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Zugriff auf die Publikation mit Stand vom 15.10.2003

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F o r s c h u n g s g e m e i n s c h a f t F u n k e . V .<br />

NEWS<br />

Liebe Leserinnen und Leser,<br />

<strong>die</strong> „Bioelectromagnetics Society“ hatte<br />

im Juni zu Ihrer 25. Jahrestagung gebeten.<br />

Neben der Tatsache, dass es sich um eine<br />

respektable Lebensdauer eines doch sehr<br />

zielgerichteten und zweckgebundenen Vereins<br />

handelt, steht <strong>die</strong> Erwartung <strong>auf</strong> ein<br />

wissenschaftlich fun<strong>die</strong>rtes Ergebnis nach<br />

25-jährigem Bemühen oder zumindest ein<br />

wissenschaftlich untermauertes Erkenntnisgerüst<br />

im Raum. Dies konnte leider<br />

bisher nicht erreicht werden.<br />

Und so versuchen – ähnlich wie im Vorjahr<br />

– fünf Berichterstatter „Licht ins Dunkel“<br />

zu bringen. Bei <strong>die</strong>ser komplexen Materie<br />

sicher kein leichtes Unterfangen.<br />

Neben dem Bemühen um weitestgehende<br />

Objektivität, um Ihnen ein eigenes Urteil<br />

als Nichtteilnehmer zu erlauben, kommt<br />

bei dem einen oder anderen Autor ab und<br />

zu <strong>die</strong> eigene Meinung durch. Aber <strong>die</strong>s<br />

ist in einem wissenschaftlichen Disput<br />

immer willkommen und trägt zur Meinungsbildung<br />

bei.<br />

3 03<br />

l l e e t t t t e e r<br />

r<br />

Da zum Teil <strong>die</strong> Veranstaltungen parallel<br />

liefen, ist nicht jeder Autor in der Lage<br />

über alle Themen zu berichten. Wir hoffen,<br />

dass Ihnen <strong>die</strong>ses Heft dennoch alle<br />

Facetten der <strong>die</strong>sjährigen Jahrestagung<br />

widerspiegelt und Ihnen <strong>die</strong> gewünschten<br />

Informationen liefert.<br />

Fünf Autoren – fünf Ansichten – fünf<br />

Disziplinen – aber auch fünf unterschiedliche<br />

Schreibstile. Am besten suchen Sie sich<br />

einen Autor, der Ihnen am ehesten „taugt“.<br />

Natürlich hat und hatte jede Jahrestagung<br />

Ihre Höhepunkte. Nicht unbedingt,<br />

dass es sich dabei um wissenschaftlich neue<br />

Erkenntnisse oder den „Durchbruch“<br />

schlechthin handeln müsste. Höhepunkte<br />

<strong>die</strong>ser Jahrestagung waren das Vorstellen<br />

erster Ergebnisse aus dem REFLEX-Programm<br />

(wir bringen dazu einige Meinungen)<br />

und <strong>die</strong> Anwesenheit eines deutschen<br />

Fernsehteams, das ein Feature für <strong>die</strong> ARD<br />

(SWR) vorbereitete und für einigen Wirbel<br />

sorgte.<br />

Gerd Friedrich<br />

G 14514 ● 11. Jahrgang ● Nr. 3 ● Oktober 2003<br />

Inhalt<br />

BEMS 2003<br />

Berichte über <strong>die</strong><br />

25. Jahrestagung der<br />

Bioelectromagnetic<br />

Society (BEMS)<br />

in Maui, Hawaii<br />

Beiträge von:<br />

Otto Petrowicz<br />

Jörg Reißenweber<br />

Roland Glaser<br />

Helmut Franke<br />

Lutz Haberland<br />

ERSTE KOMMENTARE<br />

ZU DEN VORLÄUFIGEN<br />

ERGEBNISSEN DES<br />

REFLEX-PROGRAMMS<br />

Frank Gollnick<br />

FORSCHUNG<br />

Neues aus der<br />

Wissenschaft<br />

NACHRICHTEN<br />

IMPRESSUM<br />

S. 2<br />

S. 2<br />

S. 12<br />

S. 42<br />

S. 55<br />

S. 62<br />

S. 70<br />

S. 80<br />

S. 84<br />

S. 84<br />

NEWS l e t t e r 3 . 03 1


2<br />

B B E E M M S S S 2 2 2 0 0 0 0 3<br />

3<br />

NEWS l e t t e r 3 . 03<br />

22.- 27. Juni 2003, Maui, Hawaii<br />

25. Jahrestagung der<br />

Otto Petrowicz<br />

Bioelectromagn<br />

Wo bleibt der Beweis für eine<br />

Vorbemerkungen<br />

Persönlich kann ich <strong>auf</strong> eine Teilnahme<br />

an zehn Jahrestagungen der Bioelectromagnetics<br />

Society (BEMS) verweisen. Für<br />

mich ein Anlass, etwas <strong>die</strong> gewohnte Form<br />

des Berichts <strong>mit</strong> allen Fakten und Daten<br />

zu verlassen. Stattdessen möchte ich eine<br />

Übersicht bieten und weniger über Einzelereignisse<br />

berichten, verbunden <strong>mit</strong> einer<br />

gleichzeitigen etwas persönlicheren Bewertung<br />

aus der Sicht des mehrjährigen Berichterstatters.<br />

Als Hauptthemen der Berichterstattung<br />

stehen <strong>die</strong> Plenarveranstaltungen<br />

und <strong>die</strong> in der Folge als Vorträge<br />

und Posterpräsentationen gebotenen Beiträge,<br />

zusammengefasst in tabellarischen<br />

Kurzbewertungen. Da<strong>mit</strong>, meine ich, ist am<br />

ehesten ein Überblick über dargebotene<br />

Forschungen und deren Ergebnisse zu erreichen.<br />

Die <strong>die</strong>sjährige Jahrestagung der Bioelectromagnetics<br />

Society (BEMS 2003) fand<br />

– aus Anlass des 25 jährigen Jubiläums -<br />

an einem besonderen Ort der Vereinigten<br />

Staaten statt, nämlich im tropischen Para<strong>die</strong>s<br />

der Hawaii-Insel Maui. Der bisherige<br />

Vorsitzende des Programmko<strong>mit</strong>ees Shoogo<br />

Ueno hebt in seiner Ansprache <strong>die</strong>ses<br />

besondere Ereignis hervor. Er stellt besonders<br />

<strong>die</strong> traditionell hohe Qualität der wissenschaftlichen<br />

Programme, <strong>die</strong> fruchtbaren<br />

wissenschaftlichen und intellektuellen<br />

Diskussionen in <strong>die</strong>sen vergangenen 25<br />

Jahren heraus und leitet daraus <strong>die</strong> Verpflichtung<br />

ab, <strong>die</strong>se Tagung und alle zukünftigen<br />

Treffen <strong>die</strong>sem <strong>Stand</strong>ard zu unterwerfen.<br />

Besonders weist er in seiner Begrüßungsansprache<br />

<strong>auf</strong> das nicht nachlassende Interesse<br />

für <strong>die</strong> Disziplin „Bioelectromagnetics“<br />

hin, was sich in mehr als 350 eingegangenen<br />

Forschungsberichten (Abstracts)<br />

widerspiegelt. Ausdrücklich bedankt<br />

sich Shoogo Ueno, der nach den Vereinsstatuten<br />

neuer Präsident für 2003 – 2004<br />

wird, beim Programmko<strong>mit</strong>ee für <strong>die</strong> geleistete<br />

Arbeit. Tatsächlich ist eine strengere<br />

Selektion als bei früheren Kongressen<br />

festzustellen. Etwa 20 % der eingegangenen<br />

Abstracts wurden <strong>auf</strong>grund der<br />

höheren wissenschaftlichen Anforderungen<br />

nicht angenommen.<br />

Das Jubiläums-Treffen kann sich im<br />

Vergleich zu früheren Jahren durchaus sehen<br />

lassen, wie ein Blick <strong>auf</strong> <strong>die</strong> BEMS-<br />

Statistik <strong>auf</strong>zeigt.


tics Society (BEMS)<br />

Gesundheitsschädlichkeit?<br />

Die Tabelle zeigt <strong>die</strong> Verteilung der einzelnen<br />

Veranstaltungen, getrennt nach<br />

Symposien, Workshops, Plenarvorträgen,<br />

Vorträgen und Posterpräsentationen von<br />

1994 Kopenhagen bis zur <strong>die</strong>sjährigen Jubiläumsveranstaltung<br />

(Maui).<br />

Während <strong>die</strong> Plenarvorträge in ähnlicher<br />

Anzahl im Programm zu finden wa-<br />

BEMS Statistik – Überblick BEMS 1994 - 2003<br />

ren, lag <strong>die</strong> Zahl der Einzelpräsentationen,<br />

inklusive Studentenbeiträgen und<br />

Symposien, leicht höher. Die Anzahl der<br />

Posterpräsentationen <strong>mit</strong> 212 akzeptierten<br />

und 5 nachträglich <strong>auf</strong>genommenen<br />

bzw. nicht begutachteten Beiträgen war<br />

überdurchschnittlich hoch; also eine stärkere<br />

Verlagerung von Beiträgen hin zu<br />

den Posterpräsentationen.<br />

1994 1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003<br />

Kopenhagen Boston Victoria Bologna St. Pete Long Beach München St. Paul Quebec Maui<br />

Minisymposien 2 2 2 28 <strong>mit</strong><br />

179 Vorträgen<br />

3 3 1 3<br />

Meetings/ IEEE IEEE IEEE<br />

Workshops COMAR COMAR COMAR<br />

ICES ICES ICES<br />

USAF USAF USAF USAF USAF USAF USAF USAF USAF<br />

Lab. Lab. Lab. Lab. Lab. Lab. Lab. Lab. Lab.<br />

Plenarver- - 4 12 2 <strong>mit</strong> 9 11 3 3 4 <strong>mit</strong> 9 Plenaranstaltungen<br />

Beiträgen je drei bei-<br />

Präsentationen<br />

träge<br />

Tutorial 2<br />

Vorträge 198 122 94 168 86 98 107 92 115 111*<br />

Poster 201 280 238 304 203 170 227 139 138 212<br />

* Mit Symposien<br />

Ähnlich wie bei den letzten Veranstaltungen<br />

wurde eine Vielzahl von angemeldeten<br />

Postern nicht ausgestellt. Zehn Beiträge<br />

wurden von den Autoren selbst zurückgezogen<br />

und 38 Ausstellungsflächen<br />

blieben ohne eine Begründung leer. Das<br />

sind 21 % der angenommenen Beiträge,<br />

also eine ähnlich hohe Quote wie in den<br />

vergangenen drei Jahren.<br />

NEWS l e t t e r 3 . 03 3


4<br />

B B E E M M S S S 2 2 2 0 0 0 0 3<br />

3<br />

B E M S 2 0 0 3<br />

NEWS l e t t e r 3 . 03<br />

Hierfür mögen verschiedene Gründe eine<br />

Rolle spielen, wie <strong>die</strong> Entfernung von Europa,<br />

knapp gewordene Reise<strong>mit</strong>tel, reduzierte<br />

Forschungs<strong>mit</strong>tel und andere mehr.<br />

Diese Gründe gelten analog für <strong>die</strong> Teilnehmerzahl<br />

an der Jahrestagung, <strong>die</strong> <strong>mit</strong><br />

ca. 400 Teilnehmern vergleichbar <strong>mit</strong> anderen<br />

Tagungen war. Bei den Vorträgen<br />

selbst waren nur wenige Ausfälle zu verzeichnen.<br />

Bei Analyse der nicht präsentierten<br />

Poster, (16 aus China, 6 aus Russland,<br />

4 aus Korea und 12 aus anderen europäischen<br />

und nicht europäischen Ländern)<br />

zeigt sich, dass der Trend, Poster anzumelden<br />

und nicht auszustellen, gleichbleibend<br />

ist.<br />

Unter den nicht präsentierten Beiträgen<br />

ist auch leider <strong>die</strong> neueste und jüngst publizierte<br />

Untersuchung der Salford-Gruppe<br />

aus Lund, Schweden, über das Auftreten<br />

von Permeabilitätsstörungen der Blut-<br />

Hirn-Schranke (BBB), geschädigter Neuronen<br />

(dark neurons) und Hitze-Schock-<br />

Proteinen. Laut Auskunft der Tagungsleitung<br />

wurde das Poster von der Arbeitsgruppe<br />

zurückgezogen.<br />

Auffällig waren auch <strong>die</strong> Aktivitäten eines<br />

Fernsehteams aus Mainz, das zu allen<br />

passenden und nicht passenden Gelegenheiten<br />

Aufnahmen und Interviews durchgeführt<br />

hat. Dessen Eindrücke wurden in<br />

einer Reportage in der ARD, am Donnerstag,<br />

den 7. Aug. 2003 um 23:15 Uhr unter<br />

dem Titel „Bei Anruf Smog? – (Glaubens)<br />

Krieg ums Handy“ ausgestrahlt.<br />

Schwerpunktthemen<br />

Im Vergleich zu den vergangenen Jahren<br />

haben sich <strong>die</strong> Schwerpunktthemen<br />

kaum verändert.<br />

Bei den Plenarveranstaltungen standen<br />

Themen an wie:<br />

• Biologische Effekte elektromagnetischer<br />

Felder – Vergangenheit, Gegenwart und<br />

Zukunft<br />

• Epidemiologie<br />

• Wirkungsmechanismen<br />

• EMF – Wundheilung, Durchblutungssteigerung<br />

und Schmerzminderung<br />

Bei den Vortragsveranstaltungen dominierten<br />

Beiträge zu<br />

• In vitro Untersuchungen<br />

• Wirkungsmechanismen und –modelle<br />

• Dosimetrie<br />

• In vivo (DC/ELF und HF)*<br />

• Medizinische Anwendung<br />

• Risiko und Sicherheitsstandards<br />

Dazu kommen noch <strong>die</strong> beiden Symposien<br />

<strong>mit</strong> den Schwerpunkten:<br />

• Präsentation der REFLEX-Projektergebnisse<br />

(siehe dazu Seite 70)<br />

• Fortschritte bei der EMF-Therapie I und<br />

II<br />

• NTP/NIEHS: Karzinogenitätsstu<strong>die</strong> über<br />

Mobilfunk-Exposition in Tierexperiment<br />

Wie bei der letzten Tagung in Quebec<br />

wurden <strong>die</strong> Beiträge für Studenten (graduate<br />

und undergraduate) hervorgehoben<br />

und in einer eigenen Sitzung, <strong>die</strong> dem<br />

Andenken der verstorbenen Mary Ellen<br />

O’Connor gewidmet war, präsentiert.<br />

Insgesamt betrug der Studentenanteil <strong>mit</strong><br />

53 Beiträgen (14 Vorträge und 39 Poster)<br />

etwa 17 % der gesamten Präsentationen.<br />

Workshop USAF Laboratory<br />

Zum 9. Mal, erstmals 1994, fand traditionsgemäß<br />

der Workshop des US Air Force<br />

Research Laboratory, Brooks City AFB statt.<br />

Er hatte das Thema „Höher – kürzer –<br />

weiter: Extrem starke gepulste Felder und<br />

Bioeffekte“ zum Gegenstand. Die Veranstalter<br />

des Workshops beschreiben <strong>die</strong>ses<br />

Forum als wissenschaftliche Auseinandersetzung<br />

<strong>mit</strong> Bioeffekten, hervorgerufen<br />

durch <strong>die</strong> innovative Anwendung hochenergetischer<br />

gepulster HF-Felder. Neue<br />

militärische Technologien, <strong>die</strong> Impulsspitzen<br />

im Mega-Watt-Bereich (MW/g SAR)<br />

erreichen, stellen eine neue Herausforderung<br />

für <strong>die</strong> Forschung zur Abklärung <strong>auf</strong>tretender<br />

Bioeffekte bei Mensch und Tier<br />

dar.<br />

* DC = Gleichstrom<br />

* ELF = Niederfrequenz<br />

* HF = Hochfrequenz


Als Argumentation für <strong>die</strong>se Forschungsaktivitäten<br />

<strong>mit</strong> extrem hohen Energieleistungen<br />

(„Extremely High Power Pulses)<br />

(EHPP)“ wurden genannt:<br />

• Die Entwicklung ultrakurzer Pulstechnologien<br />

schreitet schnell voran (moderne<br />

militärische Sendeanlagen haben mehr als<br />

10 GW-Pulse)<br />

• Es gibt nur wenige Untersuchungen über<br />

Bioeffekte durch Pulse oberhalb 100 kW/g<br />

SAR, und so liegen nur sehr wenige Erkenntnisse<br />

<strong>auf</strong> dem Gebiet der Extremely<br />

High Power Pulse-Forschung (EHPP) über<br />

100 kW/g SAR vor.<br />

• Gegenwärtige Sicherheitsschwellen wurden<br />

bisher nur <strong>auf</strong>grund theoretischer<br />

Überlegungen festgelegt<br />

– US DOD 200 kV/m (10,6 kW/cm2 )<br />

– ANSI/IEEE 100 kV/m (2,7 kW/cm2 )<br />

– ICNIRP 4,4 kV/m (5,0 W/cm2 )<br />

– Russland 137 V/m (5 mW/cm2 )<br />

Anhand einer Reihe von wissenschaftlichen<br />

Untersuchungen konnten bisher folgende<br />

Erkenntnisse erreicht werden:<br />

• Bei Froschherzpräparationen zeigte sich,<br />

dass EHPP (extremely high power pulse‚<br />

Hochenergiepuls) und CW (continuous<br />

wave) Exposition gleicher Trägerfrequenz<br />

(9,3 GHz), Dauer und ge<strong>mit</strong>telter SAR (3,2<br />

W/g) vergleichbare Wirkungen erzeugen.<br />

Insgesamt ergaben sich keine Hinweise <strong>auf</strong><br />

spezielle Bioeffekte.<br />

• Die Wirkung von EHPP und CW Mikrowellen<br />

<strong>auf</strong> <strong>die</strong> Wachstumsrate von Hefe<br />

über einen weiten <strong>mit</strong>tleren SAR Bereich<br />

zwischen 1,9 W/g – 1 mW/g und Spitzenwerten<br />

zwischen 380 kW/g – 240 mW/g<br />

wurden untersucht. Es konnte kein statistisch<br />

gesicherter Unterschied er<strong>mit</strong>telt werden.<br />

Für beide Expositionsmodalitäten<br />

konnten <strong>auf</strong>tretende Bioeffekte durch vergleichbaren<br />

Energieeintrag während der<br />

Exposition erklärt werden.<br />

• Die synaptische Übertragung und Plastizität<br />

von Neuronen bei EHPP (9,3 und<br />

9,6 GHz, 330 – 780 kW/g, 0,5 und 2 ms,<br />

0,5 – 10 Hz) sind <strong>mit</strong> thermischen Mechanismen<br />

vergleichbar und weisen <strong>auf</strong> keine<br />

spezifischen EHPP-Effekte hin.<br />

• Eine Beeinflussung der Kalzium-Kanäle<br />

im Vergleich bei Sham, EHPP und CW ergab<br />

ebenfalls keine Hinweise <strong>auf</strong> EHPPspezifische<br />

Wirkungen.<br />

Als Zusammenfassung der bisher durchgeführten<br />

Arbeiten wurde von den Präsentatoren<br />

des USAF Laboratory vorgetragen,<br />

dass alle beobachteten Bioeffekte<br />

<strong>mit</strong> dem thermischen Paradigma übereinstimmen,<br />

sicher liegen zudem keine stichhaltigen<br />

Beweise über nichtthermische Bioeffekte<br />

vor. Trotzdem wird weitere Forschung<br />

für notwendig erachtet, hauptsächlich<br />

über Späteffekte. Aus <strong>die</strong>sen Erkenntnissen<br />

wird <strong>die</strong> IEEE C.95 Expositionsschwelle<br />

<strong>mit</strong> 100 kV/m als unnötig niedrig<br />

erachtet.<br />

Ein weiteres Thema war auch <strong>die</strong> Ultra-<br />

Weit-Band-Technik (UWB) und <strong>die</strong> Konsequenz<br />

der Exposition von biologischen<br />

Systemen. Wenig ist bisher über Bioeffekte<br />

bekannt. Die berichteten Untersuchungen<br />

weisen <strong>auf</strong> keine akuten Gefährdungen<br />

durch UWB bis 250 kV/m hin. Über<br />

bisher nicht bestätigte Langzeitwirkungen<br />

wie Hypotension und Teratologie wurde<br />

berichtet. Hier besteht noch Forschungsbedarf.<br />

Obligatorisch bei der Behandlung von<br />

Bioeffekten sind Betrachtungen über Hörphänomene<br />

bei gepulsten Mikrowellenfeldern.<br />

Ihr Auftreten ist bestätigt und<br />

weitgehend untersucht und verstanden. Sie<br />

werden zwar als lästig, aber nicht als gesundheitsrelevant<br />

eingestuft. Hörbar sind<br />

<strong>die</strong> Impulsfolgen nur in sehr ruhiger Umgebung.<br />

Ursache sind minimale, impulsbedingte<br />

thermoelastische Druckschwankungen<br />

(DT @ 10-6 °C), <strong>die</strong> von der Cochlea<br />

(Gehörschnecke) direkt in Hörempfindungen<br />

transformiert werden. Die Intensität<br />

der Eindrücke hängt von der Energiedichte<br />

per Puls und nicht von der Spitzenleistung<br />

ab.<br />

Neben dem aktuellen Kenntnisstand<br />

wurden keine neuen Ergebnisse im USAF<br />

Workshop präsentiert, sondern im Ausblick<br />

<strong>auf</strong> weitere Untersuchungen verwiesen, wie<br />

<strong>die</strong> Variation von Modulationsparametern<br />

und wie Personen <strong>die</strong>se Geräusche im Vergleich<br />

zu normal erzeugten Geräuschen<br />

empfinden.<br />

Ein interessanter Aspekt wurde in einem<br />

Beitrag zur Wirkung kurzer und hoher<br />

Reizimpulse <strong>auf</strong> Nerven behandelt.<br />

Ausgangsfrage war, welche Intensitätsschwelle<br />

bei sehr kurzen Impulsen ( >1 ns)<br />

minimal notwendig sind, um reizbares<br />

Gewebe zu stimulieren. Bekannt ist, dass<br />

es eine minimale Intensitätsschwelle bei<br />

beliebig langen Reizimpulsen gibt, <strong>die</strong> als<br />

Rheobase bezeichnet wird. Bei Veränderung<br />

der Reizimpulsbreite wird <strong>die</strong> Intensitätsschwelle,<br />

wo gerade noch eine Stimulation<br />

stattfindet, exponentiell ansteigen.<br />

Es stellt sich <strong>die</strong> Frage: „Ist <strong>die</strong>s auch<br />

bei beliebig kurzen Impulsen im Nanosekunden<br />

(ns) Bereich der Fall, bzw. liegen<br />

<strong>die</strong> Schwellen <strong>auf</strong> einem extrapolierten<br />

Kurvenverl<strong>auf</strong> oder sind andere Mechanismen<br />

beteiligt?“<br />

Die Ergebnisse waren:<br />

• Auch extrem kurze Impulse (>1 ns) genügend<br />

hoher Intensität bewirken eine Stimulation<br />

in reizbarem Gewebe.<br />

• Die Schwelle für den Strom für einen 1<br />

ns Impuls ist ca. 34 A und für <strong>die</strong> Spannung<br />

4,4 kV.<br />

• Es besteht eine Korrelation <strong>mit</strong> dem<br />

theoretisch errechneten Verl<strong>auf</strong>, so dass keine<br />

neuen Mechanismen anzunehmen sind.<br />

Diese Untersuchungsmethode, <strong>die</strong> als<br />

sehr interessant und vielseitig angesehen<br />

wird, könnte auch Fragen beantworten, wie<br />

niederfrequent gepulste FM-Signale <strong>auf</strong> das<br />

Stimulationsverhalten reizbarer Zellen Einfluss<br />

nehmen.<br />

Epidemiologie<br />

Auch bei <strong>die</strong>ser Tagung nahm <strong>die</strong> Epidemiologie<br />

eine bevorzugte Stellung ein<br />

und wurde durch Plenarvorträge von drei<br />

bekannten Persönlichkeiten, Dr. Maria<br />

Feychting aus Schweden, Dr. Elisabeth<br />

Cardis von der IARC und Dr. Leeka Kheifets<br />

von der WHO Working Group, präsentiert.<br />

NEWS l e t t e r 3 . 03 5


6<br />

B B E E M M S S S 2 2 2 0 0 0 0 3<br />

3<br />

Autor RR (95 % CI) Anz. exp. Fälle Beobachtungzeitraum<br />

Hardell, 1999 0,8 (0,5 – 1,4) 34 > 5 Jahre<br />

1,2 (0,6 – 2,6) 16 > 10 Jahre<br />

Muscat, 2000 0,7 (0,4 – 1,4) 17 > 4 Jahre<br />

Inskip, 2001 0,9 (0,5 – 1,6) 22 > 5 Jahre<br />

Johansen, 2001 1,0 (0,7 – 1,6) 24 > 5 Jahre<br />

Auvinen, 2002 1,5 (0,9 – 2,5) 18 > 2 Jahre<br />

Hardell, 2002 1,1 (0,8 – 1,6) 120* > 5 Jahre<br />

1,3 (0,8 – 2,3) 46* > 10 Jahre<br />

* Nicht übereinstimmende Paare, analoge Telefone<br />

Maria Feychtings Beitrag hatte mehr<br />

methodische Betrachtungen zum Gegenstand.<br />

Sie bezog sich <strong>auf</strong> <strong>die</strong> seit 1999<br />

erschienenen epidemiologischen Stu<strong>die</strong>n<br />

<strong>mit</strong> Mobilfunksignalen der Handapparate<br />

und <strong>die</strong> Entstehung von Hirntumoren als<br />

Endpunkt. Nachfolgende Tabelle zeigt <strong>die</strong><br />

diskutierten Arbeiten <strong>mit</strong> einigen Informationen<br />

zu den Arbeitsgruppen, <strong>die</strong> Angabe<br />

des er<strong>mit</strong>telten relativen Risikos und<br />

dem 95 % Konfidenz-Intervall (RR, 95 %<br />

CI), <strong>die</strong> Anzahl der exponierten Fälle und<br />

<strong>die</strong> Dauer des Beobachtungszeitraums als<br />

Kriterium für <strong>die</strong> Aussagefähigkeit, gemessen<br />

an der Latenzzeit (letzteres bedeutet<br />

den Zeitraum <strong>vom</strong> Setzen des Defekts bis<br />

zum Ausbruch der Tumorerkrankung. Bei<br />

Hirntumoren können <strong>die</strong>s 20 und mehr<br />

Jahre sein).<br />

Maria Feychting verglich <strong>die</strong> verschiedenen<br />

Stu<strong>die</strong>n und wies <strong>auf</strong> Ähnlichkeiten<br />

bzw. <strong>auf</strong> Unterschiede und Unzulänglichkeiten<br />

hin.<br />

1. Dänische (Johansen) vs. finnische<br />

(Auvinen) Stu<strong>die</strong>:<br />

a. Ein beobachteter Kurzzeiteffekt in der<br />

finnischen Stu<strong>die</strong> kann nicht als existent<br />

angesehen werden.<br />

b. Die anzunehmende Missklassifikation<br />

der Exposition macht es unmöglich, Effekte<br />

– wenn solche existieren – herauszuarbeiten.<br />

c. Zu kurzes Follow-up in beiden Stu<strong>die</strong>n.<br />

Insgesamt weisen <strong>die</strong> Ergebnisse beider<br />

Stu<strong>die</strong>n <strong>auf</strong> keine Kurzzeitwirkungen durch<br />

Mobiltelefone hin.<br />

NEWS l e t t e r 3 . 03<br />

2. Hardell (1999, 2002) vs. Muscat<br />

(2000) und Inskip (2001) Stu<strong>die</strong>:<br />

a. Bei den drei Stu<strong>die</strong>n sehr ungenaue<br />

Expositionsangaben.<br />

b. Zu kurzes Follow-up.<br />

c. Keine Informationen zu Sendeleistungen<br />

und Handy-Modellen.<br />

d. Retrospektive Datenerhebung birgt verschiedene<br />

Unsicherheiten, <strong>die</strong> sowohl das<br />

Risiko über- als auch unterschätzen können.<br />

e. Die Arbeiten ergeben insgesamt kein<br />

erhöhtes Risiko, aber Hinweise <strong>auf</strong> ein erhöhtes<br />

Einzelrisiko für ipsilaterale (gleiche<br />

Seite) und ein relativ geringeres Risiko<br />

für kontralaterale (gegenüberliegende<br />

Seite) Tumorbildung.<br />

Abschließend wurden – <strong>auf</strong>grund der<br />

Diskussion – Empfehlungen für zukünftige<br />

Stu<strong>die</strong>n gegeben, wie <strong>die</strong> Bevorzugung<br />

eines prospektiven Stu<strong>die</strong>ndesigns (Kohorten-Stu<strong>die</strong>).<br />

Dies erlaubt zutreffendere Informationen<br />

über <strong>die</strong> Anzahl und Dauer<br />

von Gesprächen durch den Netzbetreiber<br />

und Hinweise <strong>auf</strong> als wichtig angesehene<br />

Parameter wie:<br />

• Die Persönlichkeit des Telefonnutzers<br />

• Benutzung von Freisprecheinrichtungen<br />

(Hand Free Devices) und <strong>die</strong> bevorzugte<br />

Seite bei Telefonaten<br />

• Nutzung in städtischen oder ländlichen<br />

Bereichen<br />

Als abschließende Zusammenfassung bot<br />

Maria Feychting folgende Bewertung:<br />

• Die diskutierten Stu<strong>die</strong>n belegen kein<br />

erhöhtes Hirntumorrisiko durch <strong>die</strong> Nutzung<br />

von Mobiltelefonen in den Untersuchungszeiträumen.<br />

• Hinweise <strong>auf</strong> ein erhöhtes Risiko für<br />

Akusticus Neurinome (Kleinhirnbrückenwinkeltumore),<br />

<strong>die</strong> aber weitere Untersuchungen<br />

erfordern.<br />

• Keine Informationen über längere Perioden.<br />

• Keine Unterteilung in Kinder und Jugendliche,<br />

insbesondere Schulkinder.<br />

Leeka Kheifets befasste sich in ihrem<br />

Beitrag <strong>mit</strong> Stu<strong>die</strong>n zu Basisstationen.<br />

Gleich eingangs ihrer Ausführungen relativierte<br />

sie das Thema dahingehend, dass<br />

eine alleinige Betrachtung von Mobilfunk-<br />

Basisstationen nicht möglich ist und nur<br />

eine solche von allen HF-Feldimmissionen<br />

der verschiedensten Quellen Sinn<br />

macht. Einleitend präsentierte sie folgende<br />

Fragen:<br />

1. Was ist <strong>die</strong> Motivation, schädliche<br />

Gesundheitseinflüsse durch hochfrequente<br />

Felder der Umwelt zu untersuchen?<br />

2. Welches Ziel, in Form von zu definierender<br />

Endpunkten, sollte gewählt werden?<br />

3. Ist es möglich, ein Maß für <strong>die</strong> Exposition<br />

anzugeben, <strong>die</strong> angenähert einer tatsächlichen<br />

individuellen Exposition entspricht?<br />

4. Was ist anzustreben, um epidemiologische<br />

Stu<strong>die</strong>n für hochfrequente Felder<br />

in der Umwelt zu verbessern?<br />

Dazu gab sie einige Antworten.<br />

Bisherige Hinweise oder Stu<strong>die</strong>n zu den<br />

Auswirkungen von Umwelt-HF-Feldern<br />

sind zwar für Rundfunk und Fernsehen<br />

durchgeführt worden. Stu<strong>die</strong>n über Basisstationen<br />

existieren bisher jedoch nicht.<br />

Eine Exposition ist vielfältig und <strong>die</strong> Effekte<br />

von Basisstationen (Downlink-Feldern)<br />

des Mobilfunks können nicht von<br />

den zahllosen Feldern anderer Quellen getrennt<br />

werden. Hauptmotivation für zukünftige<br />

epidemiologische Stu<strong>die</strong>n über<br />

Sendestationen und deren vermutete Effekte<br />

<strong>auf</strong> <strong>die</strong> Bevölkerung sind öffentliche<br />

Bedenken, und es bestehen gewisse Analogien<br />

zur Diskussion über ELF-Leukämie<br />

und Hinweise aus in vitro und in vivo<br />

Untersuchungen.


Die Bevölkerung erwartet eine gesunde<br />

Umwelt; aber was bedeutet Gesundheit?<br />

In der WHO-Verfassung wird Gesundheit<br />

(Health) wie folgt definiert:<br />

Health is a state of complete physical,<br />

mental and social well-being and not merely<br />

the absence of disease or infir<strong>mit</strong>y.<br />

(Gesundheit ist ein Zustand vollständigen<br />

physikalischen, mentalen und sozialen<br />

Wohlfühlens und nicht nur das Nichtvorhandensein<br />

von Krankheit und Gebrechlichkeit.)<br />

Diese weitgespannte Definition der Gesundheit<br />

<strong>die</strong>nt als Basis der öffentlichen<br />

Diskussion.<br />

Leeka Kheifets befasste sich ausführlich<br />

<strong>mit</strong> den möglichen Schwierigkeiten und<br />

Variabilitäten, <strong>die</strong> bei einem Stu<strong>die</strong>nkonzept<br />

zu berücksichtigen sind. Sie stellte<br />

<strong>die</strong> Machbarkeit einer solchen „gut geplanten“<br />

epidemiologischen Stu<strong>die</strong> zur Diskussion.<br />

Dies reflektierte auch ein Kommentar aus<br />

dem Zuhörerkreis, der solche Stu<strong>die</strong>n über<br />

<strong>die</strong> sehr schwache Exposition der Bevölkerung<br />

durch Basisstationen als Verschwendung<br />

von Geld und Zeit betrachtete. Dieser<br />

Diskussionsbeitrag wurde <strong>mit</strong> Applaus von<br />

vielen Zuhörern <strong>auf</strong>genommen.<br />

Der letzte Plenarbeitrag wurde von Elisabeth<br />

Cardis von der IARC vorgetragen<br />

und befasste sich <strong>mit</strong> dem Stu<strong>die</strong>nthema:<br />

„Anwendung von Mobiltelefonen und<br />

Krebs“. Kurz vorgestellt wurde <strong>die</strong> zurzeit<br />

l<strong>auf</strong>ende internationale INTERPHONE-Stu<strong>die</strong>,<br />

<strong>die</strong> als Thema <strong>die</strong> Kanzerogenität von<br />

Feldern des Mobilfunks zum Gegenstand<br />

hat. Das Stu<strong>die</strong>ndesign ist eine bevölkerungsbasierte<br />

Fall-Kontrollstu<strong>die</strong> <strong>mit</strong> den<br />

Krebslokalisationen Gliom, Meningiom,<br />

Akusticus neurinom und Ohrspeicheldrüsentumore.<br />

Die multinationale Stu<strong>die</strong> begann am 1.<br />

Sept. 2000 und <strong>die</strong> Rekrutierung wird voraussichtlich<br />

2003 enden. Ergebnisse der<br />

nationalen Analysen sind 2003-2004, <strong>die</strong><br />

der internationalen Analyse bis 2005 zu<br />

erwarten. Fast alle europäischen Länder<br />

sind beteiligt, weiterhin Japan, Australien,<br />

Neuseeland, Israel und Kanada. Ausgegangen<br />

wird von insgesamt 6279 Fällen von<br />

Gehirntumoren, 1015 Fällen von Akusticus<br />

neurinomen und 580 Ohrspeicheldrüsentumoren.<br />

Mögliche, zu erwartende Probleme werden<br />

• in der Latenzzeit der Tumore,<br />

• der statistischen Teststärke (Power),<br />

• einer Falschklassifikation der Exposition,<br />

• im Bias (systematische, unbewusste Verzerrung<br />

von Ergebnissen) bei der nachträglichen<br />

Datenerhebung bei Fällen und<br />

Kontrollen (Recall Bias),<br />

• und dem Bias der Auswahl (Selection<br />

Bias) gesehen.<br />

Elisabeth Cardis ging auch <strong>auf</strong> <strong>die</strong> Unwägbarkeiten<br />

ein, wie <strong>die</strong> Prävalenz der<br />

Mobilfunknutzung in der Vergangenheit,<br />

<strong>die</strong> nicht auszuschließende Beeinflussung<br />

auch anderer HF-Feldquellen, <strong>die</strong> unterschiedliche,<br />

individuelle Handhabung der<br />

Mobiltelefone, Dauer der Gespräche, Nähe<br />

zu den Basisstationen etc.<br />

Ergänzt wurden <strong>die</strong>se eher allgemeinen<br />

Ansätze der Plenarvorträge durch weitere<br />

Vorträge und Poster <strong>mit</strong> dem Thema Epidemiologie<br />

und Mobilfunk betreffend Analysen<br />

über unterschiedliche Bedingungen<br />

der anzunehmenden Exposition, abhängig<br />

von einer Reihe von Parametern wie:<br />

• Geographische Unterschiede,<br />

• Entfernung zwischen Basisstation und<br />

Telefonierer,<br />

• Dichte der Sendemasten (städtische vs.<br />

ländliche Gegend),<br />

• Innerhalb oder außerhalb von Gebäuden,<br />

• Nutzung im KfZ<br />

• Betriebsart (TDMA, FDMA, CDMA),<br />

• Arbeitsstätte, Freizeit, Sport,<br />

• usw.<br />

Eine Berücksichtigung solcher Details<br />

kann erheblich dazu beitragen, <strong>die</strong> Expositionsabschätzung<br />

zu verbessern. Als Idealziel<br />

wird jedoch eine individuelle Langzeit-Expositionsbestimmung,<br />

vergleichbar<br />

NEWS l e t t e r 3 . 03 7


8<br />

B B E E M M S S S 2 2 2 0 0 0 0 3<br />

3<br />

<strong>mit</strong> einem Personen-Dosimeter bei ionisierender<br />

Strahlenexposition, gesehen. Entwicklungen<br />

sind hierzu im Gange, sowohl<br />

für <strong>die</strong> breitbandige Aufzeichnung aller<br />

Funkanwendungen, als auch selektiv für<br />

<strong>die</strong> schmalen Bänder des Mobilfunks.<br />

Behandelt wurden auch methodische<br />

Ansätze<br />

• zur Rekrutierung von Mobiltelefonnutzern<br />

nach Zufallskriterien<br />

• zur Vali<strong>die</strong>rung der Methoden für <strong>die</strong><br />

Bestimmung der Gesprächszeiten und Anzahl<br />

der Gespräche. Fragebögen und Rechnungen,<br />

bestehend aus den Daten der Netzanbieter<br />

für ankommende und abgehende<br />

Gespräche, müssen dann verglichen werden.<br />

Als Fazit wurde angegeben, dass in der<br />

allgemeinen Bevölkerung nur wenig „Vieltelefonierer“<br />

sind, dass <strong>die</strong> ausgehenden<br />

Telefonate bezeichnend sind für alle geführten<br />

Gespräche und dass Personen-Fragebögen<br />

generell den Mobiltelefongebrauch<br />

überschätzen.<br />

Sehr eingehend hat sich ein Beitrag <strong>mit</strong><br />

der Bestimmung einer individuellen Exposition<br />

durch Basisstationen-Mobilfunkfelder<br />

(Downlink) befasst. Der Vortragende<br />

ging gleich eingangs seiner Präsentation<br />

<strong>auf</strong> <strong>die</strong> Gesamtenergie, <strong>mit</strong> der der Kopf<br />

eines Individuums durch ein Mobiltelefon<br />

und der Strahlung einer Basisstation<br />

(


haben <strong>die</strong> Beiträge, bis <strong>auf</strong> wenige Ausnahmen<br />

keine signifikant neuen Erkenntnisse<br />

gebracht. Die Plenarbeiträge waren<br />

enttäuschend und man hat sich mehr aktuelle<br />

Informationen aus erster Hand erwartet,<br />

gerade von der l<strong>auf</strong>enden Stu<strong>die</strong><br />

der IARC.<br />

Wirkungsmechanismen<br />

Bei den beiden Vorträgen zu <strong>die</strong>sem<br />

Plenarthema handelte es sich um <strong>mit</strong> theoretischen<br />

Ansätzen überladene Beiträge,<br />

<strong>die</strong> teils erhebliche detaillierte Kenntnisse<br />

molekularbiologischer und biophysikalischer<br />

Art erfordern. Die zwei Inhalte waren<br />

sehr unterschiedlich und bezogen sich<br />

beim ersten Thema <strong>auf</strong> zwei Näherungen<br />

zur Hypothesengenerierung <strong>mit</strong> molekularbiologischen<br />

Ansätzen, entsprechend<br />

nebenstehender Abbildung:<br />

Diese zeigt zwei Wege, <strong>die</strong> zur Hypothese<br />

führen, den klassischen Weg und den<br />

„Discovery Science Approach“, der letztlich<br />

zur Entwicklung der so genannten<br />

„High-Throughput Screening Technique“<br />

(HTST) führte. Letztere zeichnet sich<br />

dadurch aus, dass sie sich <strong>auf</strong> gründliche<br />

Er<strong>mit</strong>tlungen aus dem aktuellen molekularbiologischen<br />

Wissensstand begründet<br />

und nicht <strong>auf</strong> Vermutungen („Guess a lot“).<br />

Es gibt nur wenig publizierte Stu<strong>die</strong>n,<br />

wo HTST angesetzt wurde, um <strong>auf</strong>klärendere<br />

Fakten zu Wirkungen durch EMF zu<br />

untersuchen. Im vorliegenden Beitrag wurde<br />

deshalb HTST eingesetzt, um gesamtheitliche<br />

Veränderungen von Genen und<br />

Proteinen von Endothel-Zelllinien bei einstündiger<br />

Exposition durch 900 MHz GSM<br />

Strahlung, bei einer SAR von 2,4 W/kg<br />

und einer Durchschnittstemperatur von<br />

37 °C, zu untersuchen. Das Ergebnis war,<br />

dass nur ca. 10 Gene von 3600 untersuchten<br />

ihre Expression verändern und parallel<br />

dazu traten Aktivitätsänderungen, <strong>die</strong><br />

bei einigen hundert Proteinen <strong>auf</strong> der Basis<br />

des Protein-Phosphorylationsstatus und<br />

einigen 10 Modifikationen im Expressionslevel<br />

von Proteinen <strong>auf</strong>. Kombinationen<br />

<strong>die</strong>ser Beobachtungen weisen <strong>auf</strong><br />

Classic Science<br />

Approach<br />

Transduktionswege durch EMF-Exposition<br />

hin. Insgesamt hat <strong>die</strong> Anwendung von<br />

HTST in meinen Augen <strong>die</strong> in sie gesetzten<br />

Erwartungen nicht erfüllt und keine<br />

eindeutigeren Hinweise oder gar Beweise<br />

für eine Gesundheitsbeeinträchtigung geliefert.<br />

Der zweite Plenarvortrag hatte Resonanzen<br />

biologischer Moleküle zum Gegenstand.<br />

Die Absorption elektromagnetischer<br />

Energie hängt ausschließlich von der Umsetzung<br />

in mechanische Bewegung von<br />

Ladungen (Dipolen) und deren Dynamik<br />

ab. Die Frequenzbereiche, wo molekulare<br />

Absorption stattfindet, hängen folglich von<br />

deren physikalischen Eigenschaften ab.<br />

In dem Beitrag wurden <strong>die</strong> physikalischen<br />

Eigenschaften wie Elastizität, Massendichte<br />

und interne Wechselwirkungen<br />

biologischer Moleküle untersucht und <strong>die</strong><br />

niedrigsten Frequenzen einer molekularen<br />

Resonanz untersucht. Das Ergebnis war,<br />

dass kein einziges Molekül Absorptionsmodi<br />

bei Frequenzen < 10 GHz zeigte. Eine<br />

grobe Abhängigkeit lässt sich durch <strong>die</strong><br />

Beziehung f =7380/D, <strong>mit</strong> f als unterster<br />

Frequenz und D als längster Molekülabmessung<br />

in Ångström ableiten.<br />

„Discovery Science“<br />

Approach<br />

Read a lot Screen a lot<br />

Guess a lot<br />

HYPOTHESIS<br />

Test its relevance to health issue<br />

Know a lot<br />

Zusammenfassend wird das Potential<br />

von HF-Feldern zur Beeinflussung einzelner<br />

Moleküle als sehr gering angesehen.<br />

Verluste bei einigen GHz sind <strong>die</strong>lektrischer<br />

Art und durch das Wasser (gebundenes<br />

und freies Wasser) begründet und nicht<br />

durch <strong>die</strong> Molekülstrukturen selbst. Die<br />

durch Molekülstrukturen selbst hervorgerufenen<br />

Resonanzen treten in Bereichen<br />

größer als 150 GHz <strong>auf</strong>.<br />

Der Bogen der Vorträge und Poster umfasste<br />

sehr vielfältige Forschungsgebiete,<br />

sowohl von den Organen bis hin zu subzellulären<br />

Strukturen bei hohen Frequenzen<br />

als auch ELF:<br />

• Organresonanzen in Teil- und Ganzkörpermodellen,<br />

• Modellbetrachtungen zur lokalisierten<br />

Hauterwärmung an einem Ganzkörpermodell,<br />

• Magnetisch induzierte transmembrane<br />

Ionenleitung,<br />

• Anwendung der Diffusions-Tensoren-<br />

MRI zur Er<strong>mit</strong>tlung der Leitfähigkeitstensoren<br />

im Rattengehirn,<br />

• Beeinflussung subzellulärer Absorption<br />

elektrischer Feldenergie durch molekulare<br />

Eigenschaften.<br />

NEWS l e t t e r 3 . 03 9


10 10<br />

10<br />

B B E E M M S S S 2 2 2 0 0 0 0 3<br />

3<br />

Biologische Effekte<br />

elektromagnetischer<br />

Felder – Vergangenheit,<br />

Gegenwart und Zukunft<br />

Dass <strong>die</strong> beiden <strong>die</strong> Tagung einführenden<br />

Plenarthemen von mir erst abschließend<br />

behandelt werden, ist volle Absicht<br />

und deren Diskussion ist eher geeignet, in<br />

einen Ausblick integriert zu werden, als<br />

den Bericht einzuleiten. Die Erwartungen,<br />

nämlich eine Übersicht über Vergangenes,<br />

Gegenwärtiges und zukünftige Trends,<br />

wurden durch sie aber nicht erfüllt. Geboten<br />

wurde statt dessen eine Zusammenstellung<br />

des gesicherten Wissens über tierexperimentelle<br />

Untersuchungen. Dabei<br />

handelte es sich um eine sehr allgemeine<br />

Darstellung über <strong>die</strong> Stellung und Wertigkeit<br />

<strong>die</strong>ser Experimente, unter den Gesichtspunkten<br />

der unterschiedlichen Stu<strong>die</strong>ndesigns<br />

und deren Vorteile durch Untersuchung<br />

an Gesamtorganismen wie:<br />

• Kontrollierbarkeit experimenteller Parameter,<br />

• Untersuchung verschiedener Hypothesen,<br />

• Genaue Vorgabe der Exposition<br />

• usw.<br />

Gerade im Vergleich zu epidemiologischen<br />

Methoden, <strong>mit</strong> deren mehrdeutigen<br />

Ergebnissen und der geringen statistischen<br />

Aussagekraft (Power) zur Er<strong>mit</strong>tlung von<br />

Einflüssen elektromagnetischer Strahlung<br />

<strong>auf</strong> <strong>die</strong> Gesundheit, sind Tierexperimente<br />

eher geeignet Zusammenhänge <strong>auf</strong>zudecken.<br />

Trotzdem ist bei den vielen Ansätzen<br />

von Experimenten und Modellen eine<br />

Übertragung <strong>auf</strong> den Menschen fragwürdig.<br />

Schwerpunktmäßig diskutiert wurden<br />

folgende aktuelle Stu<strong>die</strong>nbereiche in <strong>die</strong>ser<br />

Plenarsitzung:<br />

1. Karziogenese: Als Methoden zur Untersuchung<br />

der Karziogenese wurden unterschieden<br />

• Spontane Tumorentwicklung<br />

• Initiations- und Promotionsmodelle<br />

• Co-Karziogenität<br />

• Transplantationsstu<strong>die</strong>n<br />

NEWS l e t t e r 3 . 03<br />

ELF: Bei den „Bioassay“ Stu<strong>die</strong>n (Testverfahren,<br />

um bestimmte Substanzen<br />

nachzuweisen) <strong>mit</strong> chronischer Langzeitexposition<br />

konnte keine Erhöhung der<br />

Kanzerogenität abgeleitet werden. Die Ergebnisse<br />

von Initiations- und Promotionsstu<strong>die</strong>n<br />

im ELF-Bereich ergaben überwiegend<br />

negative Resultate, obwohl auch einige<br />

positive Effekte beobachtet wurden.<br />

Für letztere l<strong>auf</strong>en einige Replikationsstu<strong>die</strong>n,<br />

um <strong>die</strong>se Ergebnisse zu verifizieren.<br />

HF: Im HF-Bereich (einschließlich GSM)<br />

wurden überwiegend keine Effekte <strong>auf</strong> <strong>die</strong><br />

Tumorinitiation oder –promotion beobachtet.<br />

Diskutiert werden nach wie vor Hinweise<br />

<strong>auf</strong> eine Brustkrebsförderung und<br />

<strong>die</strong> Ergebnisse der Repacholi-Stu<strong>die</strong> von<br />

1997 (pim-1 Mäuse). Hierzu gibt es bereits<br />

Replikationen, <strong>die</strong> <strong>die</strong>se Effekte nicht bestätigen<br />

konnten.<br />

2. Neuronale Wirkungen und Verhaltensstu<strong>die</strong>n:<br />

ELF: Hier gibt es klare Beweise für Verhaltenseffekte.<br />

HF: Festgestellte Wirkungen sind reversibel.<br />

Es bestehen keine Beweise für permanente<br />

oder Langzeiteffekte. Beobachtete<br />

Wirkungen gehen oft einher <strong>mit</strong> einer<br />

Temperaturerhöhung.<br />

3. Reproduktion und Entwicklung bei<br />

ELF- und HF-Exposition:<br />

ELF: Eine große Zahl von Arbeiten wurde<br />

hierzu veröffentlicht. Die „Peer Reviewed“<br />

Literatur weist keine beweisbaren Zusammenhänge<br />

zwischen ELF und Reproduktion<br />

und Entwicklung bei Säugern <strong>auf</strong>.<br />

Bei Nichtsäugetieren sind <strong>die</strong> Hinweise<br />

wiedersprüchlicher <strong>mit</strong> sowohl positiven<br />

als auch negativen Ergebnissen.<br />

HF: Die Mehrzahl von Untersuchungen<br />

wurden an Ratten, Mäusen und Hamstern<br />

durchgeführt, schwerpunktmäßig bei 2,45<br />

GHz. Es gibt nur wenige Untersuchungen<br />

bei 800 MHz und 1800 MHz der mobilen<br />

Kommunikation. Überwiegend sind alle<br />

positiven Befunde <strong>auf</strong> eine Erhöhung der<br />

Kerntemperatur der Muttertiere zurückzuführen.<br />

Abschließend wurde bei der HF-Anwendung<br />

<strong>die</strong> Übertragbarkeit der im Tierexperiment<br />

verwendeten Dosen <strong>auf</strong> den Menschen<br />

behandelt.<br />

• Ganzkörper versus organspezifische<br />

SAR,<br />

• Thermische gegen athermische Exposition,<br />

• Mikrothermische Veränderungen,<br />

• Einfluss der Frequenz bei der Extrapolation<br />

von Tierversuchsergebnissen <strong>auf</strong> den<br />

Menschen.<br />

Zusammenfassend zitiere ich <strong>die</strong> Bewertung<br />

„Gesundheitsrelevanz ELF-elektrischer<br />

und magnetischer Felder“ durch <strong>die</strong><br />

U.S. National Academy, dass keine Zusammenhänge<br />

zwischen Exposition und Gesundheitsschädigung<br />

gefunden wurden.<br />

Der zweite einführende Plenarbeitrag, der<br />

von Michael Repacholi vorgetragen wurde,<br />

konnte <strong>die</strong> Erwartungen, neue Ergebnisse<br />

von der EMF-Stu<strong>die</strong> der WHO zu erfahren,<br />

nicht erfüllen. Geboten wurde - wie<br />

fast bei jeder der vergangenen Jahrestagungen<br />

- eine Vorstellung des Internationalen<br />

EMF-Projekts, dessen Ziele, <strong>die</strong> internationale<br />

Zusammenarbeit <strong>mit</strong> IARC,<br />

UNEP, ICNIRP, ILO, IEC, NATO, ITU & EU,<br />

sowie <strong>mit</strong> mehr als 50 nationalen Partnern,<br />

WHO Collaborating Centers und unabhängigen<br />

wissenschaftlichen Agenturen.<br />

Repacholi wies <strong>auf</strong> <strong>die</strong> Rolle der WHO-<br />

Mitarbeiter bei dem Projekt hin und erläuterte<br />

deren spezielle Aufgaben in <strong>die</strong>sem<br />

Verbund. Er gab eine Reihe von Erläuterungen<br />

zu Festlegungen über biologische<br />

oder Gesundheitseffekte, Risikobewertung,<br />

den WHO Umweltkriterien für <strong>die</strong> Gesundheit<br />

und abschließend <strong>die</strong> Abstufung der<br />

Kanzerogenitätseinschätzung der IARC, <strong>die</strong><br />

an <strong>die</strong>ser Stelle nochmals (zum wiederholten<br />

Male bei Tagungsberichten) vorgestellt<br />

wurde:<br />

Group 1 Is carcinogenic to humans<br />

(krebserregend)<br />

Group 2A Probably carcinogenic to<br />

humans (vermutlich<br />

krebserregend)


Klassifikation<br />

Kanzerogen für Menschen (<strong>auf</strong>grund<br />

einer gesicherten wissenschaftlichen<br />

Beweislage)<br />

Wahrscheinlich kanzerogen für Menschen<br />

(<strong>auf</strong>grund von Ergebnissen einer<br />

Kanzerogenität aus Tierexperimenten)<br />

Möglicherweise kanzerogen für Menschen<br />

(Beurteilung <strong>auf</strong> der Basis von<br />

Hinweisen aus der Humanforschung, wo<br />

aber andere Begründungen nicht<br />

auszuschließen sind)<br />

Group 2B Possibly carcinogenic to<br />

humans (möglicherweise<br />

krebserregend)<br />

Group 3 Not classifiable as human<br />

carcinogen (nicht klassifizierbar<br />

als krebserregend)<br />

Group 4 Probably not carcinogenic to<br />

humans (vermutlich nicht<br />

krebserregend)<br />

Die Einstufung von ELF-Exposition als<br />

“Possible Human Carcinogen“ wurde begründet<br />

und bekannten karzinogenen Schadstoffen<br />

(Agens) gegenübergestellt, entsprechend<br />

der unten stehenden Tabelle.<br />

Repacholi diskutierte <strong>die</strong> Hintergründe<br />

<strong>die</strong>ser Einschätzung für ELF-Felder <strong>auf</strong>grund<br />

gesicherter Fakten und auch bestehender<br />

Wissenslücken.<br />

Im Rahmen seines Vortrags wurden HF-<br />

Effekte in Form einer Erwärmung unterhalb<br />

4 W/kg SAR abgehandelt. „Etabliert“<br />

und soweit bestätigt sind Verhaltenseffekte<br />

und verminderte Belastungsfähigkeit.<br />

„Nichtetablierte“ Wirkungen sind Gedächtnisverlust,<br />

Krebs, Blutdruckänderungen,<br />

subjektive Effekte, Durchlässigkeit der<br />

Blut-Hirn-Schranke, Veränderung der Reaktionszeit<br />

u.a.m.<br />

Im Vordergrund des WHO-Interesses<br />

steht <strong>die</strong> Wirkung von EMF <strong>auf</strong> Kinder:<br />

Auf Grund ihres sich in der Entwicklung<br />

befindlichen Nervensystems, einer höheren<br />

Energieabsorption im Kopfgewebe und<br />

einer höheren Lebensexpositionsdauer<br />

nimmt man an, dass Kinder in Bezug <strong>auf</strong><br />

Bestätigt für Stoffe<br />

Asbest, Senfgas, Tabak (als Rauch oder<br />

in anderen Genussformen), γ-Strahlung<br />

Dieselabgase, Formaldehyd, Höhensonnen,<br />

UV-Lampen<br />

Kaffee, sauer eingelegtes Gemüse,<br />

Styrene, Benzinabgase, Lötdämpfe,<br />

ELF-Magnetfelder<br />

EMF empfindlicher seien als Erwachsene.<br />

Ausgehend von <strong>die</strong>ser Annahme präsentierte<br />

Repacholi eine Aufstellung von Vorsorgemaßnahmen:<br />

Telefonate sollten vermieden<br />

werden bzw. nur dann erfolgen,<br />

wenn sie unvermeidlich seien. Werbung<br />

für Mobiltelefone sollte nur noch eingeschränkt<br />

zulässig sein.<br />

Abschließend behandelte er <strong>die</strong> WHO-<br />

Empfehlungen für <strong>die</strong> Mitgliedsstaaten, <strong>die</strong><br />

Notwendigkeit der Risikoabschätzung und<br />

–kommunikation und einer <strong>Stand</strong>ard-Harmonisierung.<br />

Er ging jedoch nicht <strong>auf</strong> erste<br />

Resultate der EMF-Stu<strong>die</strong>n ein, wie im<br />

Thema angekündigt.<br />

Insgesamt waren beide Einführungsvorträge<br />

enttäuschend und von wenig neuer<br />

Substanz, insbesondere was Vergangenheit,<br />

Gegenwart und zukünftige Trends und<br />

Perspektiven bedeutet.<br />

Meine ganz persönliche Wertung:<br />

Aus Anlass des 25 jährigen Jubiläums<br />

wird von mir versucht, eine Bewertung über<br />

das Vergangene, das Bestehende zu machen<br />

und welche zukünftige Weichenstellungen<br />

ich für erforderlich halte.<br />

Neben dem 25 jährigen Jubiläum, meiner<br />

zehnjährigen Mitgliedschaft in der<br />

BEMS und dem zehnten Tagungsbericht<br />

für den Newsletter der FGF, gab es noch<br />

ein anderes Ereignis. Vor 20 Jahren fand<br />

meine erste Teilnahme bei einer BEMS Jahrestagung<br />

in Boulder, Colorado an der<br />

University of Colorado statt. Nachstehen-<br />

11<br />

NEWS l e t t e r 3 . 03 11


des Bild zeigt das Programmheft der damaligen<br />

Jahrestagung. Erstaunlich viele<br />

Namen im Vorstand, bei den Sitzungsleitern<br />

und Vortragenden findet man, <strong>die</strong><br />

heute noch in der Gesellschaft in offiziellen<br />

Positionen sind, wie Maria A Stuchly,<br />

Eleanor R. Adair, Frank S. Barns, C.K. Chou,<br />

Asher Sheppard, Kjell Hanson Mild und<br />

viele andere mehr. Anlass der Teilnahme<br />

bei der 5. Jahrestagung war ein persönlicher<br />

Beitrag über den Einsatz von Mikrowellen<br />

zum Feststellen von Lungenödemen<br />

(„Possible Use of Short Waves to Detect<br />

Lung Edema“).<br />

Das 25. Jubiläumsprogramm brachte<br />

mich <strong>auf</strong> <strong>die</strong> Idee, <strong>die</strong> Schwerpunkte der 5.<br />

Jahrestagung vor 20 Jahren und <strong>die</strong> der<br />

25. Jubiläumsjahrestagung zu vergleichen.<br />

Auch damals standen <strong>die</strong> Themen Zelluläre<br />

Effekte, <strong>Stand</strong>ards, Expositionseinrichtungen,<br />

Genetische Effekte, Dosimetrie,<br />

neurologische, physiologische und Verhaltenseffekte<br />

und <strong>die</strong> medizinische Anwendung<br />

im Vordergrund. Erstaunlicherweise<br />

fehlte <strong>die</strong> Epidemiologie als Topic. Erstaunlich<br />

deshalb, weil <strong>die</strong> Veröffentlichung der<br />

Wertheimer/Leeper Stu<strong>die</strong> von 1979 und<br />

einige Folgestu<strong>die</strong>n damals sehr aktuell<br />

waren.<br />

Heute beherrscht das Thema „Mobile<br />

Kommunikation“ und insbesondere mögliche<br />

Gesundheitsgefahren durch <strong>die</strong> Handapparate<br />

und Bedenken der Öffentlichkeit<br />

gegen <strong>die</strong> Emissionen der Basisstationen<br />

<strong>die</strong> Jahrestagungen. Was ist seit der Gründung<br />

der BEMS an Fakten herausgekommen?<br />

Gerade <strong>die</strong> Jubiläumstagung hat gezeigt,<br />

dass es den Beweis für eine Gesundheitsschädlichkeit<br />

bisher nicht gibt, allenfalls<br />

nach wie vor nur Hinweise bestehen.<br />

Groß angelegte epidemiologische Stu<strong>die</strong>n<br />

der WHO/IARC über Mobiltelefone<br />

und Hirntumore l<strong>auf</strong>en zur Zeit, eine erste<br />

nationale Bewertung ist erst 2003/2004 zu<br />

erwarten. Bei Stu<strong>die</strong>n über Basisstationen<br />

wird <strong>die</strong> Machbarkeit <strong>auf</strong>grund bestehender<br />

Schwierigkeiten der Einschätzung von<br />

Expositionen sehr in Frage gestellt.<br />

12 12<br />

12<br />

NEWS l e t t e r 3 . 03<br />

Bei den Feldern der 50/60 Hz Energieversorgung<br />

haben sich <strong>die</strong> Erkenntnisse<br />

über Leukämieerkrankungen nicht konkretisiert<br />

und es bleibt bei der vagen Einschätzung<br />

eines „Verdachts“ der Kanzerogenität.<br />

Diesen Bewertungen <strong>auf</strong>grund der Beiträge<br />

zu Epidemiologie stehen eine Vielzahl<br />

von in vitro und in vivo Arbeiten<br />

gegenüber, <strong>die</strong> nichts Konkreteres zu einem<br />

möglichen Gefährdungszenario beitragen<br />

konnten. Es besteht aber auch kein<br />

Anlass zu einer generellen Entwarnung.<br />

So findet auch <strong>die</strong>ses Jahr jeder – basierend<br />

<strong>auf</strong> seiner persönlichen Erwartungshaltung<br />

und Einstellung – etwas pro oder<br />

kontra geboten, das er <strong>mit</strong> nach Hause<br />

nehmen kann. Nur hat sich das wissenschaftlich<br />

gesicherte Gesamtbild durch <strong>die</strong>se<br />

Veranstaltung nicht geändert. Konkrete<br />

Hinweise oder gar Beweise für eine gesundheitliche<br />

Beeinträchtigung wurden<br />

nicht präsentiert und der Umkehrschluss<br />

einer zu beweisenden Harmlosigkeit (Nullbeweis)<br />

ist nicht möglich.<br />

Mein persönliches „Highlight“ <strong>die</strong>ser<br />

Tagung war <strong>die</strong> Präsentation und Diskussion<br />

der Replikationsstu<strong>die</strong> über „Langzeitexpositionen<br />

von Em-PIM1 transgenen<br />

Mäusen durch GSM-Signale“, bei der keine<br />

erhöhte Lymphom-Inzidenz festgestellt<br />

wurde und da<strong>mit</strong> <strong>die</strong> Ergebnisse der Repacholi-Stu<strong>die</strong><br />

von 1997 nicht reproduziert<br />

werden konnten. Auch das sang- und<br />

klanglose Zurückziehen des angekündigten<br />

Posters um <strong>die</strong> viel diskutierte Neuvorstellung<br />

der Untersuchungen von der<br />

schwedischen Arbeitsgruppe um Salford<br />

über <strong>die</strong> Blut-Hirn-Schranke und dem Auftreten<br />

von „dark neurons“ war für mich<br />

bezeichnend.<br />

So war also <strong>die</strong> 25. Jahrestagung in Maui,<br />

Hawaii vor allem durch <strong>die</strong> Landschaft ein<br />

Konferenzort der Superlative, nicht aber<br />

der gewonnenen Erkenntnisse.<br />

Prof. Dr. Otto Petrowicz<br />

Wissenschaftlicher Koordinator EMVU<br />

der Technischen Universität München<br />

Jörg Reißenweber<br />

25. Jahresta<br />

Bioelec<br />

Tagungsb<br />

1. Vorbemerkung<br />

Die 25. Jahrestagung der internationalen<br />

Bioelectromagnetics<br />

Society lieferte in Vorträgen und<br />

Postern wie ihre Vorgängerjahrestagungen<br />

eine Fülle neuer<br />

Erkenntnisse zur Frage der<br />

medizinisch-biologischen Wirkung<br />

niederfrequenter elektrischer und<br />

magnetischer Felder der Energieversorgung<br />

sowie hochfrequenter<br />

elektromagnetischer Felder der<br />

Mobilkommunikation, wie <strong>die</strong>s bei<br />

der Vorstellung der Ergebnisse des<br />

REFLEX-Programmes deutlich zum<br />

Ausdruck kam. Auch <strong>die</strong>smal fanden<br />

vor dem Hauptkongress <strong>die</strong><br />

Sitzungen der Subcom<strong>mit</strong>tees SCC<br />

28, SCC 34 und der Arbeitsgruppe<br />

COMAR des Institute of Electrical<br />

and Electronics Engineers (IEEE)<br />

statt, nämlich von Donnerstag,<br />

19.06.03, bis Sonntag, 22.06.03,<br />

ebenso <strong>die</strong> Meetings der ICES-<br />

Subcom<strong>mit</strong>tees SC 1, SC 2, SC 3, SC<br />

4 und SC 5, zudem das ICES Main<br />

Com<strong>mit</strong>tee Meeting, das BEMS<br />

Board of Directors Meeting sowie<br />

der öffentlich zugängliche U.S. Air<br />

Force Laboratory Workshop.


