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Margit Schönberger<br />
Katja Maybach<br />
KLEIDER FRAUEN<br />
STORYS<br />
W<strong>om</strong><strong>en</strong>
KLEIDER FRAUEN<br />
STORYS<br />
W<strong>om</strong><strong>en</strong>
Margit Schönberger<br />
Katja Maybach<br />
KLEIDER FRAUEN STORYS<br />
W<strong>om</strong><strong>en</strong><br />
KNESEBECK
INHALT<br />
8 | VORWORT<br />
12 | DAS ERSTE TOPMODEL<br />
Sisi – die ewig unvergess<strong>en</strong>e Kaiserin<br />
14 | BLICKDICHT<br />
YSL – <strong>de</strong>r König <strong>de</strong>s Hos<strong>en</strong>anzugs<br />
16 | CHIQUITA<br />
Wie die Baker die Banane berühmt machte<br />
20 | EVERGREEN<br />
Ein Blum<strong>en</strong>mädch<strong>en</strong> wird zur Lady<br />
22 | »THAT DRESS«<br />
Das bezaubern<strong>de</strong> Provisorium<br />
24 | BIG BANG DER MODE<br />
Im Land <strong>de</strong>r Kokosnüsse<br />
30 | VORDENKER DER MODE<br />
Rudi Gernreich –<br />
<strong>de</strong>r Barrikad<strong>en</strong>stürmer<br />
34 | »LA DOLCE VITA«<br />
und die Frage <strong>de</strong>r Statik<br />
36 | LIKE A VIRGIN?<br />
Nicht je<strong>de</strong> Madonna ist eine Heilige
38 | EDELBÄUERIN<br />
Marl<strong>en</strong>e und R<strong>om</strong>y einmal ganz an<strong>de</strong>rs<br />
40 | TUXEDO RAG<br />
Marl<strong>en</strong>e rauchte nicht – sie küsste<br />
46 | DER MODE-KLEMPNER<br />
»Klamott<strong>en</strong>« mit Hak<strong>en</strong> und Ös<strong>en</strong><br />
48 | MR. BIG HEIRATET<br />
Das Kleid, das alle Bräute woll<strong>en</strong><br />
50 | PRIMADONNA ASSOLUTA<br />
Die Callas – Königin <strong>de</strong>r Oper und <strong>de</strong>r Mo<strong>de</strong><br />
52 | HAPPY BIRTHDAY<br />
Eine Leg<strong>en</strong><strong>de</strong> nam<strong>en</strong>s Marilyn<br />
60 | DAS BLUTKOSTÜM<br />
Die Witwe trug Giv<strong>en</strong>chy<br />
62 | KAROMANIA. VERY BRITISH!<br />
Was die Que<strong>en</strong> und Col<strong>om</strong>bo<br />
gemeinsam hab<strong>en</strong><br />
66 | GEISHA-ROMANTIK<br />
Man<strong>de</strong>läugige Mo<strong>de</strong>grüße aus Fernost<br />
68 | GOLDEN BOYS<br />
Die Shootingstars <strong>de</strong>r Mo<strong>de</strong><br />
70 | HIMMLISCHE FEDERN<br />
Yves und Zizi Jeanmaire<br />
72 | FRÜHSTÜCK BEI TIFFANY<br />
Audrey – die schönste Frau <strong>de</strong>r Welt<br />
78 | REICHLICH DURCHBLICK<br />
Cher – die Frau, die abräumt<br />
80 | LADY DI – »HERZDAME«<br />
V<strong>om</strong> Schäfch<strong>en</strong>pulli-Mädch<strong>en</strong> zur Stil-Ikone<br />
86 | LUXUS IST –<br />
ein an<strong>de</strong>res Wort für Dior<br />
90 | FUNKELNDE NACKTHEIT<br />
So holte Marl<strong>en</strong>e die Sterne v<strong>om</strong> Himmel<br />
92 | RAUSCHENDE RÖCKE<br />
»V<strong>om</strong> Win<strong>de</strong> verweht« – für immer<br />
und ewig
94 | HOSENLADYS<br />
Skandalmo<strong>de</strong> – schlimmer als<br />
die Polizei erlaubt<br />
100 | EVA(S) KOSTÜM<br />
Trinkt Dita Champagner o<strong>de</strong>r Martini?<br />
102 | OPTISCHE TÄUSCHUNG<br />
Als die Bil<strong>de</strong>r eckig wurd<strong>en</strong><br />
104 | MAMAS LIEBLING<br />
Bettgefl üster on the Rock’s<br />
106 | TUPFEN, DIE DIE WELT BEWEGEN<br />
114 | EYES WIDE SHUT …<br />
Sharon Stone und <strong>de</strong>r »Basic Instinct«<br />
116 | DIE LIEBESGÖTTIN<br />
Als Rita (Hayworth) ihre Handschuhe auszog<br />
118 | HITCHCOCK MACHT MODE<br />
Wie Grace Kelly Monaco gerettet hat<br />
124 | HOT PANTS<br />
Das Gesicht <strong>de</strong>r Swinging Sixties<br />
126 | JENSEITS VON AFRIKA<br />
Ein Kontin<strong>en</strong>t macht Mo<strong>de</strong><br />
128 | FARBENRAUSCH<br />
Als wir Buntes buchstabier<strong>en</strong> lernt<strong>en</strong><br />
130 | MADEMOISELLE »JE T’AIME«<br />
BB – eine Frau wird Kult<br />
134 | DER KLEINE PRINZ – GANZ GROSS<br />
136 | ATEMLOS …<br />
… gestern, heute, morg<strong>en</strong><br />
142 | ACH DU LIEBER SCHWAN …<br />
Warum man die Dietrich nicht kopier<strong>en</strong> kann
144 | DIE KASCHMIR-QUEEN<br />
Jil San<strong>de</strong>r – die Minimalistin<br />
146 | SCHICKSALSKLEID<br />
Soraya – die Königin <strong>de</strong>r Trän<strong>en</strong><br />
148 | DIE GEFLECKTE FRAU<br />
Jagdsz<strong>en</strong><strong>en</strong> aus <strong>de</strong>m Großstadtdschungel<br />
156 | GOOD BYE, BAD BOY<br />
Nachruf auf ein G<strong>en</strong>ie<br />
158 | DER KÖNIG GEHT<br />
Skandalhochzeit im Hause Windsor<br />
162 | SO VIEL KNIE …<br />
Wie Mary Quants Mini die Welt eroberte<br />
168 | NINO GOES HOLLYWOOD<br />
Julias Rot ist zauberhaft<br />
170 | AMERIKAS KÖNIGIN<br />
Jackie wird die First Lady <strong>de</strong>r Mo<strong>de</strong><br />
172 | WILD THING …<br />
… you make my heart sing.<br />
178 | CARY IM LIEBESRAUSCH<br />
Es ist nicht alles Gold, was glänzt<br />
180 | KÜSSCHEN, KÜSSCHEN<br />
Gaultier zeigt so viel »Frau« wie noch nie<br />
182 | LULLABY DER MODE<br />
Ausgezog<strong>en</strong> gut angezog<strong>en</strong><br />
188 | »WORLD’S END«<br />
Provokation – <strong>de</strong>in Name ist<br />
Vivi<strong>en</strong>ne Westwood<br />
190 | AS TIME GOES BY<br />
Ein Mann und (s)ein Mantel
»KLEIDER<br />
MACHEN<br />
LEUTE«<br />
So überschrieb Gottfried Keller eine seiner bekanntest<strong>en</strong> Novell<strong>en</strong>,<br />
und natürlich hat er Recht mit <strong>de</strong>r darin <strong>en</strong>thalt<strong>en</strong><strong>en</strong> These,<br />
die dies<strong>en</strong> Titel bis heute zum gefl ügelt<strong>en</strong> Wort gemacht hat.<br />
Aber die Geschicht<strong>en</strong>, die hinter Klei<strong>de</strong>rn und ihr<strong>en</strong> g<strong>en</strong>ial<strong>en</strong> Schöpfern<br />
steck<strong>en</strong>, beweis<strong>en</strong>, dass es auch umgekehrt funktioniert. Wer zum richtig<strong>en</strong><br />
Zeitpunkt auf d<strong>en</strong> richtig<strong>en</strong> Mo<strong>de</strong>macher o<strong>de</strong>r Kostümbildner trifft<br />
und <strong>de</strong>ss<strong>en</strong> Kreation trägt, <strong>de</strong>ss<strong>en</strong> Schicksal kann sich abrupt verän<strong>de</strong>rn.<br />
Klei<strong>de</strong>r hab<strong>en</strong> Karrier<strong>en</strong> beför<strong>de</strong>rt, Eh<strong>en</strong> gestiftet und weltweite Tr<strong>en</strong>ds<br />
ausgelöst. Was wäre aus <strong>de</strong>m Smoking für Frau<strong>en</strong> geword<strong>en</strong>, w<strong>en</strong>n Marl<strong>en</strong>e<br />
Dietrich in »Marokko« ein Ab<strong>en</strong>dkleid getrag<strong>en</strong> hätte? O<strong>de</strong>r was<br />
aus <strong>de</strong>m Audrey-Hepburn-Look, w<strong>en</strong>n Billy Wil<strong>de</strong>r die »schönste Frau<br />
<strong>de</strong>r Welt« damals nicht zu Giv<strong>en</strong>chy nach Paris geschickt hätte? Sisi,<br />
die berühmte Kaiserin, wäre ohne Charles Fre<strong>de</strong>rick Worth nicht<br />
das erste Topmo<strong>de</strong>l und die Stilikone ihrer Zeit geword<strong>en</strong>. Sie<br />
interessierte sich eig<strong>en</strong>tlich nicht für Mo<strong>de</strong> und wäre ohne dies<strong>en</strong><br />
in Paris leb<strong>en</strong>d<strong>en</strong> Englän<strong>de</strong>r (und seine raffi niert<strong>en</strong> PR-<br />
Method<strong>en</strong>) nie zum modisch<strong>en</strong> Vorbild ihrer Zeit geword<strong>en</strong>.<br />
So wie 100 Jahre später Lady Di, die sogar mit einem harmlos<strong>en</strong><br />
Schäfch<strong>en</strong>pullover Furore machte.<br />
Was wär<strong>en</strong> all die herrlich<strong>en</strong> Filme und großartig<strong>en</strong> Schauspieler<br />
ohne die Kostümbildner, die ihn<strong>en</strong> mit Hilfe<br />
ihrer Entwürfe Glanz, Glamour und Unvergesslichkeit<br />
gesch<strong>en</strong>kt hab<strong>en</strong>? Und wie<br />
trist wäre die Welt ohne die groß<strong>en</strong><br />
Couturiers, die ihr mit ihr<strong>en</strong> Kreation<strong>en</strong> ein<br />
farbiges und modisches Gesicht verleih<strong>en</strong>? Mo<strong>de</strong> ist ein unverzichtbarer<br />
Teil unserer Kultur, so wie Literatur, Malerei, Musik und Architektur.<br />
Mo<strong>de</strong>schöpfer und Kostümbildner – oft sind sie bei<strong>de</strong>s –
sind s<strong>en</strong>sible Wes<strong>en</strong>, die in ihr<strong>en</strong><br />
Mo<strong>de</strong>ll<strong>en</strong> ausdrück<strong>en</strong>, wie die Welt <strong>de</strong>mnächst<br />
tickt und wie wir uns dabei kollektiv fühl<strong>en</strong>. Mary Quant hat<br />
mit ihrem Minirock und d<strong>en</strong> heiß<strong>en</strong> Hösch<strong>en</strong> nichts an<strong>de</strong>res getan als die<br />
Stud<strong>en</strong>t<strong>en</strong> damals auf d<strong>en</strong> Straß<strong>en</strong>: Sie hat alte Zöpfe abgeschnitt<strong>en</strong> und<br />
d<strong>en</strong> Gefühl<strong>en</strong> einer ganz<strong>en</strong> G<strong>en</strong>eration in Form einer Mo<strong>de</strong>revolution<br />
Luft gemacht.<br />
Ursprünglich wollt<strong>en</strong> wir ein <strong>Buch</strong> über die 100 berühmtest<strong>en</strong><br />
Klei<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r Welt mach<strong>en</strong>. Schon bald war klar, dass eine Eingr<strong>en</strong>zung<br />
auf eine so »kleine« Zahl unmöglich ist. Nun sind es viel mehr geword<strong>en</strong>,<br />
Klei<strong>de</strong>r und Kleidungsstücke, die alle aus ganz verschied<strong>en</strong><strong>en</strong> Gründ<strong>en</strong><br />
in unserem kollektiv<strong>en</strong> Gedächtnis verankert sind. Es sind auch unsere<br />
Lieblingsmo<strong>de</strong>lle, und wir verbind<strong>en</strong> mit all<strong>en</strong> positive Erinnerung<strong>en</strong><br />
an d<strong>en</strong> Aug<strong>en</strong>blick, als wir sie zum erst<strong>en</strong> Mal in einem Film, auf einem<br />
Foto o<strong>de</strong>r vielleicht sogar im real<strong>en</strong> Leb<strong>en</strong> geseh<strong>en</strong> hab<strong>en</strong>.<br />
Mo<strong>de</strong> ist nichts, das M<strong>en</strong>sch<strong>en</strong> einfach nur mitmach<strong>en</strong>, weil es<br />
gera<strong>de</strong> »in« ist. Klei<strong>de</strong>r strahl<strong>en</strong> faszinier<strong>en</strong><strong>de</strong> Signale aus, und im best<strong>en</strong><br />
Fall erfreut ihr Anblick und ihr Flair alle Sinne. Bestimmte Klei<strong>de</strong>r sind mit<br />
Schicksal<strong>en</strong> verbund<strong>en</strong> – <strong>de</strong>m <strong>de</strong>r Macher, <strong>de</strong>m <strong>de</strong>r Träger und <strong>de</strong>m <strong>de</strong>r<br />
Betrachter. Dieses <strong>Buch</strong> soll solche Erinnerungsm<strong>om</strong><strong>en</strong>te weck<strong>en</strong>.<br />
Vorwort<br />
9
KLEIDER FRAUEN STORYS
DAS ERSTE<br />
TOPMODEL<br />
Sisi – die ewig<br />
unvergess<strong>en</strong>e Kaiserin<br />
Die Kaiserin mit<br />
ihrem Hund<br />
Houseguard. Noch<br />
ganz konservativ<br />
in schwerem Samt.<br />
Sisi in duftiger,<br />
schimmern<strong>de</strong>r Robe,<br />
die auch zu Lady Di<br />
gepasst hätte.<br />
Mit ihr hat alles begonn<strong>en</strong>. Mit <strong>de</strong>r klein<strong>en</strong> Provinza<strong>de</strong>lig<strong>en</strong> aus<br />
Poss<strong>en</strong>hof<strong>en</strong> am Starnberger See. Es war Elisabeth nicht an<br />
<strong>de</strong>r Wiege gesung<strong>en</strong> word<strong>en</strong>, dass sie einmal Kaiserin von<br />
Österreich und Königin von Ungarn und Böhm<strong>en</strong> sein wür<strong>de</strong>. Und die<br />
erste Frau <strong>de</strong>r Geschichte, die zum international gefeiert<strong>en</strong> Medi<strong>en</strong>star<br />
avanciert. Das kleine, fast bäuerlich aufgewachs<strong>en</strong>e Mädch<strong>en</strong> aus Bayern<br />
wur<strong>de</strong> nicht nur zur berühmtest<strong>en</strong> Kaiserin aller Zeit<strong>en</strong>, zur märch<strong>en</strong>haft<strong>en</strong><br />
Vorlage für Film- und Bühn<strong>en</strong>regisseure auf <strong>de</strong>r ganz<strong>en</strong> Welt – »Sisi«<br />
war auch Europas erstes Topmo<strong>de</strong>l.<br />
1,72 Meter groß und nur 50 Kilogramm schwer, war sie im vorvorig<strong>en</strong><br />
Jahrhun<strong>de</strong>rt eine optische Ausnahmeerscheinung. Da sie das<br />
Wi<strong>en</strong>er Hofzeremoniell langweilte, widmete sie ihre Zeit fast ausschließlich<br />
<strong>de</strong>r Schönheitspfl ege. Allein das Frisier<strong>en</strong> ihres prachtvoll<strong>en</strong>, bod<strong>en</strong>lang<strong>en</strong><br />
Haares – das mit Ei und Cognac gewasch<strong>en</strong> wur<strong>de</strong> – beanspruchte<br />
jed<strong>en</strong> Tag viele Stund<strong>en</strong>. Eb<strong>en</strong>so das Einnäh<strong>en</strong> und wie<strong>de</strong>r Herauslös<strong>en</strong><br />
aus ihr<strong>en</strong> Klei<strong>de</strong>rn – <strong>de</strong>r Reißverschluss war noch nicht erfund<strong>en</strong>.<br />
Elisabeth war also in je<strong>de</strong>r Beziehung die i<strong>de</strong>ale Frau, um die<br />
Mo<strong>de</strong>lle <strong>de</strong>s erst<strong>en</strong> Mo<strong>de</strong>schöpfers <strong>de</strong>r Welt zu trag<strong>en</strong>. Er hieß Charles<br />
Fre<strong>de</strong>rick Worth und <strong>en</strong>twarf im Paris <strong>de</strong>r 1850er-Jahre Seid<strong>en</strong>klei<strong>de</strong>r, für<br />
die die Frau<strong>en</strong> <strong>de</strong>r Reich<strong>en</strong> und Superreich<strong>en</strong> bei ihm Schlange stand<strong>en</strong>.<br />
Er wollte jedoch mehr sein als <strong>de</strong>r Mo<strong>de</strong>könig Frankreichs. Und ersann<br />
die erste PR-I<strong>de</strong>e <strong>de</strong>r Mo<strong>de</strong>welt: Die Frau <strong>de</strong>s österreichisch<strong>en</strong> Botschafters<br />
in Paris erhielt seine Klei<strong>de</strong>r zum Nulltarif und machte mit ihrer modisch<strong>en</strong><br />
Extravaganz die Kaiserin in Wi<strong>en</strong> auf dies<strong>en</strong> erst<strong>en</strong> europäisch<strong>en</strong><br />
Mo<strong>de</strong>macher aufmerksam. Auf diese raffi nierte Weise gewann Worth<br />
die schöne Kaiserin <strong>de</strong>s k.u.k. Reiches als Kundin. Sie machte ihn weltberühmt.<br />
(Das extravagante und noch immer beliebte Worth-Parfüm »Je<br />
Revi<strong>en</strong>s« ist dieser Geburtsstun<strong>de</strong> <strong>de</strong>r Mo<strong>de</strong> gewidmet.)<br />
12 <strong>Pretty</strong> W<strong>om</strong><strong>en</strong>
Sisi<br />
13
BLICKDICHT<br />
YSL – <strong>de</strong>r König <strong>de</strong>s Hos<strong>en</strong>anzugs<br />
Eine Freundschaft<br />
fürs Leb<strong>en</strong>: die<br />
D<strong>en</strong>euve und YSL,<br />
<strong>de</strong>r Großmeister<br />
<strong>de</strong>r Mo<strong>de</strong>.<br />
Na<strong>om</strong>i Campbell,<br />
die YSL verdankt,<br />
dass sie auf<br />
die international<strong>en</strong><br />
Titelseit<strong>en</strong> kam.<br />
Er konnte es sich leist<strong>en</strong>, in <strong>de</strong>r Werbekampagne für sein Herr<strong>en</strong>parfüm<br />
splitternackt zu posier<strong>en</strong>. Das gab zwar ein<strong>en</strong> Skandal,<br />
aber auch das konnte sich Yves Saint Laur<strong>en</strong>t leist<strong>en</strong> – ja er war es<br />
sogar gewohnt. Er ist <strong>de</strong>r Mo<strong>de</strong>macher <strong>de</strong>s 20. Jahrhun<strong>de</strong>rts, <strong>de</strong>r »Revolutionär«,<br />
<strong>de</strong>r alle an<strong>de</strong>r<strong>en</strong> überragt und <strong>de</strong>r im wahrst<strong>en</strong> Sinne <strong>de</strong>s Wortes<br />
stilbild<strong>en</strong>d wirkte. Noch als Assist<strong>en</strong>t von Christian Dior erfand er das<br />
Trapezkleid, das die Frau<strong>en</strong> von <strong>de</strong>r Wesp<strong>en</strong>taille erlöste. Sein Mondrian-<br />
Kleid krönte die Pop-Art, sein Nu<strong>de</strong>-Look machte Skandal, er setze Jersey<br />
durch, als es noch von all<strong>en</strong> als Unterschicht<strong>en</strong>-Material abgelehnt wur<strong>de</strong>.<br />
Man könnte die Aufzählung seiner modisch<strong>en</strong> Innovation<strong>en</strong> <strong>en</strong>dlos fortsetz<strong>en</strong>.<br />
Seine größte Tat war wohl die Erfi ndung <strong>de</strong>s Hos<strong>en</strong>anzugs und<br />
<strong>de</strong>r Smoking-Look für Frau<strong>en</strong>, als man das Wort »androgyn« noch kaum<br />
buchstabier<strong>en</strong> konnte.<br />
Die »Looks«, die von YSL ausging<strong>en</strong>, kam<strong>en</strong> fast alle auch bei d<strong>en</strong><br />
Frau<strong>en</strong> an, die sich Haute Couture nicht leist<strong>en</strong> konnt<strong>en</strong>. Das traf für d<strong>en</strong><br />
»Schiwago«-Look mit seiner Midi-Länge und d<strong>en</strong> schafthoh<strong>en</strong> Stiefeln<br />
eb<strong>en</strong>so zu wie für d<strong>en</strong> Safari-Look und d<strong>en</strong> »E<strong>de</strong>lbäuerinn<strong>en</strong>«-Look. Sein<br />
»Opium« ist eb<strong>en</strong>so bekannt wie »Chanel Nr. 5«.<br />
Er war <strong>de</strong>r Erste, <strong>de</strong>r schwarze Mo<strong>de</strong>ls über d<strong>en</strong> Catwalk schickte<br />
und <strong>de</strong>r Zeitschrift, die Na<strong>om</strong>i Campbell weg<strong>en</strong> ihrer Hautfarbe nicht auf<br />
<strong>de</strong>r Titelseite abbild<strong>en</strong> wollte, erfolgreich mit Anzeig<strong>en</strong>-Stopp drohte. Er<br />
liebte und sammelte Kunst, und die Zimmer in seinem Schloss in Deauville<br />
trug<strong>en</strong> die Nam<strong>en</strong> <strong>de</strong>r Figur<strong>en</strong> aus Marcel Prousts R<strong>om</strong>an »Auf <strong>de</strong>r<br />
Suche nach <strong>de</strong>r verlor<strong>en</strong><strong>en</strong> Zeit«. Und er liebte seine Mus<strong>en</strong>, zu d<strong>en</strong><strong>en</strong><br />
auch Catherine D<strong>en</strong>euve gehörte. Die große französische Filmleg<strong>en</strong><strong>de</strong><br />
zählte zu sein<strong>en</strong> Freundinn<strong>en</strong>. Sie sang bei seiner Abschieds-Show ein<br />
Liebeslied. Stellvertret<strong>en</strong>d für alle Frau<strong>en</strong> <strong>de</strong>r Welt.<br />
14 <strong>Pretty</strong> W<strong>om</strong><strong>en</strong>
Yves Saint Laur<strong>en</strong>t 15
Zwei verwandte<br />
Seel<strong>en</strong>: Josephine<br />
Baker und ihr<br />
Gepard »Chiquita«.<br />
Die berühmteste<br />
»Glie<strong>de</strong>rpuppe«<br />
ihrer Zeit – und<br />
Bürgerschreck<br />
zugleich.<br />
CHIQUITA<br />
Wie die Baker die Banane<br />
berühmt machte<br />
Es ist fast eine Ironie <strong>de</strong>s Schicksals, dass Josephine Baker ausgerechnet<br />
mit einem Nichts von Banan<strong>en</strong>röckch<strong>en</strong> zur Liste <strong>de</strong>r<br />
berühmtest<strong>en</strong> »Klei<strong>de</strong>r« <strong>de</strong>r Welt beiträgt. D<strong>en</strong>n sie gehörte auf<br />
<strong>de</strong>r Höhe ihres Ruhmes zu d<strong>en</strong> extravagantest<strong>en</strong> und bestangezog<strong>en</strong><strong>en</strong><br />
Frau<strong>en</strong> <strong>de</strong>r Welt. Ihre Eleganz war leg<strong>en</strong>där. Mo<strong>de</strong>schöpfer überbot<strong>en</strong><br />
sich gera<strong>de</strong>zu darin, für sie zu <strong>en</strong>twerf<strong>en</strong>, Regisseure und Theaterfürst<strong>en</strong><br />
– wie Max Reinhardt – <strong>en</strong>tfl ammt<strong>en</strong> für sie, und das Publikum lag ihr<br />
zu Füß<strong>en</strong>. Die Baker war die berühmteste »Glie<strong>de</strong>rpuppe« <strong>de</strong>r damalig<strong>en</strong><br />
Zeit. Niemand konnte sich so g<strong>en</strong>ial verschling<strong>en</strong>, niemand konnte so<br />
fe<strong>de</strong>rnd tanz<strong>en</strong> und spring<strong>en</strong> wie sie, und niemand konnte mit einem so<br />
strahl<strong>en</strong>d<strong>en</strong> Gute-Laune-Lächeln verzaubern. Sie war <strong>de</strong>r erste große<br />
Showstar, <strong>de</strong>r zur Leg<strong>en</strong><strong>de</strong> wur<strong>de</strong>.<br />
Das Leb<strong>en</strong> <strong>de</strong>r Josephine Baker <strong>en</strong>thält so viel Glanz und El<strong>en</strong>d,<br />
dass es eig<strong>en</strong>tlich für 20 M<strong>en</strong>sch<strong>en</strong> gereicht hätte: Mit elf Jahr<strong>en</strong> überlebt<br />
sie in St. Louis/Missouri ein Pogr<strong>om</strong>, das sie zu einem zeitleb<strong>en</strong>s<br />
politisch d<strong>en</strong>k<strong>en</strong>d<strong>en</strong> M<strong>en</strong>sch<strong>en</strong> macht. Mit 13 wird sie von ihrer Mutter<br />
verheiratet, eine Ehe, aus <strong>de</strong>r sie lediglich ihr<strong>en</strong> Nam<strong>en</strong> mitnimmt. Als<br />
Aushilfstänzerin eines Tingeltangels k<strong>om</strong>mt sie an die Ostküste, wo sie,<br />
16-jährig, d<strong>en</strong> Sprung an d<strong>en</strong> Broadway schafft und zum erst<strong>en</strong> Mal auch<br />
als Sängerin begeistert. Von da an gibt es kein Halt<strong>en</strong> mehr. Die Baker<br />
k<strong>om</strong>mt über Europa wie ein Wirbelsturm. Es sind ihre wun<strong>de</strong>rbar<strong>en</strong><br />
Jahre, und sie weiß noch nicht, dass ein an<strong>de</strong>rer, aus Deutschland k<strong>om</strong>m<strong>en</strong><strong>de</strong>r<br />
»Sturm« auch ihr Leb<strong>en</strong> negativ beeinfl uss<strong>en</strong> wird. Noch gibt es<br />
je<strong>de</strong>s Jahr in Paris neue, immer aufw<strong>en</strong>digere Revu<strong>en</strong>, mit noch s<strong>en</strong>sationeller<strong>en</strong><br />
Kostüm<strong>en</strong>, die ihr<strong>en</strong> Ruhm ins Unermessliche steigern. 1930<br />
sch<strong>en</strong>kt ihr die Direktion <strong>de</strong>s Casino <strong>de</strong> Paris für eine Revue d<strong>en</strong> Gepard<strong>en</strong><br />
»Chiquita«, mit <strong>de</strong>m sie auch privat auf d<strong>en</strong> Boulevards fl aniert.<br />
Elegant und schön wie das Tier an ihrer Seite.
