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14:30 Auf dem Schulhof - Amiando

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<strong>14</strong>:<strong>30</strong> <strong>Auf</strong> <strong>dem</strong> <strong>Schulhof</strong><br />

Doreens Familie<br />

Plötzlich ist das Pony verschwunden. Jenny schaut noch<br />

einmal hin, aber der glitzernde Avatar ihrer Freundin ist<br />

weg. Sie prüft die Funkverbindung ihres E-Books, aber sie<br />

weiß schon vorher, dass das sinnlos ist. Irgendetwas muss<br />

Dana dazu veranlasst haben, plötzlich aus ihrer Community<br />

zu verschwinden. „Vielleicht stand plötzlich die Lehrerin<br />

neben ihr“, denkt Jenny und grinst in sich hinein.<br />

Sie wird Dana heute Nachmittag danach fragen. Es ist<br />

bestimmt eine lustige Geschichte.<br />

Jenny hat das E-Book gerade zugeklappt und in ihrer<br />

Tasche verstaut, als sie sieht, dass jemand direkt auf sie<br />

zusteuert. Quer über den <strong>Schulhof</strong> kommt Doreen, ihre<br />

Banknachbarin. Jenny überlegt kurz, ob sie noch mit einer<br />

schnellen Ausrede verschwinden kann, aber dafür ist es<br />

jetzt schon zu spät. Und so schlimm wird es schon nicht<br />

werden.<br />

„Eigentlich ist sie ja ganz okay“, denkt Jenny,„aber<br />

kein bisschen cool“, fügt sie in Gedanken hinzu. Doreen<br />

redet nie von allein, sondern nur, wenn sie gefragt wird.<br />

Und wenn sie redet, dann kennt sie die coolen Communities<br />

und Celebrities nicht. Sie hat nicht einmal einen Avatar!<br />

Wie soll man dann mit ihr befreundet sein? Und wenn<br />

sie im Unterricht mit <strong>dem</strong> E-Book um die Wette etwas suchen<br />

müssen, hat ihre Bankreihe bisher immer verloren,<br />

weil Doreen immer die letzte ist. Sie kennt sich einfach<br />

nicht aus.<br />

Im Unterricht hat Jenny sogar schon einmal bei Doreen<br />

abgeschrieben, aber in der Pause weiß sie einfach nicht,<br />

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was sie mit ihr besprechen soll. Das ist bei Dana ganz anders.<br />

Doreen setzt sich neben Jenny auf die kleine Steinmauer.<br />

„Ich wollte dich einladen“, beginnt sie. „Nächste<br />

Woche habe ich Geburtstag und am Freitag mache ich<br />

eine Geburtstagsparty. Willst du kommen?“ Jenny weiß<br />

nicht so recht. Sie war schon einmal bei Doreen zuhause<br />

gewesen, das war komisch gewesen. Sie erinnert sich nicht<br />

gerne an diesen Nachmittag.<br />

Es war eigentlich nichts Schlimmes passiert, und auch<br />

Doreens Eltern waren ganz nett. Aber es war so langweilig<br />

gewesen. Zuerst sind sie noch auf den Hof gegangen und<br />

hatten Himmel und Hölle gespielt. Aber dann hatte Jenny<br />

vorgeschlagen, dass sie sich die tägliche Folge der „Beachprinzessin“<br />

anschauen. Das war die neue Serie. Jede in der<br />

Klasse schaute das.<br />

Aber als sie oben vor <strong>dem</strong> Fernseher waren, hatten sie<br />

die „Beachprinzessin“ nicht gefunden, denn Doreens Familie<br />

hatte noch so einen alten Fernseher mit Fernbedienung.<br />

Bei <strong>dem</strong> gab es keinen Rob, der einem die coolen<br />

Sendungen heraussuchte. Da musste man noch selbst suchen.<br />

Aber nicht mal Doreens Mutter konnte die Serie fi nden.<br />

Mit der Fernbedienung konnten sie zwar von Sender<br />

zu Sender springen, aber alle Sendungen waren entweder<br />

langweilig oder hatten schon angefangen. Nach zehn Minuten<br />

war es Jenny dann zu blöd gewesen.<br />

Da hatte sie vorgeschlagen, dass sie bei Plazes reingehen<br />

und die anderen Mädchen aus der Klasse fragen, was<br />

heute bei der „Beachprinzessin“ los war. Aber aus irgendwelchen<br />

Gründen hatte Doreens Mutter verboten, das E-<br />

Book für etwas anderes als für die Schule und die Hausaufgaben<br />

zu benutzen. Und einen Plazes-Avatar hatte<br />

Doreen auch nicht.<br />

„Wer kommt denn noch?“, fragt Jenny. Doreen zählt<br />

195<br />

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ein paar Kinder aus ihrem Haus auf. „Na mal sehen. Vielleicht<br />