22.- 27. Juni 2003, Maui, Hawaii<br />

Plenarsitzung I: Biologische Wirkungen<br />

elektromagnetischer Felder:<br />

Vergangenheit, Gegenwart, Zukunft<br />

(Den Vorsitz führte hier der im L<strong>auf</strong>e der<br />

Tagung neu gewählte Präsident Shoogo<br />

Ueno, Japan)<br />

Im Rahmen <strong>die</strong>ser ersten Plenarveranstaltung<br />

hielt Larry Anderson <strong>vom</strong> Battelle-Institut<br />

in Richland, USA, einen vielbeachteten<br />

Vortrag zum gegenwärtigen<br />

<strong>Stand</strong> des Wissens über biologische Wirkungen<br />

von elektromagnetischen Feldern<br />

aus Tierversuchen.<br />

Sodann folgte der Übersichtsvortrag von<br />

Michael Repacholi, Weltgesundheitsorganisation<br />

in Genf, Schweiz, <strong>mit</strong> dem Titel:<br />

Biologische Wirkungen von elektromagnetischen<br />

Feldern: Die Ergebnisse des<br />

EMF-Projektes der WHO.<br />

Plenarsitzung II: Epidemiologie<br />

(Vorsitz: Asher Sheppard, USA)<br />

M. Feychting, Schweden, sprach über<br />

epidemiologische Stu<strong>die</strong>n an Mobiltelefonierern.<br />

L. Kheifets, Schweiz, referierte über <strong>die</strong><br />

Machbarkeit epidemiologischer Stu<strong>die</strong>n<br />

an Bevölkerungen im Bereich von Basisstationen.<br />

E. Cardis, Frankreich, sprach über Hochfrequenzfeldexposition,<br />

Mobiltelefone<br />

und Krebs: Gegenwärtiger <strong>Stand</strong> des<br />

Wissens und zukünftige Perspektiven.<br />

Plenarsitzung III: Wirkungsmechanismen<br />

(Vorsitz: Frank Barnes, USA)<br />

D. Leszczynski, Finnland, referierte über<br />

<strong>die</strong> Anwendung des entdeckungswissenschaftlichen<br />

Ansatzes bei der Erforschung<br />

biologischer Wirkungen elektromagnetischer<br />

Felder.<br />

E. Prohofsky, USA, sprach über Vibrationsmodi<br />

biologischer Moleküle unter<br />

dem Einfluss von Hochfrequenzfeldern.<br />

Plenarsitzung IV: Elektromagnetische<br />

Felder und ihre Anwendung zur<br />

verbesserten Heilung durch Anregung der<br />

Durchblutung und Schmerzreduktion<br />

(Vorsitz: Marko Markov, USA, und Arthur<br />

Pilla, USA)<br />

R. Cadossi, Italien, referierte über <strong>die</strong><br />

biophysikalische Stimulation endogener<br />

Gewebereparatur.<br />

C. Hazlewood, USA, sprach über Magnetfelder<br />

und Schmerzlinderung: eine<br />

Rolle des Wassers?<br />

B B E E M M S S 2 2 0 0 0 0 0 3<br />

3<br />

ung der<br />

romagnetics Society (BEMS)<br />

richt aus ärztlicher Sicht<br />

Morgenstimmung im Haleakala-Krater<br />

13<br />

NEWS l e t t e r 3 . 03 13


Sitzung 1:<br />

IN-VITRO-STUDIEN I<br />

(Vorsitz: Joseph Roti Roti, USA,<br />

und Vijayalaxmi, USA)<br />

• H. Franke, Deutschland, sprach über<br />

den Einfluss von Mobilfunkstrahlung <strong>auf</strong><br />

<strong>die</strong> Dichte der Blut-Hirn-Schranke im invitro-Versuch.<br />

Die Blut-Hirn-Schranke ist<br />

im Hinblick <strong>auf</strong> Hochfrequenzfeldeffekte<br />

ein besonders interessantes biologisches<br />

System, weil sie einerseits nahe an der<br />

Strahlenquelle, also am Handy, liegt und<br />

andererseits eine zentrale Rolle im Gehirn<br />

spielt. Ziel sei es gewesen, den Einfluss<br />

von Hochfrequenzfeldern <strong>auf</strong> <strong>die</strong> Blut-<br />

Hirn-Schranke <strong>auf</strong> zellulärem Niveau zu<br />

testen. Gerade vor dem Hintergrund der<br />

gegenwärtigen Diskussion um athermische<br />

Effekte hochfrequenter elektromagnetischer<br />

Felder sei <strong>die</strong>s von hoher Bedeutung.<br />

Was den Methodenteil betrifft, so stellte<br />

der Referent heraus, dass <strong>die</strong> verwendeten<br />

Endothelzellkulturen in GSM-Feldern<br />

sowie UMTS-Feldern exponiert wurden und<br />

zwar bei Feldstärken von 1-100 V/m, wobei<br />

thermische Effekte ausgeschlossen<br />

wurden. Mit Hilfe der Impedanzspektroskopie<br />

sei der transendotheliale elektrische<br />

Widerstand gemessen und <strong>auf</strong>gezeichnet<br />

worden. Diese Methode erlaube eine permanente,<br />

nicht-invasive Überwachung der<br />

Schrankendichte während der Exposition<br />

in Hochfrequenzfeldern. Die Expositionseinheit<br />

bestehe aus zwei radialen Wellenleitern,<br />

<strong>die</strong> je bis zu 28 Proben enthielten,<br />

sowie einer Feld- und einer Thermistorsonde.<br />

„Doppelblind“ sei <strong>die</strong> Befeldung<br />

durchgeführt worden, wobei per Computerprogramm<br />

<strong>die</strong> Auswahl der exponierten<br />

und scheinexponierten Wellenleiter<br />

bewerkstelligt wurde. Bislang habe <strong>die</strong><br />

Untersuchung der Schrankendichte <strong>auf</strong> der<br />

Messung der Transportrate von gelösten<br />

Stoffen beruht. Diese Transportexperimente<br />

erfordern eine Entfernung der Proben aus<br />

der Hochfrequenzquelle und benötigen<br />

mehrere Stunden bis zur Beendigung. Nach<br />

14 14<br />

14<br />

NEWS l e t t e r 3 . 03<br />

einmaliger Testung ist ein Aufheben der<br />

Proben für weitere Befeldungsversuche<br />

nicht möglich. Um eine detailliertere Diskussion<br />

der Interaktionsmechanismen zu<br />

ermöglichen, eröffnet <strong>die</strong> kontinuierliche<br />

Messung, wie hier vorgestellt, eine Möglichkeit,<br />

um Schrankenundichtigkeiten<br />

ohne Störung der Zellkulturen oder Unterbrechungen<br />

der Feldexposition zu identifizieren.<br />

Im Ergebnis zeigte sich, dass <strong>die</strong> Schrankendichte<br />

<strong>auf</strong> <strong>die</strong>se Weise über mehrere<br />

Tage hinweg erfasst werden könne – und<br />

zwar ohne <strong>die</strong> sonst üblichen Verzögerungen,<br />

<strong>die</strong> bei konventionellen Permeabilitätsmessungen<br />

<strong>auf</strong>treten würden. So<strong>mit</strong><br />

habe man direkten Zugang zu Informationen<br />

über <strong>die</strong> Schrankendichte während der<br />

Feldexposition.<br />

• A. C. Green, England, referierte über<br />

Wirkungen von 380,8875 MHz Tetra-<br />

Feldern <strong>auf</strong> das intrazelluläre Kalcium in<br />

kultivierten Herzmuskelzellen der Ratte.<br />

Das TETRA-System verwende Hochfrequenzen,<br />

<strong>die</strong> <strong>mit</strong> 17,6 Hz gepulst seien.<br />

Einige Berichte legten den Eindruck nahe,<br />

dass der Ausfluss von radioaktiv markierten<br />

Kalziumionen aus dem Gehirngewebe<br />

durch <strong>mit</strong> 16 Hz gepulste Hochfrequenzfelder<br />

modifiziert werden könne. Jedoch<br />

ist <strong>die</strong> physiologische Bedeutung <strong>die</strong>ses<br />

Effektes unklar, weil <strong>die</strong> Quelle der Kalziumionen<br />

unbekannt sei und das untersuchte<br />

Gewebe in schlechtem Zustand war. Der<br />

vorliegende Versuch verwendete kalziumempfindliche<br />

Farbstoffe, um intrazelluläre<br />

Kalziumkonzentrationen in lebenden Herzmuskelzellen<br />

während der TETRA-Feldexposition<br />

unter Real-Time-Bedingungen zu<br />

messen.<br />

Methodik: Embryonale Herzmuskelzellen<br />

der Ratte wurden voneinander <strong>mit</strong><br />

Trypsin/EDTA/DNAse gelöst und <strong>auf</strong> <strong>mit</strong><br />

Fibronektin beschichtete Deckgläser <strong>auf</strong>gebracht.<br />

Diskussion: Im Ergebnis zeigte sich, dass<br />

embryonale Herzmuskelzellen der Ratte<br />

spontane Kalziumströme in Abwesenheit<br />

irgendwelcher externer Stimuli zeigten. Die<br />

Ströme, <strong>die</strong> aus einem schnellen Anstieg<br />

bis zu einem Spitzenwert und einem exponentiellen<br />

Abfall bis zur Grundlinie bestanden,<br />

waren bei allen Zellen innerhalb<br />

eines Sichtfeldes synchron und kamen <strong>mit</strong><br />

einer Häufigkeit von 0,2 bis 1,2 Hz vor.<br />

Die Frequenz und Amplitude der Transienten<br />

wurden während der Experimente<br />

konstant gehalten. TETRA-Exposition hatte<br />

demnach keinen signifikanten Einfluss <strong>auf</strong><br />

<strong>die</strong> Transientenströme, während pharmakologische<br />

Substanzen wie Acetylcholin<br />

oder Salbutamol signifikante Änderungen<br />

von Frequenz und Amplitude der Transientenströme<br />

zeitigten. TETRA-Hochfrequenzfeldapplikation<br />

hatte ebenfalls keinen<br />

Einfluss <strong>auf</strong> <strong>die</strong> Konstanten des zeitlichen<br />

Abfalls der Kalziumtransmembranströme.<br />

Bei <strong>die</strong>sem Versuch ist besonders<br />

zu berücksichtigen, dass <strong>die</strong> komplexe Rolle<br />

von extra- und intrazellulärem Kalzium<br />

bei der elektromechanischen Koppelung in<br />

Herzmuskelzellen <strong>die</strong>se Zellen zu einem<br />

idealen Modell zur Untersuchung von TE-<br />

TRA-Hochfrequenzfeldern <strong>auf</strong> Kalzium in<br />

seiner physiologischen Funktion macht.<br />

Obwohl <strong>die</strong> Wirkung von TETRA-Feldern<br />

<strong>auf</strong> <strong>die</strong> Kalzium-Plasmamembran-Wechselwirkungen<br />

oder <strong>auf</strong> den Kalziumefflux<br />

aus dem Gewebe nicht direkt untersucht<br />

wurde, so legt doch das Fehlen eines Effektes<br />

der Hochfrequenzfelder nahe, dass<br />

– selbst wenn sie existieren würden – solche<br />

Effekte oder Interaktionen keinen wesentlichen<br />

Einfluss <strong>auf</strong> <strong>die</strong> normale Zellphysiologie<br />

und Kalziumhomöostase haben<br />

könnten. Diese Ergebnisse sind konsistent<br />

<strong>mit</strong> früheren Ergebnissen der gleichen<br />

Arbeitsgruppe <strong>mit</strong> Körnerzellen des<br />

Kleinhirns, <strong>die</strong> ebenfalls keine Wirkung von<br />

TETRA-Hochfrequenzfeldern <strong>auf</strong> den intrazellulären<br />

Kalziumspiegel und Kalziumtransmembranströme<br />

ergaben.<br />

• A. G. Pakhomov, USA, hielt einen<br />

Vortrag über <strong>die</strong> Wirkung von 9,6 GHz-<br />

Strahlung <strong>auf</strong> durch 4-Aminopyridininduzierte<br />

Entladungen in isolierten


Schnitten des Hippokampus. Kürzlich sei<br />

berichtet worden, dass man durch <strong>die</strong> Exposition<br />

von isolierten Schnitten des Hippokampus,<br />

<strong>die</strong> <strong>mit</strong> 4-Aminopyridin versetzt<br />

worden waren, bei schwachen Mikrowellen<br />

der Frequenz 700 MHz eine tiefgreifende<br />

Wirkung <strong>auf</strong> <strong>die</strong> epileptiforme<br />

Entladungsaktivität bewirken könne. Dieser<br />

Effekt sei bei einer Schwellenfeldstärke<br />

von 50 V/m und bei unter 5 mW/g in<br />

36% der exponierten Schnitte <strong>auf</strong>getreten,<br />

jedoch nie bei den Kontrollen.<br />

Ziel der vorliegenden Stu<strong>die</strong> sei es deshalb<br />

gewesen, denselben Funktionstest zu<br />

verwenden um mögliche nicht-thermische<br />

Wirkungen von Mikrowellen einer anderen<br />

Frequenz, nämlich 9,6 GHz, <strong>auf</strong>zudecken.<br />

Methodik: Parasagittale Hippokampusschnitte<br />

einer Dicke von 350 mm wurden<br />

4 bis 6-Wochen alten Sprague-Dawley-<br />

Ratten entnommen, am Boden einer handelsüblichen<br />

Expositionskammer fixiert<br />

und bei 34 °C <strong>mit</strong> oxigeniertem künstlichem<br />

Liquor cerebrospinalis versetzt.<br />

Eine extrazelluläre Mikropipette zur Registrierung<br />

wurde in der Neuronenschicht<br />

der CA3-Region platziert, wobei <strong>die</strong>se Lo-<br />

kalisation durch <strong>die</strong> Stimulation der Moos-<br />

BEMS<br />

fasern1 vor dem Experiment überprüft wurde.<br />

Die untersuchten Konzentrationen der<br />

B B E E M M S S 2 2 0 0 0 0 0 3<br />

3<br />

Pharmaka betrugen in der 1. Serie 50 und<br />

2003<br />

100 mM und in der 2. Serie 150 mM. In<br />

Serie 1 wurde <strong>die</strong> Expositionsintensität<br />

stufenweise alle 5 Minuten erhöht und zwar<br />

von 0 über <strong>die</strong> Stufen 0,024, 0,12, 0,6 bis<br />

hin zu 3 W/g, gefolgt von einer 20-minütigen<br />

Phase ohne Exposition und Auswaschen<br />

der Pharmaka. Lediglich <strong>die</strong> beiden<br />

höchsten SAR-Werte erhöhten <strong>die</strong> Tempe-<br />

1 Moosfasern: Zur Kleinhirnrinde (Cortex cerebelli)<br />

leitende Nervenfasern für Impulse aus dem Rückenmark,<br />

dem verlängertem Rückenmark und weiteren<br />

Kerngebieten des Gehirns. Sie enden an bestimmten<br />

Nervenzellkörpern in der Rindenregion des Kleinhirns,<br />

nämlich an den sogenannten Körnerzellen in der Körnerschicht.<br />

Im Bereich <strong>die</strong>ser Endigungen sind sie rosettenförmig<br />

(bzw. moosartig) verzweigt sowie über<br />

Dendriten und axodendritische Synapsen <strong>mit</strong> zahlreichen<br />

Körnerzellen und anderen Zellen verbunden.<br />

Durch Kollateralbildung erreicht eine einzelne Moosfaser<br />

sehr viele Kleinhirnrindenzellen.<br />

15<br />

NEWS l e t t e r 3 . 03 15


atur um 0,6 bis 0,7 °C bzw. um 3,5 bis 3,7<br />

°C. Ansonsten war der Erhitzungseffekt<br />

durch Mikrowellen vernachlässigbar klein.<br />

In Serie 2 dauerten <strong>die</strong> Expositionsphasen<br />

ebenfalls je 5 Minuten, wurden dabei<br />

allerdings von je 10-minütigen expositionsfreien<br />

Phasen unterbrochen. Jedes der<br />

15-minütigen Aufzeichnungsintervalle (bestehend<br />

aus 5-minütigen Zeiträumen vor,<br />

während und nach der Exposition) wurde<br />

separat durchgeführt. Die Expositionen<br />

wurden beim gleichen SAR-Wert wie in<br />

Serie 1 durchgeführt. Zudem wurde <strong>die</strong><br />

Wirkung von 5-minütigem konventionellen<br />

Erhitzen untersucht, was <strong>die</strong> thermische<br />

Wirkung bei 3 W/g i<strong>mit</strong>ieren sollte.<br />

Jeder Gehirnschnitt wurde 2 bis 8 mal feldexponiert,<br />

wobei <strong>die</strong> Reihenfolge der Expositionen<br />

zumeist gewürfelt wurde.<br />

Diskussion: Im Ergebnis konnte man bei<br />

Serie 1 keinerlei offensichtlichen Feldef-<br />

fekt beobachten. Um <strong>die</strong> Möglichkeit sub-<br />

BEMS<br />

tilerer Effekte zu überprüfen, wurde Serie<br />

2 <strong>mit</strong> strengerem Protokoll integriert. Mehr<br />

als 100 Behandlungen (darunter Expositi-<br />

2003<br />

onsphasen, Scheinexpositionsphasen und<br />

konventionelle Hitzebehandlungen) wurden<br />

bei 26 Hirnschnitten angewandt, wobei<br />

einige Ergebnisse später verworfen<br />

werden mussten. Es ergab sich kein signifikanter<br />

Unterschied zwischen den Reaktionen<br />

<strong>auf</strong> Mikrowellen und konventionelles<br />

Erhitzen. Die Exposition in SAR-Werten<br />

von 0,6 W/g verursachte qualitativ<br />

ähnliche Effekte wie 3 W/g, <strong>die</strong> aber quantitativ<br />

weniger ausgeprägt waren.<br />

Schlussfolgerung: Es zeigte sich, dass<br />

eine fünfminütige Exposition in 9,6 GHz-<br />

Mikrowellen bei 0,024 und 0,12 W/g <strong>die</strong><br />

spontane Entladungsaktivität nicht veränderte,<br />

<strong>die</strong> in den Hippokampus-Schnitten<br />

durch Versetzung <strong>mit</strong> 4-Aminopyridin ausgelöst<br />

worden war. Expositionen in stärkeren<br />

Feldern (0,6 und 3 W/kg) resultierten<br />

in Entladungsraten, <strong>die</strong> der Wirkung<br />

konventioneller Wärme entsprachen.<br />

• S. Kwee, Dänemark, referierte darüber,<br />

dass <strong>die</strong> Exposition in Mikrowellenfel-<br />

16 16<br />

16<br />

NEWS l e t t e r 3 . 03<br />

dern Änderungen der Proteine des Zellzyklus<br />

induzieren könne. Ziel <strong>die</strong>ser noch<br />

l<strong>auf</strong>enden Stu<strong>die</strong> sei es gewesen, einen<br />

Mechanismus für biologische Effekte elektromagnetischer<br />

Felder zu finden. Deshalb<br />

habe man <strong>die</strong> Wirkungen niederfrequenter<br />

Felder sowie von Mikrowellen <strong>auf</strong> <strong>die</strong><br />

Zellproliferation und <strong>die</strong> zelluläre Signaltransduktion<br />

untersucht.<br />

Methodisch wurden transformierte<br />

menschliche Amnionzellen in einer TEM-<br />

Zell einem Mikrowellenfeld ausgesetzt, dass<br />

von einem 960 MHz (GSM) Signal-Simulator<br />

erzeugt worden war.<br />

Diskussion: Im Ergebnis zeigte sich, dass<br />

ein relativ hoher Anteil an Hsp-70 nach<br />

der Mikrowellenexposition in den Zellen<br />

<strong>auf</strong>trat. Am höchsten war <strong>die</strong>ser Anteil<br />

nach der Exposition, verminderte sich jedoch<br />

während der folgenden 90 Minuten<br />

und war nach 24 Stunden verschwunden.<br />

Da PCNA/Cyclin ein S-Phase-Protein darstellt,<br />

wurde es verwendet, um <strong>die</strong> Progression<br />

der S-Phase nach Mikrowellenexposition<br />

zu überwachen. Die Experimente<br />

wurden an synchronisierten Zellen<br />

durchgeführt, bevor <strong>die</strong>se in <strong>die</strong> G2-Phase<br />

eintraten, in der ein Maximum an Zellen<br />

durch PCNA/Cyclin gefärbt wurde. Nach<br />

der Mikrowellenexposition verblieben <strong>die</strong><br />

Zellen länger in der S-Phase und <strong>die</strong> maximale<br />

Zahl der Zellen, <strong>die</strong> sich durch<br />

PCNA/Cyclin färben ließen, änderte sich<br />

im Vergleich zu Kontrollzellen nicht - und<br />

zwar auch nach dem vermuteten Eintritt<br />

in <strong>die</strong> G2-Phase nicht. Bei den nicht synchronisiert<br />

proliferierenden Zellen betrug<br />

der Anteil der Zellen in der S-Phase etwa<br />

30 bis 50 %. Dieser Anteil blieb bei den<br />

Kontrollzellen mehr oder weniger konstant<br />

- und zwar solange, bis ein vollständiges<br />

Zerfließen der Zellen erreicht wurde. Bei<br />

den mikrowellenexponierten Zellen war<br />

nach der Exposition zuerst ein Abfall zu<br />

beobachten, gefolgt von einem Anstieg bis<br />

hin zu einem Maximalwert, und schließlich<br />

wiederum ein Abfall bei den Zellen in der<br />

S-Phase.<br />

Schlussfolgerung: Im Falle asynchroner<br />

Zellen synchronisiert <strong>die</strong> Mikrowellenexposition<br />

<strong>die</strong> DNA-Synthese und <strong>die</strong> Mitose.<br />

Dies könnte <strong>die</strong> Änderungen in der Zellproliferationsrate<br />

erklären, <strong>die</strong> in früheren<br />

Versuchen nach Niederfrequenz- bzw. Mikrowellenexposition<br />

von der gleichen<br />

Gruppe gefunden worden waren. Da <strong>die</strong><br />

S-Phase bei synchronisierten mikrowellenexponierten<br />

Zellen in <strong>die</strong> Länge gezogen<br />

wird, kann eine zeitliche Ausdehnung des<br />

gesamten Zellzyklus durch Mikrowellen<br />

erwartet werden.<br />

• C. Maercker, Deutschland, machte<br />

Ausführungen darüber, dass <strong>die</strong> Exposition<br />

in hochfrequenten elektromagnetischen<br />

Feldern <strong>die</strong> Proteinbiosynthese in<br />

humanen Promyelozyten anregen würde.<br />

Methodik: Menschliche Promyelozytenzellen<br />

(HL 60) wurden zwei verschiedenen<br />

Hochfrequenzfeldern innerhalb zweier<br />

voneinander unabhängiger Experimente<br />

ausgesetzt, zum einen 1800 MHz-Feldern<br />

(nur DTX) bei einer SAR von 1,0 W/kg (im<br />

Wechsel 5 min an und 5 min aus über 24<br />

Stunden hinweg) sowie zum anderen 1800<br />

MHz-Feldern (nur DTX) bei einer SAR von<br />

1,3 W/kg, kontinuierliche Exposition über<br />

24 Std. Scheinexponierte Zellen <strong>die</strong>nten<br />

als Kontrolle. Nach einer Isolation der RNA<br />

aus den Kulturzellen wurde bei allen Proben<br />

eine komplette Genexpressionsanalyse<br />

des Genoms durchgeführt (zwei unabhängige<br />

Hybridisierungen). 75.000 Gene<br />

und exprimierte Sequenzbruchstücke wurden<br />

parallel analysiert (Human Unigene<br />

RZPD-2 cDNA array). Nach der Datenanalyse<br />

<strong>mit</strong> speziellen Computerprogrammen<br />

zeigte sich, dass alle Gene hoch- und niederreguliert<br />

wurden, wobei exponierte und<br />

nichtexponierte Zellen <strong>mit</strong>einander verglichen<br />

wurden. Um einen detaillierteren<br />

Überblick zu gewinnen, wurden lediglich<br />

Gene ausgewählt, <strong>die</strong> mindestens fünfmal<br />

in einem der beiden Expositionsprofile reguliert<br />

wurden, oder aber Gene, <strong>die</strong> zu der<br />

Gruppe der 10 % am stärksten exprimierten<br />

Gene zählen. In letzterer Gruppe reichte


es, wenn <strong>die</strong> Gene mindestens zweimal reguliert<br />

wurden, oder – durch Vergleich beider<br />

Genexpressionsprofile – reproduzierbar<br />

hoch- oder niederreguliert wurden.<br />

Die Ergebnisse zeigten sich am klarsten<br />

bei der Genfamilie, <strong>die</strong> an der Proteinsynthese<br />

beteiligt ist: 48 Klone ribosomaler<br />

Proteine zeigten eine Hochregulierung nach<br />

Hochfrequenzfeldexposition und nur 7<br />

Gene wurden niederreguliert. Ebenso wurde<br />

<strong>die</strong> Mehrzahl der Gene aus der Gruppe<br />

der Translationsinitiationsfaktoren (beispielsweise<br />

eIF4E) bzw. Translationselongationsfaktoren<br />

hochreguliert (4 Klone<br />

hochreguliert, 1 Klon niederreguliert). Entsprechend<br />

wurden auch einige Gene, <strong>die</strong><br />

beim Energieumsatz eine Rolle spielen,<br />

hochreguliert, nämlich verschiedene Untereinheiten<br />

der ATP-Synthase (wobei <strong>die</strong><br />

ATPase niederreguliert wurde), Cytochrom<br />

und Cytochromoxidase und NADH-Dehydrogenase.<br />

Zusätzlich fanden <strong>die</strong> Forscher,<br />

dass einige Faktoren an der Regulation der<br />

Transkription beteiligt waren (Niederregulierung<br />

von Nukleolin, Hochregulierung der<br />

Histone, Hochregulierung von Histon-Deacetylasen,<br />

der allgemeinen Transkriptionsfaktoren<br />

II, IIA, IIIA, sowie der Topoisomerase).<br />

Einige Signalproteine weisen <strong>auf</strong><br />

eine allgemeinere Aktivierung oder auch<br />

Differenzierung von HL-60-Zellen hin, wie<br />

<strong>die</strong> Proteinkinase C als ein zentraler Signaltrans<strong>mit</strong>ter<br />

für second messenger-Moleküle<br />

und G-Protein ver<strong>mit</strong>telte Signalübertragung<br />

oder Proteine, <strong>die</strong> durch Retinsäure<br />

induziert werden (3 Gene).<br />

Diskussion: Man zieht den Schluss, dass<br />

zwar der Weg der Rezeption und Transduktion<br />

von Hochfrequenzfeldern bis jetzt<br />

nur spekulativ sei, dass aber Säugetierzellen<br />

offensichtlich <strong>auf</strong> <strong>die</strong>se Felder in sehr<br />

unterschiedlicher Weise reagieren. Nach<br />

Testung der Genexpression an 75.000<br />

menschlichen Genen wurde bislang der<br />

Schwerpunkt <strong>auf</strong> Gene gelegt, <strong>die</strong> an der<br />

Translation und ihrer Regulation beteiligt<br />

sind. Jedoch gebe es noch viele Daten zu<br />

analysieren. Nachdem man wisse, dass <strong>die</strong><br />

Proteinsynthese nach Feldexposition erhöht<br />

sei, könne man sich fragen, ob <strong>die</strong> Zellen<br />

selbst auch proliferieren könnten und wie<br />

<strong>die</strong>ser Prozess reguliert werde. Während<br />

man möglicherweise ausschließen könne,<br />

dass Apoptose induziert werde (z. B. durch<br />

Niederregulierung eines bcl-2-ähnlichen<br />

Proteins), müsse man aber berücksichtigen,<br />

dass einige Marker für <strong>die</strong> Zelldifferenzierung<br />

in Granulozyten oder Monozyten<br />

offensichtlich beteiligt seien. Zudem<br />

sollten künftige RNA-Profil-Experimente,<br />

Phosphorylierungsexperimente sowie weitere<br />

Versuche <strong>mit</strong> bestimmten Proteinen<br />

es erlauben, weiteren Einblick in <strong>die</strong> Signalwege<br />

zu gewinnen, <strong>die</strong> zur molekularen<br />

Antwort <strong>auf</strong> Hochfrequenzfelder führen<br />

könnten.<br />

• S. A. Johnston, England, sprach über<br />

<strong>die</strong> aktuellsten Kriterien der in-vitro-Forschung<br />

zur Wirkung schwacher Felder.<br />

Ob schwache Hochfrequenzfelder unterhalb<br />

der Grenzwerte biologische Effekte<br />

auslösen könnten, sei Gegenstand der gegenwärtigen<br />

Forschung. Von der biophysikalischen<br />

Theorie her kenne man bisher<br />

keinen athermischen Wirkungsmechanismus<br />

schwacher Hochfrequenzfelder. Jedoch<br />

kenne man thermische Wirkungsmechanismen.<br />

Zytotoxische und genotoxische<br />

Forschung untersuche in vitro <strong>die</strong> Dosiswirkungen<br />

von Hochfrequenzfeldern im<br />

Bereich der Grenzwerte der ICNIRP-guidelines.<br />

Fazit: Neueste Berichte legten<br />

geringgradige Temperaturunterschiede<br />

(0,03 °C, unterhalb der Empfindlichkeit von<br />

Temperatursonden) in wärmeempfindlichen<br />

C-Fasern nahe, unmyelinisierte afferente<br />

Neuronen könnten physiologische<br />

Antworten initiieren. Präoptische sowie<br />

Hirnstamm- und Rückenmarkskerne regulierten<br />

zentral <strong>die</strong> Thermoregulation. Die<br />

rasche (weniger als 60 Sekunden) Mobilisierung<br />

geeigneter thermoregulatorischer<br />

Antworten während der Hochfrequenzexposition<br />

von Menschen <strong>mit</strong> 100 bis 200<br />

MHz sei der Beweis des thermischen Inputs<br />

zu den entscheidenden zentralnervösen<br />

sensorischen Neuronen. Stu<strong>die</strong>n, <strong>die</strong><br />

B B E E M M S S 2 2 0 0 0 0 0 3<br />

3<br />

in-vitro-Systeme, TEM-Zellen etc. enthalten,<br />

sollten sorgfältig und genau analysiert<br />

werden, bevor man den Schluss ziehe,<br />

ein Effekt sei nichtthermisch. Während<br />

der Hochfrequenzexposition des Kulturmediums<br />

werde sowohl eine experimentelle<br />

als auch eine rechnerische Dosimetrie<br />

erforderlich, um aktuelle Temperaturschwankungen<br />

und Änderungen der SAR-<br />

Werte im gesamten Kulturmedium zu erfassen.<br />

Details zur Zellzykluskontrolle seien<br />

ebenfalls wesentlich bei der Analyse<br />

von genotoxischen Wirkungen. Da der<br />

Zellzyklus in menschlichen Blutlymphozyten<br />

(HBL) überwacht werden könne,<br />

würden <strong>die</strong>se Zellen verwendet, um <strong>die</strong><br />

hochfrequenzbedingten direkten und indirekten<br />

Wirkungen <strong>auf</strong> Chromosomen zu<br />

testen. Berechnungen der statistischen Power<br />

würden gefordert, um <strong>die</strong> passende<br />

Probengröße für <strong>die</strong> Bestimmung der Mikrokerne<br />

(vorgeschlagene HBL-Mikrokern-<br />

Stichprobengröße: 2000), Chromosomenaberrationen<br />

(1000) und Schwesterchromatidaustausche<br />

(100) <strong>mit</strong> dem Ziel verlässlicher<br />

statistischer Vergleiche zwischen<br />

Kontrollen und exponierten Individuen abzuleiten.<br />

Im Ergebnis könnten Effekte<br />

schwacher Hochfrequenzfelder <strong>auf</strong> Krebsinduktion<br />

wie etwa durch Erhöhung der<br />

Apoptose- und Proliferationsrate <strong>mit</strong> größter<br />

Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden.<br />

Gegenwärtig suche man nach indirekten<br />

Wirkungen von Hochfrequenzfeldern<br />

wie Änderungen der Signaltransduktionsmechanismen,<br />

<strong>die</strong> möglicherweise<br />

zell- und signalspezifisch seien.<br />

SITZUNG 3:<br />

IN-VITRO-STUDIEN II<br />

(Vorsitz: Junji Miyakoshi, Japan,<br />

und Gabi Nindl, USA)<br />

• G. J. Hook, USA, referierte über Messungen<br />

an DNA-DNA- und Protein-DNA-<br />

Quervernetzungen nach in vitro-Bestrahlung<br />

<strong>mit</strong> 2450 MHz. Ein umfassendes Programm<br />

zur Erforschung möglicher Effekte<br />

17<br />

NEWS l e t t e r 3 . 03 17


von Mikrowellenstrahlung sei in den vergangenen<br />

10 Jahren durchgeführt worden.<br />

Bis heute sei kein direkter genotoxischer<br />

Effekt von Mikrowellenexposition in vitro<br />

gefunden worden. Ziel sei es gewesen, <strong>die</strong><br />

Fähigkeit von 2450-MHz-Mikrowellenstrahlung<br />

zu überprüfen, Quervernetzungen<br />

zwischen DNA und DNA sowie Protein<br />

und DNA zu induzieren.<br />

Methodik: In-vitro-Experimente wurden<br />

durchgeführt um zu untersuchen, ob 2450-<br />

MHz-Mikrowellenstrahlung alkalilabile<br />

DNA-Schäden und/oder DNA-Proteinoder<br />

DNA-DNA-Quervernetzungen bei C3H<br />

10T1/2-Zellen auslösen könne. Nach einer<br />

zweistündigen Exposition entweder in<br />

2450-MHz-Mikrowellen (kontinuierliche<br />

Exposition bei einem SAR-Wert von 1,9<br />

W/kg) oder einem Versetztwerden <strong>mit</strong><br />

1 mM Cisplatin (CDDP, einer positiven Kontrolle<br />

für DNA-Quervernetzungen) wurden<br />

<strong>die</strong> Zellen entweder <strong>mit</strong> 4 Gy Röntgenstrahlung<br />

be<strong>auf</strong>schlagt ( 137Cs) oder direkt<br />

<strong>auf</strong> DNA-Quervernetzungen hin untersucht.<br />

Die verwendeten Zellen zur Analyse<br />

der DNA-Quervernetzungen wurden<br />

über Nacht <strong>mit</strong> S35-Methionin markiert. Un<strong>mit</strong>telbar<br />

nach der ionisierenden Bestrahlung<br />

wurde der Einzelzellgelelektrophorese-Test<br />

angewandt, um DNA-Schäden zu<br />

identifizieren. Für jede Expositionsbedin-<br />

18 18<br />

18<br />

NEWS l e t t e r 3 . 03<br />

gung wurde eine Probenreihe <strong>mit</strong> Proteinase<br />

K (PK, 1 mg/ml) behandelt, um jedwede<br />

DNA-Quervernetzungen zu beseitigen.<br />

Diskussion: Im Ergebnis ergab sich bei<br />

direkter Messung kein Hinweis <strong>auf</strong> eine<br />

Induktion von DNA-Protein-Quervernetzungen<br />

oder <strong>auf</strong> Änderungen der <strong>mit</strong> DNA<br />

verbundenen Proteinmenge nach Mikrowellenbestrahlung<br />

bei einer Frequenz von<br />

2450 MHz. Ionisierende Strahlung (4 Gy)<br />

dagegen löste signifikante DNA-Schäden<br />

aus. Jedoch konnte kein DNA-Schaden<br />

nach Exposition in kontinuierlicher Mikrowellenstrahlung<br />

von 2450 MHz allein<br />

identifiziert werden. Das quervernetzende<br />

Agens, CDDP, reduzierte sowohl <strong>die</strong> Kometlänge<br />

und das normalisierte Kometmoment<br />

in <strong>mit</strong> 4 Gy bestrahlten C3H 10T1/2-<br />

Zellen signifikant. Im Gegenteil verhinderten<br />

2450-MHz-Felder nicht <strong>die</strong> DNA-<br />

Migration, <strong>die</strong> durch Gammastrahlung ausgelöst<br />

worden war. Als <strong>die</strong> Kontrollzellen<br />

<strong>mit</strong> Proteinase K behandelt wurden, stiegen<br />

beide Parameter an, ohne dass irgendwelche<br />

DNS-Schäden <strong>auf</strong>getreten wären.<br />

Jedoch sah man keinerlei zusätzlichen Effekt<br />

bei der Proteinase K innerhalb von<br />

Proben, <strong>die</strong> in 2450 MHz-Mikrowellen exponiert<br />

waren oder bei Proben, <strong>die</strong> <strong>mit</strong><br />

einer Kombination von Mikrowellen und<br />

Gammastrahlung behandelt worden wa-<br />

ren. Der Autor schließt <strong>mit</strong> der Feststellung,<br />

dass <strong>die</strong> Exposition in 2450-MHz-<br />

Mikrowellen für einen Zeitraum von zwei<br />

Stunden bei einem SAR-Wert von 1,9 W/<br />

kg DNA-Protein-Quervernetzungen nicht<br />

induzierte. Zudem ergab sich kein Hinweis<br />

<strong>auf</strong> einen Effekt von Mikrowellen<br />

(2450 MHz) <strong>auf</strong> <strong>die</strong> Migration der DNA<br />

nach einer Exposition in ionisierender<br />

Strahlung <strong>mit</strong> oder ohne PK-Behandlung.<br />

Man folgert daraus, dass – im Gegensatz<br />

zu in-vivo-Stu<strong>die</strong>n – <strong>die</strong> in-vitro-Exposition<br />

in 2450-MHz-Mikrowellen nicht zur<br />

Bildung von Quervernetzungen zwischen<br />

DNA und DNA bzw. DNA und Protein führt.<br />

• F. Poulletier de Gannes, Frankreich,<br />

sprach zu „In vitro- und in vivo-Stu<strong>die</strong>n<br />

über <strong>die</strong> Wirkungen von 900 MHz-Strahlung<br />

des GSM-Systems <strong>auf</strong> <strong>die</strong> Entstehung<br />

von Hitzeschockproteinen in Gehirn<br />

und Haut“. Die Ergebnisse jüngster<br />

Forschungen zeigten, dass <strong>die</strong> Expression<br />

von Hitzeschockproteinen als Antwort <strong>auf</strong><br />

Hochfrequenzbefeldung im nicht-thermischen<br />

Bereich geschehen könne. Ziel sei<br />

es gewesen, <strong>die</strong> Expression von Hitzeschockproteinen<br />

in den beiden „Hauptzielgebieten“<br />

der Mobilfunkstrahlung, nämlich<br />

Gehirn und Haut, zu untersuchen. In<br />

beiden Fällen wurde eine in-vitro-Exposi-


tion sowie eine in-vivo-Exposition durchgeführt.<br />

Man konzentrierte sich <strong>auf</strong> <strong>die</strong><br />

27- und 70 kDa-Hitzeschockprotein-Familien.<br />

Methodik: Primäre Neuronen und Astrozyten<br />

wurden den Kleinhirnen von 4<br />

bzw. 9 Ratten un<strong>mit</strong>telbar nach der Geburt<br />

entnommen. Menschliche Nervenzelllinien<br />

(SH-SY5Y) und Astrozytenzelllinien<br />

der Ratte (C 6) bzw. des Menschen (U<br />

87) wurden ebenso als Modell verwendet.<br />

Wistar-Ratten wurden für in-vivo-Experimente<br />

verwendet.<br />

Primäre Keratinozyten- und Fibroblastenzellkulturen<br />

wurden aus Hautproben<br />

herauspräpariert, <strong>die</strong> bei der plastischen<br />

Chirurgie abfielen. Haarlose weibliche Ratten<br />

wurden für <strong>die</strong> in-vivo-Experimente<br />

verwendet. In-vitro-Exposition in GSM-<br />

900-Mikrowellen wurde durchgeführt,<br />

wobei eine wire patch-Antenne bei 2 W/<br />

kg 48 Stunden lang verwendet wurde (Befeldungszeit<br />

48 Std. für Hautzellen und 1<br />

Std. für Gehirnzellen). Scheinexponierte<br />

Proben wurden analog behandelt, wobei<br />

eine ausgeschaltete Antenne in einem<br />

zweiten identischen Inkubator Verwendung<br />

fand. Die Ratten wurden über zwei Wochen<br />

nach und nach an <strong>die</strong> Expositionseinrichtung<br />

(Raketen) gewöhnt. Danach<br />

wurden <strong>die</strong> Tiere exponiert bzw. scheinexponiert<br />

- und zwar eine Stunde (Gehirn<br />

und Haut) oder zwei Stunden (Haut) pro<br />

Tag an fünf Tagen in der Woche und <strong>die</strong>s<br />

vier Wochen lang. Die lokale Exposition<br />

in 900-MHz-Mikrowellen wurde <strong>mit</strong> einer<br />

Schleifenantenne an ausgewählten Stellen<br />

am Rücken oder Kopf der Tiere bei 2<br />

bzw. 4 W/kg bewerkstelligt.<br />

Nach der Exposition wurden <strong>die</strong> Zellen<br />

in 4prozentigem PBS-Paraformaldehyd fixiert<br />

und immunzytochemisch untersucht.<br />

Die Antikörper anti-Hsp27, anti-Hsc 70 und<br />

anti-Hsp 70 wurden bestimmt. Positivkontrollen<br />

<strong>auf</strong> Induktion von Hitzeschockproteinen<br />

wurden durchgeführt, indem <strong>die</strong><br />

verschiedenen Gehirnzellen einem Hitzeschock<br />

bei 45 °C 20 Minuten lang bzw. <strong>die</strong><br />

Hautzellen einer UV-Strahlung von 400<br />

mJ/cm2 über 24 Stunden ausgesetzt wurden.<br />

Am Ende der jeweils verblindet durchgeführten<br />

Experimente wurden <strong>die</strong> Tiere<br />

getötet und Hautproben oder Gehirne immunhistochemisch<br />

untersucht.<br />

Diskussion: Im Ergebnis zeigte sich, dass<br />

Hitzeschock sowie UV-Behandlung <strong>die</strong><br />

Expression aller Hitzeschockproteine in<br />

allen untersuchten Zellen steigerte. Drei<br />

unabhängige Experimente zeigten, dass <strong>die</strong><br />

Exposition <strong>mit</strong> GSM-Signalen bei 2 W/kg<br />

über Zeiträume von einer bzw. 48 Stunden<br />

nicht in der Lage war, in irgendeiner<br />

der untersuchten Zellen Hitzeschockproteine<br />

zu induzieren. Man kommt zu dem<br />

Schluss, <strong>die</strong> vorläufigen in-vitro-Daten<br />

würden dar<strong>auf</strong> hindeuten, dass GSM-900-<br />

Mikrowellen in Haut- und Gehirnzellen <strong>die</strong><br />

Induktion von Hitzeschockproteinen nicht<br />

induzieren können. Allerdings hätten andere<br />

Gruppen hier abweichende Ergebnisse<br />

erhalten – möglicherweise <strong>auf</strong>grund<br />

unterschiedlicher Empfindlichkeiten der<br />

Zellen gegenüber Hochfrequenzfeldern.<br />

• Kuokka, Finnland, hielt einen Vortrag<br />

über <strong>die</strong> Anwendbarkeit der Proteomikforschung<br />

bei der Untersuchung der<br />

Wirkung von Mobilfunkstrahlung <strong>auf</strong><br />

zwei Varianten humaner Endothelzelllinien.<br />

Ziel <strong>die</strong>ser Stu<strong>die</strong> war es zu bestimmen,<br />

wie <strong>die</strong> Proteomikforschung angewandt<br />

werden könne, um <strong>die</strong> Wirkung von<br />

Mobilfunkstrahlung unter Verwendung<br />

zweier unterschiedlicher menschlicher Endothelzellinien<br />

zu erforschen.<br />

Methodik: Menschliche Endothelzelllinien<br />

wurden in Petrischalen angezüchtet.<br />

Die Zellschichten wurden eine Stunde lang<br />

bei 37 +/- 0,3 °C einem GSM 900 MHz-<br />

Signal ausgesetzt. Dabei betrug der durchschnittliche<br />

SAR-Wert 2,4 W/kg. Un<strong>mit</strong>telbar<br />

nach der Exposition wurden <strong>die</strong> Zellen<br />

<strong>auf</strong>gesammelt und <strong>die</strong> Proteine extrahiert.<br />

Dar<strong>auf</strong> folgte eine zweidimensionale<br />

Gelelektrophorese. Die Eiweißflecken <strong>auf</strong><br />

den Gelen wurden <strong>mit</strong> Silberfärbung kenntlich<br />

gemacht. Die Eiweißtrennungsexperimente<br />

wurden für jede Zelllinie und für<br />

B B E E M M S S 2 2 0 0 0 0 0 3<br />

3<br />

jede Zellbehandlung (exponiert oder<br />

scheinexponiert) <strong>mit</strong> 10-maliger Wiederholung<br />

durchgeführt.<br />

Im Ergebnis zeigte sich, dass es möglich<br />

war, bei Verwendung der zweidimensionalen<br />

Gelelektrophorese ungefähr 1300<br />

Proteinflecken bei jeder Zelllinie zu entdecken.<br />

Der Vergleich der scheinexponierten<br />

<strong>mit</strong> den exponierten Zelllinien ergab<br />

einige Dutzend Proteinflecken, <strong>die</strong> statistisch<br />

signifikant durch <strong>die</strong> Feldexposition<br />

beeinflussbar waren (erhöhte oder erniedrigte<br />

Expression). Einige wenige <strong>die</strong>ser Flecken<br />

wurden für <strong>die</strong> Identifizierung durch<br />

Massenspektrometrie ausgewählt.<br />

Diskussion: Der Sinn der vorliegenden<br />

Stu<strong>die</strong> sei es gewesen zu bestimmen, wie<br />

gut eine Proteomikanalyse für <strong>die</strong> Erforschung<br />

der Effekte von Mobilfunkstrahlung<br />

<strong>auf</strong> verschiedene Zelllinien anwendbar<br />

sei. Es scheine nun, dass es sich dabei<br />

um eine wirkungsvolle Methode handele,<br />

um neue Zielproteine zu identifizieren, <strong>die</strong><br />

<strong>auf</strong> Mobilfunkstrahlung reagieren würden.<br />

In einigen Fällen sei es auch möglich gewesen,<br />

Änderungen der Proteinaktivität zu<br />

zeigen, <strong>die</strong> <strong>mit</strong> einer pH-Wert-Änderung<br />

vergesellschaftet seien. Da <strong>die</strong> Sensitivität<br />

der Methode jedoch begrenzt sei und häufig<br />

der Unterschied zwischen den Proben<br />

nicht ausreiche, sei <strong>die</strong> Methode allerdings<br />

lediglich in der Lage, mögliche Zielparameter<br />

<strong>auf</strong>zuzeigen. Weitere Untersuchungen<br />

<strong>mit</strong> zellbiologischen Methoden seien<br />

erforderlich, um <strong>die</strong> Zielparameter bewerten<br />

zu können.<br />

• C. Laramee, USA, sprach über kollektive<br />

Antworten der MCF-10A-Genexpression<br />

<strong>auf</strong> statische Magnetfelder. Die<br />

Antworten lebender Systeme <strong>auf</strong> äußere<br />

Agenzien in für <strong>die</strong> Umwelt relevanter<br />

Dosis seien häufig schwierig zu charakterisieren<br />

und zu reproduzieren. Wie viele<br />

andere selbstorganisierende Systeme seien<br />

auch biologische Systeme von Natur<br />

aus komplex, nichtlinear und dynamisch<br />

und <strong>die</strong> Charakteristika der einzelnen Komponenten<br />

reflektierten nicht notwendiger-<br />

19<br />

NEWS l e t t e r 3 . 03 19


BEMS<br />

weise auch das Typische des Gesamtsys-<br />

tems. So<strong>mit</strong> könnten Reaktionen solcher<br />

2003<br />

Gesamtsysteme <strong>auf</strong> bestimmte Störungen<br />

durchaus bei den individuellen Komponenten<br />

nicht beobachtbar sein, sondern nur<br />

in subtilen Änderungen der Gesamteigenschaften.<br />

Möglicherweise fielen elektromagnetische<br />

Felder auch in <strong>die</strong>se Kategorie<br />

von Umweltagenzien. Hier sei <strong>die</strong> Gen-<br />

Array-Technologie verwendet worden, um<br />

zu testen, ob kollektive Antwortreaktionen<br />

in der Lage seien, <strong>die</strong> Reaktion eines<br />

differenzierenden Zellsystems <strong>auf</strong> statische<br />

Magnetfelder zu charakterisieren.<br />

Material und Methoden: Dabei wurden<br />

zwei unabhängige Proben menschlicher<br />

Brustepithelzellen, MCF-10A, fünf Tage<br />

lang in statischen Magnetfeldern von 100<br />

Mikrotesla, 1 Millitesla sowie 10 Millitesla<br />

und 100 Millitesla exponiert. Die mRNA-<br />

Spiegel der Zellen wurden bestimmt, wobei<br />

einige Monate später ein Replikationsexperiment<br />

<strong>mit</strong> einer umgedrehten Expositionseinrichtung<br />

durchgeführt wurde, um<br />

Gra<strong>die</strong>ntenfelder des Inkubators zu erfassen.<br />

Im Ergebnis zeigte sich, dass der Differenzierungsprozess<br />

in <strong>die</strong>sem System eine<br />

wiederholte Antwort von initial schnellen<br />

Änderungen, gefolgt von einer Stabilisierung<br />

aller geschätzten Verteilungsparameter,<br />

der Entropie und PCA sowie ICA-Eigenvektoren<br />

darstellt. Die Reaktionen <strong>auf</strong><br />

<strong>die</strong> Expositionen waren auch in beiden<br />

Versuchen wiederholbar und weisen <strong>auf</strong><br />

einen unterschiedlichen Charakter der Antwort<br />

<strong>auf</strong> niedrigere (1 G bis 1000 G) sowie<br />

höhere (über 1000 G) Feldintensitäten hin.<br />

Diese Ergebnisse kennen eine wiederholte<br />

Antwort der Genexpression <strong>auf</strong> Exposition<br />

in statischen Magnetfeldern und illustrieren<br />

<strong>die</strong> Fähigkeit gemeinsamer Messparameter,<br />

um Systemantworten zu identifizieren.<br />

Kollektive, also gemeinsame, Eigenschaften<br />

sind oft schwierig zu quantifizieren<br />

und ihre komplexe Natur lässt eine<br />

Dosis-Wirkungsbeziehung unwahrscheinlich<br />

erscheinen. Alternativ können durch<br />

das Auswerten vieler intrazellulärer Kom-<br />

20 20<br />

20<br />

NEWS l e t t e r 3 . 03<br />

ponenten (Zellorganellen) kollektive Eigenschaften<br />

quantitativ charakterisiert und<br />

verwendet werden, um Antworten und<br />

Dosis-Wirkungsbeziehungen zu bestimmen,<br />

<strong>die</strong> andernfalls traditionelle Assays<br />

überfordern würden. In der Tat wurde gezeigt,<br />

dass <strong>die</strong> kollektive Analyse von Mikroarray-Messungen,<br />

<strong>die</strong> aus einem differenzierenden<br />

humanen Mammaepithelzellmodell<br />

stammten, eine reproduzierbare<br />

Dosis-Wirkungsbeziehung zur Exposition<br />

in statischen Magnetfeldern zeigte. Diese<br />

Ergebnisse demonstrieren den Vorteil und<br />

fördern <strong>die</strong> Entwicklung neuer experimenteller<br />

und analytischer Techniken, <strong>die</strong> <strong>auf</strong><br />

dem Prinzip komplexer selbstorganisierender<br />

Dynamiken basieren und <strong>die</strong> kollektiven<br />

Systemeigenschaften reflektieren.<br />

• M. Simkó, Deutschland, sprach über<br />

Zellaktivierungsprozesse durch elektrische<br />

und magnetische 50-Hz-Felder. Die<br />

Frage, ob und wie elektrische und magnetische<br />

50-Hz-Felder <strong>die</strong> Entwicklung von<br />

Krebs beeinflussen könnten, sei noch unbeantwortet.<br />

Da elektromagnetische Felder<br />

von der internationalen Krebsforschungsagentur<br />

(IARC) im Jahr 2001 als<br />

möglicher krebsauslösender Stoff beim<br />

Menschen eingestuft worden seien, wurde<br />

ein in-vitro-Versuch unternommen, um<br />

Aktivierungsprozesse zu untersuchen wie<br />

<strong>die</strong> Produktion freier Radikale oder <strong>die</strong> Freisetzung<br />

von Zytokinen durch primäre immunkompetente<br />

Zellen des Menschen und<br />

der Maus.<br />

Methodik: Mononukleäre Vorläuferzellen<br />

aus dem Schienbein und dem Oberschenkelknochen<br />

der Maus bzw. gefäßständige<br />

Monozyten aus der Nabelschnur des<br />

Menschen wurden <strong>mit</strong>tels Zentrifugation<br />

isoliert. Die zelluläre Produktion freier Radikale<br />

und Zytokine wurde in vitro täglich<br />

bis zum Tag 20 nach der Zellisolierung<br />

durchgeführt. Dabei führte sie aus, dass<br />

<strong>die</strong> Zellen 45 Minuten lang oder aber 24<br />

Std. lang einem magnetischen 50-Hz-Feld<br />

einer Flussdichte von 1,0 mT ausgesetzt<br />

wurden. Die Sauerstoffbestimmung ge-<br />

schah photometrisch bei einer Wellenlänge<br />

von 550 nm. Die Bildung von Interleukin-1b<br />

wurde <strong>mit</strong>tels eines ELISA2 bewerkstelligt.<br />

Messungen wurden entweder ohne<br />

Behandlung (Kontrollgruppe), <strong>mit</strong> 1 mM<br />

TPA versetzt, nach Exposition in magnetischen<br />

50-Hz-Feldern der Flussdichte 1 mT,<br />

nach Kombination einer Exposition in<br />

magnetischen 50-Hz-Feldern der Flussdichte<br />

1 mT <strong>mit</strong> 1 mM TPA sowie nach<br />

Hitzeexposition (40 °C) ausgeführt.<br />

Ergebnis: ein signifikanter Anstieg der<br />

Superoxidproduktion konnte bei menschlichen<br />

Monozyten und Mäusemakrophagen<br />

nach 45-minütiger Feldexposition und<br />

in gleicher Weise nach Behandlung <strong>mit</strong> 1<br />

mM TPA entdeckt werden. Kein zusätzlicher<br />

Anstieg der Superoxidproduktion<br />

konnte bei der Exposition in der magnetischen<br />

Flussdichte von 1 mT kombiniert<br />

<strong>mit</strong> 1 mM TPA beobachtet werden. Hitzeschockbehandlung<br />

zeigte ebenfalls einen<br />

signifikanten Anstieg der Superoxid-Freisetzung.<br />

Allerdings waren keine Unterschiede<br />

bezüglich der NO-Produktion nach<br />

Feldexposition zu beobachten. Ein signifikanter<br />

Anstieg der extrazellulären Interleukin-1b-Produktion<br />

wurde nach 24-stündiger<br />

Feldexposition beobachtet. Diese Ergebnisse<br />

zeigten, dass elektromagnetische<br />

Felder verschiedene Aspekte innerhalb biologischer<br />

Systeme beeinflussen würden.<br />

Insgesamt könnten <strong>die</strong> berichteten feldbedingten<br />

Reaktionen zu einer höheren<br />

Wahrscheinlichkeit des Auftretens von<br />

DNA-Schäden durch freie Radikale führen<br />

und so<strong>mit</strong> zu einem höheren Tumorrisiko.<br />

2 ELISA (= Abkürzung für Enzyme Linked Immuno-<br />

Sorbent Assay): Hochspezifisches und hochempfindliches<br />

Verfahren zur Bestimmung von Hormonen anhand<br />

von deren Antigen- bzw. Antikörpereigenschaften.<br />

Dazu werden Antikörper gegen Hormone benutzt.<br />

Das zugrundeliegende Prinzip ist <strong>die</strong> Antigen-Antikörper-Reaktion.<br />

Zur besseren Messbarkeit der entstehenden<br />

Antigen-Antikörper-Komplexe werden hierbei<br />

wiederum markierte Hormonmoleküle benutzt, <strong>die</strong><br />

durch eine Koppelung an ein Enzym gemessen werden<br />

können.


SITZUNG 5:<br />

IN-VITRO-STUDIEN III<br />

(Vorsitz: Richard Luben, USA,<br />

und Isabelle Lagroye, Frankreich)<br />

• A. J. Rosenspire, USA, sprach über<br />

das Real-Time-Monitoring des Stoffwechsels<br />

von neutrophilen Granulozyten durch<br />

sehr schwache magnetische Niederfrequenzfelder.<br />

Polarisierte und bewegliche<br />

neutrophile Granulozyten, Makrophagen<br />

und Tumorzellen zeigten charakteristische<br />

Oszillationen in ihrem Stoffwechsel wie<br />

etwa starke nahezu sinusförmige Fluktuationen<br />

der internen NAD(P)H-Konzentration<br />

<strong>mit</strong> einer Periodendauer von etwa 20<br />

Sekunden bei einer Temperatur von 37 °C.<br />

In solchen Zellen l<strong>auf</strong>e auch <strong>die</strong> Produktion<br />

von reaktiven Sauerstoffmetaboliten<br />

bzw. Stickstoffmonoxid periodisch ab und<br />

sei eng <strong>mit</strong> den NAD(P)H-Schwankungen<br />

korreliert. In früheren Experimenten habe<br />

man schon folgendes zeigen können: <strong>die</strong>se<br />

Zellen hätten nach etwa einminütiger<br />

Exposition in gepulsten Gleichfeldern oder<br />

elektrischen Wechselfeldern im Feldstärkebereich<br />

von 10 –5 bis 10 -4 V/m <strong>die</strong> Amplitude<br />

der NAD(P)H-Oszillationen ebenso<br />

wie <strong>die</strong> Produktion von reaktiven Sauerstoffmetaboliten<br />

bzw. Stickstoffmonoxid<br />

vervielfacht, wobei <strong>die</strong>se Erhöhung<br />

genauso lange gedauert habe wie <strong>die</strong> Applikation<br />

des elektrischen Feldes. Sei das<br />

elektrische Feld abgeschaltet worden, hätten<br />

sich <strong>die</strong> Kurven schnell normalisiert,<br />

ein Phänomen, für das man den Begriff<br />

„metabolische Resonanz“ geprägt habe.<br />

Ziel sei es gewesen zu bestimmen, ob<br />

der Stoffwechsel polarisierter neutrophiler<br />

Granulozyten (gemessen anhand von<br />

NAD(P)H-Spiegeln sowie der Entstehung<br />

reaktiver Sauerstoffmetaboliten bzw. von<br />

Stickstoffmonoxid) in Resonanz stehen<br />

könnte zu sehr schwachen gepulsten magnetischen<br />

Niederfrequenzfeldern – und<br />

zwar in ähnlicher Weise, wie <strong>die</strong>s für gepulste<br />

elektrische Felder erwiesen sei.<br />

Methodik: Aus dem frisch entnommenen<br />

Blut gesunder Probanden seien <strong>die</strong><br />

neutrophilen Granulozyten sofort <strong>mit</strong>tels<br />

Dichtegra<strong>die</strong>ntenzentrifugation isoliert<br />

worden. Sodann seien <strong>die</strong>se Zellen in einer<br />

Speziallösung suspen<strong>die</strong>rt und <strong>auf</strong> eine<br />

gläserne Zellkulturplatte <strong>auf</strong>gebracht worden.<br />

Letztere sei dann <strong>auf</strong> eine beheizbare<br />

Platte (37 °C) montiert worden, <strong>die</strong> wiederum<br />

an einem achsensymmetrisch inverten<br />

Fluoreszenzmikroskop befestigt war.<br />

Mit <strong>die</strong>ser Apparatur seien polarisierte adhärente<br />

Zellen ausgewählt worden. Mit<br />

Hilfe der Epifluoreszenzmikroskopie seien<br />

<strong>die</strong> ausgewählten Zellen einzeln ausgeleuchtet<br />

und NAD(P)H photometrisch bei<br />

einer Wellenlänge von 365 nm bestimmt<br />

worden. Die Zellen seien sodann gepulsten<br />

magnetischen Gleichfeldern im Flussdichtebereich<br />

von 0 bis 800 mT ausgesetzt<br />

worden, wobei das Ein- und Ausschalten<br />

der Spulen jeweils linear <strong>mit</strong> der Zeit geschehen<br />

sei und 20 Sekunden in Anspruch<br />

genommen habe. Dar<strong>auf</strong>hin sei <strong>die</strong> Wirkung<br />

von Magnetfeldpulsen <strong>auf</strong> das Verhalten<br />

von NAD(P)H innerhalb der Einzelzelle<br />

und zudem <strong>auf</strong> <strong>die</strong> Entstehung reaktiver<br />

Sauerstoffmetaboliten bzw. von Stickstoffmonoxid<br />

im Zwischenzellbereich unter<br />

Real-time-Bedingungen <strong>mit</strong> Hilfe entsprechender<br />

Fluoreszenz-Sonden gemessen<br />

worden.<br />

Im Ergebnis zeige sich, dass der Metabolismus<br />

polarisierter adhärenter neutrophiler<br />

Granulozyten dann <strong>mit</strong> äußeren gepulsten<br />

Magnetfeldern in Resonanz treffe,<br />

wenn <strong>die</strong> Magnetfeldpulse so appliziert<br />

würden, dass ihre Maxima <strong>mit</strong> den Minima<br />

der im 20-Sekunden-Rhythmus <strong>auf</strong>tretenden<br />

NAD(P)H-Oszillationen zusammenfielen.<br />

Die Amplitude der NAD(P)H-<br />

Oszillationen sowie <strong>die</strong> Spiegel reaktiver<br />

Sauerstoffmetaboliten bzw. von Stickstoffmonoxid<br />

im Zwischenzellbereich stiegen<br />

an, solange <strong>die</strong> Magnetfeldpulse anhalten<br />

würden, und fielen <strong>auf</strong> Normalwerte zurück,<br />

wenn <strong>die</strong> Pulse beendet würden.<br />

Weiterhin gebe es Hinweise dar<strong>auf</strong>, dass<br />

<strong>die</strong> Zellen eher <strong>auf</strong> induzierte gepulste elektrische<br />

Felder reagierten als <strong>auf</strong> <strong>die</strong> Magnetfelder<br />

allein.<br />

B B E E M M S S 2 2 0 0 0 0 0 3<br />

3<br />

Diskussion: Diese Experimente würden<br />

bestätigen, dass der Stoffwechsel neutrophiler<br />

Granulozyten in vitro deutlich <strong>auf</strong><br />

schwache extrem niederfrequente gepulste<br />

elektrische Felder reagierte – und zwar<br />

unabhängig davon, ob <strong>die</strong> Felder direkt<br />

appliziert oder durch magnetische Wechselfelder<br />

induziert würden. Dies bedeute,<br />

dass solche Felder verwendet werden könnten,<br />

um den Zellstoffwechsel ebenso zu<br />

beeinflussen wie <strong>mit</strong> Zytokinen oder Pharmaka.<br />

Da Magnetfelder das Gewebe leicht<br />

durchdringen, legten <strong>die</strong>se Experimente <strong>die</strong><br />

Hoffnung nahe, dass extrem niederfrequente<br />

gepulste magnetische Felder benutzt<br />

werden könnten, um den Zellstoffwechsel<br />

in vivo zu kontrollieren und so<strong>mit</strong><br />

auch von therapeutischem Wert sein<br />

könnten.<br />

• Z. P. Xu, China, sprach über <strong>die</strong> Aktivierung<br />

des Transkriptionsfaktors NF-kB<br />

bei HL-60-Zellen durch Niederfrequenzfelder.<br />

Die möglichen gesundheitlichen<br />

Effekte elektromagnetischer Felder hätten<br />

großes öffentliches Aufsehen erregt, gerade<br />

auch, was Wirkungen <strong>auf</strong> Kalziumhomöostase,<br />

Signaltransduktion, Genexpression<br />

und das Verhalten von HL-60-Zellen<br />

betreffe. Jedoch seien <strong>die</strong> Wirkungsmechanismen<br />

plausibel. Im beschriebenen Versuch<br />

solle vor allem <strong>auf</strong> eine mögliche<br />

Feldwirkung <strong>auf</strong> das Netzwerk der Signaltransduktion<br />

– und hier besonders <strong>auf</strong> den<br />

zellulären Transkriptionsfaktor NF-kB abgehoben<br />

werden, der an der Zellproliferation<br />

und -differenzierung sowie der<br />

Apoptose und Karzinogenese beteiligt sei.<br />

Normalerweise liege NF-kB – an seine inhibierenden<br />

Proteine gebunden – im Zellplasma<br />

in inaktiver Form vor. Infolge äußerer<br />

Reize werde es schnell freigesetzt und<br />

sei deshalb im vorliegenden Experiment<br />

als Zielsubstanz im Rahmen der Erforschung<br />

elektromagnetischer Feldwirkungen<br />

ausgewählt worden. Ziel war es zu<br />

klären, ob niederfrequente Magnetfelder<br />

NF-kB direkt aktivieren bzw. dessen Aktivierungsprozess<br />

in Gang setzen können.<br />

21<br />

NEWS l e t t e r 3 . 03 21


22 22<br />

22<br />

ze Reihe zellulärer Funktionen erfüllen wie<br />

BEMS<br />

NEWS l e t t e r 3 . 03<br />

Methodik: HL-60-Zellen wurden in magnetischen<br />

50-Hz-Feldern der Flussdichte<br />

0,1 mT für 0, 10, 30, 60, 120, 240 und 720<br />

Minuten exponiert, wobei zugleich Scheinexpositionsexperimente<br />

durchgeführt worden<br />

seien. Mit Hilfe eines Elektrophorese-<br />

Bewegungs-Assays seien <strong>die</strong> DNA-Bindungsaktivität<br />

von NF-kB bestimmt sowie<br />

<strong>die</strong> Komponenten des Bindungskomplexes<br />

nach Magnetfeldexposition analysiert worden.<br />

Diskussion: Im Ergebnis zeigte sich, dass<br />

<strong>die</strong> DNA-Bindungsaktivität von NF-kB<br />

nach 10 Minuten anstieg, nach 30 Minuten<br />

einen Spitzenwert erreichte und 4 Std.<br />

nach der Exposition <strong>auf</strong> einen basalen Wert<br />

zurückkehrte. Die Daten wiesen dar<strong>auf</strong> hin,<br />

dass NF-kB als Transkriptionsfaktor – ver<strong>mit</strong>telt<br />

durch Proteinkinase C - <strong>auf</strong> niederfrequente<br />

Magnetfelder reagiere.<br />

• L. A. Coulton, England, referierte über<br />

<strong>die</strong> Auslösung von Stressantworten in<br />

menschlichen Leukozyten (Feldeffekte im<br />

Vergleich zu Hitze). Zellen würden <strong>auf</strong><br />

Stressoren wie ionisierende Strahlung, Hitze<br />

und einige Chemikalien <strong>mit</strong> der Produktion<br />

von Stressproteinen reagieren (Hitzeschockproteine).<br />

Diese würden eine gan-<br />

Zellschutz. Ihre Freisetzung könne <strong>auf</strong><br />

mögliche Zellschäden hinweisen. Zielset-<br />

zung sei es gewesen, ob elektromagneti-<br />

2003<br />

sche Felder allein oder in Verbindung <strong>mit</strong><br />

mildem Stress eine Stressantwort der Zelle<br />

provozieren könnten, <strong>die</strong> ausreiche, um<br />

Hitzeschockproteine zu exprimieren. Diese<br />

Stressantwort der Zelle sollte <strong>mit</strong> derjenigen<br />

<strong>auf</strong> einen bekannten Stressor wie<br />

vor allem Hitze verglichen werden.<br />

Methodik: Menschliches Vollblut wurde<br />

in einem magnetischen 50-Hz-Feld exponiert,<br />

erzeugt durch ein Dreispulenexpositionssystem<br />

<strong>mit</strong> einem jeweiligen Spulenabstand<br />

von je 15 cm (Spulendurchmesser:<br />

25 cm; <strong>mit</strong> zentraler Vertikalachse<br />

und zahlreichen Windungen). Dies erlaubte<br />

eine Fülle von räumlichen Feldverteilungsmustern<br />

– auch und gerade durch<br />

<strong>die</strong> flexible Anordnung der einzelnen Kulturplatten<br />

und Plattenhalter in Relation zu<br />

den Einzelspulen, <strong>die</strong> jeweils verschiedene<br />

Felder erzeugen konnten. Bei <strong>die</strong>sem Experiment<br />

kamen gleichzeitig sechs verschiedene<br />

magnetische 50-Hz-Expositionsflussdichten<br />

zum Einsatz: 0, 20, 40, 60, 80<br />

und 100 mT. Mit Hilfe der Methode der<br />

reversen Transkriptase-Polymerase-Kettenreaktion<br />

(RT-PCR) wurde <strong>die</strong> Expression<br />

der Gene für <strong>die</strong> Hitzeschockproteine Hsp70<br />

und Hsp27 bestimmt. Im Blindversuch<br />

wurden in gleicher Weise nicht feldexponierte<br />

Vollblutproben sowie lediglich einer<br />

Temperatur von 42°C exponierte Vollblutproben<br />

untersucht.<br />

Diskussion: Eine Varianzanalyse zeigte<br />

hinsichtlich der Expression der Gene für<br />

Hitzeschockproteine keinerlei signifikante<br />

Unterschiede bei irgendeiner der verwendeten<br />

obengenannten magnetischen Flussdichten.<br />

In ähnlicher Weise zeigten Zellen,<br />

<strong>die</strong> zusätzlich zu den Magnetfeldern einem<br />

milden Hitzestress (40°C) ausgesetzt waren,<br />

keinen Zuwachs in der Genexpression,<br />

der über das Maß dessen hinausgegangen<br />

wäre, was bei den allein der Temperatur<br />

von 40°C ausgesetzten Vollblutproben <strong>auf</strong>trat:<br />

Der milde Stress also, nämlich 40°C,<br />

induzierte im Vergleich zur Temperatur von<br />

37°C einen mäßigen Anstieg in der Expression<br />

der Hitzeschockproteine Hsp27,<br />

Hsp70A und Hsp70B. Letzterer Anstieg<br />

konnte nochmals <strong>auf</strong> das 1,2- bis 3,6fache<br />

gesteigert werden, indem <strong>die</strong> Zellen 2 Stunden<br />

lang bei 42°C inkubiert wurden. Diese<br />

Befunde zeigten, dass <strong>die</strong> Zellen bei 40°C<br />

durchaus noch für weiteren Stress gerüstet<br />

waren, der durch elektromagnetische Feldexposition<br />

jedoch nicht bewirkt werden<br />

konnte. Diese Experimente wiesen dar<strong>auf</strong><br />

hin, dass <strong>die</strong> kontinuierliche Exposition von<br />

humanem Vollblut in magnetischen 50-Hz-<br />

Flussdichten bis 100 mT über 4 Stunden<br />

hinweg keine messbare Stressantwort<br />

menschlicher Leukozyten bei den gegebenen<br />

Versuchsbedingungen zeitigte. Im Gegenteil<br />

löste eine 2-stündige Exposition der<br />

Proben bei 42°C eine 5- bis 12fache Steige-


ung der Genexpression – abhängig <strong>vom</strong><br />

jeweiligen Hitzeschockprotein - <strong>auf</strong>.<br />

In der Summe habe sich also gezeigt,<br />

dass in <strong>die</strong>ser Stu<strong>die</strong> magnetische 50-Hz-<br />

Felder keine nachweisbaren Stresseffekte<br />

<strong>auf</strong> menschliche Leukozyten auslösen<br />

konnten.<br />

• G. R. Ding, Japan und China, referierte<br />

darüber, dass magnetische Niederfrequenzfelder<br />

das Zellüberleben von HL-<br />

60-Zellen erschweren, indem sie <strong>die</strong> wasserstoffperoxid-induzierte<br />

Apoptose und<br />

Nekrose <strong>die</strong>ser Zellen fördern. Es sei bewiesen,<br />

dass <strong>die</strong> Apoptose und Nekrose<br />

zwei verschiedene Arten des Zelltodes darstellten.<br />

Bei Zellschädigung stürben schwer<br />

geschädigte Zellen durch Nekrose, während<br />

leicht beschädigte Zellen durch<br />

Apoptose zugrunde gingen. Letztere spiele<br />

eine wichtige Rolle bei der Aufrechterhaltung<br />

der zellulären Homöostase. Kürzlich<br />

habe man Hinweise gefunden sowohl<br />

für eine steigernde wie auch für eine hemmende<br />

Wirkung magnetischer Felder <strong>auf</strong><br />

<strong>die</strong> Apoptoseneigung der Zellen. So war<br />

es das Ziel der vorliegenden Stu<strong>die</strong>, <strong>die</strong><br />

Wirkung von magnetischen 60-Hz-Feldern<br />

einer Flussdichte von 5 mT <strong>auf</strong> <strong>die</strong> wasserstoffperoxid-induzierte<br />

Apoptose bzw.<br />

Nekrose bei HL-60-Zellen zu untersuchen.<br />

Methodik: Menschliche HL-60-Zellen<br />

wurden nach entsprechender Vorbehandlung<br />

24 Stunden lang in magnetischen 60-<br />

Hz-Feldern einer Flussdichte von 5 mT<br />

exponiert bzw. scheinexponiert und zwar<br />

<strong>mit</strong> oder ohne Anwesenheit von 100 µM<br />

Wasserstoffperoxid im Kulturmedium.<br />

Im Ergebnis zeigte sich, dass <strong>die</strong> Anzahlen<br />

lebensfähiger Zellen, in der frühen bzw.<br />

späten Apoptose befindlicher Zellen sowie<br />

nekrotischer Zellen sich nach 24-stündiger<br />

Exposition in magnetischen 60-Hz-<br />

Feldern einer Flussdichte von 5 mT im<br />

Vergleich zu scheinexponierten Zellen offensichtlich<br />

nicht unterschieden. Nach 24stündiger<br />

Behandlung <strong>mit</strong> 100 µM Wasserstoffperoxid<br />

sank <strong>die</strong> Zahl lebensfähiger<br />

Zellen signifikant, während <strong>die</strong> Zahlen<br />

in der frühen bzw. späten Apoptose befindlicher<br />

Zellen sowie nekrotischer Zellen<br />

signifikant anstiegen. Magnetische 60-<br />

Hz-Felder einer Flussdichte von 5 mT verringerten<br />

also lebensfähige Zellen und vermehrten<br />

<strong>die</strong> durch Wasserstoffperoxid induzierten<br />

in der frühen bzw. späten Apoptose<br />

befindlichen Zellen sowie nekrotische<br />

Zellen signifikant.<br />

Diskussion: Man habe also in der vorliegenden<br />

Stu<strong>die</strong> zeigen können, dass <strong>die</strong><br />

Exposition von HL-60-Zellen in magnetischen<br />

60-Hz-Feldern einer Flussdichte von<br />

5 mT - für sich alleine genommen – weder<br />

Apoptose noch Nekrose induzieren könne,<br />

dass allerdings <strong>die</strong> gleichzeitige 24-stündige<br />

Exposition in Magnetfeldern und<br />

Wasserstoffperoxid <strong>die</strong> Anzahlen apoptotischer<br />

und nekrotischer Zellen im Vergleich<br />

zu Wasserstoffperoxidbehandlung<br />

allein signifikant erhöhte.<br />

Die Ergebnisse legten nahe, dass elektromagnetische<br />

Felder – obwohl sie Apoptose<br />

und Nekrose nicht induzieren können<br />

- dennoch einen starken Einfluss <strong>auf</strong> <strong>die</strong><br />

Förderung wasserstoffperoxid-induzierter<br />

Apoptose und Nekrose auszuüben in der<br />

Lage sind.<br />

• A. L. Kindzelskii, USA, sprach über<br />

<strong>die</strong> Rolle von Kalium- und Kalziumkanälen<br />

der Membran bei der zellulären<br />

Erkennung von extrem niederfrequenten<br />

gepulsten elektrischen Feldern durch<br />

menschliche humane neutrophile Granulozyten.<br />

Ziel sei es hier gewesen, <strong>die</strong> mögliche<br />

Rolle von Ionenkanälen bei der Wahrnehmung<br />

von Niederfrequenzfeldern durch<br />

neutrophile Granulozyten zu untersuchen.<br />

Methodik: Menschliche periphere neutrophile<br />

Granulozyten wurden gepulsten<br />

elektrischen Niederfrequenzfeldern ausgesetzt.<br />

Schwache elektrische Gleichfelder<br />

wurden kurz alle 20 Sekunden appliziert,<br />

sodass das Timing der Feldapplikation bestimmten<br />

intrazellulären chemischen Oszillatoren<br />

entsprach. In den Experimenten<br />

wurden der Kaliumleckkanal Kv 1.3 und<br />

Kalziumkanäle entweder nicht gekenn-<br />

B B E E M M S S 2 2 0 0 0 0 0 3<br />

3<br />

zeichnet oder blockiert oder <strong>mit</strong> bestimmten<br />

Substanzen gekennzeichnet und ihre<br />

Reaktionen im weiteren <strong>mit</strong> Hochgeschwindigkeitstechnik<br />

<strong>auf</strong>gezeichnet.<br />

Diskussion: Im Ergebnis zeigte sich in<br />

Übereinstimmung <strong>mit</strong> Galvanovskis und<br />

Sandbloms Vorhersage, dass polarisierte<br />

neutrophile Granulozyten, <strong>auf</strong> deren Zellmembranen<br />

<strong>die</strong> Kv 1.3- bzw. Kalziumkanäle<br />

an bestimmten Stellen stark konzentriert<br />

<strong>auf</strong>treten, <strong>auf</strong> schwache elektrische<br />

Felder reagierten, nicht jedoch sphärische<br />

Zellen <strong>mit</strong> einer zufälligen Verteilung der<br />

genannten Rezeptoren <strong>auf</strong> der Zellmembran.<br />

Die Zellreaktion bestand in einer Längenzunahme<br />

sowie einer Vergrößerung der<br />

Amplitude der intrazellulären NAD(P)H-<br />

Oszillationen, was als „metabolische Resonanz“<br />

bezeichnet wird.<br />

Der Autor schließt <strong>mit</strong> der Vermutung,<br />

dass ein angewandtes schwaches gepulstes<br />

elektrisches Feld <strong>die</strong> Signalübertragung<br />

in Kalziumkanälen <strong>vom</strong> T-Typ fördere.<br />

Zudem sei <strong>die</strong> Existenz von lokalen Kanalhäufungen<br />

<strong>auf</strong> der Zellmembran bestätigt<br />

worden, was möglicherweise der Signalverstärkung<br />

<strong>die</strong>nen könne.<br />

• H. R. Petty, USA, sprach über das<br />

„optische“ Transmembranpotential (OTP)<br />

neutrophiler Granulozyten: Charakterisierung<br />

zeitlicher Oszillationen und <strong>die</strong><br />

Identifizierung von Membranbezirken <strong>mit</strong><br />

erhöhtem Potential und Kaliumleckströmen.<br />

Wandernde neutrophile Granulozyten<br />

würden viele endogene Oszillationen<br />

zeigen, darunter bei den Kalziumsignalen,<br />

beim Stoffwechsel, beim Membranpotential,<br />

bei der Zusammenfügung des Zytoskeletts,<br />

bei der Rezeptorbindung, bei<br />

Formänderungen, der Produktion von<br />

Stickstoffmonoxid und Superoxiden. Da<br />

schwache elektrische Felder im Einklang<br />

<strong>mit</strong> <strong>die</strong>sen endogenen Oszillationen <strong>die</strong><br />