Josephine Baker<br />
17
18 <strong>Pretty</strong> W<strong>om</strong><strong>en</strong>
Anita Ekberg<br />
19
EVERGREEN<br />
Ein Blum<strong>en</strong>mädch<strong>en</strong><br />
wird zur Lady<br />
Hoff otograf Cecil<br />
Beaton wur<strong>de</strong> für<br />
diese Kostüme mit<br />
<strong>de</strong>m Oscar belohnt.<br />
Audrey Hepburn<br />
war unumstritt<strong>en</strong><br />
die schönste Eliza<br />
aller Zeit<strong>en</strong>.<br />
My Fair Lady« ist wahrscheinlich das erfolgreichste Musical aller<br />
Zeit<strong>en</strong>. Basier<strong>en</strong>d auf <strong>de</strong>m »Pygmalion«-Stoff von George<br />
Bernhard Shaw kam es aufgrund von Erbstreiterei<strong>en</strong> erst viele<br />
Jahre später, 1956, in New York mit Julie Andrews und Rex Harrison in<br />
d<strong>en</strong> Hauptroll<strong>en</strong> auf die Bühne. Das <strong>de</strong>utschsprachige Publikum kam erst<br />
1961 in d<strong>en</strong> G<strong>en</strong>uss dieser Verwandlungsgeschichte – die <strong>de</strong>utsch<strong>en</strong><br />
Stars war<strong>en</strong> Karin Hübner und Paul Hubschmid. Aber auf welcher Bühne<br />
auch immer »My Fair Lady« zur Aufführung kam – es lief überall jahrelang,<br />
und überall erfüllt<strong>en</strong> sich für die Kostümbildner Berufsträume.<br />
D<strong>en</strong> ganz groß<strong>en</strong> Durchbruch beim international<strong>en</strong> Publikum<br />
erreichte jedoch erst die Filmversion von 1965. Von Anfang an stand<br />
Audrey Hepburn als Eliza fest (bei ihrer Absage hätte man Elizabeth Taylor<br />
gefragt); als ihr<strong>en</strong> Partner hatte die Produktion Cary Grant im Auge,<br />
<strong>de</strong>r d<strong>en</strong> Stoff jedoch nicht mochte, weshalb man auf Rex Harrison zurückgriff.<br />
Die Verfi lmung heimste acht Oscars ein und zahlreiche N<strong>om</strong>inierung<strong>en</strong><br />
– nur Audrey Hepburn ging ausnahmsweise leer aus.<br />
Dafür konnte sich Starfotograf und Kostüm<strong>de</strong>signer Cecil Beaton<br />
freu<strong>en</strong>: Er war jetzt nicht nur <strong>en</strong>glischer Hoffotograf und Lieblingsporträtfotograf<br />
von Weltstars wie Gary Cooper, Marl<strong>en</strong>e Dietrich, Orson<br />
Welles, Audrey Hepburn, aber auch Coco Chanel – jetzt war er durch d<strong>en</strong><br />
Oscar für die »My Fair Lady«-Kostüme auch in d<strong>en</strong> fi lmisch<strong>en</strong> A<strong>de</strong>lsstand<br />
erhob<strong>en</strong>. Er arbeitete außer<strong>de</strong>m für die wichtigst<strong>en</strong> Hochglanzblätter<br />
seiner Zeit – seine Fotoreportag<strong>en</strong> führt<strong>en</strong> ihn um d<strong>en</strong> halb<strong>en</strong> Erdball.<br />
Aber nirg<strong>en</strong>ds scheint er Schöneres geseh<strong>en</strong> zu hab<strong>en</strong> als Audrey Hepburn<br />
(in sein<strong>en</strong> Kostüm<strong>en</strong>). Er bezeichnete sie in einem »Vogue«-Artikel<br />
als neues I<strong>de</strong>al <strong>de</strong>r Feminität. Sicher ist: Allein für das traumhafte weißschwarze<br />
Kleid mit Hut hätte er d<strong>en</strong> Oscar verdi<strong>en</strong>t.<br />
20 <strong>Pretty</strong> W<strong>om</strong><strong>en</strong>
Audrey Hepburn<br />
21
Hugh Grant und<br />
Liz Hurley bei <strong>de</strong>r<br />
»Notting Hill«-<br />
Premiere: Das Bild<br />
ging um die Welt.<br />
»THAT<br />
DRESS«<br />
Das bezaubern<strong>de</strong> Provisorium<br />
22<br />
Ein Kleid mit Sicherheitsna<strong>de</strong>ln zusamm<strong>en</strong>zuhalt<strong>en</strong> – das hat<br />
Gianni Versace sicher nicht bei seiner Mutter gelernt (bei <strong>de</strong>r er<br />
eine Schnei<strong>de</strong>rlehre absolvierte, bevor er für ihr<strong>en</strong> Betrieb Stoffeinkäufer<br />
und später Couturier wur<strong>de</strong>). Als er – schon längst ein anerkanntes<br />
G<strong>en</strong>ie in <strong>de</strong>r Hall of Fame <strong>de</strong>r Mo<strong>de</strong> – dieses »perfekte Provisorium«<br />
kreierte, war ihm sicher klar, dass es in aller Mun<strong>de</strong> sein wür<strong>de</strong>.<br />
Lästermäuler sag<strong>en</strong> jedoch, dass dieses Kleid seine Trägerin, Liz Hurley,<br />
von einer drittklassig<strong>en</strong> Freundin <strong>de</strong>s britisch<strong>en</strong> Charmebolz<strong>en</strong>s Hugh<br />
Grant zu einer zweitklassig<strong>en</strong> Schauspielerin beför<strong>de</strong>rte. Sicher ist, dass<br />
Liz Hurley seit ihrem Auftritt in »that dress« bei <strong>de</strong>r Premier<strong>en</strong>feier <strong>de</strong>s<br />
Films »Notting Hill« zur meistfotografi ert<strong>en</strong> Frau <strong>de</strong>r Welt wur<strong>de</strong>. Wie<strong>de</strong>rum<br />
an<strong>de</strong>re sind sich sicher, dass dieses Kleid nur von Glück und Gold<br />
zusamm<strong>en</strong>gehalt<strong>en</strong> werd<strong>en</strong> kann. Wie auch immer, die schöne Frau hat<br />
auch ohne Sicherheitsna<strong>de</strong>ln einige beachtliche Erfolge aufzuweis<strong>en</strong>.<br />
Für Gianni Versace und sein Imperium war »that dress« lediglich<br />
ein Höhepunkt von viel<strong>en</strong>. Die größt<strong>en</strong> Stars <strong>de</strong>r Welt, egal ob männlich<br />
o<strong>de</strong>r weiblich, riss<strong>en</strong> sich schon vorher darum, für seine Kollektion<strong>en</strong> auf<br />
d<strong>en</strong> Laufsteg zu geh<strong>en</strong> (von Madonna über Bon Jovi bis Demi Moore)<br />
und die Mo<strong>de</strong> ihres Freun<strong>de</strong>s zu trag<strong>en</strong> (von Michael Jackson über Sting<br />
bis zu Elton John).<br />
Kein Couturier arbeitete vor ihm mit gewagterem Material-Mix,<br />
wie zum Beispiel Sei<strong>de</strong> mit Jute o<strong>de</strong>r Le<strong>de</strong>r mit Crêpe <strong>de</strong> Chine, und niemand<br />
traute sich an schrillere Farb<strong>en</strong> und Muster heran. Seine bunt<br />
bestickt<strong>en</strong> Strass-Bustiers sind Leg<strong>en</strong><strong>de</strong> eb<strong>en</strong>so wie seine Ballett-, Theater-<br />
und Opernausstattung<strong>en</strong> auf d<strong>en</strong> groß<strong>en</strong> Bühn<strong>en</strong> <strong>de</strong>r ganz<strong>en</strong> Welt.<br />
Die amerikanische »Vogue« brachte das Phän<strong>om</strong><strong>en</strong> Versace auf d<strong>en</strong><br />
Punkt: »Armani zieht die Ehefrau an, Versace die Geliebte.«<br />
<strong>Pretty</strong> W<strong>om</strong><strong>en</strong>
Liz Hurley<br />
23
Das Original:<br />
Ursula Andress, das<br />
»beste Bond-Girl<br />
aller Zeit<strong>en</strong>«.<br />
Halle Berry im<br />
Bond-Film »Stirb an<br />
einem an<strong>de</strong>r<strong>en</strong> Tag«<br />
als Ursula-Andress-<br />
Zitat.<br />
BIG BANG<br />
DER MODE<br />
Im Land <strong>de</strong>r Kokosnüsse<br />
So w<strong>en</strong>ig Stoff war noch nie: Als das Striptease-Mo<strong>de</strong>ll Micheline<br />
Bernadini am 5. Juli 1946 im Pariser E<strong>de</strong>lbad »Molitor« d<strong>en</strong> erst<strong>en</strong><br />
wirklich<strong>en</strong> Bikini vorführte, war <strong>de</strong>r Skandal perfekt. Vier Tage<br />
zuvor hatt<strong>en</strong> die Amerikaner auf <strong>de</strong>m Bikini-Atoll ihr<strong>en</strong> erst<strong>en</strong> At<strong>om</strong>b<strong>om</strong>b<strong>en</strong>-Test<br />
<strong>de</strong>r Nachkriegszeit durchgeführt – aber das »unanständige«<br />
Nichts <strong>de</strong>s ehemalig<strong>en</strong> Ing<strong>en</strong>ieurs Louis Réard löste die weitaus<br />
empörter<strong>en</strong> Schlagzeil<strong>en</strong> aus. Die Kreation hatte er für ein<strong>en</strong> Schönheitswettbewerb<br />
erfund<strong>en</strong>. Sie sollte ursprünglich »At<strong>om</strong>« heiß<strong>en</strong>, was nach<br />
diesem 1. Juli natürlich nicht mehr ging: Man taufte d<strong>en</strong> Stein <strong>de</strong>s Anstoßes<br />
eiligst in »Bikini« um. Was so viel heißt wie »Land <strong>de</strong>r Kokosnüsse«.<br />
(Schmunzeln ist erlaubt!)<br />
Nun begann keineswegs sofort ein Siegeszug dieser sparsam<strong>en</strong><br />
Körperverhüllung, son<strong>de</strong>rn eine Skandalgeschichte, die die Jurist<strong>en</strong> auf<br />
<strong>de</strong>r ganz<strong>en</strong> Welt min<strong>de</strong>st<strong>en</strong>s 20 Jahre lang in Atem hielt. Ein<strong>en</strong><br />
Bikini am Strand zu trag<strong>en</strong>, war jahrelang verbot<strong>en</strong>, beson<strong>de</strong>rs<br />
in str<strong>en</strong>g katholisch<strong>en</strong> Län<strong>de</strong>rn wie Itali<strong>en</strong>, Spani<strong>en</strong> und Portugal.<br />
Als 1951 bei <strong>de</strong>r Wahl zur Miss Schwed<strong>en</strong> eine Bikini-<br />
Trägerin gewonn<strong>en</strong> hatte, wur<strong>de</strong> er auch dort ganz verbot<strong>en</strong><br />
(angeblich <strong>de</strong>r Chanc<strong>en</strong>gleichheit weg<strong>en</strong>!). Natürlich war<strong>en</strong><br />
die Stars dieser Zeit alle Bikini-Schönheit<strong>en</strong> – wer als Sexsymbol<br />
gelt<strong>en</strong> wollte, ließ sich selbstverständlich in diesem<br />
knapp<strong>en</strong> Zweiteiler ablicht<strong>en</strong>: Brigitte Bardot posierte<br />
1952 in Cannes darin und wur<strong>de</strong> ein Jahr danach<br />
von ihrem Ent<strong>de</strong>cker Roger Vadim offi ziell in die Filmwelt<br />
eingeführt (seither ist die Para<strong>de</strong> <strong>de</strong>r Bikini-<br />
Schönheit<strong>en</strong> währ<strong>en</strong>d <strong>de</strong>r Filmfestspiele an <strong>de</strong>r Cote<br />
d’Azur zur fest<strong>en</strong> Einrichtung geword<strong>en</strong>). Diana Dors<br />
ließ sich in einem Nerz-Bikini durch V<strong>en</strong>edig gon<strong>de</strong>ln,
Bikini<br />
25
Eine Nackttänzerin<br />
trägt mehr Stoff<br />
als sonst: Bikini-<br />
Skandal im Pariser<br />
E<strong>de</strong>lbad.<br />
26<br />
und auch Joan Collins ließ sich nicht länger züchtig verhüll<strong>en</strong>. Das Ganze<br />
blieb jedoch lange Zeit Skandal-Pr<strong>om</strong>otion für Schauspielerinn<strong>en</strong> und<br />
s<strong>om</strong>it ein Thema <strong>de</strong>r Boulevardpresse. D<strong>en</strong>n die Frau<strong>en</strong>zeitschrift<strong>en</strong>, die<br />
zunächst auf d<strong>en</strong> Zug aufgesprung<strong>en</strong> war<strong>en</strong>, bekam<strong>en</strong> es mit ihr<strong>en</strong> damals<br />
noch prüd<strong>en</strong> Leserinn<strong>en</strong> und <strong>de</strong>r<strong>en</strong> Empörtheit zu tun und schwor<strong>en</strong><br />
<strong>de</strong>m Bikini lange Zeit wie<strong>de</strong>r ab. Erst Ursula Andress brach 1962 im<br />
Film »James Bond jagt Dr. No« d<strong>en</strong> Bann, so wie sie im wahrst<strong>en</strong> Sinne<br />
<strong>de</strong>s Wortes »bewaffnet« aus <strong>de</strong>m Wasser stieg wie eine schaumgebor<strong>en</strong>e<br />
Meeresgöttin. Und viele Bond-Girls folgt<strong>en</strong> ihr, wurd<strong>en</strong> gera<strong>de</strong>zu im Bikini<br />
insz<strong>en</strong>iert; zu d<strong>en</strong> schönst<strong>en</strong> gehörte 1973 die dunkelhäutige Gloria<br />
H<strong>en</strong>dry in »Leb<strong>en</strong> und sterb<strong>en</strong> lass<strong>en</strong>«. Halle Berrys Bond-Girl-Auftritt<br />
2002 in »Stirb an einem an<strong>de</strong>r<strong>en</strong> Tag« war sogar ganz bewusst als Reminisz<strong>en</strong>z<br />
an Ursula Andress’damalige Sz<strong>en</strong>e gedacht.<br />
Dabei war die Aufregung um d<strong>en</strong> Bikini nichts an<strong>de</strong>res als ein<br />
Rückfall in die neue Spießigkeit <strong>de</strong>r Mo<strong>de</strong>rne: Bildungsbürgerliche Itali<strong>en</strong>besucher<br />
hatt<strong>en</strong> schon längst in zahlreich<strong>en</strong> Muse<strong>en</strong> auf antik<strong>en</strong> Mosaik<strong>en</strong><br />
seh<strong>en</strong> könn<strong>en</strong>, dass die Dam<strong>en</strong> im alt<strong>en</strong> R<strong>om</strong> bei Sport und Bad<br />
Bikinis trug<strong>en</strong>. Auch in Hollywood, <strong>de</strong>m Mekka <strong>de</strong>r modisch<strong>en</strong> Fortschrittlichkeit,<br />
wurd<strong>en</strong> spätest<strong>en</strong>s ab Mitte <strong>de</strong>r 1930er-Jahre – als sportliche<br />
Bräune angesagt war und die vornehme Blässe ablöste – von schö-<br />
<strong>Pretty</strong> W<strong>om</strong><strong>en</strong><br />
» Die Aufregung<br />
um d<strong>en</strong> Bikini<br />
war nichts an<strong>de</strong>res<br />
als ein Rückfall<br />
in die neue<br />
Spießigkeit <strong>de</strong>r<br />
Mo<strong>de</strong>rne.«
n<strong>en</strong> Frau<strong>en</strong> Zweiteiler getrag<strong>en</strong>. Zugegeb<strong>en</strong>, da war <strong>de</strong>r Stoffverbrauch<br />
noch etwas erheblicher, und die Unterteile wirkt<strong>en</strong> oft eher wie brave<br />
Mie<strong>de</strong>rhösch<strong>en</strong>. Diese meist aus Wolljersey gearbeitet<strong>en</strong> Mo<strong>de</strong>lle war<strong>en</strong><br />
sichtlich nicht fürs Bad<strong>en</strong>, son<strong>de</strong>rn fürs Posier<strong>en</strong> gedacht. In Europa war<strong>en</strong><br />
sie unter <strong>de</strong>m Stichwort »Palm-Beach-C<strong>om</strong>bination« erhältlich. Vorbei<br />
die Zeit, als ein Garbo-Zweiteiler in »Mata Hari« noch <strong>de</strong>r Z<strong>en</strong>sur<br />
zum Opfer fi el: Maure<strong>en</strong> O’Sullivan trat in »Tarzans Vergeltung« schon in<br />
einer zweiteilig<strong>en</strong> Le<strong>de</strong>r-Kreation auf. Ein<strong>en</strong> <strong>de</strong>r erst<strong>en</strong> Zweiteiler trug<br />
die mexikanische Schauspielerin Dolores <strong>de</strong>l Rio in einem Film, Rita Hayworth<br />
lan<strong>de</strong>te 1941 in einem zweiteilig<strong>en</strong> Strandkleid auf <strong>de</strong>r »Life«-Titelseite,<br />
und auch Marilyn Monroe trug 1946 bei einer Fotosession eine Art<br />
Bikini. Esther Williams – Amerikas kühne Schwimm-Diva, auch »Mermaid«<br />
g<strong>en</strong>annt – trug eb<strong>en</strong>so Zweiteiler wie Doris Day o<strong>de</strong>r Anne Bancroft.<br />
Und nach <strong>de</strong>r Premiere in Paris hielt<strong>en</strong> auch die knapp<strong>en</strong> Variant<strong>en</strong><br />
Einzug in die Filmstudios: Virginia Mayo und Ava Gardner war<strong>en</strong> Vorreiterinn<strong>en</strong>,<br />
und schon 1947 wimmelte es in <strong>de</strong>m Streif<strong>en</strong> »Easter Para<strong>de</strong>«<br />
nur so von knapp geschürzt<strong>en</strong> Bikini-Schönheit<strong>en</strong>.<br />
Die ganze Aufregung um d<strong>en</strong> Bikini hängt also ein<strong>de</strong>utig mit <strong>de</strong>r<br />
(fehl<strong>en</strong>d<strong>en</strong>) Stoffm<strong>en</strong>ge zusamm<strong>en</strong>. Und es gab kein<strong>en</strong> Mo<strong>de</strong>macher,<br />
<strong>de</strong>r sich dies<strong>en</strong> skandalträchtig<strong>en</strong> Spannungseffekt seither <strong>en</strong>tgeh<strong>en</strong> ließ.<br />
Ob Rudi Gernreichs »Monokini« o<strong>de</strong>r Paco Rabannes Plastik-Ba<strong>de</strong>kollektion<br />
von 1966 o<strong>de</strong>r sogar <strong>de</strong>r bedruckte Papier-Bikini, d<strong>en</strong> sich ein beson<strong>de</strong>rer<br />
Spaßvogel einfall<strong>en</strong> ließ – mit <strong>de</strong>m Bikini wur<strong>de</strong> (und wird bis<br />
Bikini<br />
27<br />
LINKS<br />
Hollywoods<br />
Schwimm-Diva<br />
Esther Williams in<br />
leichtgeschürzter<br />
»Arbeitskleidung«.<br />
MITTE<br />
Marilyn Monroe<br />
posiert En<strong>de</strong><br />
<strong>de</strong>r 40er-Jahre im<br />
brav<strong>en</strong> Rüsch<strong>en</strong>-<br />
Bikini.<br />
RECHTS<br />
Raquel Welch<br />
in einem exklusiv<strong>en</strong><br />
Mo<strong>de</strong>ll. Garantiert<br />
nicht wassertauglich.
Gisele Bündch<strong>en</strong><br />
posiert für Pirelli<br />
und beweist,<br />
dass Bikinis Streif<strong>en</strong><br />
mach<strong>en</strong>.<br />
Roger Vadim<br />
insz<strong>en</strong>iert Brigitte<br />
Bardot 1957 in<br />
seinem Lieblings-<br />
»Kostüm«.<br />
28<br />
heute) experim<strong>en</strong>tiert und provoziert, was das Zeug hält. Sogar <strong>de</strong>r Trikini<br />
wur<strong>de</strong> erfund<strong>en</strong>, <strong>de</strong>ss<strong>en</strong> zwei Oberteile auf d<strong>en</strong> Körper geklebt werd<strong>en</strong><br />
musst<strong>en</strong>.<br />
TV-Seri<strong>en</strong> wie »Bay Watch« erzeugt<strong>en</strong> ein<strong>en</strong> Gewöhnungseffekt,<br />
sie lebt<strong>en</strong> v<strong>om</strong> Voyeurismus <strong>de</strong>r Couch-Potatos – egal welch<strong>en</strong> Geschlechts<br />
– und die Hersteller von Diät-Mitteln gleich mit. Sogar vor <strong>de</strong>r<br />
Barbie-Puppe macht<strong>en</strong> Bikini-Kollektion<strong>en</strong> nicht halt. Ob Raquel Welch<br />
im Frans<strong>en</strong>- o<strong>de</strong>r Heidi Klum im steinch<strong>en</strong>besetzt<strong>en</strong> Glitzer-Bikini als<br />
Engel mit Fe<strong>de</strong>rfl ügeln – das sündige Nichts ist längst in <strong>de</strong>r Mitte <strong>de</strong>r<br />
Gesellschaft angek<strong>om</strong>m<strong>en</strong>. Und wer heute noch etwas dageg<strong>en</strong> hätte –<br />
<strong>de</strong>r werfe die erste Kokosnuss! (O<strong>de</strong>r mache eine Diät!)<br />
<strong>Pretty</strong> W<strong>om</strong><strong>en</strong>
Bikini<br />
29
VORDENKER<br />
DER MODE<br />
Rudi Gernreich –<br />
<strong>de</strong>r Barrikad<strong>en</strong>stürmer<br />
Rudi Gernreich<br />
beschwor laut<br />
Vatikan d<strong>en</strong><br />
»Untergang <strong>de</strong>s<br />
Ab<strong>en</strong>dlan<strong>de</strong>s«<br />
herauf …<br />
… er war – g<strong>en</strong>ial,<br />
radikal und<br />
innovativ – <strong>de</strong>r<br />
meistbeklaute<br />
Mo<strong>de</strong>macher.<br />
DOPPELSEITE<br />
Die Erfi ndung <strong>de</strong>s<br />
Monokinis war<br />
von Gernreich als<br />
»Befreiung <strong>de</strong>r<br />
Frau« gedacht.<br />
30<br />
Kaum ein Mo<strong>de</strong>schöpfer hat je mehr für die Körperbefreiung <strong>de</strong>r<br />
Frau<strong>en</strong> getan als <strong>de</strong>r Austro-Amerikaner Rudi Gernreich. Und<br />
niemand hat die Couture-Sz<strong>en</strong>e <strong>de</strong>s 20. Jahrhun<strong>de</strong>rts nachhaltiger<br />
beeinfl usst als er. Dass am En<strong>de</strong> bei d<strong>en</strong> Lai<strong>en</strong> lediglich <strong>de</strong>r fi schbein-<br />
und mie<strong>de</strong>rlose »Monokini« im Gedächtnis blieb, ist <strong>de</strong>r Tatsache<br />
geschul<strong>de</strong>t, dass seine an<strong>de</strong>r<strong>en</strong> visionär<strong>en</strong> Entwürfe von <strong>de</strong>r Konkurr<strong>en</strong>z<br />
fl ugs »aufgesaugt« und in die eig<strong>en</strong>e Arbeit integriert wurd<strong>en</strong>. Der brustfreie<br />
Ba<strong>de</strong>anzug – v<strong>om</strong> Vatikan bis zum Kreml zu »Teufelszeug« und als<br />
Beitrag zum »Untergang <strong>de</strong>s Ab<strong>en</strong>dlan<strong>de</strong>s« erklärt – war jedoch nicht die<br />
I<strong>de</strong>e eines Pornograf<strong>en</strong> o<strong>de</strong>r Lüstlings, son<strong>de</strong>rn als Akt <strong>de</strong>r (sexuell<strong>en</strong>)<br />
Gleichstellung von Mann und Frau gedacht: »Langsam wird die Befreiung<br />
unseres Körpers die Gesellschaft von ihrer Sexbesess<strong>en</strong>heit kurier<strong>en</strong>« –<br />
davon war Gernreich überzeugt. Als er 1970 zur Expo nach Osaka eingelad<strong>en</strong><br />
wur<strong>de</strong>, hat er die I<strong>de</strong>e in Paarform umgesetzt: Ein Mann und eine<br />
Frau führt<strong>en</strong> – kahlgeschor<strong>en</strong> – die id<strong>en</strong>tisch<strong>en</strong> Klei<strong>de</strong>r vor.<br />
Aber Gernreich hat auch zum erst<strong>en</strong> Mal »psyche<strong>de</strong>lische«<br />
Leuchtfarb<strong>en</strong> eingesetzt o<strong>de</strong>r Farb<strong>en</strong> – wie Grün und Blau, Schwarz und<br />
Braun, Rot und Orange – gemixt, die bisher als unverträglich galt<strong>en</strong>. Er<br />
brachte ultrakurze Miniröcke auf d<strong>en</strong> Laufsteg, erfand die Transpar<strong>en</strong>t-<br />
Bluse, d<strong>en</strong> »Cut out«-Look und d<strong>en</strong> »Total Look«, <strong>de</strong>ss<strong>en</strong> auffällige Muster<br />
sich in Schuh<strong>en</strong>, Tasch<strong>en</strong>, an<strong>de</strong>r<strong>en</strong> Accessoires und sogar auf <strong>de</strong>r nackt<strong>en</strong><br />
Haut fortsetzt<strong>en</strong>. Gernreich wollte die Haltung <strong>de</strong>r M<strong>en</strong>sch<strong>en</strong> zur<br />
Bekleidung revolutionier<strong>en</strong>. Das wur<strong>de</strong> als Angriff auf die Konv<strong>en</strong>tion<strong>en</strong><br />
<strong>de</strong>s gut<strong>en</strong> Geschmacks und auf gesellschaftliche Tabus begriff<strong>en</strong>, weshalb<br />
Gernreich polarisierte und skandalisierte. Heute ist fast alles, was er<br />
wollte, erreicht und selbstverständlich – zumin<strong>de</strong>st möglich.<br />
<strong>Pretty</strong> W<strong>om</strong><strong>en</strong>
Rudi Gernreich<br />
31
32 <strong>Pretty</strong> W<strong>om</strong><strong>en</strong>
Anita Ekberg<br />
33
Der berühmteste<br />
heiß-kalte Kuss<br />
aller Zeit<strong>en</strong>. Mit<br />
viel Wodka und<br />
Gänsehaut.<br />
So viel Frau war<br />
selt<strong>en</strong>. D<strong>en</strong> Oscar<br />
aber bekam <strong>de</strong>r<br />
Kostümbildner.<br />
»LA DOLCE<br />
VITA«<br />
und die Frage <strong>de</strong>r Statik<br />
34<br />
Die berühmte Sz<strong>en</strong>e, in <strong>de</strong>r Anita Ekberg im Trevi-Brunn<strong>en</strong> posiert,<br />
wur<strong>de</strong> im Monat März gedreht – und da kann R<strong>om</strong> noch<br />
sehr kalt sein: Die »Miss Schwed<strong>en</strong>« stand diszipliniert stund<strong>en</strong>lang<br />
im kalt<strong>en</strong> Wasser – Marcello Mastroianni befand sich im Trock<strong>en</strong><strong>en</strong><br />
und trug ein<strong>en</strong> wärm<strong>en</strong>d<strong>en</strong> »Wetsuit« unter seiner Kleidung. Und<br />
fröstelte immer noch, weshalb er währ<strong>en</strong>d <strong>de</strong>r Dreharbeit<strong>en</strong> dieser Sz<strong>en</strong>e<br />
angeblich eine ganze Flasche Wodka trank. Der Film »La dolce vita«<br />
k<strong>om</strong>mt 1960 in die Kinos und zeigt laut Branch<strong>en</strong>klatsch ein<strong>en</strong> stockbesoff<strong>en</strong><strong>en</strong><br />
Mastroianni. (Unter diesem Aspekt beim nächst<strong>en</strong> Mal also<br />
noch einmal g<strong>en</strong>au hinschau<strong>en</strong>!)<br />
Der zum Klassiker geword<strong>en</strong>e Film hat nicht nur d<strong>en</strong> Regisseur<br />
Fe<strong>de</strong>rico Fellini und viele <strong>de</strong>r Darsteller weltberühmt und die Via V<strong>en</strong>eto<br />
zur römisch<strong>en</strong> Pr<strong>om</strong>i-Meile gemacht, son<strong>de</strong>rn auch d<strong>en</strong> Begriff »Paparazzo«<br />
(nach <strong>de</strong>r Filmfi gur) für aufdringliche Skandalfotograf<strong>en</strong> geprägt.<br />
Fellinis Berater für d<strong>en</strong> Film, Tazio Secciardi, machte eb<strong>en</strong>falls sein Glück<br />
mit »La dolce vita«: Er wur<strong>de</strong> v<strong>om</strong> »Paparazzo« zum seriös<strong>en</strong> Filmfotograf<strong>en</strong><br />
und gewann als solcher das Vertrau<strong>en</strong> von Marcello Mastroianni<br />
und Sophia Lor<strong>en</strong>.<br />
Der Glücklichste von all<strong>en</strong> war aber wahrscheinlich <strong>de</strong>r Kostümbildner<br />
Piero Gherardi, <strong>de</strong>r 1962 sein<strong>en</strong> erst<strong>en</strong> Oscar für die Kostüme<br />
bekam (später noch einmal für »8 ½«): woran das Trevi-Brunn<strong>en</strong>-Ab<strong>en</strong>dkleid<br />
sicher nicht ganz unschuldig ist. Da hatte er nicht nur modische<br />
Supereleganz geschaff<strong>en</strong>, son<strong>de</strong>rn aus »Korsag<strong>en</strong>sicht« auch ein nicht unschwieriges<br />
statisches Problem gelöst. Gherardi war mit Fellini befreun<strong>de</strong>t,<br />
sagte aber nach einem groß<strong>en</strong> Krach über d<strong>en</strong> Regie-Großmeister:<br />
»Fellini hat ein<strong>en</strong> fürchterlich<strong>en</strong> Geschmack. Sein Hauptfehler – d<strong>en</strong> ich<br />
ver<strong>de</strong>ck<strong>en</strong> konnte – ist seine Provinzialität.« Hoppla – wer hätte das gedacht?<br />
<strong>Pretty</strong> W<strong>om</strong><strong>en</strong>
Anita Ekberg<br />
35
Madonna am<br />
17. Juli 1990 in<br />
Dortmund. »Zugespitzt«<br />
von<br />
Jean-Paul Gaultier.<br />
Parfüm ist für<br />
Gaultier »wie eine<br />
zweite Haut«.<br />
Und dieser Flakon<br />
wur<strong>de</strong> Kult.<br />
LIKE A<br />
VIRGIN?<br />
Nicht je<strong>de</strong> Madonna ist eine Heilige<br />
Manchmal müss<strong>en</strong> nur die Richtig<strong>en</strong> zusamm<strong>en</strong>k<strong>om</strong>m<strong>en</strong>, und<br />
die Welt hält für ein paar Sekund<strong>en</strong> d<strong>en</strong> Atem an. Madonna<br />
und Jean-Paul Gaultier sind zwei solche Ausnahmem<strong>en</strong>sch<strong>en</strong>.<br />
Und beid<strong>en</strong> wur<strong>de</strong> ihr Erfolg nicht in die Wiege gelegt.<br />
Madonna Louise Ciccone stammt aus einfach<strong>en</strong> Verhältniss<strong>en</strong><br />
und verlor mit fünf Jahr<strong>en</strong> ihre Mutter. Eine schwierige Kindheit und ein<br />
IQ von 140 macht<strong>en</strong> sie zur Tabubrecherin, die je<strong>de</strong> ihrer Chanc<strong>en</strong> zu<br />
nutz<strong>en</strong> wusste. Ihre Platt<strong>en</strong> erreicht<strong>en</strong> Million<strong>en</strong>aufl ag<strong>en</strong>, Te<strong>en</strong>ager auf<br />
<strong>de</strong>r ganz<strong>en</strong> Welt hört<strong>en</strong> ihre Lie<strong>de</strong>r, und sie kopiert<strong>en</strong> alles, w<strong>om</strong>it<br />
Madonna die Konservativ<strong>en</strong> und d<strong>en</strong> Vatikan provozierte: Kruzifi xe als<br />
Schmuck, bauchfreie Tops und Le<strong>de</strong>rarmbän<strong>de</strong>r. Sie ließ sich in Klei<strong>de</strong>rn<br />
<strong>de</strong>r Mo<strong>de</strong>götter Lagerfeld, Lacroix und Chanel ablicht<strong>en</strong> – sie wur<strong>de</strong> zur<br />
Sex-Göttin <strong>de</strong>r 1980er-Jahre und zur Pop-Ikone.<br />
Jean-Paul Gaultier stammt eb<strong>en</strong>falls aus einfach<strong>en</strong> Verhältniss<strong>en</strong>,<br />
war nach eig<strong>en</strong><strong>en</strong> Wort<strong>en</strong> ein Schulschwänzer, <strong>de</strong>r lieber Klei<strong>de</strong>r für sein<strong>en</strong><br />
Teddybär<strong>en</strong> schnei<strong>de</strong>rte und seine Großmutter bewun<strong>de</strong>rte, die in<br />
ihrem Wohnzimmer ein<strong>en</strong> Schönheitssalon betrieb. Aber auch er verfolgte<br />
ein<strong>en</strong> Traum: Mit 18 Jahr<strong>en</strong> arbeitete er bei Pierre Cardin, später<br />
als Assist<strong>en</strong>t von Michel G<strong>om</strong>a im Haus »Jean Patou« und Angelo Tarlazzi.<br />
Auch er erwies sich als Meister <strong>de</strong>r Provokation, weil ihm in <strong>de</strong>r<br />
Mo<strong>de</strong> nichts heilig war – und ist. 1978 stellte er seine erste eig<strong>en</strong>e Kollektion<br />
vor, die <strong>de</strong>r Tabubrecherin aus d<strong>en</strong> USA auffi el: Für ihre »Blon<strong>de</strong><br />
Ambition World Tour« 1990 schuf er ihre Aufseh<strong>en</strong> erreg<strong>en</strong><strong>de</strong> Bühn<strong>en</strong>gar<strong>de</strong>robe.<br />
Madonna hatte bis dahin bereits alle Form<strong>en</strong> von Protest<strong>en</strong><br />
und auch alle Form<strong>en</strong> von Begeisterungsstürm<strong>en</strong> erlebt, aber das Aufseh<strong>en</strong>,<br />
das Gaultiers Korsett mit d<strong>en</strong> Kegelbrüst<strong>en</strong> erregte, war <strong>de</strong>r Höhepunkt<br />
von allem. Gaultier ging damit in die Geschichte <strong>de</strong>r Mo<strong>de</strong> ein.<br />
36 <strong>Pretty</strong> W<strong>om</strong><strong>en</strong>
Madonna<br />
37
EDELBÄUERIN<br />
Marl<strong>en</strong>e und R<strong>om</strong>y einmal ganz an<strong>de</strong>rs<br />
Josef von Sternberg<br />
konnte auch an<strong>de</strong>rs:<br />
die Dietrich 1931<br />
in »Entehrt«.<br />
R<strong>om</strong>y Schnei<strong>de</strong>r<br />
währ<strong>en</strong>d <strong>de</strong>r<br />
Dreharbeit<strong>en</strong> zu<br />
»Sisi«. Sehr jung,<br />
sehr süß und sehr<br />
»lanzy« …<br />
Marl<strong>en</strong>e Dietrich hat die österreichische Tracht<strong>en</strong>mo<strong>de</strong> nach<br />
Amerika gebracht, nach<strong>de</strong>m sie sich und ihre kleine Familie in<br />
Salzburg bei »Lanz« eingeklei<strong>de</strong>t hat. Lanz (mit <strong>de</strong>m Herz im<br />
Firm<strong>en</strong>logo) steht seit<strong>de</strong>m in aller Welt für traditionelle Tracht<strong>en</strong>mo<strong>de</strong>.<br />
Die Geschichte von <strong>de</strong>r Salzburger »Trapp-Familie« – nicht zuletzt in <strong>de</strong>m<br />
Musical »Sound of Music« – hat dies<strong>en</strong> Tr<strong>en</strong>d vor allem in d<strong>en</strong> USA noch<br />
verstärkt. Und seither gibt sich bei Lanz in Salzburg an <strong>de</strong>r Staatsbrücke<br />
die Pr<strong>om</strong>in<strong>en</strong>z die Klinke in die Hand. Selbst Liz Taylor soll ein Lanz-<br />
Dirndl erworb<strong>en</strong> hab<strong>en</strong>. Das hat sogar sprachliche Folg<strong>en</strong>: Der österreichisch-traditionelle<br />
Leb<strong>en</strong>sstil wird in Übersee als »lanzy« bezeichnet.<br />
Dass bäuerliche Arbeitskleidung zur »hoffähig<strong>en</strong>« Ausgehmo<strong>de</strong><br />
wur<strong>de</strong>, mit und ohne Janker und Lod<strong>en</strong>mantel, begann mit d<strong>en</strong> Wittelsbachern<br />
und d<strong>en</strong> Habsburgern, die in Jagdanzüg<strong>en</strong> auch zu offi ziell<strong>en</strong><br />
Anläss<strong>en</strong> auftrat<strong>en</strong>. Der im <strong>de</strong>utschsprachig<strong>en</strong> Raum vor allem in <strong>de</strong>r<br />
Nachkriegszeit so beliebte Heimatfi lm tat sein Übriges, um das Dirndlkleid,<br />
Lod<strong>en</strong>anzug und Hirschhornknöpfe salonfähig zu mach<strong>en</strong>. In Österreich<br />
und Bayern gehör<strong>en</strong> sie zur Grundausstattung von Leut<strong>en</strong>, die zur<br />
Gesellschaft gehör<strong>en</strong> woll<strong>en</strong>. Die Lager hab<strong>en</strong> sich allerdings längst in<br />
Traditionalist<strong>en</strong> und »So tun als ob«-Leute gespalt<strong>en</strong>, die sich bei<strong>de</strong> mit<br />
Verachtung straf<strong>en</strong>, was jährlich anlässlich <strong>de</strong>s Münchner Oktoberfests in<br />
wahre Wettbewerbe ausartet.<br />
Doch auch vor <strong>de</strong>r Haute Couture hat <strong>de</strong>r Tracht<strong>en</strong>-Einfl uss nicht<br />
Halt gemacht. Der große Yves Saint Laur<strong>en</strong>t hat beispielsweise 1976 eine<br />
grellbunte »E<strong>de</strong>lbäuerinn<strong>en</strong>«-Kollektion vorgelegt. Die »Süd<strong>de</strong>utsche Zeitung«<br />
schrieb damals: »Das muss also künftig sein: Babuschka- und Kosak<strong>en</strong>-Mäntel<br />
über Bojar<strong>en</strong>-Röck<strong>en</strong>.« Die Traditionalist<strong>en</strong> hab<strong>en</strong> sich wein<strong>en</strong>d<br />
abgewandt.<br />
38 <strong>Pretty</strong> W<strong>om</strong><strong>en</strong>
Brevi vel toto est iunior anno. Interdum<br />
volgus<br />
rectum vi<strong>de</strong>t, est ubi peccat.<br />
Brevi vel toto est iunior anno. Interdum<br />
volgus<br />
rectum vi<strong>de</strong>t, est ubi peccat.<br />
Dirndl<br />
39
TUXEDO RAG<br />
Marl<strong>en</strong>e rauchte nicht – sie küsste<br />
Das Original:<br />
Marl<strong>en</strong>e Dietrich<br />
in »Marokko«.<br />
Die Kopie: Katja<br />
Flint als Marl<strong>en</strong>e<br />
Dietrich.<br />
Schon Gloria Swanson und Josephine Baker hab<strong>en</strong> ihn getrag<strong>en</strong> –<br />
und längst ist dieses Prachtstück <strong>de</strong>s männlich<strong>en</strong> Klei<strong>de</strong>rschranks<br />
nicht mehr aus <strong>de</strong>r Gar<strong>de</strong>robe <strong>de</strong>r mo<strong>de</strong>rn<strong>en</strong>, emanzipiert<strong>en</strong> Frau<br />
<strong>de</strong>r Gesellschaft wegzud<strong>en</strong>k<strong>en</strong>. Von Katharine Hepburn in d<strong>en</strong> 1940er-<br />
Jahr<strong>en</strong> bis zu Madonna heute. Aber niemand führte ihn eleganter vor als<br />
Marl<strong>en</strong>e Dietrich in »Marokko«. Dieses Kostüm mit Zylin<strong>de</strong>r hat schon<br />
auf sie gewartet, als sie 1930, noch am Premier<strong>en</strong>ab<strong>en</strong>d von »Der blaue<br />
Engel«, mit Josef von Sternberg in die USA aufbrach, um dort sofort in<br />
<strong>de</strong>r Rolle <strong>de</strong>r androgyn<strong>en</strong> Smokingträgerin Amy Jolly – mit Gary Cooper<br />
an ihrer Seite – vor <strong>de</strong>r Kamera zu steh<strong>en</strong>: Bereits ein halbes Jahr später<br />
hatte »Marokko« in Los Angeles Premiere und machte die Dietrich <strong>en</strong>dgültig<br />
zur weltweit angebetet<strong>en</strong> cool<strong>en</strong> Sex-Ikone – und brachte ihr 1931<br />
ein<strong>en</strong> Oscar ein.<br />
Der Smoking hatte schon eine interessante Geschichte, ehe er<br />
d<strong>en</strong> Frau<strong>en</strong> in die Hän<strong>de</strong> fi el. Eig<strong>en</strong>tlich war er ein »Wechseljackett« –<br />
Männer wollt<strong>en</strong> nach <strong>de</strong>m Dinner rauch<strong>en</strong> (daher <strong>de</strong>r Rauchsalon) und<br />
wechselt<strong>en</strong> das Jackett, damit sich <strong>de</strong>r Rauchgeruch nicht in ihr<strong>en</strong> Anzüg<strong>en</strong><br />
festsetz<strong>en</strong> konnte, w<strong>en</strong>n sie nach ihrem Qualmausfl ug<br />
zu d<strong>en</strong> Dam<strong>en</strong> zurückkehrt<strong>en</strong>. Erfund<strong>en</strong> hat dies<strong>en</strong> auf ein<strong>en</strong><br />
Knopf geschloss<strong>en</strong><strong>en</strong>, klein<strong>en</strong> Gesellschaftsanzug mit Seid<strong>en</strong>revers<br />
um 1865 <strong>de</strong>r Londoner Schnei<strong>de</strong>r von Albert Eduard,<br />
<strong>de</strong>m damalig<strong>en</strong> Prince of Wales und als Eduard VII. später<strong>en</strong><br />
König <strong>de</strong>s Vereinigt<strong>en</strong> Königreichs. Als Gast bei Hofe <strong>en</strong>t<strong>de</strong>ckte<br />
ihn <strong>de</strong>r US-Tabak-Millionär James Braun-Potter, <strong>de</strong>m<br />
dieses Kleidungsstück so gefi el, dass er es nach seiner Rückkehr<br />
in seinem New Yorker Country-Club »Tuxedo Park«<br />
einführte, von wo aus es sein<strong>en</strong> Siegeszug antrat. Musiker<br />
trug<strong>en</strong> dies<strong>en</strong> Anzug mit Fliege auf <strong>de</strong>r Bühne und gab<strong>en</strong>
Smoking<br />
41
Liza Minnelli<br />
im berühmt<strong>en</strong><br />
»Kit Cat<br />
Club« -Bühn<strong>en</strong>kostüm<br />
aus<br />
»Cabaret«.<br />
Ein Smoking-Zitat.<br />
42<br />
sich d<strong>en</strong> <strong>en</strong>tsprech<strong>en</strong>d<strong>en</strong> Nam<strong>en</strong> (wie z.B. das »Original Tuxedo Jazz<br />
Orchestra«, in <strong>de</strong>m auch Louis Armstrong in sein<strong>en</strong> Anfangszeit<strong>en</strong> auftrat),<br />
und <strong>de</strong>r berühmte »Tuxedo Rag« wur<strong>de</strong> k<strong>om</strong>poniert. Das also ist<br />
<strong>de</strong>r Grund, warum <strong>de</strong>r Smoking in d<strong>en</strong> USA »tuxedo« heißt – egal, ob ihn<br />
Männer o<strong>de</strong>r Frau<strong>en</strong> trag<strong>en</strong>. In Kontin<strong>en</strong>taleuropa wur<strong>de</strong> und wird die aus<br />
Österreich stamm<strong>en</strong><strong>de</strong> Bezeichnung »Smoking« verw<strong>en</strong><strong>de</strong>t, die Englän<strong>de</strong>r<br />
bezeichn<strong>en</strong> dieses Kleidungsstück schlicht als »dinner jacket« (<strong>de</strong>r Begriff<br />
»Smoking« ist dort ungebräuchlich – erinnert uns das nicht an die eb<strong>en</strong>so<br />
pragmatische und nur bei uns übliche Wortkreation »Handy«?). Und je<strong>de</strong>r<br />
Erfahr<strong>en</strong>e weiß, w<strong>en</strong>n auf einer offi ziell<strong>en</strong> Einladung als Klei<strong>de</strong>rvorschrift<br />
»black tie« o<strong>de</strong>r »cravate noir« steht, dass <strong>de</strong>r Smoking gemeint ist.<br />
1966 wur<strong>de</strong> <strong>de</strong>r Smoking für die Frau von niemand an<strong>de</strong>rem neu<br />
erfund<strong>en</strong> als v<strong>om</strong> Großmeister Yves Saint Laur<strong>en</strong>t persönlich. Catherine<br />
D<strong>en</strong>euve (»Belle <strong>de</strong> Jour«) war eine seiner unermüdlich<strong>en</strong>, schön<strong>en</strong> Pr<strong>om</strong>oterinn<strong>en</strong>,<br />
und seit diesem Jahr hat YSL in je<strong>de</strong>r Kollektion ein Smo-<br />
<strong>Pretty</strong> W<strong>om</strong><strong>en</strong>
»Coco Chanel<br />
hat d<strong>en</strong> Frau<strong>en</strong><br />
die Freiheit,<br />
ich habe ihn<strong>en</strong><br />
die Macht<br />
gegeb<strong>en</strong>!«<br />
Yves Saint Laur<strong>en</strong>t<br />
king-Mo<strong>de</strong>ll vorgestellt. Nun war dieses Kleidungsstück <strong>en</strong>dgültig ein zutiefst<br />
weibliches geword<strong>en</strong>: YSL sagte dazu einmal: »Coco Chanel hat d<strong>en</strong><br />
Frau<strong>en</strong> die Freiheit, ich habe ihn<strong>en</strong> die Macht gegeb<strong>en</strong>!«.<br />
Bei g<strong>en</strong>auerer Betrachtung wur<strong>de</strong> <strong>de</strong>r Smoking für Frau<strong>en</strong> schon<br />
»zitiert«, bevor er über d<strong>en</strong> Film »Marokko« sein<strong>en</strong> Siegeszug in die Klei<strong>de</strong>rschränke<br />
mutiger Dam<strong>en</strong> <strong>de</strong>r Gesellschaft antrat: Auch das erste Zitat<br />
hat mit Marl<strong>en</strong>e Dietrich zu tun. Ihr Bühn<strong>en</strong>kostüm in »Der blaue Engel« –<br />
das kurze Rüsch<strong>en</strong>-Hos<strong>en</strong>röckch<strong>en</strong> mit (Smoking-)Oberteil und Zylin<strong>de</strong>r<br />
ist ein<strong>de</strong>utig eine Persifl age auf das damals noch männlich besetzte<br />
Kleidungsstück. Heute kann man sich kein an<strong>de</strong>res Kostüm für Friedrich<br />
Hollän<strong>de</strong>rs Song »Ich bin von Kopf bis Fuß auf Liebe eingestellt« mehr<br />
vorstell<strong>en</strong>.<br />
Alle groß<strong>en</strong>, unkonv<strong>en</strong>tionell<strong>en</strong> weiblich<strong>en</strong> Film- und Show-Stars<br />
hab<strong>en</strong> mit <strong>de</strong>m Smoking und sein<strong>en</strong> Variant<strong>en</strong> gespielt: von Josephine<br />
Baker über Kim Novak bis hin zu Brigitte Bardot. Dass diese weiblich-verführerische<br />
Kühle auch Auszeit<strong>en</strong> hatte, kann man heute gar nicht mehr<br />
versteh<strong>en</strong> – aber Greta Garbo, Katharine Hepburn und die Dietrich galt<strong>en</strong><br />
Mitte <strong>de</strong>r 1930er-Jahre mit ihrer »Smoking«-Coolness als Kass<strong>en</strong>gift.<br />
Was sich für die beid<strong>en</strong> Letztg<strong>en</strong>annt<strong>en</strong> durch diverse Imagewechsel (die<br />
Dietrich spielte beispielsweise in »Der große Bluff« eine prügeln<strong>de</strong> Barfrau<br />
und wur<strong>de</strong> so eine Frau zum »Anfass<strong>en</strong>«, und die Hepburn gewann<br />
die Herz<strong>en</strong> <strong>de</strong>s international<strong>en</strong> Publikums mit Roll<strong>en</strong> als zwar emanzipierte,<br />
aber lieb<strong>en</strong><strong>de</strong> Frau) jedoch rasch wie<strong>de</strong>r än<strong>de</strong>rte.<br />
Smoking<br />
43<br />
James Garner<br />
sexuell total<br />
verwirrt. Mit Julie<br />
Andrews in<br />
»Victor & Victoria«.