komme ich auch. Ich muss erst meine Mutti fragen.“<br />

Jenny steht auf. Dass sie an diesem Freitag auch eine<br />

Geburtstagsfeier hat, will sie Doreen nicht erzählen.<br />

196<br />

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Soziale Gräben 2020<br />

D O S S I E R<br />

Die sozialen Gräben des Jahres 2020 verlaufen entlang der<br />

Trennungslinien zwischen vernetzungskompetenten Menschen<br />

und jenen, die die Technik und Kulturtechnik der<br />

Vernetzung nicht erlernt haben. Heute nennen wir dieses<br />

Phänomen noch Medienkompetenz. Doch im Jahr 2020<br />

geht es nicht mehr nur um die Dechiffrierung und Refl exion<br />

von Medieninhalten und -strukturen, sondern um die<br />

Nutzung aller Technologien und Medienkanäle für das<br />

eigene Identitätsmanagement.<br />

Einfacher gesagt: Wer im Jahr 2020 die Spielarten der<br />

internetbasierten Kommunikationsdienste von intelligenten<br />

Assistenten und Smartphones über E-Books, Messenger<br />

und InternetTV bis zu Communities, Twitter & Co<br />

nicht beherrscht, der wird ein Leben führen, wie jene heutigen<br />

Zeitgenossen unserer Generation, die keine E-Mails<br />

benutzen: Sie können leben, aber sie sind abgeschnitten<br />

von wesentlichen gesellschaftlichen und privaten Kommunikationsprozessen.<br />

Oder wie Jenny sagt: Man kann mit<br />

ihnen nicht befreundet sein, selbst wenn man will.<br />

Menschen wie Doreen stehen im Jahr 2020 vor jenem<br />

„Participation Gap“, den Henry Jenkins, Professor am<br />

MIT so beschreibt:<br />

“The participation gap takes it to the next level. When<br />

developing cultural competencies, there is a big difference<br />

between having access only in a library or at school.<br />

There’s a huge gap between what students with 24/7<br />

broadband access can do and what students can do when<br />

their only access is through the public library or a school<br />

computer lab, where there are often time limits on how<br />

197<br />

2020_Version01.indb 197 22.09.2009 09:33:17


long they can work, when there are fi lters blocking access<br />

to certain sites, and when there are limits on their ability<br />

to store, download and upload material. This leads to a<br />

gap in skills and competencies.” 67<br />

Doch damit nicht genug. Im Jahr 2020 kommt zum<br />

Participation Gap noch ein weiterer Graben hinzu. Der<br />

Grund liegt darin, dass durch die zunehmende Individualisierung<br />

der Medien und Kommunikationskanäle das<br />

kollektive Erleben der Gesellschaft, ihr ihre gemeinsame<br />

Wissensbasis, immer weiter abnimmt. Im Jahr 2020 werden<br />

wir nicht mehr automatisch davon ausgehen können,<br />

dass unser Gegenüber die gestrige Tagesschau verfolgt, die<br />

Leitartikel der großen Zeitungen gelesen oder den letzten<br />

Tatort gesehen hat.<br />

Für die meisten Menschen ist diese fehlende Wissens-<br />

und Kommunikationsbasis kein Problem. Denn wir haben<br />

uns im Jahr 2020 daran gewöhnt, unsere persönliche<br />

Kommunikationsbasis zu unseren Netzwerken jeden Tag<br />

neu und aktuell herzustellen. Wir nutzen dafür eine neue<br />

Browsergeneration, dies es möglich macht, das reale Leben<br />

unserer Bekannten und Freunde virtuell zu verfolgen.<br />

Friendfeed folgt schon heute <strong>30</strong> Social Communities. Soziale<br />