Eigenschaften und Funktionen der neutrophilen<br />

Granulozyten beeinflussen können,<br />

sollte in der vorliegenden Stu<strong>die</strong> das<br />

endogene Transmembranpotential jener<br />

Zellen charakterisiert werden.<br />

23<br />

NEWS l e t t e r 3 . 03 23


Methodik: Menschliche neutrophile<br />

Blutgranulozyten wurden gepulsten elektrischen<br />

Niederfrequenzfeldern ausgesetzt,<br />

wobei schwache elektrische Gleichfelder<br />

alle 20 Sekunden so appliziert wurden, dass<br />

<strong>die</strong> Zeitpunkte der Feldapplikation <strong>auf</strong> bestimmte<br />

intrazelluläre biochemische Oszillatoren<br />

abgestimmt waren. Sodann wurden<br />

<strong>die</strong> OTPs sowie Kaliumlecks jeweils<br />

<strong>mit</strong> entsprechenden Methoden bestimmt.<br />

Diskussion: Im Ergebnis zeigte sich, dass<br />

das OTP <strong>mit</strong> der Periodendauer von etwa 20<br />

Sekunden schwankte, obwohl zusätzlich<br />

schwächere Frequenzkomponenten registriert<br />

wurden. Die OTPs wiesen <strong>die</strong> Form<br />

<strong>auf</strong>steigender Sägezahnwellen <strong>mit</strong> periodischer<br />

Depolarisierung <strong>auf</strong>. Wie zu erwarten<br />

war, verschwanden <strong>die</strong> Oszillationen<br />

bei Zugabe bestimmter Kaliummengen.<br />

Man schließt <strong>mit</strong> der Feststellung, dass<br />

Methoden zur Analyse der zeitlichen und<br />

räumlichen Eigenschaften des OTP kleiner<br />

lebender Zellen entwickelt worden seien.<br />

Das Membranpotential weise bei wandernden<br />

Zellen zahlreiche vektorielle Eigenschaften<br />

<strong>auf</strong>, <strong>die</strong> früher unbekannt waren.<br />

Zudem werde das OTP durch schwache<br />

Niederfrequenzfelder beeinflusst, deren<br />

Phasen <strong>auf</strong> <strong>die</strong> Oszillationen abgestimmt<br />

seien. Jedoch sei der Wirkungsmechanismus<br />

wahrscheinlich ein indirekter und<br />

funktioniere über <strong>die</strong> Beeinflussung von<br />

Kationenströmen.<br />

• M. Iwasaka, Japan, referierte über <strong>die</strong><br />

Wirkungen von magnetischen Feldern <strong>auf</strong><br />

<strong>die</strong> virale Zellfusion <strong>mit</strong> dem Envelope-<br />

Protein des HIV-Virus. Die Virusinfektion<br />

<strong>mit</strong> dem HIV-Virus beginne <strong>mit</strong> dem<br />

Virusbefall von Zielzellen, wobei eine Fusion<br />

zwischen Zelle und Virus geschehe.<br />

Anhand von Paramyxoviren habe man den<br />

Fusionsmechanismus bereits identifizieren<br />

können. In der vorliegenden Stu<strong>die</strong> sollten<br />

mögliche Wirkungen magnetischer<br />

Felder <strong>auf</strong> ein Modellsystem der HIV-Infektion<br />

untersucht werden. Denn wenn<br />

detaillierte Bedingungen für Magnetfeldeffekte<br />

<strong>auf</strong> <strong>die</strong> Zellfusionsfunktion gefun-<br />

24 24<br />

24<br />

NEWS l e t t e r 3 . 03<br />

den würden, so könnte <strong>die</strong>s bei der Prävention<br />

bzw. bei der Behandlung der HIV-<br />

Infektion möglicherweise segensreich eingesetzt<br />

werden.<br />

Es wurden magnetische Flussdichten bis<br />

zu 14 T horizontal und 5 T vertikal (bei<br />

Reduktion der Schwerkraft um 20%) verwendet,<br />

um unter deren Einfluss <strong>die</strong> Riesenzellbildung<br />

(durch Zellfusion) <strong>mit</strong> Hilfe<br />

optischer Mikroskopie und Zellzählungen<br />

zu untersuchen.<br />

Diskussion: Im Ergebnis zeigte sich, dass<br />

eine vielkernige Riesenzelle nach 30-stündiger<br />

Inkubationszeit unter dem Einfluss<br />

von magnetischen Flussdichten von 4,7 T <strong>mit</strong><br />

einem vertikalen Feldgra<strong>die</strong>nten von 60 T/m<br />

<strong>auf</strong>trat. Im Kontrollversuch traten dabei mehrere<br />

vielkernige Riesenzellen <strong>auf</strong>, sodass von<br />

einer supprimierenden Wirkung vertikaler<br />

magnetischer Gra<strong>die</strong>ntenfelder <strong>auf</strong> <strong>die</strong> Zellfusion<br />

und <strong>die</strong> Bildung vielkerniger Riesenzellen<br />

ausgegangen werden muss.<br />

• M. D. Bek, Polen, sprach über <strong>die</strong> Wirkung<br />

von der glatten Muskulatur erzeugter<br />

elektrischer Felder und Ströme <strong>auf</strong><br />

<strong>die</strong> Trypsin-Aktivität. Ziel war es hier,<br />

<strong>die</strong> Wirkung elektrischer Felder und Ströme,<br />

wie sie in der glatten Muskulatur des<br />

Dünndarmes erzeugt werden, <strong>auf</strong> <strong>die</strong> Aktivität<br />

von Darmenzymen in vitro zu erforschen.<br />

Diese elektrische Aktivität zeigt<br />

ein speziesspezifisches regelmäßiges Muster,<br />

das als „Myoelektrischer Migrationskomplex<br />

des Dünndarmes“ bekannt ist.<br />

Methodik: Das wesentliche pankreatische<br />

Enzym Trypsin wurde in vitro im Vergleich<br />

zu Substraten wie Rinderserumalbumin,<br />

Schweineserumalbumin und Laktalbumin<br />

in verschiedenen Konzentrationen<br />

untersucht, wobei elektrische Ströme<br />

appliziert wurden, <strong>die</strong> dem myoelektrischen<br />

Migrationskomplex des Schweinedünndarmes<br />

entsprachen. Die Kontrollproben wurden<br />

nicht durchströmt. Alle Proben wurden<br />

bei 34°C/37°C drei Stunden lang inkubiert,<br />

wor<strong>auf</strong>hin <strong>die</strong> Aktivität des Trypsins<br />

in exponierten und Kontrollproben<br />

bestimmt wurde.<br />

Ergebnis: Elektrische Ströme, <strong>die</strong> dem<br />

myoelektrischen Migrationskomplex entsprechen,<br />

haben einen Einfluss <strong>auf</strong> <strong>die</strong><br />

Trypsin-Enzymaktivität. Die Ergebnisse<br />

zeigten – in Abhängigkeit <strong>vom</strong> jeweiligen<br />

Substrat – dabei sowohl erhöhte wie auch<br />

erniedrigte Werte der Trypsinaktivität. Dem<br />

müsse ein noch nicht völlig geklärter Wirkmechanismus<br />

zugrundeliegen.<br />

Sitzung 8: MEDIZINISCHE<br />

ANWENDUNGEN<br />

(Vorsitz: Anthony Barker, England, und<br />

Betty Sisken, USA)<br />

• R. Korenstein, Israel, sprach über <strong>die</strong><br />

chemotherapeutische Tumorbehandlung<br />

von Mäusen <strong>mit</strong> B16-Melanomen – verstärkt<br />

durch schwache elektrische Felder.<br />

Erfolgreiche Behandlungen solider<br />

Tumoren <strong>mit</strong> Chemotherapie hingen ab<br />

von der effektiven Durchdringung des therapeutischen<br />

Agens in <strong>die</strong> Zielzellen des<br />

Tumors. Man habe bereits zeigen können,<br />

dass <strong>die</strong> in-vitro-Exposition in<br />

schwachen gepulsten elektrischen Feldern<br />

eine effiziente Aufnahme von Makromolekülen<br />

in <strong>die</strong> Zellen über Endozytoseähnliche<br />

Prozesse ermögliche. Die vorliegende<br />

Stu<strong>die</strong> solle am Tiermodell der<br />

Maus <strong>die</strong> Wirksamkeit einer Kombination<br />

von schwachen elektrischen Feldern<br />

<strong>mit</strong> Chemotherapeutika gegenüber soliden<br />

Tumoren wie Melanomen untersuchen.<br />

Methodik: Subkutane Inokulation von<br />

C57BL/6-Mäusen <strong>mit</strong> B16-F10.9-Melanomzellen<br />

führte zur Tumorbildung. Nach<br />

11 bis 17 Tagen erreichte der Tumor in der<br />

Regel einen Durchmesser von 5 mm und<br />

wurde durch intratumorale Injektion der<br />

Chemotherapeutika Cisplatin, Bleomycin<br />

oder Taxol behandelt - gefolgt von einer<br />

elektrischen Stimulation des Tumors durch<br />

Nadelelektroden aus rostfreiem Stahl. Es<br />

wurde jeweils <strong>die</strong> gleiche elektrische Feldstärke<br />

von etwa 40 V/cm (Repetitionsfrequenz:<br />

500 Hz; Pulsbreite: 180 ms, ) ap-


pliziert, wobei <strong>die</strong> <strong>mit</strong> Nadelelektroden<br />

behandelten Tiere vorher anästhesiert worden<br />

waren.<br />

Diskussion: Die Befunde weisen dar<strong>auf</strong><br />

hin, dass eine durch <strong>die</strong> Applikation schwacher<br />

elektrischer Felder ergänzte Chemotherapie<br />

bei der Behandlung von Tieren<br />

<strong>mit</strong> Melanommetastasen effektiv sein kann.<br />

• K. Ito, Japan, referierte über eine Stu<strong>die</strong><br />

über <strong>die</strong> interstitielle Wärmetherapie<br />

großvolumiger Tumoren unter Kombination<br />

von interstitieller Mikrowellenhyperthermie<br />

<strong>mit</strong> interstitieller Radiotherapie.<br />

Ziel sei es gewesen, verschiedene<br />

Applikationstypen elektromagnetischer<br />

Felder, <strong>die</strong> schon früher zum Zwecke der<br />

Mikrowellenhyperthermie-Therapie entwickelt<br />

worden waren, hinsichtlich des Erwärmungsmusters<br />

in und um <strong>die</strong> Applikator-Anordnung<br />

herum zu erforschen, um<br />

großvolumige Tumoren unter Kombination<br />

von interstitieller Mikrowellenhyperthermie<br />

<strong>mit</strong> interstitieller Radiotherapie zu<br />

behandeln.<br />

Diskussion: Im Ergebnis erwies sich der<br />

Applikationstyp der optimierten Koaxial-<br />

Schlitz-Antenne, deren Erwärmungsmuster<br />

unabhängig von der Tiefe des Ansatzes<br />

der Antenne ist, als für <strong>die</strong> genannte Behandlung<br />

geeignet. Zudem sei <strong>die</strong> Berechnung<br />

des Erwärmungsmusters um <strong>die</strong> Ap-<br />

plikator-Anordnung herum wichtig im<br />

Hinblick <strong>auf</strong> klinische Stu<strong>die</strong>n.<br />

• V. R. Makar, USA, sprach über <strong>die</strong><br />

Wirkung von Millimeterwellen <strong>auf</strong> <strong>die</strong><br />

Aktivierung von Natural-Killer (NK)-Zellen.<br />

Hintergrund: Millimeterwellen finden<br />

in den Staaten der früheren Sowjetunion<br />

zur Behandlung vieler Erkrankungen breite<br />

Anwendung. Sie sollen <strong>die</strong> Toxizität der<br />

Chemotherapie reduzieren und deren Wirksamkeit<br />

erhöhen. Eine Stu<strong>die</strong> habe gezeigt,<br />

dass Mikrowellen <strong>die</strong> Funktion der T-Lymphozyten<br />

vor der Wirkung von Cyclophosphamid,<br />

einem gebräuchlichen Krebstherapeutikum,<br />

schützen könnten. Die vorliegende<br />

Stu<strong>die</strong> sollte nun untersuchen, ob<br />

Mikrowellen <strong>die</strong> Wirkung von Cyclophosphamid<br />

<strong>auf</strong> <strong>die</strong> Aktivität der NK-Zellen<br />

modulieren können, <strong>die</strong> im Rahmen der<br />

Tumorabwehr eine wichtige Rolle spielen.<br />

Diskussion: Im Ergebnis zeigte sich <strong>auf</strong><br />

der Basis von Flow-zytometrischen Untersuchungen<br />

der NK-Zellen, dass <strong>die</strong> Behandlung<br />

<strong>mit</strong> Cyclophosphamid <strong>die</strong> NK-Zellaktivität<br />

– gemessen anhand des Niveaus<br />

der CD69-Expression – deutlich steigerte<br />

– eine Wirkung, <strong>die</strong> durch zusätzliche Mikrowellenbestrahlung<br />

im Vergleich zu Kontrollen<br />

nochmals signifikant verstärkt werden<br />

konnte. Andererseits konnte Mikrowellenbestrahlung<br />

allein ohne Behandlung<br />

B B E E M M S S 2 2 0 0 0 0 0 3<br />

3<br />

<strong>mit</strong> Cyclophosphamid keinerlei Einfluss <strong>auf</strong><br />

<strong>die</strong> NK-Zellaktivität nehmen. Diese Stu<strong>die</strong>nergebnisse<br />

stellen also eine wissenschaftliche<br />

Basis für <strong>die</strong> Kombination von Mikrowellen-<br />

und Chemotherapie dar.<br />

• Y. Eguchi, Japan, referierte über <strong>die</strong><br />

Orientierungskontrolle bei Schwann’<br />

schen Zellen in ihrer Eigenschaft als Leitschienen<br />

der Nervenregeneration <strong>mit</strong> Hilfe<br />

magnetischer Gleichfelder. Zielsetzung<br />

und Methodik: Man habe geplant, <strong>die</strong> Orientierung<br />

von Schwann´schen Zellen der<br />

neugeborenen Ratte im Magnetfeld in ihrer<br />

Eigenschaft als Leitschienen der Nervenregeneration<br />

zu untersuchen. Dazu<br />

habe man in einem ersten Versuch <strong>die</strong><br />

Schwann’schen Zellen drei Tage lang in<br />

magnetischen Gleichfeldern einer Flussdichte<br />

von 8 T exponiert. Im zweiten Versuch<br />

habe man nach zweistündiger Exposition<br />

in magnetischen Gleichfeldern einer<br />

Flussdichte von 8 T das Wachstum<br />

von Schwann´schen Zellen in einer Mischung<br />

von letzteren <strong>mit</strong> Kollagen analysiert.<br />

Im Ergebnis hätten sich <strong>die</strong> Schwann’<br />

schen Zellen im ersten Versuch parallel<br />

zum Magnetfeld orientiert, während sie in<br />

der Kontrollgruppe zufällig ausgerichtet<br />

waren. Im zweiten Versuch war <strong>die</strong> Ver-<br />

25<br />

NEWS l e t t e r 3 . 03 25


26 26<br />

26<br />

NEWS l e t t e r 3 . 03<br />

teilung bzw. das „Strangmuster“ der<br />

Schwann’schen Zellen entlang der magnetisch<br />

orientierten Kollagenfasern ausgerichtet<br />

und im Kontrollversuch wiederum<br />

zufällig verteilt.<br />

Man kommt zu dem Schluss, dass <strong>die</strong><br />

Kontrolle der Ausrichtung von Strängen<br />

aus Schwann’schen Zellen durch Magnetfelder<br />

im Rahmen der Nervenregeneration<br />

nützlich sei – gerade auch beim „tissue<br />

engineering“ und in der Rehabilitationsmedizin.<br />

Sitzung 9:<br />

IN-VIVO-STUDIEN II<br />

(Vorsitz: Tsukasa Shige<strong>mit</strong>su, Japan,<br />

und Andrew Wood, Australien)<br />

• Y. Touitou, Frankreich, sprach über<br />

50-Hz-Magnetfelder im Rahmen der Melatonin-Hypothese.<br />

Aus dem Bereich der<br />

biologischen Wirkungen von Magnetfeldern<br />

<strong>auf</strong> Nagetiere war bislang eine senkende<br />

Wirkung <strong>auf</strong> <strong>die</strong> Sekretion des Zirbeldrüsenhormones<br />

Melatonin am ehesten<br />

reproduzierbar. Die klinischen Störungen,<br />

<strong>die</strong> <strong>mit</strong> einer Senkung der Melatoninsekretion<br />

bzw. <strong>mit</strong> Änderungen von deren<br />

zirkadianer Rhythmik in Verbindung gebracht<br />

werden (es handelt sich dabei hauptsächlich<br />

um Krebs, Befindlichkeitsstörungen<br />

und Verhaltensänderungen), lassen<br />

eine Erforschung der Wirkungen von Magnetfeldern<br />

<strong>auf</strong> den Menschen besonders<br />

wichtig erscheinen. Dies umso mehr, als<br />

einige epidemiologische Stu<strong>die</strong>n über das<br />

Vorliegen jener klinischen Symptome bei<br />

Personen berichtet haben, <strong>die</strong> in ihrem<br />

Wohn- und Arbeitsbereich solchen Feldern<br />

ausgesetzt sind. Ziel war es nun, bei Arbeitern<br />

<strong>die</strong> Melatonin-Sekretion rund um<br />

<strong>die</strong> Uhr zu untersuchen, <strong>die</strong> über Zeiträume<br />

von 1 bis 20 Jahren täglich sowohl am<br />

Arbeitsplatz als auch zu Hause in magnetischen<br />

50-Hz-Feldern exponiert waren.<br />

Methodik: 30 gesunde, körperlich aktive,<br />

männliche Freiwillige der gleichen Altersgruppe<br />

(15 <strong>mit</strong> und 15 ohne Expositi-<br />

on), <strong>die</strong> von 7 Uhr bis 23 Uhr wach und<br />

aktiv waren und in der übrigen Zeit nächtliche<br />

Ruhe einhielten, nahmen an der Stu<strong>die</strong><br />

teil, wobei <strong>die</strong> Expositionsgruppe aus<br />

15 Arbeitern bestand, <strong>die</strong> in einer Hochspannungsunterstation<br />

im Grossraum Paris<br />

arbeiteten und neben der Unterstation<br />

wohnten. Keine der 15 Kontrollpersonen<br />

arbeitete in einem Beruf, der <strong>mit</strong> ungewöhnlichen<br />

Magnetfeldexpositionen hätte<br />

verbunden sein können.<br />

Im Ergebnis erfuhren Menschen, <strong>die</strong> täglich<br />

20 Jahre und länger in Magnetfeldern<br />

exponiert waren, weder Änderungen des<br />

Plasmamelatoninspiegels, noch des 6-Sulfatoxy-Melatonins<br />

im Urin noch der Melatoninsekretionsrhythmik.<br />

Der Referent resümiert, dass eine chronische<br />

Exposition in Magnetfeldern bei chronisch<br />

(1 bis 20 Jahre) feldexponierten Männern<br />

keine kumulativen Wirkungen <strong>auf</strong> <strong>die</strong><br />

zirkadiane Rhythmik der Serum-Melatonin-<br />

Sekretion bzw. der 6-Sulfatoxymelatonin-<br />

Exkretion im Urin auszuüben scheint. Die<br />

vorliegende Stu<strong>die</strong> widerlegt also <strong>die</strong> Melatonin-Hypothese,<br />

<strong>die</strong> besagt, dass eine<br />

Senkung des Plasmamelatoninspiegels oder<br />

ein Zusammenbruch der Melatoninsekretion<br />

das Entstehen von Krebserkrankungen<br />

und anderen Gesundheitsstörungen erklären<br />

könne, <strong>die</strong> <strong>mit</strong> Magnetfeldern in Verbindung<br />

stehen sollen.<br />

• A. Ushiyama, Japan, referierte über<br />

<strong>die</strong> Wirkung subchronischer Exposition<br />

in magnetischen 50-Hz-Feldern <strong>auf</strong> <strong>die</strong><br />

kraniale Mikrozirkulation bei Mäusen <strong>mit</strong><br />

Hirntumoren. Zielsetzung und Methodik:<br />

Nur wenige Forschungsprojekte <strong>auf</strong> dem<br />

Gebiet der biologischen Wirkungen niederfrequenter<br />

elektromagnetischer Felder<br />

hätten bislang Feldeffekte <strong>auf</strong> <strong>die</strong> Mikorzirkulation<br />

in vivo getestet. Ziel sei es hier<br />

deshalb gewesen, innerhalb eines Schädelfensters<br />

der männlichen SCID-Maus (<strong>mit</strong><br />

kombinierter schwerer Immunschwäche)<br />

subchronische Wirkungen einer Ganzkörperexposition<br />

in Niederfrequenzfeldern <strong>auf</strong><br />

<strong>die</strong> Gehirnmikrozirkulation zu erforschen.


Hierbei war es möglich, <strong>die</strong>se Mikrozirkulation<br />

<strong>mit</strong> hoher Auflösung zu beobachten<br />

und eventuelle Effekte von 50-Hz-Feldern<br />

anhand eines Gehirntumormodells zu klären.<br />

Um letztere Effekte in vivo zu untersuchen,<br />

quantifizierte man das Wachstum<br />

implantierter Hirntumoren (= menschliche<br />

Gliomzellen, U87) sowie der Parameter der<br />

Mikrozirkulation des Hirntumorgewebes<br />

einschließlich der Gefäßdurchlässigkeit und<br />

der Leukozytenadhäsion innerhalb zweier<br />

Expositionsgruppen (unter dem Einfluss<br />

magnetischer 50-Hz-Flussdichten von 0,3<br />

mT bzw. 3 mT) und einer Kontrollgruppe<br />

(ohne Feldapplikation). Analoges wurde <strong>mit</strong><br />

zwei entsprechenden Expositionsgruppen<br />

und einer entsprechenden Kontrollgruppe<br />

nicht-tumortragender Mäuse durchgeführt.<br />

Die Expositionsdauer betrug dabei 19 Tage<br />

und 22 Stunden pro Tag. Bei allen Mäusen<br />

war vorher ein Schädelfenster zur mikroskopischen<br />

Untersuchung am lebenden Tier<br />

angelegt worden. Die eine Hälfte der Tiere<br />

hatte ein menschliches Gliom (U87) in das<br />

Schädelfenster implantiert bekommen, <strong>die</strong><br />

andere Hälfte war nur operiert worden.<br />

Im Ergebnis habe sich gezeigt, dass sich<br />

<strong>die</strong> gemessenen Hirntumorgrößen zu keinem<br />

Zeitpunkt innerhalb der drei Gruppen<br />

unterschieden. Dies weise dar<strong>auf</strong> hin, dass<br />

50-Hz-Felder das Wachstum von U87-Tumoren<br />

unter den gegebenen Feldexpositionsbedingungen<br />

weder beschleunigen<br />

noch abbremsen könnten. Da im umgebenden<br />

Gewebe des Tumors eine intensive<br />

Gefäßneubildung zu beobachten war – vergesellschaftet<br />

<strong>mit</strong> dem Tumorwachstum<br />

– wurden <strong>die</strong> Parameter der Mikrozirkulation<br />

sowie <strong>die</strong> Gefäßpermeabilität erst am<br />

16 Tag des Expositionszeitraumes bestimmt.<br />

Sie zeigten keinerlei statistisch signifikante<br />

Unterschiede zwischen den drei<br />

Gruppen. Allerdings war in der Gruppe der<br />

tumortragenden Mäuse <strong>die</strong> Permeabilität<br />

der Tumorgefäße nichtsignifikant größer<br />

als in der Gruppe der gesunden Mäuse.<br />

Die Leukozytenadhäsion nahm nach Feldexposition<br />

im Vergleich zur Kontrollgruppe<br />

tendenziell, jedoch nichtsignifikant zu.<br />

Auch beeinflusste <strong>die</strong> Feldexposition<br />

nicht <strong>die</strong> Zytokin-Spiegel (IL-1b und TNFa)<br />

im Serum. Man schließt <strong>mit</strong> der Feststellung,<br />

dass subchronische Exposition in<br />

magnetischen 50-Hz-Feldern das Wachstum<br />

von Hirntumoren sowie <strong>die</strong> Parameter<br />

der Mikrozirkulation einschließlich der<br />

Funktion der Blut-Hirn-Schranke im Bereich<br />

der weichen Hirnhaut nicht beeinflussen<br />

könne. Nichtsignifikante Feldeffekte<br />

<strong>auf</strong> <strong>die</strong> Leukozytenadhäsion erforderten<br />

eine weitere Abklärung hinsichtlich ihrer<br />

physiologischen Bedeutung.<br />

• O. Mattson, Schweden, hielt ein Referat<br />

<strong>mit</strong> dem Titel „Niederfrequente magnetische<br />

Sinusfelder schützen Hühnerembryonen<br />

vor UV-induziertem Tod“.<br />

Ziel sei es gewesen zu untersuchen, ob<br />

niederfrequente magnetische Felder bei unterschiedlichen<br />

Frequenzen, Flussdichten<br />

und Polarisationen bei Hühnerembryonen<br />

einen Schutz vor UV-Strahlen bieten können.<br />

Einige Veröffentlichungen hätten dar<strong>auf</strong><br />

hingewiesen, dass niederfrequente Magnetfelder<br />

bei Hühnerembryonen gegen <strong>die</strong><br />

tödlichen Wirkungen verschiedener Stressoren<br />

schützen könnten. Da <strong>die</strong>se Experimente<br />

leicht zu replizieren seien und zudem<br />

eine effektive Möglichkeit darstellten, um<br />

mechanistische Aspekte der Magnetfelddexposition<br />

in weiteren Stu<strong>die</strong>n abzuklären,<br />

sollte in der vorliegenden Stu<strong>die</strong> zum<br />

einen <strong>die</strong> Replikation versucht werden und<br />

zum anderen mögliche Frequenzabhängigkeiten<br />

getestet werden, ebenso wie <strong>die</strong> Wirkungen<br />

verschiedener magnetischer Flussdichten<br />

und Ausrichtungen der applizierten<br />

Felder. Zudem sollte <strong>die</strong> Möglichkeit<br />

der Induktion von Hitzeschockproteinen<br />

durch Immunoblotting überprüft und untersucht<br />

werden, ob letztere in den bekannten<br />

Schutzmechanismus involviert<br />

sein könnten.<br />

Methodik: Befruchtete Hühnereier wurden<br />

96 Stunden lang bei 37,7 °C inkubiert.<br />

Als Zwischenschritt wurden <strong>die</strong> Hühnerembryonen<br />

in Magnetfeldern 20 Minuten<br />

lang exponiert bzw. scheinexponiert, ge-<br />

B B E E M M S S 2 2 0 0 0 0 0 3<br />

3<br />

folgt von einer 75-minütigen UV-Bestrahlung<br />

(0,4 mW/cm2 bei 254 nm). Danach<br />

wurde <strong>die</strong> Vitalität 3 Stunden lang alle 30<br />

Minuten anhand der Herzschläge überwacht.<br />

Alle Versuche wurden verblindet<br />

und in Anwesenheit des magnetischen Feldes<br />

der Erde durchgeführt.<br />

Im Ergebnis zeigte sich, dass eine kurzzeitige<br />

Exposition in einem vertikalen<br />

Magnetfeld bei 50 bzw. 60 Hz Hühnerembryonen<br />

gegen schädliche Effekte eines<br />

nachfolgend applizierten Hochfrequenzfeldes<br />

schützen könne. Diese Wirkung könne<br />

hier nicht der entsprechenden Flussdichte<br />

zugeschrieben werden, sondern möglicherweise<br />

der elektrischen Feldstärke, wie man<br />

anhand der nicht vorhandenen allgemeinen<br />

Schutzwirkung bei horizontal ausgerichtetem<br />

Magnetfeld habe ersehen können.<br />

Lediglich bei vertikaler – und nicht<br />

bei horizontaler - Ausrichtung der 50- bzw.<br />

60-Hz-Magnetfelder habe sich bei den<br />

Flussdichten 10, 50 und 100 mT also ein<br />

signifikanter Unterschied zu den scheinexponierten<br />

Hühnerembryonen dahingehend<br />

ergeben, dass <strong>die</strong> Magnetfeldexposition<br />

Schutz vor nachfolgender UV-Bestrahlung<br />

gewährte. Eine Dosis-Wirkungsbeziehung<br />

habe man allerdings nicht ableiten<br />

können. Künftig müsse der molekulare<br />

Mechanismus hinter der magnetfeldinduzierten<br />

UV-Protektion erforscht werden.<br />

• E. B. Petersen, USA, trug vor über <strong>die</strong><br />

Wirkungen direkter elektrischer Durchströmung<br />

<strong>auf</strong> <strong>die</strong> Expression von BMP 2,<br />

4, 6, 7-, BFGF-, VEGF-, FGF2- und ALK-<br />

2-Rezeptoren in einem Kaninchenmodell<br />

der posterolateralen Wirbelfusion. Die<br />

operative Verschmelzung der posterolateralen<br />

Transversalfortsätze der Wirbelsäule<br />

wird heute von Wirbelsäulenchirurgen<br />

häufig durchgeführt. Die direkte elektrische<br />

Durchströmung als zusätzliche Therapie<br />

in der Wirbelsäulenchirurgie ergab<br />

erhöhte Fusionsraten. Jedoch wurde<br />

bislang der zugrundeliegende biologische<br />

Mechanismus nicht voll verstanden. An<br />

einem Kaninchenmodell konnten Morone<br />

27<br />

NEWS l e t t e r 3 . 03 27


et al. zeigen, dass <strong>die</strong> Fusionsmasse unter<br />

Durchströmungseinfluss <strong>mit</strong> elektrischem<br />

Gleichstrom verschiedene <strong>mit</strong> der Knochenneubildung<br />

in Verbindung stehende<br />

Gene verstärkt exprimierte.<br />

Ziel der vorliegenden Stu<strong>die</strong> war es, das<br />

zeitliche und räumliche Muster der spezifischen<br />

Genexpression in einem Kaninchenmodell<br />

der Wirbelsäulenfusion zu stu<strong>die</strong>ren.<br />

Die mRNA-Spiegel von BMP 2, 4,<br />

6, 7, VEGF, bFGF und ALK 2 sollten <strong>mit</strong><br />

und ohne direkte elektrische Durchströmung<br />

<strong>mit</strong> Gleichstrom untersucht werden.<br />

Methodik: 30 skelettreife Weiße Neuseeland<br />

Kaninchen im Gewichtsbereich von<br />

4,5 bis 5,5 kg wurden einer doppelseitigen<br />

Wirbelfusionsoperation unterzogen, wobei<br />

körpereigenes Gewebe aus dem Darmbeinkamm<br />

<strong>mit</strong>verwendet wurde. Die eine Hälfte<br />

der Tiere <strong>die</strong>nte als Kontrolle und der<br />

anderen Hälfte wurde ein implantierbarer<br />

elektrischer Gleichstromstimulator (100<br />

mA) eingesetzt – und zwar im Bereich der<br />

von der Kortexschicht befreiten Transversalfortsätze<br />

vor der Einsetzung des Autotransplantates.<br />

Nach Tötung der Tiere an<br />

den postoperativen Tagen 3, 7, 14, 21 und<br />

28 wurden <strong>die</strong> Fusionsmassen gesichert<br />

und <strong>die</strong> Gesamt-RNA wurde aus verschiedenen<br />

Bereichen innerhalb der Fusionsmasse<br />

extrahiert. Die mRNA-Spiegel von<br />

BMP 2, 4, 6, 7, VEGF, bFGF und ALK 2<br />

wurden <strong>mit</strong> Hilfe der Real-Time RT-Polymerase-Kettenreaktion<br />

untersucht.<br />

Ergebnis: Diese Stu<strong>die</strong> zeige erstmalig<br />

an einem Tiermodell des Kaninchens zur<br />

Wirbelfusion eine Hochregulierung der<br />

Genexpression infolge direkter elektrischer<br />

Durchströmung. An den Tagen 3, 7, 14, 21<br />

und 28 nach Durchströmung <strong>mit</strong> Gleichstrom<br />

der Stärke 100 mA konnten<br />

beispielsweise signifikante Steigerungen der<br />

Expression bestimmter Gene <strong>auf</strong> über das<br />

20fache beobachtet werden. Dies lege den<br />

Verdacht nahe, dass spezifische Gene, <strong>die</strong><br />

für <strong>die</strong> Gefäß-, Knorpel- und Knochenbildung<br />

<strong>mit</strong>verantwortlich seien, durch elektrische<br />

Gleichströme vermehrt exprimiert<br />

würden und so<strong>mit</strong> <strong>die</strong> klinisch beobacht-<br />

28 28<br />

28<br />

NEWS l e t t e r 3 . 03<br />

bare vermehrte Knochenneubildung nach<br />

Durchströmungstherapie ver<strong>mit</strong>teln würden.<br />

Da eine erfolgreiche Wirbelfusion eine<br />

exakte zeitliche und räumliche Abstimmung<br />

vieler Gene erfordere, müsse es einen optimalen<br />

Zeitpunkt für <strong>die</strong> Durchströmungstherapie<br />

geben, der in weiteren Experimenten<br />

erforscht werden solle.<br />

• O. Hiwaki, Japan, sprach über <strong>die</strong><br />

Wirkungen von magnetischen 50-Hz-Feldern<br />

<strong>auf</strong> <strong>die</strong> zirkadiane Bewegungsrhythmik<br />

bei Ratten. Die senkende Wirkung<br />

von 50- bzw. 60-Hz-Feldern <strong>auf</strong> <strong>die</strong> nächtliche<br />

Melatonin-Sekretion sei bekannt –<br />

ebenso wie <strong>die</strong> Tatsache, dass <strong>die</strong> Melatoninausschüttung<br />

der Zirbeldrüse einen<br />

zirkadianen Rhythmus <strong>auf</strong>weise, der auch<br />

den zirkadianen Rhythmus der Bewegungsaktivität<br />

triggere. Ziel <strong>die</strong>ser Stu<strong>die</strong> sei es<br />

gewesen zu prüfen, ob Niederfrequenzfelder<br />

den zirkadianen Bewegungsrhythmus<br />

von Ratten beeinflussen könnten.<br />

Methodik: Männliche Albino-Wistar-<br />

Ratten lebten 2 Wochen lang unter einem<br />

12:12-stündigen Tag/Nacht-Rhythmus und<br />

wurden dann in Käfige verbracht, <strong>die</strong> <strong>mit</strong><br />

einem L<strong>auf</strong>rad ausgerüstet waren, dessen<br />

Bewegungen von einem Computer erfasst<br />

wurden. 2 weitere Wochen lang lebten <strong>die</strong><br />

Tiere nun unter Bedingungen der vollständigen<br />

Dunkelheit – gefolgt von einer 24stündigen<br />

Periode in einem homogenen<br />

magnetischen 50-Hz-Feld der Flussdichte<br />

30 mT, das von einem quadratischen Merritt-4-Spulensystem<br />

innerhalb eines magnetisch<br />

geschirmten abgedunkelten Raum<br />

erzeugt wurde. Eine Ratte wurde dabei<br />

jeweils in einem Haltegerät aus Plastik fixiert<br />

und einmal von links nach rechts,<br />

einmal von ventral nach dorsal und einmal<br />

von anterior nach posterior befeldet.<br />

Danach wurde sie in den Käfig zurückgebracht<br />

und <strong>die</strong> L<strong>auf</strong>radaktivität wurde erneut<br />

gemessen. Der Betrag der Phasenverschiebung<br />

der Bewegungsaktivität wurde<br />

durch Vergleich der Zeitpunkte des jeweiligen<br />

Bewegungsbeginns (des L<strong>auf</strong>rades)<br />

vor und nach Magnetfeldexposition er<strong>mit</strong>-<br />

telt. Im Ergebnis zeigte sich nach 24-stündiger<br />

Exposition in einem homogenen magnetischen<br />

50-Hz-Feld der Flussdichte 30<br />

mT eine Phasenverschiebung der zirkadianen<br />

Bewegungsaktivität nach vorne, deren<br />

Ausmaß von der Ausrichtung des Magnetfeldes<br />

abhing. Die vorliegende Stu<strong>die</strong><br />

legt also den Verdacht nahe, dass <strong>die</strong> Exposition<br />

von Ratten in einem niederfrequenten<br />

Magnetfeld den zirkadianen<br />

Rhythmus der Bewegungsaktivität beeinflussen<br />

könne, wobei das Ausmaß der Phasenverschiebung<br />

von der Richtung des applizierten<br />

Magnetfeldes abhängen könne.<br />

• M. J. McLean, USA, hielt einen Vortrag<br />

<strong>mit</strong> dem Titel „Ein statisches Magnetfeld<br />

moduliert audiogene Anfälle und<br />

<strong>die</strong> Phenytoinempfindlichkeit in einem<br />

Mausmodell“. Ziel sei es gewesen zu prüfen,<br />

ob ein statisches Magnetfeld <strong>mit</strong> einem<br />

starken Feldgra<strong>die</strong>nten senkrecht zum<br />

lokalen Feldvektor Anfälle bei Mäusen<br />

kontrollieren könne, und ob <strong>die</strong>ses Feld<br />

<strong>mit</strong> dem antikonvulsiven Arznei<strong>mit</strong>tel Phenytoin<br />

interagieren könne.<br />

Methodik: DBA/2-Mäuse im Alter von<br />

26 bis 30 Tagen (von zwei verschiedenen<br />

Züchtern) wurden vor den Experimenten<br />

in offenen Röhren gehalten und teilweise<br />

vor Beginn der Experimente 1 bis 30 Minuten<br />

lang (an bestimmten Stellen <strong>auf</strong> dem<br />

Magnetfeldgenerator) in einem magnetischen<br />

Gleichfeld (siehe unten) exponiert<br />

bzw. scheinexponiert, wobei bei einer<br />

Gruppe der 30-minütigen Behandlung eine<br />

intraperitoneale Gabe von Phenytoin 2<br />

Stunden vor Beginn der Experimente vorausgegangen<br />

sei. Während der akustischen<br />

Stimulation wurden frei bewegliche Mäuse<br />

in einem geschlossenen Raum beobachtet.<br />

Ein Lautsprecher im Augenlid lieferte<br />

dabei <strong>mit</strong> Unterbrechungen gemischtfrequente<br />

Töne eines Lautstärkepegels von<br />

120 Dezibel. Unbehandelt nahmen <strong>die</strong><br />

Anfälle folgenden Verl<strong>auf</strong>: wildes Herumrennen,<br />

der Verlust des Aufrichtens, klonisches<br />

Zucken, tonisches Strecken der<br />

unteren Extre<strong>mit</strong>äten und Tod und dauer-


ten etwa 1 bis 2 Minuten. Die Auftretenswahrscheinlichkeit<br />

der einzelnen Anfallssta<strong>die</strong>n<br />

bei den verschiedenen Mäusestämmen<br />

wurde analysiert.<br />

Im Ergebnis zeigte sich, dass <strong>die</strong> Anfallshäufigkeit<br />

nach Vorbehandlung <strong>mit</strong><br />

einem magnetischen Gleichfeld in Abhängigkeit<br />

von dessen Flussdichte und Expositionsdauer<br />

abnahm. Die einzelnen Mäusestämme<br />

reagierten im Vergleich zu Kontrolltieren<br />

unterschiedlich <strong>auf</strong> <strong>die</strong> Vorbehandlung<br />

<strong>mit</strong> einem standardisierten magnetischen<br />

Gleichfeld der Flussdichte 5,27<br />

mT bei einem senkrechten Feldgra<strong>die</strong>nten<br />

von 0,24 T/m: So traten bei den DBA/2C-<br />

Mäusen nach Magnetfeldexposition<br />

lediglich 50% der Krampfanfälle <strong>auf</strong>, während<br />

bei den DBA/2J-Mäusen tonisches<br />

Strecken der unteren Extre<strong>mit</strong>äten und der<br />

Tod um etwa 60% reduziert wurden. Die<br />

Dosis-Wirkungskurve für Phenytoin war<br />

bei den im Magnetfeld vorbehandelten<br />

Mäusen im Vergleich zur Kurve der<br />

scheinexponierten Mäuse um den Faktor<br />

3 bis 4 nach links verschoben. Zudem<br />

erwies sich das Symptom des klonischen<br />

Zuckens bei den DBA/2J-Mäusen bei al-<br />

leiniger Phenytoin-Behandlung als resis-<br />

BEMS<br />

tent, während <strong>die</strong>ses Symptom bei einer<br />

Kombinationstherapie <strong>mit</strong> magnetischem<br />

B B E E M M S S 2 2 0 0 0 0 0 3<br />

3<br />

Gleichfeld signifikant seltener <strong>auf</strong>trat. Die-<br />

2003<br />

se Befunde belegen eine antikonvulsive<br />

Wirksamkeit der Vorbehandlung <strong>mit</strong> <strong>die</strong>sem<br />

magnetischen Gleichfeld, weiterhin<br />

eine Interaktion <strong>mit</strong> Phenytoin und<br />

schließlich ein neuartiges Ansprechverhalten<br />

<strong>auf</strong> Phenytoin.<br />

Sitzung 11:<br />

IN-VIVO-STUDIEN III<br />

(Vorsitz: Guglielmo D´Inzeo, Italien, und<br />

Ewa Herbst, USA)<br />

• E. R. Adair, USA, hielt einen Vortrag<br />

zum Thema „Wie zentrale Thermosensoren<br />

den Wärmeverlust des menschlichen<br />

Körpers während der Ganzkörperexposition<br />

in Hochfrequenzfeldern unter Reso-<br />

nanzbedingungen kontrollieren können“.<br />

Untersuchungen an Tier und Mensch<br />

würden belegen, dass auch dann, wenn<br />

keine Änderungen der Körperkern- und<br />

Oberflächentemperaturen gemessen werden<br />

könnten, <strong>die</strong> Mechanismen der Thermoregulation<br />

mobilisiert würden, um <strong>die</strong><br />

Wärme im Körper zu verteilen, <strong>die</strong> während<br />

Hochfrequenzexposition unter Resonanzbedingungen<br />

im Körpergewebe<br />

entstanden sei.<br />

Methode: Ziel war es also, <strong>die</strong> Lokalisationen<br />

temperaturempfindlicher Neurone<br />

im Corpus mammillare, ihre Funktionscharakteristika<br />

sowie ihre selektive Stimulierbarkeit<br />

durch absorbierte Hochfrequenzenergie<br />

zu untersuchen. Dazu wurde <strong>mit</strong><br />

Hilfe der FD-TD-Methode (Finite Difference-Time<br />

Domain) der Körper eines 70<br />

kg schweren sitzenden erwachsenen Menschen<br />

modelliert und <strong>die</strong>ser dann verwendet,<br />

um <strong>die</strong>jenige Hochfrequenz zu er<strong>mit</strong>teln,<br />

<strong>die</strong> <strong>die</strong> Wärmerezeptoren im Zentralnervensystem<br />

optimal stimulieren und spezifische<br />

Mechanismen der Wärmeverteilung<br />

in Gang setzen könne.<br />

Ergebnis und Schlussfolgerung: Während<br />

der Ganzkörperexposition des Körpers<br />

in Hochfrequenzfeldern können periphere<br />

Wärmerezeptoren wirksam umgangen werden,<br />

wobei zentrale Wärmerezeptoren an<br />

ihre Stelle treten. Es ist wohl bekannt, dass<br />

kleine Temperaturänderungen in wärmeempfindlichen<br />

Neuronen – entweder peripher<br />

oder zentral lokalisiert – physiologische<br />

Antworten i<strong>mit</strong>ieren können. Während<br />

einer Ganzkörperexposition von Menschen<br />

in Hochfrequenzfeldern unter Resonanzbedingungen<br />

können so<strong>mit</strong> <strong>die</strong> peripheren<br />

Wärmerezeptoren wirksam umgangen werden<br />

und zentrale Wärmerezeptoren, wie z. B.<br />

in den medialen präoptischen und anterioren<br />

hypothalamischen Kerngebieten, können <strong>die</strong><br />

Thermoregulation kontrollieren.<br />

• S. T. Lu, USA, sprach darüber, dass<br />

mikrowelleninduzierte Reaktionen der<br />

Kolontemperatur und der Serum-Kortikosteron-Konzentration<br />

bei Ratten von<br />

29<br />

NEWS l e t t e r 3 . 03 29


30 30<br />

30<br />

NEWS l e t t e r 3 . 03<br />

wechselnden Versuchsbedingungen abhängig<br />

sind. Mikrowellenexposition höherer<br />

Intensität und Dauer könne Erhöhungen<br />

der Kolontemperatur und der Serumkortikosteronspiegel<br />

bei Ratten und<br />

Affen steigern.<br />

Ziel <strong>die</strong>ser Stu<strong>die</strong> war es, <strong>die</strong> Wärmeabhängigkeit<br />

der mikrowelleninduzierten<br />

Nebennierenrindenaktivierung unter wechselnden<br />

experimentellen Bedingungen zu<br />

erforschen.<br />

Methodik: Männliche Long-Evans-Ratten<br />

wurden bei Temperaturen von 24 +/<br />

-1 °C unter beliebiger Wasser- und Nahrungszufuhr<br />

an einen 12-stündigen Licht-<br />

Dunkel-Zyklus gewöhnt (Lichtphase: 8.00<br />

Uhr bis 20.00 Uhr). Nach Akklimatisation<br />

wurden <strong>die</strong> Tiere sodann innerhalb einer<br />

abgeschirmten gedämpften Kammer in verschieden<br />

starken amplitudenmodulierten<br />

Mikrowellen nach einer 3-stündigen Äquilibrierungsphase<br />

2 Stunden lang exponiert<br />

bzw. scheinexponiert. Dabei wurden in jede<br />

Behandlung mindestens 8 Versuchstiere<br />

eingeschlossen. Un<strong>mit</strong>telbar nach der Exposition<br />

wurde <strong>die</strong> Kolontemperatur gemessen<br />

und nach Tötung der Tiere <strong>die</strong> Kortikosteron-Konzentration<br />

bestimmt. Folgende<br />

Expositionstypen wurden gewählt:<br />

1. Exposition tagsüber bei 24 °C;<br />

2. Erleichterte Wärmeabgabe durch<br />

Haarentfernung 24 Stunden vor der Feldexposition<br />

unter Barbituratanästhesie;<br />

3. Exposition tagsüber bei 24 °C innerhalb<br />

einer abgeschirmten gedämpften<br />

Kammer, <strong>die</strong> ihrerseits von Umweltfaktoren<br />

weitgehend abgeschirmt war;<br />

4. Exposition tagsüber bei 28 °C innerhalb<br />

einer abgeschirmten gedämpften<br />

Kammer, <strong>die</strong> ihrerseits von Umweltfaktoren<br />

weitgehend abgeschirmt war;<br />

5. Nächtliche Exposition von Tieren, <strong>die</strong><br />

über einen Zeitraum von 4 Wochen an<br />

einen umgekehrten Tag-Nacht-Rhythmus<br />

gewöhnt wurden (Licht an von 20.00 Uhr<br />

bis 8.00 Uhr);<br />

Ergebnis: Zum einen steigerte ein erleichterter<br />

Wärmeverlust <strong>die</strong> Schwellenwerte für<br />

mikrowelleninduzierte Hyperthermie von<br />

2,1 W/kg <strong>auf</strong> 6,3 W/kg und zum anderen<br />

stieg dadurch <strong>die</strong> mikrowelleninduzierte<br />

Erhöhung der Kortikosteron-Konzentration<br />

von 6,3 W/kg <strong>auf</strong> 8,4 W/kg an.<br />

Eine Temperatursteigerung von 24 °C <strong>auf</strong><br />

28 °C senkte <strong>die</strong> Schwellenwerte sowohl<br />

für mikrowelleninduzierte Erwärmung als<br />

auch für <strong>die</strong> mikrowelleninduzierte Erhöhung<br />

der Kortikosteronkonzentration von<br />

6,3 W/kg <strong>auf</strong> 4,2 W/kg. Der Grad der Spontanaktivität<br />

steigerte sich während der<br />

Nacht. Eine erhöhte Spontanaktivität zeigte<br />

sich bei den nächtlich scheinexponierten<br />

Tieren auch in Steigerungen der Kolontemperatur<br />

wie auch in einem erhöhten<br />

Kortikosteron-Spiegel. Während Dunkelheit<br />

und Mikrowellenexposition waren <strong>die</strong><br />

Schwellenwerte für Änderungen der Kolontemperatur<br />

unverändert. Allerdings<br />

sank <strong>die</strong> Kolontemperatur bei nächtlich <strong>mit</strong><br />

2,1 W/kg und 4,2 W/kg exponierten Tieren<br />

im Vergleich zur scheinexponierten<br />

Gruppe. Die mikrowelleninduzerte Hyperthermie<br />

(<strong>mit</strong> 6,3 W/kg und darüber) war in<br />

ihrem Ausmaß von der Tageszeit der Exposition<br />

unabhängig. Der obere noch tolerierbare<br />

Grenzwert der Exposition <strong>die</strong>ser<br />

Ratten lag bei 10,5 W/kg. Aufgrund einer<br />

erhöhten Kortikosteron-Basiskonzentration<br />

stiegen <strong>die</strong> Schwellenwerte für eine Steigerung<br />

der Kortikosteron-Ausschüttung<br />

von 6,3 W/kg <strong>auf</strong> 8,4 W/kg.<br />

Schlussfolgerung: Eine Aktivierung der<br />

Nebennierenrinde während der Mikrowellenexposition<br />

sei eindeutig ein thermischer<br />

Effekt, der <strong>vom</strong> Ausmaß der induzierten<br />

Hyperthermie abhänge. Die Umgebungsbedingungen,<br />

<strong>die</strong> <strong>die</strong> effektive Hitzespeicherung<br />

modifizieren können, wie<br />

beispielsweise <strong>die</strong> Kerntemperatur, können<br />

deshalb das Ausmaß der Aktivierung der<br />

Nebennierenrinde verändern, wie <strong>die</strong>s auch<br />

durch <strong>die</strong> Erhöhung des Kortikosteron im<br />

Serum von männlichen Long-Evans-Ratten<br />

angezeigt wurde.<br />

• P. Ullsperger et al., Berlin, demonstrierte<br />

ein vielbeachtetes Poster <strong>mit</strong> dem<br />

Titel


„Der Einfluss elektromagnetischer Felder<br />

des TETRA-Kommunikationssystems<br />

<strong>auf</strong> <strong>die</strong> bioelektrische Aktivität des Gehirns<br />

gesunder Menschen“<br />

Obwohl gegenwärtig keine Hinweise <strong>auf</strong><br />

eine gesundheitliche Beeinträchtigung<br />

durch TETRA-typische Felder existieren,<br />

wurde – auch um eine Forschungslücke<br />

<strong>auf</strong> dem Gebiet der Wirkung von TETRA-<br />

Feldern <strong>auf</strong> das Elektroenzephalogramm<br />

zu schließen – der im folgenden beschriebene<br />

Versuch von der Berliner Gruppe<br />

durchgeführt. Ziel war es dabei auch, TE-<br />

TRA-Wirkungen <strong>auf</strong> das Verhalten und <strong>die</strong><br />

bioelektrische Aktivität des Gehirns gesunder<br />

Probanden zu untersuchen <strong>mit</strong> einem<br />

Schwerpunkt bei bewegungsassoziierten<br />

langsamen evozierten Potentialen (Slow<br />

Brain Potentials = SP), <strong>die</strong> sich in früheren<br />

Stu<strong>die</strong>n unter dem Einfluss typischer Felder<br />

von GSM-Mobiltelefonen als beeinflussbar<br />

erwiesen hatten.<br />

Methode: Im einzelnen absolvierten 10<br />

gesunde männliche Rechtshänder eine<br />

komplexe visuelle Versuchsbatterie (<strong>die</strong><br />

von Freude et al. 1998 und 2000 beschrieben<br />

wurde), um Slow Brain Potentials (SP)<br />

im Hirnstrombild (EEG) zu provozieren. Die<br />

Probanden mussten im randomisierten<br />

Blindversuch <strong>mit</strong> und ohne Einfluss eines<br />

elektromagnetischen Feldes im einzelnen<br />

einen schnell im Gegenuhrzeigersinn rotierenden<br />

Uhrzeiger nach genau drei Umdrehungen<br />

möglichst in der Zwölfuhrposition<br />

anhalten, indem sie <strong>mit</strong> dem rechten<br />

Zeigefinger <strong>auf</strong> eine Maustaste drückten.<br />

Diese Aufgabe erforderte ein relativ<br />

hohes Maß an Konzentration und Aufmerksamkeit.<br />

Das EEG wurde <strong>mit</strong>tels 30 Elektroden<br />

abgeleitet, <strong>die</strong> <strong>auf</strong> einer kommerziell<br />

erhältlichen Nylonkappe befestigt waren.<br />

Zudem wurde das Elektrookulogramm<br />

(EOG) abgeleitet, um Bewegungsartefakte<br />

durch <strong>die</strong> Augenmuskeln auszuschließen.<br />

Alle EEG-Kanäle wurden in Bezug zur<br />

Scheitel-Elektrode <strong>auf</strong>gezeichnet und <strong>die</strong><br />

verstärkten EEG und EOG-Signale wurden<br />

kontinuierlich zusammen <strong>mit</strong> den Tastendrücken<br />

der Probanden registriert. Die Sig-<br />

nale wurden von Artefakten bereinigt, <strong>mit</strong><br />

einem Tiefpass gefiltert und ge<strong>mit</strong>telt,<br />

nachdem <strong>die</strong> Baseline korrigiert worden<br />

war. Die SP wurden im Zeitraum 2500ms<br />

vor dem Tastendruck bis 500ms danach<br />

<strong>auf</strong>gezeichnet. So konnten <strong>die</strong> <strong>mit</strong>tleren<br />

SP-Amplituden im Zeitraum 500ms vor<br />

dem Tastendruck bis zu letzterem berechnet<br />

werden.<br />

Das 380,25 MHz Feld <strong>mit</strong> einer Rahmenwiederholungsfrequenz<br />

von 17,65 Hz<br />

(TETRA 25-<strong>Stand</strong>ard, Rahmenweite 56,67<br />

ms) wurde von einer Antenne an der linken<br />

Kopfseite der Teilnehmer abgestrahlt<br />

(Spitzenleistung: 2 W; Effektivwert: 0,5 W;<br />

maximaler SAR-Wert: 1,35 mW/g). Um sicherzustellen,<br />

dass <strong>die</strong> Teilnehmer das Feld<br />

nicht wahrnehmen konnten, wurde <strong>die</strong><br />

Antenne von einem Ultrahochfrequenzgenerator<br />

<strong>mit</strong> Verstärker im Nebenraum be<strong>die</strong>nt<br />

und versorgt.<br />

Im Ergebnis zeigte sich, dass sich <strong>die</strong><br />

untersuchten Parameter der Teilnehmer<br />

unter dem Einfluss beider Feldtypen in<br />

keiner Weise unterschieden. Zudem ergab<br />

eine statistische Analyse der SP-Parameter<br />

keinerlei Einfluss des TETRA-Kommunikationssystems<br />

<strong>auf</strong> <strong>die</strong> SP hinsichtlich<br />

der bioelektrischen Aktivität des Gehirns.<br />

Die vorläufigen Ergebnisse weisen unter<br />

den gegebenen Untersuchungsbedingungen<br />

nicht dar<strong>auf</strong> hin, dass TETRA-typische<br />

elektromagnetische Felder <strong>die</strong> langsamen<br />

EEG-Potentiale beeinflussen oder<br />

auch den da<strong>mit</strong> verbundenen Aufmerksamkeitsprozess,<br />

der durch <strong>die</strong> SP und andere<br />

Parameter wiedergegeben wird. Während<br />

GSM-typische Felder <strong>die</strong> SP in früheren<br />

Versuchen beeinflussten – möglicherweise<br />

durch Erhöhung des zentralnervösen<br />

Aktivitätsniveaus – hatte <strong>die</strong> Pulsmodulation<br />

des Hochfrequenzsignals <strong>mit</strong> der<br />

Frequenz 17,6 Hz in <strong>die</strong>ser Stu<strong>die</strong> keinen<br />

Einfluss <strong>auf</strong> ausgewählte EEG-Parameter.<br />

Diese Stu<strong>die</strong> soll ergänzt werden durch<br />

weitere kognitive Tests und <strong>die</strong> Untersuchung<br />

von deren EEG-Korrelaten unter<br />

dem Einfluss von TETRA-typischen Feldmustern.<br />

B B E E M M S S 2 2 0 0 0 0 0 3<br />

3<br />

SITZUNG 13: SYMPOSIUM I:<br />

Präsentation der Ergebnisse<br />

des REFLEX-Programmes der<br />

Europäischen Union<br />

(Vorsitz: Franz Adlkofer, Deutschland)<br />

• F. Adlkofer, VERUM-Stiftung, München,<br />

stellte in seinem Einführungsreferat<br />

das unter dem 5. Rahmenprogramm<br />

der Europäischen Union <strong>mit</strong> dem Titel<br />

„Lebensqualität und lebende Ressourcen,<br />

Key Action 4: Umwelt und Gesundheit“<br />

finanzierte REFLEX-Projekt und <strong>die</strong> daran<br />

beteiligten Forschungspartner kurz<br />

vor.<br />

Diese hätten <strong>die</strong> Aufgabe übernommen,<br />

offene Fragestellungen im Zusammenhang<br />

<strong>mit</strong> der Wirkung elektromagnetischer Felder<br />

<strong>auf</strong> zellulärer, subzellulärer und molekularer<br />

Ebene im Rahmen von Arbeitspaketen<br />

zügig abzuklären. Im einzelnen würden<br />

<strong>die</strong>se Arbeitspakete direkte und indirekte<br />

genotoxische Effekte von elektromagnetischen<br />

Feldern sowie Feldwirkungen<br />

<strong>auf</strong> Differenzierung und Funktion embryonaler<br />

Stammzellen beinhalten. Weiterhin<br />

würden Effekte <strong>auf</strong> Proteinbiosynthese und<br />

Genexpression, zudem auch Feldwirkungen<br />

<strong>auf</strong> Zelltransformation und Apoptose<br />

erforscht. Eines der Arbeitspakete betreffe<br />

auch <strong>die</strong> sehr entscheidende Qualitätskontrolle,<br />

d. h. <strong>die</strong> Expositionsbedingungen,<br />

unter denen verschiedene Zelllinien in<br />

elektromagnetischen Feldern untersucht<br />

werden, sowie <strong>die</strong> Dosis- und Temperaturmessung,<br />

um reproduzierbare und verlässliche<br />

Daten zu erhalten (für Details siehe<br />

unten: Vortrag von S. Schuderer).<br />

Das REFLEX-Projekt sei im einzelnen<br />

folgendermaßen <strong>auf</strong>gebaut:<br />

A) Expositionssysteme, Dosimetrie und<br />

Qualitätskontrolle, zuständig: J. Schuderer<br />

und N. Kuster, Swiss Federal Institute<br />

of Technology, Zürich, Schweiz;<br />

B) Genotoxische Effekte niederfrequenter<br />

Felder <strong>auf</strong> menschliche Zellen in vitro,<br />

zuständig: H. W. Rüdiger, Institut für Arbeitsmedizin<br />

der Universität Wien, Österreich;<br />

31<br />

NEWS l e t t e r 3 . 03 31


F) Wirkungen nieder- und hochfrequen-<br />

BEMS<br />

32 32<br />

32<br />

Universität Hannover, Deutschland;<br />

2003<br />

NEWS l e t t e r 3 . 03<br />

C) Genotoxische Effekte hochfrequenter<br />

Felder <strong>auf</strong> Zellkulturen in vitro, zuständig:<br />

R. Tauber, Institut für Biochemie und<br />

Pathobiochemie, Freie Universität Berlin,<br />

Deutschland;<br />

D) Wirkungen niederfrequenter Felder<br />

<strong>auf</strong> <strong>die</strong> Genexpression bei Mäuse-Zelllinien,<br />

zuständig: A. Wobus, Institut für Pflanzengenetik,<br />

Gaterleben, Deutschland;<br />

E) Wirkungen hochfrequenter Felder <strong>auf</strong><br />

<strong>die</strong> Gene und <strong>die</strong> Proteinexpression in vitro,<br />

zuständig: D. Leszczynski, Behörde für<br />

Strahlenschutz und Sicherheit kerntechnischer<br />

Anlagen, Helsinki, Finland;<br />

ter Felder <strong>auf</strong> <strong>die</strong> Zellproliferation und<br />

Zelldifferenzierung, zuständig: H.-A. Kolb,<br />

G) Wirkungen nieder- und hochfrequenter<br />

Felder <strong>auf</strong> den Prozess der Apoptose,<br />

zuständig: I. Lagroye, PIOM, Universität<br />

Bordeaux, Frankreich;<br />

Im weiteren Verl<strong>auf</strong> wurden einige<br />

Schwerpunkte des REFLEX-Programmes<br />

und ihre Ergebnisse vorgestellt:<br />

• S. Schuderer, ITIS, Zürich, betonte<br />

im Rahmen seines Vortrages über Expositionssysteme<br />

und dosimetrische Qualitätskontrolle<br />

innerhalb des REFLEX-Projektes,<br />

dass das Ziel seiner Gruppe vor allem<br />

darin bestanden habe, für möglichst viele<br />

Expositionsanlagen des REFLEX-Projektes<br />

<strong>die</strong> von Kuster im Jahr 2000 definierten<br />

Mindestanforderungen an Versuchsanlagen<br />

für Bioexperimente einzuhalten. Diese<br />

bestünden unter anderem in der Verwirklichung<br />

homogener Felder über einen<br />

großen dynamischen Bereich hinweg, in<br />

der Minimierung von Vibrationen und<br />

Feldabweichungen durch Temperaturschwankungen<br />

sowie in der Verwirklichung<br />

doppelblinder Versuchsprotokolle,<br />

wobei alle relevanten Expositions- und<br />

Umweltparameter während der Exposition<br />

<strong>auf</strong>gezeichnet würden. Weiterhin sollten<br />

<strong>die</strong> applizierten Felder worst-case-Bedingungen<br />

repräsentieren, wie sie bei GSM-<br />

Feldern in der Umwelt vorkommen könnten<br />

ebenso wie bei magnetischen Niederfrequenzfeldern<br />

hinsichtlich Feldstärke und<br />

Amplitudenmodulation. Einige Partnerlabore<br />

mussten <strong>mit</strong> neuen optimierten Expositionssystemen<br />

ausgerüstet werden.<br />

Eine zusätzliche Anforderung bestand darin,<br />

dass <strong>die</strong> Qualität der Expositionen aus<br />

einer gewissen Entfernung <strong>auf</strong>rechterhalten,<br />

überwacht und <strong>auf</strong>gezeichnet werden<br />

konnte.<br />

Die Evaluierung, Optimierung und Charakterisierung<br />

des Versuchs<strong>auf</strong>baues wurde<br />

<strong>mit</strong>tels numerischer und experimenteller<br />

Techniken bewerkstelligt. Die Simulationssoftware<br />

SEMCAD <strong>die</strong>nte der Analyse<br />

der Versuchs<strong>auf</strong>bauten im Hochfrequenzbereich.<br />

Auf hoch<strong>auf</strong>lösende FDTD-<br />

Modelle <strong>mit</strong> exakter Detailerfassung wie<br />

beispielsweise präzise Meniskusmodelle der<br />

Fest/Flüssig-Phasengrenze wurde ebenso<br />

Wert gelegt wie <strong>auf</strong> exakte Erfassung aller<br />

Plastikteile der Schalen und Schalenhalter.<br />

Gekoppelte elektrothermische Simulationen<br />

wurden durchgeführt, um <strong>die</strong> Feldund<br />

Temperaturverteilung ebenso wie <strong>die</strong><br />

Temperaturflüsse während der Exposition<br />

zu erfassen. Die Versuchs<strong>auf</strong>bauten <strong>mit</strong><br />

Niederfrequenz wurden mathematisch analysiert<br />

und optimiert, indem <strong>die</strong> entsprechenden<br />

analytischen Gleichungen gemäß<br />

dem Gesetz von Biot-Savart angewandt<br />

wurden. Diese Vorgehensweise erlaubt <strong>die</strong><br />

Berechnung der magnetischen Feldverteilung<br />

basierend <strong>auf</strong> der räumlichen Stromkonfiguration<br />

der Spulen. Die numerischen<br />

Ergebnisse wurden <strong>mit</strong>tels des Nahfeldscanners<br />

DASY 3 überprüft, der sowohl<br />

<strong>mit</strong> <strong>auf</strong> Niederfrequenz geeichten E- und<br />

H-Feldsonden, als auch <strong>mit</strong> Hochfrequenzund<br />

Temperatursonden ausgestattet war.<br />

Zudem enthielt er eine Hall-Sonde. Zudem<br />

wurden Vibrationen <strong>mit</strong>tels eines Akzelerometers<br />

erfasst.<br />

Bislang seien fünf HF- und vier ELF-<br />

Expositionsanlagen in den Labors des Konsortiums<br />

der VERUM-Forschergruppe eingerichtet<br />

worden, <strong>die</strong> er detailliert darstellt:<br />

So basiere das neue HF-Expositionssys-


tem <strong>auf</strong> einem dualen resonanten Wellenleitersystem,<br />

das in einen <strong>Stand</strong>ardinkubator<br />

eingebaut sei (Trägerfrequenz: 1800<br />

MHz, dynamischer Bereich: 0,1 mW/kg –<br />

100 W/kg; Abweichung der SAR <strong>vom</strong> Einheitswert:<br />

kleiner 30 Prozent; stochastische<br />

Modulationssignale <strong>mit</strong> einer Punktlänge<br />

von 16 k und einer Frequenz unter<br />

15 MHz; Temperaturmessung und verblindeter<br />

Befeldung). Die Signalerzeugung der<br />

Hochfrequenzversuchsapparatur basiert <strong>auf</strong><br />

einem Hochfrequenzsignalgenerator, der<br />

durch einen Zufallsgenerator gesteuert<br />

wird. Für <strong>die</strong> Niederfrequenzversuchsapparatur<br />

wird der Zufallsgenerator zusammen<br />

<strong>mit</strong> einem Rahmengenerator verwendet.<br />

Verschiedene definierte GSM-Felder<br />

sowie für Hochspannungsleitungen typische<br />

Feldmuster können erzeugt und appliziert<br />

werden. Zudem können <strong>die</strong> Signale<br />

durch stochastische an/aus-Zyklen moduliert<br />

werden. Ein Datenerfassungssystem<br />

wird verwendet, um zeitgleich <strong>die</strong> Datenströme<br />

des Feld- und Temperaturverl<strong>auf</strong>s<br />

sowie der Belüftung zu erfassen.<br />

Die verwendete Software kreiert Muster<br />

typischer in der Umwelt vorkommender<br />

Befeldungen, <strong>die</strong> bis zu vier Freiheitsgrade<br />

enthalten, zudem kontrolliert und überwacht<br />

sie alle Geräte und Sensoren. Vor dem<br />

Experiment führt sie Tests durch, um zu<br />

überprüfen, ob alle Geräte innerhalb des<br />

Systems normal arbeiten. Während der<br />

Exposition werden alle Parameter alle 10<br />

Sekunden <strong>auf</strong>gezeichnet. Die gesamte Kommunikation<br />

zwischen dem Computer und<br />

den Endgeräten wird zeitlich zugeordnet<br />

und registriert. Dies erlaubt eine Rekonstruktion<br />

des gesamten Experimentes. Eine<br />

permanente Qualitätskontrolle der Exposition<br />

werde durch <strong>die</strong> zentrale Analyse der<br />

Messdaten garantiert, <strong>die</strong> in verschlüsselter<br />

Form nach Zürich gesandt würden.<br />

Zusätzlich zu dem beschriebenen Expositionssystem<br />

würden sowohl der Versuchs<strong>auf</strong>bau<br />

zur Exposition von Zellen nach<br />

Laval et al. aus dem Jahr 1999 als auch<br />

der STUK-Resonator nach Toivo et al. aus<br />

dem Jahr 2001 für <strong>die</strong> Experimente bei<br />

900 MHz verwendet. Zudem seien zwei<br />

Spulensysteme aus dem Hospital Ramon y<br />

Cajal, Madrid, sowie von der Universität<br />

Bologna in Verwendung, <strong>die</strong> nicht näher<br />

spezifiziert wurden.<br />

Kommentar: Die Vorgehensweise des<br />

Swiss Federal Institute of Technology, Zürich,<br />

Schweiz, scheint solide zu sein (und<br />

dem „state of science“ zu entsprechen) in<br />

dem Bemühen, eine dem neuesten <strong>Stand</strong><br />

der Technik gemäße möglichst exakt reproduzierbare<br />

Felderzeugung einschließlich<br />

optimaler Dosimetrie zu garantieren.<br />

Besonders haben uns auch <strong>die</strong> umfangreichen<br />

Maßnahmen zur Qualitätskontrolle<br />

überzeugt - ebenso wie der große mathematische<br />

Aufwand, der für eine möglichst<br />

exakte Felderzeugung und –messung nötig<br />

ist. Die genannten Punkte sind unerlässliche<br />

Voraussetzungen für Ergebnisse<br />

von hoher Reliabilität und Validität und<br />

so<strong>mit</strong> für weiteren Erkenntnisgewinn im<br />

Sinne der Aufgabenstellung des REFLEX-<br />

Programmes. Wünschenswert wäre es hier<br />

allenfalls gewesen, Genaueres über <strong>die</strong><br />

Methoden der zentralen Qualitätskontrolle<br />

zur Aufrechterhaltung einer optimalen<br />

Feldqualität in Zürich zu erfahren.<br />

• H. W. Rüdiger, Klinik für Arbeitsmedizin<br />

der Universität Wien, referierte<br />

darüber, dass epidemiologische Daten <strong>auf</strong><br />

eine schwache Assoziation von Niederfrequenzfeldern<br />

und Krebserkrankungen hindeuten<br />

würden - allerdings ohne klare<br />

Dosis-Wirkungsbeziehung. Deshalb habe<br />

man genotoxische Wirkungen <strong>die</strong>ses Feldtyps<br />

hauptsächlich <strong>auf</strong> humane Zellen unter<br />

kontrollierten Bedingungen in vitro<br />

untersucht.<br />

Methodisch habe man diploide Fibroblasten<br />

von 6 verschiedenen Spendern im<br />

Alter von 6 – 81 Jahren, sowie deren Blutlymphozyten,<br />

Melanozyten und Skelettmuskelzellen<br />

verwendet, zudem Granulosazellen<br />

der Ratte. Die Zellen wurden einem<br />

inter<strong>mit</strong>tierenden vertikalen Niederfrequenzfeld<br />

(50-Hz-Sinusfeld einer Fluss-<br />

B B E E M M S S 2 2 0 0 0 0 0 3<br />

3<br />

dichte von 1000 mT für 1 bis 24 Stunden)<br />

ausgesetzt, wobei das Feld für 5 Minuten<br />

ein- und dann jeweils 10 Minuten lang<br />

ausgeschaltet blieb. Verwendet wurden zur<br />

Identifizierung von DNA-Einzel- bzw. Doppelstrangbrüchen<br />

der alkalische und der<br />

neutrale Comet-Assay. Zudem wurde <strong>die</strong><br />

Induktion von Mikrokernen und Chromosomenaberrationen<br />

ausgewertet.<br />

Diskussion:<br />

– Der Referent betonte, dass inter<strong>mit</strong>tierende<br />

Befeldung <strong>mit</strong> Niederfrequenz reproduzierbar<br />

und dosisabhängig signifikante<br />

klastogene Wirkungen hervorrufen<br />

könne, <strong>die</strong> <strong>mit</strong> zunehmender Expositionszeit<br />

zunähmen und zwar überwiegend Doppelstrangbrüche<br />

<strong>mit</strong> einem Maximum bei<br />

15 bis 19 Stunden. Danach schwanden <strong>die</strong><br />

Spiegel im Comet-Assay wieder, jedoch<br />

erreichten sie nicht basale Werte. Fibroblasten<br />

von älteren Spendern zeigten mehr<br />

Einzel- und Doppelstrangbrüche als <strong>die</strong><br />

jüngerer Spender, zudem begann <strong>die</strong> Zahl<br />

der DNA-Strangbrüche älterer Personen<br />

später zu schwinden als bei jüngeren Spendern.<br />

Wenn <strong>die</strong> Exposition nach 12 bis 15<br />

Stunden beendet wurde, kehrte der Comet-Faktor<br />

nach einer gewissen Reparaturzeit<br />

von 7 bis 9 Stunden <strong>auf</strong> Normalwerte<br />

zurück, wobei Einzelstrangbrüche<br />

(Reparaturdauer: kürzer als eine Stunde)<br />

rascher repariert werden konnten als Doppelstrangbrüche<br />

(Reparaturdauer: länger<br />

als 7 Stunden). Die Untersuchung verschiedener<br />

Gewebe ergab, dass Granulosazellen<br />

der Ratte äußerst sensibel <strong>auf</strong> Niederfrequenzfelder<br />

reagierten und dass <strong>die</strong><br />

Melanozyten ebenfalls Reaktionen zeigten,<br />

wenn auch nicht so starke wie Fibroblasten<br />

oder Granulosazellen. Im Gegensatz<br />

dazu antworteten Skelettmuskelzellen und<br />

stimulierte Lymphozten überhaupt nicht.<br />

Die Expositionsbedingungen <strong>mit</strong> der maximalen<br />

strangbrucherzeugenden Wirkung<br />

lösten auch einen signifikanten Anstieg<br />

der Mikrokerne sowie der Chromosomenaberrationen<br />

in humanen Fibroblasten aus.<br />

Schon ab einer Flussdichte von 35 mT sei<br />

eine Dosis-Wirkungsbeziehung zu beob-<br />

33<br />

NEWS l e t t e r 3 . 03 33


34 34<br />

34<br />

B E M S 2 0 0 3<br />

NEWS l e t t e r 3 . 03<br />

achten gewesen – im Sinne einer dosisabhängigen<br />

Antwort der Tailfactors im Comet-Test.<br />

Im Gegensatz dazu seien bei kontinuierlicher<br />

Exposition keine DNA-Einzel-<br />

bzw. Doppelstrangbrüche <strong>auf</strong>getreten.<br />

- Rüdiger schließt <strong>mit</strong> der Bemerkung,<br />

dass <strong>die</strong> zeit- und dosisabhängige Induktion<br />

von DNA-Schäden möglicherweise<br />

spezifische Unterschiede in der Effektivität<br />

des DNA-Reparatursystems bezüglich<br />

niederfrequenzbedingter Schäden widerspiegele.<br />

Die vorliegenden Daten würden<br />

ein genotoxisches bzw. klastogenes Potential<br />

inter<strong>mit</strong>tierend applizierter elektrischer<br />

und magnetischer Niederfrequenzfelder<br />

sehr stark nahelegen.<br />

Kommentar: Die große Spannweite im<br />

Alter der Versuchspersonen (Spender) von<br />

6 bis 81 Jahren, <strong>die</strong> daraus resultierende<br />

Heterogenität der Gruppe sowie <strong>die</strong> <strong>mit</strong> 6<br />

Versuchspersonen insgesamt relativ geringe<br />

Zahl der Spender lässt <strong>mit</strong> einer gewissen<br />

Wahrscheinlichkeit signifikante Versuchsergebnisse<br />

erwarten, <strong>die</strong> dann<br />

möglicherweise zu Überinterpretationen<br />

führen können.<br />

So<strong>mit</strong> sind <strong>die</strong> aus <strong>die</strong>sem Versuch abgeleiteten<br />

Aussagen <strong>mit</strong> einer gewissen<br />

Vorsicht zu interpretieren. Die Schlussfolgerung,<br />

dass <strong>die</strong> vorliegenden Daten ein<br />

genotoxisches bzw. klastogenes Potential<br />

inter<strong>mit</strong>tierend applizierter elektrischer und<br />

magnetischer Niederfrequenzfelder sehr<br />

nahelegen würden, scheint so<strong>mit</strong> nicht<br />

unbedingt vollkommen gerechtfertigt zu<br />

sein.<br />

• F. Adlkofer referierte für K. Schlatterer,<br />

Institut für Klinische Chemie und<br />

Pathobiochemie, Universitätsklinikum<br />

Benjamin Franklin, Freie Universität Berlin,<br />

über genotoxische Effekte von hochfrequenten<br />

elektromagnetischen Feldern<br />

<strong>auf</strong> Zellkulturen in vitro. Ziel <strong>die</strong>ser Stu<strong>die</strong><br />

sei es gewesen zu testen, ob Hochfrequenzfelder<br />

genotoxische Wirkungen <strong>auf</strong><br />

humane Zelllinien ausüben könnten – sei<br />

es durch direkte oder indirekte Schädigung<br />

der DNA.<br />

Methodisch wurde ein DNA-Schaden<br />

durch Hochfrequenzfelder anhand der humanen<br />

Promyelozytenzelllinie HL-60 getestet<br />

und zwar durch <strong>die</strong> Verwendung<br />

der alkalischen Einzelzell-Gelelektrophorese<br />

(Comet-Assay) bzw. durch den Mikrokern-Assay<br />

(MN) <strong>mit</strong> Zytokinese-Block<br />

in vitro. Der alkalische Comet-Assay wurde,<br />

wie bei Singh et al. 1988 beschrieben,<br />

durchgeführt. Er entsprach auch den<br />

Richtlinien von Tice et al. 1990, 2000;<br />

Fairbairn et al. 1995 und Klaude et al.<br />

1996. Der MN-Assay wurde seinerseits<br />

nach den entsprechenden Richtlinien gehandhabt.<br />

Im Ergebnis zeigte sich, dass Hochfrequenzfeldexposition<br />

(kontinuierliches 1800<br />

MHz-Feld; SAR: 1,3 W/kg; 24 Stunden;<br />

37 °C) bei HL-60-Zellen in Abhängigkeit<br />

von der SAR einen Anstieg sowohl der<br />

Mikrokernfrequenz als auch von DNA-<br />

Strangbrüchen auslöste. Während bei einer<br />

SAR von 1,0 W/kg ein signifikanter<br />

Unterschied im Vergleich zu Kontrollproben<br />

weder in der Mikrokernfrequenz noch<br />

bei den DNA-Strangbrüchen <strong>auf</strong>trat, wurde<br />

bei SAR-Werten von 1,3 W/kg bzw. 1,6<br />

W/kg <strong>die</strong> Mikrokernfrequenz nahezu verdreifacht<br />

und <strong>die</strong> Zahl der DNA-Strangbrüche<br />

verdoppelt. Bei SAR-Werten oberhalb<br />

von 2,0 W/kg war <strong>die</strong> Induktion von<br />

Mikrokernen und DNA-Strangbrüchen<br />

weniger ausgeprägt. Unter den vorliegenden<br />

Bedingungen konnte in vitro weder<br />

ein zytotoxischer Effekt der Hochfrequenzfelder<br />

noch eine Induktion der Apoptose<br />

<strong>auf</strong>gedeckt werden.