Die amüsante<br />
Spitze <strong>de</strong>r Smoking-<br />
Zitate: Ingrid<br />
Steeger in <strong>de</strong>r<br />
TV-C<strong>om</strong>edy-Serie<br />
»Klimbim«.<br />
Das Kostüm in<br />
»Der blaue Engel«<br />
war am Mythos<br />
Marl<strong>en</strong>e nicht ganz<br />
unbeteiligt.<br />
44<br />
Noch ein berühmtes Smoking-Zitat darf nicht unerwähnt bleib<strong>en</strong>: Das<br />
»Kit Cat Club«-Bühn<strong>en</strong>kostüm von Liza Minnelli in »Cabaret«. Der Film<br />
(mit d<strong>en</strong> <strong>de</strong>utsch<strong>en</strong> Darstellern Fritz Wepper und Helmut Griem) wur<strong>de</strong><br />
ein großer internationaler Erfolg und mit acht Oscars ausgezeichnet. Das<br />
Bühn<strong>en</strong>kostüm von Liza Minnelli wur<strong>de</strong> seinerseits zum Smoking-<br />
»Zitat«: Das prü<strong>de</strong> <strong>de</strong>utsche Fernseh<strong>en</strong> verlieh <strong>de</strong>r Schauspielerin Ingrid<br />
Steeger für die TV-C<strong>om</strong>edy-Serie »Klimbim« ein<strong>en</strong> Liza-Minnelli-<br />
»Cabaret«-Kostüm-Anstrich. »Cabaret« wur<strong>de</strong> übrig<strong>en</strong>s von Charlotte<br />
Flemming, einer <strong>de</strong>r erfolgreichst<strong>en</strong> Kostümbildnerinn<strong>en</strong> Deutschlands,<br />
ausgestattet (die <strong>de</strong>utsch<strong>en</strong> TV-Zuschauer konnt<strong>en</strong> ihre Kostümarbeit<br />
zuletzt in <strong>de</strong>r Erfolgsserie »Das Erbe <strong>de</strong>r Guld<strong>en</strong>burgs« seh<strong>en</strong>) – was für<br />
Hollywood-Produktion<strong>en</strong> höchst ungewöhnlich war und Flemming fast<br />
eine Oscar-N<strong>om</strong>inierung einbrachte.<br />
Aber angefang<strong>en</strong> hat alles mit »Marokko« und Marl<strong>en</strong>e Dietrich.<br />
Wobei die berühmteste Sz<strong>en</strong>e <strong>de</strong>s Films fast <strong>de</strong>r Z<strong>en</strong>sur zum Opfer gefall<strong>en</strong><br />
wäre: Die Produz<strong>en</strong>t<strong>en</strong> im prüd<strong>en</strong> Amerika war<strong>en</strong> schockiert darüber,<br />
dass die Dietrich im Smoking eine Frau küsst. Und damit schließt sich ein<br />
Kreis, was kein Zufall sein kann – YSL hat die letzt<strong>en</strong> Jahre seines Leb<strong>en</strong>s<br />
in Marokko verbracht.<br />
<strong>Pretty</strong> W<strong>om</strong><strong>en</strong><br />
»Die Dietrich und<br />
<strong>de</strong>r Smoking.<br />
Ein perfekteres<br />
Paar hat es<br />
nie gegeb<strong>en</strong>.«
Smoking<br />
45
Mo<strong>de</strong>, beeinfl usst<br />
von Sci<strong>en</strong>ce-Fiction.<br />
Laetitia Casta<br />
in einem Rabanne-<br />
Mo<strong>de</strong>ll.<br />
Jane Fonda als<br />
»Barbarella«. Der<br />
Kultfi lm wur<strong>de</strong><br />
von Paco Rabanne<br />
ausgestattet.<br />
DER MODE-<br />
KLEMPNER<br />
»Klamott<strong>en</strong>« mit Hak<strong>en</strong><br />
und Ös<strong>en</strong><br />
Der im katalanisch<strong>en</strong> San Sebastian gebor<strong>en</strong>e spanisch-französische<br />
Couturier Paco Rabanne, <strong>de</strong>r mit seiner Mutter vor <strong>de</strong>m<br />
Spanisch<strong>en</strong> Bürgerkrieg nach Paris fl oh, wur<strong>de</strong> vorwieg<strong>en</strong>d mit<br />
Klei<strong>de</strong>rn berühmt, in d<strong>en</strong><strong>en</strong> man nur steh<strong>en</strong> konnte. Sie war<strong>en</strong> schön anzuseh<strong>en</strong>,<br />
diese mit Draht, Zange und Lötkolb<strong>en</strong> gefertigt<strong>en</strong> Mo<strong>de</strong>lle aus<br />
Metall, Plastik o<strong>de</strong>r Glasfasern – aber sicher nicht ang<strong>en</strong>ehm zu trag<strong>en</strong>.<br />
Nicht zuletzt sein Kett<strong>en</strong>hemd aus silbrigem »Metalljersey« trug sein<strong>en</strong><br />
Ruhm hinaus in die Welt, bevor er in <strong>de</strong>r kurz<strong>en</strong> Phase <strong>de</strong>r Wegwerfmo<strong>de</strong><br />
<strong>de</strong>r 1960er-Jahre mit Papier und Pappe arbeitete.<br />
Dabei hatte Paco, <strong>de</strong>r v<strong>om</strong> Futurismus und Konstruktivismus geprägt<br />
und von Sci<strong>en</strong>ce-Fiction beeinfl usst war, nach einem Architekturstudium<br />
(wovon <strong>de</strong>r Flakon seines erst<strong>en</strong> Parfüms »Calandre« zeugt)<br />
recht konv<strong>en</strong>tionell begonn<strong>en</strong>: Er arbeitete zunächst als Mo<strong>de</strong>zeichner<br />
für Pierre Cardin und André Courrèges, <strong>en</strong>twarf begehrte Handtasch<strong>en</strong>,<br />
Gürtel und Schmuck und bald auch eig<strong>en</strong>e Kollektion<strong>en</strong>. 1965 eröffnete<br />
er sein eig<strong>en</strong>es Atelier in Paris. D<strong>en</strong> Durchbruch brachte ihm jedoch die<br />
Filmausstattung für Roger Vadims erotische Spaceopera »Barbarella«, in<br />
<strong>de</strong>r seine Catsuits für Vadims Ehefrau Jane Fonda weltweites Aufseh<strong>en</strong><br />
erregt<strong>en</strong> (und Jane Fonda berühmt macht<strong>en</strong>). Die C<strong>om</strong>ic-Verfi lmung<br />
selbst wur<strong>de</strong> von Kritikern als »so schlecht« bezeichnet, »dass sie schon<br />
wie<strong>de</strong>r gut ist«. Der Film ist – außer von Cineast<strong>en</strong> – vergess<strong>en</strong>,<br />
die Kostümarbeit von Paco Rabanne nicht. Kylie Minogue<br />
zitierte die berühmte Anfangssz<strong>en</strong>e – d<strong>en</strong> Striptease<br />
in <strong>de</strong>r Schwerelosigkeit <strong>de</strong>s Weltraums – in einem<br />
ihrer Vi<strong>de</strong>os. Und es wäre nicht verwun<strong>de</strong>rlich, w<strong>en</strong>n<br />
die »Klempner«-Phase Paco Rabannes <strong>de</strong>mnächst<br />
ein Revival erleb<strong>en</strong> wür<strong>de</strong>. Schön, aber unbequem<br />
– das war schon lang nicht mehr da.
Paco Rabanne<br />
47
Die Westwood<br />
mit <strong>de</strong>m berühmt<strong>en</strong><br />
»Ich bin kein<br />
Terrorist …«-T-Shirt.<br />
Vivi<strong>en</strong>ne schuf für<br />
»Sex and the City«<br />
das begehrteste<br />
Brautkleid aller<br />
Zeit<strong>en</strong>.<br />
MR. BIG<br />
HEIRATET<br />
Das Kleid, das alle Bräute woll<strong>en</strong><br />
48<br />
Que<strong>en</strong> of Punk« – auf dies<strong>en</strong> Titel will die Westwood längst<br />
nicht mehr festgelegt werd<strong>en</strong>. Diese Zeit<strong>en</strong> war<strong>en</strong> für sie, nach<br />
eig<strong>en</strong>er Aussage, nur Fingerübung<strong>en</strong>. Trotz<strong>de</strong>m gibt es auch<br />
bei ihr nostalgische T<strong>en</strong>d<strong>en</strong>z<strong>en</strong>: Ihre Liebe zum Schott<strong>en</strong>karo ist ungebroch<strong>en</strong>.<br />
Sie hat sogar ein eig<strong>en</strong>es kreiert und schütz<strong>en</strong> lass<strong>en</strong>. Mit diesem<br />
Design hat Vivi<strong>en</strong>ne allerdings nicht gearbeitet, als sie ihr berühmtes<br />
Brautkleid für Sarah Jessica Parker alias Carrie Bradshaw <strong>en</strong>twarf, das d<strong>en</strong><br />
optisch<strong>en</strong> Höhepunkt in »Sex and the City – Der Film« darstellt. Sämtliche<br />
Bräute weltweit träumt<strong>en</strong> ab sofort von einer Hochzeit in dieser Kreation<br />
(selbst die, die noch gar kein<strong>en</strong> Bräutigam hatt<strong>en</strong>). Und noch nie<br />
gab es ein<strong>en</strong> solch<strong>en</strong> Run auf Kopi<strong>en</strong>, die sündhaft teuer war<strong>en</strong>. Spätest<strong>en</strong>s<br />
jetzt war <strong>de</strong>r Name Vivi<strong>en</strong>ne Westwood auch im letzt<strong>en</strong> Winkel <strong>de</strong>r<br />
Welt bekannt. Die Designerin brachte allerdings <strong>de</strong>m Film, d<strong>en</strong> sie bei<br />
<strong>de</strong>r Premiere angeblich laut protestier<strong>en</strong>d frühzeitig verließ, nicht so viel<br />
Begeisterung <strong>en</strong>tgeg<strong>en</strong>. Ein tolles Kleid macht in ihr<strong>en</strong> Aug<strong>en</strong> eb<strong>en</strong> noch<br />
kein<strong>en</strong> gut<strong>en</strong> Film.<br />
So wie Vivi<strong>en</strong>ne Westwood ohnedies nie ein Blatt vor d<strong>en</strong> Mund<br />
nimmt – we<strong>de</strong>r was ihre Mo<strong>de</strong>lle (Feig<strong>en</strong>blätter und Kunstp<strong>en</strong>isse an ihrer<br />
Männermo<strong>de</strong> sprech<strong>en</strong> eine <strong>de</strong>utliche Sprache) noch was ihre politisch<strong>en</strong><br />
Standpunkte betrifft. Auf die Verschärfung <strong>de</strong>r britisch<strong>en</strong> Anti-Terror-Gesetze<br />
reagierte sie mit einem Hemd, auf das sie »Ich bin kein Terrorist.<br />
Bitte nehmt mich nicht fest« druck<strong>en</strong> ließ.<br />
Immerhin: Vivi<strong>en</strong>ne wur<strong>de</strong> Anfang <strong>de</strong>r 90er-Jahre nicht nur zweimal<br />
hintereinan<strong>de</strong>r »Designerin <strong>de</strong>s Jahres«: Die <strong>en</strong>glische Zeitschrift<br />
»W<strong>om</strong><strong>en</strong>’s Wear Daily« kürte sie neb<strong>en</strong> Yves Saint Laur<strong>en</strong>t, Ungaro, Lagerfeld<br />
und Lacroix zur »wichtigst<strong>en</strong> Mo<strong>de</strong>macherin unserer Zeit«. Provokation<br />
in <strong>de</strong>r Kunst ist eb<strong>en</strong> unverzichtbar und wird manchmal sogar belohnt.<br />
<strong>Pretty</strong> W<strong>om</strong><strong>en</strong>
Vivi<strong>en</strong>ne Westwood<br />
49
PRIMADONNA<br />
ASSOLUTA<br />
Die Callas – Königin <strong>de</strong>r Oper und <strong>de</strong>r Mo<strong>de</strong><br />
50<br />
Der Begriff »Diva« könnte für die 1977 verstorb<strong>en</strong>e Callas erfund<strong>en</strong><br />
word<strong>en</strong> sein. Sie war verehrt und gefürchtet – für ihre Kunst<br />
und für ihre Laun<strong>en</strong>. An dieser Stelle über ihre Ausnahmestimme<br />
zu sprech<strong>en</strong>, käme einem Sakrileg gleich: Worüber man nicht<br />
sprech<strong>en</strong> kann, darüber soll man schweig<strong>en</strong>. Über 30 Jahre nach ihrem<br />
Tod werd<strong>en</strong> immer noch jährlich eine Viertelmillion Callas-Platt<strong>en</strong><br />
verkauft – das spricht für sich.<br />
Ihr tragisches Leb<strong>en</strong>, das an gebroch<strong>en</strong>em Herz<strong>en</strong> zu En<strong>de</strong><br />
ging, glich <strong>de</strong>m <strong>de</strong>r Heldinn<strong>en</strong>, d<strong>en</strong><strong>en</strong> sie auf <strong>de</strong>r Bühne ihre überirdisch<br />
schöne Stimme gab. Das einstmals dicke Mädch<strong>en</strong> liebte ein<strong>en</strong><br />
Mann, <strong>de</strong>r aus einer an<strong>de</strong>r<strong>en</strong> Welt kam – Aristoteles Onassis. Der<br />
M<strong>en</strong>sch geword<strong>en</strong>e Gott Mammon. Es war sicher kein Zufall, dass<br />
sich in Pasolinis »Me<strong>de</strong>a«-Verfi lmung diese unglückliche Paarbeziehung<br />
– mit <strong>de</strong>r Callas in <strong>de</strong>r Hauptrolle – quasi spiegelte. Und ihr Biograf<br />
Nicholas Gage hätte für sein <strong>Buch</strong> kein<strong>en</strong> besser<strong>en</strong> Titel als »Griechisches<br />
Feuer« wähl<strong>en</strong> könn<strong>en</strong>.<br />
Sie war die Königin <strong>de</strong>r Oper, die durch sie – und durch niemand<br />
an<strong>de</strong>r<strong>en</strong> – zu neuer Popularität gelangte. Ein Ergebnis nicht zuletzt ihres<br />
schauspielerisch<strong>en</strong> Tal<strong>en</strong>ts, ihrer eindrücklich<strong>en</strong> Bewegung<strong>en</strong>, die bis dato<br />
auf d<strong>en</strong> Opernbühn<strong>en</strong> so gut wie nicht vorhand<strong>en</strong> war<strong>en</strong>. Die tragische<br />
und immer wie<strong>de</strong>r <strong>en</strong>ttäuschte Liebe zu Onassis umgab die Diva mit einer<br />
Aura <strong>de</strong>s Schmerzes, die sie schon zu Lebzeit<strong>en</strong> zum Mythos werd<strong>en</strong><br />
ließ. Und die Fantasie <strong>de</strong>r groß<strong>en</strong> Mo<strong>de</strong>macher anregte. Sie trug privat<br />
Mo<strong>de</strong>lle von Dior, Gucci und Yves Saint Laur<strong>en</strong>t. Val<strong>en</strong>tino schuf 2005<br />
ein schwarzes, gold- und silberbesticktes Bustierkleid, das Na<strong>om</strong>i Campbell<br />
als »H<strong>om</strong>mage an die Callas« vorführte. Und die Dolce & Gabbana-<br />
Kundinn<strong>en</strong> konnt<strong>en</strong> jüngst T-Shirts erwerb<strong>en</strong>, die Callas-Porträts zeigt<strong>en</strong><br />
und ein w<strong>en</strong>ig an die Warhol-Manier erinnert<strong>en</strong>. Die Callas lebt.<br />
<strong>Pretty</strong> W<strong>om</strong><strong>en</strong>
Bitte am Kopf<br />
etwas ansetz<strong>en</strong><br />
Maria Callas<br />
51
In einem Nichts von<br />
Kleid hauchte MM<br />
eine skandalöse<br />
Liebeserklärung.<br />
So konnte nur<br />
eine die Männer<br />
lock<strong>en</strong> – und nicht<br />
nur Millionäre.<br />
HAPPY<br />
BIRTHDAY<br />
Eine Leg<strong>en</strong><strong>de</strong> nam<strong>en</strong>s Marilyn<br />
Es macht mir nichts aus, in einer von Männern d<strong>om</strong>iniert<strong>en</strong> Welt<br />
zu leb<strong>en</strong>, solange ich darin eine Frau sein darf.« Und das durfte<br />
sie: Marilyn Monroe war die Frau. Und sie trug leg<strong>en</strong>däre Klei<strong>de</strong>r.<br />
Eines <strong>de</strong>r schönst<strong>en</strong>, auf jed<strong>en</strong> Fall aber das berühmteste Filmkleid war<br />
das von William Travilla kreierte <strong>de</strong>r berühmt<strong>en</strong> U-Bahn-Luftschacht-<br />
Sz<strong>en</strong>e in Manhattan. Trotz Absperrung war die Begeisterung <strong>de</strong>r Zuschauer,<br />
die anerk<strong>en</strong>n<strong>en</strong>d<strong>en</strong> Pfi ffe und das Klatsch<strong>en</strong>, damals so laut, dass<br />
Billy Wil<strong>de</strong>r die Sz<strong>en</strong>e in d<strong>en</strong> Studios in Hollywood nachdreh<strong>en</strong> musste.<br />
Der große Billy Wil<strong>de</strong>r war übrig<strong>en</strong>s begeistert von Marilyns Schlagfertigkeit<br />
und Humor, auch w<strong>en</strong>n er sich <strong>de</strong>s Öfter<strong>en</strong> kritisch über die<br />
Zusamm<strong>en</strong>arbeit mit MM, die schon damals oft nicht die Pünktlichste<br />
und Konz<strong>en</strong>trierteste am Set war, geäußert hat: »Sie hat ein<br />
außergewöhnlich gutes Händch<strong>en</strong> für witzige Dialoge. Sie war ein<br />
Gesch<strong>en</strong>k Gottes!«<br />
Auch ein an<strong>de</strong>rer berühmter Regisseur war ihrem Charme<br />
und ihrer Ausstrahlung erleg<strong>en</strong>: »Miss Monroe sieht wie<strong>de</strong>r<br />
einmal aus, als wür<strong>de</strong> sie im Dunkeln leucht<strong>en</strong>«, soll Howard<br />
Hawks gesagt hab<strong>en</strong>, <strong>de</strong>r mit ihr d<strong>en</strong> zweit<strong>en</strong><br />
leg<strong>en</strong>där<strong>en</strong> Filmauftritt in einem unvergesslich<strong>en</strong><br />
Kleid insz<strong>en</strong>ierte. Das lasziv hingehauchte »Diamonds<br />
are a Girl’s Best Fri<strong>en</strong>d« hätte in keinem<br />
an<strong>de</strong>r<strong>en</strong> Kleid besser gesung<strong>en</strong> werd<strong>en</strong> könn<strong>en</strong><br />
als in diesem wie angegoss<strong>en</strong> wirk<strong>en</strong>d<strong>en</strong><br />
pinkfarb<strong>en</strong><strong>en</strong> Traum. Dass Marilyn sich in so<br />
einem Kleid katz<strong>en</strong>haft leicht und elegant<br />
beweg<strong>en</strong>, tanz<strong>en</strong> und fe<strong>de</strong>rn<strong>de</strong> Sprünge in<br />
Männerarme vollführ<strong>en</strong> konnte, gr<strong>en</strong>zt an<br />
ein Wun<strong>de</strong>r. Die große Rück<strong>en</strong>schleife verlor
Marilyn Monroe<br />
53
Marilyn im Aufwind.<br />
Die vielleicht<br />
berühmtest<strong>en</strong> Fotos<br />
<strong>de</strong>r Filmgeschichte.<br />
54<br />
in keiner einzig<strong>en</strong> Tanzsituation ihre ta<strong>de</strong>llose Fasson (was an eingearbeitet<strong>en</strong><br />
Pfer<strong>de</strong>haar<strong>en</strong> lag, wie Travilla später einmal verriet). Der Song –<br />
er wur<strong>de</strong> v<strong>om</strong> American Film Institute auf Platz zwölf <strong>de</strong>r best<strong>en</strong> Filmsongs<br />
aller Zeit<strong>en</strong> gesetzt – war sozusag<strong>en</strong> das Sahnehäubch<strong>en</strong> <strong>de</strong>s Films<br />
»Blondin<strong>en</strong> bevorzugt«. Dess<strong>en</strong> Regisseur, <strong>de</strong>r ehemalige Pilot Howard<br />
Hawks, hatte sich im Filmgeschäft als Cutter, Filmarchitekt, Requisiteur,<br />
Stuntman, Regieassist<strong>en</strong>t regelrecht hochgedi<strong>en</strong>t, bevor er zum Star<br />
wur<strong>de</strong> und sich d<strong>en</strong> Anblick <strong>de</strong>r umwerf<strong>en</strong>d Schön<strong>en</strong> in »Blondin<strong>en</strong> bevorzugt«<br />
wahrlich verdi<strong>en</strong>t hatte. Allerdings hätte er dabei seine zu rosarote<br />
Brille vielleicht doch geleg<strong>en</strong>tlich absetz<strong>en</strong> soll<strong>en</strong>: William Travilla<br />
zumin<strong>de</strong>st war ein w<strong>en</strong>ig traurig, weil seine ursprünglich vorgeseh<strong>en</strong><strong>en</strong>,<br />
lang<strong>en</strong> schwarz<strong>en</strong> Handschuhe zum Pink-Kostümwun<strong>de</strong>r nicht zum Einsatz<br />
kam<strong>en</strong>, son<strong>de</strong>rn pinkfarb<strong>en</strong><strong>en</strong> weich<strong>en</strong> musst<strong>en</strong>.<br />
Dass Marilyn Monroe auch im Männerhemd, billig<strong>en</strong> Arbeitshos<strong>en</strong><br />
und mit einem Hanfstrick als Gürtel umwerf<strong>en</strong>d aussah, hat <strong>de</strong>r Film<br />
»Fluss ohne Wie<strong>de</strong>rkehr« bewies<strong>en</strong>. Und er zeigte, dass niemand diese<br />
schöne Frau besser anzieh<strong>en</strong> konnte als William Travilla. In <strong>de</strong>r Anfangssz<strong>en</strong>e<br />
von »Fluss ohne Wie<strong>de</strong>rkehr« brachte er ihre Beine auf eine Art<br />
und Weise zur Geltung, dass nicht nur Männern <strong>de</strong>r Atem wegbleibt. Mit<br />
<strong>de</strong>m grün<strong>en</strong>, beidseitig geschlitzt<strong>en</strong> Kleid wur<strong>de</strong> <strong>de</strong>r schönste »L<strong>en</strong>d<strong>en</strong>-<br />
<strong>Pretty</strong> W<strong>om</strong><strong>en</strong>
»Es macht<br />
mir nichts aus,<br />
in einer<br />
von Männern<br />
d<strong>om</strong>iniert<strong>en</strong><br />
Welt zu leb<strong>en</strong>,<br />
solange ich darin<br />
eine Frau sein<br />
darf.«<br />
Marilyn Monroe<br />
schurz« aller Zeit<strong>en</strong> geschaff<strong>en</strong>. Die damals noch s<strong>en</strong>sationell<strong>en</strong> Cinema-<br />
Scope-Bil<strong>de</strong>r von Kameramann Joseph LaShelle bracht<strong>en</strong> nicht nur die<br />
großartige kanadische Landschaft zur Geltung, son<strong>de</strong>rn auch d<strong>en</strong> Körper<br />
<strong>de</strong>r Hauptdarstellerin. Die Beine von Marilyn steckt<strong>en</strong> in Netzstrümpf<strong>en</strong>,<br />
die damit <strong>en</strong>dlich auch fürs Kino <strong>en</strong>t<strong>de</strong>ckt wurd<strong>en</strong>, nach<strong>de</strong>m sie zuvor<br />
eher als etwas anrüchig galt<strong>en</strong> und d<strong>en</strong> Revu<strong>en</strong> vorbehalt<strong>en</strong> war<strong>en</strong>. Travilla<br />
machte zwei Schlitze ins Kleid und ganz neb<strong>en</strong>bei die Netzstrümpfe<br />
»saloon-fähig«. Dass man diese schön<strong>en</strong>, perfekt geformt<strong>en</strong> Beine <strong>de</strong>r<br />
MM in diesem Film nach d<strong>en</strong> Eingangssz<strong>en</strong><strong>en</strong> im Saloon nicht mehr zu<br />
seh<strong>en</strong> bekam, lag daran, dass die Schöne sich währ<strong>en</strong>d <strong>de</strong>r Dreharbeit<strong>en</strong><br />
ein<strong>en</strong> Fuß gebroch<strong>en</strong> hatte.<br />
Nach <strong>de</strong>m bisher Gesagt<strong>en</strong> glaub<strong>en</strong> Sie sicher, dass man eine<br />
Monroe nicht so einfach rauswerf<strong>en</strong> kann. Aber das ist gescheh<strong>en</strong>. Sie<br />
arbeitete an ihrem letzt<strong>en</strong>, nie fertiggestellt<strong>en</strong> Film – »S<strong>om</strong>ething’s Got<br />
to Give« – und mel<strong>de</strong>te sich bereits am erst<strong>en</strong> Drehtag beim Produz<strong>en</strong>t<strong>en</strong><br />
krank. Und das sollte so weitergeh<strong>en</strong>: Von 30 Drehtag<strong>en</strong> war sie nur<br />
17 am Set. In die Zeit ihrer Krankmeldung fi el <strong>de</strong>r 45. Geburtstag von<br />
Präsid<strong>en</strong>t John F. K<strong>en</strong>nedy, für d<strong>en</strong> sie nach New York fl og, um am 29.<br />
Mai 1962 im Madison Square Gard<strong>en</strong> das berühmte Lied im eb<strong>en</strong>so berühmt-verrucht<strong>en</strong><br />
Kleid zu sing<strong>en</strong>. Es wur<strong>de</strong> nie bewies<strong>en</strong> (also wahrscheinlich<br />
gut vertuscht), dass Marilyn ein Verhältnis mit <strong>de</strong>m Präsid<strong>en</strong>t<strong>en</strong><br />
hatte. Doch ihr Vortrag an diesem Ab<strong>en</strong>d wirkte wie ein Eingeständnis,<br />
zumal Jackie K<strong>en</strong>nedy <strong>de</strong>r Veranstaltung <strong>de</strong>monstrativ fernblieb. Und das<br />
Marilyn Monroe 55<br />
links<br />
Sie liebte kluge<br />
Männer: Arthur<br />
Miller war<br />
Marilyns zweiter<br />
Ehemann.<br />
rechts<br />
Einmal ganz<br />
unglamourös (aber<br />
bezaubernd) – in<br />
»Fluss ohne<br />
Wie<strong>de</strong>rkehr«.<br />
Doppelseite<br />
Sie weiß, wie es geht:<br />
So und nicht an<strong>de</strong>rs<br />
»angelt man sich<br />
ein<strong>en</strong> Millionär«.
