <strong>im</strong> Christentum - erreicht<br />

hatte.<br />

Gegenüber <strong>de</strong>m negativen und eher ausschließen<strong>de</strong>n Begriffsinhalt von Mystik in <strong><strong>de</strong>r</strong> außerchrist-<br />

lichen Umwelt ist das Wort «mystisch» in <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>christlichen</strong> Literatur eher positiv bezeugt (worin<br />

<strong>de</strong>utlich wird, daß hier kein unmittelbar hellenisieren<strong><strong>de</strong>r</strong> Einfluß vorliegt). Die <strong>christlichen</strong> Texte, in<br />

<strong>de</strong>nen das Wort«mystikós» vorkommt, lassen sich in drei Gruppen aufteilen, nämlich in eine bib-<br />

L. Bouyer, Die mystische Kontemplation bei <strong>de</strong>n Vätern, in: Weisheit Gottes - Weisheit <strong><strong>de</strong>r</strong> Welt. FS J. Ratzinger, St. Ottilien<br />

1987, 637-649.<br />

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