Diskussion: Der Referent schließt <strong>mit</strong><br />

der Feststellung, dass <strong>die</strong> Befunde klar dar<strong>auf</strong><br />

hinweisen würden, dass Hochfrequenzfelder<br />

bei HL-60-Zellen unter den genannten<br />

Bedingungen eine Mikrokerninduktion<br />

ebenso wie DNA-Strangbrüche auslösen<br />

könnten und deshalb von klastogenen<br />

Effekten bei menschlichen Zellinien auszugehen<br />

sei.<br />

Kommentar: Der Anstieg der Mikrokernfrequenz<br />

sowie der Anzahl der DNA-<br />

Strangbrüche trat hier lediglich in einem<br />

relativ engen Intensitätsbereich <strong>auf</strong>, was<br />

einen Window-Effekt im Sinne eines Intensitätsfensters<br />

bedeuten könnte. Diese<br />

beinahe Verdreifachung der Mikrokernfrequenz<br />

und <strong>die</strong> Verdoppelung der DNA-<br />

Strangbrüche bei SAR-Werten von 1,3 W/<br />

kg bzw. 1,6 W/kg im Vergleich zum „basalen“<br />

SAR-Wert von 1,0 W/kg sind Befunde,<br />

<strong>die</strong> ich in <strong>die</strong>ser Deutlichkeit allerdings<br />

nicht erwartet hätte.<br />

• A. M. Wobus, Institut für Pflanzengenetik<br />

und Getreidepflanzenforschung,<br />

Gatersleben, berichtete über Effekte niederfrequenter<br />

elektromagnetischer Felder<br />

<strong>auf</strong> <strong>die</strong> Genexpression verschiedener Zelllinien.<br />

Ziel sei es gewesen zu bestimmen,<br />

ob <strong>die</strong> in-vitro-Exposition verschiedener<br />

Zelllinien in 50-Hz-Feldern Änderungen der<br />

Genexpression zur Folge haben könne.<br />

Dabei wurden zum einen am Institut für<br />

Pflanzengenetik in Gatersleben (IPK) Gene<br />

untersucht, <strong>die</strong> in <strong>die</strong> Zellproliferation bzw.<br />

in neuronale Differenzierungsprozesse involviert<br />

sind, zudem wurden frühe Gene,<br />

Stressantwortgene sowie Gene, <strong>die</strong> in apoptotische<br />

Stoffwechselwege involviert sind,<br />

untersucht. Zum zweiten testete das Institut<br />

für Pharmakologie in Mailand Gene<br />

neuronaler nikotinischer Acetylcholin-Rezeptoruntereinheiten,<br />

außerdem <strong>die</strong> Gene<br />

für <strong>die</strong> Proteinexpression der Dopaminbeta-hydroxylase<br />

und weiterer biomedizinischer<br />

Faktoren und Enzyme.<br />

Methodisch wurden drei verschiedene<br />

experimentelle Protokolle verwandt: 1) IPK:<br />

hier wurden embryonale Stammzellen sowie<br />

neuronale Progenitorzellen von pluripotenten<br />

Stammzellen unter verschiedenen<br />

Versuchsbedingungen getestet; 2)<br />

Pharmakologisches Institut der Universität<br />

Mailand: Hier wurde eine Neuroblastomzelllinie<br />

unter verschiedenen Expositionsbedingungen<br />

untersucht, darunter<br />

auch inter<strong>mit</strong>tierende Exposition (5 Minuten<br />

an/5 Minuten aus innerhalb von 16<br />

h) oder aber kontinuierliche Exposition für<br />

16 und 48 Stunden bei Flussdichten von 1<br />

mT und 2 mT. 3) Physikalisches Institut<br />

der Universität Bologna: Hier wurden spezielle<br />

embryonale Stammzellen <strong>vom</strong> Typ<br />

GTR1, <strong>die</strong> zur Differenzierung in Richtung<br />

Herzzelle angeregt wurden, verwendet.<br />

Andere Zellen wurden <strong>mit</strong>tels Puromycin<br />

aus der Nährlösung eliminiert, sobald spontane<br />

Kontraktionen der kontraktilen Zellelemente<br />

zu bemerken waren. Die Zellen<br />

wurden sodann für <strong>die</strong> Genexpressionsanalyse<br />

und Immunfluoreszenz-Analyse<br />

vorbereitet.<br />

Im Ergebnis zeigte sich folgendes:<br />

A) IPK: eine inter<strong>mit</strong>tierende Exposition<br />

(5 Minuten an/30 Minuten aus) von kurzer<br />

Dauer (6 h), hoher Intensität (2,3 mT)<br />

in Niederfrequenzfeldern führte zu einer<br />

statistisch signifikanten Hochregulierung<br />

bei drei aus fünf untersuchten Regulatorgenen<br />

in p53-deletären embryonalen<br />

Stammzellen, während in beiden Zelllinien<br />

eine 48-stündige Exposition <strong>die</strong> Genexpressionsspiegel<br />

während der Differenzierungszeit<br />

nicht beeinflusste.<br />

B) Während inter<strong>mit</strong>tierender und kontinuierlicher<br />

Exposition in geringeren magnetischen<br />

Flussdichten (0.1 mT bis 1 mT)<br />

für Zeiträume von 6 h bzw. 48 h wurden<br />

keine signifikanten Effekte beobachtet, was<br />

<strong>die</strong> Expression von Regulatorgenen betrifft.<br />

C) Eine Hochregulierung von RNA-Transkript-Spiegeln<br />

des anti-apoptotischen<br />

Gens bcl-2 war in neuronalen Vorläuferzellen<br />

bei 2 mT inter<strong>mit</strong>tierender 48 stündiger<br />

Exposition zu beobachten.<br />

D) <strong>die</strong> Hochregulierung der Gene egr-1,<br />

p21 und c-jun messenger-RNA bei p53-<br />

B B E E M M S S 2 2 0 0 0 0 0 3<br />

3<br />

deletären embryonalen Stammzellen ist ein<br />

Kurzzeiteffekt und hält während der Differenzierung<br />

nicht an.<br />

- Am Institut für Pharmakologie der<br />

Universität Mailand zeigte sich bei keiner<br />

der untersuchten experimentellen Bedingungen<br />

irgendein Effekt <strong>auf</strong> Gene, <strong>die</strong> Enzymuntereinheiten<br />

ko<strong>die</strong>ren. Am Physikalischen<br />

Institut der Universität Bologna<br />

wurde klar, dass Feldeffekte <strong>auf</strong> der Ebene<br />

der Transkription stattfanden.<br />

- Fazit: Die Ergebnisse wiesen <strong>auf</strong> eine<br />

Wirkung von 50-Hz-Feldern <strong>auf</strong> <strong>die</strong> Genexpression<br />

in spezifischen Zelltypen hin.<br />

Kommentar: Denkbar ist, dass nur bestimmte<br />

Gene ganz bestimmter Zellen unter<br />

genau zu definierenden Bedingungen<br />

feldbedingte Effekte <strong>auf</strong>weisen. Weicht ein<br />

Parameter ab, so verschwindet der Feldeffekt<br />

wieder. Dabei kann offensichtlich eine<br />

kurze Befeldungsdauer mehr bewirken als<br />

ein lange Befeldungsdauer, was <strong>auf</strong> einen<br />

Window-Effekt hinsichtlich der Einwirkdauer<br />

der Felder hindeuten könnte. Man<br />

könnte auch ableiten, dass „unfertige“ Zellen<br />

wie Vorläuferzellen (Progenitorzellen)<br />

oder vorgeschädigte Zellen wie etwa <strong>die</strong><br />

p53—deletären embryonalen Stammzellen<br />

sensibler <strong>auf</strong> elektromagnetische Felder<br />

reagieren als fertige oder intakte Zellen.<br />

• D. Leszczynski, STUK-Radiation and<br />

Nuclear Safety Authority, Helsinki, sprach<br />

darüber, dass <strong>die</strong> zelluläre Antwort <strong>auf</strong><br />

Mobilfunkstrahlung <strong>vom</strong> Genotyp der Zelle<br />

abhängig zu sein scheint. Der gegenwärtige<br />

<strong>Stand</strong> der Forschung lege es nahe, dass<br />

mobilfunktypische elektromagnetische Felder<br />

biologische Effekte auslösten, auch<br />

wenn der biophysikalische Mechanismus<br />

noch unklar sei.<br />

Methode: Die Anwendung hoch<strong>auf</strong>lösender<br />

Analyseverfahren aus dem Bereich<br />

der Transcriptomics bzw. Proteomics werde<br />

künftig eine präzise Vorhersage aller<br />

potentiell schädlichen gesundheitlichen<br />

Effekte der Mobilfunkstrahlung ermöglichen.<br />

35<br />

NEWS l e t t e r 3 . 03 35


Ziel sei es gewesen zu bestimmen, ob<br />

<strong>die</strong> in-vitro-Exposition von Zellen unter<br />

Mobilfunkstrahlung Änderungen in der<br />

Genexpression bzw. Proteinexpression hervorrufen<br />

könne und ob <strong>die</strong>se Änderungen<br />

<strong>vom</strong> Genotyp der Zelle abhingen.<br />

Diskussion: Der Referent kommt zu dem<br />

Schluss, dass Mobilfunkstrahlung eine<br />

Änderung der Expression verschiedener<br />

Gene und Proteine hervorrufen könne. Diese<br />

Änderungen seien unter Benutzung verschiedener<br />

Befeldungszeiten (von 1 bis 48<br />

Stunden) entdeckt worden, wobei <strong>die</strong> SAR-<br />

Werte 1,5 bis 2,4 W/kg betrugen, <strong>die</strong> Signalfrequenzen<br />

900 bis 1800 MHz <strong>auf</strong>wiesen<br />

und menschliche sowie Mäusezellen<br />

Verwendung fanden. Dies legt nahe, dass<br />

<strong>die</strong> beobachteten Effekte keine Besonderheit<br />

eines speziellen Versuchsdesigns darstellten,<br />

sondern größere biologische Bedeutung<br />

besäßen. Schliesslich lassen <strong>die</strong><br />

zu beobachtenden variierenden Antworten<br />

von Zellen <strong>mit</strong> unterschiedlichem Genotyp-Muster<br />

vermuten, dass <strong>die</strong> Zellreaktion<br />

und möglicherweise auch ihre Heftigkeit<br />

<strong>vom</strong> Genotyp beeinflusst werden<br />

könnten. Jedoch bleibe es künftig zu erforschen,<br />

ob <strong>die</strong> entdeckten Veränderungen<br />

in der Gen- und Proteinexpression<br />

physiologische Konsequenzen nach sich<br />

ziehen könnten.<br />

Kommentar: Falls sich wirklich in Zukunft<br />

der Verdacht einer Wirkung von<br />

mobilfunktypischen Feldmustern <strong>auf</strong> das<br />

Genom erhärten sollte, so wäre das noch<br />

lange kein Beweis für einen gesundheitsschädigenden<br />

Effekt. Denn ein solcher<br />

würde erfordern, dass auch der sogenannte<br />

Phänotyp einer Zelle oder eines Gewebes<br />

deutliche krankhafte feldbedingte Auswirkungen<br />

zeigen würde. Letztere wurden<br />

aber bislang von Leszczynski et al. nicht<br />

gefunden.<br />

• A. M. Wobus, Institut für Pflanzengenetik<br />

und Getreidepflanzenforschung,<br />

Gatersleben, erläuterte <strong>die</strong> Wirkungen von<br />

nieder- und hochfrequenten elektromag-<br />

36 36<br />

36<br />

NEWS l e t t e r 3 . 03<br />

netischen Feldern <strong>auf</strong> <strong>die</strong> Zellproliferation<br />

und Zelldifferenzierung.<br />

Die Wirkungen elektromagnetischer Felder<br />

<strong>auf</strong> Wachstum und Differenzierung von<br />

verschiedenen Zelllinien wie <strong>die</strong> Osteosarkom-Zellen<br />

der Maus oder neuronale<br />

Stammzellen seien bekannt. In <strong>die</strong>ser Stu<strong>die</strong><br />

seien verschiedene Zelllinien und Methoden<br />

angewandt worden, um <strong>die</strong> Wirkungen<br />

elektromagnetischer Felder <strong>auf</strong> <strong>die</strong><br />

Zelldifferenzierung und das Wachstum zu<br />

analysieren. Der Einfluss von Nieder- und<br />

Hochfrequenzfeldern <strong>auf</strong> <strong>die</strong> Differenzierung<br />

und Spezialisierung neuronaler Vorläuferzellen,<br />

<strong>die</strong> sich von embryonalen<br />

Stammzellen der Maus ableiten, wurde von<br />

einer Forschergruppe 1 untersucht. Zusätzlich<br />

wurden von einer Forschergruppe 2<br />

<strong>die</strong> Wirkungen von Nieder- und Hochfrequenzfeldern<br />

<strong>auf</strong> <strong>die</strong> Differenzierung anhand<br />

einer humanen Neuroblastomzelllinie<br />

und neuralen Stammzellen stu<strong>die</strong>rt. Für<br />

<strong>die</strong> Analyse der Interaktionen des Zellwachstums<br />

<strong>mit</strong> Niederfrequenzexposition<br />

wurden von einer Forschergruppe 3 Granulosazellkulturen<br />

und Fibroblasten verwendet.<br />

Methodisch wurden verschiedene Versuchsprotokolle<br />

verwendet: embryonale<br />

Stammzellen von Mäusen, <strong>die</strong> <strong>auf</strong> dem Weg<br />

zur neuronalen Differenzierung waren,<br />

wurden beispielsweise in Niederfrequenzfeldern<br />

exponiert (50 Hz, 2 mT, 48h, 5 min<br />

an/30 min aus). Sie wurden in einer Vorabstu<strong>die</strong><br />

auch in Hochfrequenzfeldern exponiert<br />

(1,5 W/kg; 48h, 5 min an/30 min<br />

aus) und zwar in dem Stadium, in dem <strong>die</strong><br />

ersten Vorläuferzellen sich teilen und differenzieren.<br />

Die Expression spezifischer<br />

Gene wie Nestin, GFAP, En-1, Nurr1 und<br />

TH, <strong>die</strong> durch „survival promoting factors“<br />

<strong>auf</strong>reguliert werden, wurden <strong>mit</strong> Hilfe<br />

der Polymerase-Ketten-Reaktion analysiert<br />

(Forschergruppe 1). Menschliche Neuroblastomzellen<br />

NB69 wurden entweder in<br />

einem speziellen Nieder- oder Hochfrequenzfeld<br />

exponiert. Immunzytochemische<br />

und in situ-Hybridisierungsstu<strong>die</strong>n wurden<br />

4 Tage später durchgeführt (Forscher-<br />

gruppe 2). Forschergruppe 3 beschäftigte<br />

sich <strong>mit</strong> der Bestimmung des freien Kalziums<br />

in seiner Eigenschaft als intrazelluläres<br />

Signal im Zytoplasma von kultivierten<br />

GFSHR-17-Granulosazellen der Ratte <strong>mit</strong><br />

Hilfe der Fluoreszenzspektroskopie von <strong>mit</strong><br />

FURA-AM beladenen Zellen. Die Zellen<br />

waren vorher <strong>mit</strong> Niederfrequenz befeldet<br />

worden (50 Hz, 1,0 mT, 2,3 mT, 15 bis<br />

20h, 5 min an/10 min aus).<br />

Die Referentin kommt zu dem Ergebnis,<br />

dass <strong>die</strong> Variabilität der beobachteten Effekte<br />

<strong>auf</strong> <strong>die</strong> Zellproliferation und Zelldifferenzierung,<br />

<strong>die</strong> durch Nieder- und Hochfrequenzexposition<br />

bedingt wurden, dar<strong>auf</strong><br />

hinweisen könnte, dass <strong>die</strong> Befunde stark<br />

<strong>vom</strong> Zelltyp abhängen, ebenso von Signaltyp,<br />

Frequenz, Feldintensität und Applikationsprotokoll.<br />

Ein Vergleich der gentoxischen<br />

Effekte durch Niederfrequenzexposition<br />

von Granulosazellkulturen und Fibroblasten<br />

<strong>mit</strong> der entsprechenden Bestimmung<br />

von intrazellulärem Kalzium als Signalstoff<br />

lässt vermuten, dass eher <strong>die</strong> Ebene<br />

des Genoms (Genotyp) als <strong>die</strong> Ebene der<br />

Zellen (Phänotyp) als Hauptzielort niederfrequenter<br />

elektromagnetischer Feldwirkungen<br />

betrachtet werden müsse.<br />

Kommentar: Diese Ergebnisse könnten<br />

– wie auch <strong>die</strong>jenigen anderer Teilprojekte<br />

des REFLEX-Programmes - dar<strong>auf</strong> hinweisen,<br />

dass exakte Kombinationen verschiedener<br />

biologischer Parameter wie Zelltyp<br />

und elektrotechnischer Parameter wie Signaltyp,<br />

Frequenz oder Feldintensität exakt<br />

eingehalten werden müssen, da<strong>mit</strong> ein<br />

Feldeffekt beobachtet werden könne.<br />

Kleinste Abweichungen auch nur eines<br />

Parameters könnten schon zu einem Nicht<strong>auf</strong>treten<br />

des Feldeffektes führen. Beim<br />

Zelltyp scheint speziell der Zellgenotyp<br />

bezüglich der „Feldempfindlichkeit“ einer<br />

Zelle entscheidender zu sein als der Zellphänotyp<br />

(siehe auch oben: Kommentar<br />

zu D. Leszczynski).<br />

• I. Lagroye, PIOM/Bioelectromagnetics<br />

Laboratory, École Nationale Supéri-


eure de Chimie et de Physique, Bordeaux,<br />

EPHE, Pessac, referierte über <strong>die</strong> Wirkungen<br />

nieder- und hochfrequenter elektromagnetischer<br />

Felder <strong>auf</strong> den Prozess der<br />

Apoptose.<br />

Eines der Ziele des REFLEX-Consorti-<br />

ums sei es gewesen zu bestimmen, ob Nie-<br />

BEMS<br />

der- oder Hochfrequenzfelder den Prozess<br />

der Apoptose in vitro per se beeinflussen<br />

könnten oder aber nach vorheriger Behandlung<br />

<strong>mit</strong> bekannten Apoptose-Induktoren.<br />

In vier von 13 Laboren, <strong>die</strong> zum<br />

Konsortium gehören, wurden Experimente<br />

durchgeführt <strong>mit</strong> der Zielsetzung, <strong>die</strong><br />

Apoptoserate bei verschiedenen Zelltypen<br />

nach Exposition in Nieder- und Hochfrequenzfeldern<br />

zu erfassen.<br />

Methodik: Abhängig von der Erfahrung<br />

und Ausstattung eines jeden Labors wurden<br />

verschiedene Zelltypen und elektromagnetische<br />

Signale benutzt. Die Exposition<br />

dauerte von einer bis zu 48 Stunden<br />

<strong>mit</strong> oder ohne Erholungsphase. Die Hochfrequenzexposition<br />

beinhaltete GSM 900und<br />

GSM 1800-Signale bei SAR-Werten<br />

von 0,1 bis 2 W/kg. Die Niederfrequenzexposition<br />

wurde <strong>mit</strong> 50 Hz bei 0,1, 1 und<br />

2,3 mT bewerkstelligt. In einigen Experimenten<br />

wurden <strong>die</strong> Felder auch inter<strong>mit</strong>tierend<br />

appliziert.<br />

Die Apoptose wurde <strong>mit</strong>tels 2-Deoxy-<br />

D-Ribose, Staurosporin bzw. TNFa oder<br />

Camptothecin induziert – jeweils in Abhängigkeit<br />

<strong>vom</strong> verwendeten Zellsystem.<br />

Die Apoptose wurde zum einen am Verlust<br />

des transmembranösen <strong>mit</strong>ochondrialen<br />

Potentials erkannt, zum anderen an der<br />

Anwesenheit von Phosphatidylserin an der<br />

äußeren Seite der Plasmamembran sowie am<br />

Auftreten einer sub-G1-Zellpopulation und<br />

an der Caspase-3-Aktivität. Die Expression<br />

von Apoptose-assoziierten Genen wurde <strong>mit</strong><br />

Hilfe des Northern Blot gemessen.<br />

Diskussion: Letztlich kommt man zu<br />

dem Schluss, dass <strong>die</strong> Ergebnisse des RE-<br />

FLEX-Programmes keinen Hinweis dar<strong>auf</strong><br />

erbringen, dass Hochfrequenzfelder <strong>mit</strong><br />

dem komplexen integrativen apoptotischen<br />

Prozess in Zellkulturen in Verbindung ste-<br />

hen könnten. Obwohl man zeigen konnte,<br />

dass Niederfrequenzfelder das anti-apoptotisch<br />

wirksame bcl-2-Gen bei großen<br />

magnetischen Flussdichten hochregulieren<br />

können, wurde keine allgemeine Wirkung<br />

<strong>auf</strong> den neuronalen Differenzierungsprozess<br />

von embryonalen Stammzellen gefunden.<br />

Dies könnte dar<strong>auf</strong> hinweisen, dass<br />

jener Effekt der Hochregulierung irgend-<br />

B B E E M M S S 2 2 0 0 0 0 0 3<br />

3<br />

wie kompensiert werden kann.<br />

2003<br />

Kommentar: Diese Teilstu<strong>die</strong> könnte<br />

dar<strong>auf</strong> hinweisen, dass zwar eine Feldwirkung<br />

<strong>auf</strong> <strong>die</strong> Gen- oder Proteinexpression<br />

denkbar ist, dass jedoch der wesentlich<br />

schwerwiegendere Zelltod (=Apoptose)<br />

durch <strong>die</strong> Einwirkung zumindest schwacher<br />

elektromagnetischer Hochfrequenzfelder<br />

nicht zu erwarten sei. Dieser an sich<br />

beruhigende Befund sollte durch zusätzliche<br />

Experimente (auch Replikationsversuche)<br />

weiter abgesichert werden. Wirkungen<br />

von Niederfrequenzfeldern <strong>auf</strong> das<br />

apoptotisch wirksame bcl-2-Gen sollten<br />

zudem weiter abgeklärt werden (siehe<br />

oben).<br />

Abschließend fasste F. Adlkofer <strong>die</strong> bisherigen<br />

Ergebnisse des nunmehr seit rund<br />

30 Monaten l<strong>auf</strong>enden REFLEX-Programmes<br />

zusammen:<br />

• Die Exposition in elektromagnetischen<br />

Feldern sei ein kontrovers diskutiertes Thema<br />

in den Industriegesellschaften. Trotz<br />

der Tatsache, dass bis heute mögliche Effekte<br />

der elektromagnetischen Felder <strong>auf</strong><br />

Schlüsselzellfunktionen noch nicht ausreichend<br />

untersucht wurden, gebe es Bedenken,<br />

dass <strong>die</strong> rapide zunehmende Exposition<br />

in Feldern – zusätzlich zu funktionellen<br />

Störungen – Krebs und neurodegenerative<br />

Erkrankungen fördern könne. Diese<br />

Befürchtungen hätten vor allem in Europa<br />

kontroverse Diskussionen geschürt, wo –<br />

bedingt durch <strong>die</strong> hohe Bevölkerungsdichte<br />

und Industriedichte – sehr viele Geräte,<br />

darunter auch Unterhaltungselektronik und<br />

Haushaltselektrogeräte, in Gebrauch seien.<br />

Solche Streitigkeiten beeinflussten <strong>die</strong><br />

37<br />

NEWS l e t t e r 3 . 03 37


38 38<br />

38<br />

NEWS l e t t e r 3 . 03<br />

Platzierung von technischen Anlagen. Bis<br />

dato hätten epidemiologische Stu<strong>die</strong>n sowie<br />

Tierstu<strong>die</strong>n widersprüchliche Daten<br />

erbracht und so<strong>mit</strong> auch Unsicherheit bezüglich<br />

möglicher gesundheitlicher Effekte.<br />

Eine Weiterführung der Forschung in<br />

<strong>die</strong>sem Sinne ohne <strong>die</strong> Einführung neuer<br />

Konzepte würde <strong>die</strong> Phase der Unsicherheit,<br />

ob elektromagnetische Felder ein gesundheitliches<br />

Risiko darstellten, nur verlängern.<br />

Die Kausalität zwischen Feldexposition<br />

und Krankheit könne ohne Kenntnis<br />

und Verständnis der grundlegenden<br />

Mechanismen, <strong>die</strong> möglicherweise durch<br />

Felder getriggert würden, nie als bewiesen<br />

betrachtet werden. Um solche grundlegenden<br />

Mechanismen zu erforschen, würden<br />

im Rahmen des REFLEX-Programmes modernste<br />

Methoden der Toxikologie und<br />

Molekularbiologie angewandt, um zelluläre<br />

und subzelluläre Antworten lebender<br />

Zellen <strong>auf</strong> elektromagnetische Feldexposition<br />

zu klären.<br />

• Ziel des REFLEX-Projektes sei eine Kooperation<br />

von 13 Forschungsinstitutionen<br />

aus sieben europäischen Ländern, <strong>die</strong> durch<br />

das 5. Rahmenprogramm der EU finanziert<br />

werde. Durch <strong>die</strong> Verwendung der<br />

effektivsten heute verfügbaren biologischen<br />

Forschungswerkzeuge werde das<br />

REFLEX-Projekt zu einem besseren Verständnis<br />

der biologischen Wirkungen elektromagnetischer<br />

Felder beitragen. Dies stelle<br />

eine Grundvoraussetzung für eine objektive<br />

Erfassung potentieller Gesundheitsgefahren<br />

und möglicherweise auch potentieller<br />

therapeutischer Wirkungen dar. Das<br />

REFLEX-Projekt zielt <strong>auf</strong> <strong>die</strong> Untersuchung<br />

feldinduzierter zellulärer, subzellulärer<br />

und/oder molekularer Prozesse. Obwohl <strong>die</strong><br />

meisten - wenn nicht alle chronischen<br />

Krankheiten – darunter auch Krebs – äußerst<br />

verschiedenartige und heterogene<br />

Ursachen haben, vermutet man, dass <strong>die</strong>ser<br />

Vielfalt eine relativ kleine Anzahl kritischer<br />

Ereignisse zugrundeliegt, wie z. B.<br />

Mutationen, entgleister Zellproliferationen<br />

und unterdrückte oder übersteigerter Zelltod.<br />

Für <strong>die</strong> Entwicklung einer jeden <strong>die</strong>-<br />

ser chronischen Erkrankungen fordert man<br />

das Zusammentreffen jener kritischen Ereignisse.<br />

Genmutationen, Zellproliferationen<br />

und Apoptose werden verursacht durch<br />

eine veränderte Gen- und Proteinexpression<br />

oder führen zu einer solchen. Um das<br />

Ziel des REFLEX-Programmes zu erreichen,<br />

wurden <strong>die</strong> folgenden hauptsächlichen prioritären<br />

Forschungsziele definiert:<br />

1) Direkte und indirekte gentoxische Effekte<br />

der Felder;<br />

2) Feldwirkungen <strong>auf</strong> <strong>die</strong> Differenzierung<br />

und Funktion embryonaler Stammzellen;<br />

3) Feldwirkungen <strong>auf</strong> <strong>die</strong> Genexpression<br />

und <strong>die</strong> Proteinbiosynthese;<br />

4) Feldwirkungen <strong>auf</strong> das Immunsystem;<br />

5) Feldwirkungen <strong>auf</strong> <strong>die</strong> Zelltransformation<br />

und Apoptose;<br />

Um <strong>die</strong> Vergleichbarkeit der Forschungsergebnisse<br />

aus den verschiedenen Laboren<br />

sicherzustellen und um <strong>die</strong> Schlüssigkeit<br />

der Daten aus den Stu<strong>die</strong>n zu ermöglichen,<br />

werden <strong>die</strong> Expositionsbedingungen<br />

streng kontrolliert und <strong>die</strong> Daten blind<br />

ausgewertet.<br />

Im Ergebnis habe – basierend <strong>auf</strong> den<br />

niederfrequenzbezogenen Daten – ein feldbedingter<br />

gentoxischer Effekt <strong>auf</strong> primäre<br />

humane Fibroblastenkulturen in überzeugender<br />

Weise gezeigt werden können. DNA-<br />

Strangbrüche in signifikanter Anzahl in<br />

Verbindung <strong>mit</strong> verschiedenen Typen von<br />

Chromosomenaberrationen würden dosisabhängig<br />

erzeugt. DNA-Schäden könnten<br />

bereits bei magnetischen Flussdichten von<br />

35 mT <strong>auf</strong>treten, allerdings würden sie<br />

schnell und vollständig repariert – jedoch,<br />

wie es scheint, nicht vollkommen fehlerfrei.<br />

Eine starke Korrelation zwischen der<br />

Zunahme von DNA-Strangbrüchen und der<br />

feldbedingten Zunahme des Auftretens von<br />

Mikrokernen sowie Chromosomenaberrationen<br />

wurde beobachtet. Da Niederfrequenzfelder<br />

<strong>die</strong> freie Kalziumkonzentration<br />

im Zytoplasma ebensowenig beeinflussten<br />

wie das <strong>mit</strong>ochondriale Membranpotential<br />

humaner diploider Fibroblasten,<br />

würden vermutlich DNA-Strangbrüche und


das feldbedingte vermehrte Auftreten von<br />

Mikrokernen nur <strong>mit</strong> geringer Wahrscheinlichkeit<br />

durch intrazelluläre Veränderungen<br />

verursacht, <strong>die</strong> <strong>mit</strong> einer veränderten<br />

Konzentrationen des freien Kalziums im Zytoplasma<br />

zusammenhingen. Weiterhin gebe<br />

es Hinweise dafür, dass Niederfrequenzfelder<br />

<strong>die</strong> Genexpression innerhalb embryonaler<br />

Stammzellen von Mäusen beeinflussen<br />

könnten, besonders wenn jenen das Gen<br />

p53 fehle.<br />

Hinsichtlich von Hochfrequenzfeldern<br />

zeigten <strong>die</strong> erhaltenen Daten klar, dass<br />

auch letztere gentoxische Effekte in lebenden<br />

Zellen hervorrufen könnten.<br />

DNA-Einfach- und Doppelstrangbrüche<br />

sowie das Auftreten von Mikrokernen seien<br />

nach Exposition in Hochfrequenzfeldern<br />

einer SAR von bis zu 2 W/kg in<br />

primären Kulturen humaner Fibroblasten<br />

vermehrt, wie auch in Granulosa-Zellen<br />

von Ratten und in HL-60-Zellen, einer<br />

humanen Zellinie von Promyelozyten, <strong>die</strong><br />

zum blutbildenden System gehörten.<br />

Zudem würden Hochfrequenzfelder bei einer<br />

SAR von 1,5 W/kg in der Lage sein,<br />

<strong>die</strong> Expression der frühen Gene wie hsp<br />

70, p21, c-jun und c-myc, in p53-deletären<br />

embryonalen Stammzellen der Maus<br />

hochzuregulieren, jedoch nicht in deren<br />

gesunden Zellen des Wildtyps. Nach Reduktion<br />

der SAR habe keinerlei Einfluss<br />

<strong>auf</strong> <strong>die</strong> messenger-RNA-Spiegel <strong>die</strong>ser<br />

Gene mehr beobachtet werden können.<br />

Zusätzliche Stu<strong>die</strong>n zeigten, dass elektromagnetische<br />

Hochfrequenzfelder innerhalb<br />

einer humanen transformierten Endothelzelllinie<br />

<strong>die</strong> Expression zahlreicher – wenn<br />

auch weithin unbekannter Proteine beeinflussen<br />

könnten.<br />

Adlkofers Fazit: Während DNA-Einzelund<br />

Doppelstrangbrüche und deren Reparatur<br />

erwiesenermaßen wohl noch nie so<br />

deutlich hätten gezeigt werden können wie<br />

im REFLEX-Projekt, sei <strong>die</strong> Modulation der<br />

Genexpression durch Felder schon von<br />

verschiedenen anderen Autoren demonstriert<br />

worden. Es habe sich allerdings<br />

bislang innerhalb des REFLEX-Projektes<br />

kein Hinweis ergeben, der dar<strong>auf</strong> hindeuten<br />

würde, dass <strong>die</strong>se Befunde in irgendeiner<br />

Weise <strong>mit</strong> den Lebensprozessen der<br />

Zellproliferation und Apoptose verbunden<br />

seien. Die weitere Erforschung <strong>die</strong>ser biologischen<br />

Wirkungen sollte dazu beitragen<br />

zu bestimmen, ob bei Einhaltung der<br />

gegenwärtig gültigen Grenzwerte irgendwelche<br />

gesundheitlichen Effekte <strong>mit</strong> der<br />

Verwendung felde<strong>mit</strong>tierender Geräte in<br />

Verbindung stehen könnten.<br />

Es gebe keinen Zweifel, dass <strong>die</strong> wissenschaftliche<br />

Basis der gegenwärtigen Grenzwerte<br />

relativ mager sei. Deshalb könne man<br />

gegenwärtig nicht ausschließen, dass es<br />

sich eines Tages als nötig erweisen könnte,<br />

<strong>die</strong>se Werte etwaigen neuen Realitäten<br />

anzupassen. Das REFLEX-Programm liefere<br />

Hinweise, wie wissenschaftlich begründete<br />

Grenzwerte in naher Zukunft festgelegt<br />

werden könnten.<br />

Glücklicherweise sei das gegenwärtige<br />

Bild der elektromagnetischen Feldforschung<br />

in vitro – wenn auch weit davon<br />

entfernt, komplett zu sein - so doch ausreichend,<br />

um Rückschlüsse <strong>auf</strong> das ziehen<br />

zu können, wor<strong>auf</strong> künftige Forschungsanstrengungen<br />

abzielen sollten. Die hochsensiblen<br />

Erfassungsmethoden der Genomics,<br />

Transcriptomics und Proteomics sollten<br />

eine Aufdeckung biologischer Effekte<br />

elektromagnetischer Felder ermöglichen,<br />

B B E E M M S S 2 2 0 0 0 0 0 3<br />

3<br />

<strong>die</strong> ja <strong>mit</strong> der Funktion von Zellen und<br />

Organen zu tun haben könnten.<br />

Unter der Voraussetzung adäquater Forschung<br />

in Kombination <strong>mit</strong> adäquater Finanzierung<br />

sei <strong>die</strong> Wahrscheinlichkeit<br />

ziemlich groß, dass <strong>die</strong> grundlegende wissenschaftliche<br />

Fragestellung in relativ naher<br />

Zukunft beantwortet werden könne,<br />

<strong>die</strong> da laute: Was bedeuten <strong>die</strong> im L<strong>auf</strong>e<br />

des REFLEX-Projektes und vergleichbarer<br />

Untersuchungen erhobenen Daten heute<br />

wirklich? Mit anderen Worten: Haben wir<br />

es <strong>mit</strong> nicht-signifikanten und mehr oder<br />

weniger physiologischen biologischen Effekten<br />

elektromagnetischer Felder zu tun<br />

oder aber <strong>mit</strong> Wirkungen, <strong>die</strong> sich als gesundheitlich<br />

bedenklich erweisen könnten?<br />

Kommentar zum REFLEX-<br />

Programm aus Sicht eines<br />

Mediziners<br />

Die Schwerpunktsetzung des REFLEX-<br />

Projektes bei möglichen Feldwirkungen <strong>auf</strong><br />

der Ebene des Genoms sollte eine mögliche<br />

krebsauslösende Feldwirkung <strong>auf</strong>zeigen.<br />

Die üblichen Methoden in solchen<br />

Fällen sind nämlich in der Tat Untersuchungen<br />

<strong>auf</strong> der Genomebene (Genotyp)<br />

und nicht nur <strong>auf</strong> zellulärer Ebene (Phänotyp).<br />

Das REFLEX-Konsortium hat sozusagen<br />

im Rahmen seiner in-vitro-Forschung <strong>mit</strong><br />

39<br />

NEWS l e t t e r 3 . 03 39


te an <strong>die</strong>ser Stelle diskutiert werden.<br />

BEMS<br />

40 40<br />

40<br />

<strong>die</strong> gesundheitliche Relevanz der darge-<br />

2003<br />

NEWS l e t t e r 3 . 03<br />

einer sehr feinen Lupe gearbeitet, etwa -<br />

eigenen Aussagen nach - <strong>mit</strong> den modernsten<br />

Methoden der Molekularbiologie und<br />

Toxikologie, d. h. unter Verwendung der<br />

effektivsten heute verfügbaren biologischen<br />

Forschungswerkzeuge aus dem Bereich<br />

der Genomics, Transcriptomics und<br />

Proteomics, um zur Aufklärung zellulärer<br />

und subzellulärer Antworten <strong>auf</strong> elektromagnetische<br />

Feldexposition beizutragen.<br />

Dies ist sicherlich eine löbliche Absicht. In<br />

<strong>die</strong>sem Sinne war es offensichtlich auch<br />

das Bestreben, <strong>die</strong> Versuchsparameter so<br />

optimal auszuwählen und da<strong>mit</strong>- bildlich<br />

gesprochen – <strong>die</strong> Stellschrauben so sensibel<br />

einzustellen, dass – wenn denn ein Effekt<br />

existieren sollte – <strong>die</strong>ser auch <strong>mit</strong><br />

möglichst großer Wahrscheinlichkeit identifiziert<br />

werden könnte.<br />

Aus medizinischer und - wenn man so<br />

will - ganzheitlicher Sicht soll allerdings<br />

dar<strong>auf</strong> hingewiesen werden, dass der Gesamtorganismus<br />

von Mensch und Tier im<br />

Gegensatz zur Einzelzelle oder Gewebeprobe<br />

Steuerungs-, Kompensations- und Gegenregulationsmechanismen<br />

besitzt. Diese<br />

können naturgemäß im in-vitro-Versuch<br />

nur bedingt erfasst werden, sollten jedoch<br />

in ihrer Tragweite nicht unterschätzt werden.<br />

Die Übertragbarkeit von in-vitro-Ergebnissen<br />

<strong>auf</strong> den Gesamtorganismus soll-<br />

Es ist also zu bezweifeln, ob weitreichende<br />

Schlussfolgerungen in Bezug <strong>auf</strong><br />

stellten Ergebnisse gerechtfertigt wären.<br />

Die einzelnen Forschergruppen des RE-<br />

FLEX-Konsortiums betonen ja auch korrekterweise,<br />

dass sie gegenwärtig nicht im<br />

einzelnen beurteilen können, was ihre Resultate<br />

für <strong>die</strong> menschliche Gesundheit<br />

bedeuten. Dies interessiert mich als Mediziner<br />

natürlich ganz besonders. Aus medizinischer<br />

Sicht sollten folgende Fragen<br />

künftig besonders weiterverfolgt werden:<br />

1) Welche Relevanz haben <strong>die</strong> untersuchten<br />

Parameter bzw. <strong>die</strong> bisherigen Ergebnisse<br />

des REFLEX-Projektes für <strong>die</strong><br />

menschliche Gesundheit?<br />

2) Wie gut ist <strong>die</strong> Übertragbarkeit der<br />

in-vitro-Ergebnisse <strong>auf</strong> den Gesamtorganismus<br />

des Menschen?<br />

3) Weshalb ist inter<strong>mit</strong>tierende Befeldung<br />

offenbar wirksamer als kontinuierliche<br />

Befeldung?<br />

4) Können elektromagnetische Felder einen<br />

Einfluss <strong>auf</strong> das DNA-Reparatursystem<br />

ausüben, und wenn ja, gibt es Interaktionen<br />

<strong>mit</strong> anderen physikalischen und<br />

chemischen Agenzien?<br />

Zweifellos handelt es sich beim REFLEX-<br />

Programm um ein sinnvolles Forschungsprogramm.<br />

Es besteht m.E. kein Anlass,<br />

dessen Ergebnisse einschließlich der verwendeten<br />

Methoden anzuzweifeln. Dennoch<br />

war <strong>die</strong> Frage, ob <strong>die</strong> Kriterien der<br />

Good Laboratory Practice (GLP) in allen<br />

Teilen des REFLEX-Projektes Beachtung<br />

fanden, Gegenstand einer kontroversen<br />

Diskussion anlässlich der zurückliegenden<br />

BEMS-Tagung innerhalb des Symposium<br />

III des National Toxicology Program (NTP)<br />

des US-amerikanischen National Institute<br />

of Environmental Health Sciences (NIEHS).<br />

Meiner Auffassung nach war auch das<br />

Podium während der REFLEX-Session am<br />

Nach<strong>mit</strong>tag des 26.06.03 <strong>auf</strong> Maui nicht<br />

optimal genutzt worden, um <strong>die</strong> Details<br />

der Versuchsbedingungen darzulegen.<br />

Möglicherweise liegt <strong>die</strong>s auch daran, dass<br />

<strong>die</strong> Referenten häufig mehrere Einzeluntersuchungen<br />

in ihrer Darstellung zusammengefasst<br />

haben. Die Art der Darstellung<br />

im Rahmen der einzelnen Vorträge aus dem<br />

REFLEX-Projekt war nicht immer geeignet,<br />

<strong>die</strong> Forschungsarbeiten allen Zuhörern<br />

zu veranschaulichen.<br />

In <strong>die</strong>sem Zusammenhang soll nicht unerwähnt<br />

bleiben, dass der BEMS Board of<br />

Directors im Nachgang beschlossen hat,<br />

eine solche komplett eigenständige Session<br />

wie REFLEX künftig innerhalb der Annual<br />

Meetings nicht mehr zuzulassen. Dieser<br />

formale Schritt deutet dar<strong>auf</strong> hin, dass<br />

<strong>die</strong>se REFLEX-Session in den Augen des<br />

BEMS Board of Directors zumindest nicht<br />

ganz zufriedenstellend war.


Gesamtbewertung<br />

der BEMS-Tagung 2003<br />

aus ärztlicher Sicht<br />

Ingesamt läßt sich feststellen, dass <strong>die</strong><br />

<strong>auf</strong> der Tagung präsentierten Ergebnisse<br />

keinen hinreichenden Grund für eine Beunruhigung<br />

der Öffentlichkeit liefern. Man<br />

ten<strong>die</strong>rte insgesamt in Richtung einer Versachlichung<br />

des Themas der medizinischbiologischen<br />

Feldwirkungen <strong>auf</strong> der Grundlage<br />

wissenschaftlicher Erkenntnisse.<br />

Aus naturwissenschaftlicher - wie auch<br />

aus ärztlicher – Sicht erscheint eine weitere<br />

Abklärung noch offener Fragen zu<br />

potentiellen Gesundheitsgefahren bzw.<br />

medizinisch-biologischen Wirkungen der<br />

elektromagnetischen Hochfrequenzfelder<br />

der Mobilfunktechnologie ebenso wie der<br />

niederfrequenten elektrischen und magnetischen<br />

Felder des Energietechnik sinnvoll.<br />

Gerade durch wissenschaftliche Forschung<br />

auch am Gesamtorganismus des<br />

Menschen können Ängste dort relativiert<br />

und abgebaut werden, wo sie sich als unbegründet<br />

erweisen: so hat <strong>die</strong> medizinische<br />

Fachdisziplin der Psychoneuroimmunologie<br />

deutliche Hinweise dafür gefunden,<br />

daß psychischer Dystress wie –<br />

durchaus auch unbegründete – Angst, Niedergeschlagenheit<br />

etc. allein für sich genommen<br />

schon ein Krankheitsspektrum –<br />

beginnend bei einer erhöhten Infektanfälligkeit<br />

bis hin zu Tumorerkrankungen<br />

– begünstigen kann. Dies ist möglich über<br />

den Weg einer <strong>vom</strong> Zentralnervensystem<br />

ver<strong>mit</strong>telten Schwächung der Immunabwehr.<br />

In <strong>die</strong>sem Zusammenhang erscheint<br />

auch das <strong>mit</strong> Feldeinwirkung in Verbindung<br />

gebrachte Phänomen der subjektiv<br />

erlebten sogenannten Elektrosensibilität in<br />

einem neuen Licht.<br />

Die Tatsache, dass sowohl diagnostische<br />

als auch therapeutische Anwendungen<br />

elektromagnetischer Felder in der Medizin<br />

im Rahmen einer eigenen Sitzung zusammenfassend<br />

dargestellt wurden, spricht<br />

dafür, dass sich <strong>die</strong> Bioelectromagnetics<br />

Society stärker noch als bisher nicht nur<br />

den potentiellen gesundheitlichen Risiken<br />

nieder- und hochfrequenter Felder widmet,<br />

sondern zunehmend auch potentiell<br />

heilende und lindernde Feldeffekte erforscht<br />

und erforschen wird – ein Trend,<br />

der ohnehin seit einigen Jahren zu beobachten<br />

ist.<br />

Dr. med. Jörg Reißenweber<br />

Zentrum für Elektropathologie,<br />

Fakultät für Medizin der Universität<br />

Witten/Herdecke<br />

(Leiter: Prof. Dr. med. Eduard David)<br />

Agens<br />

wirkende Ursache, Triebkraft<br />

Apoptose (Englisch: apoptosis)<br />

Programmierter Zelltod, der aktiv durch<br />

<strong>die</strong> Zelle selbst ausgelöst wird, gekennzeichnet<br />

durch enzymatischen Abbau<br />

zelleigener DNS und Proteine. Die Apoptose<br />

kann durch verschiedene Faktoren<br />

ausgelöst werden, deren Zusammenwirken<br />

noch unklar ist. Sie wird als Schutzmechanismus<br />

des Organismus verstanden,<br />

indem beschädigte, nutzlose oder<br />

überalterte Zellen entfernt werden.<br />

Endozytose (Englisch: endocytosis)<br />

Stoff<strong>auf</strong>nahme in <strong>die</strong> Zelle durch örtliche<br />

Einstülpung der Zellmembran um das<br />

Substrat.<br />

Nekrose<br />

örtliches Absterben eines Körper- oder<br />

Organteils infolge Störung oder Aufhebung<br />

der Blutversorgung.<br />

Paramyxoviren<br />

Paramyxoviridae, Familie human- und<br />

tierpathogener RNA-Viren <strong>mit</strong> vier Gattungen:<br />

Paramyxovirus, Rubulavirus,<br />

Morbillivirus und Pneumovirus.<br />

Trypsin<br />

Eiweiß spaltendes Enzym der Bauchspeicheldrüse;<br />

im Dünndarm gebildet.<br />

B B E E M M S S 2 2 0 0 0 0 0 3<br />

3<br />

41<br />

NEWS l e t t e r 3 . 03 41


42 42<br />

42<br />

B B E E M M S S S 2 2 2 0 0 0 0 3<br />

3<br />

NEWS l e t t e r 3 . 03<br />

Roland Glaser<br />

25. Jahrestagung der<br />

Bioelectromagn<br />

Als Tagungsort für <strong>die</strong> Jubiläumsveranstaltung<br />

„1978-2003 - 25 Years of<br />

Excellence“ hatte man den Palmenstrand<br />

von Wailea <strong>auf</strong> der Hawaii-Insel Maui ausgewählt<br />

- ein sicherlich attraktiver, wenn<br />

auch heißer und zumindestens für den<br />

Europäer nicht gerade zentral gelegener<br />

Ort. Das Programm von Montag um 8 Uhr<br />

bis Freitag 13 Uhr war dicht gefüllt. Die<br />

Veranstaltung dauerte sogar einen Tag länger<br />

als gewöhnlich. Außer den vier Plenarveranstaltungen<br />

<strong>die</strong> alle Teilnehmer vereinten,<br />

fanden <strong>die</strong> Vorträge in jeweils zwei<br />

Parallel-Sitzungen statt. Die über 200 Poster<br />

waren während der gesamten Zeit zugänglich.<br />

Für Diskussionen <strong>mit</strong> den Autoren<br />

waren drei Zeiträume von je eineinhalb<br />

Stunden vorgesehen. Besonderer Wert<br />

wurde auch <strong>die</strong>ses Jahr wieder <strong>auf</strong> den<br />

wissenschaftlichen Nachwuchs gelegt -<br />

„Student-Posters“ und „Student-Presentations“<br />

waren extra gekennzeichnet, <strong>die</strong><br />

besten Arbeiten wurden wieder prämiert.<br />

Wie im vergangenen Jahr, so waren natürlich<br />

auch <strong>die</strong>smal Beiträge zur medizinischen<br />

Anwendung magnetischer und<br />

elektromagnetischer Felder im Programm<br />

vertreten - <strong>die</strong> vierte Plenarveranstaltung<br />

und mehrere Symposien waren <strong>die</strong>sem<br />

Thema gewidmet. Im Unterschied zu der<br />

vorjährigen Tagung in Kanada trat <strong>die</strong>se<br />

Thematik <strong>die</strong>smal jedoch nicht so stark in<br />

den Vordergrund. Im Zentrum der Themen<br />

von Vorträgen und Diskussionen standen<br />

vielmehr wieder <strong>die</strong> weltweit geführte<br />

Erörterung um Grenzwerte und mögliche<br />

gesundheitliche Beeinträchtigungen durch<br />

Felder technischen Ursprungs.<br />

Ve<br />

Gege


22.- 27. Juni 2003, Maui, Hawaii<br />

tics Society (BEMS)<br />

Die Jubiläumsveranstaltung erforderte<br />

natürlich auch einen Rückblick, der sich<br />

nicht nur in nostalgischen Reminiszenzen<br />

und einem Aufmarsch der Notabeln der<br />

BEMS-Geschichte (sofern anwesend!) während<br />

des Fest-Bankettes äußerte, sondern<br />

auch in verschiedenen Vorträgen seinen<br />

Niederschlag fand. So lautete auch <strong>die</strong><br />

Überschrift der ersten Plenarveranstaltung:<br />

Die biologische Wirkung<br />

von EMF: Vergangenheit,<br />

Gegenwart, Zukunft<br />

Diese Sitzung wurde eingeleitet durch<br />

einen Vortrag von Larry Anderson (USA)<br />

(PL1-1) zum Thema: „Biologische Wirkungen<br />

von EMF: Was wissen wir im<br />

Jahre 2003 aus Tierversuchen?“ Der Referent<br />

sprach von 10 000 Stu<strong>die</strong>n <strong>die</strong>ser<br />

Art, <strong>die</strong> vorwiegend dem Krebsproblem,<br />

möglichen Reproduktionsstörungen, Herz-<br />

Kreisl<strong>auf</strong>-Veränderungen, hormonellen<br />

Störungen sowie neurophysiologischen<br />

Problemen und Verhaltensänderungen gewidmet<br />

waren. Das Tierexperiment hat vor<br />

Untersuchungen an Zellen (in vitro) den<br />

Vorteil, dass es auch systemische Veränderungen<br />

erfasst, <strong>die</strong> eventuell erst durch<br />

Verstärkereffekte manifest werden könnten.<br />

Während in früheren Jahren 2/3 aller<br />

Untersuchungen dem HF-Bereich galten,<br />

dominierten später Untersuchungen im<br />

Frequenzbereich des Wechselstromes. Getrieben<br />

durch den enormen Aufschwung<br />

der Telekommunikation wird jedoch<br />

inzwischen wieder verstärkt der Hochfrequenzbereich<br />

bearbeitet. Diese Arbeiten<br />

werden entscheidend geprägt durch <strong>die</strong><br />

Fortschritte der Dosimetrie und <strong>die</strong> Konstruktion<br />

von Applikationseinrichtungen<br />

welche Versuche <strong>mit</strong> Mäusen und Ratten<br />

unter gut kontrollierbaren Bedingungen<br />

erlauben. Schwierigkeiten bereitet natürlich<br />

immer wieder <strong>die</strong> Übertragbarkeit der<br />

im Tierexperiment gewonnenen Resultate<br />

<strong>auf</strong> den Menschen. Dies liegt nicht nur an<br />

den physiologischen Unterschieden zwischen<br />

Mensch und Tier, sondern vor allem<br />

auch in der Dosimetrie und Feldverteilung.<br />

In <strong>die</strong>sem Zusammenhang steht natürlich<br />

auch <strong>die</strong> Frage: Was ist eine „repräsentative“<br />

Exposition? Anderson listete weitere<br />

experimentelle Schwierigkeiten <strong>auf</strong>, welche<br />

<strong>die</strong>sen Experimenten anhaften und <strong>die</strong><br />

Ergebnisse oftmals zweifelhaft machen. So<br />

wurde <strong>mit</strong>unter von Effekten berichtet,<br />

ohne <strong>die</strong>se durch genügende Wiederholung<br />

abzusichern. Manchmal war <strong>die</strong> Anzahl<br />

der verwendeten Versuchstiere zu gering,<br />

um statistische Signifikanz zu gewährleisten.<br />

Selten konnten einmal gefundene<br />

Effekte von unabhängiger Seite verifiziert<br />

werden.<br />

Speziell <strong>auf</strong> <strong>die</strong> Krebs-Problematik eingehend,<br />

hob Anderson <strong>die</strong> Schwierigkeiten<br />

von Lang-Zeit-Versuchen hervor, <strong>die</strong><br />

natürlich für <strong>die</strong>se Fragestellung von besonderer<br />

Bedeutung sind. Nicht nur der<br />

Kostenfaktor spielt dabei eine Rolle, der<br />

durch <strong>die</strong> Langzeithaltung einer genügend<br />

großen Anzahl von Versuchstieren entsteht,<br />

sondern auch <strong>die</strong> Gefahr von Fehlschlüssen<br />

durch andere Einflüsse, <strong>die</strong> bei<br />

einer Langzeithaltung der Tiere <strong>auf</strong>treten<br />

können. Besonders kritisch wird <strong>die</strong>ses Problem<br />

natürlich bei der Untersuchung sel-<br />

gangenheit<br />

wart<br />

Zukunft<br />

tener Tumoren. Im Frequenzbereich des<br />

Wechselstromes führte er <strong>die</strong> umfangreichen<br />

Untersuchungen von McCormick et<br />

al. (98, 99), Mandeville et al. (97, 2000),<br />

Yasui et al. (97) und Rannug et al. (93, 94)<br />

an, <strong>die</strong> in Langzeit-Stu<strong>die</strong>n an Mäusen und<br />

Ratten vergeblich nach der Induktion irgendwelcher<br />

Tumoren gesucht hatten, auch<br />

wenn <strong>die</strong> Tiere bis zu 22 Stunden pro Tag<br />

den niederfrequenten Feldern ausgesetzt<br />

waren. Ähnlich ist <strong>die</strong> Situation im Hochfrequenzbereich.<br />

Selbst Versuche, bei Ratten<br />

und Mäusen durch langdauernde Exposition<br />

(2-4 Stunden pro Tag) <strong>mit</strong> Feldern<br />

im Frequenzbereich des Mobilfunks<br />

Krebs zu erzeugen schlugen fehl (Adey<br />

2000, Chou 92, Frei 98, Toler 88, Zook<br />

2001). Auf noch l<strong>auf</strong>ende Experimente der<br />

Gruppen um Roti Roti, Shirai und Perform<br />

<strong>mit</strong> hohen Tierzahlen kann man gespannt<br />

sein. Aufgrund <strong>die</strong>ser Erfahrungen wurden<br />

zahlreiche Versuche durchgeführt um<br />

der Frage nachzugehen, ob EMF wenn<br />

nicht als Krebs-Initiator, so vielleicht doch<br />

als Krebs-Promotor wirken könnte, ob also<br />

das Wachstum einer anderweitig ausgelösten<br />

Krebsgeschwulst durch EMF beschleunigt<br />

werden könnte. Man initiierte<br />

Krebsgeschwülste in den Tieren durch Implantation<br />

von Krebszellen, durch verschiedene<br />

Kanzerogene (z.B. DMBA, NMU) oder<br />

man verwendete genetisch prädestinierte<br />

Tiere, <strong>die</strong> <strong>mit</strong> hoher Wahrscheinlichkeit<br />

spontan Krebs entwickeln. Im NF-Bereich<br />

waren <strong>die</strong> Experimente überwiegend negativ.<br />

Hin und wieder positiv verl<strong>auf</strong>ende<br />

Versuche konnten nicht reproduziert werden.<br />

Ähnliches gilt auch für <strong>die</strong> HF-Unter-<br />

43<br />

NEWS l e t t e r 3 . 03 43


44 44<br />

44<br />

B B E E M M S S S 2 2 2 0 0 0 0 3<br />

3<br />

suchungen. Auch <strong>die</strong> Resultate des Experiments<br />

<strong>mit</strong> genetisch veränderten Mäusen<br />

von Repacholi et al. (97) konnten nicht<br />

reproduziert werden. Dieser Referent verwies<br />

auch hier <strong>auf</strong> eine Reihe von Stu<strong>die</strong>n,<br />

speziell in Australien, China, Finnland, Italien,<br />

Japan, Österreich und Schweden, <strong>die</strong><br />

noch nicht abgeschlossen sind.<br />

Die neurophysiologischen Tierexperimente<br />

zusammenfassend, kam Anderson<br />

zu dem Schluss, dass eine Reihe von Effekten<br />

gefunden werden konnte, <strong>die</strong> sich jedoch<br />

ausnahmslos als reversibel erwiesen<br />

und im HF-Bereich zumeist <strong>mit</strong> thermischen<br />

Veränderungen einhergingen. Bleibende<br />

Langzeitveränderungen konnten<br />

<strong>die</strong>sbezüglich nicht nachgewiesen werden.<br />

Untersuchungen über mögliche Beeinflussungen<br />

der Reproduktion wurden nicht nur<br />

bei Säugetieren, sondern auch bei Vögeln<br />

und Wirbellosen durchgeführt, wobei<br />

allerdings zu beachten ist, dass das Problem<br />

der Übertragbarkeit der Ergebnisse<br />

<strong>auf</strong> den Menschen gerade <strong>auf</strong> <strong>die</strong>sem Gebiet<br />

<strong>mit</strong> größer werdender phylogenetischer<br />

Distanz immer gravierender wird. Im NF-<br />

Bereich konnten geringe Effekte nachgewiesen<br />

werden, <strong>die</strong> Anderson jedoch,<br />

besonders bei niederen Tieren, als „conflicting<br />

results“ charakterisierte. Im HF-<br />

Bereich, in dem hauptsächlich <strong>die</strong> 2,45 GHz-<br />

Frequenz untersucht wurde, konnten Effekte<br />

lediglich im Zusammenhang <strong>mit</strong> thermischen<br />

Veränderungen festgestellt werden.<br />

In <strong>die</strong>sem Zusammenhang verwies<br />

Anderson besonders <strong>auf</strong> <strong>die</strong> Notwendigkeit<br />

einer genauen Dosimetrie unter besonderer<br />

Beachtung von Heterogenität bei der Energieabsorption<br />

im Körper und des Auftretens<br />

mikrothermischer Effekte. Als generelle<br />

Schlussfolgerung zitierte der Referent<br />

aus einer Stellungnahme der US National<br />

Academy, wonach <strong>die</strong> derzeitig verfügbare<br />

Menge an Daten keine Anhaltspunkte dafür<br />

liefert, dass <strong>die</strong> Exposition durch <strong>die</strong>se Felder<br />

eine Gefahr für <strong>die</strong> menschliche Gesundheit<br />

darstellt. Speziell gäbe es keine<br />

schlüssige und konsistente Evidenz dafür,<br />

dass <strong>die</strong> Exposition durch elektrische und<br />

NEWS l e t t e r 3 . 03<br />

magnetische Felder der häuslichen Umgebung<br />

Auslöser für Krebs (außer eventuell<br />

Brustkrebs) oder Ursache für nachteilige<br />

neuro-psychische Effekte sowie reproduktive<br />

oder entwicklungsstörende Einflüsse<br />

sein könnte. Auch eine Reihe internationaler<br />

Gremien kommt zu dem Schluss, dass es<br />

keine Belege für <strong>die</strong> Annahme gibt, aus den<br />

elektromagnetischen Feldern des Mobiltelefons<br />

erwüchse eine Gefahr für <strong>die</strong> menschliche<br />

Gesundheit.<br />

Als zweiter Referent berichtete Michael<br />

Repacholi (WHO) (PL 1-2) über <strong>die</strong> Resultate<br />

des 1997 etablierten WHO-Projektes<br />

über <strong>die</strong> „Einschätzung von gesundheitlichen<br />

und Umwelt-Einflüssen elektromagnetischer<br />

Felder im Frequenzbereich<br />

von 0-300 GHz“. Dabei geht es im Wesentlichen<br />

um <strong>die</strong> ständige Beobachtung<br />

und Registrierung des <strong>Stand</strong>es der Forschung<br />

<strong>auf</strong> <strong>die</strong>sem Gebiet, <strong>die</strong> Identifikation<br />

von Lücken und <strong>die</strong> Erarbeitung von<br />

Empfehlungen für weitere Forschungsprojekte.<br />

Bei <strong>die</strong>sen Aufgaben ist <strong>die</strong> WHO<br />

<strong>auf</strong> eine enge Zusammenarbeit sowohl <strong>mit</strong><br />

anderen internationalen Gremien (IARC,<br />

UNEP, ICNIRP, ILO, IEC, NATO, ITA, EC)<br />

als auch <strong>mit</strong> den jeweiligen nationalen Institutionen<br />

angewiesen. Repacholi verwies<br />

in <strong>die</strong>sem Zusammenhang <strong>auf</strong> <strong>die</strong> in der<br />

letzten Zeit erschienenen <strong>Publikation</strong>en der<br />

WHO, in welchen Forschungsergebnisse zur<br />

Wirkung verschiedener Arten elektromagnetischer<br />

Felder zusammenfasst sind.<br />

Zur möglichen Krebsgefahr durch niederfrequente<br />

Felder gibt es <strong>die</strong> vorläufige<br />

Einschätzung der WHO aus dem Jahre 2001<br />

(publiziert 2002), wonach <strong>die</strong>se in <strong>die</strong> Gruppe<br />

2B der WHO Klassifikation eingestuft<br />

wurden: „Possibly carcinogenic to humans“.<br />

Diese Einschätzung ist durch <strong>die</strong><br />

Unklarheit bezüglich epidemiologischer<br />

Erhebungen zur Kinder-Leukämie begründet.<br />

Da<strong>mit</strong> befinden sich <strong>die</strong> elektromagnetischen<br />

Felder des Wechselstroms in der<br />

gleichen Gefährdungs-Kategorie wie: Kaffee,<br />

sauer eingelegtes Gemüse, Auspuffgase<br />

oder Schweiß-Dämpfe, und sind eine<br />

Kategorie harmloser, als <strong>die</strong> Gruppe 2A<br />

(„Probably carcinogenic to humans“), zu<br />

der z.B. Diesel-Auspuff, Höhensonnen, UV-<br />

Strahlung und Formaldehyd zählen.<br />

Im Unterschied zu den Feldern des Kraftstromes<br />

ist eine entsprechende Einschätzung<br />

der Hochfrequenz-Felder des Mobilfunks<br />

zur Zeit noch nicht möglich. Hier<br />

wartet <strong>die</strong> WHO <strong>auf</strong> <strong>die</strong> Resultate weiterer<br />