56 <strong>Pretty</strong> W<strong>om</strong><strong>en</strong>
Anita Ekberg<br />
57
Wer sich fragt,<br />
warum »Blondin<strong>en</strong><br />
bevorzugt« werd<strong>en</strong>:<br />
Dieses Bild gibt die<br />
Antwort.<br />
Marilyn mit William<br />
Travilla, einem<br />
<strong>de</strong>r größt<strong>en</strong><br />
Kostüm<strong>de</strong>signer<br />
Hollywoods.<br />
58<br />
Kleid, das die Monroe von Großmeister Jean Louis für dies<strong>en</strong> Anlass fertig<strong>en</strong><br />
ließ, sprach Bän<strong>de</strong>. Nur einmal wirkte sie nackter als an diesem Tag<br />
im Mai: auf Nacktfotos, die sie 1949 aus Geldnot mach<strong>en</strong> ließ und die ein<br />
paar Jahre später ein<strong>en</strong> Skandal auslöst<strong>en</strong>. Von einem Journalist<strong>en</strong> befragt,<br />
ob sie bei diesem Fotoshooting wirklich nichts an hatte, soll sie<br />
gesagt hab<strong>en</strong>: »Doch, das Radio!« Zwei Monate nach <strong>de</strong>r als Geburtstagsgesch<strong>en</strong>k<br />
getarnt<strong>en</strong> »Liebeserklärung« an d<strong>en</strong> Präsid<strong>en</strong>t<strong>en</strong> war Marilyn<br />
Monroe tot.<br />
Über dies<strong>en</strong> Tod wird bis heute gerätselt – aber gera<strong>de</strong> er ist es,<br />
<strong>de</strong>r das Rätsel Marilyn noch geheimnisvoller macht. Diese Frau und ihre<br />
Art zu geh<strong>en</strong>, sich zu beweg<strong>en</strong> und Klei<strong>de</strong>r zu trag<strong>en</strong> wurd<strong>en</strong> zum Mythos<br />
schlechthin. Hun<strong>de</strong>rttaus<strong>en</strong><strong>de</strong> versucht<strong>en</strong> und versuch<strong>en</strong> sie zu<br />
imitier<strong>en</strong>. Vergeb<strong>en</strong>s.<br />
<strong>Pretty</strong> W<strong>om</strong><strong>en</strong><br />
»Miss Monroe<br />
sieht wie<strong>de</strong>r<br />
einmal aus, als<br />
wür<strong>de</strong> sie<br />
im Dunkeln<br />
leucht<strong>en</strong>.«<br />
Howard Hawks
Marilyn Monroe<br />
59
DAS<br />
BLUTKOSTÜM<br />
Die Witwe trug Giv<strong>en</strong>chy<br />
Der schwere Weg<br />
<strong>de</strong>r K<strong>en</strong>nedys in<br />
Arlington – die<br />
ganze Welt trauerte<br />
mit <strong>de</strong>r Präsid<strong>en</strong>t<strong>en</strong>familie.<br />
Jackie ist Witwe:<br />
Im noch blutbefl eckt<strong>en</strong><br />
Kostüm bei <strong>de</strong>r<br />
Ankunft in Washington.<br />
Es gibt Tage, die schon in <strong>de</strong>r Geg<strong>en</strong>wart zu Geschichte werd<strong>en</strong>.<br />
So wie M<strong>en</strong>sch<strong>en</strong> sich daran erinnern, wo sie war<strong>en</strong>, als am 9.<br />
November 1989 die Berliner Mauer fi el o<strong>de</strong>r am 21. August 1968<br />
durch d<strong>en</strong> Einmarsch <strong>de</strong>r Warschauer-Pakt-Trupp<strong>en</strong> <strong>de</strong>r »Prager Frühling«<br />
im Keim erstickt wur<strong>de</strong>, so erinnern sich diej<strong>en</strong>ig<strong>en</strong>, die damals<br />
schon als Erwachs<strong>en</strong>e o<strong>de</strong>r Te<strong>en</strong>ager lebt<strong>en</strong>, noch sehr g<strong>en</strong>au an d<strong>en</strong><br />
22. November 1963. Es war <strong>de</strong>r Tag, an <strong>de</strong>m John F. K<strong>en</strong>nedy in Dallas<br />
ermor<strong>de</strong>t wur<strong>de</strong>. Er war <strong>de</strong>r Präsid<strong>en</strong>t <strong>de</strong>r Vereinigt<strong>en</strong> Staat<strong>en</strong>, <strong>de</strong>r verehrt<br />
und geliebt wur<strong>de</strong> und mit <strong>de</strong>m vor allem die Jug<strong>en</strong>d <strong>de</strong>r ganz<strong>en</strong><br />
Welt eb<strong>en</strong>so viele Hoffnung<strong>en</strong> verband wie heute mit Barack Obama.<br />
Mit diesem warm<strong>en</strong>, sonnig<strong>en</strong> Novembertag verbin<strong>de</strong>t sich auf<br />
traurige Weise auch ein unvergessliches Kleidungsstück: das rosafarb<strong>en</strong>e<br />
Wollkostüm aus <strong>de</strong>r Chanel-Kollektion, das Jacqueline K<strong>en</strong>nedy trug,<br />
weil die Wettervorhersage kühle Temperatur<strong>en</strong> für Dallas angekündigt<br />
hatte. Es war nach d<strong>en</strong> tödlich<strong>en</strong> Schüss<strong>en</strong> mit <strong>de</strong>m Blut <strong>de</strong>s Präsid<strong>en</strong>t<strong>en</strong><br />
besu<strong>de</strong>lt. Dieser Anblick hat sich unvergesslich in das kollektive Gedächtnis<br />
<strong>de</strong>r Welt eingebrannt.<br />
Es heißt, Jacqueline K<strong>en</strong>nedy habe sich damals geweigert, die<br />
Kleidung zu wechseln, weil sie <strong>de</strong>r ganz<strong>en</strong> Welt zeig<strong>en</strong> wollte, was man<br />
ihrem Mann – <strong>de</strong>m mächtigst<strong>en</strong> Staatschef <strong>de</strong>r Welt – angetan hat. Sie<br />
trug das befl eckte Kostüm auch dann noch, als <strong>de</strong>r Vizepräsid<strong>en</strong>t Lyndon<br />
B. Johnson an Bord <strong>de</strong>r »Air Force One« an ihrer Seite d<strong>en</strong> Amtseid ablegte.<br />
Dass die Präsid<strong>en</strong>t<strong>en</strong>witwe auch beim Staatsbegräbnis mo<strong>de</strong>bewusst<br />
war, nahm<strong>en</strong> ihr viele übel: Sie ließ ein schwarzes Mo<strong>de</strong>ll von<br />
Giv<strong>en</strong>chy aus Paris einfl ieg<strong>en</strong>, wo man die Maße aller K<strong>en</strong>nedy-Frau<strong>en</strong> –<br />
wohl für eilige Fälle, so sagt das böse Gerücht – vorlieg<strong>en</strong> hatte.<br />
60 <strong>Pretty</strong> W<strong>om</strong><strong>en</strong>
Jacqueline K<strong>en</strong>nedy<br />
61
KAROMANIA.<br />
VERY BRITISH!<br />
Was die Que<strong>en</strong> und Col<strong>om</strong>bo<br />
gemeinsam hab<strong>en</strong><br />
Kate Moss ist<br />
eine <strong>de</strong>r einfl ussreichst<strong>en</strong>Botschafterinn<strong>en</strong><br />
von<br />
Burberrys neuem<br />
Stil …<br />
DOPPELSEITE<br />
... und Christopher<br />
Bailey beweist mit<br />
je<strong>de</strong>r Kollektion,<br />
dass es auch ganz<br />
ohne Karos geht.<br />
Auch coole<br />
<strong>en</strong>glische Hun<strong>de</strong><br />
fühl<strong>en</strong> sich in<br />
Burberry rundum so<br />
richtig mopswohl.<br />
Auf Dauer hätte man allein von <strong>de</strong>r Que<strong>en</strong>, von Col<strong>om</strong>bo- und<br />
Bogart-Fans nicht leb<strong>en</strong> könn<strong>en</strong> und auch nicht von d<strong>en</strong> <strong>de</strong>r Insel<br />
freundlich gesonn<strong>en</strong><strong>en</strong> Hamburgern. Die Marke Burberry<br />
brauchte Blutauffrischung. Also sann man auf Abhilfe, und da traf es sich<br />
gut, dass <strong>de</strong>r <strong>en</strong>glische Designer Christopher Bailey nach neu<strong>en</strong> Herausfor<strong>de</strong>rung<strong>en</strong><br />
suchte. Er hatte bereits in New York an <strong>de</strong>r Seite von Donna<br />
Karan gearbeitet und zusamm<strong>en</strong> mit T<strong>om</strong> Ford das Label Gucci zu ungeahnt<strong>en</strong><br />
Umsatzhöh<strong>en</strong> gebracht. Aber was kann man aus so viel Tradition<br />
und so viel Karos schon mach<strong>en</strong>? Noch dazu, w<strong>en</strong>n sie das Zeich<strong>en</strong> für<br />
Burberry sind, so wie das LV für Louis Vuitton, das GG für Gucci o<strong>de</strong>r das<br />
CC für Chanel?<br />
Bailey hat es geschafft. Eine neue Dam<strong>en</strong>kollektion, die die Verwandtschaft<br />
mit d<strong>en</strong> Stammvätern zunächst noch durchblitz<strong>en</strong> ließ, bis<br />
sie sich immer mehr emanzipierte und die Karos immer mehr »un<strong>de</strong>rcover«<br />
lief<strong>en</strong>. Und inzwisch<strong>en</strong> ganz <strong>de</strong>m fi rm<strong>en</strong>eig<strong>en</strong><strong>en</strong> Logo <strong>de</strong>s Ritters<br />
auf steig<strong>en</strong><strong>de</strong>m Pferd mit <strong>de</strong>m Motto »Prorsum« (Vorwärts! – was für ein<br />
Zeich<strong>en</strong>!) gewich<strong>en</strong> sind. Als Christopher Bailey von »Bunte«-Chefredakteurin<br />
Patricia Riekel 2007 <strong>de</strong>r Mo<strong>de</strong>-Bambi überreicht wur<strong>de</strong>, geschah<br />
das für »britische Coolness mit frischem Rock’n’Roll-Style und perfekte<br />
Schnei<strong>de</strong>rkunst«. Und weil sich die neue Burberry-Linie zu einem <strong>de</strong>r<br />
wichtigst<strong>en</strong> Labels <strong>de</strong>r Mo<strong>de</strong>welt <strong>en</strong>twickelt hat.<br />
Allein an d<strong>en</strong> namhaft<strong>en</strong> Trägerinn<strong>en</strong> und Botschafterinn<strong>en</strong> kann<br />
das nicht geleg<strong>en</strong> hab<strong>en</strong> – zumal sie sehr unterschiedlich sind: Skandal-<br />
Lady Kate Moss sieht in Baileys Kreation<strong>en</strong> eb<strong>en</strong>so umwerf<strong>en</strong>d aus wie<br />
die unschuldige Emma Watson, Harry Potters altkluge Freundin Hermine<br />
Granger. So hat <strong>de</strong>r Englän<strong>de</strong>r Christopher Bailey die Traditionsmarke<br />
seiner Insel gerettet. Ein Harry Potter <strong>de</strong>r Mo<strong>de</strong>? Auf jed<strong>en</strong> Fall sind seine<br />
Kollektion<strong>en</strong> zauberhaft.
Christopher Bailey<br />
63
GEISHA-<br />
ROMANTIK<br />
Man<strong>de</strong>läugige Mo<strong>de</strong>grüße<br />
aus Fernost<br />
45 Topmo<strong>de</strong>ls<br />
präs<strong>en</strong>tier<strong>en</strong><br />
John Gallianos<br />
H<strong>om</strong>mage an<br />
das Shanghai <strong>de</strong>r<br />
30er-Jahre.<br />
Greta Garbo in<br />
einem atemberaub<strong>en</strong>d<strong>en</strong><br />
Kostüm<br />
für ihr<strong>en</strong> »Mata<br />
Hari«-Film.<br />
Die Faszination, die asiatische Kultur und Mo<strong>de</strong> auf d<strong>en</strong> West<strong>en</strong><br />
ausüb<strong>en</strong>, ist so alt wie Marco Polos erste Berichte. Aber spätest<strong>en</strong>s<br />
seit die Asi<strong>en</strong>-R<strong>om</strong>ane von Pearl S. Buck Million<strong>en</strong>auflag<strong>en</strong><br />
erreicht<strong>en</strong> und auch Hollywood d<strong>en</strong> Fern<strong>en</strong> Ost<strong>en</strong> <strong>en</strong>t<strong>de</strong>ckte, ist<br />
<strong>de</strong>r »Asi<strong>en</strong>«-Look auch bei d<strong>en</strong> Mo<strong>de</strong>machern angek<strong>om</strong>m<strong>en</strong>.<br />
Greta Garbo faszinierte in <strong>de</strong>r Rolle <strong>de</strong>r Tänzerin und Spionin<br />
Mata Hari mit Gilbert Adrians exotischst<strong>en</strong> Kostüm<strong>en</strong> <strong>de</strong>r Filmgeschichte.<br />
Ingrid Bergman und Curd Jürg<strong>en</strong>s spielt<strong>en</strong> sich in »Die Herberge<br />
zur 6. Glückseligkeit« in alle Frau<strong>en</strong>herz<strong>en</strong>, und Europa hat damit<br />
etwas über das schmerzhafte Abbind<strong>en</strong> <strong>de</strong>r Frau<strong>en</strong>füße in China erfahr<strong>en</strong>.<br />
Aber ein<strong>en</strong> modisch<strong>en</strong> Hype hab<strong>en</strong> erst Filme ausgelöst wie »Meine<br />
Geisha«: Shirley McLaine als verklei<strong>de</strong>te Geisha, die von ihrem Mann,<br />
gespielt von Yves Montand, nicht wie<strong>de</strong>rerkannt wird. Das Publikum lief<br />
in Ström<strong>en</strong> in die Kinos, und alle Frau<strong>en</strong> wollt<strong>en</strong> Geishas sein. Kimonos,<br />
Kirschblüt<strong>en</strong> im Haar und Seid<strong>en</strong>brokat hatt<strong>en</strong> von Paris bis Mailand und<br />
New York Hochsaison. Und das bis heute in kurz<strong>en</strong> Abständ<strong>en</strong> – und<br />
modifi ziert – immer wie<strong>de</strong>r.<br />
John Galliano begann sein Wirk<strong>en</strong> bei Dior mit einer H<strong>om</strong>mage<br />
an das modische Shanghai <strong>de</strong>r 1930er-Jahre und verblüffte sein Publikum<br />
damals mit einer Geisha-Kollektion, die bei seinem zehnjährig<strong>en</strong><br />
Jubiläum vor w<strong>en</strong>ig<strong>en</strong> Jahr<strong>en</strong> mit Jubel gefeiert wur<strong>de</strong>. Yves Saint Laur<strong>en</strong>t<br />
zeigte 1998 chinesisch angehauchte Mo<strong>de</strong>lle, und Roberto Cavalli<br />
<strong>en</strong>twarf <strong>en</strong>tsprech<strong>en</strong><strong>de</strong> Stoffmuster. Währ<strong>en</strong>d in Tokio und Peking<br />
Armani, Burberry und Prada getrag<strong>en</strong> wur<strong>de</strong> und wird, huldigt<strong>en</strong> die<br />
Couturier-Götter – von Lacroix bis Gucci – 2004 in sonst selt<strong>en</strong>er Einhelligkeit<br />
<strong>de</strong>m Asi<strong>en</strong>-Look. Sogar Cartier trug <strong>de</strong>m Tr<strong>en</strong>d mit seiner<br />
Schmuck-Kollektion »Kiss of the Dragon« Rechnung. Die Mo<strong>de</strong>sonne<br />
geht seither immer öfter im Ost<strong>en</strong> auf.<br />
66 <strong>Pretty</strong> W<strong>om</strong><strong>en</strong>
Anita Asi<strong>en</strong>-Look<br />
Ekberg 67
S<strong>en</strong>krechtstarter <strong>de</strong>r<br />
Mo<strong>de</strong>: D<strong>om</strong><strong>en</strong>ico<br />
Dolce und Stefano<br />
Gabbana.<br />
Ein Kleid wie eine<br />
Hochzeitstorte:<br />
ein D&G-Mo<strong>de</strong>ll aus<br />
<strong>de</strong>r S<strong>om</strong>mer-Kollektion<br />
2010.<br />
GOLDEN<br />
BOYS<br />
Die Shootingstars <strong>de</strong>r Mo<strong>de</strong><br />
Die »süß<strong>en</strong> Jungs«, wie sie von ihrer Freundin Madonna g<strong>en</strong>annt<br />
werd<strong>en</strong>, traf<strong>en</strong> sich beim »Klink<strong>en</strong>putz<strong>en</strong>«. Man schrieb das<br />
Jahr 1982 – <strong>de</strong>r Sizilianer D<strong>om</strong><strong>en</strong>ico Dolce und <strong>de</strong>r aus <strong>de</strong>m<br />
V<strong>en</strong>eto stamm<strong>en</strong><strong>de</strong> Stefano Gabbana bot<strong>en</strong> ihre Mo<strong>de</strong>zeichnung<strong>en</strong> an,<br />
aber mit w<strong>en</strong>ig Erfolg. Und so versucht<strong>en</strong> sie es gemeinsam. Unter erschwert<strong>en</strong><br />
Bedingung<strong>en</strong>, d<strong>en</strong>n Sizili<strong>en</strong> und Norditali<strong>en</strong> geht eig<strong>en</strong>tlich<br />
gar nicht! Aber es ging prima. Schon vier Jahre später stellt<strong>en</strong> <strong>de</strong>r Schnei<strong>de</strong>rsohn<br />
Dolce und <strong>de</strong>r Grafi ker Gabbana ihre erste Kollektion vor. Und<br />
die war wun<strong>de</strong>rbar an<strong>de</strong>rs als alles, was aus d<strong>en</strong> berühmt<strong>en</strong> Couture-<br />
Häusern kam. Ihr<strong>en</strong> Entwürf<strong>en</strong> ist anzuseh<strong>en</strong>, dass sie weibliche Frau<strong>en</strong><br />
wie Sophia Lor<strong>en</strong>, »Gina nazionale«, Anna Magnani (die steht ganz ob<strong>en</strong><br />
auf ihrer Nostalgie-Erinnerungsliste) verehr<strong>en</strong> und von ihn<strong>en</strong> animiert<br />
werd<strong>en</strong>. Natürlich auch Madonna, die Freundin, die sogar die neue Kollektion<br />
präs<strong>en</strong>tiert.<br />
Dolce & Gabbana-Mo<strong>de</strong> ist sinnlich und frech zugleich. Schwarze<br />
Strümpfe, Unterwäsche als Oberbekleidung getrag<strong>en</strong>, Petticoats, Rüsch<strong>en</strong><br />
und Tüll, Frans<strong>en</strong>, Korsag<strong>en</strong>oberteile mit Perl<strong>en</strong>, Strass und groß<strong>en</strong><br />
Glasstein<strong>en</strong> – es wirkt immer unschuldig und sehr sexy zugleich. Selbst<br />
w<strong>en</strong>n sie str<strong>en</strong>ge Hos<strong>en</strong>anzüge kreier<strong>en</strong>, ist die Rück<strong>en</strong>partie <strong>de</strong>r Weste<br />
aus Spitze. So <strong>en</strong>tstand ein Dolce & Gabbana-Stil, <strong>de</strong>r von <strong>de</strong>r Presse als<br />
»Boutiqu<strong>en</strong>-Look für d<strong>en</strong> Konfer<strong>en</strong>zraum« bezeichnet wur<strong>de</strong>. Währ<strong>en</strong>d<br />
sich Stefano auch vorstell<strong>en</strong> könnte, ein Rockstar wie Elvis geword<strong>en</strong> zu<br />
sein, schwärmt D<strong>om</strong><strong>en</strong>ico für »Africa« von Toto. Die Shows <strong>de</strong>r beid<strong>en</strong><br />
katholisch<strong>en</strong> Opernfans beginn<strong>en</strong> jedoch immer mit <strong>de</strong>m Intermezzo<br />
aus Mascagnis »Cavalleria Rusticana«. Diese Bandbreite lieb<strong>en</strong> emanzipierte<br />
Frau<strong>en</strong> wie Demi Moore, Isabella Rossellini, Julia Roberts, J<strong>en</strong>nifer<br />
Lopez und Eva M<strong>en</strong><strong>de</strong>s. Madonna schnipselt für sie sogar in <strong>de</strong>r Küche<br />
Gemüse.<br />
68 <strong>Pretty</strong> W<strong>om</strong><strong>en</strong>
Dolce & Gabbana<br />
69
HIMMLISCHE<br />
FEDERN<br />
Yves und Zizi Jeanmaire<br />
»Eine Revue<br />
auszustatt<strong>en</strong> ist so,<br />
als wür<strong>de</strong> man die<br />
Welt neu erfi nd<strong>en</strong>.«<br />
Zizi Jeanmaire ist<br />
die schönste<br />
leb<strong>en</strong>dig geword<strong>en</strong>e<br />
Pu<strong>de</strong>rquaste <strong>de</strong>r<br />
Welt.<br />
Ohne sie wäre Paris nicht Paris!« Davon ist ihr Partner und Ehemann,<br />
<strong>de</strong>r Tänzer und Choreograf Roland Petit, überzeugt.<br />
Und für Ballettfans gehört Zizi Jeanmaire sowieso zu d<strong>en</strong> groß<strong>en</strong><br />
ihrer Zunft: Sie tanzte nicht zufällig mit Rudolf Nurejew in <strong>de</strong>m Film<br />
»Der Jüngling und <strong>de</strong>r Tod« und Mikhail Baryschnikow. Bekannt wur<strong>de</strong><br />
die 1924 in Paris gebor<strong>en</strong>e Zizi mit <strong>de</strong>m von Roland Petit nach Bizet choreografi<br />
ert<strong>en</strong> Ballett »Carm<strong>en</strong>«, das 1949 in London produziert wur<strong>de</strong><br />
und das seither auf <strong>de</strong>r ganz<strong>en</strong> Welt 5000 Mal aufgeführt wur<strong>de</strong>.<br />
Zizi Jeanmaire begann als Primaballerina an <strong>de</strong>r Pariser Oper, war<br />
dann von »Les Ballets <strong>de</strong> Monte-Carlo« <strong>en</strong>gagiert und wechselte zu d<strong>en</strong><br />
»Ballets <strong>de</strong>s Champs-Elysées«. In Hollywood war sie in Musical-Verfi lmung<strong>en</strong><br />
zu seh<strong>en</strong>, u.a. als Partnerin von Bing Crosby in »Anything Goes«<br />
nach Cole Porter. Und an <strong>de</strong>r Seite von Eddie Constantin machte sie in<br />
»Folies-Bergères« (»Paradies <strong>de</strong>r Liebe«) Werbung für die Seine-Stadt<br />
und erfüllte damit alle Klischeevorstellung<strong>en</strong> von Tourist<strong>en</strong>.<br />
Aber in d<strong>en</strong> Köpf<strong>en</strong> <strong>de</strong>r meist<strong>en</strong> M<strong>en</strong>sch<strong>en</strong> ist Zizi Jeanmaire mit<br />
ihr<strong>en</strong> s<strong>en</strong>sationell<strong>en</strong> Bühn<strong>en</strong>shows geblieb<strong>en</strong>, von d<strong>en</strong><strong>en</strong> ihr Mann über<br />
60 mit ihr produziert hat. All<strong>en</strong> voran »Mon truc <strong>en</strong> plumes«, in <strong>de</strong>r sie<br />
auch zum erst<strong>en</strong> Mal das gleichnamige Chanson sang. Ein optischer und<br />
akustischer Hochg<strong>en</strong>uss.<br />
Die meist<strong>en</strong> dieser b<strong>om</strong>bastisch<strong>en</strong>, s<strong>en</strong>sationell<strong>en</strong> Shows hat<br />
Yves Saint Laur<strong>en</strong>t ausgestattet, mit <strong>de</strong>m die Künstlerin bis zu seinem<br />
Tod befreun<strong>de</strong>t war und <strong>de</strong>r ihr<strong>en</strong> Bühn<strong>en</strong>auftritt<strong>en</strong>, in d<strong>en</strong><strong>en</strong> er oft und<br />
unnachahmlich mit Fe<strong>de</strong>rn experim<strong>en</strong>tierte, sein<strong>en</strong> unverwechselbar<strong>en</strong><br />
Charme gab. In Verbindung mit ihr<strong>en</strong> Chansons, geschrieb<strong>en</strong> von Serge<br />
Gainsbourg und Jaques Prévert (und ihrer Tochter) wur<strong>de</strong> sie <strong>en</strong>dgültig<br />
zur französisch<strong>en</strong> Leg<strong>en</strong><strong>de</strong>.<br />
70 <strong>Pretty</strong> W<strong>om</strong><strong>en</strong>
Zizi Jeanmaire<br />
71
FRÜHSTÜCK<br />
BEI TIFFANY<br />
Audrey – die schönste Frau <strong>de</strong>r Welt<br />
Audrey als Holly<br />
Golightly. Eine<br />
Rolle, die Truman<br />
Capote für die<br />
Monroe schrieb.<br />
Und immer noch<br />
ist sie die schönste<br />
Gazelle, die je<br />
als Frau auf Erd<strong>en</strong><br />
wan<strong>de</strong>lte.<br />
Audrey Hepburn, die Tochter einer holländisch<strong>en</strong> Baronin und<br />
eines <strong>en</strong>glisch<strong>en</strong> Bankiers, hatte d<strong>en</strong> Zweit<strong>en</strong> Weltkrieg unter<br />
groß<strong>en</strong> Entbehrung<strong>en</strong> in Holland überlebt, machte eine Ballettausbildung<br />
in England und kam 1951 wie ein Wirbelsturm über Amerika:<br />
In diesem Jahr tanzte sie am Broadway die »Gigi« und wur<strong>de</strong> dort<br />
von Hollywood <strong>en</strong>t<strong>de</strong>ckt. Schon 1954 erhielt sie für ihre Rolle in »Ein<br />
Herz und eine Krone« an <strong>de</strong>r Seite von Gregory Peck d<strong>en</strong> Oscar für die<br />
beste Hauptdarstellerin. Die Friseure jubelt<strong>en</strong>, weil die Frau<strong>en</strong> aufgrund<br />
<strong>de</strong>r Haarschnittsz<strong>en</strong>e in diesem Film plötzlich modische Kurzhaarfrisur<strong>en</strong><br />
hab<strong>en</strong> wollt<strong>en</strong>. Te<strong>en</strong>ager auf <strong>de</strong>r ganz<strong>en</strong> Welt kopiert<strong>en</strong> ihre Art, sich<br />
zu kleid<strong>en</strong>: Der »Audrey-Stil« war gebor<strong>en</strong>. Und er hatte Regeln: Beachte<br />
<strong>de</strong>in<strong>en</strong> Körpertyp, zieh dich bequem an, damit du dich natürlich beweg<strong>en</strong><br />
kannst, lebe gesund, achte auf <strong>de</strong>ine Haltung, schminke dich <strong>de</strong>z<strong>en</strong>t,<br />
sei fröhlich und lächle, d<strong>en</strong>n Schönheit k<strong>om</strong>mt von inn<strong>en</strong>, und<br />
dann darf Kleidung auch leger und einfach sein. Mo<strong>de</strong> wur<strong>de</strong> schon<br />
immer von pr<strong>om</strong>in<strong>en</strong>t<strong>en</strong> Frau<strong>en</strong> populär gemacht, aber nur w<strong>en</strong>ige<br />
hab<strong>en</strong> so stilbild<strong>en</strong>d gewirkt wie die Europäerin Audrey Hepburn:<br />
Sie revolutionierte die damals in Hollywood vorherrsch<strong>en</strong><strong>de</strong> Üppigkeit<br />
à la Monroe und schuf damit völlig neue Sehnsüchte.<br />
Es war das G<strong>en</strong>ie Billy Wil<strong>de</strong>r, das d<strong>en</strong> groß<strong>en</strong> Couturier<br />
Hubert <strong>de</strong> Giv<strong>en</strong>chy mit seiner Muse Audrey Hepburn zusamm<strong>en</strong>brachte.<br />
Er schickte seine »Sabrina«-Darstellerin<br />
nach Paris, um Pariser Mo<strong>de</strong>llklei<strong>de</strong>r<br />
einzukauf<strong>en</strong>. So wollte er glaubhafter<br />
mach<strong>en</strong>, dass aus <strong>de</strong>r Chauffeurtochter<br />
Sabrina, <strong>de</strong>m klein<strong>en</strong>
Audrey Hepburn<br />
73
Audrey auf<br />
<strong>de</strong>m Ba<strong>de</strong>wann<strong>en</strong>-<br />
Sofa: George<br />
Peppard fand sie<br />
zum Nie<strong>de</strong>rkni<strong>en</strong>.<br />
74<br />
»hässlich<strong>en</strong> Entlein«, eine elegante Lady mit europäischem Flair geword<strong>en</strong><br />
war. Ein Arrangem<strong>en</strong>t, das seiner Hauptdarstellerin sehr gefi el, d<strong>en</strong>n<br />
sie sagte einmal in einem Interview, dass sie schöne Klei<strong>de</strong>r so sehr liebe,<br />
dass sie diese Neigung schon selbst als lasterhaft empfän<strong>de</strong>.<br />
Die Hepburn war bei Giv<strong>en</strong>chy angemel<strong>de</strong>t, doch dieser schi<strong>en</strong><br />
auf ein<strong>en</strong> Termin nicht son<strong>de</strong>rlich erpicht, da er sich mitt<strong>en</strong> in <strong>de</strong>r Vorbereitung<br />
einer neu<strong>en</strong> Kollektion befand. Außer<strong>de</strong>m gab es wohl eine<br />
K<strong>om</strong>munikationspanne, d<strong>en</strong>n <strong>de</strong>r Couturier war <strong>de</strong>r Meinung, es handle<br />
sich um Katharine Hepburn. Aus dieser erst<strong>en</strong> Irritation erwuchs dann<br />
aber eine große Freundschaft, und das Zauberwes<strong>en</strong> Audrey wur<strong>de</strong> ab<br />
sofort zu Giv<strong>en</strong>chys befl ügeln<strong>de</strong>r Muse. Der junge, damals noch aufstreb<strong>en</strong><strong>de</strong><br />
Mo<strong>de</strong>schöpfer – er war nur drei Jahre älter als Audrey – sagte<br />
über sie: »Sie gab mein<strong>en</strong> Klei<strong>de</strong>rn Leb<strong>en</strong> … sie passt<strong>en</strong> sich ihr an.« Und<br />
<strong>de</strong>r ›Sabrina‹-Drehbuchautor Ernest Lehmann meinte: »Die Art und<br />
Weise, wie Audrey in ›Sabrina‹ aussah, hat all ihre später<strong>en</strong> Roll<strong>en</strong> beeinfl<br />
usst. Man könnte sag<strong>en</strong>, wäre sie damals nicht zum Einkauf<strong>en</strong> nach<br />
<strong>Pretty</strong> W<strong>om</strong><strong>en</strong>
»Giv<strong>en</strong>chys<br />
lieb<strong>en</strong>swert<br />
einfache<br />
Gar<strong>de</strong>robe gab<br />
mir immer<br />
das Gefühl, die<br />
zu sein, die ich<br />
spiele.«<br />
Audrey Hepburn<br />
Paris gefl og<strong>en</strong>, hätte sie nie ihre Rolle in ›Frühstück bei Tiffany‹ spiel<strong>en</strong><br />
könn<strong>en</strong>.« Aber egal, ob diese Hollywood Anekdot<strong>en</strong> stimm<strong>en</strong> o<strong>de</strong>r<br />
nicht – Audreys »Sabrina«-Ab<strong>en</strong>dkleid aus Billy Wil<strong>de</strong>rs Original hat<br />
ein<strong>en</strong> fest<strong>en</strong>, unverrückbar<strong>en</strong> Platz in je<strong>de</strong>m Frau<strong>en</strong>herz<strong>en</strong>.<br />
Audrey Hepburn selbst sagte über Giv<strong>en</strong>chy, dass er ihr ein<strong>en</strong><br />
eig<strong>en</strong><strong>en</strong> Look gesch<strong>en</strong>kt hätte, <strong>de</strong>r es ihr überhaupt erst möglich gemacht<br />
hätte, d<strong>en</strong> Beruf <strong>de</strong>r Schauspielerin auszuüb<strong>en</strong>: »Es war eine <strong>en</strong>orme<br />
Hilfe zu wiss<strong>en</strong>, dass ich so aussehe, wie meine Rolle es verlangt. Der Rest<br />
war dann nicht mehr so schwer: Giv<strong>en</strong>chys lieb<strong>en</strong>swert einfache Gar<strong>de</strong>robe<br />
gab mir immer das Gefühl, die zu sein, die ich spiele.«<br />
Wer an »Frühstück bei Tiffany« d<strong>en</strong>kt, hat sofort die Melodie<br />
von »Moon River« im Ohr – und die wun<strong>de</strong>rbare Audrey Hepburn in<br />
d<strong>en</strong> herrlich<strong>en</strong> Klei<strong>de</strong>rn vor Aug<strong>en</strong>. Dabei wollte Truman Capote, nach<br />
<strong>de</strong>ss<strong>en</strong> Erzählung Regisseur Blake Edwards diese Tragik<strong>om</strong>ödie verfi lmt<br />
hat, unbedingt Marilyn Monroe in <strong>de</strong>r Rolle <strong>de</strong>s Partygirls Holly Golightly<br />
seh<strong>en</strong>. Aber wer könnte sich heute Marilyn in diesem wun<strong>de</strong>rbar<strong>en</strong>,<br />
schwarz<strong>en</strong> Satin-Etuikleid vorstell<strong>en</strong>? Giv<strong>en</strong>chy hatte die Klei<strong>de</strong>r<br />
für das Partygirl, das sich vor <strong>de</strong>m Leb<strong>en</strong> fürchtet und sich ein<strong>en</strong> reich<strong>en</strong><br />
Mann angeln will, Audrey auf d<strong>en</strong> Leib geschnei<strong>de</strong>rt. Auch Audreys Partner,<br />
George Peppard, war übrig<strong>en</strong>s nicht die erste Wahl <strong>de</strong>r Filmemacher:<br />
Sie hatt<strong>en</strong> ursprünglich Steve McQue<strong>en</strong> im Auge.<br />
Das Etuikleid, das es schon seit d<strong>en</strong> 1930er-Jahr<strong>en</strong> gab, wur<strong>de</strong><br />
durch sein<strong>en</strong> pr<strong>om</strong>in<strong>en</strong>t<strong>en</strong> Auftritt am Körper Audrey Hepburns in die-<br />
Audrey Hepburn<br />
75<br />
links<br />
Freu<strong>de</strong> über d<strong>en</strong><br />
Oscar für »Ein Herz<br />
und eine Krone«.<br />
Sie hat ihn verdi<strong>en</strong>t.<br />
rechts<br />
Audrey – eine<br />
»Hutfrau« <strong>de</strong>r<br />
Son<strong>de</strong>rklasse und<br />
ein Zauberwes<strong>en</strong><br />
<strong>de</strong>r Mo<strong>de</strong>.