stellen wir nicht mehr durch kollektive Medienerfahrungen<br />

her, sondern durch Twitter (www.twitter.com), das<br />

Weiterleiten von Texten und Artikeln per Empfehlungslinks<br />

oder RSS-Feeds und kontinuierliche persönliche Updates<br />

des engen und weiten persönlichen Netzwerks durch<br />

Statusfeeds ins Social Communities von facebook (siehe<br />

www.facebook.com) bis XING (www.xing.de).<br />

Bereits heute beginnen wir auf diese Weise ein regelmäßiges<br />

Identitätsmanagement zu betreiben. Im Jahr 2020<br />

wird das Pfl egen der eigenen Netzidentität zu einer unserer<br />

zentralen Kulturtechniken geworden sein. Wobei<br />

Netzidentität ein Begriff von heute ist, der im Jahr 2020<br />

198<br />

2020_Version01.indb 198 22.09.2009 09:33:17


nicht mehr verstanden werden wird. Das „Netz“ ist dann<br />

verschwunden, denn es ist überall, so dass wir es nicht<br />

mehr als Besonderheit wahrnehmen. Der neue Wert des<br />

Identitätsmanagements führt in den kommenden Jahren<br />

zu einer Vielzahl neuer Geschäftsmodelle. Wir werden<br />

empfänglich für alles, was unsere Netzidentität pfl egt und<br />

gestaltet, seien es Dokumentations-Services der eigenen<br />

Historie (vgl. www.myonid.de und www.yasni.de) , Autobiografi<br />

en nach Maß (vgl. www.myspecialbook.com) oder individuelle<br />

Musikstücke (vgl. www.requiemforyou.com).<br />

Menschen, die aus verschiedenen Gründen von den<br />

Kulturtechniken dieses Identitätsmanagements abgeschnitten<br />

sind, sehen sich im Jahr 2020 vor einem unüberwindlichen<br />

Graben. Sie haben keine Chance, das tägliche<br />

Austarieren der wichtigen und unwichtigen Themen<br />

in den Netzwerken nachzuvollziehen. So gerne sie auch<br />

möchten, sie fi nden keinen Ankerpunkt für Kommunikation.<br />

Sie haben keine Möglichkeit, sich in ihren Netzwerken<br />

zu positionieren. Sie sind für ihre Mitmenschen in wesentlichen<br />

Kommunikationsarten unsichtbar.<br />

Nicht mehr das eigene Wissen macht den Unterschied<br />

zwischen chancenreichen und chancenarmen Menschen,<br />

denn jeder, der weiß, wo man klicken muss, weiß noch<br />

mehr als jemand, der etwas weiß.<br />

Doch auch nicht das gefl ügelte Wort vom „Wissen<br />

heißt wissen, wo es steht“ macht den Unterschied, denn<br />

unsere Suchagenten fi nden im Zweifel besser als jeder der<br />

weiß, wo es steht.<br />

Den zentralen Unterschied zwischen chancenreichen<br />

und chancenarmen Menschen macht im Jahr 2020 die Fähigkeit,<br />

sich in Netzwerken zu bewegen und zu positionieren.<br />

Erst dadurch wird man sichtbar, erhält eine Identität<br />

und wird Teil der Gesellschaft.<br />

199<br />

2020_Version01.indb 199 22.09.2009 09:33:17


Von Digital Divide zum Visibility Gap<br />

Die Tragweite des hier entstehenden sozialen Grabens darf<br />

nicht unterschätzt werden. Hier entsteht die reale Gefahr,<br />

dass Teile der Bevölkerung weitgehend von der Teilhabe<br />

am gesellschaftlichen Leben ausgeschlossen werden. Wer<br />

die beschriebenen Kulturtechniken der Informationsfi ndung<br />

und -bewertung nicht beherrscht oder nicht nutzen<br />

kann, der wird nicht an der gesellschaftlichen Willensbildung<br />

teilnehmen können. Schlimmer noch: Er wird nicht<br />

sichtbar sein. Er fällt somit in den Visibility Gap.<br />

Dies wäre exakt jener Zustand, die die Mütter und<br />

Väter des deutschen Grundgesetzes mit <strong>dem</strong> Grundrecht<br />

auf Informationsfreiheit in Art. 5 vermeiden wollten. Freilich<br />

konnten sie vor mehr als 60 Jahren nicht ahnen, dass<br />

aus den damals bekannten Massenmedien Film und Radio<br />

(Rundfunk) im Lauf der Jahre eine Kommunikationswelt<br />

nach Internetlogik mit intelligenten Assistenten und individuellen<br />

Medien entsteht.<br />

Unsere Politik und Gesellschaft steht im Jahr 2020 vor<br />

der Herausforderung, für alle Bürger sowohl die technologischen<br />

Voraussetzungen zu schaffen, als auch die entsprechende<br />

Netzwerkkompetenz zu vermitteln, um ihnen das<br />

Grundrecht auf Informationsfreiheit zu sichern. Wohlgemerkt:<br />