Forschung, insbesondere <strong>auf</strong> <strong>die</strong> Klärung<br />

von publizierten Effekten, <strong>die</strong> jedoch bisher<br />

unbestätigt geblieben sind, wie Gedächtnis-<br />

Verlust, Krebspromotion, Blutdruckänderung,<br />

Permeabilisierung der Blut-Hirn-Schranke,<br />

Veränderung psychischer Reaktionszeiten<br />

sowie diverse subjektive Effekte (Hypersensitivität).<br />

Diesbezüglich sind eine Reihe von<br />

Stu<strong>die</strong>n derzeit in Arbeit und lassen in den<br />

nächsten Jahren neue Aufschlüsse erwarten.<br />

Auch wird <strong>die</strong> Notwendigkeit unterstrichen,<br />

zuverlässigere Dosimeter für hochfrequente<br />

Felder zu entwickeln.<br />

Als besonders bedauerlich unterstrich<br />

Repacholi den Umstand, dass es in letzter<br />

Zeit keine neuen Vorstellungen zu biophysikalischen<br />

Mechanismen gibt, <strong>die</strong> als<br />

Arbeitshypothesen <strong>die</strong> experimentelle Forschung<br />

lenken könnten. In <strong>die</strong>sem Bezug<br />

empfahl er mikrodosimetrischen Untersuchungen<br />

<strong>auf</strong> zellulärem und subzellulärem<br />

Niveau eine erhöhte Aufmerksamkeit<br />

zuzuwenden. Vielleicht ließe sich dort der<br />

Ort einer Feldwirkung finden. Für <strong>die</strong> Bevölkerung<br />

ist es natürlich von besonderem<br />

Interesse <strong>die</strong> Frage zu klären, ob es<br />

einen Langzeiteffekt sehr schwacher Felder<br />

geben kann, etwa solchen, <strong>die</strong> von einer<br />

Basisstation ausgehen. Bisher gibt es<br />

dafür allerdings weder empirische noch<br />

biophysikalische Anhaltspunkte. In <strong>die</strong>sem<br />

Zusammenhang warnt der Referent eindringlich<br />

davor, einem „public pressure“<br />

folgend, <strong>die</strong> Grenzwerte zu senken. Da<strong>mit</strong><br />

würde jede wissenschaftliche Basis verlassen<br />

und <strong>die</strong> Diskussion der politischen<br />

Willkür preisgegeben.<br />

Wie soll es also weitergehen? Es erscheint<br />

dringend geboten, <strong>die</strong> Forschungsprogramme<br />

weiter zu koordinieren und <strong>auf</strong><br />

Schwerpunkte zu fokussieren. Die WHO


ittet deshalb alle Gruppen, <strong>die</strong> sich <strong>mit</strong><br />

Forschungen <strong>auf</strong> <strong>die</strong>sem Gebiet befassen,<br />

ihre Daten zur Verfügung zu stellen. Diese<br />

müssen transparent sein und in einer nutzerfreundlichen<br />

Weise vorliegen, da<strong>mit</strong> Bevölkerung,<br />

Behörden und Industrie etwas<br />

da<strong>mit</strong> anfangen können.<br />

Die zweite Plenarveranstaltung leitete<br />

über zu dem Thema:<br />

Epidemiologie<br />

Epidemiologie<br />

Zunächst gab Frau Maria Feychting (PL<br />

2-1) <strong>vom</strong> Institute of Environmental Medicine,<br />

Stockholm, einen Überblick über<br />

epidemiologische Stu<strong>die</strong>n zu möglichen<br />

Folgen der Nutzung von Mobiltelefonen.<br />

Im Mittelpunkt stand <strong>die</strong> Frage: Warum<br />

differieren <strong>die</strong> Resultate <strong>die</strong>ser Stu<strong>die</strong>n zum<br />

Teil so erheblich? Welches sind <strong>die</strong> häufigsten<br />

Fehlermöglichkeiten bei <strong>die</strong>sen Erhebungen?<br />

Zunächst wurde <strong>die</strong> kürzlich<br />

erschienene dänische Kohortenstu<strong>die</strong> (Johansen<br />

et al., J. National Cancer Institute.<br />

2001; 93, 203-207.), <strong>die</strong> unter Verwendung<br />

des nationalen Krebsregisters keinen<br />

Zusammenhang zwischen der Handy-Nutzung<br />

und Häufigkeit einer Krebserkrankung<br />

fand, <strong>mit</strong> der finnischen Erhebung<br />

(Auvinen et al., Epidemiology. 2002; 13,<br />

356-359) verglichen, in der man eine entsprechende<br />

Korrelation glaubte gefunden<br />

zu haben.<br />

Frau Feychting sieht <strong>die</strong> hauptsächlichen<br />

Fehlerquellen in einem Mangel an genauen<br />

Expositionswerten der Handy-Nutzer<br />

(Wie viel, und wie lange wurde tatsächlich<br />

telefoniert und wie hoch und wie schwankend<br />

waren dabei <strong>die</strong> SAR-Werte?) und in<br />

einer Fehl-Klassifikation der Kohorten<br />

(Sind <strong>die</strong> kranken „Nutzer“ in Relation zur<br />

Gesamtbevölkerung, oder in Relation zu<br />

gesunden „Nicht-Nutzern“ zu stellen?).<br />

Spezielle Zweifel äußerte <strong>die</strong> Referentin<br />

an den finnischen Daten, relativierte jedoch<br />

<strong>die</strong> Aussagen beider Stu<strong>die</strong>n in Anbetracht<br />

der Kürze der betrachteten Zeitspanne.<br />

Im folgenden analysierte Frau Feychting<br />

<strong>die</strong> Stu<strong>die</strong>n von Hardell et al. (Int. J. Radiat.<br />

Biol. 2002; 78, 931-936; Intern. J. Oncology.<br />

1999; 15 113-116), Inskip et al. (N-<br />

Engl-J-Med. 2001; 344,79-86) und Muscat<br />

et al. (JAMA. 2000; 284, 3001-3007), <strong>die</strong><br />

sich speziell <strong>auf</strong> Hirntumoren beziehen und<br />

zum Teil <strong>auf</strong> Patienten-Aussagen stützen.<br />

Übereinstimmend konnte in keiner der drei<br />

Stu<strong>die</strong>n eine Gesamt-Korrelation zwischen<br />

Handy-Nutzung und Hirntumor festgestellt<br />

werden, doch glaubt Hardell einen Bezug<br />

zwischen der Kopf-Seite gefunden zu haben,<br />

in welcher der Tumor <strong>auf</strong>trat, und der<br />

Vorzugshaltung des Gerätes beim Telefonieren.<br />

Neben den bereits oben erwähnten<br />

Problemen sieht <strong>die</strong> Referentin hier zusätzlich<br />

eine Fehlermöglichkeit im Erinnerungsvermögen<br />

der befragten Personen und<br />

insbesondere in deren Beeinflussbarkeit.<br />

Wird nämlich durch einen Fragebogen <strong>die</strong><br />

Aufmerksamkeit dar<strong>auf</strong> gerichtet, dass ein<br />

Zusammenhang zwischen dem Tumor und<br />

der Gewohnheit des Telefonierens bestehen<br />

könnte, so wird <strong>die</strong> Frage zu einer<br />

Suggestiv-Frage, <strong>die</strong> Antwort folglich ungünstig<br />

beeinflusst. Wie könnte man alle<br />

<strong>die</strong>se Fehler in Zukunft wenn nicht völlig<br />

vermeiden, so doch wenigstens eingrenzen?<br />

Es könnten beispielsweise <strong>die</strong> genauen Telefon-Zeiten<br />

zentral er<strong>mit</strong>telt werden, es<br />

könnten standardisierte Fragebögen entwickelt<br />

und <strong>die</strong> Interviewer besser geschult<br />

werden. Die Fragebögen müssten <strong>die</strong> zentral<br />

erfassten Daten bezüglich Art und<br />

Vorzugs-Ort des Telefonierens (Stadt oder<br />

Land, Gebäude oder freie Umgebung) ergänzen.<br />

Insgesamt kam Frau Feychting zu folgendem<br />

Schluss: Obgleich es im Rahmen<br />

der für derartige Erhebungen bisher zur<br />

Verfügung stehenden Zeit keinen Anlass<br />

gibt, von einem Risiko für <strong>die</strong> Entstehung<br />

von Hirntumoren durch Handy-Nutzung<br />

zu sprechen, kann über mögliche Langzeit-Effekte<br />

im Moment noch nicht geurteilt<br />

werden. Insbesondere fehlen noch Stu<strong>die</strong>n<br />

über <strong>die</strong> Handy-Nutzung bei Kindern<br />

und Jugendlichen.<br />

Frau Leeka Kheifets (PL 2-2) (WHO, in<br />

Zusammenarbeit <strong>mit</strong> Maria Feychting und<br />

45<br />

45<br />

45<br />

NEWS l e t t e r 3 . 03 45<br />

45


46 46<br />

46<br />

B B E E M M S S S 2 2 2 0 0 0 0 3<br />

3<br />

NEWS l e t t e r 3 . 03<br />

Joachim Schüz) referierte anschließend<br />

zum Thema: „Epidemiologie und Basisstationen<br />

des Mobilfunks“. Ausgangspunkt<br />

waren natürlich <strong>die</strong> weit verbreiteten<br />

Bedenken in der Bevölkerung gegen<br />

<strong>die</strong> Errichtung solcher Stationen. Hier stehen<br />

sich <strong>die</strong> geringe Wahrscheinlichkeit<br />

einer solchen Wirkung aus wissenschaftlicher<br />

Sicht und <strong>die</strong> vielen Einzelfallberichte<br />

aus der Bevölkerung gegenüber. Dem<br />

Argument der Geringfügigkeit der Feld-<br />

Intensität wird der Umstand entgegengehalten,<br />

dass es sich um eine Ganzkörperbefeldung<br />

und zudem um eine Langzeitexposition<br />

handle. Auch wird <strong>mit</strong> der komplexen<br />

Befeldung durch heterogene Quellen<br />

argumentiert, zumeist jedoch, ohne <strong>die</strong>se<br />

genau zu kennen. All <strong>die</strong>s ruft nach<br />

epidemiologischen Stu<strong>die</strong>n, <strong>die</strong> es aber<br />

bislang nur bezüglich Anwohnern von<br />

nahen Rundfunk- und Fernsehantennen<br />

gibt.<br />

Ist eine entsprechende Stu<strong>die</strong> für Basisstationen<br />

des Mobilfunks überhaupt machbar?<br />

Zunächst treten zwei Problemkreise<br />

<strong>auf</strong>, <strong>die</strong> es dabei zu lösen gilt. Der eine<br />

betrifft <strong>die</strong> Dosimetrie: Ist es überhaupt<br />

möglich, ein Maß zu finden, welches <strong>die</strong><br />

individuelle Exposition eines Anwohners<br />

durch eine solche Anlage wiedergibt? Das<br />

zweite bezieht sich <strong>auf</strong> <strong>die</strong> zu erfassenden<br />

Befindlichkeiten: Man klagt über akute<br />

Beschwerden wie Schlafstörungen, Kopfschmerzen,<br />

über längerfristige Effekte wie<br />

Beeinträchtigung des Lernvermögen oder<br />

befürchtet gar chronische Folgen wie Leukämie<br />

oder andere Arten von Krebs. Eine<br />

sinnvolle epidemiologische Stu<strong>die</strong> setzt<br />

natürlich voraus, das der subjektive Faktor<br />

weitgehend zurückgedrängt wird.<br />

Bereits bei der Dosimetrie treten jedoch<br />

große Schwierigkeiten <strong>auf</strong>. Bekanntlich ist<br />

das Feld um eine Basisstation sowohl<br />

räumlich als auch zeitlich außerordentlich<br />

heterogen. Die einfache geometrische Betrachtungsweise,<br />

d.h. eine Einteilung der<br />

Umgebung in radiale Abstandsbereiche<br />

wurde schon bei den epidemiologischen<br />

Untersuchungen um Rundfunk- und Fern-<br />

sehantennen als sachlich nicht gerechtfertigt<br />

kritisiert. Die Referentin demonstriert<br />

<strong>die</strong> vielen Abhängigkeiten der lokalen<br />

Feldstärken und erläutert andere Faktoren,<br />

welche <strong>die</strong> Aussagekraft einer solchen<br />

Untersuchung mindern können. Umfangreiche<br />

Analysen sind in Vorbereitung<br />

um erst einmal zu klären, ob solche Stu<strong>die</strong>n<br />

überhaupt machbar sind.<br />

Ein dritter Beitrag von Frau Elisabeth<br />

Cardis (PL 2-3) (International Agency for<br />

Research on Cancer) zu „Radiofrequenz-<br />

Exposition, Mobiltelefon und Krebs“ hatte<br />

bereits zum Untertitel: „Methodologische<br />

Schwierigkeiten und Perspektiven“.<br />

So hob auch <strong>die</strong>se Referentin wieder <strong>die</strong><br />

Schwierigkeiten und Probleme vorliegender<br />

Erhebungen hervor. Ihr Referat informierte<br />

vorwiegend über eine bereits im<br />

Jahre 2000 begonnene internationale Fall-<br />

Kontrollstu<strong>die</strong> („INTERPHONE“) zu <strong>die</strong>ser<br />

Fragestellung, <strong>die</strong> all <strong>die</strong>se Argumente berücksichtigen<br />

und wenn möglich verlässlichere<br />

Daten liefern soll. Es ist vorgesehen,<br />

dass bis Ende 2003 in mehreren Ländern<br />

Personen im Alter von 30-59 Jahren erfasst<br />

werden, <strong>die</strong> an Glioma, Meningioma, akustischen<br />

Neurinoma und Parodit-Drüsen<br />

Tumoren leiden. Die Auswertung der Daten<br />

ist für 2005 vorgesehen. Die Stu<strong>die</strong> ist international<br />

angelegt, umfasst Kollektive in<br />

mehreren Kontinenten und wird so<strong>mit</strong> voraussichtlich<br />

über mehr als 6000 Fälle erfassen<br />

können. Da<strong>mit</strong> hofft man ein statistisches<br />

Material zu erhalten, welches eine<br />

relevante Aussage erlaubt. Die Referentin<br />

erläutert den Fragebogen, der durch ein<br />

Expertengremium ausgearbeitet wurde und<br />

einheitlich bei allen beteiligten Gruppen<br />

Verwendung findet. Dabei sollen Aussagen<br />

im persönlichen Interview <strong>mit</strong> Angaben<br />

aus den Mobilfunk-Zentralen über individuelle<br />

Dauer und Zeitverteilung des Telefonierens<br />

<strong>mit</strong>einander verglichen werden.<br />

Da relevante Feldintensitäten nur in antennen-nahen<br />

Bereichen des Kopfes zu erwarten<br />

sind, wurden bereits Dosis-Verteilungs-<br />

Berechnungen durchgeführt, <strong>die</strong> dann <strong>mit</strong><br />

der Lokalisation <strong>auf</strong>tretender Tumoren ver-


glichen werden sollen. Dies ist ein umfangreiches<br />

Unternehmen, muss man doch berücksichtigen,<br />

dass in dem Einzugsgebiet<br />

mehr als 400 verschiedene Typen von<br />

Mobiltelefonen verwendet werden.<br />

Außer <strong>die</strong>sen Plenarvorträgen waren<br />

noch 8 Kurzvorträge und 9 Poster dem<br />

Thema Epidemiologie gewidmet. Auch hier<br />

wurden <strong>die</strong> Problematik einer genauen Erfassung<br />

der tatsächlichen Expositionswerte<br />

im Hochfrequenzbereich diskutiert und<br />

Lösungsmöglichkeiten vorgeschlagen<br />

(Sheppard et al. 12-8). Einige Beiträge,<br />

besonders unter den Poster-Präsentationen,<br />

hatten auch <strong>die</strong> Niederfrequenz-Problematik<br />

zum Thema bzw. konzentrierten<br />

sich <strong>auf</strong> <strong>die</strong> berufliche Exposition.<br />

Die dritte Plenar-Sitzung galt dem Thema:<br />

Mechanismen.<br />

Hier wurden zwei Vorträge gehalten. Der<br />

erste, von D. Leszczynski (PL 3-1) (Finland),<br />

hatte <strong>mit</strong> <strong>die</strong>sem Thema eigentlich<br />

wenig zu tun, sondern enthielt zunächst<br />

allgemeine Betrachtungen zur Forschungsmethodik,<br />

wobei der Autor dem von anderen<br />

Forschern verwendeten „Classic Science<br />

Approaches“ seinen eigenen Ansatz,<br />

den er „Discovery Science“ nannte, entgegenstellte,<br />

ohne den Unterschied eigentlich<br />

klarzustellen. Als Beispiel demonstrierte<br />

er eigene Untersuchungen unter Verwendung<br />

einer „high-throughput screening<br />

techniques“ (HTST), einer neuerdings<br />

in der Molekularbiologie allgemein verwendeten<br />

automatisierten Analysemethode,<br />

<strong>die</strong> in kurzer Zeit eine hohe Anzahl<br />

von Transkriptionen zu erkennen gestattet.<br />

So konnte er nach einstündiger Befeldung<br />

von menschlichen Endothelial-Zellen<br />

<strong>mit</strong> einem 900 MHz GSM-Signal (ca.<br />

2,4 W/kg) einige Dutzend von Genen (von<br />

3600 untersuchten) als angeschaltet erkennen,<br />

sowie <strong>die</strong> Aktivität von mehreren hundert<br />

Proteinen erhöht und einigen Dutzend<br />

(von ca. 1300 untersuchten) neu exprimiert<br />

finden. Obgleich der Autor daraus<br />

noch nicht unbedingt den Beweis für eine<br />

gesundheitliche Gefährdung ablesen wollte,<br />

zog er doch umfangreiche Schlüsse <strong>auf</strong><br />

<strong>die</strong> daraus möglicherweise entstehenden<br />

biologischen Konsequenzen. Leider hielt<br />

sich der Referent weniger bei der Frage<br />

nach der Zuverlässigkeit seiner Methoden,<br />

der statistischen Signifikanz der von ihm<br />

demonstrierten Daten oder der tatsächlichen<br />

applizierten Dosis und der Homogenität<br />

des Feldes <strong>auf</strong> (der Effekt wurde nichtthermisch<br />

genannt, da <strong>die</strong> Temperatur <strong>auf</strong><br />

0,3 Grad genau kontrolliert sei), sondern<br />

konzentrierte sich vielmehr <strong>auf</strong> den Triumph<br />

der Ergebnisse und deren mögliche<br />

Bedeutung.<br />

In einem Kurzreferat von Kuokka und<br />

Leszczynski (3-4) wurden später ähnliche<br />

Resultate der Gruppe vorgetragen. Auch<br />

das Referat von Maercker et al. (1-5) aus<br />

der gleichen Gruppe und deren Poster (P-<br />

36), wo ebenfalls eine Vielzahl von Protein-Expressionen<br />

als Resultat einer Befeldung<br />

(1,8GHz, 1-1,3W/kg) demonstriert<br />

wurde ver<strong>mit</strong>telten einen ähnlichen Eindruck.<br />

Auch hier versäumte man es, <strong>auf</strong><br />

<strong>die</strong> biologische Variabilität und so<strong>mit</strong> <strong>auf</strong><br />

<strong>die</strong> Fehlermöglichkeiten der Methode und<br />

<strong>die</strong> Signifikanz der Resultate näher einzugehen.<br />

Eine sorgfältige Analyse <strong>die</strong>ser Art<br />

ist jedoch immer Voraussetzung bei der<br />

Nutzung einer neuen Versuchstechnik. Auf<br />

<strong>die</strong>se Sachverhalte verwies speziell S.A.<br />

Johnston (1-6) in seinem Referat über Forschungskriterien.<br />

Sie betonte darin, dass<br />

es nicht reicht, eine formale Signifikanz<br />

der Ergebnisse nachzuweisen, sondern es<br />

muss auch gezeigt werden, dass derartige<br />

Abweichungen nicht auch durch zufällige<br />

Schwankungen im Systemverhalten oder<br />

durch indirekte Effekte ausgelöst sein<br />

könnten. In <strong>die</strong>sem Zusammenhang wies<br />

sie <strong>auf</strong> thermoregulatorische Eigenschaften<br />

von Nervenzellen hin, welche bereits<br />

<strong>auf</strong> Temperaturerhöhungen reagieren können,<br />

<strong>die</strong> noch weit unterhalb der durch<br />

Thermistoren erfassbaren Schwelle liegen.<br />

Den zweiten Vortrag in <strong>die</strong>ser Plenarsitzung<br />

hielt Earl Prohofsky (PL 3-2) (USA)<br />

zum Thema: „Vibrationsmoden in biologischen<br />

Molekülen bei HF-Frequenzen“<br />

und bezog sich nun wirklich <strong>auf</strong> mögliche<br />

Mechanismen. Der Referent konzentrierte<br />

sich <strong>auf</strong> <strong>die</strong> Frage, ob <strong>die</strong> so genannten<br />

athermischen Effekte <strong>auf</strong> einer direkten<br />

Energie-Übertragung der HF-Schwingung<br />

<strong>auf</strong> makromolekulare Komponenten biologisch<br />

relevanter Moleküle beruhen könnten<br />

und so<strong>mit</strong> direkt, unter Umgehung allgemeiner<br />

stochastischer Temperatur-Erhöhung<br />

eine Wirkung <strong>auf</strong> das System ausüben?<br />

Zweifellos koppeln <strong>die</strong> elektrischen<br />

Hochfrequenz-Felder an Ladungen und<br />

Dipole in Molekülen und beeinflussen <strong>die</strong>se<br />

so<strong>mit</strong> mechanisch. Wieweit es dabei zur<br />

Induktion mechanischer Schwingungen<br />

kommt, hängt von der Resonanz der HF-<br />

Frequenz <strong>mit</strong> der mechanischen Eigenfrequenz<br />

des entsprechenden Moleküls bzw.<br />

Molekülteiles ab. Diese Eigenfrequenzen<br />

Mechanismen<br />

liegen nun aber mindestens in der Größenordnung<br />

von einigen hundert GHz und<br />

verhalten sich umgekehrt proportional zur<br />

molekularen Dimension.<br />

Weit höher noch liegen <strong>die</strong> Eigenfrequenzen<br />

der Vibrationen von molekularen<br />

Komponenten, <strong>die</strong> für <strong>die</strong> biologische Energieübertragung<br />

verantwortlich sind. Nun<br />

sind natürlich alle Biomakromoleküle hydratisiert,<br />

d.h. sie enthalten gebundenes<br />

Wasser an der Oberfläche und zum Teil<br />

auch im Inneren. Dieses Wasser wirkt <strong>auf</strong><br />

<strong>die</strong> induzierten Vibrationen stark dämpfend,<br />

wobei das Maximum der Dämpfung,<br />

und folglich auch der Energiedissipation,<br />

im GHz-Bereich liegt. Der Referent kommt<br />

zu dem Schluss, dass sowohl Proteine als<br />

auch DNA-Moleküle für elektromagnetische<br />

Schwingungen im GHz-Bereich viel<br />

zu langsam sind, um biologisch relevante<br />

Vibrationen anzuregen, dass außerdem <strong>die</strong><br />

dämpfende Eigenschaft der Wassermoleküle<br />

solche Anregungen verhindert. Die<br />

absorbierte Energie kann also nicht direkt<br />

in <strong>die</strong> Energetik des molekular-biologischen<br />

Geschehens eingreifen. Dies ist eine<br />

wichtige Schlussfolgerung, <strong>die</strong> im Gegensatz<br />

zur Wirkung energiereicher Quanten<br />

ionisierender Strahlung gegen eine „direkte“<br />

athermische Feldwirkung spricht.<br />

47<br />

NEWS l e t t e r 3 . 03 47


48 48<br />

48<br />

B B E E M M S S S 2 2 2 0 0 0 0 3<br />

3<br />

NEWS l e t t e r 3 . 03<br />

Während also aus der statistischen Thermodynamik<br />

immer wieder Bedenken bezüglich<br />

der Dominanz thermischen Rauschens<br />

in Relation zu einer möglichen Wirkung<br />

schwacher elektromagnetischer Felder<br />

vorgebracht werden, ist <strong>die</strong>s hier ein<br />

zusätzliches Argument in <strong>die</strong>ser Diskussion.<br />

Gleichzeitig wird hier <strong>die</strong> Rolle des<br />

Wassers, insbesondere des gebundenen<br />

Wassers unterstrichen, dessen breit ausgedehntes<br />

Dispersionsgebiet im Bereich der<br />

Mobilfunk-Frequenzen liegt und so<strong>mit</strong> als<br />

Mediator von Feldwirkungen fungieren<br />

kann, <strong>die</strong> zwar von Natur aus thermisch,<br />

jedoch eventuell ohne messbare makroskopische<br />

Temperaturänderungen einher<br />

gehen könnten. Leider war <strong>die</strong>ser inhaltlich<br />

außerordentlich wichtige Vortrag didaktisch<br />

wenig <strong>auf</strong> <strong>die</strong> Zuhörer zugeschnitten,<br />

sodass er wahrscheinlich nicht <strong>die</strong> ihm<br />

gebührende Beachtung fand. Die von Prohovsky<br />

vorgetragenen Sachverhalte wurden<br />

in einem Poster (P-192) durch Untersuchungen<br />

der Vibrationsmoden von Myoglobin<br />

und Hämoglobin ergänzt.<br />

Um beim Thema: „Mechanismen“ zu<br />

bleiben, sei noch <strong>auf</strong> <strong>die</strong> Sektion 2 hingewiesen,<br />

deren Überschrift man aber, mangels<br />

tatsächlich neuer Konzepte zu Wirkungsmechanismen,<br />

erweitert hatte zu:<br />

„Mechanismen und Modellierung“. So gab<br />

es auch lediglich einen einzigen Beitrag<br />

von DelGuidice et al. der sich <strong>auf</strong> mögliche<br />

Wirkungsmechanismen niederfrequenter<br />

Felder bezog (siehe auch <strong>die</strong> <strong>Publikation</strong><br />

der Autoren: Bioelectromagnetics. 2002;<br />

23, 522-530). Die Autoren, offenbar unbeschwert<br />

durch Kenntnis der Literatur zur<br />

Wasserstruktur in biologischen Systemen<br />

und dem Lehrbuchwissen zur Debey-Hückel-Theorie<br />

der Ionenleitfähigkeit, postulieren<br />

kugelförmige Wasserdomänen, um<br />

welche <strong>die</strong> Ionen <strong>mit</strong> bestimmten Resonanz-Frequenzen<br />

kreisen und sich dadurch<br />

elektromagnetisch beeinflussen lassen.<br />

Unter den Postern wäre noch der Beitrag<br />

von F. Barnes et al. (P-191) zu erwähnen,<br />

<strong>die</strong> Feldgra<strong>die</strong>nten in Membrannähe<br />

als Möglichkeiten von Wirkungsme-<br />

chanismen diskutierten, wobei sie sich eines<br />

extrem idealisierten Membran-Modells<br />

be<strong>die</strong>nten. Die Problematik „nicht-thermischer“<br />

Wirkung hochfrequenter Felder<br />

wurde unter philosophisch-soziologischen<br />

Aspekten in einem Poster (P-208) von C.R.<br />

Miller diskutiert, physiologisch hingegen<br />

durch E. R. Adair et al. (P-188). In dem<br />

letztgenannten Beitrag wird, wie bereits in<br />

vielen früheren <strong>Publikation</strong>en von Frau<br />

Adair betont, dass Temperatureffekte des<br />

physiologischen Regelsystems, basierend<br />

<strong>auf</strong> den außerordentlich sensiblen Thermorezeptoren<br />

an der Körperoberfläche,<br />

aber auch im Zentralen Nervensystem<br />

(ZNS) bereits <strong>auf</strong>treten können, lange, bevor<br />

Temperaturänderungen im Körper<br />

messbar sind. Entscheidend für <strong>die</strong>se Reaktionen<br />

sind nicht so sehr <strong>die</strong> absoluten<br />

Temperaturänderungen, als vielmehr <strong>die</strong><br />

Steilheit induzierter Temperatursprünge,<br />

d.h. <strong>die</strong> Ableitung der Temperatur nach<br />

der Zeit.<br />

Mehrere japanische Arbeiten aus der<br />

Gruppe um S. Ueno beschäftigen sich <strong>mit</strong><br />

Mechanismen der Wirkung starker statischer<br />

Magnetfelder. Im Gegensatz zu den<br />

Feldeffekten schwacher Magnetfelder sind<br />

hier <strong>die</strong> Wirkungsmechanismen biophysikalisch<br />

durchaus verständlich. Während es<br />

sich bei Applikation starker Magnetfeldgra<strong>die</strong>nten<br />

um Ortsbewegungen diamagnetischer<br />

Areale handelt, sind in homogenen<br />

Feldern orientierende Kräfte wirksam,<br />

<strong>die</strong> <strong>auf</strong> Zellen, Membranen und Makromoleküle<br />

wirken, <strong>die</strong> über einen hohen<br />

Grad an magnetischer Anisotropie verfügen.<br />

So können <strong>die</strong>se Felder, wenn nicht<br />

<strong>die</strong> Reiz-Leitungsgeschwindigkeit, so doch<br />

<strong>die</strong> Aktionspotentiale unmyelinierter<br />

Froschnerven beeinflussen (Y. Eguchi et<br />

al., P-185) und über eine Wirkung <strong>auf</strong> das<br />

Zytoskelett <strong>die</strong> Selbstorganisation von<br />

Geweben steuern (M. Iwasaka et al., P-<br />

187). Y. Eguchi et al. (8-6) wiesen <strong>auf</strong> <strong>die</strong><br />

Möglichkeit hin, durch starke Magnetfelder<br />

(8 T) <strong>die</strong> Regeneration Schwann’scher<br />

Zellen bei Nervenverletzungen zu beeinflussen.<br />

M. Iwasaka et al. (P-194) zeigten


ferner <strong>die</strong> Rolle von Konvektions-Strömen,<br />

<strong>die</strong> bei Flussdichten um 14 T und Feldgra<strong>die</strong>nten<br />

von 10-100 T/m in Zellsuspensionen<br />

<strong>auf</strong>treten und zu Orientierungsphänomenen<br />

führen können. In einem weiteren<br />

Poster (M. Iwasaka und S. Ueno, P-<br />

197) wiesen <strong>die</strong> Autoren <strong>auf</strong> Effekte <strong>die</strong>ser<br />

Felder <strong>auf</strong> den Sauerstoff-Gas-Austausch<br />

hin, indem bei Flussdichten über 14 T un<strong>mit</strong>telbar<br />

der paramagnetische Sauerstoff<br />

beeinflusst wird.<br />

Im Gegensatz zu <strong>die</strong>sen biophysikalisch<br />

klaren Wirkungen starker Magnetfelder<br />

gelang es <strong>mit</strong> sehr viel weniger Überzeugungskraft<br />

<strong>die</strong> angeblichen Wirkungen<br />

schwacher Magnetfelder zu erklären, <strong>die</strong><br />

für therapeutische Zwecke immer wieder<br />

angepriesen werden. Etwas unverständlich<br />

ist der Versuch von D.Muehsam und A.A.<br />

Pilla (P-201) das Larmor-Präzessions-Modell<br />

<strong>auf</strong>zuwärmen, das bereits vor 10 Jahren<br />

D. T. Edmonds (Bioelectrochem. Bioenerg.<br />

1993; 30) vergeblich bemühte, und<br />

<strong>die</strong> beiden Autoren selbst (Bioelectrochem.<br />

Bioenerg. 1997; 43) vor einigen Jahren<br />

schon vorschlugen. Die Gegenargumente,<br />

<strong>die</strong> schon damals <strong>auf</strong>geworfen wurden,<br />

sind immer noch <strong>die</strong> gleichen: das thermische<br />

Rauschen ist seitdem nicht geringer<br />

geworden und <strong>die</strong> applizierten Flussdichten<br />

nicht größer.<br />

Wenn also <strong>die</strong> Konferenz keine prinzipiell<br />

neuen Erkenntnisse zu Wirkungsmechanismen<br />

schwacher elektromagnetischer<br />

Felder bescherte, so sind doch <strong>die</strong> Bemühungen<br />

bemerkenswert, durch Impedanzmessungen<br />

und Modelle, <strong>auf</strong> <strong>die</strong>sen Daten<br />

basierend, <strong>die</strong> Orte der Feldabsorption bis<br />

hin zu mikroskopischen Strukturen zu verfolgen.<br />

Während J.M. Ziriax et al. (2-1)<br />

<strong>auf</strong> <strong>die</strong> Notwendigkeit verwiesen, frequenzabhängige<br />

Spezifitäten der HF-Absorption<br />

in Organ-Teilen zu berechnen und <strong>die</strong>s<br />

an der Heterogenität verschiedener Hirnbereiche<br />

demonstrierten, gingen M. Sekino<br />

et al. (2-5) in der räumlichen Auflösung<br />

noch weiter und schlugen vor, <strong>die</strong><br />

Leitfähigkeit von Hirnteilen <strong>mit</strong> Hilfe der<br />

Kern-Spin-Tomographie zu messen. Diese<br />

Methode macht nicht nur unabhängig von<br />

Elektrodeneffekten, sondern gestattet es<br />

außerdem <strong>mit</strong> hoher räumlicher Auflösung<br />

nicht nur <strong>die</strong> <strong>die</strong>lektrische Inhomogenität<br />

des Organs, sondern darüber hinaus auch<br />

<strong>die</strong> räumliche Anisotropie der Leitfähigkeit<br />

zu bestimmen. J. Gimsa (2-6) demonstrierte<br />

am Beispiel roter Blutzellen <strong>die</strong><br />

Modellierung und Messung <strong>die</strong>lektrischer<br />

Parameter <strong>auf</strong> zellulärer und subzellulärer<br />

Ebene.<br />

Bevor <strong>auf</strong> <strong>die</strong> Vorträge der vierten Plenarsitzung<br />

zu medizinischen Problemen<br />

eingegangen werden soll, seien noch einige<br />

generelle Resultate zur elektromagnetischen<br />

Feldwirkung referiert, <strong>die</strong> in Sektionen<br />

und Postersitzungen behandelt wurden<br />

zum Thema:<br />

in-vitro-Stu<strong>die</strong>n.<br />

Die Sektion zu <strong>die</strong>sem Thema hatte drei<br />

Fortsetzungen und enthielt insgesamt 20<br />

Kurzreferate. Über 60 Poster zeigten entsprechende<br />

Resultate, <strong>vom</strong> subzellulären<br />

bis zum Gewebe-und Organ-Niveau. Im<br />

Rahmen <strong>die</strong>ses Berichtes kann natürlich<br />

nur <strong>auf</strong> einige, den Referenten besonders<br />

interessant erscheinende Resultate eingegangen<br />

werden.<br />

Von dem von der Gruppe Salford kürzlich<br />

wieder behaupteten Einfluss hochfrequenter<br />

Felder <strong>auf</strong> <strong>die</strong> Blut-Hirn-Schranke<br />

war <strong>auf</strong> der Tagung wenig zu hören.<br />

Die Salford-Gruppe hatte ein Poster angemeldet<br />

und im Abstract-Band angekündigt,<br />

<strong>die</strong> Ergebnisse einer neuen Untersuchung<br />

zum Kongress vorzulegen, das entsprechende<br />

Poster: J.L. Eberhardt, B. Persson,<br />

L.G. Salford und A. Brun (P-26) wurde<br />

jedoch zurückgezogen. Andererseits<br />

demonstrierten H. Franke et al. (1-1) in<br />

einem Kurzvortrag Ergebnisse aus Versuchen<br />

an einem in-vitro-Modellsystem zu<br />

<strong>die</strong>ser Fragestellung. Es handelt sich dabei<br />

um eine Monoschicht aus Endothelialzellen,<br />

<strong>die</strong> normalerweise <strong>die</strong> Hirn-Kapillaren<br />

bedecken und <strong>die</strong> Blut-Hirn-Schranke<br />

bilden. Diese ließ man <strong>auf</strong> einer Filter-<br />

Unterlage <strong>auf</strong>wachsen und schuf eine experimentell<br />

leicht zugängliche Modell-<br />

Blut-Hirn-Schranke. Die Dichtigkeit <strong>die</strong>ser<br />

Schicht konnte man durch Einsatz von<br />

14-C-Zuckern leicht messen, auch erlaubt<br />

<strong>die</strong>se Anlage eine Befeldung unter gut kontrollierten<br />

Bedingungen. Es ergab sich, dass<br />

auch nach 4 Tagen Befeldung (1,966 GHz,<br />

maximal 4,5 W/kg) keine Veränderung <strong>auf</strong>trat.<br />

Erst eine Erwärmung des Systems <strong>auf</strong><br />

Temperaturen über 38 Grad zeigte eine<br />

Verminderung der Barriere-Eigenschaften.<br />

Da in der Literatur immer noch <strong>die</strong> von<br />

Bawin et al. 1975 behaupteten Einflüsse<br />

von EMF <strong>auf</strong> das Kalzium-System der Zellen<br />

geistert, obgleich bisher niemand <strong>die</strong>se<br />

Experimente reproduzieren konnte, untersuchten<br />

auch Green et al. (1-2) ein solches<br />

System. Sie konnten jedoch ebenfalls<br />

keinen Einfluss eines 380 MHz-Feldes, moduliert<br />

nach ETSI-TETRA-<strong>Stand</strong>ard <strong>mit</strong><br />

SAR-Werten bis 0,4 W/kg <strong>auf</strong> den Ca-Metabolismus<br />

kultivierter Herz-Zellen finden.<br />

Sollte man nicht endlich einmal <strong>die</strong>se alten<br />

Befunde als offensichtliche Artefakte<br />

ad acta legen?<br />

Den Problemkreis möglicher Einflüsse<br />

von HF-Feldern <strong>auf</strong> genetische Prozesse<br />

schnitten G. J. Hook et al (3-1) an, unterstützt<br />

durch das Poster von T. D. Whitehead<br />

et al. (P-163), beide aus der Arbeitsgruppe<br />

um J. L. Roti Roti. Beide Arbeiten<br />

befassten sich <strong>mit</strong> dem Einfluss von HF-<br />

Feldern (2,45 GHz, 1,9 W/kg, 2 Stunden)<br />

<strong>auf</strong> verschiedene DNA-Reaktionen. Auch<br />

als Folgereaktion einer Gamma-Bestrahlung<br />

konnten keine Veränderungen, wie<br />

z. B. DNA-DNA- bzw. DNA-Protein-Vernetzungen<br />

durch den Einfluss des Feldes<br />

beobachtet werden. Da trotz bisher vergeblicher<br />

Bemühungen um Replikation<br />

immer noch <strong>die</strong> Resultate der <strong>Publikation</strong>en<br />

von Lai und Singh (Int. J. Radiat. Biol.<br />

1996; 69,513) im Raum stehen, welche<br />

Doppelstrangbrüche als Folge einer 2,45<br />

GHz-Befeldung von Hirnzellen gefunden<br />

hatten, führten G. J. Hook et al. (11-4)<br />

erneut Untersuchungen an Hirnzellen exponierter<br />

Ratten durch (837 MHz verschiedener<br />

Modulationsarten, 1, 5 und 10 W/<br />

kg). Auch hier konnten keine DNA-Verän-<br />

In-vitro-<br />

Stu<strong>die</strong>n<br />

49<br />

NEWS l e t t e r 3 . 03 49


50 50<br />

50<br />

B B E E M M S S S 2 2 2 0 0 0 0 3<br />

3<br />

B E M S 2 0 0 3<br />

NEWS l e t t e r 3 . 03<br />

derungen gefunden werden. In <strong>die</strong>sem Zusammenhang<br />

sei der Kurzvortrag von I.<br />

Belyaev et al. (7-6) erwähnt. Der Referent<br />

konstatierte eingangs <strong>die</strong> von Lai und<br />

Singh behaupteten Doppelstrangbrüche als<br />

unbestrittene Tatsache, ebenso wie <strong>die</strong> von<br />

Persson und Salford (Mitautoren <strong>die</strong>ses<br />

Vortrages!) behaupteten Einflüsse <strong>auf</strong> <strong>die</strong><br />

Blut-Hirn-Schranke und stellte Untersuchungen<br />

vor, bei denen Ratten <strong>mit</strong> 0,4 W/<br />

kg eines GSM-Signals befeldet wurden (4<br />

Tiere befeldet, 4 Tiere als Kontrolle, Befeldungsdauer:<br />

zwei Stunden). Die Autoren<br />

fanden zwar keine DNA-Doppelstrangbrüche,<br />

jedoch wiesen sie <strong>mit</strong> Hilfe des Affymetrix<br />

U34 Gen-Chips nach, dass 11 Gene<br />

durch <strong>die</strong> Befeldung aktiviert worden seien.<br />

In der Diskussion gab der Referent zu,<br />

keine Aussagen über <strong>die</strong> normale Variabilität<br />

<strong>die</strong>ses Parameters machen zu können,<br />

zumal <strong>die</strong> Methode rein qualitativ sei.<br />

Zur Frage der „Induktion von Hitzeschockproteinen<br />

als Antwort <strong>auf</strong> eine HF-<br />

Befeldung“ gab es zwei Vorträge, wobei<br />

der erste von S. Kwee (1-4) methodisch<br />

etwas fragwürdig war (qualitative Aussagen,<br />

keine ausreichende Statistik, schlecht<br />

kontrollierte Befeldung). Frau Kwee demonstrierte<br />

eine gesteigerte Produktion<br />

von HSP-70 in transformierten menschlichen<br />

Amnion-Zellen nach einer 25 min.<br />

Befeldung <strong>mit</strong> einem 960 MHz GSM-Signal<br />

(2,1 mW/kg).<br />

F. Poulletier de Gannes et al. (3-2) berichteten<br />

über Versuche der französischen<br />

Gruppe, <strong>die</strong> u.a. von Leszczynski et al. (Differentiation.<br />

2002; 70,120-129) gefundene<br />

Expression von Hitzeschockproteinen<br />

unter dem Einfluss von HF-Feldern zu reproduzieren.<br />

Zu <strong>die</strong>sen in-vivo-Experimenten,<br />

<strong>die</strong> <strong>mit</strong> Tier-Versuchen gekoppelt sind,<br />

liegen bisher erst abgesicherte Daten zu<br />

ersteren vor, nämlich zu Untersuchungen<br />

an primären neuronalen Zellen und Keratozyten,<br />

sowie Kulturen von Astrozyten<br />

und Fibroblasten, <strong>die</strong> bis zu 48 Stunden<br />

einem GSM-Feld ausgesetzt waren (2 W/<br />

kg). Mit fluoreszierenden Antikörpern wurde<br />

<strong>die</strong> Expression von Hsp-27 und Hsp-70<br />

geprüft. Im Gegensatz zu den Positiv-Kontrollen<br />

(Erwärmung, UV-Einfluss) konnten<br />

jedoch im Unterschied zu der o.g. <strong>Publikation</strong><br />

in den Zellen nach Feldeinwirkung<br />

keine Hitzeschockproteine nachgewiesen<br />

werden. Die abschließende Beurteilung<br />

der Ergebnisse der Tierexperimente<br />

steht noch aus.<br />

Eine Behandlung peripherer menschlicher<br />

Blutzellen <strong>mit</strong> niederfrequenten Feldern<br />

(50 Hz, 0,1 mT) führte ebenfalls zu<br />

keiner Expression von HSP (L.A. Coulton<br />

et al. 5-3). Um so befremdender wirkt <strong>die</strong><br />

Empfehlung von M.O. Mattsson et al. (9-<br />

3) eine kurzzeitige Befeldung <strong>mit</strong> 50 Hz<br />

(0,01 bis 0,1 mT) und da<strong>mit</strong> eine Induktion<br />

von HSP als Schutz vor UV-Bestrahlung<br />

vorzunehmen (Die Autoren folgen<br />

da<strong>mit</strong> einer <strong>Publikation</strong> von DiCarlo et al.,<br />

J. Cell. Biochem. 2002; 84, 447-454).<br />

Eine Reihe weitere Kurzvorträge und<br />

auch Poster waren der Wirkung der niederfrequenten<br />

Felder des Wechselstroms<br />

gewidmet, wobei M. Simkó et al. (3-6)<br />

nach 45 min Befeldung von Zellen <strong>mit</strong> 1<br />

mT eine Erhöhung einer Wasserstoffsuperoxyd<br />

Produktion fanden, während G.-R.<br />

Ding et al. (5-4) feststellten, dass 5 mT<br />

nur dann in der Lage sind, apoptotische<br />

Veränderungen in Zellen zu stimulieren,<br />

wenn <strong>die</strong>se zuvor durch Wasserstoffsuperoxyd<br />

eingeleitet war. Zwei Kurzvorträge<br />

(A. L. Knidzelskii et al. 5-5 und H. R.<br />

Petty et al. 5-6) zeigten interessante Einflüsse<br />

gepulster elektrischer Felder <strong>auf</strong><br />

langsame NAD(P)H-Oszillationen der Membran<br />

von menschlichen Neutrophilen.<br />

Interessant waren Beiträge zur Wirkung<br />

von Mikrowellen, d.h. HF-Feldern über 3<br />

GHz, <strong>die</strong> in verschiedenen Sektionen vorgetragen<br />

wurden. Dies entsprach auch der<br />

steigenden Anzahl derartiger <strong>Publikation</strong>en<br />

in den letzten Jahren und leitet sich<br />

wohl aus der vermehrten technischen Nutzung<br />

<strong>die</strong>ser Frequenzen ab, aus dem militärischen<br />

Interesse dafür und zum Teil auch<br />

aus dem Versuch, <strong>die</strong>se Strahlung für medizinische<br />

Zwecke einzusetzen. A. G. Pakhomov<br />

et al. (1-3) berichteten über den


Einfluss von Feldern der Frequenz von 9,6<br />

GHz <strong>auf</strong> spontane Erregungen von Zellen<br />

in Schnitten aus Hippocampus-Gewebe.<br />

Erst bei SAR-Werten, <strong>die</strong> zu einer merklichen<br />

Erwärmung der Präparate führten (0,6<br />

und 3 W/g) konnten Effekte gemessen werden,<br />

<strong>die</strong> allerdings denen einer einfachen<br />

Temperaturerhöhung entsprachen. Diese<br />

Resultate wurden unterstützt durch ein<br />

Poster aus derselben Gruppe (J. Doyle et<br />

al. P-174). Den Einfluss von Frequenzen<br />

zwischen 5,8 und 110 GHz <strong>auf</strong> das vegetative<br />

Nervensystem von Probanden untersuchten<br />

J. Kantz et al. (11-6) ohne signifikante<br />

Effekte zumindestens bei Feldstärken<br />

bis 15V/m gefunden zu haben.<br />

Mehrere Beiträge befassten sich <strong>mit</strong> der<br />

Frage nach der therapeutischen Wirkung<br />

von Millimeter-Wellen (42,2; 53,6; 61,2<br />

GHz), <strong>die</strong> in Russland bereits seit längerer<br />

Zeit in der Therapie eingesetzt werden. M.<br />

K. Logani et al. (7-2) überprüften an einem<br />

Tiermodell, ob <strong>die</strong> von Logani und<br />

Ziskin (Electro Magnetobiology 1999; 18,<br />

165-176) publizierte Verminderung gegenüber<br />

der Toxizität des Kanzerostatikums<br />

Cyclophosphamid genutzt werden kann,<br />

um eine kombinierte Therapie von Melanomen<br />

durchzuführen, fanden jedoch keinen<br />

praktikablen Effekt. Eine ähnliche Stu<strong>die</strong><br />

aus dem gleichen Labor stellte auch V.<br />

R. Makar (8-3) vor. A. A. Radzievsky et<br />

al. (11-7) zeigten, dass offensichtlich endogene<br />

Opioide an der Modifikation von<br />

Immunreaktionen nach einer Mikrowellenbefeldung<br />

beteiligt sind. D. Popovic et al.<br />

(P-175) schlugen vor, Impedanzmessungen<br />

<strong>mit</strong> Frequenzen zwischen 3 und 20<br />

GHz zur Diagnose von Brustkrebs einzusetzen.<br />

Dies leitet bereits über zu dem umfangreichen<br />

Sektor:<br />

in-vivo-Experimente.<br />

Diesem Bereich war ja bereits das Einführungsreferat<br />

von Larry Anderson gewidmet.<br />

Es gab jedoch noch eine spezielle<br />

Sektion <strong>mit</strong> drei Sitzungen zu <strong>die</strong>sem Thema,<br />

in welcher 20 Kurzvorträge gehalten<br />

wurden. Letztlich ist auch noch <strong>die</strong> Frei-<br />

tags-Veranstaltung zu nennen, das Symposium<br />

III, gesponsert durch das National<br />

Toxicology Programm, zum Thema: „Karzinogenitäts-Stu<strong>die</strong>n<br />

an Laboratoriumstieren<br />

zu Hochfrequenzfeldern des Mobiltelefons“.<br />

Einige Befunde von in-vivo-<br />

Experimenten wurden bereits an anderer<br />

Stelle in <strong>die</strong>sem Bericht referiert.<br />

J. C. Lin et al. (7-1) berichteten von<br />

Experimenten, bei denen Ratten selektiv<br />

<strong>mit</strong> gepulsten 837 MHz am Kopf befeldet<br />

wurden (30 min, SAR im Gehirn: 1,6 und<br />

16 W/kg). Erstaunlicherweise konnten<br />

selbst bei maximalem SAR eine Woche<br />

nach der Befeldung keine immunhistologisch<br />

erfassbaren Veränderungen nachgewiesen<br />

werden. Die Autoren betonen jedoch,<br />

dass es sich hierbei erst um vorläufige<br />

Resultate <strong>mit</strong> noch wenigen Tieren<br />

handelt. Zu ähnlich negativen Resultaten<br />

kamen L. Gatta et al. (7-3, vorgetragen<br />

von C. Marino) bei Mäusen, <strong>die</strong> <strong>mit</strong> einem<br />

<strong>mit</strong>tleren Ganzkörper SAR-Wert von 1 bzw.<br />

2 W/kg im Verl<strong>auf</strong>e von einer Woche befeldet<br />

wurden (2 Stunden/Tag). Auch hier<br />

konnte keine Aktivierung des Immunsystems<br />

der Tiere nachgewiesen werden. N.<br />

Carrere et al. (7-5) gingen der Frage nach,<br />

ob eventuell das Gehör von Ratten durch<br />

<strong>die</strong> Befeldung <strong>mit</strong> 900 bzw. 1800 MHz beeinträchtigt<br />

wird (2 W/kg, 2 Stunden/Tag,<br />

4 Wochen). Obgleich <strong>die</strong> Experimente noch<br />

nicht abgeschlossen sind, konnte bisher<br />

jedoch kein Einfluss gefunden werden.<br />

Verschiedene Beiträge betrafen <strong>die</strong> Wirkung<br />

starker HF-Felder <strong>auf</strong> <strong>die</strong> Thermoregulation<br />

von Versuchstieren (S.-T. Lu et<br />

al. 11-2, M. Kojima et al. 11-3, H. Masuda<br />

et al. 11-8).<br />

Am Rande seien noch zwei japanische<br />

Arbeiten erwähnt, <strong>die</strong> allerdings keinen<br />

Zusammenhang <strong>mit</strong> Hf-Feldern hatten. O.<br />

Hiwaki (9-5) konnte nachweisen, dass sich<br />

<strong>die</strong> circadiane Periodik von Mäusen verschiebt,<br />

wenn sie <strong>vom</strong> natürlichen Magnetfeld<br />

abgeschirmt und einem 30 Mikrotesla<br />

50 Hz-Feld ausgesetzt sind. Ein ganz<br />

anderer, aber nicht minder interessanter<br />

Zusammenhang <strong>mit</strong> Umweltparametern<br />

wurde in einem Poster von S. Yokoi et al.<br />

(P-13) vorgestellt. Die Autoren hatten<br />

bereits zuvor Daten publiziert, woraus hervorging,<br />

dass Mäuse, <strong>die</strong> sich zu <strong>die</strong>sem<br />

Zeitpunkt zufällig in einem Bewegungstest<br />

befanden, das Erdbeben von Osaka<br />

<strong>vom</strong> 17. Januar 1995 durch ungewöhnliche<br />

Aktivitäten bereits einen Tag zuvor<br />

signalisierten (Bioelectromagnetics. 2003;<br />

24, 289-291). Auf der Suche nach der Ursache<br />

für <strong>die</strong>ses Verhalten wurde in dem<br />

nun ausgestellten Poster <strong>mit</strong>geteilt, dass<br />

Feldpulse von 0,07 ms Dauer, 9 V/m, 50 Hz<br />

Wiederholung ein c-fos-Gen aktivieren, das<br />

im suprachismatischen Nukleus des Gehirns<br />

für <strong>die</strong> biologische Uhr zuständig ist.<br />

Es wird da<strong>mit</strong> <strong>die</strong> Hypothese verbunden,<br />

dass dem Erdbeben vorausgehende elektrische<br />

Pulse geologischen Ursprungs für<br />

<strong>die</strong> Reaktion der Mäuse verantwortlich sein<br />

könnten.<br />

Das Symposium III zu Karzinogenitäts-<br />

Stu<strong>die</strong>n an Laboratoriumstieren begann<br />

<strong>mit</strong> einem Vortrag von M. Repacholi und<br />

L. Goldstein zu den Pim-1-Stu<strong>die</strong>n: „Wo<br />

sind wir heute?“ Es war eine nicht ganz<br />

<strong>vom</strong> Versuch der Selbstrechtfertigung<br />

freie, z.T. etwas unfair wirkende Auseinandersetzung<br />

des Referenten <strong>mit</strong> der Arbeit<br />

von T. D. Utteridge (Radiation Research.<br />

2002; 158), in welcher <strong>die</strong> Resultate<br />

der eigenen Untersuchung (Radiat.<br />

Res. 1997; 147) bekanntlich nicht bestätigt<br />

werden konnten. Der Referent konzentrierte<br />

sich <strong>auf</strong> <strong>die</strong> Feststellung, dass<br />

<strong>die</strong> Utteridge-Arbeit nicht als Replikation<br />

anzusehen sei, da man <strong>die</strong> ursprünglichen<br />

Bedingungen modifiziert hätte. Da auch<br />

<strong>die</strong> Utteridge-Arbeit noch Fragen offen<br />

ließ, sollte man weiter forschen,<br />

insbesondere seien <strong>die</strong> Resultate der noch<br />

l<strong>auf</strong>enden italienischen Stu<strong>die</strong> abzuwarten.<br />

Im zweiten Referat kamen <strong>die</strong> Autoren<br />

der Utteridge-Arbeit zu Worte (T. R.<br />

Kuchel et al. 15-2). Hier kam zum Ausdruck,<br />

dass man in der Folgestu<strong>die</strong> versucht<br />

hatte, <strong>die</strong> Schwächen der ersten Arbeit<br />

zu vermeiden, d.h. <strong>die</strong> Expositionsbedingungen<br />

der Tiere reproduzierbarer zu<br />

In-vivo-<br />

Experimente<br />

51<br />

NEWS l e t t e r 3 . 03 51


52 52<br />

52<br />

B B E E M M S S S 2 2 2 0 0 0 0 3<br />

3<br />

NEWS l e t t e r 3 . 03<br />

gestalten, <strong>die</strong> Anzahl der Versuchstiere zu<br />

erhöhen, <strong>die</strong> Expositionsdauer zu verlängern<br />

und auch <strong>die</strong> überlebenden Tiere einer<br />

genauen pathologischen Analyse zu<br />

unterwerfen. Unter Beachtung <strong>die</strong>ser erforderlichen<br />

Veränderungen halten <strong>die</strong><br />

Autoren ihre Arbeit tatsächlich für eine<br />

Replikation der Repacholi-Stu<strong>die</strong> und<br />

kommen zu dem klaren Schluss, dass eben<br />

<strong>die</strong> von Repacholi gefundenen Veränderungen<br />

nicht bestätigt werden konnten.<br />

In einem weiteren Vortrag ging N. Kuster<br />

als Referent (J. Fröhlich et al. 15-3)<br />

<strong>auf</strong> <strong>die</strong> technischen Probleme ein, <strong>die</strong> zu<br />

lösen sind um Vorrichtungen zu bauen,<br />

<strong>die</strong> es erlauben, eine größere Anzahl von<br />

Versuchstieren über längere Zeit zu exponieren.<br />

Beispiele für solche Anlagen wurden<br />

demonstriert. In <strong>die</strong>sem Zusammenhang<br />

betonte der Referent, dass der <strong>mit</strong>tlere<br />

Ganzkörper-SAR-Wert der Tiere im<br />

Hinblick <strong>auf</strong> Geometrie und <strong>die</strong>lektrische<br />

Heterogenität des Körpers ein schlechtes<br />

Maß für <strong>die</strong> Beurteilung biologischer Effekte<br />

im Tierversuch ist. Es lässt sich zum<br />

Beispiel nachweisen, dass bei bestimmter<br />

Orientierung der Tiere im Feld der SAR-<br />

Wert im Schwanz einer Maus, in dem sich<br />

sogar noch <strong>die</strong> meisten Wärmerezeptoren<br />

befinden, den <strong>mit</strong>tleren Ganzkörper-Wert<br />

um das zehnfache übersteigen kann. In<br />

<strong>die</strong>sem Zusammenhang bot der Vortrag<br />

von M. Soffritti et al. (15-5) ein deutliches<br />

Negativ-Beispiel. Hier ging es um <strong>die</strong><br />

Konzeption eines „Mega-Experiments“, wie<br />

der Referent betonte, in welchem über<br />

10.000 Tiere in einer gigantischen Anlage<br />

in Italien lebenslang, d.h. <strong>vom</strong> Embryo bis<br />

zum Tode unter „realistischen“ Bedingungen<br />

befeldet werden sollen. Als realistisch<br />

oder praxisnah betrachten <strong>die</strong> Autoren eine<br />

Antenne, <strong>die</strong> sich in einem elektronisch<br />

nicht gedämpften Raum einfach in<strong>mit</strong>ten<br />

der Tierkäfige befindet. Die Einwände<br />

Kuster’s in der anschließenden Diskussion,<br />

dass <strong>die</strong>s alles andere als praxisnah<br />

sei, schon allein deshalb, da <strong>die</strong> Maus kleiner<br />

sei als der Mensch, zum anderen jedoch<br />

auch wegen der völlig unklaren Feld-<br />

bedingungen in einem solchen Raum, wurden<br />

von den Autoren ohne weitere Begründung<br />

abgewiesen. Es fragt sich, ob<br />

<strong>die</strong> sicher nicht unbedeutenden Mittel, <strong>die</strong><br />

von der „European Ramazzini Foundation<br />

of Oncology and Environmental Sciences“<br />

dafür offenbar bereitgestellt werden, nicht<br />

von vornherein in den Sand gesetzt sind.<br />

C. Dasenbrock et al. (15-4) berichteten<br />

über ein von der EU finanziertes Projekt<br />

PERFORM, das den Einfluss von 900 und<br />

1800 MHz-Feldern <strong>auf</strong> Ratten nach Langzeitexposition<br />

prüfen soll und deren Ergebnisse<br />

im Jahre 2005 erwartet werden.<br />

Auch A. L. Melnick et al. (15-7) stellen<br />

ein l<strong>auf</strong>endes Projekt in <strong>die</strong>sem Frequenzbereich<br />

vor.<br />

In der anschließenden Panel Discussion<br />

wurden folgende Problemkreise angesprochen:<br />

Kann man von einer Frequenz des<br />

Mobilfunks <strong>auf</strong> eine andere extrapolieren<br />

oder müssen bei jeder technischen Neuerung<br />

alle Tests wiederholt werden? -<br />

Sheppard wies in <strong>die</strong>sem Zusammenhang<br />

<strong>auf</strong> <strong>die</strong> Diskussionen in Münstereifel 2000<br />

und Washington 2001 hin und unterstrich<br />

<strong>die</strong> Übertragbarkeit der Befunde, zumindestens<br />

innerhalb eines begrenzten Frequenzbereiches.<br />

Wie bereits mehrfach an<br />

anderer Stelle <strong>die</strong>ser Tagung, so wurde auch<br />

hier wieder <strong>die</strong> Frage angesprochen: Was<br />

sind eigentlich <strong>die</strong> kritischen Expositionsdaten?<br />

Was verlangt man von einer aussagekräftigen<br />

Dosimetrie? Diese Fragen<br />

berühren tatsächlich ein zentrales Problem,<br />

als Voraussetzung aller Bemühungen zur<br />

Konstruktion von Personal-Dosimetern. Als<br />

sicherlich unzulässige Extrapolation aus<br />

dem Bereich der ionisierenden Strahlung<br />

wird als „Dosis“ zumeist das Zeitintegral<br />

der absorbierten Energie verwendet. Für<br />

<strong>die</strong> Relevanz <strong>die</strong>ses Maßes zur Beurteilung<br />

von Einwirkungen hochfrequenter Felder<br />

gibt es jedoch keinerlei wissenschaftliche<br />

Begründung. Der Gesetzgeber, in Übereinstimmung<br />

<strong>mit</strong> internationalen Expertengremien,<br />

schreibt Schwellenwerte maximaler<br />

Feldstärken vor, aus denen sich SAR-<br />

Werte ableiten lassen. Eine zeitliche Inte-


gration der absorbierten Energie ist dabei<br />

nicht vorgesehen. Die Klärung <strong>die</strong>ser Frage<br />

müsste sich aus der Biophysik des zugrundeliegenden<br />

Wirkungs-Mechanismus<br />

ergeben, doch der ist unbekannt. Zur möglichen<br />

Krebsinzidenz von HF-Feldern wurde<br />

in der Diskussion ausgeführt, dass es<br />

seit 1997 bereits 12 Langzeitstu<strong>die</strong>n dazu<br />

gibt, <strong>die</strong> alle, <strong>mit</strong> Ausnahme der oben diskutierten<br />

Repacholi-Stu<strong>die</strong>, keinen Effekt<br />

nachweisen konnten.<br />

Relativ wenig neue Aspekte gab es zum<br />

Thema:<br />

medizinische Anwendung.<br />

Die entsprechende Plenarsitzung <strong>mit</strong> der<br />

Überschrift „EMF Bedingungen für eine<br />

Beschleunigung der Heilung durch Erhöhung<br />

der Durchblutung und der Schmerz-<br />

Reduktion“ enthielt zwei Vorträge. H.<br />

Mayrovitz (PL 4-1) (USA) berichtete über<br />

elektromagnetische Therapie der Wundheilung,<br />

wobei er sich in Art eines Firmenvertreters<br />

in Allgemeinplätzen erging<br />

und Erfolgsbehauptungen ohne Belege <strong>auf</strong>stellte.<br />

Bedenkt man <strong>die</strong> generelle Überschrift<br />

der Sitzung, dann ist immerhin bemerkenswert,<br />

dass <strong>die</strong> einzige wissenschaftliche<br />

<strong>Publikation</strong>, <strong>die</strong> sich von <strong>die</strong>sem<br />

Autor finden lässt, eingesteht, dass<br />

eine Behandlung <strong>mit</strong> Permanent-Magneten<br />

zu keiner messbaren Änderung der<br />

Durchblutung führt (Bioelectromagnetics.<br />

2001; 22, 494-502). Auch <strong>die</strong> Wahl des<br />

zweiten Plenar-Referenten erwies sich als<br />

ungünstig. C. Haslewood (PL 4-2) (USA)<br />

der sich in seiner aktiven Zeit viel <strong>mit</strong> der<br />

Wasserstruktur in biologischen Systemen<br />

beschäftigt hatte, jedoch bisher <strong>mit</strong> keiner<br />

einzigen Arbeit zu magnetischen oder elektrischen<br />

Wirkungen an <strong>die</strong> Öffentlichkeit<br />

getreten ist, sprach zum Thema: „Magnetfeld<br />

und Schmerzlinderung: Eine Rolle<br />

für das Wasser?“ In <strong>die</strong>sem Vortrag referierte<br />

er Lehrbuchwissen zur Wasserstruktur<br />

in Zellen und Geweben, vergaß aber<br />

dabei <strong>die</strong> Magnetfelder, sodass A. Pilla als<br />

Chairman <strong>die</strong>ser Sitzung zum Schluss selbst<br />

danach fragte: „What does the magnet<br />

do?“ - Die Antwort war lapidar: wahr-<br />

scheinlich wirkt das Feld <strong>auf</strong> irgendwelche<br />

Rezeptoren, irgendwie ändert sich dann<br />

der Zellzustand und da<strong>mit</strong> auch <strong>die</strong> Wasserstruktur!<br />

Abgesehen von medizinisch orientierten<br />

Beiträgen in anderen Sektionen wurde <strong>die</strong>ses<br />

Thema in einer speziellen Sitzung zur<br />

medizinischen Anwendung <strong>mit</strong> 6 Kurzvorträgen<br />

und <strong>mit</strong> einem speziellen Symposium<br />

zu Fortschritten der EMF-Therapie <strong>mit</strong><br />

16 Beiträgen abgehandelt. In der erstgenannten<br />

Sitzung berichtete R. Korenstein<br />

et al. (8-1) über <strong>die</strong> Unterstützung der Chemotherapie<br />

von Krebs durch <strong>die</strong> Applikation<br />

elektrischer Felder. Dabei wurde im<br />

Mäuse-Modell <strong>die</strong> Aufnahme von Cis-Platin,<br />

Bleomycin bzw. Taxol durch Feldimpulse<br />

von ca. 40 V/cm (Pulslänge 0,18 ms,<br />

Pulsfrequenz 500 Hz), appliziert durch dicht<br />

am Melanom eingestochene Platin-Elektroden<br />

erhöht und da<strong>mit</strong> der Therapie-Effekt<br />

deutlich gesteigert. K. Ito et al. (8-2)<br />

demonstrierten eine Applikationseinrichtung<br />

zur Hyper-Thermie-Behandlung, <strong>die</strong><br />

eine interstitielle Erwärmung großvolumiger<br />

Tumoren ermöglichte. Auch der Beitrag<br />

von M. Okoniewski et al. (8-5) bezog<br />

sich <strong>auf</strong> ein technisches Problem, nämlich<br />

<strong>auf</strong> <strong>die</strong> Konstruktion einer Mess-Sonde zur<br />

Bestimmung <strong>die</strong>lektrischer Parameter von<br />

Geweben.<br />

Weitere Beiträge <strong>die</strong>ser Sektion sind im<br />

Bericht bereits an anderer Stelle besprochen<br />

worden, wie denn auch medizinische<br />

Aspekte der Anwendung elektrischer und<br />

magnetischer Felder an verschiedenen<br />

Stellen der Tagung verstreut waren. So<strong>mit</strong><br />

konnte zwar der Zweifel an der therapeutischen<br />

Wirksamkeit statischer Magnetfelder<br />

im mT- Bereich nicht zerstreut<br />

werden, <strong>die</strong> von den Japanern anvisierte<br />

Nutzung starker Felder verspricht jedoch<br />

in Zukunft an Bedeutung zu gewinnen.<br />

Auch sei an <strong>die</strong> bereits besprochenen Arbeiten<br />

zur therapeutischen Nutzung von<br />

Millimeterwellen erinnert, <strong>die</strong> nicht unbedingt<br />

nur im Sinne einer Hyperthermiebehandlung<br />

zu sehen ist. Das Symposium<br />

über Fortschritte der EMF-Therapie war in<br />

Qualität und Ausrichtung recht heterogen<br />

und ließ <strong>mit</strong>unter <strong>die</strong> Vermutung <strong>auf</strong>kommen,<br />

dass mehr <strong>die</strong> kommerzielle Werbung<br />

denn <strong>die</strong> Wissenschaft dominierten.<br />

Das ist bedauerlich, da <strong>die</strong>ses sicherlich<br />

prinzipiell zukunftsträchtige Gebiet<br />

dadurch immer stärker in unver<strong>die</strong>nten<br />

Misskredit gerät.<br />

Der Versuch eines Resümees<br />

Es ist nicht leicht, ein zusammenfassendes<br />

Resümee des Kongresses zu schreiben.<br />

Auf alle Fälle ist ein solches natürlich<br />

subjektiv geprägt, wie auch der vorliegende<br />

Bericht insgesamt, zumal ein Einzelner<br />

gar nicht in der Lage war, alle Vorträge<br />

<strong>die</strong>ser Veranstaltung zu besuchen.<br />

Von echten Höhepunkten zu sprechen ist<br />

schwer, wohl auch deshalb, weil durch <strong>die</strong><br />

hohe zeitliche Dichte ähnlicher Veranstaltungen<br />

Überraschungen kaum zu erwarten<br />

sind. Auffallend war <strong>die</strong> große Anzahl<br />

von Beiträgen, <strong>die</strong> nicht Resultate, sondern<br />

Planungen von Forschungsprojekten<br />

betrafen oder nur „preliminary results“<br />

präsentierten.<br />

Eine besondere Beachtung in <strong>die</strong>sem<br />

Zusammenhang, das zeigten viele Vorträge<br />

<strong>die</strong>ser Tagung, bilden nach wie vor <strong>die</strong><br />

so genannten „nicht-thermischen“ Effekte.<br />

Wie an verschiedenen Stellen <strong>die</strong>ses<br />

Berichtes hervorgehoben, betonten mehrere<br />

Autoren, dass eine Mikrodosimetrie<br />

erforderlich sei, um kleinste Bereiche maximaler<br />

Energieabsorption zu erfassen. Dies<br />

bedeutet nicht nur, dass manche Effekte<br />

als „nicht-thermisch“ bezeichnet werden,<br />

da sie ohne messbare Temperaturerhöhung<br />

des Gesamtsystems einhergehen, tatsächlich<br />

aber „mikrothermisch“ sind, da sie<br />

<strong>auf</strong> lokalen Erwärmungen beruhen. Wichtiger<br />

noch erscheinen Effekte, <strong>die</strong> durch<br />

<strong>die</strong> empfindlichen Wärmesensoren des Organismus<br />

als Resultat normaler Thermoregulation<br />

zu erklären sind. Hier klafft<br />

noch eine Lücke in der biophysikalischen<br />

Forschung, denn den Mechanismus <strong>die</strong>ser<br />

hochempfindlichen Sensoren kennt man<br />

noch nicht.<br />

Medizinische<br />

Anwendung<br />

53<br />

NEWS l e t t e r 3 . 03 53


Als Jubiläumsveranstaltung „25 Years<br />

of Excellence“ hätte man sich einmal einen<br />

kritischen wissenschaftstheoretischen<br />

Rückblick gewünscht, der den besonderen<br />

Charakter <strong>die</strong>ser Forschungsrichtung beleuchtet<br />

und versucht hätte <strong>die</strong> Frage zu<br />

beantworten, warum sich <strong>die</strong>se eigentlich<br />

von anderen so deutlich unterscheidet. Der<br />

Berichterstatter, der jahrzehntelang den<br />

Fortschritt <strong>auf</strong> anderen Gebieten der Biophysik<br />

verfolgte, fragt sich: wo liegt eigentlich<br />

der echte Erkenntniszuwachs <strong>auf</strong><br />

dem Gebiet der EMF-Forschung? Warum<br />

beschränkt sich der Fortschritt <strong>auf</strong> <strong>die</strong>sem<br />

Gebiet lediglich <strong>auf</strong> <strong>die</strong> Anwendung neuer<br />

Methoden zum Nachweis biologischer Veränderungen<br />

und <strong>auf</strong> Perfektionierung der<br />

Dosimetrie und der Technik zum Bau von<br />

Applikationseinrichtungen? Im Kern der<br />

Sache, d.h. in der Frage, ob es tatsächlich<br />

Wirkungen schwacher elektromagnetischer<br />

Felder gibt, welcher Art <strong>die</strong>se sind, und<br />

welche Mechanismen dafür verantwortlich<br />

sein könnten, ist ein Fortschritt nicht auszumachen.<br />

Hier tritt man <strong>auf</strong> der Stelle<br />

54 54<br />

54<br />

NEWS l e t t e r 3 . 03<br />

und wird ständig durch Sensationen überrascht,<br />

<strong>die</strong> sich später als nicht reproduzierbar<br />

erweisen. Es wurde schon erwähnt,<br />

dass in letzter Zeit keine neuen biophysikalischen<br />

Wirkmechanismen vorgeschlagen<br />

wurden. Repacholi bedauerte <strong>die</strong>s in<br />

seinem Einführungsvortrag (PL 1-2) und<br />

spornte an, darüber nachzudenken. Ist aber<br />

nicht vielleicht das Reservoir der Möglichkeiten<br />

erschöpft? Schließlich haben <strong>die</strong><br />

Biophysiker in den letzten Jahrzehnten eine<br />

ganze Reihe möglicher Mechanismen vorgeschlagen,<br />

<strong>die</strong> von der Wirkung statischer<br />

Felder bis in den Hochfrequenzbereich hinein<br />

reichen. Einige davon konnten experimentell<br />

verifiziert werden. Nur zeigen<br />

<strong>die</strong>se übereinstimmend Schwellenwerte, <strong>die</strong><br />

über den geltenden Grenzwerten liegen und<br />

weit über den realen Werten unserer täglichen<br />

Umgebung. Unterhalb derselben können<br />

sich <strong>die</strong> Biophysiker keine Wirkung<br />

vorstellen. Fordert man nicht vielleicht<br />

theoretische Erklärungen für Prozesse, <strong>die</strong><br />

es in Wirklichkeit gar nicht gibt?<br />

Ein Rückblick hätte vielleicht wenigstens<br />

eine der möglichen Ursachen für <strong>die</strong>se Situation<br />

beleuchten können: Wie bei jeder<br />

neuen Forschungsrichtung, so begann man<br />

vor 25 Jahren auch hier <strong>mit</strong> „son<strong>die</strong>renden“<br />

Untersuchungen. Es fehlten Erfahrungen<br />

in der Dosimetrie, besonders im<br />

HF-Bereich, und <strong>die</strong> heute zumeist gut<br />

funktionierende Zusammenarbeit zwischen<br />

HF-Technikern und Biologen war noch<br />

nicht ausreichend etabliert. Die Biologen<br />

verwendeten technisch völlig unzureichende<br />

Expositionseinrichtungen und <strong>die</strong> Techniker<br />

setzten nicht immer <strong>die</strong> aussagekräftigsten<br />

biologischen Methoden ein. Auch<br />

betrachteten sie <strong>mit</strong>unter das biologische<br />

Geschehen <strong>mit</strong> einer gewissen Naivität.<br />

Was Wunder, dass <strong>die</strong> Ergebnisse breit<br />

streuten und da<strong>mit</strong> auch sensationelle und<br />

da<strong>mit</strong> pressewirksame Berichte über biologische<br />

Wirkungen kleinster Feldstärken<br />

keine Seltenheit waren. An vielen konkreten<br />

Beispielen könnte man nachweisen, wie<br />

sich im Verl<strong>auf</strong>e der Jahre <strong>die</strong>se Forschungsgruppen<br />

qualifizierten, wie sich<br />

Techniker und Biologen zusammenfanden<br />

und wie sich <strong>die</strong> „Sensationen“ als Artefakte<br />

entpuppten, auch wenn sie leider aus<br />

der öffentlichen Diskussion <strong>mit</strong>unter nicht<br />

eliminierbar sind. So mancher Wissenschaftler,<br />

frustriert durch fortl<strong>auf</strong>ende Negativergebnisse<br />

seiner Experimente, wandte<br />

sich dar<strong>auf</strong>hin einem ergiebigeren Forschungsfeld<br />

zu. In den USA wurden in den<br />

letzten Jahren nachweislich staatliche Forschungsgelder<br />

von <strong>die</strong>sem Gebiet abgezogen<br />

und <strong>auf</strong> gesellschaftlich brennendere<br />

Fragen verwendet. Die Forschung läuft aber<br />

weiter. Vakante Plätze wurden und werden<br />

l<strong>auf</strong>end von „Newcomern“ eingenommen,<br />

denen es gelingt Forschungsgelder<br />

zu finden, <strong>die</strong> durch politischen Druck<br />

immer wieder ausgeschrieben werden. Diese<br />

neuen Gruppen durchl<strong>auf</strong>en nun häufig<br />

den oben beschriebenen Erfahrungs-Prozess<br />

erneut. So sterben in <strong>die</strong>ser „unendlichen<br />

Geschichte“ <strong>die</strong> Sensationen nicht<br />

aus, und Manchem kommt das auch gar<br />

nicht ungelegen.<br />

Doch wie immer ist Selbstkritik fördernd,<br />

und so soll auch <strong>mit</strong> <strong>die</strong>sem Gedankengang,<br />

der eben leider nicht in <strong>die</strong>ser Form<br />

als Resüee von „25 Years of Excellence“<br />

vorgetragen wurde, weder <strong>die</strong> Notwendigkeit<br />

bestritten werden, sorgfältige Untersuchungen<br />

zu möglichen gesundheitlichen<br />

Auswirkungen technisch genutzter elektromagnetischer<br />

Felder durchzuführen,<br />

noch behauptet werden, Forschung <strong>auf</strong><br />

dem Gebiet der Wechselwirkungen von<br />

EMF <strong>mit</strong> biologischen Systemen sei uninteressant.<br />

Viele Beiträge sowohl in der wissenschaftlichen<br />

Literatur als auch <strong>auf</strong> <strong>die</strong>ser<br />

Tagung zeigten ein hohes Verantwortungsgefühl<br />

der Wissenschaftler für <strong>die</strong>se<br />

Fragestellung und auch durchaus weiterführende<br />

Ideen der Anwendung elektromagnetischer<br />

Felder in Medizin und Biotechnologie.<br />

Nur gilt es hier, wie überall,<br />

<strong>die</strong> Spreu <strong>vom</strong> Weizen zu trennen, was<br />

<strong>mit</strong>unter nicht leicht fällt.<br />

Prof. Dr. Roland Glaser war Leiter<br />

des Instituts für Biophysik an der<br />

Humboldt-Universität Berlin.