William Hold<strong>en</strong><br />
ist <strong>de</strong>r falsche Mann<br />
für »Sabrina«.<br />
Wir wart<strong>en</strong> auf<br />
Humphrey.<br />
Wer dieses Bild<br />
sieht, hat sofort die<br />
Melodie von »Moon<br />
River« im Ohr.<br />
sem Film erst zum Star und das Original von Giv<strong>en</strong>chy 2006 zugunst<strong>en</strong><br />
wohltätiger Zwecke für eine hohe sechsstellige Summe in <strong>en</strong>glisch<strong>en</strong><br />
Pfund versteigert. In <strong>de</strong>r Novemberausgabe von »Harper’s Bazaar« sah<br />
man dann im selb<strong>en</strong> Jahr Natalie Portman in <strong>de</strong>r schwarz<strong>en</strong> Tiffany-Leg<strong>en</strong><strong>de</strong>.<br />
Audrey-Fans mög<strong>en</strong> das als Häresie empfund<strong>en</strong> hab<strong>en</strong>. Aber egal,<br />
wer es trägt – es ist und bleibt ihr Kleid.<br />
Audrey Hepburn war in fast all<strong>en</strong> ihr<strong>en</strong> Film<strong>en</strong> ein perfektes Gesamtkunstwerk<br />
an Natürlichkeit, selbst w<strong>en</strong>n sich das paradox anhört.<br />
Dabei fehlte ihr einiges, das an<strong>de</strong>re Schauspielerinn<strong>en</strong> berühmt gemacht<br />
hatte: »Das Mädch<strong>en</strong> wird d<strong>en</strong> Bus<strong>en</strong> noch völlig aus <strong>de</strong>r Mo<strong>de</strong> bring<strong>en</strong>!«,<br />
wird beispielsweise Billy Wil<strong>de</strong>r zitiert. Und Starfotograf und Designer<br />
Cecil Beaton zählte einmal in einem »Vogue«-Artikel auf, was alles<br />
an Audreys Modigliani-Gesicht »eig<strong>en</strong>tlich« nicht stimmte (und doch<br />
nicht schöner sein könnte). Im April 2006 wur<strong>de</strong> Audrey Hepburn von<br />
<strong>de</strong>r <strong>en</strong>glisch<strong>en</strong> Zeitschrift »New W<strong>om</strong>an« zur schönst<strong>en</strong> Frau aller Zeit<strong>en</strong><br />
gekürt.<br />
76 <strong>Pretty</strong> W<strong>om</strong><strong>en</strong><br />
»Das Mädch<strong>en</strong><br />
wird d<strong>en</strong><br />
Bus<strong>en</strong> noch<br />
völlig<br />
aus <strong>de</strong>r Mo<strong>de</strong><br />
bring<strong>en</strong>!«<br />
Billy Wil<strong>de</strong>r
Audrey Hepburn<br />
77
REICHLICH<br />
DURCHBLICK<br />
Cher – die Frau, die abräumt<br />
Diese Frau schlug<br />
alle Rekor<strong>de</strong>, die es<br />
zu schlag<strong>en</strong> gab.<br />
In je<strong>de</strong>r Beziehung.<br />
78<br />
Die Tochter einer Cherokee-Indianerin und eines Arm<strong>en</strong>iers<br />
brach alle künstlerisch<strong>en</strong> Rekor<strong>de</strong>, ihre Skandale (um ihre Klei<strong>de</strong>r)<br />
stell<strong>en</strong> mediale Spitz<strong>en</strong>leistung<strong>en</strong> dar. Allein ihre Oscar-<br />
Outfi ts ging<strong>en</strong> in die Hollywood-Geschichte ein. Und för<strong>de</strong>rt<strong>en</strong> die<br />
Gerüchte um ihre ständig<strong>en</strong> Schönheitsoperation<strong>en</strong> (»kein normaler<br />
Körper kann sich dieses Nichts von Klei<strong>de</strong>rn leist<strong>en</strong>!« – so die neidvoll<strong>en</strong><br />
Zung<strong>en</strong>).<br />
Und so hat alles begonn<strong>en</strong>: Ihr späterer Ehemann und Partner<br />
Sonny Bono vermittelte sie als Background-Sängerin zum sag<strong>en</strong>umwob<strong>en</strong><strong>en</strong><br />
Musikproduz<strong>en</strong>t<strong>en</strong> Phil Spector, tat sich aber bald mit ihr zum<br />
»Sonny & Cher«-Duo zusamm<strong>en</strong>. Es gelang ihn<strong>en</strong>, was nur noch d<strong>en</strong><br />
Beatles, Elvis Presley, d<strong>en</strong> Bee Gees und Michael Jackson gelang: fünf<br />
Songs gleichzeitig unter d<strong>en</strong> erst<strong>en</strong> 20 <strong>de</strong>r international<strong>en</strong> Hitlist<strong>en</strong> zu<br />
hab<strong>en</strong>. Sie dreht<strong>en</strong> das erste Musikvi<strong>de</strong>o aller Zeit<strong>en</strong>, bekam<strong>en</strong> TV-Shows<br />
und konnt<strong>en</strong> sich vor Erfolg<strong>en</strong> kaum rett<strong>en</strong>. Cher wur<strong>de</strong> in d<strong>en</strong> 1960er-Jahr<strong>en</strong><br />
mit ihr<strong>en</strong> Schlaghos<strong>en</strong>, d<strong>en</strong> Pelzjäckch<strong>en</strong>, ihr<strong>en</strong> glatt<strong>en</strong>, schwarz<strong>en</strong><br />
Haar<strong>en</strong> und ihrem dick<strong>en</strong> Lidstrich zum Mo<strong>de</strong>vorbild ihrer G<strong>en</strong>eration.<br />
Danach toppte sie alles, was vorher war. Cher ist die reichste<br />
weibliche Künstlerin aller Zeit<strong>en</strong>. Sie erhielt alle Emmys, Grammys o<strong>de</strong>r<br />
Gold<strong>en</strong> Globes gleich mehrfach. Kaum mit Hilfe von Robert Altman ins<br />
Filmgeschäft eingestieg<strong>en</strong>, kam für »Silkwood« pr<strong>om</strong>pt <strong>de</strong>r erste Oscar,<br />
<strong>de</strong>m 1999 noch <strong>de</strong>r »Fashion Oscar« folgte. Madame Tussaud zählt sie in<br />
ihrem Wachsfi gur<strong>en</strong>kabinett zu d<strong>en</strong> fünf schönst<strong>en</strong> Frau<strong>en</strong> <strong>de</strong>r Geschichte.<br />
Sechsmal »Vogue«- und 21-mal »People«-Cover sind kein Zufall.<br />
Die Frau hat nicht nur un<strong>en</strong>dlich viel Geld, son<strong>de</strong>rn auch Mo<strong>de</strong> gemacht.<br />
Und zwar in <strong>de</strong>r Abteilung Provokation, Mut und Leb<strong>en</strong>sfreu<strong>de</strong>.<br />
Eine höchst begabte, wun<strong>de</strong>rschöne, echte Hexe (»von Eastwick«).<br />
<strong>Pretty</strong> W<strong>om</strong><strong>en</strong>
Cher<br />
79
LADY DI –<br />
»HERZDAME«<br />
V<strong>om</strong> Schäfch<strong>en</strong>pulli-Mädch<strong>en</strong><br />
zur Stil-Ikone<br />
Der Pulli mit einem<br />
schwarz<strong>en</strong> Schaf –<br />
ein Kleidungsstück<br />
von großer Symbolkraft.<br />
Ein umwerf<strong>en</strong><strong>de</strong>r<br />
Auftritt – währ<strong>en</strong>d<br />
Charles im TV eine<br />
peinliche Beichte<br />
ablegte.<br />
80<br />
Wer hätte je gedacht, dass ausgerechnet eine Prinzessin und<br />
spätere Mo<strong>de</strong>-Ikone die Strickna<strong>de</strong>ln aus <strong>de</strong>r Mott<strong>en</strong>kiste<br />
wie<strong>de</strong>r zum Klappern bring<strong>en</strong> wür<strong>de</strong>, als Omas weltweit für<br />
ihre von Diana faszinierte Girlie-Verwandtschaft Schäfch<strong>en</strong>pullover<br />
strickt<strong>en</strong>? Mehr als Lady Di, die dieses Gesch<strong>en</strong>k einer Angestellt<strong>en</strong> nicht<br />
nur annahm, son<strong>de</strong>rn auch trug, beglückte <strong>de</strong>r Schäfch<strong>en</strong>pulli-Hype<br />
allerdings die zwei Frau<strong>en</strong> von »Warm and Won<strong>de</strong>rful« in London,<br />
St. Johns Hill Nr. 191: Kaum erschi<strong>en</strong> 1980 das Foto in <strong>de</strong>r international<strong>en</strong><br />
Presse, konnt<strong>en</strong> sich Joanna Osborne und Sally Mair vor Schäfch<strong>en</strong>pulli-<br />
Bestellung<strong>en</strong> kaum mehr rett<strong>en</strong>. Sämtliche E<strong>de</strong>lkaufhäuser <strong>de</strong>r Welt<br />
überschüttet<strong>en</strong> sie mit Aufträg<strong>en</strong>: Die <strong>en</strong>glische Boulevardpresse errechnete<br />
ihr<strong>en</strong> Verdi<strong>en</strong>st mit über eine Million Pfund. Auf die Frage, was sie<br />
d<strong>en</strong>n zu diesem Muster inspiriert hätte, kam die lapidare Antwort: »Nun<br />
ja, Wolle stammt von Schaf<strong>en</strong>…«.<br />
So einfach, herz<strong>en</strong>swarm und bod<strong>en</strong>ständig blieb die Kleidung<br />
<strong>de</strong>r berühmtest<strong>en</strong> Frau <strong>de</strong>r Welt jedoch nicht. Zur Hochzeit <strong>de</strong>s Jahrhun<strong>de</strong>rts<br />
trug sie eine Kreation, die in ihrer Üppigkeit, samt meterlanger<br />
Schleppe, <strong>de</strong>m Traum taus<strong>en</strong><strong>de</strong>r Bräute auf <strong>de</strong>r ganz<strong>en</strong> Welt <strong>en</strong>tsprach.<br />
Und obwohl die Prinzessin später zugab, dass die Robe nicht perfekt saß,<br />
weil sie sich zwisch<strong>en</strong> <strong>de</strong>r letzt<strong>en</strong> Anprobe und <strong>de</strong>m groß<strong>en</strong> Auftritt mehr<br />
als zehn Z<strong>en</strong>timeter Taill<strong>en</strong>weite heruntergehungert hatte, wur<strong>de</strong> dieses<br />
Brautkleid wie keines zuvor kopiert. Entworf<strong>en</strong> hat d<strong>en</strong> barock<strong>en</strong> Traum<br />
in Weiß das Designer-Ehepaar David und Elizabeth Emanuel. Sie gehört<strong>en</strong><br />
bei<strong>de</strong> nicht zum »Club« <strong>de</strong>r ganz groß<strong>en</strong> Pariser Couturiers, aber David<br />
arbeitete schon in jung<strong>en</strong> Jahr<strong>en</strong> für d<strong>en</strong> Hof<strong>de</strong>signer Hardy Amier<br />
und Elizabeth war für die Anzüge von Charles verantwortlich. In ihrer eig<strong>en</strong><strong>en</strong><br />
Mo<strong>de</strong>boutique schnei<strong>de</strong>rt<strong>en</strong> sie später vorwieg<strong>en</strong>d für Filmstars<br />
(darunter Elizabeth Taylor und Madonna) und eb<strong>en</strong> die Royalties.<br />
<strong>Pretty</strong> W<strong>om</strong><strong>en</strong>
Lady Di<br />
81
Die Braut hatte<br />
gehungert – das<br />
Hochzeitskleid saß<br />
nicht. Schon wie<strong>de</strong>r<br />
ein Zeich<strong>en</strong>?<br />
82<br />
Mit Dianas Hochzeitskleid begann nicht nur eine katastrophale Ehe, son<strong>de</strong>rn<br />
auch ein neues Mo<strong>de</strong>bewusstsein <strong>de</strong>r zur Prinzessin geword<strong>en</strong><strong>en</strong><br />
Kin<strong>de</strong>rgärtnerin. Ihre beid<strong>en</strong> älter<strong>en</strong> Schwestern hatt<strong>en</strong> für »Vogue« gearbeitet,<br />
bracht<strong>en</strong> Diana mit <strong>de</strong>r Chefredakteurin zusamm<strong>en</strong>, und sofort<br />
hatte Lady Di eine Mo<strong>de</strong>beraterin erster Güte. Bed<strong>en</strong>kt man ihre Klei<strong>de</strong>rwahl<br />
aus <strong>de</strong>r Verlobungszeit – brave Kostümch<strong>en</strong> mit eb<strong>en</strong>so brav<strong>en</strong> Blüsch<strong>en</strong>,<br />
Falt<strong>en</strong>röcke und Kniestrümpfe, Matros<strong>en</strong>krägelch<strong>en</strong>, fl ache Slipper<br />
o<strong>de</strong>r das unglückliche Geg<strong>en</strong>lichtfoto im durchschein<strong>en</strong>d<strong>en</strong> Rock –,<br />
än<strong>de</strong>rte sich ihr modisches Auftret<strong>en</strong> nach <strong>de</strong>r Hochzeit in rasantem<br />
Tempo. Lady Shy wan<strong>de</strong>lte sich <strong>en</strong>dgültig zu Lady Di. Sie wur<strong>de</strong> stilsicher<br />
und zur meistfotografi ert<strong>en</strong> Frau <strong>de</strong>r Welt – nicht nur ihrer herausrag<strong>en</strong>d<strong>en</strong><br />
gesellschaftlich<strong>en</strong> Stellung weg<strong>en</strong>, son<strong>de</strong>rn auch aufgrund ihrer modisch<strong>en</strong><br />
Eig<strong>en</strong>ständigkeit. Sie hatte ihre Farb<strong>en</strong> gefund<strong>en</strong> (neb<strong>en</strong> Schwarz<br />
Eisblau und Rot), wusste längst, dass zweifarbige Schuhe – am liebst<strong>en</strong><br />
von Chanel – die Füße kleiner wirk<strong>en</strong> ließ<strong>en</strong>, und strahlte in Chanel-Kostüm<strong>en</strong>,<br />
Versace-Etuiklei<strong>de</strong>rn und im erst<strong>en</strong> Dior-Mo<strong>de</strong>ll von John Galliano.<br />
<strong>Pretty</strong> W<strong>om</strong><strong>en</strong>
»Nach <strong>de</strong>r Hochzeit<br />
än<strong>de</strong>rte sich ihr<br />
modisches Auftret<strong>en</strong> in<br />
rasantem Tempo.<br />
Lady Shy wan<strong>de</strong>lte sich<br />
zu Lady Di.«<br />
Was immer Diana tat, es wur<strong>de</strong> k<strong>om</strong>m<strong>en</strong>tiert, kritisiert und natürlich fotografi<br />
ert. Charles lästerte über ihre Verschw<strong>en</strong>dungssucht, die sich nicht<br />
nur auf Äußeres bezog, son<strong>de</strong>rn auch auf Psychiater, Refl exzon<strong>en</strong>masseure,<br />
Ar<strong>om</strong>atherapeut<strong>en</strong>, Tarotkart<strong>en</strong>leger und F<strong>en</strong>g-Shui-Expert<strong>en</strong>.<br />
Unter ihr<strong>en</strong> Klei<strong>de</strong>rn trug sie angeblich ein<strong>en</strong> weiß<strong>en</strong> Kristall, <strong>de</strong>r ihr zu<br />
klarem Verstand, Ausgeglich<strong>en</strong>heit und Harmonie verhelf<strong>en</strong> sollte. Diana<br />
war auf <strong>de</strong>m Weg, sich selbst zu fi nd<strong>en</strong>. Es war ein langer, steiniger Weg,<br />
und wie man weiß, hatte sie nicht die Zeit, ihn zu En<strong>de</strong> zu geh<strong>en</strong>.<br />
D<strong>en</strong> 26. Juni 1994 erlebt<strong>en</strong> die meist<strong>en</strong> M<strong>en</strong>sch<strong>en</strong> sicher nicht als<br />
ein<strong>en</strong> außergewöhnlich<strong>en</strong> Tag. Für die Prinzessin von Wales, ihr<strong>en</strong> Ehemann<br />
und die königliche Familie aber war er gewiss eb<strong>en</strong>so schwarz wie<br />
das Kleid, in <strong>de</strong>m Lady Di zur Vernissage in <strong>de</strong>r Londoner Serp<strong>en</strong>tine Gallery<br />
auftauchte. Währ<strong>en</strong>d im Fernseh<strong>en</strong> ein sich vor Peinlichkeit wind<strong>en</strong><strong>de</strong>r<br />
Prinz Charles seine Untreue gestand, insz<strong>en</strong>ierte die betrog<strong>en</strong>e Ehefrau<br />
ein<strong>en</strong> bühn<strong>en</strong>reif<strong>en</strong> Auftritt. Die Titelseit<strong>en</strong> <strong>de</strong>s nächst<strong>en</strong> Tages<br />
gehört<strong>en</strong> damit wie<strong>de</strong>r einmal ihr und setzt<strong>en</strong> d<strong>en</strong> Ehemann vor <strong>de</strong>r Öff<strong>en</strong>tlichkeit<br />
doppelt ins Unrecht! Das Kleid, das die Fotoapparate blitz<strong>en</strong><br />
ließ, kann je<strong>de</strong> Frau seither blind beschreib<strong>en</strong>: Das schulterfreie, asymmetrisch<br />
geschnitt<strong>en</strong>e »kleine Schwarze« (das d<strong>en</strong> Effekt einer groß<strong>en</strong><br />
Ab<strong>en</strong>drobe hatte) stammt aus <strong>de</strong>m Atelier <strong>de</strong>r griechisch<strong>en</strong> Designerin<br />
Christina Stambolian. Je<strong>de</strong>s modische Detail an Diana stimmte an diesem<br />
Ab<strong>en</strong>d, bis hin zur Absatzhöhe <strong>de</strong>r Schuhe. In dieser von Skandal<strong>en</strong> geprägt<strong>en</strong><br />
Leb<strong>en</strong>sphase war Lady Di schon längst zur Stil-Ikone geword<strong>en</strong>.<br />
Lady Di<br />
83<br />
links<br />
Auch Lady Di war<br />
einmal eine Frau<br />
»wie du und ich«:<br />
Diana als Kin<strong>de</strong>rgärtnerin.<br />
rechts<br />
Ihre Wohltätigkeitsgalas<br />
erzielt<strong>en</strong><br />
Sp<strong>en</strong>d<strong>en</strong>quot<strong>en</strong> in<br />
Million<strong>en</strong>höhe.
»Who’s Who« zählt<br />
sie zu d<strong>en</strong> wichtigst<strong>en</strong><br />
Hun<strong>de</strong>rt.<br />
Charles muss<br />
darauf immer noch<br />
wart<strong>en</strong>.<br />
John Travolta<br />
ließ sich die<br />
Geleg<strong>en</strong>heit nicht<br />
<strong>en</strong>tgeh<strong>en</strong>: Tanz<br />
im Weiß<strong>en</strong> Haus.<br />
84<br />
Doch bezeichnet dieser in zweifacher Hinsicht schwarze Tag auch d<strong>en</strong><br />
Beginn einer Zeit, in <strong>de</strong>r Diana sich <strong>en</strong>dgültig v<strong>om</strong> Königshaus löste und<br />
ihr<strong>en</strong> eig<strong>en</strong><strong>en</strong> Weg zu geh<strong>en</strong> versuchte. Dass ihr nicht gegönnt war, sich<br />
und ihr gekonnt modisches Auftret<strong>en</strong> weiterzu<strong>en</strong>twickeln, ist ganz<br />
abgeseh<strong>en</strong> von <strong>de</strong>r m<strong>en</strong>schlich<strong>en</strong> Tragödie <strong>de</strong>s früh<strong>en</strong> To<strong>de</strong>s bedauerlich.<br />
Sie wäre sicher auch noch im Alter eine bewun<strong>de</strong>rnswert schöne<br />
Frau gewes<strong>en</strong> und hätte die Mo<strong>de</strong>macher noch zu viel<strong>en</strong> beson<strong>de</strong>r<strong>en</strong><br />
Kreation<strong>en</strong> inspiriert. Fast alles, was Lady Di trug, wur<strong>de</strong> fotografi ert und<br />
ging mit Hilfe <strong>de</strong>r Medi<strong>en</strong> um d<strong>en</strong> Globus. Ihre Klei<strong>de</strong>r und ihre Art, sie<br />
zu trag<strong>en</strong>, sind in das kollektive Gedächtnis aller Frau<strong>en</strong> <strong>de</strong>r westlich<strong>en</strong><br />
Welt eingegang<strong>en</strong>.<br />
<strong>Pretty</strong> W<strong>om</strong><strong>en</strong>
Lady Di<br />
85
Dior ist für viele<br />
immer noch das<br />
Evangelium <strong>de</strong>r<br />
Mo<strong>de</strong>. Darum trägt<br />
Linda Evangelista …<br />
… g<strong>en</strong>au d<strong>en</strong><br />
richtig<strong>en</strong> Nam<strong>en</strong>,<br />
um die atemberaub<strong>en</strong>d<strong>en</strong><br />
Kreation<strong>en</strong><br />
vorzuführ<strong>en</strong>.<br />
DOPPELSEITE<br />
John Galliano<br />
hat ein Händch<strong>en</strong><br />
dafür, sich und das<br />
Haus Dior perfekt<br />
zu insz<strong>en</strong>ier<strong>en</strong>.<br />
LUXUS IST –<br />
ein an<strong>de</strong>res Wort für<br />
DIOR<br />
Er kam, um das Haus Dior »von Spinnweb<strong>en</strong> zu befrei<strong>en</strong> und wie<strong>de</strong>r<br />
zum Leb<strong>en</strong> zu erweck<strong>en</strong>«. So sah <strong>de</strong>r damals schon mit Preis<strong>en</strong><br />
und Auszeichnung<strong>en</strong> überschüttete <strong>en</strong>glische Designer John<br />
Galliano 1997 seine Aufgabe, als er die Haute Couture bei Dior übernahm.<br />
Das war g<strong>en</strong>au 50 Jahre nach Gründung <strong>de</strong>s berühmtest<strong>en</strong> Mo<strong>de</strong>hauses<br />
<strong>de</strong>r Welt durch Christian Dior und 40 Jahre nach <strong>de</strong>ss<strong>en</strong> Tod. Der<br />
Grün<strong>de</strong>r dieses Hauses, <strong>de</strong>r in d<strong>en</strong> Nachkriegsjahr<strong>en</strong> das Mo<strong>de</strong>monopol<br />
aus New York wie<strong>de</strong>r nach Paris zurückholte und die Couture mit seinem<br />
»New Look« <strong>de</strong>rmaß<strong>en</strong> revolutionierte, dass alles aus seiner Hand zum<br />
Mo<strong>de</strong>diktat wur<strong>de</strong>, hatte schon viele namhafte Nachfolger (unter an<strong>de</strong>rem<br />
Yves Saint Laur<strong>en</strong>t), bevor Galliano Gianfranco Ferré ablöste.<br />
Galliano, <strong>de</strong>r schon 1987 in England zum Designer <strong>de</strong>s Jahres gewählt<br />
word<strong>en</strong> war, wechselte von Giv<strong>en</strong>chy zu Dior und zwang alle Welt<br />
v<strong>om</strong> Tag eins an, mit einem neu<strong>en</strong> Blick auf dieses geschichtsträchtige<br />
Couture-Haus zu schau<strong>en</strong>. Seine erste Dior-Show war eine wahre Orgie<br />
aus Tüll, mit <strong>de</strong>r er sofort alle Journalist<strong>en</strong>- und Fotograf<strong>en</strong>-Herz<strong>en</strong> gewann.<br />
Er wird nicht zu Unrecht als »Kostümbildner« unter d<strong>en</strong> Mo<strong>de</strong>machern<br />
bezeichnet, weil er immer schon gern Historie zitierte. Doch Galliano<br />
macht nicht nur Mo<strong>de</strong> aus Mod<strong>en</strong>, son<strong>de</strong>rn er versteht es auch wie<br />
kein Zweiter, diese Kollektion<strong>en</strong> im richtig<strong>en</strong> Ambi<strong>en</strong>te zu insz<strong>en</strong>ier<strong>en</strong>. Er<br />
führt dies darauf zurück, dass er währ<strong>en</strong>d seines Studiums in London am<br />
Theater als Gar<strong>de</strong>robier<strong>en</strong>hilfe gearbeitet hat (»Seit<strong>de</strong>m kann ich perfekt<br />
bügeln!«). Das <strong>en</strong>glische Enfant terrible in Paris liebt privat alte Bücher,<br />
üppige Ros<strong>en</strong>arrangem<strong>en</strong>ts – und seine Muse Linda Evangelista. Und<br />
Lady Di liebte John Galliano – sie trug eines seiner erst<strong>en</strong> Dior-Klei<strong>de</strong>r.<br />
Christian Dior dürfte gefall<strong>en</strong>, was sich da seit knapp 15 Jahr<strong>en</strong> in seinem<br />
Haus tut.<br />
86 <strong>Pretty</strong> W<strong>om</strong><strong>en</strong>
John Galliano 87
88 <strong>Pretty</strong> W<strong>om</strong><strong>en</strong>
Anita Ekberg<br />
89
FUNKELNDE<br />
NACKTHEIT<br />
So holte Marl<strong>en</strong>e<br />
die Sterne v<strong>om</strong> Himmel<br />
Gar<strong>de</strong>rob<strong>en</strong>-Aufnahme<br />
von<br />
Marl<strong>en</strong>es letzter<br />
Tournee. Die<br />
Diva so schön wie<br />
eh und je.<br />
Die Illusion von<br />
stern<strong>en</strong>übersäter<br />
Nacktheit – die<br />
Dietrich überließ<br />
nichts <strong>de</strong>m Zufall.<br />
Ich kann nicht sing<strong>en</strong>, also muss das, was ich trage, eine S<strong>en</strong>sation<br />
sein!«, soll Marl<strong>en</strong>e Dietrich über die Bühn<strong>en</strong>klei<strong>de</strong>r ihrer berühmt<strong>en</strong><br />
»One-W<strong>om</strong>an-Show« gesagt hab<strong>en</strong>. Ein <strong>en</strong>glischer Kritiker befand,<br />
dass diese Kostüme von Columbia-Chef<strong>de</strong>signer Jean Louis »die<br />
höchste Errung<strong>en</strong>schaft <strong>de</strong>r Theaterwelt seit Erfi ndung <strong>de</strong>r Falltür«<br />
sei<strong>en</strong>, und an<strong>de</strong>re war<strong>en</strong> davon überzeugt, dass sie aus außerirdischem<br />
Material gefertigt würd<strong>en</strong>.<br />
Dabei war<strong>en</strong> es nur ganz irdische, fl eißige Bi<strong>en</strong><strong>en</strong>, die da am<br />
Werk war<strong>en</strong>. Bevor diese Studio-Stickerinn<strong>en</strong> und -Näherinn<strong>en</strong> jedoch<br />
unter <strong>de</strong>m str<strong>en</strong>g<strong>en</strong> Blick <strong>de</strong>r Dietrich tätig werd<strong>en</strong> konnt<strong>en</strong>, musste erst<br />
ein bestimmter Stoff in Itali<strong>en</strong> produziert und auf d<strong>en</strong> Hautton <strong>de</strong>s Stars<br />
eingefärbt werd<strong>en</strong>. Diese textile Erfi ndung wur<strong>de</strong> »Souffl é« g<strong>en</strong>annt<br />
und haut<strong>en</strong>g bod<strong>en</strong>lang auf das Mie<strong>de</strong>r seiner Trägerin geschnei<strong>de</strong>rt. So<br />
<strong>en</strong>g, dass Marl<strong>en</strong>e nur auf die Bühne trippeln konnte. Dann begann<strong>en</strong><br />
woch<strong>en</strong>lange Arbeit<strong>en</strong> vor <strong>de</strong>m Spiegel, d<strong>en</strong>n erst jetzt konnt<strong>en</strong> Paillett<strong>en</strong>,<br />
Perl<strong>en</strong> und Kristallsteinch<strong>en</strong> aufg<strong>en</strong>äht werd<strong>en</strong>. Die Dietrich hatte<br />
ein scharfes Auge für d<strong>en</strong> perfekt<strong>en</strong> Glitzereffekt: Die von ihr festgelegt<strong>en</strong><br />
Stell<strong>en</strong> wurd<strong>en</strong> mit fein<strong>en</strong> rot<strong>en</strong> Fäd<strong>en</strong> markiert, damit später die<br />
Applikationsarbeit beginn<strong>en</strong> konnte, die selbst danach oft noch mehrere<br />
dutz<strong>en</strong>d Male geän<strong>de</strong>rt werd<strong>en</strong> musste.<br />
Die Designer wusst<strong>en</strong>: »Man macht keine Klei<strong>de</strong>r für die Dietrich,<br />
man macht sie mit ihr.« Das atemberaub<strong>en</strong><strong>de</strong> Ergebnis war die Illusion<br />
von stern<strong>en</strong>übersäter, funkeln<strong>de</strong>r Nacktheit.<br />
Ergänzt wur<strong>de</strong> dieses unvergessliche Traumkostüm durch d<strong>en</strong><br />
leg<strong>en</strong>där<strong>en</strong> Bühn<strong>en</strong>mantel, <strong>de</strong>r kostbar wirkte wie ein weißer Pelz. Er<br />
musste vor je<strong>de</strong>m Auftritt wie ein Plumeau kräftig aufgeschüttelt werd<strong>en</strong>,<br />
damit die Schwan<strong>en</strong>fe<strong>de</strong>rn ihr volles, prachtvolles Volum<strong>en</strong> darbiet<strong>en</strong><br />
konnt<strong>en</strong>.<br />
90 <strong>Pretty</strong> W<strong>om</strong><strong>en</strong>
Marl<strong>en</strong>e Dietrich<br />
91
RAUSCHENDE<br />
RÖCKE<br />
»V<strong>om</strong> Win<strong>de</strong> verweht« – für immer und ewig<br />
Vivi<strong>en</strong> Leigh und<br />
Clark Gable – das<br />
berühmteste<br />
Film-Liebespaar<br />
aller Zeit<strong>en</strong>.<br />
Diese unerreicht<br />
atemberaub<strong>en</strong>d<strong>en</strong><br />
Klei<strong>de</strong>r. Von<br />
»Mammy« auf Taille<br />
geschnürt …<br />
Die Verfi lmung von Margaret Mitchells Weltbestseller »V<strong>om</strong><br />
Win<strong>de</strong> verweht« ist <strong>de</strong>r berühmteste Film aller Zeit<strong>en</strong>. Dabei<br />
galt <strong>de</strong>r Million<strong>en</strong>seller zunächst als unverfi lmbar. Produz<strong>en</strong>t<br />
David O. Selznick erwarb d<strong>en</strong>noch die Rechte – und damit begann eine<br />
lange Story: Die Drehbuchautor<strong>en</strong> wurd<strong>en</strong> gewechselt wie die Hemd<strong>en</strong><br />
(sogar F. Scott Fitzgerald versuchte sich vergeblich daran), eb<strong>en</strong>so die Regisseure.<br />
Bei <strong>de</strong>r Besetzung <strong>de</strong>r Hauptroll<strong>en</strong> war es nicht an<strong>de</strong>rs: Rhett<br />
Butler sollte ursprünglich von Errol Flynn, dann von Gary Cooper dargestellt<br />
werd<strong>en</strong> – bis man sich dann schluss<strong>en</strong>dlich auf Clark Gable einigte.<br />
Das Casting für die Rolle <strong>de</strong>r Scarlett O’Hara war noch wes<strong>en</strong>tlich k<strong>om</strong>plizierter.<br />
Könnt<strong>en</strong> wir uns heute Katharine Hepburn, Bette Davis o<strong>de</strong>r<br />
Paulette Goddard in dies<strong>en</strong> wun<strong>de</strong>rbar<strong>en</strong> Klei<strong>de</strong>rn vorstell<strong>en</strong>? Es dauerte<br />
lange, bis Selznick Vivi<strong>en</strong> Leigh, die bezaubern<strong>de</strong> Geliebte von Lawr<strong>en</strong>ce<br />
Olivier (d<strong>en</strong> sie später auch heiratete), in Hollywood k<strong>en</strong>n<strong>en</strong>lernte und<br />
wusste, dass das die Scarlett seiner Träume war. Es dauerte insgesamt<br />
dreieinhalb Jahre – für Hollywood eine Ewigkeit –, bis die Vorbereitung<strong>en</strong><br />
abgeschloss<strong>en</strong> und <strong>de</strong>r Film abgedreht war. An <strong>de</strong>r Premiere durft<strong>en</strong> die<br />
schwarz<strong>en</strong> Darsteller aufgrund <strong>de</strong>r Rass<strong>en</strong>tr<strong>en</strong>nungsgesetze nicht teilnehm<strong>en</strong>.<br />
D<strong>en</strong>noch konnte Hattie McDaniel, die Darstellerin <strong>de</strong>r Mammy,<br />
ein Jahr später als erste Schwarze ein<strong>en</strong> von insgesamt zehn Oscars <strong>en</strong>tgeg<strong>en</strong>nehm<strong>en</strong>.<br />
Die s<strong>en</strong>sationell<strong>en</strong> Kostüme <strong>de</strong>s Films wurd<strong>en</strong> von Walter Plunkett<br />
<strong>en</strong>tworf<strong>en</strong>, <strong>de</strong>r sich an d<strong>en</strong> schönst<strong>en</strong> Materiali<strong>en</strong>, die die Textilindustrie<br />
zu biet<strong>en</strong> hatte, austob<strong>en</strong> durfte. Plunkett hat hun<strong>de</strong>rte von Film<strong>en</strong><br />
ausgestattet und dabei ein beson<strong>de</strong>res Händch<strong>en</strong> für historische<br />
Kostüme bewies<strong>en</strong>. Völlig unverständlich, dass er für das grandiose Festival<br />
<strong>de</strong>r rausch<strong>en</strong>d<strong>en</strong> Röcke in »V<strong>om</strong> Win<strong>de</strong> verweht« kein<strong>en</strong> Kostüm-<br />
Oscar bekam.<br />
92 <strong>Pretty</strong> W<strong>om</strong><strong>en</strong>
Vivi<strong>en</strong> Leigh<br />
93
HOSENLADYS<br />
Skandalmo<strong>de</strong> –<br />
schlimmer als die Polizei erlaubt<br />
Katharine Hepburn<br />
lässt schon 1933<br />
kein<strong>en</strong> Zweifel: Sie<br />
ist eine emanzipierte<br />
Frau.<br />
Hos<strong>en</strong>mo<strong>de</strong> im<br />
Jahre 1920.<br />
Die schönst<strong>en</strong> Frau<strong>en</strong> hab<strong>en</strong> sie getrag<strong>en</strong>, und das, obwohl sie<br />
alle Beine hatt<strong>en</strong>, die bis »in d<strong>en</strong> Himmel« ragt<strong>en</strong>: die Garbo<br />
und die beid<strong>en</strong> Hepburns, die Dietrich und die Knef, um nur<br />
ein paar typische »Hos<strong>en</strong>trägerinn<strong>en</strong>« <strong>de</strong>r früh<strong>en</strong> Hos<strong>en</strong>zeit zu n<strong>en</strong>n<strong>en</strong>.<br />
Fast paradox, dass gera<strong>de</strong> sie diese herrlich<strong>en</strong> Beine so gern verhüllt<strong>en</strong>.<br />
Dass die Frau, die die Marl<strong>en</strong>e-Hose kreierte und d<strong>en</strong> Smoking salonfähig<br />
machte, <strong>de</strong>r Meinung war: »W<strong>en</strong>n man schöne Beine hab<strong>en</strong> will, muss<br />
man sie von d<strong>en</strong> Blick<strong>en</strong> <strong>de</strong>r Männer massier<strong>en</strong> lass<strong>en</strong>!«, ist in <strong>de</strong>m<br />
Zusamm<strong>en</strong>hang umso verwirr<strong>en</strong><strong>de</strong>r. Die weibliche Hos<strong>en</strong>frage kann<br />
also nur emanzipatorisch erklärt werd<strong>en</strong>.<br />
Exemplarisch dafür steht die letzte große Diva Hollywoods:<br />
Katharine Hepburn (mit ihrer Kollegin Audrey we<strong>de</strong>r verwandt<br />
noch verschwägert), nach <strong>de</strong>r<strong>en</strong> Tod am Broadway ihr zum<br />
Ged<strong>en</strong>k<strong>en</strong> für eine Stun<strong>de</strong> lang alle Lichter gelöscht wurd<strong>en</strong>. In<br />
einem extrem liberal<strong>en</strong> Haushalt als Tochter eines Chirurg<strong>en</strong><br />
und einer »Suffragette« – ihre Mutter kämpfte <strong>en</strong>gagiert für<br />
das Frau<strong>en</strong>wahlrecht – aufgewachs<strong>en</strong>, war sie ohne Zweifel<br />
»ein aufsässiges Mädch<strong>en</strong>« (auch Titel eines ihrer erst<strong>en</strong> Filme).<br />
Sie schloss ein Philosophie- und Geschichtsstudium erfolgreich ab,<br />
weshalb sie auf ihre im Regelfall w<strong>en</strong>iger gebil<strong>de</strong>t<strong>en</strong> Schauspieler-<br />
Kolleg<strong>en</strong> ein<strong>en</strong> arrogant<strong>en</strong> Eindruck machte, <strong>de</strong>r ihr d<strong>en</strong> Spitznam<strong>en</strong><br />
»Die Zarin« einbrachte. Die emanzipierte Frau in ihr ist auch in<br />
einem Rat zu erk<strong>en</strong>n<strong>en</strong>, d<strong>en</strong> Katharine ihrer Tochter gab: »W<strong>en</strong>n du<br />
immer das tust, was du möchtest, ist w<strong>en</strong>igst<strong>en</strong>s schon mal ein M<strong>en</strong>sch<br />
glücklich!« Dass die große Schauspielerin, mit vier Oscars ausgezeichnet<br />
und zwölfmal dafür n<strong>om</strong>iniert, sich we<strong>de</strong>r körperlich noch geistig<br />
ein<strong>en</strong>g<strong>en</strong> ließ, ist auch an ihrer Roll<strong>en</strong>wahl zu erk<strong>en</strong>n<strong>en</strong>. Selbst in Film<strong>en</strong>,<br />
in d<strong>en</strong><strong>en</strong> sie g<strong>en</strong>rebedingt keine Hos<strong>en</strong> trug, wie in »Der Löwe
Hos<strong>en</strong>ladys<br />
95
Paul Poiret k<strong>om</strong>mt<br />
Coco Chanel zuvor<br />
und kreiert d<strong>en</strong><br />
erst<strong>en</strong> Hos<strong>en</strong>rock.<br />
Sooo bequem …<br />
96<br />
im Winter« (wo sie Eleonore von Aquitani<strong>en</strong>, die Frau von König Heinrich<br />
II. spielte) o<strong>de</strong>r in »African Que<strong>en</strong>« (mit Humphrey Bogart). Dass<br />
richtige, gute Männer schon damals keine Angst vor klug<strong>en</strong>, selbstbewusst<strong>en</strong><br />
(Hos<strong>en</strong> trag<strong>en</strong>d<strong>en</strong>) Frau<strong>en</strong> hatt<strong>en</strong>, ist an Katharine Hepburns<br />
Leb<strong>en</strong>spartnern – Howard Hughes und Sp<strong>en</strong>cer Tracy – zu erk<strong>en</strong>n<strong>en</strong>.<br />
Noch eine Hos<strong>en</strong> trag<strong>en</strong><strong>de</strong> Frau hat große Männer um sich versammelt<br />
– George Sand, die g<strong>en</strong>au 100 Jahre vor <strong>de</strong>r Hepburn gebor<strong>en</strong><br />
wur<strong>de</strong>. We<strong>de</strong>r die Schriftstellerkolleg<strong>en</strong> Honoré <strong>de</strong> Balzac und Alexandre<br />
Dumas noch d<strong>en</strong> Maler Eugène Delacroix o<strong>de</strong>r die Musiker Franz Liszt<br />
o<strong>de</strong>r Frédéric Chopin störte es, dass die Zigarr<strong>en</strong> rauch<strong>en</strong><strong>de</strong> Sand Männerkleidung<br />
trug und sich für die Frau<strong>en</strong>rechte einsetzte. Allerdings<br />
musst<strong>en</strong> sich damals die w<strong>en</strong>ig<strong>en</strong> Hos<strong>en</strong> trag<strong>en</strong>d<strong>en</strong> Frau<strong>en</strong> noch eine<br />
Erlaubnis v<strong>om</strong> Polizeipräfekt<strong>en</strong> einhol<strong>en</strong>. Das <strong>en</strong>tsprech<strong>en</strong><strong>de</strong> Gesetz<br />
stammt aus <strong>de</strong>r Zeit <strong>de</strong>r Französisch<strong>en</strong> Revolution und ist bis heute nicht<br />
aufgehob<strong>en</strong>. Nun macht eine Schwalbe noch kein<strong>en</strong> S<strong>om</strong>mer, weshalb<br />
die Sand sicher keine trag<strong>en</strong><strong>de</strong> Rolle in <strong>de</strong>r Geschichte <strong>de</strong>r Hos<strong>en</strong> für<br />
<strong>Pretty</strong> W<strong>om</strong><strong>en</strong>
»W<strong>en</strong>n du<br />
immer das tust ,<br />
was du möchtest,<br />
ist w<strong>en</strong>igst<strong>en</strong>s<br />
schon mal<br />
ein M<strong>en</strong>sch<br />
glücklich!«<br />
Katharine Hepburn<br />
Frau<strong>en</strong> spielt. Die k<strong>om</strong>mt nämlich <strong>de</strong>m Fahrrad zu. Und <strong>de</strong>r amerikanisch<strong>en</strong><br />
Frau<strong>en</strong>rechtlerin Amelia Blo<strong>om</strong>er, die sie für Fahrrad fahr<strong>en</strong><strong>de</strong><br />
Frau<strong>en</strong> erfand, damals kurz »Blo<strong>om</strong>ers« g<strong>en</strong>annt. Allerdings hatt<strong>en</strong><br />
Frau<strong>en</strong>, die mit dies<strong>en</strong> Plu<strong>de</strong>rhos<strong>en</strong> (über die man ein knielanges Kleid<br />
trug) angetroff<strong>en</strong> wurd<strong>en</strong> und kein Fahrrad dabeihatt<strong>en</strong>, sofort polizeirelevant<strong>en</strong><br />
Ärger. Es war nicht erlaubt, in diesem »Aufzug« Hotels, Restaurants<br />
o<strong>de</strong>r überhaupt öff<strong>en</strong>tliche Gebäu<strong>de</strong> zu betret<strong>en</strong>.<br />
Und nun k<strong>om</strong>mt ein Pariser Couturier ins Spiel, <strong>de</strong>r um die vorletzte<br />
Jahrhun<strong>de</strong>rtw<strong>en</strong><strong>de</strong> eine Mo<strong>de</strong>revolution verursachte und sogar<br />
d<strong>en</strong> Karrierebeginn von Coco Chanel hinauszögerte: Paul Poiret. Er war<br />
Assist<strong>en</strong>t von Charles Fre<strong>de</strong>rick Worth (<strong>de</strong>r u.a. die österreichische Kaiserin<br />
anzog) und hat dort gelernt, wie man seine Kundinn<strong>en</strong> für PR-Zwecke<br />
nutzt. Als 1909 die »Ballets Russes« in Paris gastiert<strong>en</strong>, wur<strong>de</strong> er von<br />
<strong>de</strong>r<strong>en</strong> fl ieß<strong>en</strong>d<strong>en</strong> Kostüm<strong>en</strong> inspiriert und schuf die erst<strong>en</strong> Klei<strong>de</strong>r, die<br />
sogar ohne Mie<strong>de</strong>r getrag<strong>en</strong> werd<strong>en</strong> konnt<strong>en</strong>. Und im Rahm<strong>en</strong> dieser<br />
Kollektion auch ein<strong>en</strong> Hos<strong>en</strong>rock, <strong>de</strong>r ihm aus d<strong>en</strong> Händ<strong>en</strong> geriss<strong>en</strong><br />
wur<strong>de</strong>. Aber die Hos<strong>en</strong> war<strong>en</strong> ohnedies nicht mehr aufzuhalt<strong>en</strong>, da die<br />
Frau<strong>en</strong>, die währ<strong>en</strong>d <strong>de</strong>s Erst<strong>en</strong> Weltkriegs die Arbeit ihrer Männer erledig<strong>en</strong><br />
musst<strong>en</strong>, sich von dies<strong>en</strong> bequem<strong>en</strong> Beinklei<strong>de</strong>rn nicht mehr tr<strong>en</strong>n<strong>en</strong><br />
wollt<strong>en</strong>. Damit war<strong>en</strong> sie zwar immer noch nicht gesellschaftsfähig,<br />
aber nicht mehr zu überseh<strong>en</strong>. Coco Chanel, die als Hutmacherin anfi ng,<br />
ließ sich Reithos<strong>en</strong> schnei<strong>de</strong>rn und för<strong>de</strong>rte d<strong>en</strong> aus Indi<strong>en</strong> k<strong>om</strong>m<strong>en</strong>d<strong>en</strong><br />
Baumwoll-»Pyjama«, <strong>de</strong>r, aus Sei<strong>de</strong> o<strong>de</strong>r Crêpe <strong>de</strong> Chine gefertigt, bei<br />
Hos<strong>en</strong>ladys<br />
97<br />
links<br />
Joan Crawford 1935<br />
ganz sportlich:<br />
Spaziergang mit<br />
Hund – in Reithos<strong>en</strong><br />
und Stiefeln.<br />
Rechts<br />
Die Dietrich und<br />
Hos<strong>en</strong> – das<br />
war schon 1931 eine<br />
große modische<br />
Freundschaft.<br />
Diese Mä<strong>de</strong>ls im<br />
Nachkriegs<strong>en</strong>gland<br />
beweis<strong>en</strong>, dass<br />
Jungs-Mo<strong>de</strong> auch<br />
ihn<strong>en</strong> gut steht.