Dies ist keine fakultative Veranstaltung. Dies ist<br />

ein konstituierendes Element unserer Gesellschaft.<br />

Um den drohenden Visibility Gap des Jahres 2020 zu<br />

füllen, bedarf es einer Neuorientierung der staatlichen Daseinsvorsorge<br />

in diesem Bereich. Insbesondere drei Voraussetzungen<br />

sind dabei zu schaffen:<br />

Erstens muss gesichert werden, dass jeder Bürger die<br />

Möglichkeit hat, zuhause und mobil einen permanenten<br />

Breitband-Internetanschluss zu nutzen. Wie Henry Jenkins<br />

begründet, reicht es nicht, diesen Internetanschluss<br />

an öffentlichen Orten (wie Bibliotheken, Schulen etc.) zur<br />

200<br />

2020_Version01.indb 200 22.09.2009 09:33:17


Verfügung zu stellen. Es muss zu<strong>dem</strong> gesichert sein, dass<br />

je<strong>dem</strong> Bürger ein Gerät zur Verfügung steht, diesen Internetanschluss<br />

auch zu nutzen. Kostenlose E-Books wie an<br />

Jennys Schule sind eine Möglichkeit, aber auch die kostengünstige<br />

Versorgung sozial Benachteiligter mit internetfähigen<br />

Computern durch das Sozialamt ist wesentlich. Dies<br />

würde der bisherigen Ausgestaltung des öffentlich-rechtlichen<br />

Rundfunkangebots entsprechen. Dieses umfasst<br />

nicht nur die Ausstrahlung von ARD und ZDF, sondern<br />

zugleich auch die kostenlose Verteilung von Fernsehgeräten<br />

an Bedürftige durch das Sozialamt.<br />

Zweitens muss gesichert werden, dass jeder Bürger in<br />

der Lage ist, die entsprechenden Kulturtechniken des Umgangs<br />

mit den skizzierten Kommunikationswelten zu lernen<br />

sowie ein refl exives Verständnis für Strukturen und<br />

Wirkungsweise des Medien- und Kommunikationssystems<br />

zu entwickeln. Dies fordern vor allem die Schulen<br />

und die Bildungspolitik.<br />

Drittens wird es in den kommenden Jahren die Pfl icht<br />

des Staates sein, den öffentlich-rechtlichen Rundfunk neu<br />

zu erfi nden. Denn dieser gewährleistet bislang eben jene<br />

staatliche Daseinsvorsorge im Bereich der informationellen<br />

Grundversorgung, die das Grundrecht der Bürger<br />

nach Artikel 5 des deutschen Grundgesetzes sichert. Bei<br />

dieser Neuerfi ndung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks<br />

wird es wesentlich sein, dass für all jene Menschen ein<br />

Vertrauensanker geschaffen wird, die trotz allem nicht in<br />

der Lage sind, sich mit den Kommunikationstechniken der<br />

Netzwerke und Communities einen Überblick im Fluss<br />

der gesellschaftlichen Informationen und Meinungen zu<br />

verschaffen. Entsprechend muss die verfassungsrechtliche<br />

Logik der binnenpluralen öffentlich-rechtlichen Medienangebote<br />

auf alle Dienste und Technologien der Medien-<br />

201<br />

2020_Version01.indb 201 22.09.2009 09:33:17


und Kommunikationswelt des Jahres 2020 übertragen<br />

werden.<br />

Das Fernsehen zum Buch: Forward2business-TV<br />

Finden Sie folgende ausführliche Strategieprognose zu<br />

diesem Thema:<br />

Das Identitätsmanagement als Geschäftsmodell<br />

Steffen Rühl, Geschäftsführer von Yasni, zeigt in seinem<br />

Vortrag, wie er Yasni zur weltweit meistgenutzten<br />

Personen-Suchmaschine und wachstumsstärksten Webseite<br />

Deutschlands 2008 gemacht hat. Rund ein Drittel<br />

aller Suchanfragen im Internet entfällt ausschließlich auf<br />

Personen. Ein persönliches Reputationsmanagement für<br />

jeden ist einer der erfolgversprechendsten Zukunftsmärkte.<br />

www.forward2business.tv/index.php?page=fi lm&id=135<br />

ShowCase<br />

Diese Prototypen von Zukunftsprodukten sind heute bereits<br />

zu erkennen:<br />

Persönliche Online-Identität<br />

Bei myON-ID stellen sich Nutzer als Marke dar und nehmen<br />

damit ihre Online-Identität und -Reputation selbst in<br />

die Hand. Ziel des Anbieters ist es, jedes Profi l mit einem<br />

erlebbaren Nachweis der Persönlichkeit und seiner fachlichen<br />

Kompetenzen aufzuwerten. Das Motto: Du bist die<br />

Marke! Personal Branding ist der Zukunftsmarkt.<br />

www.myonid.de<br />

202<br />

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