Helmut Franke<br />

BEMS Schwerpunkte:<br />

„in vivo“, „in vitro“, Dosimetrie<br />

und medizinische Anwendungen<br />

Die 25. Jahrestagung und da<strong>mit</strong> das „silberne<br />

Jubiläum“ der Bioelectromagnetics<br />

Society fand in <strong>die</strong>sem Jahr <strong>auf</strong> der Hawaiianischen<br />

Insel Maui in Wailea statt.<br />

Die Anmeldung von insgesamt 100 Vorträgen<br />

und 215 Postern umfasste <strong>die</strong>smal<br />

in den Plenarvorträgen <strong>die</strong> Themen:<br />

• Biologische Effekte von EMF: Vergangenheit,<br />

Gegenwart und Zukunft;<br />

• Epidemiologie,<br />

• Mechanismen und<br />

• EMF Modalitäten zur beschleunigten<br />

Heilung durch verstärkten Blutfluss und<br />

Schmerzverringerung<br />

Die Fachsitzungen befassten sich im einzelnen<br />

<strong>mit</strong> den Themen<br />

• In vitro Untersuchungen,<br />

• In vivo Untersuchungen,<br />

• Mechanismen und Modellierungen,<br />

• Dosimetrie,<br />

• Medizinische Anwendungen,<br />

• Risiko- und Sicherheitsstandards,<br />

• Epidemiologie,<br />

• Ergebnisse des REFLEX Projekts.<br />

In <strong>die</strong>ser Zusammenfassung möchte ich<br />

<strong>die</strong> Schwerpunkte <strong>auf</strong> <strong>die</strong> in vitro und in<br />

vivo Sitzungen, das Thema Dosimetrie,<br />

Medizinische Anwendungen und <strong>die</strong><br />

Plenarvorträge legen.<br />

B B E E M M S S 2 2 0 0 0 0 3<br />

3<br />

Im ersten der Plenarvorträge setzte sich<br />

Larry Anderson (USA) <strong>mit</strong> Forschungsergebnissen<br />

aus Tierversuchen auseinander.<br />

Diese, so betont er, bieten den Vorteil, dass<br />

experimentelle Variablen, insbesondere <strong>die</strong><br />

Exposition, besser zu kontrollieren sind.<br />

Besonders sind in den vergangenen Jahren<br />

Fortschritte im Verständnis und der Anwendung<br />

von Tiermodellen erreicht worden.<br />

So stehen heute z.B. genetisch veränderte<br />

Tiere zur Verfügung, es gibt Möglichkeiten<br />

zur organspezifischen Bestrahlung<br />

und man kann <strong>auf</strong> besonders empfindliche<br />

Tierpopulationen zurückgreifen. Tierexperimente<br />

helfen so<strong>mit</strong> spezifische, überprüfbare<br />

Hypothesen <strong>auf</strong>zustellen. Er vergleicht<br />

dabei <strong>mit</strong> epidemiologischen und klinischen<br />

Untersuchungen, <strong>die</strong> unübersichtlicher und<br />

sicherlich schwieriger zu interpretieren sind.<br />

Als großen Vorteil bezeichnet er <strong>die</strong> hohe<br />

statistische Aussagekraft moderner biologischer<br />

Methoden, betont jedoch zugleich,<br />

dass <strong>die</strong> Anzahl der Versuchstiere minimiert<br />

werden muss. Ein gewisser Widerspruch<br />

in sich, da <strong>die</strong> statistische Aussagekraft<br />

durch <strong>die</strong> sogenannte „Power Potenz“<br />

einer Probe, also durch <strong>die</strong> Zahl der<br />

Experimente bestimmt wird.<br />

Anderson berichtete auch über <strong>die</strong> Rolle<br />

von Tierversuchen bei der Fragestellung<br />

der Krebsentstehung im Zusammenhang<br />

<strong>mit</strong> EMF. Eine Vielzahl von Stu<strong>die</strong>n beschäftigt<br />

sich heute da<strong>mit</strong>, ob EMF Krebs<br />

hervorrufen oder <strong>die</strong> Entwicklung bereits<br />

vorhandener Tumore beeinflussen können.<br />

Die allgemeine Tendenz der Untersuchungen<br />

geht in <strong>die</strong> Richtung, dass bisher keine<br />

klaren Belege für <strong>die</strong> Entstehung oder<br />

Begünstigung von Tumoren durch EMF<br />

gefunden werden konnten. Gelegentlich<br />

führte <strong>die</strong> Feldexposition sogar zu einer<br />

Verminderung von Tumorwachstum.<br />

Eine besondere Herausforderung bleibt<br />

jedoch für Anderson <strong>die</strong> Übertragbarkeit<br />

der Ergebnisse <strong>auf</strong> den Menschen. Dies ist<br />

<strong>vom</strong> Tier <strong>auf</strong> den Menschen zwar prinzipiell<br />

möglich, <strong>auf</strong>grund der biologischen<br />

Differenzen allerdings nicht grundsätzlich<br />

richtig und jeweils im Einzelfall zu klären.<br />

Der zweite Plenarvortrag durch Michael<br />

Repacholi hatte das EMF-Projekt der<br />

Weltgesundheitsorganisation (WHO) zum<br />

Thema. Innerhalb <strong>die</strong>ses Projekts sind<br />

bisher zahlreiche wissenschaftliche Berichte<br />

und Zusammenfassungen, sogenannte<br />

Reviews gesammelt worden, <strong>die</strong> einen<br />

Überblick über Wechselwirkungen biologischer<br />

Systeme <strong>mit</strong> elektromagnetischen<br />

Feldern geben. Mit <strong>die</strong>ser Übersicht soll<br />

55<br />

NEWS l e t t e r 3 . 03 55


Mess<strong>auf</strong>bau zur Bestimmung des elektrischen Widerstands an der Blut-Hirn-Schranke<br />

insbesondere herausgestellt werden, wo<br />

noch besondere Lücken im aktuellen Wissensstand<br />

vorhanden sind. Derartige Fragestellungen<br />

können sich beispielsweise<br />

dem Umgang von Kindern <strong>mit</strong> Mobiltelefonen<br />

widmen oder aber Folgen einer Exposition<br />

über einen längeren Lebenszeitraum<br />

hinweg hinterfragen. Anstrengungen<br />

<strong>die</strong>se Lücken zu schließen sollen helfen,<br />

Empfehlungen an <strong>die</strong> Industrie aber<br />

auch Handy-Nutzer herauszugeben, um ein<br />

Risikomanagement im Sinne eines gesundheitsbewussten<br />

Umgangs <strong>mit</strong> Mobiltelefonen<br />

zu initiieren. Die WHO empfiehlt den<br />

Aufbau eines internationalen Netzwerks,<br />

um weitere Sicherheitsrichtlinien zu entwickeln.<br />

Weiteres hierzu im Internet unter:<br />

http://www.who.int/emf .<br />

Zur Eröffnung der Sitzung über in vitro<br />

Stu<strong>die</strong>n hatte ich selbst <strong>die</strong> Möglichkeit<br />

über den Fortgang unseres Forschungsprojekts<br />

zu berichten. Unsere Untersuchungen<br />

befassen sich <strong>mit</strong> Mobilfunkstrahlen,<br />

<strong>die</strong> das Signal eines UMTS-Handys nachahmen<br />

und ihrem Einfluss <strong>auf</strong> <strong>die</strong> Barrierefunktion<br />

der Blut-Hirn-Schranke (BHS).<br />

Diese Schranke stellt einen wichtigen Regelmechanismus<br />

für den Übertritt von im<br />

Blut transportierten Stoffen in das Gehirn<br />

56 56<br />

56<br />

NEWS l e t t e r 3 . 03<br />

dar. Sie erfüllt eine außerordentlich wichtige<br />

Funktion, indem sie das Gehirn vor<br />

dem Eindringen von Giften und Stoffwechselabfällen<br />

schützt und durch <strong>die</strong> Aufrechterhaltung<br />

konstanter Ionen-Konzentrationen<br />

erst <strong>die</strong> Funktion der zahlreichen<br />

Nerven <strong>auf</strong> engstem Raum ermöglicht. Mit<br />

unserem Ansatz, hier <strong>auf</strong> Ebene der Zellkultur<br />

eine Beeinträchtigung der BHS durch<br />

<strong>die</strong> Einwirkung des UMTS-Feldes zu untersuchen,<br />

weichen wir von einer häufig<br />

gewählten Fragestellung ab. So steht nicht<br />

<strong>die</strong> Schädlichkeit der Strahlung für den<br />

Menschen im Vordergrund, sondern <strong>die</strong><br />

Suche nach der zellulären oder molekularen<br />

Interaktion des Feldes <strong>mit</strong> dem biologischen<br />

Modell. Die Reduktion <strong>auf</strong> eine<br />

einzige, uns im Detail sehr gut bekannte<br />

Zellspezies ermöglicht eine genaue Suche<br />

nach <strong>die</strong>ser molekularen Wechselwirkung<br />

um nicht das „ob“ sondern das „wie“ einer<br />

potentiellen Schädigung zu erkennen.<br />

Wir befelden <strong>die</strong> Zellkulturen für <strong>die</strong> BHS<br />

<strong>mit</strong> spezifischen Absorptionsraten (SAR)<br />

im Bereich von 0,045 bis 4,5 W/kg über<br />

mehrere Tage. Durch <strong>die</strong> in das Expositionssystem<br />

integrierte Messapparatur zur<br />

Aufzeichnung des elektrischen Widerstandes,<br />

den <strong>die</strong> Zellen <strong>auf</strong>bauen, haben wir<br />

hier eine Möglichkeit geschaffen, <strong>die</strong> wichtige<br />

Barrierefunktion schon während der<br />

Bestrahlung zu quantifizieren. Weiterhin<br />

werden Transporter und <strong>die</strong> <strong>die</strong> BHS abdichtenden<br />

sogen. „tight-junction“- Proteine<br />

<strong>auf</strong> Veränderungen untersucht. Ergebnisse<br />

<strong>die</strong>ser noch fortl<strong>auf</strong>enden Untersuchungen<br />

konnten bisher keine Störungen<br />

der Schrankentätigkeit unter Einwirkung<br />

des Mobilfunkfeldes <strong>auf</strong>zeigen.<br />

Tattersall (UK) berichtete über Untersuchungen<br />

<strong>mit</strong> Feldern des im Polizei<strong>die</strong>nst<br />

eingesetzten TETRA „Funksystems“, welches<br />

bei einer Frequenz von 380,8875 MHz<br />

<strong>mit</strong> einer Modulation von 17,6 Hz arbeitet.<br />

In seiner Arbeit an Rattenmyozyten,<br />

also Zellen aus dem Herzmuskel, untersuchte<br />

er den Einfluss <strong>auf</strong> <strong>die</strong> in <strong>die</strong>sen<br />

Zellen typischen, periodischen Schwankungen<br />

der Calciumkonzentration. Zwischen<br />

scheinexponierten und exponierten<br />

(0,4 W/kg) Kulturen konnte er jedoch keinen<br />

Unterschied der Calcium Oszillation<br />

beobachten.<br />

An eine frühere Stu<strong>die</strong> von Tattersall<br />

anknüpfend untersuchte Pakhomov (San<br />

Antonio, USA) <strong>die</strong> Auswirkungen von Mikrowellen<br />

(9,6 GHz, 24 & 120 W/kg) <strong>auf</strong><br />

4-Aminopyridin induzierte Epilepsieausbrüche<br />

in isolierten Gewebsschnitten aus<br />

dem Hippocampus von Rattenhirnen. Im<br />

Gegensatz zu Tattersall, der im ungepulsten<br />

700 MHz Feld schon bei Feldstärken<br />

von 50 V/m (ca. 5 mW/kg) eine Beeinflussung<br />

der epileptischen Ausbrüche beobachtet<br />

hatte, konnte <strong>die</strong> Gruppe um Pakhomov<br />

keine Veränderung der spontanen<br />

Anfälle beobachten. Lediglich hohe SAR<br />

Werte von 600 bzw. 3000 W/kg zeigten<br />

Effekte, <strong>die</strong> aber denen einer konventionellen<br />

Erwärmung gleichzusetzen waren.<br />

Kwee (Aarhus, DK) wies in ihrem Vortrag<br />

dar<strong>auf</strong> hin, dass EMF (hier: GSM 960<br />

MHz, 2,1 mW/kg; 25 min.) Änderungen<br />

im Zellzyklus menschlicher Amnionzellen<br />

hervorrufen können. Das Zellwachstum<br />

sowie <strong>die</strong> Apoptose können beeinflusst<br />

werden. Die Zellen können jedoch in Folge<br />

wiederholter Exposition adaptieren.


Christian Maercker (Heidelberg, D) berichtete<br />

über seine Stu<strong>die</strong>n an menschlichen<br />

HL60-Zellen (Promyelocyten), <strong>die</strong> <strong>mit</strong><br />

1800 MHz entweder in einem 5 min on / 5<br />

min off Rhythmus (1 W/kg) oder bei einer<br />

kontinuierlichen Befeldung (1,3 W/kg) für<br />

24 h gehalten wurden. Nach Untersuchung<br />

von mehr als 75000 Genen konnte er Unterschiede<br />

in deren Expressionsmuster feststellen.<br />

Am deutlichsten waren dabei der<br />

Resultate von Genfamilien, <strong>die</strong> in <strong>die</strong> Proteinbiosynthese<br />

eine Rolle spielen. Nach<br />

dem Expositionsexperiment konnte er 48<br />

hochregulierte und 7 herunterregulierte<br />

Gene finden. Auch wenn der Weg des Signalempfangs<br />

und dessen Demodulation,<br />

also der Umsetzung des EMF- Signals<br />

bisher unklar sind, so erklärt er, reagieren<br />

Säugerzellen offensichtlich in einer ganz<br />

bestimmten Art und Weise <strong>auf</strong> das Feld.<br />

Sheila Johnston (London, UK) hinterfragte<br />

in ihrem Vortrag <strong>die</strong> Fragestellungen<br />

vieler Untersuchungen <strong>auf</strong> <strong>die</strong>sem<br />

Gebiet. So stellt sie nicht in Zweifel, dass<br />

in vielen Untersuchungen durchaus Reaktionen<br />

des biologischen Systems <strong>auf</strong> EMF-<br />

Exposition beobachtet werden, sie fragt<br />

aber nach der physiologischen Relevanz<br />

der beobachteten Effekte: was macht es<br />

beispielsweise aus, wenn sich Veränderungen<br />

im Calcium Ein- oder Ausfluss einer<br />

Zelle zeigen? Wofür sind <strong>die</strong> vielfach untersuchten<br />

Hitzeschockproteine (HSP) verantwortlich?<br />

Frau Johnston betonte <strong>die</strong><br />

dringende Notwendigkeit, mehr <strong>auf</strong> das<br />

Verständnis der grundlegenden Effekte<br />

Wert zu legen, da nur so eine verantwortungsvolle<br />

Risikobewertung möglich ist.<br />

Hook (USA) befasste sich in seinem Vortrag<br />

<strong>mit</strong> der genotoxischen Wirkung von<br />

Mikrowellen. Die von ihm gewählten Expositionsbedingungen<br />

(2450 MHz CW, 1,9<br />

W/kg, 2h) riefen an Fibroblasten-Zellkulturen<br />

keine DNA-DNA oder DNA-Protein<br />

Querverknüpfungen hervor. Da<strong>mit</strong> widersprechen<br />

seine Ergebnisse früheren in vivo<br />

Untersuchungen.<br />

Auch Poulletier de Gannes (F) und Kollegen<br />

widersprachen in ihren Untersuchun-<br />

gen zur Induktion von Hitzeschockproteinen<br />

in der Haut und im Gehirn früheren<br />

Berichten. So konnten sie in Zellkulturen<br />

(Neuronen-, Astrocyten-, Fibroblasten- und<br />

Keratinocytenkulturen) nach bis zu 48stündiger<br />

Exposition in einem GSM-900<br />

Feld (2 W/kg) keine verstärkte Expression<br />

der Proteine HSP 27 und HSP 70 feststellen.<br />

In Kontrollexperimenten konnte eine<br />

verstärkte HSP-Ausschüttung nach UV-<br />

Bestrahlung oder wirklichem Hitzeschock<br />

jedoch gezeigt werden. Allerdings reagierte<br />

ein Gewebsmodell für <strong>die</strong> Haut (rekonstituierte<br />

Epidermisbiopsien, also Proben der<br />

äußersten Hautschicht) <strong>mit</strong> einer leichten<br />

Erhöhung der HSP 27 und 70, ein Effekt<br />

der möglicherweise <strong>mit</strong> einer verfrühten<br />

Hautalterung zu vergleichen ist. Weitere<br />

Daten <strong>die</strong> <strong>die</strong>ses Experiment untermauern<br />

wurden in einem Poster von Sanchez präsentiert.<br />

Iyama (Yokosuka, J) stellte eine Expositionseinrichtung<br />

für Zellkulturen vor, in<br />

der bis zu 49 Petrischalen gleichzeitig befeldet<br />

werden können. Dies geschieht in<br />

einer reflexionsfreien und <strong>mit</strong> Absorbermaterial<br />

ausgekleideten Kammer <strong>mit</strong> einer<br />

Feldpräzision von ± 1,5 dB. Der untersuchte<br />

Mobilfunkstandard IMT-2000 ist <strong>mit</strong><br />

unserem UMTS-System vergleichbar. Iyama<br />

konnte in seinen Untersuchungen keine<br />

Auswirkungen des Feldes (2,1425 GHz<br />

CW, 0,08W/kg, 96h) <strong>auf</strong> <strong>die</strong> Teilungsrate<br />

einer humanen H4-neuroglioma Zelllinie<br />

(entnommen aus einem Hirntumor eines<br />

erwachsenen Mannes) beobachten. Weitere<br />

Zelllinien wurden <strong>mit</strong> <strong>die</strong>sem System<br />

untersucht wie <strong>auf</strong> dem Poster von Sekijima<br />

(Ibaraki, J) dargestellt. Aber auch A172<br />

Zellen (aus einem Glioblastom, also Tumorgewebe<br />

des Hirns) IMR-90 (gesunde<br />

Fibroblasten der Lunge) und CCD25SK<br />

Kulturen (gesunde Fibroblasten der Haut)<br />

wurden weder in Wachstum noch ihrer<br />

Vitalität beeinflusst. Für <strong>die</strong>se Stu<strong>die</strong>n<br />

wurde neben 0,08 W/kg auch <strong>mit</strong> 0,25 W/<br />

kg bestrahlt.<br />

Trillo (Madrid, E) stellte <strong>auf</strong> einem Poster<br />

eine Arbeit vor, <strong>die</strong> Effekte des GSM<br />

B B E E M M S S 2 2 0 0 0 0 0 3<br />

3<br />

1800 Feldes <strong>auf</strong> Zellkulturen nachweisen<br />

konnte. In Kulturen von NB69 Zellen eines<br />

Neuroblastoms waren durch Befeldung<br />

weniger Zellen zu finden, <strong>die</strong> den Wachstumsfaktor<br />

FGF sowie den dazugehörigen<br />

Rezeptor FGFR1 exprimierten. Die Exposition<br />

<strong>mit</strong> 2 mW/kg wurde über maximal<br />

24h in einem 5 min on/ 10 min off Rhythmus<br />

durchgeführt.<br />

Darius Leszczynski (Helsinki, SF) stellte<br />

in seinem Vortrag den Fortgang seiner<br />

Arbeiten vor, <strong>die</strong> er bereits im vergangenen<br />

Jahr in Quebec präsentiert hatte. Zu<br />

der von ihm bereits früher untersuchten<br />

Nabelschnurendothelzelllinie EA.hy926<br />

gesellte sich nun auch ein Subklon <strong>die</strong>ser<br />

Zellen EA.hy926v1. Dieser neue Subklon<br />

zeichnet sich nicht nur durch ein deutlich<br />

verlangsamtes Wachstum aus, er liefert<br />

auch andere Resultate nach einer Exposition<br />

bei 2,4 W/kg <strong>mit</strong> einem GSM 900<br />

MHz Signal. Konnte Leszczynski in der von<br />

ihm eingesetzten Analytik im EA.hy926<br />

Klon 49 von insgesamt 1300 Proteinen <strong>mit</strong><br />

signifikant veränderter Expression identifizieren,<br />

so waren es im neuen Subklon v1<br />

schon 137. Eine Erklärung, warum ein Subklon<br />

aus der vorhanden Zellpopulation<br />

gezüchtet wurde, blieb Leszczynski jedoch<br />

schuldig. Die Identifizierung der gegenüber<br />

unbestrahlten Zellen mehr oder weniger<br />

stark ausgeprägten Proteine bereitet<br />

allerdings Schwierigkeiten, so dass noch<br />

offen blieb, um welche Proteine es sich<br />

handelt und welche Funktion <strong>die</strong>se im Körper<br />

wahrnehmen. Hatte Leszczynski in<br />

Quebec noch <strong>mit</strong> vielfach zitierten Spekulationen<br />

Aufsehen erregt, dass <strong>die</strong>se Proteine<br />

ein Rolle bei der Krebsentstehung<br />

und einer potentiellen Schädigung der BHS<br />

spielen könnten, ging er in seinen <strong>die</strong>sjährigen<br />

Vortrag derartigen Vorhersagen völlig<br />

aus dem Wege.<br />

Craig Laramee (J) berichtete über Experimente<br />

an Zellen aus menschlichem Brustepithel<br />

(MCF-10A Zellen) im statischen<br />

Magnetfeld. Die in einem Gel wachsenden<br />

Zellen wurden über 5 Tage Feldern von 1-<br />

57<br />

NEWS l e t t e r 3 . 03 57


58 58 58 58<br />

58<br />

58 58 58<br />

NEWS l e t t e r 3 . 03<br />

1000 G (1 Gauß entspricht 0,1 mT) ausgesetzt.<br />

Laramee beobachtete eine Änderung<br />

der Anordnung und Wachstumsrichtung<br />

in Abhängigkeit von der Feldstärke.<br />

Mit dem Einfluss eines 50 Hz, 1mT Magnetfeldes<br />

<strong>auf</strong> Knochenmarkszellen der<br />

Maus und <strong>auf</strong> Makrophagen (ein Zelltyp<br />

des Immunsystems) befasst sich Simko (Rostock).<br />

Bei einer Expositionsdauer von 45<br />

min bzw. 24 h beobachtet sie eine signifikante<br />

Steigerung der Produktion reaktiver<br />

Sauerstoffarten (ROS). Allerdings fällt <strong>die</strong>se<br />

Steigerung <strong>mit</strong> einem Faktor von nur 1,2<br />

deutlich geringer aus, als <strong>die</strong> in einem Kontrollexperiment<br />

um den Faktor 45 erhöhte<br />

ROS-Produktion.<br />

Die Plenarvorträge des zweiten Tages<br />

widmeten sich epidemiologischen Untersuchungen.<br />

Im Vortrag von Maria Feychting<br />

(Stockholm, S) wurde deutlich, <strong>mit</strong><br />

welchen besonderen Schwierigkeiten <strong>die</strong><br />

Epidemiologie behaftet sein kann. Bei der<br />

Auswertung ist <strong>auf</strong> den korrekten Umgang<br />

<strong>mit</strong> einer Vielzahl von Parametern in der<br />

Datenerfassung und –evaluation zu achten.<br />

So führen verschiedene Auswertungen<br />

derselben Daten <strong>mit</strong>unter zu gegensätzlichen<br />

Ergebnissen. Probleme treten vor<br />

allem dann <strong>auf</strong>, wenn sich Untersuchungen<br />

<strong>auf</strong> Befragungen der Bevölkerung stützen<br />

und sich <strong>die</strong> Befragten nicht immer im<br />

Detail an alle Einzelheiten ihrer Nutzung<br />

von Mobiltelefonen erinnern können. Nicht<br />

selten wird <strong>die</strong> Nutzungsdauer falsch eingeschätzt,<br />

ein früher benutztes Telefonmodell<br />

verwechselt oder eine bevorzugte<br />

Haltung des Telefons während des Gebrauchs<br />

nicht korrekt wiedergegeben. Letzteres<br />

spielt aber beispielsweise bei der Analyse<br />

der Entstehung von Tumoren eine<br />

nicht unwesentliche Rolle.<br />

In weiteren Vorträgen wurde <strong>auf</strong>gezeigt,<br />

dass es gerade in der Epidemiologie schwierig<br />

ist, <strong>die</strong> Untersuchungen <strong>auf</strong> eine Strahlungsquelle<br />

zu fokussieren. So unterliegt<br />

der Einfluss von Rundfunk- und Fernsehsendern<br />

oder auch <strong>die</strong> berufliche Exposition<br />

sehr individuellen Schwankungen. Die-<br />

se können nur durch besonders breit angelegte<br />

Stu<strong>die</strong>n richtig berücksichtigt werden.<br />

Die Langzeitexposition des Körper ist<br />

für Strahlung aus der Umgebung grundsätzlich<br />

eher gering. Davis ergänzte in einer<br />

anschließenden Diskussion, dass <strong>die</strong><br />

Strahlungsleistung, <strong>die</strong> uns von Basisstationen<br />

erreicht, in etwa der Lichteinstrahlung<br />

der Venus <strong>auf</strong> <strong>die</strong> Erde entspricht.<br />

Andererseits ist aber auch der „normale“<br />

Handygebrauch manchmal <strong>mit</strong> großer Variation<br />

der Strahlungsleistung verbunden.<br />

Ein mobiltelefonierender Autofahrer ist evtl.<br />

viel höherer Sendeleistung ausgesetzt als<br />

ein stationärer Handynutzer, da das Gerät<br />

bei dem sogenannten „hand over“ von einer<br />

Mobilfunkzelle zur nächsten kurzfristig<br />

<strong>mit</strong> maximaler Leistung sendet.<br />

In der folgenden Session zur Dosimetrie<br />

berichtete Andreas Bitz (Wuppertal, D)<br />

über <strong>die</strong> Entwicklung einer UMTS-Expositionseinrichtung<br />

für bis zu 1000 Ratten.<br />

Die hier eingesetzten radialen Wellenleitungen<br />

werden oft als Hochfrequenz-Expositionsanlagen<br />

für Experimente <strong>mit</strong> einer<br />

großen Anzahl von Ratten, <strong>die</strong> sich<br />

frei in ihren Käfigen bewegen können, verwendet.<br />

Bei <strong>die</strong>sen Untersuchungen kann<br />

<strong>die</strong> SAR-Variation in den Tieren minimiert<br />

werden, wenn <strong>die</strong> elektromagnetische Feldverteilung<br />

in den Käfigen durch <strong>die</strong> TEM-<br />

Welle (transversale elektromagnetische<br />

Welle), <strong>die</strong> eine konstante Feldverteilung<br />

im Querschnitt der Wellenleitung besitzt,<br />

gegeben ist. Aufgrund der vorgeschriebenen<br />

Käfighöhe bei Langzeit-Versuchen <strong>mit</strong><br />

Nagetieren können sich bei Expositions-<br />

Signalen <strong>mit</strong> hoher Frequenz (z.B. im<br />

UMTS-Frequenzbereich) zusätzlich zu der<br />

gewünschten TEM-Welle auch unerwünschte<br />

höhere Wellentypen <strong>mit</strong> inhomogener<br />

Feldverteilung im Querschnitt<br />

ausbreiten und durch das ungünstige Verhältnis<br />

von Wellenlänge zu Rattengröße<br />

an den Tieren beliebig angeregt werden.<br />

Im Vortrag wurde zur Lösung <strong>die</strong>ser Problematik<br />

eine Entkopplung der Käfigbereiche<br />

durch Wände <strong>mit</strong> speziellen elektromagnetischen<br />

Eigenschaften realisiert,


so dass im Käfigvolumen nur <strong>die</strong> TEM-<br />

Welle und so<strong>mit</strong> ein reproduzierbares Expositionsfeld<br />

vorliegt.<br />

Moros (St. Louis, USA) beschrieb einen<br />

Expositions<strong>auf</strong>bau, der es erlaubt, Zellkulturen<br />

bei hohen spezifischen Absorptionsraten<br />

(über 5 W/kg) zu bestrahlen. Durch<br />

eine Erweiterung des Belüftungssystems<br />

und eine zusätzliche Kühleinrichtung gelingt<br />

es, <strong>die</strong> unvermeidliche Erwärmung<br />

des wässrigen Nährsubstrats der Zellen zu<br />

kompensieren. Eine Konstanz der Temperatur<br />

von 37°C ± 0,5°C kann so gewährleistet<br />

werden und thermische Schäden an<br />

den Kulturen ausschließen.<br />

Wie schon im Vorjahr führte ein Vortrag<br />

aus der Gruppe von Ghandi (Salt Lake<br />

City, USA) zu einer überaus regen Diskussion<br />

über anatomische Kopfmodelle, welche<br />

zur Messung von SAR-Werten benötigt<br />

werden. Die hier diskutierten Punkte<br />

über <strong>die</strong> Größe, <strong>die</strong> Position und das Material<br />

eines Ohres für das Kopfmodell machen<br />

<strong>die</strong> Komplexität derartiger Sachverhalte<br />

deutlich. Schon eine leichte Änderung<br />

der Neigung des Modellohres zur<br />

Kopfachse führt zu Veränderungen des<br />

gemessenen SAR-Wertes. Eine oft gewählte<br />

6 mm dicke Kunststoffohrmuschel suggeriert<br />

laut Ghandi oft viel geringere SAR-<br />

Belastungen als sie tatsächlich <strong>auf</strong>treten.<br />

Ein Konsens, welches „Ohr“ nun das „beste“<br />

ist, konnte von den Wissenschaftlern<br />

nicht gefunden werden.<br />

Mit der vielfach diskutieren Problematik<br />

der EMF-Exposition in Kraftfahrzeugen<br />

setzte sich der Beitrag von Meyer (Stellenbosch,<br />

ZA) auseinander. Er machte klar,<br />

das es inzwischen geeignete Rechenmodelle<br />

gibt, <strong>die</strong> eine Computeranalyse der<br />

Feldverteilung ermöglichen. Daraus ergab<br />

sich z.B. für ein GSM 900 Signal eine deutliche<br />

Abhängigkeit der errechneten SAR-<br />

Werte von der Form des Autos.<br />

Wang (Nagoya, J) beschäftigt sich <strong>mit</strong><br />

der Exposition von Rattenjungen, um eine<br />

Beeinträchtigung der Blut-Hirn-Schranke<br />

in vivo zu untersuchen. Um <strong>die</strong> Nutzung<br />

eines Handys möglichst genau zu simulieren<br />

ist es ihm dabei wichtig, im Bereich<br />

des Kopfes eine SAR in Höhe des Grenzwertes<br />

von 2 W/kg zu erreichen, <strong>die</strong> Gesamtkörperexposition<br />

aber unter 0,4 W/kg<br />

zu halten. Mit der von ihm dazu entwickelten<br />

Apparatur gelang es ihm das Verhältnis<br />

SAR (Kopf)/SAR (Gesamt) von 3,1<br />

<strong>auf</strong> 6,9 zu erhöhen.<br />

In der Mary Ellen O’Connor Memorial<br />

Student Session berichtete Naomi Shupak<br />

(London, CDN) über ein Experiment<br />

zum Effekt gepulster magnetischer Felder<br />

<strong>auf</strong> das Wärmeempfinden von Probanden.<br />

Getestet wurde, ob ein Magnetfeld (200<br />

µT; 0-500 Hz) einen Einfluss <strong>auf</strong> den<br />

Schwellenwert der Temperatur hat, welche<br />

<strong>die</strong> Versuchspersonen gerade noch als<br />

Wärmereiz wahrnehmen können. In <strong>die</strong>sem<br />

Experiment wurde keine Veränderung<br />

<strong>die</strong>ses Schwellenwerts durch das Feld festgestellt.<br />

Im Gegensatz zu anderen Stu<strong>die</strong>n<br />

zeigte sich hier aber eine geschlechtsspezifische<br />

Auffälligkeit: in dem Test besaßen<br />

alle Frauen einen niedrigeren Schwellenwert<br />

(ca. 36°C) als <strong>die</strong> getesteten Männer<br />

(ca. 38°C).<br />

Vielfach klagen Mobiltelefonierende<br />

über eine Erwärmung des Ohres oder Kopfes<br />

durch ihr Handy, besonders nach langen<br />

Gesprächen. Diesem Phänomen widmete<br />

sich <strong>die</strong> Stu<strong>die</strong> von Straume (Trondheim,<br />

N). Mittels einer Infrarotkamera wurde<br />

<strong>die</strong> Wärmeentwicklung bei ein- (900<br />

MHz; 0,8 W/kg) bzw. ausgeschaltetem Handy<br />

verglichen. Dabei konnte recht klar gezeigt<br />

werden, dass <strong>die</strong> im Experiment auch<br />

messbare Erwärmung von bis zu 5°C nicht<br />

von der Strahlung des Gerätes, sondern<br />

durch <strong>die</strong> wärmeisolierende Wirkung des<br />

Kunststoffs hervorgerufen wird. Sicherlich<br />

ist bei <strong>die</strong>sem Phänomen auch nicht zu<br />

vernachlässigen, dass gerade bei längeren<br />

Telefongesprächen häufig durch Stress oder<br />

emotionale Reaktionen der Kreisl<strong>auf</strong> zusätzlich<br />

stimuliert wird und so einen<br />

sprichwörtlichen Hitzkopf hervorruft.<br />

Hata (Tokio, J) konnte in einer Untersuchung<br />

an Ratten (1439 MHz, 7,5 W/kg)<br />

B B E E M M S S 2 2 0 0 0 0 0 3<br />

3<br />

keine Veränderung der Konzentration des<br />

Hormons Melatonin beobachten. Über eine<br />

Veränderung der Geometrie von Rezeptorbindungsstellen<br />

berichtete Dominici<br />

(Rom, I). Die Verzerrungen traten jedoch<br />

nur bei extremen Feldstärken (gemessen<br />

wurde im Bereich von 500-500.000 MV/<br />

m) <strong>auf</strong>, <strong>die</strong> in unserer täglichen Umgebung<br />

keine Rolle spielen.<br />

In den folgenden in vivo Sitzungen berichtete<br />

McLean (Nashville, USA) über eine<br />

besondere Auffälligkeit, <strong>die</strong> bei Untersuchungen<br />

an Mäusen in einem statischen<br />

Magnetfeld <strong>auf</strong>trat. Die von zwei verschiedenen<br />

Anbietern bezogenen Labormäuse<br />

zeigten, je nach Herkunft, unterschiedliche<br />

Reaktionen <strong>auf</strong> <strong>die</strong> Behandlung. Ein<br />

derartiges Phänomen war bereits <strong>auf</strong> der<br />

letztjährigen BEMS-Jahrestagung von<br />

Maren Fedrowitz beschrieben worden. Sie<br />

hatte festgestellt, dass sich inzwischen offenbar<br />

Unterstämme von Laborratten bei<br />

verschiedenen Züchtern ausgebildet hatten.<br />

Diese Beobachtung sind meines Erachtens<br />

von besonderem Wert, wenn es<br />

um <strong>die</strong> Diskussion der Übertragbarkeit von<br />

Tierstu<strong>die</strong>n <strong>auf</strong> den Menschen geht. Solche<br />

Variationen in Versuchsergebnissen,<br />

<strong>die</strong> <strong>mit</strong> ansonsten gleichen Tierstämmen<br />

gewonnen wurden, fordern zu größter<br />

Sorgfalt bei der Risikoevaluierung <strong>auf</strong>.<br />

Den <strong>mit</strong> der Blut-Hirn-Schranke in engem<br />

Zusammenhang stehenden Astrocyten<br />

widmete sich eine Arbeit von Lin (Chicago,<br />

USA). Er exponierte Ratten (837 MHz,<br />

30 min, Peak-SAR von 0; 1,6; 16 und 80<br />

W/kg) und untersuchte <strong>die</strong> Expression von<br />

Plectin, einem Protein des Cytoskeletts. Als<br />

vorläufiges Ergebnis schildert er keinen<br />

nachweisbaren Einfluss der RF-Feldes <strong>auf</strong><br />

<strong>die</strong> Plectinexpression und so<strong>mit</strong> <strong>auf</strong> <strong>die</strong><br />

Organisation des Zellverbandes.<br />

Ein therapeutischer Aspekt kommt im<br />

Bericht von Logani (Philadelphia, USA)<br />

zum Tragen. Die Gruppe konnte keine<br />

unterstützende Wirkung von Millimeterwellen<br />

(42,2 GHz, ca. 600 W/kg Peak-SAR)<br />

bei der Chemotherapie von Melanomen<br />

(Hautkrebs) an Mäusen beobachten.<br />

59<br />

NEWS l e t t e r 3 . 03 59


Gleichfalls <strong>mit</strong> Mäusen arbeitete Pioli<br />

(Rom, I) und untersuchte <strong>die</strong> Immunantwort<br />

von Lymphocyten im GSM-900 Feld.<br />

Die Gruppe stellte bei SAR von 1 und 2 W/<br />

kg (2h pro Tag, 7 Tage Expositionsdauer)<br />

keine Veränderung der Zellen in Lymphknoten<br />

fest.<br />

D’Inzeo (Rom, I) untersuchte <strong>die</strong> Erwärmung<br />

des Mittelohrs, akustische Reaktion<br />

und <strong>die</strong> Leistungsfähigkeit im Kopfrechnen<br />

an Probanden, <strong>die</strong> im Versuch ein<br />

Motorola „Timeport 260“ Handy benutzten.<br />

Dieses war so manipuliert, dass kontinuierlich<br />

<strong>mit</strong> einem 902,4 MHz GSM-Signal<br />

bei maximaler Leistung (2W) gesendet<br />

wurde. In 45-minütigen Tests wurde jedoch<br />

lediglich ein signifikanter Unterschied<br />

zwischen ein- und ausgeschaltetem Handy<br />

beobachtet, eine Temperaturerhöhung<br />

von 0,15°C im Mittelohr. Ein Wert, dem<br />

allerdings verglichen <strong>mit</strong> dem Ergebnis von<br />

Straume (s.o.), der schon bei ausgeschaltetem<br />

Gerät eine durch <strong>die</strong> Isolationswirkung<br />

bedingte, deutliche Erwärmungen am<br />

Ohr messen konnte, keine besondere Relevanz<br />

zugesprochen werden kann. Leider<br />

konnte D’Inzeo den Fragen zur Aussagekraft<br />

(Macht) seiner dedizierten statistischen<br />

Berechnungen nicht folgen.<br />

Parazzini (Mailand, I) konnte bei der<br />

Untersuchung des Hörvermögens von Ratten<br />

und Meerschweinchen, unter Einfluss<br />

von GSM-900 und –1800 (2h/d, 5d/Woche,<br />

4-wöchige Exposition bei 2 W/kg)<br />

keine Veränderungen beobachten.<br />

Belyaev (Stockholm, S) fand in seiner<br />

Untersuchung an Rattenhirnen eine veränderte<br />

Genexpression, konnte aber keine<br />

DNA-Strangbrüche und veränderte Chromatin-Konformation<br />

nachweisen. Zur Exposition<br />

war in <strong>die</strong>ser Untersuchung der<br />

Ausgang eines Mobiltelefons (GSM-900,<br />

SAR = 0,4 mW/kg) direkt an eine TEM-<br />

Zelle angeschlossen.<br />

Weitere Vorträge der in vivo Reihe beschäftigten<br />

sich <strong>mit</strong> Effekten niederfrequenter<br />

(ELF) und statischer Felder. Während<br />

Touitou (Paris, F) keinen Einfluss von<br />

50 Hz Wechselstromfeldern <strong>auf</strong> <strong>die</strong> Mela-<br />

60 60<br />

60<br />

NEWS l e t t e r 3 . 03<br />

toninproduktion und den circadianen<br />

Rhythmus von Arbeitern feststellte, entgegnete<br />

Hiwaki (Hiroshima, J) in seinem<br />

Vortrag, dass an Ratten eine Veränderung<br />

des circadianen Bewegungsrhythmus zu<br />

beobachten sei. Keinen Effekt von ELF fand<br />

auch Ushiyama (Tokio, J) als er den Blutfluss<br />

in Hirntumoren von Mäusen untersuchte.<br />

Über eine schützende Wirkung von<br />

Magnetfeldern berichtete Mattsson (Örebro,<br />

S). Hühnerembryonen konnten <strong>mit</strong> Hilfe<br />

eines vertikalen 50-60 Hz Feldes vor dem<br />

schädigenden Einfluss von UV-Strahlung<br />

bewahrt werden.<br />

Die Plenumssitzung zum Thema Mechanismen<br />

wurde von Dariusz Leszczynski<br />

eröffnet. Er setzte sich <strong>mit</strong> der Schwierigkeit<br />

auseinander, aus vielen, sicher häufig<br />

widersprechenden Stu<strong>die</strong>n <strong>die</strong> Informationen<br />

herauszufiltern, <strong>die</strong> für eine realistische<br />

Risikobewertung hilfreich sind. Zwar<br />

wurde eine Vielzahl von Ergebnissen<br />

inzwischen auch einer, teils mehrfachen,<br />

wissenschaftlichen Überprüfung unterzogen,<br />

doch oftmals ohne notwendige Innovationen<br />

im Versuchsdesign. Gleichzeitig<br />

erhöht sich jedoch der Druck aus der Öffentlichkeit,<br />

der Industrie und der Politik,<br />

endlich plausible Antworten zum Gefahrenpotential<br />

elektromagnetischer Felder zu<br />

finden. Häufig wird von der Epidemiologie<br />

erwartet, <strong>mit</strong> Hilfe sehr breit angelegter<br />

Untersuchungen <strong>die</strong>se Fragen zu beantworten.<br />

Diese sind allerdings wenig<br />

geeignet, einen wissenschaftlichen Beweis<br />

für eine schädliche Wechselwirkung zu<br />

führen. Hier könnten sich neue Hilfs<strong>mit</strong>-<br />

Waianapanapa State Park<br />

tel, Techniken wie Proteomics und Genomics,<br />

also <strong>die</strong> globale Analyse von Protein-<br />

und Genexpression, als Schlüsseltechniken<br />

erweisen. Sie eröffnen <strong>die</strong> Möglichkeit,<br />

simultan <strong>die</strong> Ausprägung und das<br />

Wechselspiel Tausender von Genen und<br />

Proteinen zu untersuchen, und sind so in<br />

der Lage, auch unvermutete Effekte <strong>auf</strong>zuspüren.<br />

Nicht zu unterschätzen ist aber<br />

meines Erachtens <strong>die</strong> sich aus <strong>die</strong>ser von<br />

Leszczynski favorisierten Methodik ergebende<br />

Notwendigkeit, <strong>die</strong> physiologische<br />

Relevanz veränderter Expressionsmuster<br />

<strong>auf</strong>zuklären.<br />

Prohofsky (W. Lafayette, USA) erläuterte<br />

in seinem Beitrag <strong>die</strong> physikalischen<br />

Möglichkeiten von Molekülen, insbesondere<br />

Makromolekülen wie sie Proteine und<br />

<strong>die</strong> DNA darstellen, <strong>mit</strong> RF-EMF in Wechselwirkung<br />

zu treten. Gerade im RF-Bereich,<br />

erläuterte er, ist es für <strong>die</strong> allermeisten<br />

Biomoleküle ausgeschlossen <strong>die</strong> Strahlungsenergie<br />

<strong>auf</strong>zunehmen. Oft ist <strong>die</strong> entsprechende<br />

Resonanzbedingung als Voraussetzung<br />

nicht erfüllt, in vielen Fällen,<br />

besonders bei der DNA, erfolgt ein schneller<br />

Energietransfer <strong>auf</strong> benachbarte Wassermoleküle,<br />

bevor es zu einer Schädigung<br />

des Makromoleküls kommen kann.<br />

Bei der Exposition der Augen von Kaninchen<br />

konnte Kojima (Kanazawa, J) Entzündungsreaktionen<br />

beobachten. Nach<br />

100-minütiger Bestrahlung bei einer Frequenz,<br />

<strong>mit</strong> der auch Mikrowellenherde arbeiten<br />

(2,45 GHz), und einer SAR von mehr<br />

als 100 W/kg ist <strong>die</strong>s allerdings keine Überraschung<br />

mehr. Die Augen der Tiere wurden<br />

dabei bis zu 43°C erwärmt. Eine wis-


senschaftlich nachvollziehbare Rechtfertigung<br />

für derartige Tierversuche ist<br />

allerdings schwer zu finden. Eine Schädigung<br />

des Rufs vieler sinnvoller tierexperimenteller<br />

Arbeiten muss hier nicht überraschen.<br />

Hook (St. Louis, USA) untersuchte DNA-<br />

Schädigung nach RF-EMF Exposition bei<br />

bis zu 10 W/kg. Im Gegensatz zu früheren<br />

Arbeiten von Lai und Singh konnte er keine<br />

Veränderungen der DNA von Rattenhirnen<br />

finden.<br />

Mit menschlichen Probanden wurden<br />

Stu<strong>die</strong>n von Lindholm (Helsinki, SF) und<br />

Kantz (Stuttgart, D) durchgeführt. Lindholm<br />

konnte widerlegen, dass sich durch<br />

Mobiltelefone (900 MHz, 1,58 W/kg und<br />

1800 MHz, 0,704 W/kg) nach 35-minütiger<br />

Gesprächsdauer der Blutdruck erhöhen<br />

könne. Kantz zeigte, dass <strong>die</strong> Exposition<br />

<strong>mit</strong> hochfrequenten Signalen (appliziert<br />

wurde ein Frequenzspektrum zwischen<br />

5,8 und 110 GHz) keine signifikanten<br />

Auswirkungen <strong>auf</strong> den Ruhepuls, <strong>die</strong><br />

Leitfähigkeit der Haut, Hauttemperatur und<br />

ebenfalls den Blutdruck hatte.<br />

Eine neue Untersuchung von Haarala<br />

(Turku, SF) widerlegte frühere Erkenntnisse<br />

seiner Gruppe. Nach einer Verbesserung<br />

des Versuchsdesigns konnten keine Einflüsse<br />

<strong>auf</strong> kognitive Fähigkeiten der untersuchten<br />

Personen beobachtet werden (GSM-<br />

900, 0,88 W/kg, Peak-SAR: 1,2 W/kg).<br />

Nicht grundsätzlich muss <strong>die</strong> Diskussion<br />

um EMF-induzierte Schädigungen geführt<br />

werden, wie <strong>die</strong> Arbeit von Radzievsky<br />

(Philadelphia, USA) zeigte. Diese untersuchte,<br />

<strong>auf</strong> welchem Wege Millimeterwellen<br />

das Wachstum von Melanomen in<br />

einem Mausmodell unterdrücken. Radzievsky<br />

konnte zeigen, dass <strong>die</strong> gewählte<br />

Exposition (61,22 GHz, 15 mW/cm², 15<br />

min) über einen Einfluss <strong>auf</strong> endogene<br />

Opioide das Immunsystem stimuliert und<br />

so das Tumorwachstum hemmen kann.<br />

Die in vivo Sitzungen schlossen <strong>mit</strong> einer<br />

Präsentation von Masuda (Pessac, F)<br />

aus der Arbeitsgruppe von Veyret. Diese<br />

untersuchte gesunde Haut von haarlosen<br />

Ratten, <strong>die</strong> über 2 Stunden <strong>mit</strong> Mikrowellen<br />

(GSM-900 oder –1800, 4 W/kg) bestrahlt<br />

worden waren. Der Vergleich zu<br />

scheinexponierten Tieren und zur Kontrollgruppe<br />

(Ratten <strong>die</strong> fortwährend im Stall<br />

verblieben waren) zeigte keinerlei Hautveränderungen.<br />

Masuda gab allerdings zu<br />

bedenken, dass zur genaueren Beurteilung<br />

noch Experimente ausstehen, bei denen <strong>die</strong><br />

Expositionsdauer mindestens der etwa 6bis<br />

7-wöchigen Generationsdauer der Haut<br />

entspricht.<br />

Colin McCaig und Kollegen aus Aberdeen<br />

(Schottland) setzten sich <strong>mit</strong> ihrem<br />

Posterbeitrag <strong>mit</strong> einer endogenen Quelle<br />

für ein EMF auseinander. Dieses Feld entsteht<br />

bei einer Verletzung der Cornea (Hornhaut<br />

des Auges) und beeinflusst <strong>die</strong> Wachstumsrichtung<br />

von Nervenfasern bei der<br />

Wundheilung. Durch Verstärkung des natürlichen<br />

Feldes von außen konnte McCaig<br />

eine beschleunigte Wundheilung induzieren,<br />

<strong>die</strong> entsprechend bei einer Abschwächung<br />

des Feldes verlangsamt wurde.<br />

Resümee<br />

Bei der Komplexität der Fragestellungen<br />

ist es vielleicht nicht überraschend,<br />

dass im Vergleich zur letztjährigen Jahrestagung<br />

kein wesentlicher Durchbruch<br />

erzielt werden konnte. Gerade wegen des<br />

komplexen Zusammenspiels aller naturwissenschaftlichen<br />

Disziplinen drängt sich<br />

<strong>die</strong> Forderung nach einer verbesserten<br />

Kommunikation zwischen verschiedenen<br />

Fachgebieten <strong>auf</strong>. Oft fehlten Vorträgen<br />

erläuternde Einleitungen, so dass gerade<br />

bei der Kürze der zur Verfügung stehenden<br />

Zeit <strong>die</strong> vorgestellte Problematik nicht<br />

immer ausreichend klar wurde, insbesondere<br />

wenn man nicht „<strong>vom</strong> Fach“ des Vortragenden<br />

ist und dessen frühere Arbeiten<br />

nicht vollständig kennt. Dies kann jedoch<br />

- das Organisationsko<strong>mit</strong>ee hob <strong>die</strong> außerordentlich<br />

hohe Zahl studentischer Tagungsteilnehmer<br />

besonders lobend hervor<br />

- nicht grundsätzlich vorausgesetzt werden.<br />

Da sich unter den Vorträgen auch<br />

B B E E M M S S 2 2 0 0 0 0 0 3<br />

3<br />

recht schwache Beiträge fanden, wäre es<br />

wünschenswert für <strong>die</strong> Vorträge mehr Zeit<br />

als <strong>die</strong> vorgegebenen 12 Minuten einzuräumen<br />

und dafür in der Zahl etwas zu<br />

reduzieren. Die <strong>mit</strong> viel mehr Zeit ausgestatteten<br />

Plenarvorträge waren wiederum<br />

teils zu weit ausschweifend. Die rundum<br />

gut organisierte Tagung ließ leider <strong>mit</strong> fortschreitender<br />

Zeit <strong>die</strong> Stringenz der eigenen<br />

Vorgaben vermissen. Verschiebungen<br />

ganzer Vortragsblöcke wurden nur einmalig<br />

angekündigt, so dass ich mich <strong>mit</strong>unter<br />

im „falschen Film“ wiederfand und Präsentationen,<br />

<strong>die</strong> ich gern gehört hätte,<br />

bereits beendet waren. Besonders ärgerlich<br />

war, dass trotz eindeutiger Vorgaben<br />

der Organisation wenige Vortragende ihre<br />

Präsentation wirklich <strong>auf</strong> den Tagungscomputer<br />

übertragen hatten. So hatte man<br />

ausreichend Gelegenheit <strong>die</strong> Meldung „no<br />

signal“ des Projektors zu stu<strong>die</strong>ren, während<br />

ein weiterer (der private) Laptop sich<br />

Anschlussversuchen widersetzte.<br />

Zu betonen sind an <strong>die</strong>ser Stelle<br />

sicherlich noch mal <strong>die</strong> Forderungen von<br />

Sheila Johnston. Zur Risikoabschätzung ist<br />

es letztlich wenig hilfreich, quasi <strong>auf</strong> Biegen<br />

und Brechen messbare Reaktionen biologischer<br />

Systeme <strong>auf</strong> EMF zu suchen. Es<br />

ist unabdingbar, sich auch um <strong>die</strong> Konsequenzen<br />

<strong>die</strong>ser Reaktionen zu kümmern<br />

und deren Relevanz zu verstehen. Des weiteren<br />

ist zwingend auch <strong>die</strong> Relevanz des<br />

untersuchten Modells zu hinterfragen, um<br />

nicht Gefahr zu l<strong>auf</strong>en, Äpfel <strong>mit</strong> Birnen<br />

zu vergleichen.<br />

Unabhängig davon stellt eine breit angelegte<br />

Suchstrategie, wie sie durch Untersuchung<br />

der Gen- und Proteinexpression<br />

verfolgt wird, eine zukunftsweisende<br />

Technologie dar, <strong>die</strong> <strong>auf</strong> lange Sicht <strong>die</strong><br />

Frage, wo nach einer molekularen Wechselwirkung<br />

von Feld und Biologie zu suchen<br />

ist, besser <strong>auf</strong>klären wird als <strong>die</strong><br />

bisherige Vielzahl von Detailuntersuchungen.<br />

Dr. Helmut Franke<br />

Universität Münster<br />

Klinik und Poliklinik für Neurologie<br />

61<br />

NEWS l e t t e r 3 . 03 61


62 62<br />

62<br />

B B E E M M S S S 2 2 2 0 0 0 0 3<br />

3<br />

NEWS l e t t e r 3 . 03<br />

22.- 27. Juni 2003, Maui, Hawaii<br />

25. Jahrestagung der<br />

Lutz Haberland<br />

Sonnenuntergang <strong>mit</strong> Blick <strong>auf</strong> Lanai<br />

Bioelectromagn<br />

Die 25. BEMS-Tagung<br />

fand jubiläumsgemäß<br />

in einer wunderschönen<br />

Gegend statt, was allerdings<br />

auch insbesondere<br />

für <strong>die</strong> Europäer <strong>die</strong><br />

Reisekosten in <strong>die</strong> Höhe<br />

trieb. Nichtsdestotrotz<br />

war der Wunsch <strong>die</strong><br />

neuesten Ergebnisse zu<br />

präsentieren so groß,<br />

dass <strong>die</strong> Konferenz<br />

<strong>auf</strong>grund der Masse an<br />

eingegangenen Beiträgen<br />

kurzfristig um einen Tag<br />

verlängert wurde.<br />

Dieser Bericht bezieht sich vor allem <strong>auf</strong> <strong>die</strong> Ergebnisse<br />

der in vitro- und in vivo- Untersuchungen und<br />

der Beiträge zum Thema „Mechanismen“. Um den einzelnen<br />

Beiträgen <strong>die</strong> Abstracts zuordnen zu können,<br />

sind <strong>die</strong> jeweiligen Kürzel in Klammern angegeben.<br />

Überblick<br />

Die einführende Plenarsitzung stand<br />

unter dem Motto „Biologische Effekte von<br />

EMF: Vergangenheit, Gegenwart, Zukunft“.<br />

L. Anderson, Richland, USA gab einen<br />

Überblick zum gegenwärtigen Wissensstand<br />

bezüglich Tierversuchen und EMF (PL 1-1).<br />

Er stellte heraus, dass es in fast allen Bereichen<br />

(bei unterschiedlichen Frequenzen<br />

oder Untersuchungsgebieten) weiterhin<br />

widersprüchliche und „softe“ Resultate gibt,<br />

also solche, <strong>die</strong> nur geringe, aber signifikante<br />

Effekte zeigen. Insbeson-dere zur<br />

Frage der Krebsentstehung und -promotion<br />

ergeben <strong>die</strong> meisten Untersuchungen,<br />

dass es eher keine Effekte von EMF unterhalb<br />

der Grenzwerte gibt, sowohl für Nieder-<br />

als auch für Hochfrequenz. Bei Änderungen<br />

im Verhalten von Tieren sieht der<br />

Vortragende Einflüsse im Niederfrequenzbereich<br />

(ELF, um 50 Hz); im Hochfrequenzbereich<br />

erst bei SAR-Werten >4 W/kg und<br />

sporadische Reaktionen im Bereich zwischen<br />

1 und 4 W/kg, <strong>die</strong> reversibel sind und<br />

scheinbar thermisch induziert. Anderson<br />

fasst zusammen, dass man momentan keine<br />

Schwellendosis für biologische Effekte<br />

von nieder- und hochfrequenten EMF angeben<br />

kann und auch kein Mechanismus<br />

allgemein akzeptiert und bewiesen ist, der<br />

eine Einwirkung unterhalb der bekannten<br />

Reiz- bzw. Wärmeeffekte beschreibt.


tics Society (BEMS)<br />

M. Repacholi, Genf, Schweiz stellte das<br />

EMF-Projekt der Weltgesundheitsorganisation<br />

(WHO) vor (PL 1-2). Er betonte dabei<br />

<strong>die</strong> Unterschiede zwischen einem physiologischen/biologischen<br />

Effekt und einer<br />

nicht unbedingt dar<strong>auf</strong> <strong>auf</strong>bauenden gesundheitlichen<br />

Gefährdung. Die Übersicht<br />

über <strong>die</strong> Forschungsresultate im Niederfrequenzbereich<br />

(ELF) durch <strong>die</strong> WHO soll<br />

noch <strong>die</strong>ses Jahr fertig werden, jene für<br />

den Hochfrequenzbereich (HF) wegen noch<br />

l<strong>auf</strong>ender Projekte in den Jahren 2005-7.<br />

Im HF-Bereich gibt es keine neuen Hypothesen,<br />

<strong>die</strong> getestet werden sollten. Als<br />

Vorsorgeprinzip gelte für <strong>die</strong> WHO, dass<br />

Kinder Handys nur wenn notwendig benutzen<br />

sollen und <strong>die</strong> Industrie keine entsprechende<br />

Werbung gezielt <strong>auf</strong> Kinder<br />

einsetzen solle. Zum Thema der eventuell<br />

gesteigerten Empfindlichkeit von Kindern<br />

<strong>auf</strong> EMF veranstaltet <strong>die</strong> WHO im Juli 2004<br />

einen Workshop in Istanbul, Türkei. Des<br />

weiteren werde momentan untersucht, ob<br />

spezifische Untersuchungen zu Mobilfunkbasisstationen<br />

notwendig und durchführbar<br />

sind.<br />

Mechanismen<br />

Die Plenarsitzung zu Mechanismen fand<br />

am Donnerstag Vor<strong>mit</strong>tag statt. D. Lesczcynski,<br />

Helsinki, Finnland, (PL 3-1) stellte<br />

den von ihm verwendeten „Discovery Sci-<br />

ence-Approach“ vor, der <strong>die</strong> Untersuchung<br />

des gesamten Signalweges <strong>vom</strong> Genom bis<br />

zur biologischen, eventuell gesundheitsrelevanten<br />

Reaktion vorsieht, wenn ein Hinweis<br />

für einen Feldeffekt vorliegt. Dabei<br />

sollen <strong>die</strong> neuesten und empfindlichsten<br />

molekularbiologischen Techniken (u.a.<br />

DNA-Arrays und Proteomics) zum Einsatz<br />

kommen. Die von seiner Arbeitsgruppe<br />

gefundenen Effekte bei Proteinexpression<br />

und -phosphorylierung in Endothelzellen<br />

(siehe REFLEX-Symposium) versucht er<br />

über einen bislang noch hypothetischen<br />

Signalweg zu beschreiben. Dieser beginnt<br />

bei einem noch unklaren Primärmechanismus<br />

der Feldeinwirkung (möglicherweise<br />

eine räumliche Strukturänderung von Proteinen),<br />

durch den <strong>die</strong> Expression von<br />

Stressproteinen (z.B. hsp27) in Gang gesetzt<br />

wird, woran sich eine Kaskade weiterer<br />

Expressionen und Aktivierungen von<br />

Proteinen anschließt, <strong>die</strong> einmal zur verstärkten<br />

Bildung von Stressfibern in Zellen<br />

der Blut-Hirn-Schranke führt und andererseits<br />

den apoptotischen Signalweg beeinflusst.<br />

Ersteres könnte zu einer erhöhten<br />

Durchlässigkeit der Blut-Hirn-Schranke<br />

führen, letzteres zum Absterben von Zellen<br />

oder zu Krebsentstehung. Experimentelle<br />

Hinweise zu einer Verstärkung der Stressfiberproduktion<br />

existieren, Hinweise <strong>auf</strong><br />

eine Apoptosebeeinflussung nicht.<br />

Den zweiten Plenarvortrag hielt E. Prohofsky,<br />

W. Lafayette, USA, (PL 3-2) zu<br />

Schwingungsmoden biologischer Moleküle<br />

im Hochfrequenzbereich. Es ging dabei um<br />

<strong>die</strong> rechnerische Nachweisführung, wie und<br />

bei welchen Frequenzen Makromoleküle<br />

über Resonanzen Hochfrequenzenergie<br />

absorbieren können. Das Ergebnis ist, dass<br />

<strong>die</strong> Resonanzfrequenzen für <strong>die</strong> betrachteten<br />