Brigitte Bardot im<br />
itali<strong>en</strong>isch<strong>en</strong><br />
Spoleto – wie<strong>de</strong>r<br />
einmal auf <strong>de</strong>r<br />
Flucht vor Paparazzi.<br />
Auch die große<br />
Garbo trägt schon<br />
1929 Hos<strong>en</strong>. Die<br />
Männer bedauern<br />
es.<br />
98<br />
d<strong>en</strong> ober<strong>en</strong> Zehntaus<strong>en</strong>d Furore machte und als Haus- o<strong>de</strong>r Strandkleid<br />
getrag<strong>en</strong> wur<strong>de</strong>. Schauspielerinn<strong>en</strong> war<strong>en</strong> wie<strong>de</strong>r einmal Vorreiterinn<strong>en</strong>,<br />
und schon 1919 gab es die erst<strong>en</strong> »Pyjama-Partys«. Die berühmt<strong>en</strong><br />
»Roaring Tw<strong>en</strong>ties« bracht<strong>en</strong> dann d<strong>en</strong> <strong>en</strong>dgültig<strong>en</strong> Durchbruch für Dam<strong>en</strong>hos<strong>en</strong>.<br />
Die Geschichte <strong>de</strong>r Hose für Frau<strong>en</strong> könnte Bän<strong>de</strong> füll<strong>en</strong> – von<br />
Maria Bogners elastischer Keilhose (die heute noch mark<strong>en</strong>übergreif<strong>en</strong>d<br />
in d<strong>en</strong> USA »Bogners« g<strong>en</strong>annt wird) über Emilio Puccis Capri-Hose, die<br />
von d<strong>en</strong> Indianern abgeschaut<strong>en</strong> »Leggings« bis hin zu d<strong>en</strong> Jeans. Aber<br />
das ist wie<strong>de</strong>r eine Geschichte für sich. Sie sind zu einem Alltags-Mythos<br />
geword<strong>en</strong> – reif für philosophische Abhandlung<strong>en</strong>. Der große Yves Saint<br />
Laur<strong>en</strong>t sagte einmal über diese »Arbeiterhose«: »Ich gäbe etwas darum,<br />
w<strong>en</strong>n ich die Jeans erfund<strong>en</strong> hätte!« (Dabei ist das doch auch nur eine<br />
Hose – w<strong>en</strong>n auch bestimmte aufgedruckte Labels sie zum Luxusprodukt<br />
mach<strong>en</strong> könn<strong>en</strong>.) Sicher ist, wir Frau<strong>en</strong> hab<strong>en</strong> es geschafft: Wir hab<strong>en</strong><br />
<strong>en</strong>dlich Hos<strong>en</strong> an!<br />
<strong>Pretty</strong> W<strong>om</strong><strong>en</strong><br />
»Ich gäbe etwas<br />
darum, w<strong>en</strong>n<br />
ich die Jeans<br />
erfund<strong>en</strong> hätte!«<br />
Yves Saint Laur<strong>en</strong>t
Hos<strong>en</strong>ladys<br />
99
Bettie Page,<br />
die Pin-up- und<br />
Striptease-Königin<br />
im Hollywood<br />
<strong>de</strong>r 1950er-Jahre.<br />
Striptease als<br />
Kunstform: Dita<br />
Von Teese im<br />
Februar 2010 beim<br />
San-Remo-Festival.<br />
EVA(S)<br />
KOSTÜM<br />
Trinkt Dita Champagner<br />
o<strong>de</strong>r Martini?<br />
100<br />
Ob Heather R<strong>en</strong>ée Sweet, die sich d<strong>en</strong> Künstlernam<strong>en</strong> Dita Von<br />
Teese gegeb<strong>en</strong> (bzw. aus <strong>de</strong>m Telefonbuch herausgesucht)<br />
hat, auch die »Königin <strong>de</strong>s Striptease« geword<strong>en</strong> wäre, w<strong>en</strong>n<br />
sie in jung<strong>en</strong> Jahr<strong>en</strong> nicht von Michigan in das Sünd<strong>en</strong>babel <strong>de</strong>r Westküste<br />
umgezog<strong>en</strong> wäre? Dort hat sie zunächst brav und sittsam »historic<br />
costuming« studiert. Bis sie auf Bil<strong>de</strong>r <strong>de</strong>s 1950er-Jahre Pin-up- und<br />
Striptease-Girls Bettie Page stieß und <strong>de</strong>r<strong>en</strong> Bil<strong>de</strong>r nachstellte. Die Page<br />
war mittlerweile zu einer Ikone <strong>de</strong>r Pop-Kultur geword<strong>en</strong> und wird als<br />
Vorreiterin <strong>de</strong>r sexuell<strong>en</strong> Revolution bezeichnet. Aber sie war in die Jahre<br />
gek<strong>om</strong>m<strong>en</strong> und trat nicht mehr öff<strong>en</strong>tlich auf. Da tat sich also eine<br />
»Marktlücke« auf, die Dita geschickt zu nutz<strong>en</strong> wusste. Quasi über Nacht<br />
– und mit Hilfe einiger »Playboy«-Fotosessions – wur<strong>de</strong> sie zur gefeiert<strong>en</strong><br />
Vertreterin <strong>de</strong>s »New Burlesque Style«. Und zum gern geseh<strong>en</strong><strong>en</strong><br />
Gast <strong>de</strong>r Reich<strong>en</strong> und Schön<strong>en</strong>. Filmangebote folgt<strong>en</strong> (mit nur kurz<strong>en</strong><br />
Ausfl üg<strong>en</strong> in die Porno-Abteilung), und so wur<strong>de</strong> sie sogar zur Muse von<br />
Couturiers – darunter Jean-Paul Gaultier. Berufl ich hatte sie sich für das<br />
historischste aller Kostüme <strong>en</strong>tschied<strong>en</strong>: das von Eva im Paradies, allerdings<br />
elegant verbrämt, beispielsweise mit taus<strong>en</strong>d<strong>en</strong> Swarowski-Steinch<strong>en</strong><br />
o<strong>de</strong>r Lack und Le<strong>de</strong>r. Privat trägt sie Mo<strong>de</strong>lle mit Stoffverbrauch.<br />
Ihr Bad im Champagnerglas gehört zu d<strong>en</strong> meistangeklickt<strong>en</strong><br />
Vi<strong>de</strong>os im Internet, und sogar beim berühmt<strong>en</strong> Wi<strong>en</strong>er Opernball (eingelad<strong>en</strong><br />
von »Mörtel« Lugner) machte sie Furore. Und besuchte die Sisi-<br />
Ausstellung – Dita ist eine Verehrerin <strong>de</strong>r österreichisch<strong>en</strong> Kaiserin. Ihre<br />
Shows betrachtet sie als »H<strong>om</strong>mage an das vergötterte Glamourgirl <strong>de</strong>r<br />
1940er-Jahre«. Dass sie zur Mo<strong>de</strong>-Ikone wur<strong>de</strong>, fi n<strong>de</strong>t sie »witzig, wo es<br />
doch mein Job ist, Klei<strong>de</strong>r abzuleg<strong>en</strong>«. Humor hat sie also, die Frau, die so<br />
gekonnt Eva im Paradieskostüm imitiert.<br />
<strong>Pretty</strong> W<strong>om</strong><strong>en</strong>
Dita Von Teese<br />
101
OPTISCHE<br />
TÄUSCHUNG<br />
Als die Bil<strong>de</strong>r eckig wurd<strong>en</strong><br />
Britisches Mo<strong>de</strong>l<br />
in einer von<br />
Mondrian inspiriert<strong>en</strong><br />
YSL-Kreation.<br />
Manchmal wur<strong>de</strong><br />
das Motto »Optische<br />
Täuschung«<br />
ein w<strong>en</strong>ig übertrieb<strong>en</strong><br />
…<br />
102<br />
So viel Zeitgeist war selt<strong>en</strong> – und er war so vor<strong>de</strong>rgründig zu<br />
spür<strong>en</strong>, dass er d<strong>en</strong> Mo<strong>de</strong>machern fast diktiert wur<strong>de</strong>. Sci<strong>en</strong>ce-<br />
Fiction bo<strong>om</strong>te in d<strong>en</strong> 1950er- und 1960er-Jahr<strong>en</strong>, und <strong>de</strong>r<br />
Wettlauf <strong>de</strong>r Supermächte ins All versetzte alle Welt in fi eberhafte Erwartung.<br />
Die Geburtsstun<strong>de</strong> von Op-Art und Pop-Art hatte geschlag<strong>en</strong>.<br />
Selt<strong>en</strong> war <strong>de</strong>utlicher wahrzunehm<strong>en</strong>, dass auch Mo<strong>de</strong> <strong>de</strong>r Gattung<br />
Kunst zuzuordn<strong>en</strong> ist. Vasarely und Mondrian wurd<strong>en</strong> textil, Küch<strong>en</strong>karo<br />
<strong>en</strong> vogue. Manche Mo<strong>de</strong>lle <strong>de</strong>r Couturiers wirkt<strong>en</strong>, als stammt<strong>en</strong> sie<br />
v<strong>om</strong> Reißbrett eines Architekt<strong>en</strong>.<br />
André Courrèges dul<strong>de</strong>te nur str<strong>en</strong>ge Ge<strong>om</strong>etrie, schuf Overalls<br />
mit Ries<strong>en</strong>reißverschlüss<strong>en</strong>, kurze Capes, helmförmige Astronaut<strong>en</strong>mütz<strong>en</strong><br />
mit Sehschlitz<strong>en</strong>, fl ache Weltraumstiefel aus Plastik und arbeitete<br />
viel mit Silberlamé.<br />
Währ<strong>en</strong>d Andy Warhol mit Papierklei<strong>de</strong>rn experim<strong>en</strong>tierte, w<strong>om</strong>it<br />
er d<strong>en</strong> Supp<strong>en</strong>hersteller Campbell zur »The Souper Dress«-Aktion<br />
animierte, war<strong>en</strong> die Mo<strong>de</strong>lle von Pierre Cardin an Bög<strong>en</strong> und Löchern<br />
innerhalb <strong>de</strong>r str<strong>en</strong>g<strong>en</strong> Ge<strong>om</strong>etrie zu erk<strong>en</strong>n<strong>en</strong>. Paco Rabanne erfand<br />
d<strong>en</strong> Metalljersey und schwelgte in farbint<strong>en</strong>siver Ge<strong>om</strong>etrie. Die Ab<strong>en</strong>dmo<strong>de</strong><br />
war bei fast all<strong>en</strong> in Silbertön<strong>en</strong> gehalt<strong>en</strong> und erinnerte an Mondmädch<strong>en</strong>.<br />
Yves Saint Laur<strong>en</strong>t <strong>en</strong>twarf das berühmte Mondrian-Kleid<br />
und arbeitete bei sein<strong>en</strong> Pop-Art-Mo<strong>de</strong>ll<strong>en</strong> mit groß<strong>en</strong> appliziert<strong>en</strong><br />
Schatt<strong>en</strong>riss<strong>en</strong> (z.B. in Rosa). Die Tasch<strong>en</strong> war<strong>en</strong> schachtelförmig, und<br />
die Schuhe hatt<strong>en</strong> Carré-Spitz<strong>en</strong>.<br />
Scheinbar fehlte d<strong>en</strong> Pariser Mo<strong>de</strong>größ<strong>en</strong> dann doch ein bissch<strong>en</strong><br />
R<strong>om</strong>antik, die auch durch die »Doktor Schiwago«-Verfi lmung angeregt<br />
wur<strong>de</strong>. Plötzlich taucht<strong>en</strong> parallel zur Ge<strong>om</strong>etrie Russ<strong>en</strong>kapp<strong>en</strong>,<br />
Muffs und lange Mäntel auf. Und Yves Saint Laur<strong>en</strong>t schuf d<strong>en</strong> »Transpar<strong>en</strong>t<br />
Look«. Auch eine Art Mondlandung.<br />
<strong>Pretty</strong> W<strong>om</strong><strong>en</strong>
André Courrèges<br />
103
Rock Hudson und<br />
Doris Day als<br />
Gesch<strong>en</strong>k zum<br />
Val<strong>en</strong>tinstag <strong>de</strong>s<br />
Jahres 1961.<br />
Der Hausanzug<br />
in »Mitternachtsspitz<strong>en</strong>«<br />
wur<strong>de</strong><br />
weltweit taus<strong>en</strong>dfach<br />
kopiert.<br />
MAMAS<br />
LIEBLING<br />
Bettgefl üster on the Rock’s<br />
Sie trug in all ihr<strong>en</strong> Film<strong>en</strong> wun<strong>de</strong>rbare Kostüme und spielte mit<br />
d<strong>en</strong> begehrtest<strong>en</strong> männlich<strong>en</strong> Hauptdarstellern ihrer Zeit. Die<br />
Sängerin bei einem Provinzradio wur<strong>de</strong> bald <strong>en</strong>t<strong>de</strong>ckt und fand<br />
sich neb<strong>en</strong> Frank Sinatra und Bob Hope vor <strong>de</strong>m Mikrofon größerer S<strong>en</strong><strong>de</strong>r<br />
wie<strong>de</strong>r. Nummer-eins-Hits wie »S<strong>en</strong>tim<strong>en</strong>tal Journey« macht<strong>en</strong> Filmleute<br />
auf sie aufmerksam, und so begann ein rasanter Aufstieg. In ihr<strong>en</strong><br />
Roll<strong>en</strong> stellte sie – von w<strong>en</strong>ig<strong>en</strong> Ausnahm<strong>en</strong> abgeseh<strong>en</strong> – immer »die<br />
anständige Frau von neb<strong>en</strong>an« dar, was ihr mit zunehm<strong>en</strong><strong>de</strong>m Alter d<strong>en</strong><br />
Spitznam<strong>en</strong> »die eiserne Jungfrau« eintrug. Immer, w<strong>en</strong>n sie in ihr<strong>en</strong> Film<strong>en</strong><br />
auch sang, <strong>en</strong>tstand<strong>en</strong> Hits, die um die Welt ging<strong>en</strong>, wie beispielsweise<br />
»Qué será, será« für d<strong>en</strong> Hitchcock-Klassiker »Der Mann, <strong>de</strong>r zu<br />
viel wusste« mit James Stewart an ihrer Seite. (Der Song bekam 1957 ein<strong>en</strong><br />
Oscar und wur<strong>de</strong> dutz<strong>en</strong><strong>de</strong> Male pr<strong>om</strong>in<strong>en</strong>t gecovert, darunter auch von<br />
Shakin’ Stev<strong>en</strong>s.)<br />
Doris Day hatte Glück – mit d<strong>en</strong> M<strong>en</strong>sch<strong>en</strong>, die sie <strong>en</strong>t<strong>de</strong>ckt<strong>en</strong><br />
und ihre Karriere begleitet<strong>en</strong>, ja sogar mit ihr<strong>en</strong> Hairdressern, die ihre<br />
blond<strong>en</strong> Haare für die damalige Zeit zu frech anmut<strong>en</strong>d<strong>en</strong> Kurzhaarfrisur<strong>en</strong><br />
stylt<strong>en</strong>, die alle kopiert<strong>en</strong>. Und nicht zuletzt mit ihr<strong>en</strong> Kostümbildnern.<br />
In »Bettgefl üster« war es einer <strong>de</strong>r größt<strong>en</strong> seiner Zeit – Jean Louis.<br />
Er zog die schönst<strong>en</strong> Hollywood-Frau<strong>en</strong> an: Rita Hayworth, Joan Crawford,<br />
Kim Novak, Marl<strong>en</strong>e Dietrich, Marilyn Monroe und viele an<strong>de</strong>re.<br />
Der französische US-Amerikaner Jean Louis Berthauldt hatte d<strong>en</strong><br />
berühmt<strong>en</strong> Blick dafür, welches Kleid welche Frau in welcher Rolle zur<br />
best<strong>en</strong> Geltung brachte. So einer wie er konnte auch <strong>de</strong>r lieb<strong>en</strong>swert<strong>en</strong>,<br />
aber brav<strong>en</strong> Doris Day zu Glamour verhelf<strong>en</strong>. Unsere Mütter wusst<strong>en</strong> es<br />
zu schätz<strong>en</strong>. Und an einem verregnet<strong>en</strong> Sonntagnachmittag vor <strong>de</strong>m TV-<br />
Gerät wirkt es manchmal immer noch.<br />
104 <strong>Pretty</strong> W<strong>om</strong><strong>en</strong>
Doris Day<br />
105
TUPFEN,<br />
DIE DIE WELT<br />
BEWEGEN<br />
Nino Cerruti hat<br />
Julia Roberts in<br />
»<strong>Pretty</strong> W<strong>om</strong>an«<br />
wun<strong>de</strong>rbar betupft.<br />
Minnie Maus weiß<br />
ganz g<strong>en</strong>au, wie<br />
man ein<strong>en</strong> Mäuserich<br />
fasziniert:<br />
mit Tupf<strong>en</strong>.<br />
Es ist sicher kein Zufall, dass Walt Disney und seine Zeichner für<br />
Minnie Maus ausgerechnet ein Tupf<strong>en</strong>kleid kreiert hab<strong>en</strong>. Tupf<strong>en</strong><br />
gehör<strong>en</strong> in <strong>de</strong>r Mo<strong>de</strong>welt zum Weiblichst<strong>en</strong> überhaupt. Sie sind<br />
nie »aus <strong>de</strong>r Mo<strong>de</strong>« gek<strong>om</strong>m<strong>en</strong>. Ob Alexan<strong>de</strong>r McQue<strong>en</strong> mit sein<strong>en</strong><br />
Blus<strong>en</strong> o<strong>de</strong>r Dolce & Gabbana mit d<strong>en</strong> aufreg<strong>en</strong>d<strong>en</strong>, <strong>en</strong>g<strong>en</strong> Bustierklei<strong>de</strong>rn<br />
– nicht nur sie bracht<strong>en</strong> Tupf<strong>en</strong> gera<strong>de</strong> in <strong>de</strong>r jüngst<strong>en</strong> Vergang<strong>en</strong>heit<br />
wie<strong>de</strong>r ins aktuelle Mo<strong>de</strong>bewusstsein. Erfahr<strong>en</strong>e und s<strong>en</strong>sible Mo<strong>de</strong>macher<br />
wiss<strong>en</strong> um das anzieh<strong>en</strong><strong>de</strong> Geheimnis <strong>de</strong>r klein<strong>en</strong> o<strong>de</strong>r größer<strong>en</strong><br />
Punkte.<br />
Das Kaufhaus Lafayette schrieb 2008 anlässlich <strong>de</strong>s 80. Geburtstags<br />
von Micky Maus unter 80 Designern ein<strong>en</strong> Mo<strong>de</strong>wettbewerb für<br />
Mickys Dauerverlobte Minnie aus. Man fand, die selbstbewusste Minnie<br />
sollte ein w<strong>en</strong>ig gestylt werd<strong>en</strong> – und sei es nur, um beim Kaffeeklatsch<br />
mit ihr<strong>en</strong> Freundinn<strong>en</strong> Daisy o<strong>de</strong>r Klarabella für ein w<strong>en</strong>ig Unruhe<br />
unter d<strong>en</strong> »Dam<strong>en</strong>« zu sorg<strong>en</strong>. Es stellte sich heraus, dass kaum<br />
einer <strong>de</strong>r jung<strong>en</strong> Mo<strong>de</strong>macher begriff<strong>en</strong> hatte, dass Minnies Pünktch<strong>en</strong><br />
zu ihr gehör<strong>en</strong> so wie ihre Pumps. Sie sind <strong>de</strong>r<br />
Mittelpunkt ihres Seins. Christian Lacroix hat als<br />
einer von w<strong>en</strong>ig<strong>en</strong> Minnies Seele erfasst, ihr die<br />
Punkte belass<strong>en</strong>, dazu ein schickes weißes Oberteil<br />
<strong>en</strong>tworf<strong>en</strong> und <strong>de</strong>m Pünktch<strong>en</strong>rocksaum eine edle<br />
Spitze gesch<strong>en</strong>kt. Minnie goes Paris (und bleibt doch<br />
sie selbst).<br />
Mit die schönst<strong>en</strong> Tupf<strong>en</strong> trägt Julia Roberts in<br />
»<strong>Pretty</strong> W<strong>om</strong>an«: Sie wurd<strong>en</strong> ihr von Nino Cerruti auf d<strong>en</strong><br />
Leib geschnei<strong>de</strong>rt und mit d<strong>en</strong> stilvoll<strong>en</strong>, kurz<strong>en</strong> Handschuh<strong>en</strong> zum<br />
perfekt<strong>en</strong>, unvergesslich<strong>en</strong> Ensemble. Dabei stammt diese »schönste<br />
Kino-Illusion aller Zeit<strong>en</strong>«, die wir fast alle als sehr geg<strong>en</strong>wärtig empfi n-
Tupf<strong>en</strong><br />
107
108<br />
<strong>Pretty</strong> W<strong>om</strong><strong>en</strong>
»Tupf<strong>en</strong> gehör<strong>en</strong> in<br />
<strong>de</strong>r Mo<strong>de</strong>welt<br />
zum Weiblichst<strong>en</strong><br />
überhaupt. Sie sind<br />
nie aus <strong>de</strong>r<br />
Mo<strong>de</strong> gek<strong>om</strong>m<strong>en</strong>.«<br />
d<strong>en</strong>, immerhin schon aus <strong>de</strong>m Jahr 1990. Auch mit Marilyn Monroe verbin<strong>de</strong>t<br />
sich min<strong>de</strong>st<strong>en</strong>s ein Tupf<strong>en</strong>kleid: Sie trug es in »Misfi ts – Nicht<br />
gesellschaftsfähig«, wo sie – zusamm<strong>en</strong> mit Clark Gable und Montg<strong>om</strong>ery<br />
Clift – eine <strong>de</strong>r erst<strong>en</strong> ernsthaft<strong>en</strong>, psychologisch tiefgängig<strong>en</strong> Roll<strong>en</strong><br />
spielte. Ihr hab<strong>en</strong> die Punkte jedoch kein Glück gebracht: Nach diesem<br />
Film ging ihre längste Ehe (mit <strong>de</strong>m Schriftsteller Arthur Miller) zu En<strong>de</strong>.<br />
Bette Midler griff in <strong>de</strong>r Zwillingsverwechslungsk<strong>om</strong>ödie »Big<br />
Business« gleich zweimal nach einem umwerf<strong>en</strong>d schön<strong>en</strong> Tupf<strong>en</strong>kostüm.<br />
Und Billy Wil<strong>de</strong>r ließ in <strong>de</strong>r K<strong>om</strong>ödie »Eins, zwei, drei« Lilo Pulver in<br />
einer s<strong>en</strong>sationell<strong>en</strong> Monroe-Persifl age in Tupf<strong>en</strong> auf <strong>de</strong>m Tisch tanz<strong>en</strong><br />
(was gleich mehrere Ost-Ag<strong>en</strong>t<strong>en</strong> um d<strong>en</strong> politisch<strong>en</strong> Verstand brachte).<br />
Sogar Sophia Lor<strong>en</strong>, <strong>de</strong>r<strong>en</strong> üppige Weiblichkeit eig<strong>en</strong>tlich nicht<br />
via Tupf<strong>en</strong> betont werd<strong>en</strong> müsste, fi el mit einer Tupf<strong>en</strong>bluse auf: Sie<br />
wur<strong>de</strong> v<strong>om</strong> damalig<strong>en</strong> Dior-Designer Gianfranco Ferré eig<strong>en</strong>s für ihre<br />
Rolle in Robert Altmans Film »Prêt-à-Porter« kreiert. Kritiker sag<strong>en</strong>, sie<br />
sei für die Lor<strong>en</strong> und ihr<strong>en</strong> Stil überzog<strong>en</strong> gewes<strong>en</strong> – trotz<strong>de</strong>m hat sich<br />
je<strong>de</strong>r, <strong>de</strong>r diese Film-H<strong>om</strong>mage an die Welt <strong>de</strong>r Mo<strong>de</strong> geseh<strong>en</strong> hat, g<strong>en</strong>au<br />
diese Tupf<strong>en</strong>bluse gemerkt. Damit hat die reife, itali<strong>en</strong>ische Diva alle<br />
an<strong>de</strong>r<strong>en</strong> mitspiel<strong>en</strong>d<strong>en</strong> Weltstars und Schönheit<strong>en</strong> »übertupft«. Wie<br />
Tupf<strong>en</strong><br />
109<br />
Linke Seite<br />
Sophia Lor<strong>en</strong>,<br />
»behütet«und sehr<br />
»pünktlich« – 1975<br />
bei d<strong>en</strong> Moskauer<br />
Filmfestspiel<strong>en</strong>.<br />
Madonna 1992:<br />
Tea-Time im Hy<strong>de</strong><br />
Park Hotel London.<br />
Krawatte ganz<br />
weiblich.
links<br />
Ein Betsey-Johnson-<br />
Mo<strong>de</strong>ll, das im<br />
raffi niert-naiv<strong>en</strong><br />
Schulmädch<strong>en</strong>-Look<br />
punktet.<br />
rechts<br />
Ein Traumkleid von<br />
Emanuel Ungaro,<br />
das sogar Tupf<strong>en</strong>-<br />
Gegner <strong>en</strong>tzück<strong>en</strong><br />
dürfte.<br />
110<br />
man die Lor<strong>en</strong> ohnedies zur Tupf<strong>en</strong>königin erklär<strong>en</strong> müsste, sie war (und<br />
hat) in so viel<strong>en</strong> Roll<strong>en</strong> »gepunktet«, dass die Aufzählung eine lange Liste<br />
ergeb<strong>en</strong> wür<strong>de</strong>. Allein ihr »pünktlicher« Auftritt mit Hut in noch jünger<strong>en</strong><br />
Jahr<strong>en</strong> bei d<strong>en</strong> Moskauer Filmfestspiel<strong>en</strong> hat modisches Aufseh<strong>en</strong> erregt.<br />
Und wer sich an d<strong>en</strong> Ustinov-Film »Das Böse unter <strong>de</strong>r Sonne«<br />
mit Diana Rigg erinnert, hat sicher noch vor Aug<strong>en</strong>, dass ihr Sonn<strong>en</strong>bad<br />
nicht nur im Unglück, son<strong>de</strong>rn auch in Tupf<strong>en</strong> <strong>en</strong><strong>de</strong>te. Selbst die kühle<br />
Garbo war <strong>de</strong>s Öfter<strong>en</strong> in Pünktch<strong>en</strong> zu seh<strong>en</strong>. Alle an<strong>de</strong>r<strong>en</strong> Div<strong>en</strong>, die<br />
ihr nachfolgt<strong>en</strong>, auch. Nur an <strong>de</strong>r Dietrich kann man sie sich w<strong>en</strong>iger gut<br />
vorstell<strong>en</strong> (ihre Punkte glitzert<strong>en</strong> in Form von in all<strong>en</strong> Reg<strong>en</strong>bog<strong>en</strong>farb<strong>en</strong><br />
strahl<strong>en</strong>d<strong>en</strong> Steinch<strong>en</strong>). Auch die raubkatz<strong>en</strong>hafte Grace Jones ist wohl<br />
eher kein Pünktch<strong>en</strong>-Typ. Die Knef hingeg<strong>en</strong> hat sich mit d<strong>en</strong> rund<strong>en</strong><br />
klein<strong>en</strong> Sach<strong>en</strong> durchaus angefreun<strong>de</strong>t, und auch die gestand<strong>en</strong>e Meryl<br />
Streep war schon im Konfetti-Muster zu seh<strong>en</strong>.<br />
Allerdings kann man sich auch täusch<strong>en</strong>: Wer hätte je gedacht,<br />
dass Juliette Greco, die Ikone <strong>de</strong>s französisch<strong>en</strong> Exist<strong>en</strong>tialismus, jemals<br />
weiße Fleck<strong>en</strong> auf ihrem Nachtschwarz zulass<strong>en</strong> wür<strong>de</strong>? Dies<strong>en</strong> Weichheitsfaktor<br />
konnte nur eine Lackhose ausgleich<strong>en</strong>. Aber wer sich auf die<br />
Suche nach Punkt<strong>en</strong> macht, erlebt viele Überraschung<strong>en</strong>: Dass die kleine<br />
Shirley Temple auf einer ihrer erst<strong>en</strong> Kin<strong>de</strong>rstar-Autogrammkart<strong>en</strong> in<br />
»Selbst die kühle<br />
Garbo war <strong>de</strong>s<br />
Öfter<strong>en</strong> in Pünktch<strong>en</strong><br />
zu seh<strong>en</strong>. Alle<br />
an<strong>de</strong>r<strong>en</strong> Div<strong>en</strong>,<br />
die ihr nachfolgt<strong>en</strong>,<br />
auch.«<br />
<strong>Pretty</strong> W<strong>om</strong><strong>en</strong>
Pünktch<strong>en</strong> posierte, ist noch nachzuvollzieh<strong>en</strong> (Kin<strong>de</strong>r bringt man schnell<br />
mit niedlich<strong>en</strong> Mustern in Verbindung. »Pünktch<strong>en</strong> und Anton« lass<strong>en</strong><br />
grüß<strong>en</strong>). Aber Madonna in gepunkteter Krawatte? Das musst<strong>en</strong> dann ein<br />
Männerhut und eine dicke Zigarre wie<strong>de</strong>r relativier<strong>en</strong>. Trotz<strong>de</strong>m – auch<br />
das unbeschreiblich weiblich. Manchmal sind die Punkte in <strong>de</strong>r Mo<strong>de</strong> für<br />
eine Weile verschwund<strong>en</strong> o<strong>de</strong>r in die Dessous-Abteilung abgetaucht (wo<br />
sie schon immer beliebt war<strong>en</strong>). Ganz verschwind<strong>en</strong> werd<strong>en</strong> sie aber nie.<br />
Tupf<strong>en</strong><br />
111<br />
Für dies<strong>en</strong> Tupf<strong>en</strong>mantel<br />
hat Juliette<br />
Greco spontan ihre<br />
Prinzipi<strong>en</strong> durchbroch<strong>en</strong>.<br />
DOPPELSEITE<br />
Eine Kollektion, für<br />
die Pierre Cardin in<br />
einem Punkterausch<br />
schwelgte.
112 <strong>Pretty</strong> W<strong>om</strong><strong>en</strong>
Anita Ekberg<br />
113
Für die Dessous<br />
von Sharon Stone<br />
fühlte sich die<br />
Kostümbildnerin<br />
nicht zuständig.<br />
EYES WIDE<br />
SHUT …<br />
Sharon Stone und <strong>de</strong>r »Basic Instinct«<br />
… hätte <strong>de</strong>r Erotik-Thriller »Basic Instinct« durchaus auch heiß<strong>en</strong><br />
könn<strong>en</strong>. Der Film von Paul Verhoev<strong>en</strong> brach nicht nur alle Kass<strong>en</strong>rekor<strong>de</strong>,<br />
son<strong>de</strong>rn schuf mit Sharon Stone auch eine neue Sex-Göttin. Dabei war<strong>en</strong><br />
die Kostüme (soweit sie getrag<strong>en</strong> wurd<strong>en</strong>), die Nino Cerruti zusamm<strong>en</strong><br />
mit <strong>de</strong>r erfahr<strong>en</strong><strong>en</strong> Kostümbildnerin Ell<strong>en</strong> Mirojnick schuf, von klassischer<br />
Eleganz. Nur wie sie getrag<strong>en</strong> wurd<strong>en</strong>, erregte weltweites Aufseh<strong>en</strong>.<br />
Zumin<strong>de</strong>st in <strong>de</strong>r bewusst<strong>en</strong> Sz<strong>en</strong>e: Für Unterwäsche fühlt<strong>en</strong> sich die<br />
Kostümbildner nicht zuständig. Und Sharon Stone auch nicht. Es geht das<br />
Gerücht, dass sie <strong>de</strong>m Regisseur vor <strong>de</strong>m Dreh dieser Sz<strong>en</strong>e ihr<strong>en</strong> Slip<br />
überreicht hätte.<br />
Dabei hat die blon<strong>de</strong> Schöne so brav angefang<strong>en</strong>: Ihre erste Rolle<br />
spielte das New Yorker Mo<strong>de</strong>l in Woody All<strong>en</strong>s »Stardust Memories«.<br />
Weshalb für d<strong>en</strong> »eiskalt<strong>en</strong> To<strong>de</strong>s<strong>en</strong>gel« in Verhoev<strong>en</strong>s Film zunächst die<br />
Kolleginn<strong>en</strong> Kim Basinger, Michelle Pfeiffer und Greta Scacchi vorgeseh<strong>en</strong><br />
war<strong>en</strong>, die jedoch ablehnt<strong>en</strong>. Emma Th<strong>om</strong>pson hätte <strong>de</strong>r Mut nicht<br />
gefehlt, aber sie war schon für »Wie<strong>de</strong>rseh<strong>en</strong> in Howards End« verpfl ichtet.<br />
Vielleicht hat es sie ein bissch<strong>en</strong> gereut – ihre Äußerung über Sharon<br />
Stone lässt das zumin<strong>de</strong>st vermut<strong>en</strong>: »Soweit ich das in Sharons Liebessz<strong>en</strong><strong>en</strong><br />
seh<strong>en</strong> kann, formt<strong>en</strong> sie ihr<strong>en</strong> Körper aus haltbarem Plastilin. Sie<br />
reitet Michael Douglas wie ein<strong>en</strong> Esel, und nicht ein Zoll an ihrem Körper<br />
bewegt sich!« (Aber vielleicht ist das nur ganz normale »Stut<strong>en</strong>bissigkeit«<br />
…)<br />
Obwohl die Kinokass<strong>en</strong> auf <strong>de</strong>r ganz<strong>en</strong> Welt klingelt<strong>en</strong>, war die<br />
Kritik eher durchwachs<strong>en</strong>. Die beid<strong>en</strong> Hauptdarsteller war<strong>en</strong> sogar für<br />
die gefürchtete »Gold<strong>en</strong>e Himbeere« n<strong>om</strong>iniert. Vor allem an <strong>de</strong>r schauspielerisch<strong>en</strong><br />
Leistung von Michael Douglas wur<strong>de</strong> herumgekrittelt<br />
(»spielt wie vor 20 Jahr<strong>en</strong> in ›Die Straß<strong>en</strong> von San Francisco‹!«). Hatte er<br />
d<strong>en</strong>n eine Chance?<br />
114 <strong>Pretty</strong> W<strong>om</strong><strong>en</strong>
Sharon Stone<br />
115
DIE<br />
LIEBESGÖTTIN<br />
Als Rita (Hayworth)<br />
ihre Handschuhe auszog<br />
Allein w<strong>en</strong>n Rita<br />
ihre Handschuhe<br />
abstreifte, verfi el<strong>en</strong><br />
die Männer in<br />
Raserei.<br />
Gl<strong>en</strong>n Ford liebt<br />
die Liebesgöttin<br />
Rita Hayworth<br />
in »Gilda« – er gibt<br />
es nur lange nicht<br />
zu …<br />
Dieser Mann liebte die Frau<strong>en</strong>: D<strong>en</strong>n wie<strong>de</strong>r einmal war es <strong>de</strong>r<br />
begna<strong>de</strong>te Hollywood-Kostümbildner Jean Louis, <strong>de</strong>r die Hayworth<br />
modisch atemberaub<strong>en</strong>d in Sz<strong>en</strong>e setzte. Mit diesem<br />
Kleid am schön<strong>en</strong> Leib wur<strong>de</strong> Rita Hayworth in <strong>de</strong>m Film noir »Gilda«<br />
von 1946 zur begehrtest<strong>en</strong> Frau ihrer Zeit. Der Striptease, <strong>de</strong>r lediglich<br />
darin bestand, dass sie ihre armlang<strong>en</strong> Handschuhe abstreifte, ging als<br />
eine <strong>de</strong>r berühmtest<strong>en</strong> Filmsz<strong>en</strong><strong>en</strong> aller Zeit<strong>en</strong> in die Hollywoodgeschichte<br />
ein. Sie wur<strong>de</strong> damit zur Liebesgöttin Amerikas und zum Vorbild<br />
für viele Schauspielerinn<strong>en</strong>, die lange nach ihr kam<strong>en</strong>: Barbra Streisand,<br />
Shirley MacLaine, R<strong>om</strong>y Schnei<strong>de</strong>r, S<strong>en</strong>ta Berger, Claudia Cardinale, Anita<br />
Ekberg, Nicole Kidman, J<strong>en</strong>nifer Lopez – sie alle gab<strong>en</strong> sie in ihr<strong>en</strong> Autobiografi<br />
<strong>en</strong> o<strong>de</strong>r in Interviews als ihr Vorbild an.<br />
Die Presse bezeichnete »Gilda« als Gefühlskino <strong>de</strong>r Superlative.<br />
»W<strong>en</strong>n Männer hass<strong>en</strong>, erfi nd<strong>en</strong> sie Frau<strong>en</strong> wie Gilda, … die die Er<strong>de</strong> beb<strong>en</strong><br />
und Schneestürme heul<strong>en</strong> lass<strong>en</strong>«, schrieb »Die Zeit« über dies<strong>en</strong><br />
Film. Das Lied »Put the Blame on Mame«, das die Hayworth in <strong>de</strong>r Handschuhsz<strong>en</strong>e<br />
sang, wur<strong>de</strong> zu einem Lieblingslied <strong>de</strong>r aus <strong>de</strong>m Krieg heimkehr<strong>en</strong>d<strong>en</strong><br />
Soldat<strong>en</strong> – so wie die Hayworth schon vorher <strong>de</strong>r<strong>en</strong> Lieblings-Pin-up-Girl<br />
war. Daran hab<strong>en</strong> auch spätere, nicht<br />
ganz so erfolgreiche Roll<strong>en</strong> und Filme nichts geän<strong>de</strong>rt.<br />
Nicht einmal <strong>de</strong>r Bibel-Film »Sal<strong>om</strong>e« – die<br />
Hayworth blieb die Hayworth. Der Kult um sie<br />
ging so weit, dass ihr Pin-up-Bild 1946 sogar auf<br />
eine At<strong>om</strong>b<strong>om</strong>be geklebt wur<strong>de</strong>, die auf <strong>de</strong>m<br />
Bikini-Atoll getestet wur<strong>de</strong>. Sie soll bitterlich darüber<br />
geweint hab<strong>en</strong>. Ihr<strong>en</strong> Stern auf <strong>de</strong>m »Hollywood<br />
Walk of Fame« hat sich die rotblon<strong>de</strong> Traumfrau<br />
wahrlich verdi<strong>en</strong>t.
Rita Hayworth<br />
117
HITCHCOCK<br />
MACHT MODE<br />
Wie Grace Kelly Monaco gerettet hat<br />
In Ȇber d<strong>en</strong><br />
Dächern von Nizza«<br />
präs<strong>en</strong>tiert Edith<br />
Head die schönst<strong>en</strong><br />
Klei<strong>de</strong>r Hollywoods.<br />
Hitchcocks<br />
Lieblingsstar Grace<br />
Kelly, die er modisch<br />
von Kopf bis Fuß<br />
neu kreierte.<br />
In ihrer erst<strong>en</strong> groß<strong>en</strong> Rolle an <strong>de</strong>r Seite von Gary Cooper in »Zwölf<br />
Uhr mittags« war die Gar<strong>de</strong>robe <strong>de</strong>r später<strong>en</strong> Stil-Ikone Grace Kelly<br />
noch kaum beeindruck<strong>en</strong>d: Für eine frisch verheiratete Quäker-Frau<br />
in Western-Umgebung konnte selbst <strong>de</strong>r g<strong>en</strong>ialste Kostümbildner keine<br />
Traumklei<strong>de</strong>r zaubern. So war es eine glückliche Fügung, dass Grace Kelly<br />
d<strong>en</strong> Film »Die Faust im Nack<strong>en</strong>« absagte, in <strong>de</strong>m ihr Elia Kazan die weibliche<br />
Hauptrolle neb<strong>en</strong> Marlon Brando angebot<strong>en</strong> hatte. Sie <strong>en</strong>tschied<br />
sich für Alfred Hitchcock und sein<strong>en</strong> Kultfi lm »Das F<strong>en</strong>ster zum Hof«.<br />
Dass Hitchcock in sein<strong>en</strong> Film<strong>en</strong> auch nicht die kleinste Kleinigkeit <strong>de</strong>m<br />
Zufall überließ, ist bekannt. Dass er seine Detailversess<strong>en</strong>heit aber sogar<br />
auf die Kostüme aus<strong>de</strong>hnte, war für die Kostümbildnerin Edith Head<br />
jedoch neu. Hitchcock sah »Das F<strong>en</strong>ster zum Hof« nicht nur als Kriminalfi<br />
lm. Ihn faszinierte <strong>de</strong>r Blick eines gelangweilt<strong>en</strong>, an d<strong>en</strong> Rollstuhl<br />
gefesselt<strong>en</strong> Presse- fotograf<strong>en</strong> und Ab<strong>en</strong>teurers, <strong>de</strong>r<br />
seine normale Neugier zur obsessiv<strong>en</strong> Beobachtungs-<br />
wut steigert, und auf einer<br />
zweit<strong>en</strong> Eb<strong>en</strong>e die ungeklärte<br />
Beziehung zwisch<strong>en</strong><br />
Jeff/James Stewart und Lisa/<br />
Grace Kelly, die von einer kaum<br />
überwindbar erschein<strong>en</strong>d<strong>en</strong> Beziehungsangst<br />
geprägt wird. Deshalb<br />
war ihm wichtig, dass sich je<strong>de</strong><br />
emotionale Regung <strong>de</strong>r beid<strong>en</strong> Hauptdarsteller<br />
auch in d<strong>en</strong> Klei<strong>de</strong>rn wi<strong>de</strong>rspiegelt.<br />
An Hitchcocks »Leine« ist Edith Head fast über<br />
sich selbst hinausgewachs<strong>en</strong>. So erhielt sie<br />
auch d<strong>en</strong> Auftrag, die Kostüme
Grace Kelly<br />
119
Links<br />
Das trug Grace<br />
zu ihrer erst<strong>en</strong><br />
Verabredung mit<br />
Fürst Rainier von<br />
Monaco.<br />
Rechts<br />
Ein Traumkleid<br />
von Edith Head,<br />
die sich ständig<br />
Einmischung<strong>en</strong> von<br />
Hitch gefall<strong>en</strong><br />
lass<strong>en</strong> musste.<br />
120<br />
für d<strong>en</strong> ein Jahr später <strong>en</strong>tstand<strong>en</strong><strong>en</strong> Film »Über d<strong>en</strong> Dächern von<br />
Nizza« zu schnei<strong>de</strong>rn, und wie<strong>de</strong>r gelang<strong>en</strong> ihr atemberaub<strong>en</strong><strong>de</strong> Entwürfe.<br />
Edith Head wur<strong>de</strong> zur erfolgreichst<strong>en</strong> Kostümbildnerin Hollywoods<br />
(»W<strong>en</strong>n es ein Paramount-Film ist, stamm<strong>en</strong> die Kostüme höchstwahrscheinlich<br />
von mir!«) und erhielt als Lohn insgesamt 35 Oscar-<br />
N<strong>om</strong>inierung<strong>en</strong>. Beson<strong>de</strong>rs gern arbeitete sie allerdings für Grace Kelly:<br />
»Ich habe taus<strong>en</strong><strong>de</strong> Schauspieler, Schauspielerinn<strong>en</strong> und Tiere angezog<strong>en</strong>.<br />
W<strong>en</strong>n Sie mich frag<strong>en</strong>, mit wem ich am liebst<strong>en</strong> gearbeitet habe,<br />
sage ich: Grace Kelly. Sie ist charmant, unglaublich begabt und b<strong>en</strong>immt<br />
sich wie eine Freundin.«<br />
Für diese Schauspielerin gelang<strong>en</strong> ihr so perfekte Meisterwerke,<br />
dass man bei »Das F<strong>en</strong>ster zum Hof« fast mein<strong>en</strong> könnte, ein<strong>en</strong> Film über<br />
Mo<strong>de</strong> zu seh<strong>en</strong>. Dabei wird am En<strong>de</strong> doch ein Mord aufgeklärt. Was die<br />
Beziehung <strong>de</strong>r beid<strong>en</strong> Hauptfi gur<strong>en</strong> anging, blieb Hitchcock allerdings<br />
skeptisch: Alles in Sach<strong>en</strong> Liebe ließ er off<strong>en</strong> – Traumklei<strong>de</strong>r hin o<strong>de</strong>r her.<br />
Als sich Grace Kelly 1955 währ<strong>en</strong>d <strong>de</strong>r Filmfestspiele in Cannes<br />
von <strong>de</strong>m »Paris Match«-Journalist<strong>en</strong> Pierre Galante (n<strong>om</strong><strong>en</strong> est <strong>om</strong><strong>en</strong>?)<br />
zu einem Treff<strong>en</strong> mit Fürst Rainier III. in Monte Carlo überred<strong>en</strong> ließ, war<br />
es eb<strong>en</strong>falls w<strong>en</strong>iger Liebe (zumin<strong>de</strong>st nicht auf d<strong>en</strong> erst<strong>en</strong> Blick) – als ein<br />
Geschäft auf Geg<strong>en</strong>seitigkeit mit <strong>de</strong>m Ergebnis: große Fotostrecke und<br />
die Headline »Filmprinzessin trifft echt<strong>en</strong> Fürst<strong>en</strong>«. Monaco war zu diesem<br />
Zeitpunkt fast pleite, und <strong>de</strong>r Fürst erkannte sehr schnell seine<br />
Chance (als Mann und auch als Lan<strong>de</strong>sfürst). Schon ein halbes Jahr später<br />
<strong>Pretty</strong> W<strong>om</strong><strong>en</strong><br />
»Sie ist<br />
charmant,<br />
unglaublich<br />
begabt und<br />
b<strong>en</strong>immt sich<br />
wie eine<br />
Freundin.«<br />
Edith Head
wird die Verlobung bekannt gegeb<strong>en</strong>, und die Märch<strong>en</strong>geschichte nimmt<br />
ihr<strong>en</strong> Lauf. Grace Kelly gibt ihrem Leb<strong>en</strong>sgefährt<strong>en</strong>, <strong>de</strong>m Kostüm<strong>de</strong>signer<br />
Oleg Cassini, d<strong>en</strong> Laufpass. Empört hielt dieser ihr <strong>en</strong>tgeg<strong>en</strong>, dass sie<br />
d<strong>en</strong> Fürst<strong>en</strong> doch gar nicht richtig k<strong>en</strong>n<strong>en</strong> wür<strong>de</strong>. »Ich wer<strong>de</strong> es lern<strong>en</strong>,<br />
ihn zu lieb<strong>en</strong>!«, antwortete <strong>de</strong>r Star, <strong>de</strong>r immer schon große Ambition<strong>en</strong><br />
hatte. Insi<strong>de</strong>r woll<strong>en</strong> wiss<strong>en</strong>, dass Grace Kelly mit dieser Hochzeit wahrscheinlich<br />
ihrem Vater imponier<strong>en</strong> wollte, <strong>de</strong>r es mit einem Bauunternehm<strong>en</strong><br />
zum Millionär gebracht hatte und <strong>de</strong>r Hollywood-Karriere seiner<br />
Tochter in <strong>de</strong>r<strong>en</strong> Aug<strong>en</strong> nicht g<strong>en</strong>üg<strong>en</strong>d Respekt zollte. Immerhin:<br />
Die Mitgift betrug zwei Million<strong>en</strong> Dollar.<br />
Das Hochzeitskleid war ein Gesch<strong>en</strong>k <strong>de</strong>r MGM-Studios und<br />
wur<strong>de</strong> von Hel<strong>en</strong> Rose <strong>en</strong>tworf<strong>en</strong>, die hun<strong>de</strong>rte von Film<strong>en</strong> ausgestattet<br />
und Grace Kelly auch schon in »High Society« angezog<strong>en</strong> hatte. Dieses<br />
Hochzeitskleid aus 30 Meter Tüll und 290 Meter Val<strong>en</strong>ci<strong>en</strong>nes-Spitze,<br />
perl<strong>en</strong>bestickt und zum Nie<strong>de</strong>rkni<strong>en</strong> schön, ist noch heute die Nummer<br />
eins unter d<strong>en</strong> Brautkleid-Klassikern. MGM bannte die monegassische<br />
Grace Kelly<br />
121<br />
Grace Kelly und<br />
James Stewart in<br />
Hitchcocks Kultfi lm<br />
»Das F<strong>en</strong>ster zum<br />
Hof«.
Ein prächtiges<br />
Film-Kostüm –<br />
das bald von <strong>de</strong>r<br />
Wirklichkeit<br />
eingeholt werd<strong>en</strong><br />
sollte …<br />
… das fürstliche<br />
Kleid für die<br />
monegassische<br />
Traumhochzeit<br />
<strong>en</strong>twarf Hel<strong>en</strong><br />
Rose.<br />
122<br />
Hochzeit für die Nachwelt auf Zelluloid, und <strong>de</strong>r Ree<strong>de</strong>r-Milliardär Onassis<br />
fi nanzierte sie. Der Grieche hatte schon immer eine Nase für richtig<br />
gute Investition<strong>en</strong>: Der neu<strong>en</strong> Lan<strong>de</strong>sfürstin, die sich jetzt Gracia Patricia<br />
nannte und aus Gründ<strong>en</strong> <strong>de</strong>r Staatsraison auf das Filmgeschäft verzicht<strong>en</strong><br />
musste, gelang es im Handumdreh<strong>en</strong>, die Tourist<strong>en</strong>zahl<strong>en</strong> zu verdoppeln<br />
und Monaco zum international<strong>en</strong> Pr<strong>om</strong>in<strong>en</strong>t<strong>en</strong>-Treff Nummer eins<br />
zu mach<strong>en</strong>. Nur Hitchcock war traurig – er hatte seine Lieblingsschauspielerin<br />
verlor<strong>en</strong>.<br />
Die Fürstin ihrerseits prägte in <strong>de</strong>r Folge einige weitere unvergess<strong>en</strong>e<br />
Mo<strong>de</strong>accessoires, wie die berühmte »Kelly Bag«. Anlass war w<strong>en</strong>iger<br />
das Mo<strong>de</strong>ll – Täschch<strong>en</strong> mit Trageriem<strong>en</strong> gehört<strong>en</strong> schon seit d<strong>en</strong> 30er-<br />
Jahr<strong>en</strong> zu d<strong>en</strong> Mo<strong>de</strong>klassikern –, son<strong>de</strong>rn ein Titelfoto <strong>de</strong>s Magazins<br />
»Life«, auf <strong>de</strong>m die Fürstin von Monaco versuchte, mit <strong>de</strong>r Tasche ihre<br />
Schwangerschaft zu verberg<strong>en</strong>. Eine Geschichte, die sich die Tasch<strong>en</strong>macher<br />
von Hermés natürlich nicht <strong>en</strong>tgeh<strong>en</strong> ließ<strong>en</strong>: Die »Kelly Bag« war<br />
gebor<strong>en</strong>. Sie kost<strong>en</strong> heute einige taus<strong>en</strong>d Euro, Kroko-Variant<strong>en</strong> aus d<strong>en</strong><br />
60er-Jahr<strong>en</strong> erziel<strong>en</strong> bei Auktion<strong>en</strong> bis zu 6000 Dollar.<br />
<strong>Pretty</strong> W<strong>om</strong><strong>en</strong><br />
»Sie alle<br />
(die Studios)<br />
fand<strong>en</strong> Kelly<br />
zunächst zu<br />
kalt und<br />
geschlechtslos.<br />
Aber für mich<br />
war und ist<br />
sie stets ein<br />
schneebe<strong>de</strong>ckter<br />
Vulkan.«<br />
Alfred Hitchcock
Grace Kelly<br />
123
Joan Collins,<br />
schon früh »Britains<br />
best bad girl«,<br />
provozierte schon<br />
immer gerne.<br />
Diese »heiß<strong>en</strong><br />
Hösch<strong>en</strong>«: Es ist,<br />
als sei<strong>en</strong> sie für<br />
Madonna erfund<strong>en</strong><br />
word<strong>en</strong>.<br />
HOT<br />
PANTS<br />
Das Gesicht<br />
<strong>de</strong>r Swinging Sixties<br />
Sie hieß eig<strong>en</strong>tlich Lesly Hornby, stammte aus einfach<strong>en</strong> Londoner<br />
Verhältniss<strong>en</strong> und wur<strong>de</strong> das erste weltweit bekannte Topmo<strong>de</strong>l.<br />
Ihre Mutter war Verkäuferin bei Woolworth und hätte sich<br />
bestimmt bei <strong>de</strong>r Geburt ihrer Tochter nicht träum<strong>en</strong> lass<strong>en</strong>, dass diese<br />
einmal unter <strong>de</strong>m Nam<strong>en</strong> »Twiggy« die präg<strong>en</strong><strong>de</strong> Rolle <strong>de</strong>r »Swinging<br />
Sixties« innehab<strong>en</strong> wür<strong>de</strong>.<br />
Es begann alles ziemlich »haarig«, nämlich bei Vidal Sassoon, <strong>de</strong>m<br />
fl ippigst<strong>en</strong> Friseur Londons, <strong>de</strong>m das klapperdürre Mädch<strong>en</strong> mit d<strong>en</strong> kugelrund<strong>en</strong><br />
Aug<strong>en</strong>, d<strong>en</strong> Schatt<strong>en</strong> werf<strong>en</strong>d<strong>en</strong>, lang<strong>en</strong> Wimpern und <strong>de</strong>m<br />
kindlich<strong>en</strong> Mund als Mo<strong>de</strong>ll für seine kurz<strong>en</strong>, glatt<strong>en</strong> Föhnfrisur<strong>en</strong> di<strong>en</strong>te<br />
(die die Frau<strong>en</strong> von Lock<strong>en</strong>wicklern und <strong>de</strong>m Schmor<strong>en</strong> unter Trock<strong>en</strong>haub<strong>en</strong><br />
erlöst<strong>en</strong>). Eines dieser Sassoon-Bil<strong>de</strong>r Twiggys fand d<strong>en</strong> Weg auf<br />
eine Zeitschrift<strong>en</strong>-Titelseite, und die Kindfrau wur<strong>de</strong> zu <strong>de</strong>m Gesicht dieser<br />
Zeit. Zu keinem Mo<strong>de</strong>l hätt<strong>en</strong> die Miniklei<strong>de</strong>r und -röcke von Mary<br />
Quant besser gepasst als zu diesem Mädch<strong>en</strong>, <strong>de</strong>ss<strong>en</strong> natürliches Dünnsein<br />
(im Geg<strong>en</strong>satz zum Abgehungert<strong>en</strong>look vieler heutiger Mo<strong>de</strong>ls)<br />
alle Welt faszinierte: Kurz geschnitt<strong>en</strong>e Oberteile über d<strong>en</strong> Minis ließ<strong>en</strong><br />
die Beine Twiggys noch länger erschein<strong>en</strong>, mit d<strong>en</strong><strong>en</strong> sie über<br />
die Laufstege tanzte. Und dann wur<strong>de</strong> <strong>de</strong>m »verrucht<strong>en</strong>«<br />
Mini noch eins draufgesetzt – die »heiß<strong>en</strong> Hösch<strong>en</strong>«.<br />
Zunächst war<strong>en</strong> sie oft ausgefranste, abgeschnitt<strong>en</strong>e<br />
Jeans, mausert<strong>en</strong> sich aber bald zu edler<strong>en</strong> Materiali<strong>en</strong><br />
wie <strong>de</strong>hnbarem Satin, Samt o<strong>de</strong>r Strickstoff<strong>en</strong>. Hauptsache, <strong>de</strong>r Po wur<strong>de</strong><br />
perfekt mo<strong>de</strong>lliert. Die Anhänger von Lock<strong>en</strong>köpf<strong>en</strong> und Kurv<strong>en</strong> à la<br />
Sophia Lor<strong>en</strong> und Marilyn Monroe war<strong>en</strong> konsterniert – und ziemlich<br />
»out«. Wer jung war und »in« sein wollte, zog sich diese Hot Pants an,<br />
geg<strong>en</strong> die <strong>de</strong>r Minirock schon fast wie<strong>de</strong>r gesittet wirkte. Und dann kam<br />
<strong>de</strong>r Maximantel. Minimales zieht oft Maximales nach sich.
Hot Pants<br />
125
tp://portal.picture-alliance.c<strong>om</strong>/cust<strong>om</strong>er/<strong>de</strong>rivative/wprev/6205518-dL3-7O8v9j5Xf-3j8a7vfu8Zwjb<br />
cture-alliance.c<strong>om</strong>/cust<strong>om</strong>er/<strong>de</strong>rivative/wprev/5340549-dL3-7O8v9j5Xf-3j8a7vfu8ZwjbvqM759v5L<br />
hriftsteller zu all<strong>en</strong> Zeit<strong>en</strong> fasziniert und als die Bil<strong>de</strong>r lauf<strong>en</strong> lernt<strong>en</strong>, folgt<strong>en</strong> ihn<strong>en</strong> die Filmemache<br />
ße. Mo<strong>de</strong>m<strong>en</strong>sch<strong>en</strong> (und Maler) war<strong>en</strong> und sind fasziniert von d<strong>en</strong> int<strong>en</strong>siv<strong>en</strong> Farb<strong>en</strong> Afrikas. Vielle<br />
<strong>en</strong>schheit. JENSEITS<br />
VON AFRIKA<br />
Ein Kontin<strong>en</strong>t macht Mo<strong>de</strong><br />
Afrika regte schon<br />
immer die Fantasie<br />
aller Designer<br />
an – auch die<br />
<strong>de</strong>r Hutmacher.<br />
Der Film von Sidney Pollack mit Meryl Streep, Robert Redford<br />
und Klaus Maria Brandauer in d<strong>en</strong> Hauptroll<strong>en</strong> löste eine wahre<br />
»Afrikamania« aus, die bis heute angehalt<strong>en</strong> hat. Er erzählt die<br />
Leb<strong>en</strong>sgeschichte <strong>de</strong>r dänisch<strong>en</strong> Schriftstellerin Tanja Blix<strong>en</strong>, w<strong>en</strong>n auch<br />
»fi lmgerecht« verän<strong>de</strong>rt – wer wiss<strong>en</strong> will, wie es wirklich war, muss ihre<br />
Bücher les<strong>en</strong>. Dieser Kontin<strong>en</strong>t hat die Schriftsteller zu all<strong>en</strong> Zeit<strong>en</strong> fasziniert,<br />
und als die Bil<strong>de</strong>r lauf<strong>en</strong> lernt<strong>en</strong>, folgt<strong>en</strong> ihn<strong>en</strong> die Filmemacher auf<br />
<strong>de</strong>m Fuße. Mo<strong>de</strong>m<strong>en</strong>sch<strong>en</strong> (und Maler) war<strong>en</strong> und sind fasziniert von<br />
d<strong>en</strong> int<strong>en</strong>siv<strong>en</strong> Farb<strong>en</strong> Afrikas. Vielleicht weck<strong>en</strong> sie in uns die Erinnerung<br />
an unsere alte Heimat? Afrika ist nun mal die Wiege <strong>de</strong>r M<strong>en</strong>schheit.<br />
Meryl Streep, einer <strong>de</strong>r vielseitigst<strong>en</strong> und erfolgreichst<strong>en</strong> weiblich<strong>en</strong><br />
US-Stars – sie hält beispielsweise vor Katharine Hepburn und Jack<br />
Nicholson d<strong>en</strong> Rekord in Sach<strong>en</strong> Oscar-N<strong>om</strong>inierung<strong>en</strong> –, wird wohl<br />
für viele hauptsächlich durch »J<strong>en</strong>seits von Afrika« in Erinnerung<br />
bleib<strong>en</strong>. Und für die meist<strong>en</strong> <strong>de</strong>r jünger<strong>en</strong> G<strong>en</strong>eration<br />
gilt dieser Film auch als Auslöser für d<strong>en</strong> Safari-Look,<br />
<strong>de</strong>r seither fast Jahr für Jahr von all<strong>en</strong> Designern –<br />
auch <strong>de</strong>r Haute Couture – aufgegriff<strong>en</strong> wird. Egal<br />
ob sportlich betont in Hos<strong>en</strong>anzüg<strong>en</strong>, Shorts und<br />
Hos<strong>en</strong>röck<strong>en</strong> o<strong>de</strong>r in Klei<strong>de</strong>rn mit Animal-Mustern<br />
in Zebra, Tiger o<strong>de</strong>r Leopard. Ergänzt<br />
werd<strong>en</strong> diese Ensembles<br />
durch Holzperl<strong>en</strong>schmuck o<strong>de</strong>r<br />
Makramee-Gefl echte, Armbän<strong>de</strong>r<br />
aus Holz, Elefant<strong>en</strong>haar o<strong>de</strong>r Eb<strong>en</strong>holzschnitzerei<strong>en</strong>.<br />
In Wahrheit war aber einer –<br />
<strong>de</strong>r Größte – schon wie<strong>de</strong>r einmal viel früher<br />
damit auf <strong>de</strong>m Spot: Yves Saint Laur<strong>en</strong>t huldigte<br />
126 <strong>Pretty</strong> W<strong>om</strong><strong>en</strong>
vqM759v5L8Pm1oRsbv2d2ifyhnPsfo1v8z2uh9dkRx2bP415840c98foPbO5jeNhv.jpg http://portal.<br />
8Pm2o9s8vbd2i8ydnPsfofvRzfu298kdxdbP425948cd8RoPbO5jeNhv.jpg Dieser Kontin<strong>en</strong>t hat die<br />
r auf <strong>de</strong>m<br />
icht weck<strong>en</strong> sie in uns die Erinnerung an unsere alte Heimat? Afrika ist nun mal die Wiege <strong>de</strong>r<br />
<strong>de</strong>r Großwildjägerei und Wildtierbeobachtung unter <strong>de</strong>r heiß<strong>en</strong> Sonne<br />
Afrikas bereits 1968 im Rahm<strong>en</strong> einer Kollektion. Vielleicht ließ er sich<br />
von alt<strong>en</strong> Hollywood-Film<strong>en</strong> inspirier<strong>en</strong>, d<strong>en</strong>n schon Marl<strong>en</strong>e Dietrich,<br />
Ava Gardner und Grace Kelly trug<strong>en</strong> savann<strong>en</strong>taugliche Kleidung in<br />
Khaki. Yves Saint Laur<strong>en</strong>t arbeitete natürlich auch mit ge<strong>de</strong>ckt<strong>en</strong> Erdfarb<strong>en</strong>,<br />
Brusttasch<strong>en</strong> und Ös<strong>en</strong>schnürung. Veruschka von Lehndorff<br />
wur<strong>de</strong> in einem dieser Mo<strong>de</strong>lle, <strong>de</strong>korativ das Gewehr über <strong>de</strong>r Schulter,<br />
mit großem Frans<strong>en</strong>hut fotografi ert. Die Sehnsucht von uns Großstadt-<br />
Zivilist<strong>en</strong> nach Freiheit und Naturverbund<strong>en</strong>heit wird ewig leb<strong>en</strong>.<br />
Anita Safari-Look Ekberg 127<br />
Ava Gardner, Clark<br />
Gable und Grace<br />
Kelly in »Mogambo« –<br />
die »Afr<strong>om</strong>ania«<br />
konnte beginn<strong>en</strong>.