Makromoleküle meist über 100 GHz<br />

liegen und <strong>die</strong> meiste Hochfrequenzenergie<br />

durch das <strong>die</strong> Makromoleküle umgebende<br />

Wasser absorbiert wird. Demnach<br />

ist es sehr unwahrscheinlich, dass biologische<br />

Moleküle durch Hochfrequenzfelder<br />

über Resonanz direkt angeregt werden, also<br />

Energie absorbieren.<br />

Die dem Thema Mechanismen zugehörige<br />

Session fand schon am Montag Vor<strong>mit</strong>tag<br />

statt. Dass nicht viel Neues zu Mechanismen<br />

berichtet wurde, fand auch darin<br />

Ausdruck, dass der Titel der Session<br />

„Mechanismen und Modellierungen“ hieß,<br />

letztere waren in den Vorträgen dominierend.<br />

J. Ziriax, Brooks, USA, (2-1) erläuterte<br />

<strong>die</strong> Unterschiede in der Berechnung von<br />

Organresonanzen über SAR-Werte <strong>mit</strong>tels<br />

Ganzkörper- oder Teilkörpermodellen und<br />

kam zu dem Schluß, dass der Teilkörperansatz<br />

weniger genaue Ergebnisse liefert.<br />

63<br />

NEWS l e t t e r 3 . 03 63


64 64<br />

64<br />

B B E E M M S S S 2 2 2 0 0 0 0 3<br />

3<br />

Sonnenuntergang am Strand von Wailea<br />

NEWS l e t t e r 3 . 03<br />

Durch <strong>die</strong> zeitgleich stattfindende Session<br />

„In Vitro I“ konnten nicht alle Vorträge<br />

besucht werden.<br />

J. Gimsa, Rostock, Deutschland, (2-6)<br />

sprach zu den Besonderheiten der subzellulären<br />

Absorption elektrischer Feldenergie.<br />

Diese Besonderheiten äußern sich in<br />

den frequenzabhängigen Materialeigenschaften<br />

der verschiedenen Zellbestandteile<br />

wie Membranlipide, -proteine und an<br />

Moleküle gebundenes Wasser. Die Methoden<br />

der <strong>die</strong>lektrischen Zellspektroskopie,<br />

wie z.B. Elektrorotation, sind in der Lage<br />

<strong>die</strong>se Frequenzabhängigkeiten zu bestimmen<br />

und daraus Aussagen zur spezifischen<br />

Feldeinwirkung zu treffen. Die Methodik<br />

wird momentan <strong>auf</strong> Mobilfunkfrequenzen<br />

ausgedehnt und <strong>die</strong> Ergebnisse werden<br />

helfen, Aussagen zu eventuellen spezifischen<br />

Absorptionsgebieten innerhalb von<br />

Zellen zu treffen.<br />

In Vitro-Untersuchungen<br />

(Experimente an Zellen<br />

und Geweben)<br />

Zu <strong>die</strong>ser Thematik fanden drei Sessions<br />

am Montag und Dienstag statt und natürlich<br />

das REFLEX-Symposium, das getrennt<br />

behandelt wird.<br />

Zu spezifischen Effekten der TETRA-Frequenz<br />

(Terrestrial Trunked Radio – Bündelfunk,<br />

380,8875 MHz) <strong>auf</strong> intrazellulare<br />

Kalziumoszillationen von Herzmuskelzellen<br />

sprach J. Tattersall, Salisbury, Großbritannien,<br />

(1-2). Mit der verwendeten Signalpulsung<br />

von 17,6 Hz und bei einem<br />

SAR-Wert von 0,4 W/kg konnten keine<br />

signifikanten Effekte <strong>auf</strong> spontane Kalziumoszillationen<br />

gezeigt werden.<br />

Den Einfluss von unmodulierten 9,6<br />

GHz-Feldern <strong>auf</strong> <strong>die</strong> Nervenaktivität in<br />

Hippokampus-Gewebsschnitten der Ratte<br />

untersuchten A. Pakhomov und Mitarbeiter,<br />

San Antonio, USA, (1-3). Das Besondere<br />

war <strong>die</strong> der Exposition vorangehende<br />

Induktion von Epilepsie-ähnlichen Nervenaktivitäten.<br />

Untersucht wurde im Intensi-<br />

tätsbereich von 24 W/kg bis 3 kW/kg. Erst<br />

ab 120 W/kg konnte ein Anstieg der Nervenaktivität<br />

beobachtet werden, der bei 3<br />

kW/kg voll signifikant wurde. Diese Aktivitätsänderungen<br />

waren denen vergleichbar,<br />

<strong>die</strong> durch konventionelle Erwärmung<br />

hervorgerufen wurden.<br />

Zur Frage des Einflusses von Mikrowellenfeldern<br />

<strong>auf</strong> Zellzyklusproteine referierte<br />

S. Kwee, Aarhus, Dänemark, (1-4). Bei<br />

der Exposition von transformierten humanen<br />

Amnionzellen (Embryozellen) <strong>mit</strong><br />

GSM-modulierten 960 MHz-Feldern, SAR<br />

= 2,1 mW/kg beobachtete ihre Arbeitsgruppe<br />

einen synchronisierenden Einfluß<br />

<strong>auf</strong> <strong>die</strong> DNS-Synthese und <strong>die</strong> Mitose,<br />

wenn es sich vor Exposition um asynchrone<br />

Zellen handelte. Bei synchronisierten<br />

Zellen kam es zu einer Verlängerung des<br />

Zellzyklus. Zudem wird von einem begleitenden<br />

Anstieg des Stressproteins hsp70<br />

berichtet, <strong>die</strong> Konzentration von hsp27<br />

änderte sich nicht.<br />

Über <strong>die</strong> Wirkung GSM-modulierter 900<br />

MHz-Felder <strong>auf</strong> <strong>die</strong> Stressproteinexpression<br />

verschiedener neuronaler und Hautzelllinien<br />

berichtete F. Poulletier de Gannes,<br />

SAR war 2 W/kg. In humanen Gehirnzellen<br />

wurde kein Effekt gefunden, in denen<br />

von Ratten gab es unterschiedliche Ergebnisse<br />

(Kooperation <strong>mit</strong> Lesczcynski’s Gruppe).<br />

In humanen Fibroblasten sank <strong>die</strong> Expression<br />

von hsp70 in den Zellen einiger<br />

Spender nach Feldexposition, <strong>auf</strong> hsp27<br />

gab es keinen Einfluß. In chirurgisch entferntem<br />

Hautgewebe von Menschen konnte<br />

nach 5 Wochen Kultivierung im Reagenzglas<br />

eine Expressionserhöhung von hsp27<br />

und hsp70 festgestellt werden. Die z.T. widersprüchlichen<br />

Resultate sollen u.a. <strong>mit</strong><br />

Versuchen an Rattenhirnzellen und an<br />

haarlosen Mäusen überprüft werden.<br />

Die Ergebnisse der Experimente der<br />

Gruppe von D. Lesczcynski, Helsinki, Finnland,<br />

(3-4) zu Veränderungen der Proteinexpression<br />

in Endothelzellen bei GSM 900<br />

MHz sind im Teil REFLEX-Symposium beschrieben.<br />

Den Einfluss statischer Magnetfelder<br />

zwischen 100 µT und 100 mT <strong>auf</strong>


<strong>die</strong> Genexpression in humanen Brustepithelzellen<br />

untersuchten C. Laramee und<br />

Mitarbeiter, Binghampton, USA, (3-5). Sie<br />

beobachteten kurzzeitige Änderungen der<br />

Genexpression über den mRNS-Gehalt,<br />

deren Bedeutung für das Zellwachstum<br />

noch nicht geklärt ist.<br />

M. Simkó, Rostock, Deutschland, (3-6)<br />

berichtete zur Beeinflussung von Zellaktivierungsprozessen<br />

in Knochen- und Blutzellen<br />

der Maus und des Menschen durch<br />

50 Hz-EMF (Intensität 1 mT). Entdeckt<br />

wurde ein signifikanter Anstieg von Interleukin-1b<br />

(IL-1b) und der Superoxidproduktion,<br />

letztere um ca. das 1,2fache (bei<br />

Positivkontrolle <strong>mit</strong> TPA: 10 – 50facher<br />

Anstieg), aber keine Änderung in der Stickoxid-Produktion<br />

(NO). Der zugrundeliegende<br />

Mechanismus ist noch unklar, jedoch<br />

könnte der erhöhte Superoxidgehalt zu einer<br />

gesteigerten DNS-Schädigung durch<br />

Radikale führen. In zwei weiterführenden<br />

Postern ihrer Mitarbeiterinnen J. Rollwitz<br />

(P-111-C) und M. Lupke (P-114-C) wurden<br />

<strong>die</strong> Abhängigkeit der gemessenen Effekte<br />

<strong>vom</strong> Differenzierungsstatus der Zellen<br />

und Einzelheiten der Superoxid-Experimente<br />

vorgestellt.<br />

Von der Einwirkung gepulster elektrischer<br />

Felder (ca. 0,05 Hz) <strong>auf</strong> den Stoffwechsel<br />

von Blut- und Krebszellen berichtete<br />

A. Rosenspire, Detroit, USA, (5-1). Diese<br />

Gruppe fand Änderungen in der Amplitude<br />

natürlicher NAD(P)H-Oszillationen,<br />

wenn <strong>die</strong> Zellen morphologisch polarisiert<br />

waren, also eine ellipsoide Form besitzen.<br />

Die mögliche therapeutische Anwendungsmöglichkeit<br />

wurde diskutiert. Als Mechanismus<br />

wird <strong>die</strong> Einwirkung des elektrischen<br />

Feldes <strong>auf</strong> „irgendeinen“ geladenen<br />

Rezeptorkomplex angenommen.<br />

L. Coulton und Mitarbeiter, Sheffield,<br />

Großbritannien, (5-3) fanden keinen Effekt<br />

von 50 Hz-Magnetfeldern (20 bis 100<br />

µT) <strong>auf</strong> <strong>die</strong> Expression der Stressproteine<br />

hsp27 und hsp70 in humanen weißen<br />

Blutzellen. Nur bei Positivkontrolle durch<br />

Temperaturanstieg <strong>auf</strong> 42 °C gab es eine<br />

Reaktion.<br />

Eine Verringerung der Überlebensrate<br />

von H O -gestressten humanen Leukämie-<br />

2 2<br />

zellen durch 50 Hz-Magnetfelder von 5<br />

mT (gültiger Grenzwert: 0,1 mT) beobachteten<br />

G. Ding und Mitarbeiter, Hirosaki,<br />

Japan. Untersuchungen zur Proteinexpression<br />

erbrachten eine mögliche Beteiligung<br />

von „Caspase-7“ und „poly(ADP-ribose<br />

polymerase“(PARP) an <strong>die</strong>sem Effekt.<br />

Die Vorträge (5-5) und (5-6) von A.<br />

Kindzelski und H. Petty, Ann Arbor, USA<br />

behandelten <strong>die</strong> Induktion von Kalziumwellen<br />

in humanen Blutzellen durch gepulste<br />

elektrische Gleichfelder (siehe auch<br />

(5-1)). Die Effekte sollen über <strong>die</strong> Modulation<br />

des Membranpotentials und <strong>die</strong> Öffnung<br />

von Kalzium- und Kaliumkanälen<br />

zustande kommen.<br />

Die Beeinflussung der Zellfusion <strong>mit</strong> dem<br />

HIV-Hüllenprotein durch starke statische<br />

Magnetfelder (5 – 14 T), <strong>die</strong> als Gra<strong>die</strong>nt<br />

appliziert wurden (60 T/m) war Thema des<br />

Vortrags von M. Iwasaka, Tokio, Japan.<br />

Ergebnis der Exposition war eine Verringerung<br />

der Zell-HIV-Fusion.<br />

A. Höytö, Kuopio, Finnland, (ST-2) referierte<br />

über den Einfluss von unmodulierten<br />

und <strong>mit</strong> 217 Hz modulierten 872<br />

MHz-Feldern <strong>auf</strong> <strong>die</strong> Aktivität des Enzyms<br />

Ornithindekarboxylase (ODC). Die Gruppe<br />

fand meist geringe Effekte <strong>auf</strong> <strong>die</strong> Enzymaktivität,<br />

<strong>die</strong> erst bei SAR = 6 W/kg signifikant<br />

wurden (Experimente auch bei 1,5<br />

und 2,5 W/kg).<br />

Hervorstechendes Thema bei den ininvitvit- ro ro-Untersuchungen ro<br />

waren der Einfluss <strong>auf</strong><br />

<strong>die</strong> Expression von Stressproteinen durch<br />

hauptsächlich hochfrequente elektromagnetische<br />

Felder. Die dabei oft widersprüchlichen<br />

Ergebnisse zeigen einen erheblichen<br />

Forschungsbedarf, der möglichst koordiniert<br />

werden sollte, um – ohne <strong>die</strong> Freiheit<br />

der Forschung zu beschneiden – eine Antwort<br />

<strong>auf</strong> <strong>die</strong> Frage zu finden, ob und wie<br />

Stressproteine an einer möglichen Feldwirkung<br />

nahe bzw. unterhalb der Grenzwerte<br />

beteiligt sind.<br />

REFLEX-Symposium:<br />

Der Donnerstagnach<strong>mit</strong>tag der BEMS-<br />

Tagung war zeitgleich 2 Symposien gewidmet:<br />

Therapeutische Anwendungen<br />

elektromagnetischer Felder und den Ergebnissen<br />

des REFLEX-Projektes. Zu letzterem<br />

soll hier berichtet werden.<br />

F. Adlkofer, München, Deutschland, gab<br />

<strong>die</strong> Einführung (13-1). Das REFLEX-Projekt<br />

(Risk Evaluation of Potential Environmental<br />

Hazards From Low Energy Electromagnetic<br />

Field Exposure Using Sensitive<br />

in vitro Methods) wurde von der Europäischen<br />

Union ins Leben gerufen. Es befasst<br />

sich <strong>mit</strong> den Einflüssen nieder- und<br />

hochfrequenter elektromagnetischer Felder<br />

<strong>auf</strong> genetische Mutationen, Zellwachstum<br />

(Proliferation), programmierten Zelltod<br />

(Apoptose) sowie Gen- und Proteinexpression.<br />

Am Projekt sind 12 Forschungsinstitute<br />

aus 7 Staaten beteiligt; es läuft seit<br />

Februar 2000 und soll noch <strong>die</strong>ses Jahr<br />

beendet werden. Finanziert wird es über<br />

<strong>die</strong> EU-Kommission, <strong>die</strong> Schweiz, Finnland<br />

und <strong>die</strong> VERUM-Foundation.<br />

Die technische Seite beschrieb J. Schuderer,<br />

Zürich, Schweiz, (13-2). Expositionseinrichtungen<br />

für Nieder- (50 Hz) und<br />

Hochfrequenz (900 und 1800 MHz) wurden<br />

so entwickelt, dass sie hohen Qualitätsstandards<br />

entsprechen: geringe Temperaturschwankungen<br />

und Vibrationen,<br />

stabile und gleichmäßige Feldverteilung,<br />

Doppelblind-Protokoll. Letzteres wird<br />

insbesondere dadurch erreicht, dass <strong>die</strong><br />

Expositionseinrichtungen von Zürich aus<br />

„ferngesteuert“ werden, d.h. <strong>die</strong> Experimentatoren<br />

vor Ort wissen nicht, welche<br />

Expositionsbedingungen in ihrem momentanen<br />

Versuch vorliegen.<br />

H. Rüdiger, Wien, Österreich, (13-3)<br />

sprach über <strong>die</strong> Experimente seiner Arbeitsgruppe<br />

zu genotoxischen Effekten niederfrequenter<br />

EMF (ELF, 50 Hz) <strong>auf</strong> humane<br />

Zellen. Untersucht wurden Einzel- und<br />

Doppelstrangbrüche in der DNS (über den<br />

Comet Assay), Mikrokerne und chromosomale<br />

Aberrationen in verschiedenen Zelltypen.<br />

Einen Anstieg von DNS-Strangbrü-<br />

65<br />

NEWS l e t t e r 3 . 03 65


66 66<br />

66<br />

B B E E M M S S S 2 2 2 0 0 0 0 3<br />

3<br />

chen fanden sie zeitabhängig in humanen<br />

Fibroblasten, humanen Melanocyten und<br />

Granulosa-Zellen von Ratten, aber nicht in<br />

humanen Lymphozyten und Skelettmuskelzellen<br />

(1 – 24 Stunden Exposition <strong>mit</strong> 1<br />

mT [gültiger Grenzwert: 100 µT], 50 Hz-<br />

Feld zyklisch 5 min an und 10 min aus).<br />

Zudem konnte eine dosisabhängige Erhöhung<br />

der Strangbrüche gezeigt werden (ab<br />

35µT). Nach Ende der Exposition konnte<br />

<strong>die</strong> Reparatur <strong>die</strong>ser Strangbrüche innerhalb<br />

weniger Stunden beobachtet werden.<br />

Zudem wurde von einer signifikanten Erhöhung<br />

von Mikrokernen und chromosomalen<br />

Aberrationen in humanen Fibroblasten<br />

berichtet, aber kein Effekt <strong>auf</strong> den<br />

Schwesterchromatid-Austausch.<br />

Versuche <strong>mit</strong> UV-Licht und Hitze ergaben<br />

stets einen additiven Effekt, wenn<br />

zuvor ein 50 Hz-Magnetfeld appliziert<br />

wurde.<br />

Die Diskussion zu <strong>die</strong>sem Thema litt z.T.<br />

unter (sprachlichen) Verständnisproblemen,<br />

sodass eine Vielzahl der Fragen nicht<br />

beantwortet wurde. Dazu gehörten methodische<br />

Probleme der Durchführung der<br />

genetischen Tests und <strong>die</strong> Frage, ob <strong>die</strong><br />

signifikanten, aber doch relativ geringen<br />

Änderungen der DNS-Strangbrüche von<br />

wenigen Prozent nicht im normalen physiologischen<br />

Varianzbereich liegen.<br />

Für den nicht anwesenden R. Tauber,<br />

Berlin, Deutschland, (13-4) berichtete F.<br />

Adlkofer zu genotoxischen Effekten hochfrequenter<br />

Felder (1800 MHz) <strong>auf</strong> humane<br />

HL-60 Zellen. Im SAR-Bereich 0 – 3 W/kg<br />

wurden wie im Niederfrequenzbereich<br />

DNS-Strangbrüche und das Erscheinen von<br />

Mikrokernen untersucht. Bei unmodulierten<br />

Feldern und SAR-Werten von 1,3; 1,6<br />

und 2,0 W/kg (unterbrochene, zyklische<br />

Exposition: 5 min an, 10 min aus,<br />

insgesamt 24 h) fand <strong>die</strong> Arbeitsgruppe<br />

eine signifikante Erhöhung von DNS-<br />

Strangbrüchen und Mikrokernen; aber<br />

nicht bei SAR-Werten von 0,2; 1,0 und<br />

3,0 W/kg. Ähnliche Effekte gab es bei modulierten<br />

Feldern (217 Hz, GSM). Erwähnenswert<br />

scheint, dass der Effekt bei<br />

NEWS l e t t e r 3 . 03<br />

SAR=1,3 W/kg nach 72 h ähnlich stark<br />

ausgeprägt war wie der Effekt bei Positivkontrolle<br />

<strong>mit</strong> ionisierenden Gammastrahlen<br />

von 0,5 Gy (entspricht ca. 1/10 der<br />

tödlichen Dosis für Menschen!)<br />

Weitere Untersuchungen der Arbeitsgruppe<br />

zum Einfluss <strong>auf</strong> Zytotoxizität,<br />

Apoptose, Nekrose und Zellwachstum zeigten<br />

keinen Effekt der hochfrequenten Felder.<br />

Daraus stellte sich <strong>die</strong> Frage, was aus<br />

den gefunden genetischen Schädigungen<br />

wird, wenn anscheinend keine Folgeschäden<br />

entstehen. Werden sie über Reparaturmechanismen<br />

im Genom ausnahmslos<br />

repariert? Und wie können überhaupt elektromagnetische<br />

Felder <strong>mit</strong> so geringer Frequenz<br />

und Intensität Schäden am Genom<br />

verursachen (Primärmechanismus der Feldwirkung)?<br />

Diese Fragen gaben Anlass zu<br />

vielfältigen Diskussionen, blieben aber unbeantwortet.<br />

Zur Wirkung niederfrequenter Felder (50<br />

Hz) <strong>auf</strong> <strong>die</strong> Genexpression verschiedenartiger<br />

Zellen sprach F. Bersani, Bologna,<br />

Italien, (13-5). Er fasste dabei <strong>die</strong> Ergebnisse<br />

mehrerer Labors zusammen.<br />

Die Gruppe von A. Wobus, Gatersleben,<br />

Deutschland, beobachtete an embryonalen<br />

Stammzellen der Maus nur bei hohen Intensitäten<br />

(6 h Exposition bei 2,3 mT) eine<br />

Hoch-Regulation an einigen Genen, <strong>die</strong> bei<br />

der Krebsentstehung beteiligt sind; und das<br />

auch nur dann, wenn den Zellen ein Gen<br />

fehlt (p53), dem eine Schutzwirkung bei<br />

der Krebsentstehung nachgesagt wird.<br />

F. Clementi, Mailand, Italien, und Mitarbeiter<br />

konnten keinen Effekt der Magnetfelder<br />

(1 und 2 mT, 16 h und 48 h<br />

Exposition) <strong>auf</strong> <strong>die</strong> Expression von Acetylcholin-Rezeptoren<br />

nachweisen, <strong>die</strong> für<br />

<strong>die</strong> neuronale Signalweiterleitung wichtig<br />

sind.<br />

Bersani’s Gruppe untersuchte <strong>die</strong> Genregulation<br />

an einem Differenzierungsgen<br />

(GATA-4) in embryonalen Stammzellen für<br />

das Herzgewebe. Sie fanden eine verstärkte<br />

Expression <strong>die</strong>ses Gens bei 0,8 mT.<br />

Hochfrequente Felder (900 und 1800<br />

MHz) und Gen- sowie Proteinexpression<br />

behandelte D. Leszczynski, Helsinki, Finnland,<br />

(13-6). Die Ergebnisse seiner Arbeitsgruppe<br />

hatte er großenteils schon an anderer<br />

Stelle <strong>auf</strong> <strong>die</strong>ser Konferenz vorgestellt.<br />

Sie beinhalten eine z.T. entgegengesetzt<br />

verl<strong>auf</strong>ende Änderung der Genexpression<br />

in zwei humanen Endothel-Zelllinien,<br />

<strong>die</strong> sich nur in ihrem Wachstum unterscheiden.<br />

Die betroffenen Gene sind u.a.<br />

bei Krebsentwicklung, Zellwachstum und<br />

Apoptose beteiligt. In der schnell wachsenden<br />

Zelllinie wurde ferner eine Expressionszunahme<br />

in Genen beschrieben, <strong>die</strong><br />

an DNS-Reparaturprozessen beteiligt sind.<br />

Des weiteren wurden Erhöhungen der Expression<br />

und Phosphorylation des Stressproteins<br />

hsp27 gefunden.<br />

A.Wobus und Mitarbeiter fanden (wie<br />

bei 50 Hz) bei 1800 MHz eine geringe,<br />

aber signifikante Erhöhung der Expression<br />

von krebsrelevanten Genen; aber auch<br />

hier nur bei der Zelllinie, der das Gen p53<br />

fehlt. Bei Zellen <strong>mit</strong> <strong>die</strong>sem Gen wurden<br />

keine Mobilfunkfrequenz-induzierten Effekte<br />

nachgewiesen.<br />

H. Kolb, Hannover, Deutschland, (13-7)<br />

referierte <strong>die</strong> Ergebnisse zu Änderungen<br />

in Zellwachstum und Zelldifferenzierung<br />

durch nieder- und hochfrequente Felder.<br />

Zuerst wurden jedoch <strong>die</strong> genetischen Untersuchungen<br />

zu DNS-Strangbrüchen bei<br />

Niederfrequenzexposition (16 2/3 Hz – Frequenz,<br />

<strong>die</strong> <strong>die</strong> Deutsche Bahn benutzt, und<br />

50 Hz; Intensität: 1 mT) vorgestellt: Sie<br />

zeigten ähnliche Effekte, also einen Anstieg<br />

der Einzel- und Doppelstrangbrüche,<br />

wie von der Rüdiger-Gruppe beschrieben.<br />

Die Effekte traten nur bei unterbrochener<br />

(Feld 5 min an, 10 min aus) und nicht bei<br />

kontinuierlicher Exposition <strong>auf</strong>.<br />

Bei der Untersuchung von Signalwegen<br />

innerhalb von Zellen konnten keine Effekte<br />

von 50 Hz-Feldern <strong>auf</strong> das <strong>mit</strong>ochondriale<br />

Membranpotential und <strong>auf</strong> <strong>die</strong> intrazelluläre<br />

Kalziumkonzentration gefunden<br />

werden.<br />

Die Gruppe von M. Trillo, Madrid, Spanien<br />

beobachtete einen kurzfristigen Anstieg<br />

in der Zellzahl (neuronale Krebszell-


linie) nach 21 Stunden unterbrochener<br />

Exposition (Feld 3 h an, 3 h aus) von 50<br />

Hz, 100 µT nur in Zellen, <strong>die</strong> sich in der S-<br />

Phase befanden. Dieser Effekt war nach<br />

90 h nicht mehr sichtbar, ebenso nicht bei<br />

10 µT. Weitere Effekte <strong>auf</strong> Zellwachstum<br />

und -differenzierung, auch bei Hochfrequenzexposition,<br />

konnten nicht gefunden<br />

werden.<br />

Den letzten Vortrag hielt I. Lagroye,<br />

Pessac, Frankreich, (13-8) zu Fragen der<br />

Wirkung nieder- und hochfrequenter Felder<br />

<strong>auf</strong> <strong>die</strong> Apoptose. Der programmierte<br />

bzw. kontrollierte Zelltod ist eine Möglichkeit,<br />

den Zellen einschlagen, wenn sie<br />

z. B. genetisch vorgeschädigt wurden. Kurz<br />

zusammengefasst: In verschiedenen Labors<br />

und an verschiedenen Zellarten (Immun-,<br />

Endothel- und Nervenzellen) konnten weder<br />

Effekte von hoch- noch von niederfrequenten<br />

Feldern <strong>auf</strong> apoptotische Prozesse<br />

nachgewiesen werden. Nur <strong>die</strong> Gruppe<br />

von M. Trillo fand einige geringe Effekte<br />

bei 50 Hz, <strong>die</strong> sie aber selbst als nicht<br />

biologisch signifikant einschätzen.<br />

Da<strong>mit</strong> konnte auch <strong>die</strong> Hypothese von<br />

D. Leszczynski noch nicht bewiesen werden,<br />

<strong>die</strong> u.a. eine Ankurbelung des apoptotischen<br />

Signalweges vorsieht, wenn nach<br />

Feldexposition verstärkt Stressproteine erzeugt<br />

werden.<br />

Die Zusammenfassung des Koordinators<br />

des REFLEX-Projektes F. Adlkofer (conclusion)<br />

fokussierte <strong>auf</strong> <strong>die</strong> unerwartet gefunden<br />

Effekte insbesondere im genetischen<br />

Bereich, <strong>die</strong> durch weitere Forschung<br />

verifiziert werden müssen, nach seiner<br />

Meinung aber auch schon politisch <strong>die</strong><br />

verstärkte Anwendung des Vorsorgeprinzips<br />

(precautionary principle) verlangen.<br />

Für eine abschließende Beurteilung der<br />

Ergebnisse sollte erst das Ende des Projektes<br />

(geplant noch in <strong>die</strong>sem Jahr) abgewartet<br />

werden.<br />

Bislang ist festzustellen, dass <strong>die</strong> Ergebnisse<br />

des Verbundprojektes keine klare<br />

Aussage zu in vitro Effekten elektromagnetischer<br />

Felder erbringen, weder was <strong>die</strong><br />

untersuchten Signalwege, noch was einen<br />

eventuellen Mechanismus betrifft.<br />

Insbesondere <strong>die</strong> gefundenen genetischen<br />

Veränderungen in bestimmten Zelllinien<br />

im Nieder- aber auch im Hochfrequenzbereich<br />

reihen sich ein in <strong>die</strong> bisherigen, oft<br />

widersprüchlichen Veröffentlichungen zu<br />

<strong>die</strong>sem Thema (u. a. Lai und Singh, Malyapa,<br />

Vijayalaxmi, Tice). Da, abgesehen von<br />

den berichteten Änderungen in Gen- und<br />

Proteinexpression, keine Folgewirkungen<br />

(<strong>auf</strong> zelluläre Signalleitung, Zellwachstum,<br />

Zelldifferenzierung oder Apoptose) nachgewiesen<br />

werden konnten, ist es verständlich,<br />

dass selbst <strong>die</strong> genetischen Effekte<br />

weiterhin in Frage gestellt werden.<br />

Es bleibt dabei zu hoffen, dass der letztes<br />

Jahr <strong>auf</strong> einem FGF-Seminar ausgearbeitete<br />

und jetzt unter COST 281-Ägide<br />

l<strong>auf</strong>ende Vorschlag zu einem Metaprojekt<br />

zu genetischen Effekten hochfrequenter<br />

Felder zustande kommt und <strong>die</strong> anstehenden<br />

Fragen beantwortet. Ähnliches<br />

wünscht man sich für das Problem der<br />

Wirkung von EMF <strong>auf</strong> <strong>die</strong> Gen- und Proteinexpression.<br />

Sollten sich <strong>die</strong> hier vorgestellten<br />

in vitro Effekte bestätigen, muß<br />

für eine gesundheitliche Bewertung <strong>die</strong><br />

biologische Relevanz geprüft werden, d.h.<br />

<strong>die</strong> Übertragbarkeit in vitro -> in vivo.<br />

Bisher gibt es jedenfalls für <strong>die</strong> Beeinflussung<br />

des Krebswachstums in Tieren bzw.<br />

Menschen durch elektromagnetische Felder<br />

<strong>mit</strong> den hier angewandten Intensitäten<br />

und Frequenzen keine gesicherten Erkenntnisse,<br />

aber anscheinend einige Hinweise.<br />

So<strong>mit</strong> hat das REFLEX-Programm ein<br />

weiteres Steinchen im Puzzle der Suche<br />

nach biologischen Effekten elektromagnetischer<br />

Felder hinzugefügt, ein fertiges Bild<br />

ist noch lange nicht zu erkennen.<br />

In Vivo-Untersuchungen<br />

(Experimente an Tieren<br />

und Menschen)<br />

Die drei in vivo-Sessions fanden am Mittwoch<br />

und Donnerstag statt, zusätzlich lässt<br />

sich das NTP/NIEHS-Symposium am Freitag<br />

noch in <strong>die</strong>se Kategorie einordnen.<br />

B E M S 2 0 0 3<br />

67<br />

NEWS l e t t e r 3 . 03 67


68 68<br />

68<br />

B B E E M M S S S 2 2 2 0 0 0 0 3<br />

3<br />

Da zwei Sessions immer zeitgleich stattfanden,<br />

konnten nicht alle in vivo-Vorträge<br />

besucht werden, was insbesondere <strong>die</strong><br />

erste und Teile der zweiten in vivo-Session<br />

betrifft.<br />

I. Belyaev, Stockholm, Schweden, (7-6)<br />

und Mitarbeiter aus verschiedenen Institutionen<br />

untersuchten den Einfluss von 915<br />

MHz GSM-Feldern (SAR = 0,4 W/kg) <strong>auf</strong><br />

DNS-Brüche, Chromatin-Konformationsänderungen<br />

und Genexpression in Ratten.<br />

DNS-Strangbrüche und <strong>die</strong> Chromatinkonformation<br />

zeigten keine Unterschiede zu<br />

Kontrollversuchen. Die Genexpression<br />

wurde bei bis zu 8800 Genen untersucht,<br />

bei einigen von ihnen kam es zu signifikanten<br />

Änderungen um bis zu das Zweifache,<br />

allerdings <strong>mit</strong> großen <strong>Stand</strong>ardabweichungen.<br />

Niederfrequente Magnetfeld-Effekte (50<br />

und 60 Hz) <strong>auf</strong> <strong>die</strong> Sterberate von Hühnerembryos<br />

induziert durch UVC-Strahlung<br />

(254 nm, 0,4 mW/cm²) fanden M.<br />

Mattsson und Mitarbeiter, Örebro, Schweden,<br />

(9-3). Bei 60 Hz und 10 µT steigerte<br />

sich <strong>die</strong> Überlebensrate von ca. 10 % <strong>auf</strong><br />

50 %; bei 50 Hz und 10, 50 oder 100 µT<br />

um etwa 20 %. Allerdings traten <strong>die</strong> Effekte<br />

nur bei vertikaler Polarisation des<br />

Feldes <strong>auf</strong>. Die Autoren spekulieren über<br />

einen induzierten elektrischen Feldeffekt,<br />

der vielleicht eine verstärkte hsp70-Expression<br />

bewirkt.<br />

Waianapanapa State Park<br />

NEWS l e t t e r 3 . 03<br />

E. Petersen, Iowa City, USA, (9-4) berichtete<br />

von Effekten der Gleichstromstimulation<br />

(100 µA) <strong>auf</strong> Kaninchen. Verschiedene<br />

Gene, <strong>die</strong> für Rezeptoren ko<strong>die</strong>ren,<br />

<strong>die</strong> für das Knochenwachstum zuständig<br />

sind, wurden bei Stimulation verstärkt<br />

exprimiert, was <strong>auf</strong> eine Verbesserung der<br />

Knochenheilung hindeutet. Der Mechanismus<br />

der Einwirkung ist unklar.<br />

C. Sauter, Wien, Österreich, (P-106-A)<br />

sprach zu Einflüssen eines 1,97 GHz UMTS-<br />

Feldes (SAR 0,1 und 1 W/kg) <strong>auf</strong> <strong>die</strong><br />

menschliche visuelle Wahrnehmung. Bei<br />

verschiedenen Tests (u.a. Kontrasterkennung,<br />

Labyrinth und einem psychologischen<br />

Autoverkehrstest) konnte kein signifikanter<br />

Feldeffekt nachgewiesen werden.<br />

Den Einfluss von 2,45 GHz-Mikrowellen,<br />

Amplitudenmodulation <strong>mit</strong> 120 Hz <strong>auf</strong><br />

<strong>die</strong> Stressreaktion in Ratten (adrenokortikale<br />

Aktivierung) untersuchte S. Lu,<br />

Brooks, USA, (11-2). Die SAR-Werte reichten<br />

von 0,21 bis 12,6 W/kg (Leistungsdichte<br />

zwischen 1 und 60 mW/cm²). Effekte<br />

<strong>auf</strong> <strong>die</strong> Körperkerntemperatur (im<br />

Darm gemessen) und <strong>die</strong> Kortikosteronproduktion<br />

wurden ab 4-6 W/kg gemessen.<br />

Dies wird als ein reiner thermischer<br />

Effekt interpretiert.<br />

Änderungen der Augeneigenschaften bei<br />

Kaninchen (Lichtdurchlässigkeit der Linse,<br />

Entzündungsreaktionen) bei kurzzeiti-<br />

ger Exposition <strong>mit</strong> 2,45 GHz war das Thema<br />

des Vortrags von M. Kojima, Kanazawa,<br />

Japan, (11-3). Leistungsdichten der<br />

Mikrowellenstrahlung waren 100 mW/cm²<br />

(SAR = 36 W/kg) und 300 mW/cm² (SAR =<br />

108 W/kg). Die gefundenen Effekte (alle<br />

reversibel nach spätestens einer Woche)<br />

waren stärker bei den Tieren ausgeprägt,<br />

<strong>die</strong> bei einer Umgebungstemperatur von<br />

30 °C exponiert wurden, im Vergleich zu<br />

denen bei 20 °C.<br />

837 MHz TDMA- und CDMA-Felder, <strong>mit</strong><br />

denen <strong>die</strong> Köpfe von Ratten bestrahlt wurden,<br />

verursachten keine DNS-Schädigung<br />

in Hirnzellen (SAR 1, 5 und 10 W/kg). Dies<br />

war das Fazit des Vortrags von G. Hook,<br />

St. Louis, VSA, (11-4). Methodischerseits<br />

wurde berichtet, dass jene Tiere, <strong>die</strong> in <strong>die</strong><br />

engen Expositionskammern gesperrt wurden,<br />

ein geringeres Körpergewicht besaßen<br />

als <strong>die</strong> Kontrolltiere, <strong>die</strong> sich frei im<br />

Käfig bewegen konnten.<br />

Vegetative Körperreaktionen des Menschen<br />

<strong>auf</strong> 900 MHz und 1800 MHz GSM-<br />

Felder untersuchten H. Lindholm und Mitarbeiter,<br />

Turku, Finnland, (11-5). Bei SAR-<br />

Werten von 1,58 W/kg (900 MHz) und<br />

0,704 W/kg (1800 MHz) konnte kein signifikanter<br />

Einfluss <strong>auf</strong> Herzschlag und<br />

Blutdruck von 32 Freiwilligen nachgewiesen<br />

werden.<br />

Ähnlichen Fragestellungen gingen J.<br />

Kantz und Mitarbeiter, Stuttgart, Deutsch-


land, (11-6) nach. Sie untersuchten den<br />

Einfluss eines periodischen Breitbandfeldes<br />

(5,8 bis 110 GHz), wie es ähnlich in<br />

Autoabstandssystemen eingesetzt wird/<br />

werden soll, <strong>auf</strong> Herzschlag, Blutdruck,<br />

Hautleitfähigkeit und -temperatur von 50<br />

Probanden. Die Feldstärke wurde <strong>mit</strong> 15<br />

V/m angegeben, was 25 % des gültigen<br />

Grenzwertes entspricht. Auch hier konnten<br />

keine signifikanten Feldeffekte nachgewiesen<br />

werden.<br />

Einen eher unüblichen Ansatz zur Behandlung<br />

von Hauttumoren stellte A. Radzievsky,<br />

Philadelphia, USA, (11-7) vor. In<br />

<strong>die</strong> Hinterbeine von Mäusen induzierte<br />

Tumore wurden dadurch reduziert, indem<br />

ihr Kopf <strong>mit</strong> Millimeterwellen von 61,22<br />

GHz (Leistungsdichte 13,3 mW/cm²) bestrahlt<br />

wurde. Als Mechanismus wird eine<br />

Stimulation der Immunabwehr angenommen,<br />

<strong>die</strong> über endogene Opioide moduliert<br />

wird. Bei Injektion eines Rezeptorhemmstoffes<br />

für Opioide gab es jedenfalls<br />

keinen Millimeterwelleneffekt.<br />

Chronische Feldeffekte (900 MHz und<br />

1800 MHz GSM) <strong>auf</strong> <strong>die</strong> Haut von haarlosen<br />

Ratten prüften B. Billaudel und Mitarbeiter,<br />

Pessac, Frankreich, (P-17-B). Nach<br />

12 Wochen unterbrochener Exposition<br />

wurden keine signifikanten Effekte <strong>auf</strong> <strong>die</strong><br />

Dicke der Epidermis und <strong>die</strong> zelluläre Proliferation<br />

gefunden. Eine längerdauernde<br />

Stu<strong>die</strong> ist in Planung.<br />

Eine verringerte Schmerzempfindlichkeit<br />

von Mäusen <strong>auf</strong> einen Temperaturreiz fanden<br />

D. Desjardins und Mitarbeiter, London,<br />

Kanada, (ST-1), wenn sie <strong>die</strong> Tiere vor<br />

statischen und niederfrequenten (bis 100<br />

Hz) Magnetfeldern weitgehend (um den<br />

Faktor 125) abschirmten. Der Effekt soll über<br />

endogene Opioide ausgelöst werden, der<br />

Primärmechanismus ist noch unbekannt.<br />

A. Straume und Mitarbeiter, Trondheim,<br />

Norwegen, (ST-6) maßen <strong>die</strong> Temperatur<br />

am Ohr bei Handybenutzung <strong>mit</strong> einer Infrarotkamera.<br />

Sie kommen zu dem Schluss,<br />

dass der größte Anteil der Hauttemperaturerhöhung<br />

am Ohr durch <strong>die</strong> Aufwärmung<br />

des Handys über den Akku-Betrieb und<br />

durch <strong>die</strong> fehlende Wärmeableitung <strong>auf</strong>grund<br />

der Nähe des Gerätes zum Ohr zustande<br />

kommt. Die Hochfrequenzstrahlung<br />

habe einen eher vernachlässigbaren Einfluss.<br />

Dies gilt <strong>auf</strong>grund der Meßssmethode<br />

natürlich nur für <strong>die</strong> Hautoberfläche.<br />

Keine Änderungen im Serum-Melatoninspiegel<br />

in Ratten nach Kurzzeitexposition<br />

<strong>mit</strong> 1439 MHz TDMA-Feldern (SAR = 7,5<br />

W/kg im Kopf und SAR = 1,7 W/kg im<br />

gesamten Körper) fanden K. Hata und Mitarbeiter,<br />

Tokio, Japan, (ST-7).<br />

NTP/NIEHS-Symposium<br />

(National Toxicology Program<br />

des US-amerikanischen<br />

National Institute of Environmental<br />

Health Sciences)<br />

Dieses Symposium bezog sich <strong>auf</strong> Tierstu<strong>die</strong>n,<br />

<strong>die</strong> den Einfluss hochfrequenter<br />

Felder <strong>auf</strong> <strong>die</strong> Krebsbildung beschreiben.<br />

Die ersten beiden Vorträge (15-1 und 15-<br />

2) befassten sich <strong>mit</strong> der weithin bekannten<br />

„Repacholi-Stu<strong>die</strong>“ von 1997, <strong>die</strong> eine erhöhte<br />

Rate von Lymphkrebs in genetisch<br />

veränderten Mäusen beschrieb und einer im<br />

letzten Jahr veröffentlichten Replikationsstu<strong>die</strong><br />

(Utteridge et. al), <strong>die</strong> keine Feldeffekte<br />

finden konnte. Die auch methodischen<br />

Unterschiede (z. B.: freil<strong>auf</strong>ende zu fixierten<br />

Tieren, zweimal täglich Exposition zu<br />

einmal täglich) in beiden Stu<strong>die</strong>n wurden<br />

relativ ausführlich diskutiert. Einige Unklarheiten<br />

konnten beseitigt werden, wie <strong>die</strong><br />

falsche Zeitskala in der 2. Veröffentlichung,<br />

<strong>die</strong> Wochenenden und Feiertage nicht berücksichtigte.<br />

Nach Berichtigung stimmen<br />

der prozentualer Anteil von spontanen Lymphoma<br />

in genetisch veränderten Mäusen in<br />

beiden Stu<strong>die</strong>n etwa überein. Jedoch hat sich<br />

der Anteil der spontanen Lymphoma in den<br />

Wildtypmäusen in der Replikationsstu<strong>die</strong> zu<br />

einer Vorgängerstu<strong>die</strong> (Harris, 1998) von 2<br />

% <strong>auf</strong> 25 % erhöht. Zudem wurde <strong>die</strong> Frage<br />

nicht beantwortet, ob in der Replikationsstu<strong>die</strong><br />

das Wachstum der Mäuse innerhalb<br />

der zwei Jahre Exposition berücksichtigt<br />

wurde, das bei konstanter Leistungsdichte<br />

eine Verringerung des SAR-Wertes zur<br />

Folge hätte. Zur Klärung <strong>die</strong>ser Probleme<br />

hofft man <strong>auf</strong> <strong>die</strong> 2. Replikationsstu<strong>die</strong>,<br />

<strong>die</strong> voraussichtlich nächstes Jahr fertiggestellt<br />

wird.<br />

Die restlichen Vorträge <strong>die</strong>ses Symposiums<br />

drehten sich um geplante oder schon<br />

l<strong>auf</strong>ende Großstu<strong>die</strong>n zu möglichen krebserzeugenden<br />

Effekten hochfrequenter Felder.<br />

2006 sollen <strong>die</strong> Ergebnisse der europäischen<br />

PERFORM-A-Stu<strong>die</strong> vorliegen<br />

(15-4). 2 Jahre lang werden Mäuse und<br />

Ratten <strong>mit</strong> 902 MHz und 1747 MHz-Feldern<br />

bestrahlt, dabei gehören den einzelnen<br />

Expositionsgruppen 65 männliche und<br />

65 weibliche Tiere an.<br />

Die Europäische Ramazzini Foundation<br />

vertritt zwei weitere Stu<strong>die</strong>n, in der ersten<br />

werden seit einem Jahr 5000 Tiere niederfrequenten<br />

(ELF-) Feldern ausgesetzt und<br />

ab 2004 ist <strong>die</strong> Exposition von 3000 Ratten<br />

<strong>vom</strong> Embryonalstadium bis zum Tod<br />

<strong>mit</strong> 1805 MHz GSM-Feldern geplant (15-<br />

5). Dabei werden Nah- und Fernfeldbedingungen<br />

erzeugt, um <strong>die</strong> Exposition <strong>mit</strong><br />

Handys und Basisstationen zu simulieren.<br />

Die Tiere können sich in ihren Käfigen<br />

dabei frei bewegen.<br />

Das ebenfalls geplante NIEHS-Projekt<br />

(15-6 und 15-7) soll für <strong>die</strong> Exposition <strong>die</strong><br />

USA-typischen Mobilfunkmodulationen bei<br />

900 MHz und 1900 MHz verwenden. Die<br />

Einzelheiten werden gegenwärtig diskutiert.<br />

Die meisten der in vivo-Hochfrequenz-<br />

Untersuchungen bezogen sich <strong>auf</strong> GSM-<br />

Signale bzw. <strong>die</strong> in anderen Ländern vergleichbare<br />

Technologie, nur eine Arbeit<br />

behandelte <strong>die</strong> neue UMTS-Technologie (P-<br />

106-A), im übrigen von der FGF gefördert.<br />

Da <strong>die</strong>se Technologie gerade beginnt Einzug<br />

zu halten, besteht hier vermehrt Forschungsbedarf.<br />

Die großen Stu<strong>die</strong>n zur möglicherweise<br />

kanzerogenen Wirkung hochfrequenter Felder<br />

werden erst in einigen Jahren fertig sein,<br />

sodass gesicherte Erkenntnisse in <strong>die</strong>sem<br />

Gebiet zeitigstens 2006 vorliegen werden.<br />

Lutz Haberland, Diplom-Biophysiker<br />

Universität Rostock,<br />

Lehrstuhl für Biophysik<br />

69<br />

NEWS l e t t e r 3 . 03 69


Frank Gollnick<br />

fasst <strong>die</strong> wissenschaftlichen<br />

Kommentare von<br />

Lutz Haberland, Sheila<br />

Johnston, Jörg Reißenweber<br />

und Vijayalaxmi zu der<br />

Veranstaltung zusammen.<br />

70 70<br />

70<br />

NEWS l e t t e r 3 . 03<br />

22.- 27. Juni 2003, Maui, Hawaii<br />

25. Jahrestagung der<br />

Bioelectromagn<br />

Präsentation der REFLEX-Stu<strong>die</strong><br />

Morgenstimmung im Haleakala-Krater<br />

Finanzierung des REFLEX-Projekts<br />

Hauptsächlich gefördert aus Mitteln der Europäischen Union unter dem<br />

5. Rahmenprogramm „Lebensqualität und Management lebender Ressourcen,<br />

Leitaktion 4: Umwelt und Gesundheit“ der Europäischen Kommission.<br />

Anteile der Förderung von Feb. 2000 bis Aug. 2003 (in Euro):<br />

Europäische Kommission 2.059.450<br />

VERUM Stiftung 522.629<br />

Schweizer Regierung 506.774<br />

Finnische Regierung 191.265<br />

Gesamtfördersumme 3.280.118


etics Society (BEMS)<br />

Keine andere Vortragsveranstaltung<br />

erweckte bei der <strong>die</strong>sjährigen Jahrestagung<br />

der Bioelectromagnetics<br />

Society (BEMS) beim anwesenden<br />

Fachpublikum so viel kontroverse<br />

Diskussion bereits während der<br />

Sitzung als auch danach. Dies lag<br />

zum einen sicher an der zum Teil<br />

etwas eigenwilligen Präsentation<br />

<strong>mit</strong> enormer Überziehungszeit, zum<br />

anderen aber mehr noch an den<br />

präsentierten wissenschaftlichen<br />

Inhalten und ernsten Verständnisbzw.<br />

Verständigungsproblemen<br />

zwischen einigen Rednern und dem<br />

diskussionsfreudigen Publikum. Rein<br />

sachlich-wissenschaftliche Stellungnahmen<br />

zu der Vortragsrunde erhielt<br />

<strong>die</strong> FGF von den vorn genannten<br />

Teilnehmern, <strong>die</strong> aus dem Kreis der<br />

Experten stammen.<br />

Das sogenannte REFLEX-Projekt (Risk<br />

Evaluation of Potential Environmental<br />

Hazards From Low-Energy Electromagnetic<br />

Field Exposure Using Sensitive in vitro<br />

Methods; zu deutsch: Risikobeurteilung<br />

potenzieller Umweltgefahren durch <strong>die</strong> Einwirkung<br />

elektromagnetischer Felder niedriger<br />

Energie unter Einsatz empfindlicher<br />

in vitro-Methoden) lief im Zeitraum Februar<br />

2000 bis August 2003 und wurde <strong>mit</strong><br />

knapp 3,3 Mio. Euro unabhängig von Industrie<strong>mit</strong>teln<br />

finanziert (siehe Box „Fi-<br />

B B E E M M S S 2 2 0 0 0 0 0 3<br />

3<br />

sorgte für reichlich Diskussion<br />

Teilnehmende Institutionen und<br />

Forschungsschwerpunkte beim REFLEX-Projekt<br />

REFLEX ist eine Kooperation von 73 Forschern in 12 Forschungseinrichtungen:<br />

Koordination:<br />

VERUM Stiftung für Verhalten und Umwelt,<br />

München (Deutschland)<br />

Forschungseinrichtungen:<br />

• Klinische Chemie und Pathobiochemie, Universitätsklinikum<br />

Benjamin Franklin (UKBF),<br />

Freie Universität Berlin (Deutschland)<br />

• Institut für Pflanzengenetik und Kulturpflanzenforschung<br />

(IPK), Gatersleben (Deutschland)<br />

• Institut für Biophysik (IFBH), Universität<br />

Hannover (Deutschland)<br />

• Deutsches Ressourcenzentrum für Genomforschung<br />

GmbH (RZPD), Heidelberg (Deutschland)<br />

• Klinische Abteilung Arbeitsmedizin, Universitätsklinik<br />

für Innere Medizin IV (AMUW),<br />

Universität Wien (Österreich)<br />

• Foundation for Research on Information<br />

Technologies in Society (IT’IS) & Eidgenössische<br />

Technische Hochschule Zürich (ETHZ),<br />

Zürich (Schweiz)<br />

• Laboratory of Radiobiology, Radiation and<br />

Nuclear Safety Authority (STUK), Helsinki<br />

(Finnland)<br />

• Ecole Nationale Supérieure de Chimie et de<br />

Physique de Bordeaux (ENSCPB) & Laboratoire<br />

de Physique des Interactions Ondes Matières<br />

(PIOM), Universität Bordeaux (Frankreich)<br />

• Investigacion Bioelectromagnetismo, Hospital<br />

Ramon y Cajal (VERYC), Instituto National<br />

de la Salud (INSALUD), Madrid (Spanien)<br />

• Department of Physics, University of Bologna<br />

(UNIBO), Bologna (Italien)<br />

• Department of Pharmacology, University of<br />

Milan, Mailand (Italien)<br />

• Department of Biochemistry, University of<br />

Sassari, Sassari (Italien)<br />

Forschungsschwerpunkte<br />

(“work packages” = WP) <strong>mit</strong> Zuständigkeiten:<br />

• WP 1:<br />

Genotoxische Effekte:<br />

Prof. H.W. Rüdiger, Universität Wien; Prof. R.<br />

Tauber, Freie Universität Berlin<br />

• WP 2:<br />

Einflüsse <strong>auf</strong> Differenzierung und Funktion<br />

embryonischer Stammzellen und Tumorzellen:<br />

Dr. A.M. Wobus, IPK Gatersleben; Dr. M.A.<br />

Trillo, INSALUD Madrid; Prof. F. Bersani,<br />

Universität Bologna, Prof. F. Clementi, Universität<br />

Mailand; Prof. C. Ventura, Universität<br />

Sassari<br />

• WP 3:<br />

Einflüsse <strong>auf</strong> Genexpression und Protein-Zielsteuerung<br />

(„protein targeting“):<br />

Prof. H.A. Kolb, Universität Hannover; Dr.<br />

M.A. Trillo, INSALUD Madrid; Prof. D. Leszczynski,<br />

STUK Helsinki; Prof. F. Bersani,<br />

Universität Bologna, Prof. F. Clementi, Universität<br />

Mailand; Prof. C. Ventura, Universität<br />

Sassari; Dr. I. Lagroye, Universität Bordeaux<br />

• WP 4:<br />

Einflüsse <strong>auf</strong> das Immunsystem:<br />

Prof. F. Bersani, Universität Bologna<br />

• WP 5:<br />

Einflüsse <strong>auf</strong> Apoptose (“programmierter Zelltod”)<br />

und Zelltransformation:<br />

Dr. I. Lagroye, Universität Bordeaux; Dr. A.M.<br />

Wobus, IPK Gatersleben; Prof. D. Leszczynski,<br />

STUK Helsinki; Prof. F. Bersani, Universität<br />

Bologna<br />

• WP 6:<br />

Qualitätskontrolle der Exposition, Rückverfolgbarkeit,<br />

Expositionseinrichtungen, Dosimetrie:<br />

Prof. N. Kuster, Technische Hochschule Zürich<br />

71<br />

NEWS l e t t e r 3 . 03 71


Vulkankegel im Haleakala Nationalpark<br />

72 72<br />

72<br />

NEWS l e t t e r 3 . 03<br />

nanzierung ...“). Der Koordinator Franz<br />

Adlkofer von der deutschen VERUM Stiftung<br />

kooperierte dabei <strong>mit</strong> 12 Forschungsinstituten<br />

in sieben europäischen Ländern<br />

(siehe Box „Teilnehmende Institutionen<br />

und Forschungsschwerpunkte ...“). Die<br />

VERUM Stiftung wurde 1992 <strong>vom</strong> Verband<br />

der Zigarettenindustrie errichtet.<br />

Nach mehreren Präsentationen von Zwischenergebnissen<br />

(überwiegend im Bereich<br />

niederfrequenter Felder) im letzten Jahr<br />

(siehe z.B. FGF Newsletter 2/3 02) und nach<br />

der <strong>die</strong>sjährigen Gesamtpräsentation ist <strong>mit</strong><br />

wissenschaftlich publizierten Ergebnissen<br />

aus dem Projekt in Fachzeitschriften erst<br />

gegen Ende <strong>die</strong>ses Jahres zu rechnen. Zwei<br />

Teilergebnisse wurden allerdings bereits<br />

veröffentlicht (Leszczynski et al., 2002;<br />

Ivancsits et al., 2002 & 2003). Franz Adlkofer<br />

(Stiftung VERUM) zog als Leiter des<br />

Gesamtprojekts in seiner Zusammenfassung<br />

der Beiträge jedoch schon jetzt ein Fazit:<br />

„(1) In bestimmten, aber nicht in allen<br />

lebenden Zellen sind nieder- und hochfrequente<br />

elektromagnetische Felder auch<br />

unterhalb der heute gültigen Sicherheitsgrenzwerte<br />

in der Lage, Einzel- und Doppelstränge<br />

der DNA zu brechen, <strong>die</strong> Anzahl<br />

an Mikrokernen zu erhöhen und Chromosomen-Abberationen<br />

zu verursachen.<br />

Auf Grundlage <strong>die</strong>ser Daten muss es als<br />

erwiesen gelten, dass nieder- und hochfrequente<br />

elektromagnetische Felder genotoxische<br />

Effekte in verschiedenen Zellsystemen<br />

hervorrufen.<br />

(2) Es erscheint ebenso bewiesen, dass<br />

nieder- und hochfrequente elektromagnetische<br />

Felder <strong>die</strong> Expression von Genen und<br />

Proteinen in einer Reihe von Zellen verändern<br />

können – besonders, wenn man dabei<br />

alle verfügbare wissenschaftliche Literatur<br />

ebenfalls in Betracht zieht.<br />

(3) Einige der erzielten Daten deuten dar<strong>auf</strong><br />

hin, dass elektromagnetische Felder<br />

<strong>die</strong> Zellproliferation erhöhen und <strong>die</strong> Apoptose<br />

hemmen könnten, jedoch sprechen<br />

<strong>die</strong> Daten überwiegend gegen eine solche<br />

Annahme. Im Moment ist ein eindeutiger<br />

Schluss hierzu nicht möglich.“<br />

Hans-Albert Kolb von der Universität<br />

Hannover fasste <strong>die</strong> Resultate des REFLEX-<br />

Programms nach seinem Vortrag in anderen<br />

Worten zusammen: „Auf der Ebene<br />

der Gene haben wir (eindeutige) Resultate,<br />

<strong>auf</strong> der Ebene der Zellen jedoch nicht.“<br />

Hierzu bemerkt Sheila Johnston in ihrer<br />

Stellungnahme, dass <strong>die</strong> Resultate aus dem<br />

REFLEX-Verbund vorläufig sind und<br />

größtenteils noch nicht in gegengeprüften<br />

(„peer-reviewed“) Fachzeitschriften veröffentlicht<br />

wurden. Falls andere Forschergruppen<br />

<strong>die</strong> Ergebnisse in Zukunft unabhängig<br />

bestätigen könnten, würde <strong>die</strong>s aber<br />

auch dann nur bedeuten, dass <strong>die</strong> positiven<br />

Befunde der REFLEX-Forschung für<br />

ganz bestimmte Zelltypen, Zellsta<strong>die</strong>n, Signaltypen<br />

und –frequenzen, Feldintensitäten<br />

und Versuchsprotokolle gelten. Aus<br />

<strong>die</strong>sen Gründen hält Johnston es für nicht<br />

gerechtfertigt, schon zum jetzigen Zeitpunkt<br />

aus den vorläufigen Daten so weitgehende<br />

Schlüsse zu ziehen wie Adlkofer,<br />

weder in Bezug <strong>auf</strong> mögliche Wirkungsmechanismen<br />

noch <strong>auf</strong> irgendwelche gesundheitlichen<br />

Einflüsse. Vielmehr blieb<br />

das Hauptziel im REFLEX-in vitro-Projekt<br />

bislang unerreicht, nämlich Nachweise für<br />

Mechanismen zu finden, nach denen elektromagnetische<br />

Felder zur Entwicklung<br />

chronischer Krankheiten, wie Krebs oder<br />

neurodegenerative Erkrankungen, beitragen<br />

könnten. Insofern hält Sheila Johnston<br />

Franz Adlkofers Fazit für erheblich zu<br />

weit gegriffen. Es zeigte sich jetzt, dass<br />

<strong>die</strong> untersuchten Skelettmuskelzellen und<br />

<strong>die</strong> stimulierten Lymphocyten (weiße Blutkörperchen)<br />

überhaupt nicht <strong>auf</strong> <strong>die</strong> Exposition<br />

im elektromagnetischen Feld reagierten.<br />

Außerdem wurde klar, dass alle<br />

vorläufig nachgewiesenen Feldeffekte an<br />

„abnormalen“ Zellen, so genannten „Zelllinien“<br />

gefunden wurden („abnormal“ im<br />

Gegensatz zu frisch aus dem Körpergewebe<br />

isolierten, „normalen“ Zellen). Beispiele<br />

hierfür sind: eine p53-Defektmutante<br />

embryonaler Stammzellen, eine „immortalisierte“<br />

(d.h. durch Fusion <strong>mit</strong> Krebszellen<br />

unsterblich gemachte) Endothel-Zell-


linie sowie <strong>die</strong> menschliche Leukämie-<br />

(Krebs-)Zelllinie HL-60. So<strong>mit</strong> erscheint es<br />

für Sheila Johnston unzulässig, eine direkte<br />

Fortschreibung („Extrapolation“) der<br />

an solchem Zellmaterial gewonnenen Erkenntnisse<br />

bis hin zu allgemeinen Aussagen<br />

über <strong>die</strong> menschliche Gesundheit vorzunehmen.<br />

Genau <strong>die</strong>s aber tat Franz Adlkofer<br />

in seinem Vortrag, und so wundert<br />

es nicht, dass sich im anwesenden Fachpublikum<br />

zum Teil heftiger Widerstand<br />

gegen seine Thesen regte.<br />

Auch jeweils nach den sieben Einzelvorträgen<br />

im Vorfeld von Adlkofers Zusammenfassung<br />

blieben viele Fragen offen.<br />

Doch beginnen wir <strong>mit</strong> der Beschreibung<br />

einiger Detailaspekte <strong>vom</strong> tatsächlichen<br />

Beginn der Präsentation:<br />

Offene Fragen trotz solider<br />

Feldexposition aus einer Hand<br />

Auf den ersten Blick präsentierte sich<br />

<strong>die</strong> renommierte, für <strong>die</strong> Expositionstechnik<br />

verantwortliche Abteilung aus dem<br />

REFLEX-Verbund wie gewohnt routiniert<br />

im Vortrag und <strong>mit</strong> einem soliden, hohen<br />

<strong>Stand</strong>ard in der technischen Ausführung.<br />

Die IT’IS Stiftung (“Foundation for Research<br />

on Information Technologies in Society”)<br />

an der ETH Zürich unter der Leitung<br />

von Niels Kuster zeichnete verantwortlich<br />

für sämtliche Expositionseinrichtungen,<br />

<strong>die</strong> in dem Forschungsverbund<br />

verwendet wurden. Außerdem wurden von<br />

der Gruppe um Kuster <strong>die</strong> dosimetrischen<br />

(SAR-) Berechnungen, <strong>die</strong> technische Unterstützung<br />

während der Untersuchungen<br />

und <strong>die</strong> interne Qualitätskontrolle geleistet.<br />

Neben Verbesserungen und Modifikationen<br />

an bereits vorhandenen Expositionsanlagen<br />

wurden auch Neukonstruktionen<br />

zur Verfügung gestellt.<br />

Trotz der professionellen Präsentation<br />

konnten nicht alle Fragen restlos geklärt<br />

werden, hauptsächlich solche, <strong>die</strong> sich <strong>mit</strong><br />

der ungewollten (aber unvermeidlichen)<br />

Wärmeentwicklung in den geschlossenen<br />

Expositionskammern auseinander setzten.<br />

In einen Teil der Kammern mussten, zum<br />

Teil nachträglich, Luftkühlungen eingebaut<br />

werden, da<strong>mit</strong> <strong>die</strong> bei der Feldexposition<br />

zusätzlich eingespeiste Energie nicht zu<br />

einer unbeabsichtigten (Mikro-)Erwärmung<br />

in den Gefäßen führte, in denen <strong>die</strong> Zellen<br />

während der Messungen schwammen.<br />

Der Wärmeeintrag durch <strong>die</strong> angewendete<br />

Mikrowellenbefeldung stellt bei den<br />

meist geschlossen arbeitenden in vitro-Untersuchungskammern<br />

in aller Regel ein<br />

kritisches Problem dar, und so machten<br />

<strong>die</strong> von Kuster ergriffenen Kühlmaßnahmen<br />

einerseits misstrauisch, andererseits<br />

war man froh, dass das Problem überhaupt<br />

so deutlich adressiert wurde (im Gegensatz<br />

zu vielen früheren in vitro-Untersuchungen).<br />

Da <strong>die</strong> meiste Wärme bei einer<br />

Exposition in einem Mikrowellenfeld<br />

immer dort entsteht, wo der Wassergehalt<br />

am größten ist, ist <strong>die</strong>s bei der Untersuchung<br />

von Zellen immer genau in dem<br />

Gefäß, wo <strong>die</strong> Zellen in einer wässrigen<br />

Salzlösung schwimmen. So<strong>mit</strong> bleibt <strong>die</strong><br />

Wärmeabfuhr durch eine Kühlung von<br />

außen zwangsläufig immer unperfekt und<br />

ist eine Frage von Wegstrecken, Wärmebrücken,<br />

-sperren und -gra<strong>die</strong>nten. Im<br />

besten Fall wird <strong>die</strong> Salzlösung, in der <strong>die</strong><br />

Zellen (fest anhaftend) liegen, ständig ausgewechselt,<br />

relativ schnell „perfun<strong>die</strong>rt“,<br />

wie man sagt, und dadurch stets <strong>auf</strong> exakt<br />

gleichem Temperaturniveau gehalten.<br />

Da das Perfun<strong>die</strong>ren nicht immer möglich<br />

ist, und im vorliegenden Fall auch<br />

nicht war, blieben Zweifel an einer tatsächlich<br />

ausreichenden Effektivität der<br />

eingesetzten Kühlmaßnahmen. Messen<br />

lässt sich <strong>die</strong> Temperatur auch <strong>mit</strong> kleinsten<br />

Sonden leider immer nur in einer gewissen<br />

Nähe der untersuchten Zellen, aber<br />

nie direkt an ihren äußeren Hüllen, den<br />

Zellmembranen, oder gar in ihrem Inneren.<br />

So bleibt auch bei sorgfältigster Berechnung<br />

immer ein gewisser Unsicherheitsfaktor<br />

bezüglich der Wärme als auslösender<br />

oder störender Faktor - bei praktisch<br />

allen Untersuchungen im Reagenzglas<br />

(bzw. im entsprechenden Kulturgefäß),<br />

und so auch hier.<br />

Offene<br />

Fragen<br />

B B E E M M S S 2 2 0 0 0 0 0 3<br />

3<br />

Fragen von Sheila Johnston und Vijayalaxmi,<br />

<strong>die</strong> in der Diskussion letztendlich<br />

offen blieben:<br />

• Wie groß war der tatsächliche Wärmeeintrag<br />

durch <strong>die</strong> eingestrahlten Hochfrequenzfelder<br />

im REFLEX-Projekt bei den<br />

einzelnen in vitro-Messeinrichtungen?<br />

• Wurde <strong>die</strong> Luftkühlung bei den verwendeten<br />

Hohlleitungs-Messzellen eingesetzt,<br />

um einen verminderten Temperatureintrag<br />

von (akzeptablen) 0,045 °C/W/kg<br />

zu erreichen, oder wurde der Temperatureintrag<br />

gar nicht bestimmt, und war er<br />

möglicherweise größer als 0,1 °C/W/kg (was<br />

nicht akzeptabel wäre)?<br />

• Hätte man verschiedene Temperaturerhöhungen<br />

durch HF-Feldexposition in<br />

den verwendeten nicht luftgekühlten Expositionseinrichtungen,<br />

sollten dann nicht<br />

auch thermische Mechanismen, wie Thermoregulation,<br />

Denaturierung von Eiweißen,<br />

hyperthermischer Zelltod in der S-<br />

Phase oder Fehlreparaturen von DNA-<br />

Schäden als mögliche Erklärungen für <strong>die</strong><br />

positiven Befunde im REFLEX-Projekt<br />

wenigstens in Betracht gezogen werden?<br />

Grundlagen, um solche Fragen in dem<br />

hier <strong>auf</strong>gezeigten Zusammenhang zu stellen,<br />

gibt es nach Aussage von Johnston in<br />

der anerkannten Literatur genug (z.B. Lepock,<br />

2003; Sharma & Hoopes, 2003).<br />

Mit Blick <strong>auf</strong> <strong>die</strong> Qualitätskontrolle blieb<br />

laut Vijayalaxmi außerdem letztlich unklar,<br />

wer für <strong>die</strong> Co<strong>die</strong>rung der gewaltigen<br />

Menge an experimentellen Proben verantwortlich<br />

war und wer <strong>die</strong> Deco<strong>die</strong>rung <strong>die</strong>ser<br />

Proben nach den erfolgten Messungen<br />

überwachte.<br />

Zweifel an den festgestellten<br />

Erbsubstanzschäden<br />

Die Vorträge zu „genotoxischen Effekten“<br />

(Strangbrüche an der Erbsubstanz DNA<br />

und Auffälligkeiten in den Zellkernen in<br />

Form von „Mikrokernen“) riefen größere<br />

und im Verl<strong>auf</strong> sogar heftig werdende Diskussionen<br />

im Fachpublikum hervor.<br />

Professor H.W. Rüdiger von der Universitätsklinik<br />

Wien berichtete von Experi-<br />

73<br />

NEWS l e t t e r 3 . 03 73


menten an verschiedenen Zelltypen, in<br />

denen nach Einzel- und Doppelstrangbrüchen<br />

in der DNA <strong>mit</strong> Hilfe der Methoden<br />

des „alkalischen und des neutralen Comet<br />

Assays“ gesucht wurde – verbreitet übliche,<br />

aber methodisch nicht einfache und<br />

nicht unumstrittene Nachweisverfahren.<br />

Ferner wurde unter dem Einfluss von nieder-<br />

und hochfrequenten Feldern nach<br />

abnormalen „Schwesterchromatid-Austauschen“<br />

(engl. „sister chromatid exchange“<br />

- SCE) und nach der Ausbildung von „Mikrokernen“<br />

in den Zellkernen geforscht.<br />

Dabei wurden <strong>die</strong> Zellen einem sinusförmigen<br />

50 Hz Magnetfeld <strong>mit</strong> verschiedenen<br />

Stärken und Ein-Aus-Schaltzyklen über 15<br />

Stunden ausgesetzt und in anderen Versuchen<br />

im hochfrequenten Bereich <strong>mit</strong> einem<br />

1950 MHz GSM-Signal <strong>mit</strong> einem geschätzten<br />

<strong>mit</strong>tleren SAR-Wert von 1 W/kg (zyklisch<br />

5 Min. an, 10 Min. aus) über 24<br />

Stunden behandelt. Rüdiger und Kollegen<br />

sahen keinen Effekt der Feldexposition <strong>auf</strong><br />

den SCE, berichteten aber über dosisabhängige<br />

Erhöhungen bei der Fragmentierung<br />

der Chromosomen (Strangbrüche) in<br />

einigen, aber nicht in allen untersuchten<br />

Zelltypen (siehe Box „Gesamtübersicht ...“).<br />

Zusammen <strong>mit</strong> weiteren angewendeten<br />

Testverfahren unter Einbeziehung des „Mikrokern-Tests“<br />

soll außerdem nachgewiesen<br />

worden sein, dass bestimmte Zellen<br />

gegenüber Erwärmung und ultraviolettem<br />

Licht empfindlicher reagierten. Das wurde<br />

gezeigt, nachdem <strong>die</strong> Zellen für 15 Stunden<br />

(und einer anschließenden vierstündigen<br />

Ruhephase) einem 1 mT (Millitesla) starken,<br />

zyklisch geschalteten (s.o.) 50 Hz-<br />

Magnetfeld ausgesetzt worden waren.<br />

Im hochfrequenten Bereich (s.o.) wurde<br />

ebenfalls von DNA-Strangbrüchen und einer<br />

erhöhten Häufigkeit von Mikrokernen<br />

berichtet. Adlkofer und Rüdiger schlossen<br />

daraus <strong>auf</strong> eine „indirekte genotoxische<br />

Wirkung“ in bestimmten „ansprechenden<br />

Zellen“, aber <strong>auf</strong> keinerlei Wirkung in den<br />

anderen, „nicht ansprechenden“ Zellen.<br />

Kritisch hinterfragt wurden im Diskussionsteil<br />

zu <strong>die</strong>sem Vortrag vor allem me-<br />

74 74<br />

74<br />

NEWS l e t t e r 3 . 03<br />

thodische Ungereimtheiten. Da Prof. Rüdiger<br />

viele Fragen aber unbeantwortet ließ,<br />

blieben sie nach der Diskussion offen im<br />

Raum stehen:<br />

• Wieviel Zeit ließ man den DNA-Proben<br />

bei den Comet-Assays für das Entspiralisieren<br />

und wie lange liefen <strong>die</strong> Elektrophoresen?<br />

• Wie viele Proben wurden getestet, und<br />

wie viele Veränderungen an den Chromosomen<br />

wurden als statistisch signifikant<br />

gewertet?<br />

• War Rüdiger klar, dass <strong>die</strong> von ihm<br />

berichteten 2,2 % bzw. 1,3 % DNA-Strangbrüche<br />

bei solchen Untersuchungen im<br />

vollkommen normalen Bereich liegen und<br />

keinen positiven Befund darstellen?<br />

• Gleiches gilt für <strong>die</strong> festgestellten<br />

0,3 % „azentrische DNA-Fragmente“, <strong>die</strong><br />

ebenfalls für den entsprechenden Test einen<br />

normalerweise (also auch in den Kontrollproben<br />

ohne Feldexposition) vorkommenden<br />

Anteil darstellen.<br />

• Waren <strong>die</strong> Zellkulturen zu Beginn der<br />

Feldexposition in ihrem Zellzyklus synchronisiert?<br />

• Welches Mitogen (ein <strong>die</strong> Zellteilung<br />

anregender Stoff) wurde zur Stimulation<br />

der weißen Blutzellen benutzt, und wie lange<br />

wurden <strong>die</strong> Zellen vor Beginn der Feldexposition<br />

stimuliert?<br />

• Wurden in den Experimenten <strong>die</strong> notwendigen<br />

Positivkontrollen durchgeführt?<br />

• Wurden <strong>die</strong> allgemein schwer zu fassenden<br />

und schwierig zu interpretierenden<br />

„Fenstereffekte“ in Betracht gezogen,<br />

um <strong>die</strong> Daten zu DNA-Reparaturmechanismen<br />

zu erklären?<br />

• Die berichtete Häufigkeit an „Fehlerlücken“<br />

<strong>auf</strong> den identisch verdoppelten<br />

(„replizierten“) DNA-Strängen („incidence<br />

of gaps“) lag <strong>mit</strong> ca. 55% deutlich zu hoch.<br />

Wo<strong>mit</strong> war <strong>die</strong>se (nicht normale) Grundbedingung<br />

bei den „Comet Assays“ und<br />

den Mikrokern-Tests an Fibroblasten (Bindegewebszellen)<br />

zu erklären?<br />

• Es gibt normalerweise für jede Zellsorte<br />

ein bestimmtes zahlenmäßiges Verhältnis<br />

zwischen den Werten, <strong>die</strong> aus den<br />

„Comet Assays“ <strong>mit</strong> der DNA gewonnen<br />

werden und den Werten, <strong>die</strong> aus dem Mikrokern-Test<br />

an den entsprechenden Zellkernen<br />

gewonnen werden. Dieses normale<br />

Verhältnis war aus den präsentierten<br />

Ergebnissen für <strong>die</strong> anwesenden Fachleute<br />

nicht ersichtlich, und so fragte man<br />

sich, ob bei den angewendeten Tests<br />

überhaupt Versuchsbedingungen vorgelegen<br />

hatten, <strong>die</strong> dem normalen <strong>Stand</strong>ard<br />

entsprachen.<br />

• Die Proben <strong>mit</strong> einer “incidence of<br />

gaps” von 55 % (s.o.) hätten nach Meinung<br />

von Vijayalaxmi nicht <strong>mit</strong> in <strong>die</strong><br />

Auswertung gelangen dürfen.<br />

Zusammengefasst, drückte das Fachpublikum<br />

bei den von Prof. Rüdiger präsentierten<br />

Befunden also ernst zu nehmende<br />

Zweifel an der methodischen Zuverlässigkeit<br />

aus. Für <strong>die</strong> Experimente <strong>mit</strong> hochfrequenten<br />

Feldern konnten neben den Fragen<br />

zu den Kontrollwerten auch spezifische<br />

Fragen zur Durchführung nicht beantwortet<br />

werden, zum Teil deshalb, weil<br />

<strong>die</strong> Ergebnisse hier noch unvollständig oder<br />

vorläufig waren.<br />

Die Ergebnisse der Arbeitsgruppe um<br />

Prof. Tauber, FU Berlin, wurden von Prof.<br />

Adlkofer vorgetragen und bestätigten zum<br />

Teil Prof. Rüdigers Befunde, <strong>die</strong>s allerdings<br />

unter Verwendung einer anderen Zellart<br />

(menschliche Leukämiezelllinie HL-60 aus<br />

unreifen Stammzellen weißer Blutkörperchen;<br />

außerdem wurden untersucht: Granulosazellen<br />

aus der Gebärmutter von Ratten<br />

und menschliche Fibroblasten, also<br />

Bindegewebszellen). Hier wurden <strong>die</strong> Zellen<br />

einem 1800 MHz Hochfrequenzfeld<br />

ausgesetzt, entweder ungepulst für 24<br />

Stunden bei SAR-Werten zwischen 0 und<br />

2,0 W/kg oder <strong>mit</strong> 217 Hz gepulst (ähnlich<br />

GSM-<strong>Stand</strong>ard) für 2 bis 72 Stunden<br />

bei SAR-Werten von 1,0 bis 3,0 W/kg (und<br />

zudem 5 Min. an / 10 Min. aus zyklisch<br />

geschaltet). Es gab in <strong>die</strong>sen Versuchen<br />

sowohl scheinexponierte Kontrollen als<br />

auch Positivkontrollproben. Letztere wurden<br />

<strong>mit</strong> radioaktiver Strahlung und Wasserstoffperoxid<br />

behandelt. Wieder wurde


B B B E E E E E M M M S S S 2 2 2 2 2 0 0 0 0 0 0 0 0 0 3<br />

3<br />

3<br />

Gesamtübersicht der präsentierten Ergebnisse<br />

aus dem REFLEX-Projekt<br />

(Neue Erkenntnisse aus der Präsentation in 2003 2003 sind fett fett hervorgehoben.)<br />

Genotoxische<br />

Effekte<br />

ELF-MF (50 Hz, 16 2/3 Hz):<br />

• Erhöhte Häufigkeit von DNA-Strangbrüchen<br />

in Melanocyten und Granulosazellen<br />

von Ratten sowie in menschlichen<br />

Fibroblasten, jedoch nicht in Myelocyten<br />

und menschlichen Lymphocyten (50 Hz,<br />

Prof. Rüdiger, Wien)<br />

• Erhöhte Häufigkeit von DNA-Strangbrüchen<br />

in Granulosazellen von Ratten<br />

(16 2/3 Hz, Prof. Kolb, Hannover)<br />

• Erhöhte Häufigkeit von Mikrokernen in<br />

menschlichen Fibroblasten, jedoch nicht<br />

in menschlichen Lymphocyten (50 Hz, Prof.<br />

Rüdiger, Wien)<br />

• Erhöhte Häufigkeit von Chromosomenveränderungen<br />

in menschlichen Fibroblasten<br />

(50 Hz, Prof. Rüdiger, Wien)<br />

HF-EMF (1800 MHz, 1950 MHz):<br />

• Erhöhte Häufigkeiten von DNA-Strangbrüchen<br />

und Mikrokernen in HL-60-Zellen<br />

(1800 MHz, Prof. Tauber, Berlin)<br />

• Erhöhte Häufigkeiten von DNA-Einzel-<br />

und Doppelstrangbrüchen in menschlichen<br />

Fibroblasten und in Granulosazellen<br />

von Ratten (1950 MHz, Prof. Rüdiger,<br />

Wien)<br />

• Erhöhte Häufigkeit von Chromosomenveränderungen<br />

in menschlichen Fibroblasten<br />

(1950 MHz, Prof. Rüdiger,<br />

Wien)<br />

Veränderungen in<br />

der Genexpression<br />

ELF-MF (50 Hz):<br />

• Hochregulierung der Expression von cjun,<br />

egr-1 und p21 Genabschnitten in p53-<br />

Defektmutanten embryonaler Stammzellen<br />

von Mäusen (Dr. Wobus, Gatersleben)<br />

• Hochregulierung der Expression des<br />

bcl-2-Gens in neuronalen Vorläuferstammzellen<br />

von Mäusen (Dr. Wobus,<br />

Gatersleben)<br />

• Hochregulierung der Expression von<br />

Genen, <strong>die</strong> für einen cardiogenen Transkriptionsfaktor<br />

in embryonalen Stammzellen<br />

co<strong>die</strong>ren (Prof. Bersani, Bologna)<br />

• Kein Einfluss <strong>auf</strong> <strong>die</strong> Expression neuronaler<br />

Gene in einer menschlichen Neuroblastoma-Zelllinie<br />

(Prof. Clementi, Mailand)<br />

HF-EMF (900 MHz, 1800 MHz):<br />

• Hochregulierung der Expression von<br />

p21, c-jun, c-myc und hsp70 Genabschnitten<br />

in p53-Defektmutanten embryonaler<br />

Stammzellen von Mäusen während der<br />

Zelldifferenzierung (1800 MHz, Dr. Wobus,<br />

Gatersleben)<br />

• Hochregulierung der Expression des<br />

bcl-2-Gens in neuronalen Vorläuferstammzellen<br />

von Mäusen (1800 MHz, Dr.<br />

Wobus, Gatersleben)<br />

• Hoch- und Herunterregulierung der Expression<br />

einer Vielzahl von Genen bzw.<br />

Proteinen, gefolgt von einer vorübergehend<br />

erhöhten Phosphorylierung vieler<br />

Proteine (900 MHz, 1800 MHz, Prof. Leszczynski,<br />

Helsinki)<br />

• Erhöhte Expression des hsp27 Gens und<br />

erhöhte Phosphorylierung von hsp27 in<br />

menschlichen Endothel-Zelllinien (900<br />

MHz, 1800 MHz, Prof. Leszczynski, Helsinki)<br />

• Herunterregulierung der Genexpression<br />

des FGF-R1-Rezeptors für den basischen<br />

Fibroblasten-Wachtumsfaktor (basic fibroblast<br />

growth factor, bFGF) in einer menschlichen<br />

Neuroblastoma-Zelllinie und in neuronalen<br />

Stammzellen (1800 MHz, Dr. Trillo,<br />

Madrid)<br />

Veränderungen in der Zellproliferation<br />

(Wachstumsverhalten)<br />

ELF-MF (50 Hz):<br />

• Kein Einfluss <strong>auf</strong> DNA-Synthese, Zellzyklus<br />

und Zellproliferation in menschlichen<br />

Lymphocyten (Prof. Bersani, Bologna)<br />

• Erhöhung der Proliferationsrate in einer<br />

menschlichen Neuroblastoma-Zelllinie<br />

und in Leberkarzinom-Zellen (Dr. Trillo,<br />

Madrid)<br />

HF-EMF (900 MHz, 1800 MHz):<br />

• Kein Einfluss <strong>auf</strong> DNA-Synthese, Zellzyklus<br />

und Zellproliferation in menschlichen<br />

Lymphocyten (900 MHz, 1800 MHz,<br />

Prof. Bersani, Bologna)<br />

• Kein Einfluss <strong>auf</strong> das Wachtumsverhalten<br />

der menschlichen Leukämiezelllinie<br />

HL-60 (1800 MHz, Prof. Tauber, Berlin)<br />

Apoptose<br />

(programmierter Zelltod)<br />

ELF-MF (50 Hz):<br />

• Kein Einfluss <strong>auf</strong> <strong>die</strong> Apoptose in verschiedenen<br />

Zelllinien (Dr. Lagroye, Bordeaux)<br />

• Unklar ist, wieso sich <strong>die</strong> in neuronalen<br />

Vorläuferstammzellen von Mäusen<br />

nachgewiesene Hochregulierung der Expression<br />

des anti-apoptotischen bcl-2-<br />

Gens in den Versuchen zur Apoptose nicht<br />

auswirkte (Dr. Wobus, Gatersleben)<br />

HF-EMF (900 MHz, 1800 MHz):<br />

• Kein Einfluss <strong>auf</strong> <strong>die</strong> Apoptose in verschiedenen<br />

Zelllinien (Dr. Lagroye, Bordeaux)<br />

• Unklar ist, wieso sich <strong>die</strong> in menschlichen<br />

Endothel-Zelllinien nachgewiesene<br />

erhöhte Expression und Phosphorylierung<br />

des hsp27 Gens bzw. Proteins in den Versuchen<br />

zur Apoptose nicht auswirkten.<br />

(Prof. Leszczynski, Helsinki)<br />

75<br />

75<br />

75<br />

NEWS l e t t e r 3 . 03 75<br />

75


Nene, <strong>die</strong> Hawaiigans (Branta<br />

sandwicensis), unter Naturschutz stehender<br />

Staatsvogel Hawaiis<br />

Silberschwert (Argyroxiphium<br />

sandwicense ssp. macrocephalum)<br />

76 76<br />

76<br />

NEWS l e t t e r 3 . 03<br />

der „alkalische Comet Assay“ eingesetzt,<br />

um Einzelstrangbrüche in der DNA nachzuweisen.<br />

Außerdem wurde auch hier <strong>die</strong><br />

Häufigkeit <strong>auf</strong>tretender Mikrokerne <strong>mit</strong> der<br />

Methode der „Cytokinese-Hemmung“ (Cytokinese<br />

= Zellplasma-Teilung gegen Ende<br />

des Zellteilungsvorgangs) untersucht. An<br />

Ergebnissen ließ sich festhalten:<br />

• Bei einem SAR-Wert von 1,0 W/kg<br />

waren <strong>die</strong> Häufigkeiten von Schwesterchromatid-Austauschen<br />

und Mikrokernen<br />

nicht verschieden von den Häufigkeiten<br />

in scheinexponierten Zellen.<br />

• Bei SAR-Werten von 1,3 und 1,6 W/<br />

kg (24 Stunden ungepulstes Feld) wurde<br />

in HL-60-Zellen eine zweifache Zunahme<br />

bei den Schwesterchromatid-Austauschen<br />

und eine fast dreifache Zunahme der Mikrokern-Häufigkeit<br />

registriert.<br />

• Bei einem noch höheren SAR-Wert<br />

von 2,0 W/kg war <strong>die</strong>ser Effekt noch vorhanden,<br />

aber weniger ausgeprägt.<br />

• An den beiden anderen Zelltypen (Granulosazellen,<br />

Fibroblasten) wurden <strong>mit</strong> den<br />

selben Methoden keine entsprechenden<br />

Effekte festgestellt.<br />

• Unter allen getesteten Bedingungen<br />

wurden keine zytotoxischen (für <strong>die</strong> Zellen<br />

schädlichen) Effekte und keine Induktion<br />

von Apoptose („programmierter Zelltod“)<br />

festgestellt.<br />

Hierzu bemerkt Vijayalaxmi, dass HL-<br />

60-Zellen für ihre Instabilität bekannt sind<br />

und dass <strong>die</strong> Mehrzahl <strong>die</strong>ser Zellen hyperdiploid<br />

ist (2 homologe haploide Chromosomensätze<br />

+ 1 zusätzliches freies<br />

Chromosom oder größeres Chromosomenstück,<br />

wie z.B. bei Trisomie). Daher würde<br />

man eine hohe „spontane“ Mikrokern-<br />

Rate in den kultivierten Kontrollzellen<br />

(ohne Feldexposition) erwarten. Die Rate<br />

von 2-4 pro 1000 Zellen, von der bei den<br />

Kontrollzellen berichtet wurde, erscheint<br />

zu niedrig.<br />

Die offenbar <strong>auf</strong> bestimmte Zelltypen<br />

und einzelne Signal-„Fenster“ beschränkten<br />

Effekte warfen alte Fragen nach ihren<br />

möglichen Ursachen <strong>auf</strong>, <strong>die</strong> in der EMF-<br />

Forschung schon oft im Zusammenhang<br />

<strong>mit</strong> sogenannten „Fenstereffekten“ (bis<br />

heute ohne wirkliche Lösung) diskutiert<br />

wurden. Folgende weitere Fragen gaben<br />

Anlass zu vielfältigen weiteren Diskussionen,<br />

blieben jedoch am Ende wieder unbeantwortet:<br />

• Wieso wirkten sich <strong>die</strong> gefundenen<br />

genetischen Schädigungen offenbar nicht<br />

in Form von Folgeschäden für <strong>die</strong> Zellen<br />

aus? (Was zu erwarten wäre, aber <strong>die</strong> Befunde<br />

der Arbeitsgruppen zu Apoptose, Zytotoxizität<br />

[s.o.], Nekrobiose [d.h. irreversible<br />

Zellplasma- und Kernveränderungen<br />

vor dem kommenden Zelltod] und Zellwachstum<br />

waren negativ.)<br />

• Oder wurden <strong>die</strong> Genomschäden etwa<br />

über Reparaturmechanismen später vollkommen<br />

repariert? (Was bei solch deutlichen<br />

Befunden eher unwahrscheinlich<br />

wäre.)<br />

• Wie können überhaupt elektromagnetische<br />

Felder solch geringer Intensität<br />

so drastische Schäden an der DNA, wie<br />

Strangbrüche, verursachen? (Die Frage<br />

nach dem möglichen Angriffspunkt der<br />

hochfrequenten Felder am DNA-Molekül.)<br />

Die Diskussion in der REFLEX-Vortragsrunde<br />

lieferte auch nicht den geringsten<br />

Hinweis zur Beantwortung solcher Fragen.<br />

Gesundheitsreleva<br />

Ist <strong>die</strong> erhöhte Expression<br />

bestimmter Gene bzw.<br />

Proteine gesundheitsrelevant?<br />

Mit <strong>die</strong>ser Frage versuchte sich das Publikum<br />

in den Diskussionen nach den Vorträgen<br />

von Ferdinando Bersani (Universität<br />

Bologna) und Dariusz Leszczynski<br />

(STUK Helsinki) zu befassen – viel mehr<br />

als <strong>die</strong> Vortragenden selbst. Zumindest im<br />

Falle von Leszczynski, der solche Wirkungen<br />

in einer menschlichen Endothelzelllinie<br />

(Endothel = Körperhohlräume, z.B.<br />

Adern, auskleidende Zellschichten) unter<br />

Einwirkung hochfrequenter Felder beobachtete,<br />

standen Phänomene im Vordergrund.<br />

Die gesundheitliche Relevanz wurde<br />

in ziemlich weitreichenden Hypothesen<br />

und dem Aufzeigen theoretischer Möglichkeiten<br />

abgehandelt.


Soviel sei klar gesagt: Die Produktion<br />

irgendwelcher Zellproteine wird immer<br />

her<strong>auf</strong> oder herunter geregelt, wenn sich<br />

ein Körper aus seiner wohlver<strong>die</strong>nten Ruhelage<br />

begibt. Die Voraussetzung für <strong>die</strong><br />

geänderte Produktion ist eine entsprechende<br />

Her<strong>auf</strong>- oder Herunterregulierung der<br />

Ableserate bestimmter Gene (bzw. Genabschnitte),<br />

<strong>die</strong> den Bauplan für <strong>die</strong> Produktion<br />

der Proteine liefern. Unter den „her<strong>auf</strong><br />

geregelten“ Proteinen befinden sich oft<br />

solche, <strong>die</strong> in der Zelle eine bestimmte<br />

Schutz- oder Unterstützungsfunktion haben,<br />

sogenannte „Stress“- oder (älter bezeichnet)<br />

„Hitzeschock-Proteine“ – man<br />

braucht dazu z.B. nur in <strong>die</strong> Sonne gehen<br />

oder ins kalte Wasser springen. Für bestimmte<br />

Zellen bedeutet so etwas natürlich<br />

einen gewissen „Stress“, der aber (offenkundig)<br />

noch lange nicht gesundheitsschädlich<br />

sein muss.<br />

Genau hieran entzündet sich in letzter Zeit<br />

z?<br />

immer wieder <strong>die</strong> Diskussion, so auch in der<br />

REFLEX-Vortragsveranstaltung, wo D. Leszczynski<br />

zum wiederholten Mal <strong>die</strong> von ihm<br />

gefundenen „her<strong>auf</strong> regulierten“ Genabschnitte<br />

und Proteine präsentierte –<br />

wohlgemerkt, gemessen in Material aus<br />

Zellkulturen <strong>mit</strong> Zellen, <strong>die</strong> nicht normal<br />

im Menschen vorkommen. Nicht nur, dass<br />

kaum jemand im anwesenden Fachpublikum<br />

<strong>die</strong> recht neuen, elaborierten Untersuchungsmethoden<br />

<strong>mit</strong> letzter Gewissheit zu<br />

beurteilen vermochte – echte „Genomics-<br />

„ und „Proteomics“-Fachleute sind (noch)<br />

selten unter den EMF-Forschern. Vor allem<br />

<strong>die</strong> Verbindung zur gesundheitlichen Relevanz<br />

solcher Beobachtungen, <strong>die</strong> von Leszczynski<br />

(reichlich konstruiert) bis hin zu<br />

Krebserkrankungen und Blut-Hirn-Schranke-Schäden<br />

gezogen wird, nahmen <strong>die</strong><br />

Anwesenden nicht ohne Widerspruch hin.<br />

Es wurde <strong>die</strong> Frage <strong>auf</strong>geworfen, warum<br />

dann <strong>die</strong> Mehrzahl aller anerkannten und<br />

verlässlich durchgeführten (Langzeit-) Tierstu<strong>die</strong>n<br />

keine Krebserkrankungen oder Blut-<br />

Hirn-Schranke-Schäden nachweist.<br />

Zumindest schien <strong>die</strong> gesamte an der RE-<br />

FLEX-Forschung beteiligte Gruppe <strong>die</strong>sen<br />

Aspekt keineswegs ausreichend in Betracht<br />

gezogen bzw. diskutiert zu haben und antwortete<br />

auch nicht adäquat <strong>auf</strong> entsprechende<br />

nachbohrende Fragen.<br />

Zu den Fakten: Leszczynski präsentierte<br />

Ergebnisse aus seinem eigenen Labor und<br />

solche aus der Arbeitsgruppe von Anna<br />

Wobus (IPK Gatersleben). Leszczynski untersuchte<br />

eine schnell und eine langsam<br />

wachsende Zelllinie, <strong>die</strong> er als Subklone<br />

aus einer menschlichen Endothel-Zelllinie<br />

gewonnen hatte, unter der Einwirkung (1<br />

Stunde) von 900 MHz und 1800 MHz GSMähnlichen<br />

Signalen bei ge<strong>mit</strong>telten SAR-<br />

Werten von 2,4 W/kg bzw. 2,0 W/kg. Extrakte<br />

von mRNA („Boten-Ribonukleinsäure“,<br />

der Bote zwischen der DNA und dem<br />

„Ribosom“, dem Protein-Herstellungsort in<br />

der Zelle) und bestimmten Proteinen aus<br />

den Zellen wurden analysiert, um Informationen<br />

über veränderte Gen- und Protein-<br />

„Expression“ (Intensitäten der Gen-Ablesung<br />

und daraus resultierender Proteinproduktion)<br />

zu gewinnen. In dem einen<br />

Subklon wurden fast 40 Gene und in dem<br />

anderen Subklon knapp 20 Gene in ihrer<br />

Expression um mindestens das Dreifache<br />

verändert (Erhöhung oder Verringerung).<br />

Unter den betroffenen Genen waren solche,<br />

<strong>die</strong> für <strong>die</strong> Regulation von Krebsentwicklung,<br />

Zellvermehrung und Apoptose<br />

verantwortlich sind. Zum Teil geschah <strong>die</strong><br />

veränderte Expression desselben Gens in<br />

den beiden Zelllinien jedoch <strong>mit</strong> entgegen<br />

gesetzten Vorzeichen. Interessanterweise<br />

wurde in einer der Zelllinien <strong>die</strong> Zunahme<br />

der Expression von Genen festgestellt, <strong>die</strong><br />

an DNA-Reparaturprozessen beteiligt sind.<br />

Dies trägt zu der unter Wissenschaftlern<br />

bereits bestehenden Kontroverse bei, ob<br />

Mobilfunkfelder in der Lage sind, indirekt<br />

DNA-Schäden zu verursachen. Bei den Proteinen<br />

konzentrierte man sich <strong>auf</strong> ein<br />

„Stressprotein“ (HSP27) und stellte auch<br />

hier eine (in den beiden Zelllinien unterschiedlich)<br />

erhöhte Expression und Phosphorylierung<br />

unter Feldeinwirkung fest.<br />

In A. Wobus Arbeitsgruppe wurde <strong>mit</strong><br />

zwei verschiedenen Zellkulturen „pluripo-<br />

B B E E M M S S 2 2 0 0 0 0 0 3<br />

3<br />

tenter“ Embryonen-Stammzellen der Maus<br />

(p53 Wildtyp oder Defektmutation) gearbeitet,<br />

<strong>die</strong> für 6 oder 48 Stunden (5 Min. an<br />

/ 30 Min. aus –Zyklus) einem 1800 MHz<br />

GSM-ähnlichen Signal bei ge<strong>mit</strong>telten SAR-<br />

Werten von 1,5 W/kg und 2,0 W/kg ausgesetzt<br />

wurden. Hier untersuchte man <strong>die</strong><br />

Genexpression <strong>mit</strong> einer anderen Methode<br />

als bei Leszczynski. Bei 6 Stunden Exposition,<br />

und in den Wildtyp-Stammzellen bei<br />

beiden getesteten Expositionszeiten, waren<br />

keine Effekte des 1800 MHz-Feldes<br />

nachzuweisen. Die Stammzellen <strong>mit</strong> Defektmutation<br />

antworteten bei 48 Stunden<br />

Expositionszeit <strong>mit</strong> einer geringen, aber<br />

statistisch signifikanten Her<strong>auf</strong>regulierung<br />

der Expression bestimmter Gene, <strong>die</strong> zum<br />

Teil eine Rolle bei der Regulation von Krebsentwicklung<br />

und Apoptose spielen. Auch<br />

<strong>die</strong> Expression eines Stressproteins (HSP70)<br />

war hierbei betroffen.<br />

Die Resultate zeigen, dass <strong>die</strong> angewendeten<br />

hochfrequenten Felder in ganz bestimmten<br />

Zelltypen und bei einer bestimmten<br />

genetischen Ausstattung („Genotyp“)<br />

<strong>die</strong> Genexpression beeinflussen könnten,<br />

wobei hier nur in solchen Zelltypen Reaktionen<br />

gemessen wurden, <strong>die</strong> nicht normal<br />

im Körper vorkommen. Ob sich daraus<br />

physiologische (<strong>die</strong> Körperfunktionen betreffende)<br />

Reaktionen des Organismus ergeben<br />

können, blieb vollkommen ungeklärt.<br />

Sheila Johnston bemerkt hierzu in ihrer<br />

Stellungnahme, dass sie <strong>die</strong> Relevanz solcher<br />

gemessenen Effekte in Bezug <strong>auf</strong> <strong>die</strong><br />

Gesundheit des Menschen für unbedeutend<br />

hält. Weitere Forschung an normal<br />

im Menschen vorkommenden Zellen wäre<br />

nötig gewesen, und sie stellt in <strong>die</strong>sem<br />

Zusammenhang <strong>die</strong> Frage:<br />

• Warum wurde in dem REFLEX-Projekt<br />

nicht <strong>die</strong> Genexpression an all den<br />

anderen (oder wenigstens einigen), normal<br />

im Menschen vorkommenden Zellen<br />

erforscht, <strong>die</strong> den REFLEX-Forschergruppen<br />

zur Verfügung standen aber <strong>mit</strong> anderen<br />

Zielen untersucht worden sind (z.B.<br />

Zellen des Immunsystems oder des Nervensystems)?<br />

77<br />

NEWS l e t t e r 3 . 03 77


78 78<br />

78<br />

NEWS l e t t e r 3 . 03<br />

Ferdinando Bersani stellte ebenfalls<br />

Untersuchungsergebnisse zur Genexpression<br />

in verschiedenen Zelllinien vor, <strong>die</strong><br />

allerdings sämtlich unter Einsatz von 50<br />

Hz Magnetfeldern gewonnen wurden. Hier<br />

konnte nur bei der höchsten Magnetflussdichte<br />

(2,3 mT; 5 Min. an / 30 Min. aus –<br />

Zyklus), und <strong>die</strong>smal nur bei der kürzeren<br />

Expositionszeit (6 Stunden im Vergleich<br />

zu 48 Stunden), in den oben bereits erwähnten<br />

p53 Embryonen-Stammzellen der<br />

Maus eine statistisch signifikante Hochregulierung<br />

der Expression bei drei von fünf<br />

untersuchten Genen festgestellt werden.<br />

Auch hier gelten <strong>die</strong> Kommentare, wie oben<br />

zu den Ergebnissen von D. Leszczynski und<br />

A. Wobus wiedergegeben.<br />

Keinen übergreifenden Einfluss<br />

<strong>auf</strong> Apoptose, Zellwachstum<br />

und Ausdifferenzierung festgestellt.<br />

Aber warum nicht?<br />

Normalerweise wäre zu erwarten gewesen,<br />

dass sich <strong>die</strong> bis hierhin beschriebenen,<br />

im REFLEX-Projekt festgestellten Einflüsse<br />

der Felder (<strong>die</strong> sich ja alle <strong>auf</strong> molekularer<br />

Ebene abspielen) auch <strong>auf</strong> so wichtige<br />

Zellfunktionen wie Apoptose, Zellwachstum<br />

und Ausdifferenzierung merklich<br />

hätten auswirken sollen. Dass <strong>die</strong>s nach<br />

den bis hierhin noch unerwähnten Berichten<br />

offenbar nicht der Fall war, hinterließ<br />

beim Fachpublikum ein unzusammenhängendes<br />

Bild und unterstreicht noch einmal<br />

<strong>die</strong> Frage, wieso aus den vorhandenen Daten<br />

ein so klares und weitgehendes Fazit<br />

gezogen werden konnte.<br />

Hans-Albert Kolb (Universität Hannover)<br />

stellte in seinem Vortrag Ergebnisse<br />

aus seiner eigenen Arbeitsgruppe sowie von<br />

A. Wobus (IPK Gatersleben) und M.A. Trillo<br />

(INSALUD Madrid) vor. In einer Vielzahl<br />

verschiedener Untersuchungen an unterschiedlichen<br />

Zelltypen (<strong>die</strong>smal u.a. auch<br />

Kulturen von normal im Körper vorkommenden<br />

Zellen) und <strong>mit</strong> unterschiedlicher<br />

Feldexposition im niederfrequenten wie im<br />

hochfrequenten Bereich (weitgehend entsprechend<br />

den bis hierhin genannten Feldparametern)<br />

wurden im Bereich Zellwachstum<br />

und Ausdifferenzierung lediglich zwei<br />

positive Befunde zur Differenzierung in<br />

einer menschlichen Neuroblastoma-Zelllinie<br />

(Zellen, <strong>die</strong> von Krebsgewebe im Nervensystem<br />

abgeleitet sind) registriert:<br />

• In Madrid wurde ein wachstumssteigernder<br />

Effekt an Neuroblastoma-Zellen<br />

nach 48 Stunden Exposition in einem 50<br />

Hz Magnetfeld bei Flussdichten von 10 µT<br />

und 100 µT festgestellt. Nach 90 Stunden<br />

Exposition bei den gleichen Flussdichten<br />

war <strong>die</strong>ser Effekt jedoch nicht mehr zu<br />

beobachten.<br />

• Ebenfalls in Madrid wurde der Einfluss<br />

eines Hochfrequenzfeldes (1800 MHz,<br />

GSM-Grundsignal [im Unterschied zum<br />

Sprachsignal; vergleiche unten], SAR-Wert<br />

2,0 W/kg, 5 Min. an / 10 Min. aus –Zyklus,<br />

21 Stunden Exposition) <strong>auf</strong> Ausdifferenzierung<br />

und Wachstum der gleichen<br />

Neuroblastoma-Zellen festgestellt, <strong>die</strong> hier<br />

allerdings in bestimmter Weise genmanipuliert<br />

waren. Nur Zellen, <strong>die</strong> man einen<br />

bestimmten inneren Rezeptor ausbilden<br />

(„exprimieren“) ließ (Fibroblast Growth<br />

Factor Receptor 1; FGF-R1), wurden in der<br />

Expression <strong>die</strong>ses Rezeptors unter Feldeinfluss<br />

gehemmt. Kulturen gleichen Zelltyps,<br />

<strong>die</strong> aber andere, ähnliche Rezeptoren exprimierten<br />

(FGF-R2, FGF-R3) blieben unbeeinflusst.<br />

• Gleiche Ergebnisse <strong>mit</strong> dem Hochfrequenzfeld<br />

wurden auch an neuronalen<br />

Stammzellen erzielt. Die Gesamtzahl beider<br />

Zelltypen blieb unbeeinflusst von dem<br />

Hochfrequenzfeld.<br />

• Vorläufige Ergebnisse deuteten an,<br />

dass der beobachtete Effekt in den neuro-


nalen Stammzellen <strong>vom</strong> Alter der kultivierten<br />

Zellen abhängen könnte.<br />

• Die Exposition der gleichen Zelllinien<br />

in einem GSM-Sprachsignal rief keinerlei<br />

Effekte hervor.<br />

Die Versuche von H.-A. Kolb in Hannover<br />

<strong>mit</strong> 50 Hz-Signalen an kultivierten<br />

Granulosazellen von Ratten und menschlichen<br />

Fibroblasten erbrachten keine Hinweise<br />

<strong>auf</strong> einen eindeutigen Einfluss der<br />

Felder <strong>auf</strong> den inneren Calciumgehalt der<br />

Zellen. Allerdings konnte Kolb <strong>mit</strong> den niederfrequenten<br />

Feldern <strong>die</strong> weiter oben genannten<br />

Befunde zu Einzel- und Doppelstrangbrüchen<br />

der DNA bestätigen. Auch<br />

von seiner Seite blieben jedoch <strong>die</strong> oben<br />

erwähnten methodischen Einwände hierzu<br />

unbeantwortet bzw. ungeklärt. In der Diskussion<br />

wurde er außerdem <strong>auf</strong> <strong>die</strong> Diskrepanz<br />

zwischen den Ergebnissen aus der<br />

REFLEX-in vitro-Forschung und solchen<br />

aus der Mehrzahl von Langzeit-Tierstu<strong>die</strong>n<br />

angesprochen. Kolb wandte sich<br />

dar<strong>auf</strong>hin grundsätzlich dagegen, solche<br />

Fazit<br />

Ergebnisse <strong>mit</strong>einander zu vergleichen.<br />

Trotz Widerspruch aus der Zuhörerschaft<br />

argumentierte D. Leszczynski in eine ähnliche<br />

Richtung. Er gab zu verstehen, dass<br />

„Tierstu<strong>die</strong>n nach drastischen, sehr starken<br />

Effekten suchen“, dass aber „<strong>die</strong> Hinweise<br />

aus den in vitro-Untersuchungen eher<br />

subtiler Art seien.“<br />

Sheila Johnston meint zu den von Kolb<br />

vorgestellten Ergebnissen sinngemäß:<br />

Sollten <strong>die</strong> hier beschriebenen, vereinzelt<br />

und unter sehr speziellen Bedingungen<br />

vorkommenden Feldeffekte von anderen<br />

Forschern unabhängig bestätigt werden,<br />

so würde <strong>die</strong>s zeigen, dass <strong>die</strong> Ergebnisse<br />

direkt abhängig sind von: „Phänotyp“<br />

der Zelle (genetisch und Umwelt-kontrollierte<br />

Eigenschaft zu einem bestimmten<br />

Entwicklungszeitpunkt), Signaltyp und<br />

Frequenz, Feldintensität sowie Versuchsprotokoll.<br />

Kolbs Ergebnis würde einen Hinweis<br />

dar<strong>auf</strong> geben, dass eher <strong>die</strong> Erbsubstanz<br />

als <strong>die</strong> ganze Zelle für mögliche Einwirkungen<br />

niederfrequenter Felder in Betracht<br />

gezogen werden sollte.<br />

Isabelle Lagroye fasste in ihrem Vortrag<br />

<strong>die</strong> in ihrer eigenen Arbeitsgruppe und in<br />

drei weiteren Labors erhobenen Daten zum<br />

Prozess der Apoptose („programmierter<br />

Zelltod“, welcher der Entwicklung und<br />

Ausbreitung von Krebs entgegenwirken<br />

kann) in verschiedenen Zelltypen zusammen,<br />

<strong>die</strong> sowohl unter dem Einfluss niederals<br />

auch hochfrequenter Felder <strong>mit</strong> verschiedenen<br />

Methoden gewonnen wurden (siehe<br />

Box „Gesamtübersicht der präsentierten<br />

Ergebnisse ...“). Insgesamt betrachtet, gaben<br />

<strong>die</strong> Ergebnisse des REFLEX-Programms<br />

keine Hinweise dar<strong>auf</strong>, dass Felder des<br />

Mobilfunks in den Prozess der Apoptose in<br />

kultivierten Zellen eingreifen können.<br />

50 Hz-Magnetfelder führten zur Her<strong>auf</strong>regulierung<br />

der Expression eines Gens (bcl-<br />

2), das in der Hemmung des Apoptoseprozesses<br />

eine Rolle spielt. Dieser an neuronalen<br />

Vorläuferstammzellen von Mäusen<br />

nachgewiesene Effekt (Dr. Wobus, Gatersleben)<br />

trat nach einer 48-stündigen Magnetfeld-Exposition<br />

bei der höchsten getesteten<br />

Flussdichte (2,3 mT; 5 Min. an/30<br />

Min. aus, zyklisch geschaltet) <strong>auf</strong> und verschwand<br />

nach einer dar<strong>auf</strong> folgenden Ruhephase<br />

von 18 Stunden wieder. In den<br />

gleichen Zellen wurden andere Gene (darunter<br />

auch <strong>die</strong> ebenfalls Apoptose-relevanten<br />

Gene für HSP70 und p21) unter<br />

den selben Bedingungen nicht beeinflusst.<br />

Unklar bleibt also, wieso sich <strong>die</strong> bei 50<br />

Hz-Feldern in neuronalen Vorläuferstammzellen<br />

von Mäusen nachgewiesene Hochregulierung<br />

der Expression des anti-apoptotischen<br />

bcl-2-Gens sowie <strong>die</strong> in menschlichen<br />

Endothel-Zelllinien nachgewiesene<br />

erhöhte Expression und Phosphorylierung<br />

des hsp27 Gens bzw. Proteins (Prof. Leszczynski,<br />

Helsinki) in sämtlichen Versuchen<br />

zur Apoptose nicht auswirkten.<br />

Fazit<br />

Insgesamt kann man festhalten, dass <strong>die</strong><br />

Ergebnisse aller am REFLEX-Projekt beteiligten<br />

Arbeitsgruppen sehr vielfältig und<br />

unterschiedlich – zum Teil gegensätzlich<br />

– waren und bei weitem kein so ineinander<br />

B B E E M M S S 2 2 0 0 0 0 0 3<br />

3<br />

greifendes, zusammenhängendes Bild lieferten,<br />

wie von dem Leiter des Gesamtprojektes,<br />

Franz Adlkofer, dargestellt werden<br />

wollte. Wirklich überprüfen lassen sich <strong>die</strong><br />

vorgestellten, nur zum Teil abgeschlossenen<br />

Stu<strong>die</strong>n erst nach deren Veröffentlichung<br />

in Fachzeitschriften. Die seriöse,<br />

gründliche Auseinandersetzung <strong>mit</strong> den<br />

Stu<strong>die</strong>nergebnissen kann erst dann beginnen.<br />

Dr. rer. nat. Frank Gollnick ist Biologe und<br />

war lange Zeit Mitarbeiter im Physiologischen<br />

Institut II der Universität Bonn. Er ist nun als<br />

wissenschaftlicher Berater für <strong>die</strong> FGF tätig.<br />

Dipl.-Biol. Lutz Haberland arbeitet als<br />

wissenschaftlicher Mitarbeiter in der Abteilung<br />

Biophysik des Instituts für Zellbiologie<br />

und Biosystemtechnik an der Universität<br />

Rostock.<br />

Dr. Sheila Johnston arbeitet als unabhängige<br />

Gutachterin und Beraterin für eine Reihe von<br />

Gremien und Organisationen. Sie ist international<br />

anerkannt und betreibt einen eigenen<br />

Informations<strong>die</strong>nst in London.<br />

Dr. med. Jörg Reißenweber ist wissenschaftlicher<br />

Mitarbeiter am Zentrum für Elektropathologie<br />

in der Fakultät für Medizin der<br />

Universität Witten/Herdecke.<br />

Dr. Vijayalaxmi ist Assistenzprofessorin am<br />

‚University of Texas Health Science Center’ in<br />

San Antonio, USA. Sie ist international<br />

anerkannte Wissenschaftlerin <strong>auf</strong> dem Gebiet<br />

der Erforschung möglicher genotoxischer<br />

Wirkungen in Zellen durch Strahlen- und<br />

EMF-Einwirkung.<br />

Literatur<br />

• Ivancsits S, Diem E, Pilger A, Rudiger HW, Jahn O<br />

(2002) Induction of DNA strand breaks by inter<strong>mit</strong>tent<br />

exposure to extremely-low-frequency electromagnetic<br />

fields in human diploid fibroblasts. Mutat.<br />

Res. 519: 1-13<br />

• Ivancsits S, Diem E, Jahn O, Rudiger HW (2003)<br />

Inter<strong>mit</strong>tent extremely low frequency electromagnetic<br />

fields cause DNA damage in a dose-dependent<br />

way. Int. Arch. Occup. Environ. Health 76:<br />

431-436. Epub 2003 Jun 12<br />

• Lepock JR (2003) Cellular effects of hyperthermia:<br />

relevance to the minimum dose for thermal damage.<br />

Int. J. Hyperthermia 19: 252-266<br />

• Leszczynski D, Joenvaara S, Reivinen J, Kuokka R<br />

(2002) Non-thermal activation of the hsp27/<br />

p38MAPK stress pathway by mobile phone radiation<br />

in human endothelial cells: molecular mechanism<br />

for cancer- and blood-brain barrier-related<br />

effects. Differentiation 70: 120-129<br />

• Sharma HS, Hoopes PJ (2003) Hyperthermia induced<br />

pathophysiology of the central nervous system.<br />

Int. J. Hyperthermia 19: 325-354<br />

79<br />

NEWS l e t t e r 3 . 03 79


80 80<br />

80<br />

F F o o r r s s s c c h h u u n n g<br />

g<br />

Die folgenden Beiträge beziehen sich <strong>auf</strong> neuere wissenschaftliche Originalarbeiten<br />

zur Wirkung hochfrequenter Felder der Mobilfunks. Die Auswahl der <strong>Publikation</strong>en ist <strong>vom</strong> Autor<br />

Prof. Roland Glaser selbst getroffen und durch sein subjektives Urteil der Relevanz bestimmt.<br />

Neues aus der<br />

Wissenschaft<br />

Das Lernvermögen von Ratten<br />

wird nur dann durch HF-Felder beeinflusst,<br />

wenn es zu einer deutlichen Erwärmung<br />

des Gehirns kommt. Zu <strong>die</strong>ser<br />

Schlussfolgerung kam eine japanische Arbeitsgruppe<br />

nach Verhaltensexperimenten<br />

an 168 Sprague-Dawley-Ratten, <strong>die</strong> lernen<br />

mussten, ihr Futter im rechten oder<br />

linken Arm eines T-förmigen Labyrinthes<br />

zu finden. Die Tiere wurden täglich vor<br />

den Verhaltensexperimenten jeweils eine<br />

Stunde bei geringerer, bzw. 45 Minuten<br />

bei höherer Intensität befeldet. Die eine<br />

Versuchsserie dauerte 4 Tage eine andere<br />

4 Wochen. Die Befeldung <strong>mit</strong> 1439 MHz<br />

Puls-Feldern entsprechend dem TDMA-<br />

<strong>Stand</strong>ard im Nah-Feld-Bereich erfolgte <strong>mit</strong><br />

SAR-Werten im Gehirn von 7,5 bzw. 25<br />

W/kg. Dies entsprach <strong>mit</strong>tleren Ganzkörper-Belastungen<br />

von 1,7 bzw. 5,7 W/kg.<br />

Bei der höchsten Intensität des Feldes trat<br />

im Verl<strong>auf</strong>e der Befeldung eine Erhöhung<br />

der Körpertemperatur (peritoneal implantierter<br />

optoelektronischer Sensor) um 2<br />

Grad <strong>auf</strong>. Nur in <strong>die</strong>sem Fall war eine signifikante<br />

Verminderung des Lern-Effektes<br />

zu verzeichnen. Die Befeldung <strong>mit</strong> der geringeren<br />

Intensität, <strong>die</strong> immer noch 4 fach<br />

über den japanischen Grenzwerten liegt,<br />

zeigte keinerlei Einwirkungen (Yamagu-<br />

NEWS l e t t e r 3 . 03<br />

chi, H.; Tsurita, G.; Ueno, S.; Watanabe,<br />

S.; Wake, K.; Taki, M., and Nagawa, H.:<br />

1439 MHz pulsed TDMA fields affect performance<br />

of rats in a T-maze task only<br />

when body temperature is elevated. Bioelectromagnetics<br />

24, 223-230. 2003).<br />

Als Modell für multiple<br />

Sklerose wurde das medizinisch gut untersuchte<br />

Krankheitsbild einer experimentell<br />

induzierbaren allergischen Enzephalomyelitis<br />

bei Ratten <strong>auf</strong> seinen möglichen<br />

Bezug zu einer HF-Einwirkung in zwei Versuchsserien<br />

<strong>mit</strong> je 32 weiblichen Ratten<br />

untersucht. Die Befeldung erfolgte in einem<br />

speziellen Expositions-System, welches<br />

erlaubte, das Gehirn der Tiere selektiv<br />

einem 900 MHz GSM-Signal auszusetzen<br />

(2 Stunden pro Tag im Verl<strong>auf</strong>e von<br />

21 Tagen <strong>mit</strong> lokalem SAR-Wert im Gehirn<br />

von 1,5 bzw. 6 W/kg). In einem Versuch<br />

erfolgte <strong>die</strong> Befeldung der Tiere ohne<br />

vorherige Gewöhnung an <strong>die</strong> Expositionseinrichtung<br />

(Plexiglas-Rohr), im zweiten<br />

Versuch wurden <strong>die</strong> Tiere zuvor ohne Befeldung<br />

mehrere Tage an den Aufenthalt<br />

in dem Gerät gewöhnt. Die akute allergische<br />

Enzephalomyelitis wurde durch Injektion<br />

einer enzephalitogenen Substanz<br />

ausgelöst und der Verl<strong>auf</strong> der Erkrankung<br />

durch tägliche Kontrollen verfolgt. Es<br />

konnte kein Einfluss der Befeldung <strong>auf</strong> <strong>die</strong><br />

Schwere der Erkrankung oder deren zeitlichen<br />

Verl<strong>auf</strong> gefunden werden (Anane, R.;<br />

Geffard, M.; Taxile, M.; Bodet, D.; Billaudel,<br />

B.; Dulou, P. E., and Veyret, B.: Effects<br />

of GSM-900 microwaves on the experimental<br />

allergic encephalomyelitis (EAE) rat<br />

model of multiple sclerosis. Bioelectromagnetics<br />

24, 211-213. 2003).<br />

Im Heft 1 (2002) referierten<br />

wir bereits <strong>die</strong> <strong>Publikation</strong> einer australischen<br />

Gruppe, <strong>die</strong> vergeblich nach<br />

Wirkungen von GSM-Feldern <strong>auf</strong> <strong>die</strong> Blut-<br />

Hirn-Schranke von Mäusen gesucht hatte.<br />

Inzwischen liegt eine weitere <strong>Publikation</strong><br />

vor, in welcher <strong>die</strong>se Autoren über <strong>die</strong>sbezügliche<br />

Langzeit-Experimente berichten.<br />

Zu <strong>die</strong>sem Zweck befeldeten sie 138 Mäuse<br />

im Verl<strong>auf</strong>e von zwei Jahren. Fünf Tage<br />

pro Woche wurden <strong>die</strong> Tiere jeweils für<br />

eine Stunde in Plexiglas-Röhren gesetzt,<br />

<strong>die</strong> in einer Karussell-Anlage eine definierte<br />

Bestrahlung <strong>mit</strong> einem 217 Hz-modulierten<br />

900-MHz Feld (GSM-Norm) erlaubten.<br />

Die <strong>mit</strong>tleren Körper SAR-Werte<br />

lagen bei 0,25; 1,0; 2,0; bzw. 4,0 W/kg.<br />

Als Kontrollen wurden Schein-Befeldungen<br />

in der gleichen Anlage durchgeführt,


sowie Tiere verwendet, <strong>die</strong> während der<br />

gesamten Zeit im normalen Käfig verblieben.<br />

Als Positiv-Kontrolle setzte man<br />

wieder das Clostridium-Toxin ein, das als<br />

Öffner der Blut-Hirn-Schranke bekannt ist.<br />

Wie bereits in den ersten Versuchen, so<br />

konnten auch in <strong>die</strong>sem Langzeitexperiment<br />

in histologischen Gehirn-Schnitten<br />

nur ganz vereinzelt Gefäße gefunden werden,<br />

bei denen ein geringer Albumin-<br />

Durchtritt <strong>auf</strong>trat; bei den Kontrollen nicht<br />

anders als bei den befeldeten Tieren. Die<br />

Autoren kommen also zu dem Schluss, dass<br />

auch eine längere Exposition durch HF-<br />

Felder zu keiner signifikanten Änderung<br />

der Eigenschaften der Blut-Hirn-Schranke<br />

führt (Finnie, J. W.; Blumbergs, P. C.; Manavis,<br />

J.; Utteridge, T. D.; Gebski, V.; Davies,<br />

R. A.; VernonRoberts, B., and Kuchel,<br />

T. R.: Effect of long-term mobile communication<br />

microwave exposure on vascular<br />

permeability in mouse brain. Pathology 34,<br />

344-347. 2002).<br />

In letzter Zeit sind mehrere<br />

<strong>Publikation</strong>en einer Arbeitsgruppe aus der<br />

Türkei zu möglichen biologischen Wirkungen<br />

von HF-Feldern erschienen. Nachdem<br />

in einer ersten Arbeit berichtet wurde, dass<br />

<strong>die</strong> Felder eines unter dem Glaskäfig angebrachten<br />

Handys keinen signifikanten<br />

Einfluss <strong>auf</strong> <strong>die</strong> Anzahl und Aktivität der<br />

Spermien von Mäusen hatten (Dasdag et<br />

al., Urol. Res. 27, 219. 1999), wurden <strong>die</strong>se<br />

Versuche in einer ausführlicheren Stu<strong>die</strong><br />

wiederholt. Auch <strong>die</strong>smal war allerdings<br />

<strong>die</strong> Anzahl der Tiere gering (8 Befeldungen,<br />

8 Kontrollen) und auch <strong>die</strong> Expositionsbedingungen<br />

nicht exakter als zuvor.<br />

Die unter den Behältern liegenden Handys<br />

waren <strong>auf</strong> Sende-Betrieb eingestellt, ohne<br />

genaue Kenntnisse der tatsächlichen Sendeleistung.<br />

Man geht von einer <strong>mit</strong>tleren<br />

Leistung von 250 mW aus und errechnete<br />

eine Ganzkörper-SAR von 0,52 W/kg, gibt<br />

aber zu, dass <strong>die</strong>s grobe Schätzungen sind.<br />

Der Versuch dauerte einen Monat <strong>mit</strong> täglich<br />

20Minuten Befeldung. Es konnten keine<br />

statistisch absicherbaren Veränderun-<br />

gen der morphologischen und physiologischen<br />

Parameter von Hoden und Spermien<br />

der Versuchstiere gemessen werden<br />

(Dasdag, S.; Akdag, M. Z.; Aksen, F.; Yilmaz,<br />

F.; Bashan, M.; Dasdag, M. M., and<br />

Celik, M. S.: Whole body exposure of rats<br />

to microwaves e<strong>mit</strong>ted from cell phone<br />

does not affect the testes. Bioelectromagnetics<br />

24,182-188. 2003).<br />

Technisch ist es jetzt möglich,<br />

Mikrowellen-Pulse von bis zu Nano-<br />

Sekunden Kürze und <strong>mit</strong> Leistungen zu erzeugen,<br />

<strong>die</strong> maximale SAR-Werte bis GW/<br />

kg erbringen können. Über biologische Wirkungen<br />

solcher Strahlungen berichteten<br />

verschiedene russische Autoren. In den<br />

USA befasst sich u.a. <strong>die</strong> Gruppe um Pakhomov<br />

<strong>mit</strong> derartigen Untersuchungen<br />

(siehe auch „Neues aus der Wissenschaft“<br />

im Heft 1, 2002). Als Modell-Objekt zur<br />

Erfassung möglicher Einflüsse <strong>auf</strong> Speicherprozesse<br />

im Gehirn werden in einer<br />

neueren Arbeit aus <strong>die</strong>sem Labor elektrophysiologische<br />

Messungen an überlebenden<br />

Hirnschnitten von Ratten vorgestellt.<br />

In drei Versuchsserien setzten <strong>die</strong> Autoren<br />

insgesamt 160 solcher Schnittpräparate<br />

jeweils im Verl<strong>auf</strong>e von 2 Minuten einem<br />

gepulsten 9,3 GHz-Feld aus. Die Puls-<br />

Länge variierte zwischen 0,5 und 2 Mikrosekunden,<br />

<strong>die</strong> Puls-Häufigkeit betrug 0,5<br />

bis 10 Hz. Dadurch konnten maximale<br />

SAR-Werte im Gewebe von 500 MW/kg<br />

erzeugt werden. Die Temperaturerhöhung<br />

erreichte bei <strong>die</strong>ser Befeldung maximal 5,8<br />

Grad. Vor, während oder nach der Befeldung<br />

wurden <strong>die</strong> Schnitte elektrisch gereizt<br />

und zwei elektrische Antworten gemessen:<br />

einmal der „population spike“ (PS),<br />

eine kurzzeitige Impulsantwort mehrerer<br />

Neuronen, wenige Millisekunden nach dem<br />

Reiz, und zum anderen eine dar<strong>auf</strong> folgende<br />

„long term population“- Antwort<br />

(LTP), ein mehrere Millisekunden andauerndes<br />

Signal, das <strong>mit</strong> Speicherprozessen<br />

im Gehirn verknüpft sein soll. Lediglich<br />

PS wurde reversibel durch <strong>die</strong> Befeldung<br />

verändert, <strong>auf</strong> <strong>die</strong> LTP, also quasi <strong>auf</strong> Pro-<br />

zesse, <strong>die</strong> <strong>mit</strong> dem Gedächtnis verbunden<br />

sein könnten, hatten <strong>die</strong> Felder keinen Einfluss.<br />

Diese Befunde stehen im Widerspruch<br />

zu russischen Daten, <strong>die</strong> in der Arbeit ausführlich<br />

diskutiert werden. Die Autoren<br />

sehen den Grund für <strong>die</strong>se Unterschiede<br />

möglicherweise darin, dass dort kürzere<br />

Pulse höherer Intensität verwendet wurden<br />

(Pakhomov, A. G.; Doyle, J.; Stuck, B.<br />

E., and Murphy, M. R.: Effects of high power<br />

microwave pulses on synaptic transmission<br />

and long term potentiation in hippocampus.<br />

Bioelectromagnetics 24,174-<br />

181. 2003).<br />

Gibt es nicht-thermische<br />

Effekte beim therapeutischen Einsatz von<br />

Millimeterwellen? Die Gruppe um Szabo et<br />

al. hatte bereits in einer vorausgegangenen<br />

Arbeit Messungen an Kulturen menschlicher<br />

Hautzellen (Keratinozyten) durchgeführt,<br />

ohne einen deutlichen Effekt zu finden<br />

(vergleiche: „Neues aus der Wissenschaft“<br />

im Heft 1, 2002). Diese Untersuchungen<br />

wurden nun vertieft und <strong>auf</strong> andere<br />

Parameter ausgedehnt. Weder ein 61,2<br />

GHz Feld (0,77 kW/kg) noch ein stärkeres<br />

Feld der Frequenz von 42,25 GHz (37 kW/<br />

kg) zeigten nach 30 Minuten Bestrahlung<br />

einen nicht-thermischen Einfluss, weder <strong>auf</strong><br />

<strong>die</strong> Produktion eines <strong>die</strong> Chemotaxis der<br />

Zellen beeinflussenden Proteins (RANTES),<br />

noch <strong>auf</strong> <strong>die</strong> Expression des Hitzeschock-<br />

Proteins Hsp70 oder des Interferons IP10.<br />

Auch <strong>die</strong> Überlebensrate der Zellen, sowie<br />

deren Kommunikation untereinander durch<br />

Gap-junctions war nicht beeinflusst. Erst<br />

bei einer Erhöhung der Temperatur <strong>auf</strong> 43°C,<br />

konnten geringe Effekte gefunden werden.<br />

Leider wurde <strong>die</strong> nicht-signifikante Steigerung<br />

der Produktion von Interleukin IL-8<br />

nicht noch einmal überprüft, von der in der<br />

vorausgegangene <strong>Publikation</strong> berichtet<br />

wurde. Die Autoren kommen also zu dem<br />

Schluss, dass <strong>die</strong> klinische Anwendung <strong>die</strong>ser<br />

Strahlung unbedenklich sei. Umgekehrt<br />

erklären sie allerdings auch nicht <strong>die</strong> immer<br />

wieder behaupteten therapeutischen Wirkungen<br />

derartiger Behandlungen (Szabo,<br />

81<br />

NEWS l e t t e r 3 . 03 81


I.; Manning, M. R.; Radzlevsky, A. A.;<br />

Wetzel, M. A.; Rogers, T. J., and Ziskin, M.<br />

C.: Low power millimeter wave irradiation<br />

exerts no harmful effect on human keratinocytes<br />

in vitro. Bioelectromagnetics 24,<br />

165-173. 2003).<br />

schien eine Arbeit von de Pomerai et al.<br />

Neues aus der<br />

kg (750 MHz) zu einer signifikanten Pro-<br />

Wissen<br />

82 82<br />

82<br />

F F o o r r s s s c c h h u u n n g<br />

g<br />

NEWS l e t t e r 3 . 03<br />

Vor wenigen Jahren er-<br />

(Nature. 2000; 405, 417-418) in welcher<br />

nachgewiesen wurde, dass bei einem transgenen<br />

Wurm (Nematode: Caenorhabdidis<br />

elegans) bereits ein SAR-Wert von 1mW/<br />

duktion eines Hitzeschockproteins (HSP)<br />

führt. Diese Expression wird normalerweise<br />

in der Zelle ausgelöst, wenn so genannte<br />

Hitzeschock-Trankriptions-Faktoren (HSF),<br />

<strong>die</strong> sich immer im Zytoplasma befinden<br />

aggregieren und in den Kern gelangen. Die<br />

Autoren führten deshalb Modell-Experimente<br />

durch, in welchen sie <strong>die</strong> Hitzeaggregation<br />

von Proteinen (Rinderserum-<br />

Albumin) als Funktion der Zeit und der<br />

Temperatur <strong>mit</strong> und ohne Befeldung (1<br />

GHz, 0,5W) untersuchten. Dabei befand<br />

sich <strong>die</strong> Proteinlösung in Mikrowell-Platten<br />

im gleichen Brutschrank, einmal abgeschirmt,<br />

einmal in einer TEM-Zelle dem<br />

Feld ausgesetzt. tatsächlich konnte in kritischen<br />

Situationen (Exposition über längere<br />

Zeit bzw. bei höheren Temperaturen)<br />

eine signifikant stärkere Protein-Aggregation<br />

der befeldeten Proben gemessen werden.<br />

Untersuchungen an Rinder-Insulin,<br />

das zur Bildung von Fibrillen neigt, zeigt<br />

entsprechende Resultate. Die Autoren<br />

schätzen den SAR-Wert in den Proben <strong>mit</strong><br />

15-20 mW/kg im Mittel und 50 mW/kg im<br />

Maximum ab und betrachten <strong>die</strong> Resultate,<br />

unterstützt durch Temperaturmessungen<br />

als nicht-thermisch. Leider sind <strong>die</strong><br />

genauen Daten zu Dosimetrie nicht in der<br />

<strong>Publikation</strong> enthalten. (de Pomerai, D. I.;<br />

S<strong>mit</strong>h, B.; Dawe, A.; North, K.; S<strong>mit</strong>h, T.;<br />

Archer, D. B.; Duce, I. R.; Jones, D., and<br />

Candido, P. M.: Microwave radiation can<br />

alter protein conformation without bulk<br />

heating. FEBS Letters 543, 93-97. 2003).<br />

Nachdem bereits im Frühjahr<br />

<strong>die</strong> Arbeitsgruppe um Leif G. Salford<br />

Resultate über mögliche Wirkungen von<br />

Feldern des Mobilfunks <strong>auf</strong> <strong>die</strong> Bluthirnschranke<br />

von Ratten in einem quasi Vorabdruck<br />

in <strong>die</strong> Debatte warf, sind <strong>die</strong> Ergebnisse<br />

jetzt offiziell publiziert. Die<br />

Autoren befeldeten einmalig für zwei<br />

Stunden jeweils 8 Ratten in einem GSM-<br />

Feld, wobei sie Intensitäten von 0.24, 2.4<br />

und 24 W/m2 und entsprechend einen<br />

<strong>mit</strong>tleren SAR-Wert von 2, 20 und 200<br />

mW/kg angeben. Nach 50 Tagen wurden<br />

<strong>die</strong> Tiere präpariert und <strong>die</strong> Gehirne qualitativ<br />

histologisch untersucht. Dosis-abhängig,<br />

<strong>mit</strong> einer Sättigung ab 20 W/kg<br />

wurden signifikante neuronale Veränderungen<br />

im Cortex, Hippocampus und in<br />

Basalganglien festgestellt. Die Autoren sehen<br />

<strong>die</strong>s als Konsequenz der von ihnen<br />

früher publizierten Arbeit über angebliche<br />

Albumin-Durchlässigkeit der Blut-<br />

Hirn-Schranke nach Befeldung. Die bereits<br />

nach dem Vorabdruck von verschiedenen<br />

Seiten laut gewordene Kritik an <strong>die</strong>ser Arbeit<br />

ist in der vorliegenden Form nicht<br />

berücksichtigt. Diese Kritik beginnt bei der<br />

unklaren Dosimetrie (es wird zur näheren<br />

Erläuterung <strong>auf</strong> <strong>Publikation</strong>en von Martens<br />

et al. 1993 und eine Promotionsarbeit<br />

von Mamgren von 1998 verwiesen,<br />

<strong>die</strong> sich jedoch beide <strong>auf</strong> einen völlig anderen<br />

Frequenzbereich beziehen!) und<br />

Thermostatierung (lediglich thermostatierter<br />

Raum und Löcher in den Kästen. Keine<br />

Temperaturkontrolle während der Befeldung),<br />

und endet bei der Auswertung.<br />

Warum wurde ein einmaliges Befeldungsereignis<br />

von zwei Stunden erst nach 50<br />

Tagen untersucht? Falls es wirklich einen<br />

Effekt gegeben hätte, wäre er nach neurobiologischen<br />

Kenntnissen nach 50 Tagen<br />

repariert. Andererseits sind nach 50<br />

Tagen eine Reihe anderer Einflüsse möglich,<br />

inklusive Infektionen, <strong>die</strong> nachweislich<br />

zu Veränderungen der Blut-Hirn-<br />

Schranke führen. Die Aussage „highly significant“<br />

ist zwar durch ein p


wirkungen in Zusammenhang gebracht. Es<br />

ist ein Schlüsselenzym bei der Biosynthese<br />

verschiedener Polyamine, deren Konzentration<br />

man in <strong>die</strong>sem Experiment<br />

ebenfalls er<strong>mit</strong>telte. Es wurden vier Gruppen<br />

zu jeweils 45-49 Tieren gebildet, etwa<br />

zur Hälfte aus normalen, zur Hälfte aus<br />

transgenen Mäusen bestehend. Neben einer<br />

Käfig-Kontrolle gab es eine scheinbefeldete<br />

Gruppe und zwei exponierte<br />

Gruppen, von denen <strong>die</strong> eine Feldern der<br />

amerikanischen DAMPS-Norm (849 MHz,<br />

50 Hz-Pulse), <strong>die</strong> andere solchen der GSM-<br />

Norm (902,4 MHz, 217 Hz-Pulse) ausge-<br />

chaft<br />

setzt wurden. Die Versuche dauerten 50<br />

Wochen, wobei man <strong>die</strong> Tiere an 5 Tagen<br />

pro Woche jeweils für 1,5 Stunden pro<br />

Tag einem Ganzkörper SAR-Wert aussetzte,<br />

der im Zeit<strong>mit</strong>tel 0,5 W/kg betrug, während<br />

der Puls-Dauer jedoch 1,5 W/kg<br />

(DAMPS) bzw. 4,0 W/kg (GSM). Die UV-<br />

Bestrahlung erfolgte an drei Tagen der<br />

Woche <strong>mit</strong> einem simulierten Sonnenspektrum<br />

und betrug das 1,2-fache der minimalen<br />

Erythem-Dosis des Menschen (240<br />

J/m2 ). Während der Befeldung in einem<br />

rechtwinkligen Wellenleiter befanden sich<br />

<strong>die</strong> Tiere in einem länglichen Acryl-Käfig,<br />

der ihnen eine gewisse Beweglichkeit erlaubte,<br />

jedoch <strong>die</strong> Ausrichtung parallel zu<br />

den elektrischen Feldlinien garantierte.<br />

Gewichtskontrolle, biochemische Urin-<br />

Untersuchungen und Beobachtungen der<br />

bestrahlten Haut wurden täglich durchgeführt,<br />

eine genaue histologische Kontrolle<br />

erfolgte nach Abschluss des Experimentes.<br />

Lediglich <strong>die</strong> Differenz des Körpergewichtes<br />

aller anderen Tiere (auch der<br />

schein-befeldeten) gegenüber den Käfig-<br />

Kontrollen war unterschiedlich und erklärt<br />

sich natürlich aus dem Stress-Verhalten<br />

der Mäuse im Expositions-Gefäß. Die biochemischen<br />

Tests zeigten keine Unterschiede<br />

der befeldeten Tiere, obgleich <strong>die</strong> transgenen<br />

Mäuse natürlich einen höheren ODC-<br />

Wert <strong>auf</strong>wiesen. Es konnte auch kein signifikanter<br />

Unterschied in der Kinetik des<br />

Krebswachstums zwischen befeldeten und<br />

unbefeldeten Tieren er<strong>mit</strong>telt werden. Ein<br />

geringer Anstieg bei den befeldeten Mäusen<br />

ist entweder <strong>auf</strong> eine statistische<br />

Schwankung zurückzuführen, oder <strong>auf</strong> einen<br />

Effekt, der vernachlässigbar gering ist.<br />

Dieser Test entspricht dem üblichen Vorgehen<br />

zur Kontrolle kanzerogener Wirkungen<br />

verschiedener Chemikalien, wo er sich<br />

als sehr empfindlich erweist (Heikkinen,<br />

P., Kosma, V. M., Alhonen, L., Huuskonen,<br />

H., Komulainen, H., Kumlin, T., Laitinen,<br />

J. T., Lang, S., Puranen, L., and Juutilainen,<br />

J.: Effects of mobile phone radiation<br />

on UV-induced skin tumourigenesis in ornithine<br />

decarboxylase transgenic and nontransgenic<br />

mice. Intern. J. Radiat. Biol.<br />

79, 221-233. 2003).<br />

Haben Felder des Mobilfunks<br />

Einfluss <strong>auf</strong> <strong>die</strong> Schwangerschaft?<br />

Eine japanische Arbeitsgruppe untersuchte<br />

<strong>die</strong> Physiologie von Ratten am 10.-11. Tag<br />

der Trächtigkeit unter dem Einfluss von<br />

Hf-Feldern (915 MHz), <strong>die</strong> zu einer geringen<br />

(0,6 mW/cm2, entsprechend 0,4 W/<br />

kg, ca. 1° C) oder stärkeren (3 mW/cm2 ,<br />

entsprechend 2 W/kg, ca. 3,5°C) Erhöhung<br />

der Körpertemperatur führten, und verglich<br />

<strong>die</strong>se <strong>mit</strong> Veränderungen bei Tieren,<br />

<strong>die</strong> sich in einem Wasserbad von 38° oder<br />

40°C befanden und <strong>die</strong> gleichen Erwärmungen<br />

erfuhren. Die Durchblutung des<br />

Uterus, sowie <strong>die</strong> hormonale und immunologischen<br />

Veränderungen wurden gemessen.<br />

Nach 90 Minuten Exposition<br />

zeigten zwar <strong>die</strong> erwärmten Ratten, gleich<br />

ob im HF-Feld oder im Wärmebad, gewisse<br />

Veränderungen <strong>die</strong>ser Parameter, es<br />

konnten aber keine spezifischen Feldeffekte<br />

gemessen werden. (Nakamura, H.,<br />

Matsuzaki, I., Hatta, K., Nobukuni, Y.,<br />

Kambayashi, Y., and Ogino, K.: Nonthermal<br />

effects of mobile-phone frequency microwaves<br />

on uteroplacental functions in<br />

pregnant rats. Reproductive Toxicology<br />

17, 321-326. 2003).<br />

Untersuchungen über den<br />

Einfluss von Feldern des Mobiltelefons <strong>auf</strong><br />

das EEG zeigten bisher, wenn überhaupt,<br />

dann zumeist kaum signifikante und reproduzierbare<br />

Ergebnisse. Nach Meinung<br />

von Andrew Marino liegt das daran, dass<br />

<strong>die</strong> zumeist verwendete Fourier-Analyse<br />

der Messkurven mögliche dynamische Änderungen,<br />

<strong>die</strong> durch das Feld erzeugt sein<br />

könnten, herauswirft. Um in <strong>die</strong>sem nichtlinearen<br />

chaotischen System der EEG-Entstehung<br />

im Gehirn Einflüsse <strong>mit</strong> einer hohen<br />

Empfindlichkeit zu erfassen, müsse<br />

man vielmehr ein adäquates Auswertesystem<br />

verwenden, zum Beispiel <strong>die</strong> speziell<br />

für nicht-lineare Systeme entwickelte Zeit-<br />

Reihen-Analyse RQA (Recurrence Quantification<br />

Analysis). Diese nutzten <strong>die</strong> Autoren<br />

für <strong>die</strong> Untersuchung des EEG von<br />

Kaninchen, wobei <strong>die</strong> Befeldung wechselweise<br />

durch zwei, von einem Mobiltelefon<br />

(SPUT, Model SW203, 824-849 MHz,<br />

600 mW) gesteuerte Antennen erfolgte,<br />

von denen <strong>die</strong> eine dicht über dem Kopf<br />

des Tieres, <strong>die</strong> andere in 3 m Entfernung<br />

dahinter angebracht war (leider fehlt eine<br />

genaue Dosimetrie!). Die in einer Plexiglas-Box<br />

fixierten Tiere wurden nach 5<br />

Minuten Eingewöhnung, <strong>mit</strong> 5 Sekunden<br />

feldfreier Pause dazwischen, 60 mal<br />

jeweils 2 Sekunden lang befeldet,<br />

wechselweise <strong>mit</strong> der Nah- bzw. der Fern-<br />

Antenne. Als Positiv-Kontrolle <strong>die</strong>nte eine<br />

rote Leuchtdiode. 100 ms nach Einschaltung<br />

des Feldes und bis 300 ms danach<br />

konnte bei 9 von 10 untersuchten Tieren<br />

bei Befeldung <strong>mit</strong> der kopfnahen Antenne<br />

eine <strong>mit</strong> p


Nachrichten<br />

Die FGF präsentiert<br />

ihre Arbeit <strong>auf</strong><br />

dem FITCE Kongress<br />

in Berlin<br />

Vom 4. bis 6. September 2003 fand in<br />

Berlin der zweiundvierzigste Kongress des<br />

FITCE (Verband der Telekommunikationsingenieure<br />

der Europäischen Union) statt.<br />

Der FITCE Verband, eine internationale<br />

Organisation <strong>mit</strong> wissenschaftlichen und<br />

kulturellen Zielen, veranstaltet seit 1962<br />

jedes Jahr im Herbst einen internationalen<br />

Kongress, <strong>auf</strong> dem sich Experten der jeweiligen<br />

Mitgliedsorganisationen zu aktuellen<br />

Themen der Telekommunikation<br />

austauschen können. Vor 25 Jahren fand<br />

schon einmal ein FITCE Kongress in Berlin<br />

statt – damals allerdings noch in einem<br />

geteilten Berlin.<br />

Der <strong>die</strong>sjährige Kongress in Berlin stand<br />

unter dem Motto „Evolving Communications:<br />

Making Human Dreams Real“. Die<br />

an den drei Tagen in vielen Fachvorträgen<br />

behandelten Themen deckten ein breites<br />

Spektrum ab, unter anderem auch im Bereich<br />

Mobilfunk, wobei hier vor allem<br />

UMTS und Wireless LANs im Zentrum des<br />

Interesses standen.<br />

Die Forschungsgemeinschaft Funk hatte<br />

<strong>die</strong> Gelegenheit, sich <strong>auf</strong> <strong>die</strong>ser Veranstaltung,<br />

an der etwa 200 Experten aus ganz<br />

Europa teilnahmen, <strong>mit</strong> einer Poster Ausstellung<br />

zu präsentieren. Auf einer Reihe<br />

von Schautafeln wurden <strong>die</strong> Ziele der FGF<br />

sowie ihre Mitglieder- und Organisationsstruktur<br />

dargestellt. Außerdem wurde an-<br />

Impressum<br />

FITCE<br />

Kongress<br />

84 84<br />

84<br />

NEWS l e t t e r 3 . 03<br />

hand einiger ausgewählter Beispiele gezeigt,<br />

welche Resultate <strong>die</strong> Forschungs<strong>auf</strong>träge<br />

der FGF bisher bereits erbracht haben.<br />

Zwei neue<br />

Workshops der FGF<br />

Die Forschungsgemeinschaft Funk e.V.<br />

wird noch in <strong>die</strong>sem Jahr zwei Workshops<br />

in Zusammenarbeit <strong>mit</strong> der Europäischen<br />

Aktion COST 281 veranstalten, deren Themenstellungen<br />

<strong>auf</strong> großes weltweites Interesse<br />

gestoßen sind. Wie auch in den<br />

vorhergehenden Jahren wird eine rege Beteiligung<br />

von international anerkannten<br />

Wissenschaftlern aus aller Welt erwartet.<br />

So findet <strong>vom</strong> 3. bis 6. November 2003<br />

im Schloss Reisensburg in der Nähe von<br />

Neu-Ulm (Bayern) der Workshop „The<br />

Blood-Brain Barrier (BBB) – Can it be influenced<br />

by RF-field interactions?” statt.<br />

Die Ankündigung des Workshops im Internet<br />

wurde sofort so positiv <strong>auf</strong>genommen,<br />

dass er schon kurz nach Bekanntgabe<br />

überbucht war.<br />

Zusätzlich findet <strong>vom</strong> 7. bis 10. Dezember<br />

2003 in Schloss Hersberg, Immenstaad<br />

(Baden-Württemberg), der Workshop<br />

“Can electromagnetic fields used in mobile<br />

communications provoke sleep disorders?”<br />

statt. Dieser Workshop wird durch<br />

das Umweltministerium des Landes Baden-<br />

Württemberg aktiv unterstützt.<br />

Auch <strong>die</strong>ses Thema ist offensichtlich von<br />

großem internationalem Interesse. Wer hier<br />

noch teilnehmen möchte, sollte sich so<br />

schnell wie möglich bei der FGF unter<br />

info@fgf.de anmelden.<br />

Impressum<br />

Newsletter der FGF e.V.<br />

Herausgeber:<br />

Forschungsgemeinschaft Funk e.V.<br />

Rathausgasse 11a<br />

D-53111 Bonn<br />

Telefon: 0228 / 726 22-0<br />

Telefax: 0228 / 726 22 11<br />

E-Mail: info@fgf.de<br />

Internet: http://www.fgf.de<br />

Konzeption und Redaktion:<br />

Gerd Friedrich (verantw.),<br />

Gudrun Westendörpf<br />

Urheberrechte:<br />

Namentlich gekennzeichnete<br />

Beiträge sind urheberrechtlich<br />

geschützt und stellen nicht<br />

immer <strong>die</strong> Meinung der<br />

Redaktion dar.<br />

Entwurf, Layout, Grafik:<br />

setz it. Richert GmbH, Sankt Augustin<br />

Bildnachweis:<br />

Franke: S. 1, 13, 42, 46, 52, 54, 56, 58,<br />

60, 64, 68, 70, 72, 76, 78 und Fotos<br />

Rubriken S. 2-78<br />

Reißenweber: S.. 15, 18, 25, 30, 34, 39<br />

Erscheinungsweise:<br />

4 x jährlich<br />

Auflage:<br />

4.500 Exemplare<br />

Nachdruck und Reproduktion<br />

erwünscht<br />

ISSN 0949-8745

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