FARBENRAUSCH<br />
Als wir Buntes<br />
buchstabier<strong>en</strong> lernt<strong>en</strong><br />
Pucci-Präs<strong>en</strong>tation<br />
2004 in Mailand –<br />
in all<strong>en</strong> Farb<strong>en</strong> <strong>de</strong>s<br />
Reg<strong>en</strong>bog<strong>en</strong>s.<br />
Chiff on und Jersey –<br />
im »Farb<strong>en</strong>-Alphabet«<br />
<strong>de</strong>s g<strong>en</strong>ial<strong>en</strong><br />
fl or<strong>en</strong>tinisch<strong>en</strong><br />
Graf<strong>en</strong>.<br />
Barbara Parker im<br />
»Tal <strong>de</strong>r Pupp<strong>en</strong>« –<br />
Pucci war längst<br />
auch in Hollywood<br />
angek<strong>om</strong>m<strong>en</strong>.<br />
Beim breit<strong>en</strong> Publikum ist <strong>de</strong>r fl or<strong>en</strong>tinische Graf Emilio Pucci als<br />
<strong>de</strong>r Vater <strong>de</strong>r Capri-Hos<strong>en</strong> und als Erfi n<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r knitterfrei<strong>en</strong><br />
»Kofferklei<strong>de</strong>r« aus Seid<strong>en</strong>jersey für immer in Erinnerung. Und<br />
natürlich seine unglaublich<strong>en</strong> Farb<strong>en</strong> und Muster nicht zu vergess<strong>en</strong>. Dabei<br />
hatte sein Aufstieg zum groß<strong>en</strong> Couturier auf <strong>de</strong>r Skipiste begonn<strong>en</strong> –<br />
er war bei <strong>de</strong>r Olympia<strong>de</strong> 1936 in Garmisch Mitglied <strong>de</strong>r itali<strong>en</strong>isch<strong>en</strong> Skimannschaft,<br />
woraus sich eine erste Sportkollektion ergab, eb<strong>en</strong>so wie<br />
sein Ehrgeiz, funktionale Stoffe – wie beispielsweise Stretch für Skihos<strong>en</strong><br />
o<strong>de</strong>r Seid<strong>en</strong>shantung (Emilioform) für Bodys – zu (er)fi nd<strong>en</strong>. Er wur<strong>de</strong><br />
gefeiert, und von da an gab es kein Halt<strong>en</strong> mehr.<br />
Pucci steht für ein<strong>en</strong> Farb<strong>en</strong>rausch, wie ihn vor ihm noch niemand<br />
<strong>en</strong>tfacht hat: Blau und Grün fl oss<strong>en</strong> in ein unnachahmliches Pucci-<br />
Türkis, Rot und Gelb in ein Orange, das man eb<strong>en</strong>falls sofort ihm zuordn<strong>en</strong><br />
konnte. Die berühmt<strong>en</strong> Trägerinn<strong>en</strong> – wie Marilyn Monroe,<br />
Elizabeth Taylor o<strong>de</strong>r Jane Fonda – verschafft<strong>en</strong> <strong>de</strong>m Label Pucci etwas<br />
Exklusives und signalisiert<strong>en</strong> gleichzeitig eine neue Bewegungsfreiheit<br />
ohne Mie<strong>de</strong>r und Korsett. Seine Farb<strong>en</strong> und Muster<br />
stimmt<strong>en</strong> mit <strong>de</strong>m Pop-Art-Feeling <strong>de</strong>r 1960er-Jahre<br />
überein – Limon<strong>en</strong>grün mit Korall<strong>en</strong>rot, Türkis mit<br />
Braun und Pink wirbelt<strong>en</strong> durcheinan<strong>de</strong>r.<br />
Nach Puccis Tod im Jahr 1992 holte seine<br />
Tochter Marchesa Laud<strong>om</strong>ia Pucci große Designer<br />
wie Christian Lacroix, Matthew Williamson<br />
und zuletzt d<strong>en</strong> von Ungaro<br />
k<strong>om</strong>m<strong>en</strong>d<strong>en</strong> Peter Dundas ins Haus.<br />
Der<strong>en</strong> Aufgabe: »Sie müss<strong>en</strong> die<br />
Pucci-Muster wie <strong>Buch</strong>stab<strong>en</strong> eines<br />
Alphabets les<strong>en</strong> könn<strong>en</strong>.«<br />
128 <strong>Pretty</strong> W<strong>om</strong><strong>en</strong>
Emilio Pucci<br />
129
MADEMOISELLE<br />
»JE T’AIME«<br />
BB – eine Frau wird Kult<br />
1959: Flitterwoch<strong>en</strong><br />
mit Ehemann<br />
Jaques Charrier in<br />
St. Tropez.<br />
1964: Selbst<br />
im brasilianisch<strong>en</strong><br />
Urwald bleibt die<br />
BB nicht un<strong>en</strong>t<strong>de</strong>ckt.<br />
DOPPELSEITE<br />
S<strong>om</strong>mer 1955: Der<br />
Maler und das<br />
Mädch<strong>en</strong> – Pablo<br />
Picasso und Brigitte<br />
Bardot.<br />
Für sie ließ Gunter Sachs 1000 rote Ros<strong>en</strong> v<strong>om</strong> Himmel regn<strong>en</strong>,<br />
bevor er sie in Las Vegas zu einer (dreijährig<strong>en</strong>) Spontan-Ehe<br />
verführte. Und 100 000 junge Mädch<strong>en</strong> übt<strong>en</strong> in d<strong>en</strong> 1950er-<br />
und 1960er-Jahr<strong>en</strong> vor <strong>de</strong>m Spiegel, ihr<strong>en</strong> Schmollmund nachzumach<strong>en</strong> –<br />
was d<strong>en</strong> Lipp<strong>en</strong>stiftumsatz <strong>en</strong>orm steigerte. Und um ein Haar wäre das<br />
berühmte, mehr gestöhnte als gesung<strong>en</strong>e Lied »Je t’aime« – Schreck<strong>en</strong>smelodie<br />
für alle Eltern und sonstig<strong>en</strong> Sitt<strong>en</strong>wächter dieser Zeit – nicht<br />
von Jane Birkin, son<strong>de</strong>rn von Brigitte Bardot gesung<strong>en</strong> word<strong>en</strong>. Kaum ein<br />
an<strong>de</strong>rer pr<strong>om</strong>in<strong>en</strong>ter Weltstar hat jemals die Mo<strong>de</strong> seiner Zeit so sehr<br />
beeinfl usst wie die Bardot. Sie verkörperte eine bis dato noch nie da<br />
gewes<strong>en</strong>e Mischung aus Unschuld und Sinnlichkeit, die ihr zu einer Blitzkarriere<br />
verhalf: Das 15-jährige, aus gut situiert<strong>en</strong>, str<strong>en</strong>g-bürgerlich<strong>en</strong><br />
Verhältniss<strong>en</strong> stamm<strong>en</strong><strong>de</strong> Mädch<strong>en</strong> wur<strong>de</strong> in kürzester Zeit zum meistgefragt<strong>en</strong><br />
Mannequin in Paris. Und war Wachs in d<strong>en</strong> Händ<strong>en</strong> ihres Ent<strong>de</strong>ckers<br />
und erst<strong>en</strong> Ehemannes Roger Vadim. Er brachte sie zum Film,<br />
und die Bardot wur<strong>de</strong> trotz schlechter Kritik<strong>en</strong> sofort zur kultig<strong>en</strong> BB. Ein<br />
Exportschlager für Frankreich: Die Auslandseinnahm<strong>en</strong> ihrer Filme überstieg<strong>en</strong><br />
zeitweise die <strong>de</strong>r Aut<strong>om</strong>arke R<strong>en</strong>ault. »Sex Appeal« wur<strong>de</strong> plötzlich<br />
auf <strong>de</strong>r ganz<strong>en</strong> Welt französisch buchstabiert. Und alle jung<strong>en</strong> Mädch<strong>en</strong><br />
wollt<strong>en</strong> sich so anzieh<strong>en</strong> wie die Bardot. Sie machte – barfuß durch<br />
St. Tropez spazier<strong>en</strong>d – nicht nur die Jeans zum modisch<strong>en</strong> Muss, son<strong>de</strong>rn<br />
auch die <strong>en</strong>g<strong>en</strong> Tops, die Tellerröcke und das Vichy-Karo in all<strong>en</strong><br />
Pastellfarb<strong>en</strong>. Der Boutique-Stil war gebor<strong>en</strong>: Klei<strong>de</strong>r, Röcke, Pullis, Blus<strong>en</strong><br />
und Bikinis mit Baumwollspitze und Lochstickerei, Mo<strong>de</strong> zu Preis<strong>en</strong>,<br />
die sich junge Leute auch leist<strong>en</strong> konnt<strong>en</strong>. Kreiert zunächst von No-<br />
Name-Designern. Gunter Sachs hatte dafür ein gutes Gespür und begrün<strong>de</strong>te<br />
mit dieser BB-Mo<strong>de</strong> seine Mic-mac-Boutiqu<strong>en</strong>. Viele an<strong>de</strong>re<br />
zog<strong>en</strong> nach. Ganz »großes Karo« für junge Leute.<br />
130 <strong>Pretty</strong> W<strong>om</strong><strong>en</strong>
Brigitte Bardot<br />
131
132 <strong>Pretty</strong> W<strong>om</strong><strong>en</strong>
Anita Ekberg<br />
133
DER KLEINE<br />
PRINZ – GANZ<br />
GROSS<br />
Azzedine Alaïa<br />
Der Mann musste<br />
auff all<strong>en</strong>: Frühe<br />
raffi nierte Schal-<br />
Kreation von<br />
Azzedine Alaïa.<br />
Zwei in ihrer<br />
ganz<strong>en</strong> Größe<br />
und Leid<strong>en</strong>schaft:<br />
Grace Jones und<br />
Azzedine Alaïa.<br />
Viele halt<strong>en</strong> d<strong>en</strong> nicht sehr groß gewachs<strong>en</strong><strong>en</strong> Mann für d<strong>en</strong> <strong>de</strong>rzeit<br />
größt<strong>en</strong> leb<strong>en</strong>d<strong>en</strong> Designer. Er selbst bezeichnet sich – bescheid<strong>en</strong><br />
– als Handwerker: Azzedine Alaïa, <strong>de</strong>r Bauernsohn aus<br />
Tunesi<strong>en</strong>, <strong>de</strong>r eig<strong>en</strong>tlich Bildhauer werd<strong>en</strong> wollte, hat es nach ganz ob<strong>en</strong><br />
geschafft. Frau<strong>en</strong>körper hält er für voll<strong>en</strong><strong>de</strong>te Skulptur<strong>en</strong>, die er liebt.<br />
Man mag es heute kaum glaub<strong>en</strong>, dass er 1957 bei Dior nach w<strong>en</strong>ig<strong>en</strong><br />
Tag<strong>en</strong> rausfl og und sich als Babysitter, Koch und Haushälter über Wasser<br />
hielt, währ<strong>en</strong>d er unbeirrt sein Ziel, Mo<strong>de</strong> zu mach<strong>en</strong>, weiterverfolgte.<br />
Zwei Jahre arbeitete er bei Guy Laroche, anschließ<strong>en</strong>d bei Thierry Mugler.<br />
Der Durchbruch kam in d<strong>en</strong> 1980er-Jahr<strong>en</strong>, als er das körperbetonte<br />
Stretchkleid erfand. (Daher sein Spitzname »König <strong>de</strong>r Klebefolie«).<br />
Alaïa mo<strong>de</strong>lliert seine Mo<strong>de</strong> auf d<strong>en</strong> Körper <strong>de</strong>r Frau<strong>en</strong> und sorgt<br />
d<strong>en</strong>noch dafür, dass es die Trägerin bequem hat. Er erfand die Mo<strong>de</strong> mit<br />
eingearbeiteter Unterwäsche und ist dadurch <strong>de</strong>r i<strong>de</strong>ale Designer für<br />
Bühn<strong>en</strong>stars mit Sinn für ästhetische Exz<strong>en</strong>trik (darunter Tina Turner,<br />
Madonna und Grace Jones, die Großkatze mit <strong>de</strong>m Raubtiergebiss).<br />
Aber auch ganz »normale« in <strong>de</strong>r Öff<strong>en</strong>tlichkeit steh<strong>en</strong><strong>de</strong> Frau<strong>en</strong> wie<br />
Michelle Obama seh<strong>en</strong> in sein<strong>en</strong> Mo<strong>de</strong>ll<strong>en</strong> hinreiß<strong>en</strong>d aus.<br />
Kaum jemand wird so oft von <strong>de</strong>r Konkurr<strong>en</strong>z »zitiert« wie Alaïa,<br />
was er nicht immer gelass<strong>en</strong> sieht. Er hält zwei Kollektion<strong>en</strong> pro Jahr für<br />
ausreich<strong>en</strong>d – alles an<strong>de</strong>re für ein »K<strong>om</strong>merz-Inferno«, das mit Kreativität<br />
nichts zu tun hat. Er kreiert eig<strong>en</strong>e Stoffe, arbeitet mit ungewöhnlich<strong>en</strong><br />
Materiali<strong>en</strong> und Material-Mix und führt all das bei sich zu Hause<br />
vor. Bei Tee und Kaffee und nur für Leute, die er mag. Für Kund<strong>en</strong>, die<br />
ihm unsympathisch sind, arbeitet er nicht. D<strong>en</strong> höchst<strong>en</strong> Verdi<strong>en</strong>stord<strong>en</strong><br />
Frankreichs nahm er nicht an, weil er Staatspräsid<strong>en</strong>t Sarkozy nicht leid<strong>en</strong><br />
kann. Was für ein ungewöhnlicher Mann!<br />
134 <strong>Pretty</strong> W<strong>om</strong><strong>en</strong>
Azzedine Alaïa<br />
135
Alles Schöne hat<br />
seine ganz<br />
beson<strong>de</strong>re Form:<br />
Das Korsett als<br />
Pünktch<strong>en</strong> auf <strong>de</strong>m<br />
»i«.<br />
ATEMLOS …<br />
… gestern, heute, morg<strong>en</strong><br />
Das gab es wirklich nur einmal: 1964 bekam Vittorio De Sicas<br />
Episod<strong>en</strong>fi lm »Gestern, heute, morg<strong>en</strong>« mit Marcello Mastroianni<br />
und Sophia Lor<strong>en</strong> in d<strong>en</strong> Hauptroll<strong>en</strong> d<strong>en</strong> Oscar für d<strong>en</strong><br />
best<strong>en</strong> ausländisch<strong>en</strong> Film. Die berühmte Striptease-Korsag<strong>en</strong>-Sz<strong>en</strong>e <strong>de</strong>r<br />
Lor<strong>en</strong> war an dieser Jury-Entscheidung <strong>de</strong>r Aca<strong>de</strong>my ganz bestimmt<br />
nicht ganz unbeteiligt. Aber dass dieselb<strong>en</strong> Schauspieler dieselbe Sz<strong>en</strong>e<br />
30 Jahre später noch einmal spiel<strong>en</strong>, mutet fast unglaublich an: So<br />
gescheh<strong>en</strong> in Robert Altmans »Prêt-à-Porter«. Dass Mastroianni dabei<br />
einschlaf<strong>en</strong> musste, lag we<strong>de</strong>r an <strong>de</strong>r älter geword<strong>en</strong><strong>en</strong> Lor<strong>en</strong> (dafür<br />
hab<strong>en</strong> schon allein exzell<strong>en</strong>te Mask<strong>en</strong>bildner und Beleuchter gesorgt)<br />
noch an <strong>de</strong>r wun<strong>de</strong>rschön<strong>en</strong> Korsage, son<strong>de</strong>rn am Drehbuch. Eine größere<br />
Ehrung konnte man <strong>de</strong>m mo<strong>de</strong>rn<strong>en</strong> Korsett und <strong>de</strong>r Korsage nicht<br />
erweis<strong>en</strong>. Was für ein modischer Aufstieg <strong>de</strong>s alt<strong>en</strong> Folterinstrum<strong>en</strong>ts,<br />
das die Frau<strong>en</strong> aus Luftmangel reih<strong>en</strong>weise ohnmächtig umsink<strong>en</strong><br />
ließ und ein Leb<strong>en</strong> ohne Riechfl äschch<strong>en</strong> kaum zuließ. (Dass viele<br />
Frau<strong>en</strong> von heute eb<strong>en</strong>falls nur ein<strong>en</strong> Teil ihres Lung<strong>en</strong>volum<strong>en</strong>s<br />
nutz<strong>en</strong>, liegt nicht an einschnür<strong>en</strong>d<strong>en</strong> Mie<strong>de</strong>rn, son<strong>de</strong>rn daran,<br />
dass sie ständig mit eingezog<strong>en</strong>em Bauch herumlauf<strong>en</strong>, was die<br />
Bauchmuskeln von unt<strong>en</strong> auf die Lung<strong>en</strong>fl ügel drückt … aber das<br />
ist ein an<strong>de</strong>res Thema.)<br />
Dass die Korsage heute zu d<strong>en</strong> glamourösest<strong>en</strong> Kleidungsstück<strong>en</strong><br />
gehört, hat eine lange und teilweise verblüff<strong>en</strong><strong>de</strong> Geschichte.<br />
Diese Geschichte hat zunächst mit <strong>de</strong>r Erfi ndung <strong>de</strong>s Büst<strong>en</strong>halters<br />
zu tun, und <strong>de</strong>r hat viele Väter und Mütter, wie das<br />
eb<strong>en</strong> bei Erfolgsstorys stets <strong>de</strong>r Fall ist. Daran beteiligt war<strong>en</strong><br />
verschied<strong>en</strong>e Person<strong>en</strong> <strong>de</strong>r Klei<strong>de</strong>rreform-Bewegung, aber<br />
auch Coco Chanel. Eine wes<strong>en</strong>tliche Verbesserung <strong>de</strong>s Büst<strong>en</strong>halters<br />
ist einem Hobby-Bildhauer zu verdank<strong>en</strong> – <strong>de</strong>m
Korsag<strong>en</strong><br />
137
»Der Engel <strong>de</strong>r<br />
Gejagt<strong>en</strong>«: die<br />
Dietrich, das<br />
Korsett, George<br />
K<strong>en</strong>nedy und<br />
Mel Ferrer.<br />
138<br />
Ehemann <strong>de</strong>r Besitzerin von »Maid<strong>en</strong>form«, einer Wäschefabrik, die<br />
1922 in d<strong>en</strong> USA gegrün<strong>de</strong>t word<strong>en</strong> war: Er erfand die getr<strong>en</strong>nt<strong>en</strong> Körbch<strong>en</strong><br />
und elastisches Material. Ein solches Mo<strong>de</strong>ll, das d<strong>en</strong> Bus<strong>en</strong> <strong>en</strong>tsprech<strong>en</strong>d<br />
auffällig formte, trug Loretta Young 1934 in <strong>de</strong>m Film »The<br />
House of Rothschild«, was <strong>en</strong>ormes Aufseh<strong>en</strong> erregte. 1934 kam <strong>de</strong>r<br />
erste trägerlose Büst<strong>en</strong>halter auf d<strong>en</strong> Markt, und ab 1935 wurd<strong>en</strong> die<br />
erst<strong>en</strong> Bügel in Mo<strong>de</strong>lle eing<strong>en</strong>äht. Jetzt schlug wie<strong>de</strong>r einmal die Stun<strong>de</strong><br />
<strong>de</strong>r Hollywood-Studios, d<strong>en</strong>n die Warner Brothers war<strong>en</strong> es, die für ihre<br />
Schauspielerinn<strong>en</strong> zum erst<strong>en</strong> Mal die Körbch<strong>en</strong>größ<strong>en</strong> von A bis D <strong>de</strong>fi -<br />
niert<strong>en</strong>. »Maid<strong>en</strong>form« erfand 1936 das kreisrun<strong>de</strong> Näh<strong>en</strong> für d<strong>en</strong> BH,<br />
wodurch <strong>de</strong>r Bus<strong>en</strong> ziemlich spitz wirkte. Darüber wur<strong>de</strong> oft ein <strong>en</strong>g anlieg<strong>en</strong><strong>de</strong>r<br />
Pullover getrag<strong>en</strong>, d<strong>en</strong> man »sweater« nannte. Das trug <strong>de</strong>r<br />
damals 16-jährig<strong>en</strong> Lana Turner bei ihrem Film<strong>de</strong>büt die Bezeichnung<br />
»Sweater-Girl« ein. Diese spitzbusig<strong>en</strong> Pullover-Aufnahm<strong>en</strong> hab<strong>en</strong> in <strong>de</strong>r<br />
Folge damals alle Schauspielerinn<strong>en</strong> von sich mach<strong>en</strong> lass<strong>en</strong> – natürlich<br />
auch die Europäerinn<strong>en</strong>.<br />
Die wun<strong>de</strong>rschön<strong>en</strong> Korsag<strong>en</strong>, die wir heute k<strong>en</strong>n<strong>en</strong> und bewun<strong>de</strong>rn,<br />
erlebt<strong>en</strong> ihre Geburtsstun<strong>de</strong> allerdings mit <strong>de</strong>r Kreation <strong>de</strong>s schulterfrei<strong>en</strong><br />
Ab<strong>en</strong>dklei<strong>de</strong>s. Es wird <strong>de</strong>r <strong>en</strong>glisch<strong>en</strong> Designerin Dolly Tree zugeschrieb<strong>en</strong>,<br />
die in London, Paris und New York zahlreiche Revu<strong>en</strong> und<br />
<strong>Pretty</strong> W<strong>om</strong><strong>en</strong><br />
»Was für<br />
ein modischer<br />
Aufstieg <strong>de</strong>s<br />
alt<strong>en</strong> Folterinstrum<strong>en</strong>ts,<br />
das<br />
die Frau<strong>en</strong><br />
aus Luftmangel<br />
reih<strong>en</strong>weise<br />
ohnmächtig<br />
umsink<strong>en</strong> ließ.«
Musicals ausstattete, bevor sie in Hollywood zuerst für die Fox-Studios<br />
und dann für MGM an <strong>de</strong>r Seite <strong>de</strong>s berühmt<strong>en</strong> Gilbert Adrian arbeitete.<br />
Die schönst<strong>en</strong> Frau<strong>en</strong> Hollywoods glänzt<strong>en</strong> ab sofort in Taft, Tüll, Seid<strong>en</strong>mousseline,<br />
Silber- und Goldlamé – schulterfrei und mit Bus<strong>en</strong>form<strong>en</strong>,<br />
die weltweit Nachahmung fand<strong>en</strong>. Diese Zeit war auch die Erfolgsstun<strong>de</strong><br />
<strong>de</strong>r itali<strong>en</strong>isch<strong>en</strong> Mo<strong>de</strong>schöpferin Elsa Schiaparelli. Sie schuf traumhaft<br />
schöne schulterfreie Ab<strong>en</strong>drob<strong>en</strong>, um die sich die Schön<strong>en</strong> und Reich<strong>en</strong><br />
gera<strong>de</strong>zu geriss<strong>en</strong> hab<strong>en</strong>. Zu ihr<strong>en</strong> Kundinn<strong>en</strong> zählt<strong>en</strong> Gloria Swanson,<br />
Joan Crawford, Tallulah Bankhead, Marl<strong>en</strong>e Dietrich, Greta Garbo. So<br />
Korsag<strong>en</strong><br />
139<br />
Die Lor<strong>en</strong> liebte<br />
verführerische<br />
Korsett-Sz<strong>en</strong><strong>en</strong> wie<br />
diese in »Die<br />
Millionärin« …<br />
Folg<strong>en</strong><strong>de</strong> Seite<br />
… und zeigte stolz<br />
ihre Wesp<strong>en</strong>taille.<br />
Allein <strong>de</strong>r Anblick<br />
löst Atemnot aus.
140<br />
<strong>Pretty</strong> W<strong>om</strong><strong>en</strong>
»Korsag<strong>en</strong><br />
war<strong>en</strong> plötzlich<br />
sichtbar getrag<strong>en</strong>eKleidungsstücke,<br />
w<strong>en</strong>n<br />
auch als erotische<br />
Blickfänger<br />
gedacht.«<br />
wie heutige Designer kreierte sie auch ein Parfüm – »Shocking« –, <strong>de</strong>ss<strong>en</strong><br />
Flakon die Kurv<strong>en</strong> von Mae West zum Vorbild hatte. (Jean Paul Gaultier<br />
war also nicht <strong>de</strong>r erste Erfi n<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r Flakon-Kurv<strong>en</strong>.) Ihr Parfüm »Si« war<br />
sogar Anlass für ein<strong>en</strong> Song, d<strong>en</strong> Juliette Gréco interpretierte. Pablo<br />
Picasso und Salvador Dalí war<strong>en</strong> ihre Freun<strong>de</strong>, und Jean Cocteau <strong>en</strong>twarf<br />
Stoffmuster für sie. 1936 führte die Schiaparelli d<strong>en</strong> Reißverschluss in die<br />
Haute Couture ein, und noch 1952, schon über 60-jährig, klei<strong>de</strong>te die<br />
Königin <strong>de</strong>r elegant<strong>en</strong> Ab<strong>en</strong>drob<strong>en</strong> Zsa Zsa Gabor für d<strong>en</strong> Film »Moulin<br />
Rouge« ein. Der Krieg unterbrach die erotische schulterfreie Klei<strong>de</strong>rperio<strong>de</strong>,<br />
diese setzte danach aber umso vehem<strong>en</strong>ter wie<strong>de</strong>r ein.<br />
Und spätest<strong>en</strong>s jetzt nahm<strong>en</strong> sich alle Couturiers <strong>de</strong>r Korsage an,<br />
stellt<strong>en</strong> sie teilweise sogar in d<strong>en</strong> Mittelpunkt ihrer Kreation<strong>en</strong>. Korsag<strong>en</strong><br />
war<strong>en</strong> plötzlich nicht mehr nur Halt- und Formgeber, son<strong>de</strong>rn selbstbewusst<br />
und sichtbar getrag<strong>en</strong>e Kleidungsstücke, w<strong>en</strong>n auch durchaus als<br />
erotische Blickfänger gedacht. John Galliano präs<strong>en</strong>tierte – stolz in Frack<br />
und Zylin<strong>de</strong>r geklei<strong>de</strong>t – in seiner 2010er-Kollektion wie<strong>de</strong>r ein Korsag<strong>en</strong>kleid,<br />
Kylie Minogue trug eines bei ihrem erst<strong>en</strong> Auftritt nach ihrer G<strong>en</strong>esung,<br />
und die Korsag<strong>en</strong> <strong>de</strong>r Chantal-Th<strong>om</strong>as-Kollektion von 2004 wär<strong>en</strong><br />
durchaus geeignet gewes<strong>en</strong>, sie über <strong>de</strong>m Kleid zu trag<strong>en</strong>, so wie Vivi<strong>en</strong>ne<br />
Westwood und Jean Paul Gaultier das schon vorgemacht hab<strong>en</strong> (w<strong>en</strong>n<br />
auch als historische Zitate und bei weitem nicht so verspielt). Yves Saint<br />
Laur<strong>en</strong>t hat Korsag<strong>en</strong>klei<strong>de</strong>r <strong>en</strong>tworf<strong>en</strong>, eb<strong>en</strong>so wie in jüngster Vergang<strong>en</strong>heit<br />
auch wie<strong>de</strong>r Chanel, Alaïa und Cacharel.<br />
Links<br />
Die Frau, die weiß,<br />
was sie will: Grace<br />
Jones im Etui<br />
einer unnachgiebig<strong>en</strong><br />
zweit<strong>en</strong> Haut.<br />
Rechts<br />
Edle K<strong>om</strong>bination:<br />
John Galliano und<br />
Nora Arneze<strong>de</strong>r<br />
bei <strong>de</strong>r Dior-Schau<br />
2010.<br />
Eng auf Figur:<br />
ein Schiaparelli-<br />
Parfüm-Flakon.<br />
Hat sich Gaultier<br />
davon anreg<strong>en</strong><br />
lass<strong>en</strong>?
ACH DU LIEBER<br />
SCHWAN …<br />
Warum man die Dietrich nicht kopier<strong>en</strong> kann<br />
Das ging schief<br />
für Björk, 2001 in Los<br />
Angeles bei <strong>de</strong>r<br />
Oscar-Verleihung …<br />
… sie hätte es wiss<strong>en</strong><br />
müss<strong>en</strong>: Die<br />
Dietrich kopiert man<br />
nicht, ob mit o<strong>de</strong>r<br />
ohne Schwan.<br />
142<br />
Dieses Fe<strong>de</strong>rtier wur<strong>de</strong> zur Klei<strong>de</strong>rleg<strong>en</strong><strong>de</strong>. Dabei war diese I<strong>de</strong>e<br />
<strong>de</strong>r Dietrich »nur« für ein<strong>en</strong> privat<strong>en</strong> Auftritt in ein Kostüm gegoss<strong>en</strong><br />
word<strong>en</strong>. Marl<strong>en</strong>e Dietrich trug es am 4. Juli 1935, als sie<br />
ein Fest <strong>de</strong>r Million<strong>en</strong>erbin Gräfi n Dorothy Di Frasso besuchte und sich<br />
wie<strong>de</strong>r einmal sicher sein wollte, all<strong>en</strong> an<strong>de</strong>r<strong>en</strong> die Schau zu stehl<strong>en</strong>. Die<br />
Society-Gräfi n war nicht nur die Geliebte von Gary Cooper, son<strong>de</strong>rn ließ<br />
auch sonst nichts »anbr<strong>en</strong>n<strong>en</strong>«. Wer von ihr nicht eingelad<strong>en</strong> wur<strong>de</strong> und<br />
kein<strong>en</strong> gesellschaftlich<strong>en</strong> Umgang mit ihr hatte, war in d<strong>en</strong> 1930er-Jahr<strong>en</strong><br />
in Hollywood lediglich B-Pr<strong>om</strong>in<strong>en</strong>z. Die Gräfi n soll sogar Vorlage für<br />
eine Filmfi gur in »Die Frau<strong>en</strong>« von 1939 gewes<strong>en</strong> sein: einer bitterbös<strong>en</strong><br />
Scheidungsk<strong>om</strong>ödie, in <strong>de</strong>r sich die Hauptdarstellerinn<strong>en</strong> (darunter Joan<br />
Crawford und Norma Shearer) hinter d<strong>en</strong> Kuliss<strong>en</strong> privat eb<strong>en</strong>so bekriegt<br />
hab<strong>en</strong>, wie es das Drehbuch vorschrieb. Verständlich, dass die Dietrich<br />
ihr<strong>en</strong> damalig<strong>en</strong> Paramount-Designer, Travis Banton, auch für dieses<br />
private Ev<strong>en</strong>t zu Höchstleistung<strong>en</strong> anspornte. Sie wusste, dass man auch<br />
mit Klei<strong>de</strong>rn – lächelnd<strong>en</strong> Gesichts – Krieg führ<strong>en</strong> konnte. Allerdings<br />
dürft<strong>en</strong> für das Schwan<strong>en</strong>kleid »Leda und <strong>de</strong>r Schwan« nicht ganz so<br />
viele Fe<strong>de</strong>rn notw<strong>en</strong>dig gewes<strong>en</strong> sein wie für d<strong>en</strong> berühmt<strong>en</strong> später<strong>en</strong><br />
Bühn<strong>en</strong>mantel <strong>de</strong>r Dietrich als Sängerin. Dafür soll<strong>en</strong> zahlreiche Schwäne<br />
angeblich 3000 Brustdaun<strong>en</strong> geopfert hab<strong>en</strong>. Wahrscheinlich nicht ganz<br />
freiwillig, aber mit Nachruhm verbund<strong>en</strong>. Sicher ist, dass Zeus dieser<br />
Leda nam<strong>en</strong>s Marl<strong>en</strong>e an diesem S<strong>om</strong>mertag in Los Angeles mit o<strong>de</strong>r<br />
ohne Brustdaun<strong>en</strong> erleg<strong>en</strong> wäre.<br />
Nicht immer wird modischer Mut belohnt. Das Schwan<strong>en</strong>kleid-<br />
Revival, das die isländische Sängerin und Schauspielerin Björk anlässlich<br />
<strong>de</strong>r Oscar-Festivität 2001 trug, ging als großer Fehlgriff in die Mo<strong>de</strong>geschichte<br />
<strong>de</strong>s berühmtest<strong>en</strong> rot<strong>en</strong> Film-Teppichs ein.<br />
<strong>Pretty</strong> W<strong>om</strong><strong>en</strong>
Marl<strong>en</strong>e Dietrich<br />
143
DIE KASCHMIR-<br />
QUEEN<br />
Jil San<strong>de</strong>r – die Minimalistin<br />
So zieh<strong>en</strong> sich<br />
selbstbewusste<br />
Frau<strong>en</strong> an:<br />
Jil-San<strong>de</strong>r-Mo<strong>de</strong>lle<br />
auf <strong>de</strong>m Mailän<strong>de</strong>r<br />
Catwalk.<br />
Marl<strong>en</strong>e Dietrich hätte sie geliebt. So wie alle Frau<strong>en</strong>, die nach<br />
<strong>de</strong>m Motto »mehr Sein als Schein« leb<strong>en</strong>, ihre Mo<strong>de</strong> lieb<strong>en</strong>.<br />
Jil San<strong>de</strong>rs Kunst ist es nämlich, Überfl üssiges wegzulass<strong>en</strong>. In<br />
<strong>de</strong>r Branche n<strong>en</strong>nt man sie <strong>de</strong>shalb auch »Que<strong>en</strong> of Less«.<br />
Sie trägt keine Klei<strong>de</strong>r, und das hat sein<strong>en</strong> Grund: Als Mädch<strong>en</strong><br />
bezeichnete man sie klei<strong>de</strong>rtrag<strong>en</strong>d immer als »blond<strong>en</strong> Engel«. Da sie<br />
nicht in d<strong>en</strong> Himmel, son<strong>de</strong>rn überall hink<strong>om</strong>m<strong>en</strong> wollte, ging sie mo<strong>de</strong>technisch<br />
in Opposition und trug nur mehr Hos<strong>en</strong>, und das zu einer Zeit,<br />
als das durchaus noch <strong>de</strong>batt<strong>en</strong>würdig war.<br />
Jil San<strong>de</strong>r lernte alles, was mit Mo<strong>de</strong> zu tun hat, von <strong>de</strong>r Pike auf:<br />
Sie absolvierte ein Textiling<strong>en</strong>ieursstudium in Deutschland, ging dann in<br />
die USA, wo sie als Mo<strong>de</strong>journalistin arbeitete, was sie für die Zeitschrift<strong>en</strong><br />
»Constanze« und »Petra« auch nach ihrer Rückkehr nach Deutschland<br />
tat. Und dann wollte sie es g<strong>en</strong>au wiss<strong>en</strong>:<br />
1967, als 24-jährige, eröffnete sie in Hamburg<br />
ihre erste Boutique, wo sie ab 1973 nicht<br />
nur Sonia-Rykiel- und Thierry-Mugler-Mo<strong>de</strong>lle,<br />
son<strong>de</strong>rn auch ihre erst<strong>en</strong> eig<strong>en</strong><strong>en</strong> Kollektion<strong>en</strong><br />
verkaufte. 1976 erlebte sie mit ihrem Zwiebel-<br />
Look d<strong>en</strong> international<strong>en</strong> Durchbruch. Sie war<br />
so erfolgreich, dass schon bald das leg<strong>en</strong>däre<br />
»Jil San<strong>de</strong>r. W<strong>om</strong>an Pure«-Parfüm mit <strong>de</strong>r gleichnamig<strong>en</strong><br />
Kosmetikserie folgte – bei<strong>de</strong>s vermarktete<br />
sie als erste Designerin über viele Jahre hinweg<br />
mit ihrem eig<strong>en</strong><strong>en</strong>, schön<strong>en</strong> Gesicht.<br />
Für viele Frau<strong>en</strong> – quer durch alle G<strong>en</strong>eration<strong>en</strong><br />
– wur<strong>de</strong> die Mo<strong>de</strong> von Jil San<strong>de</strong>r fast<br />
zu einer Glaub<strong>en</strong>sfrage (so wie es für viele M<strong>en</strong>-<br />
144 <strong>Pretty</strong> W<strong>om</strong><strong>en</strong>
sch<strong>en</strong> heute das C<strong>om</strong>putersystem von Apple ist). Jil San<strong>de</strong>r zu trag<strong>en</strong>,<br />
war ein Erk<strong>en</strong>nungssignal j<strong>en</strong>seits <strong>de</strong>s Finanziell<strong>en</strong>: für eine weibliche<br />
Selbstsicherheit, die nicht mehr über Emanzipation <strong>de</strong>battiert, son<strong>de</strong>rn<br />
sie längst lebt. Jil-San<strong>de</strong>r-Mo<strong>de</strong>lle seh<strong>en</strong> an groß<strong>en</strong>, schlank<strong>en</strong> Frau<strong>en</strong><br />
beson<strong>de</strong>rs elegant aus, ihre großzügig<strong>en</strong> Schnitte erlaubt<strong>en</strong> jedoch auch<br />
Frau<strong>en</strong> mit »nicht perfekt<strong>en</strong>« Figur<strong>en</strong>, <strong>de</strong>m JS-Club beizutret<strong>en</strong>.<br />
Ihr puristischer Mo<strong>de</strong>-Stil, ihre klar<strong>en</strong> Lini<strong>en</strong> und ihr Gespür für<br />
Stoff, wobei sie hier zwisch<strong>en</strong> Dam<strong>en</strong>- und Herr<strong>en</strong>kollektion<strong>en</strong> kein<strong>en</strong><br />
Unterschied machte, sorgt<strong>en</strong> vor allem in d<strong>en</strong> USA bald für groß<strong>en</strong> Beifall.<br />
Nahelieg<strong>en</strong>d, da dort <strong>de</strong>r Begriff »Fashion and Business« schon früh<br />
ein Begriff war. Es wäre schön, w<strong>en</strong>n auch bei uns mehr Frau<strong>en</strong> wüsst<strong>en</strong>,<br />
dass <strong>de</strong>r (richtige) Hos<strong>en</strong>anzug unbeschreiblich weiblich sein kann.<br />
Jil San<strong>de</strong>r<br />
145<br />
Jil San<strong>de</strong>r in ihrem<br />
Büro. Sie macht<br />
Mo<strong>de</strong> für Frau<strong>en</strong>,<br />
die wiss<strong>en</strong>, was sie<br />
woll<strong>en</strong>.
SCHICKSALS-<br />
KLEID<br />
Soraya – die Königin <strong>de</strong>r Trän<strong>en</strong><br />
Sorayas Hochzeitskleid<br />
von Dior<br />
war so schwer, dass<br />
die Braut die Last<br />
nicht trag<strong>en</strong> konnte.<br />
Hun<strong>de</strong>rt Jahre nach Kaiserin Elisabeth von Österreich hatt<strong>en</strong> die<br />
Medi<strong>en</strong> eine neue Märch<strong>en</strong>kaiserin, über die sie bericht<strong>en</strong><br />
konnt<strong>en</strong>. So viel Schicksal war noch nie, und die ganze Welt<br />
konnte es dank <strong>de</strong>r mo<strong>de</strong>rn<strong>en</strong> Technik quasi live verfolg<strong>en</strong>. Diesmal war<br />
es sogar ein Märch<strong>en</strong> aus »1001 Nacht«, und es schi<strong>en</strong> einem Kitschr<strong>om</strong>an<br />
<strong>en</strong>tsprung<strong>en</strong>: Ein Kaiser aus <strong>de</strong>m Morg<strong>en</strong>land sucht eine Frau – und<br />
ein<strong>en</strong> Thronerb<strong>en</strong> – und verliebt sich in ein Foto, das ihm seine Mutter<br />
zuspielt. Hollywood lässt grüß<strong>en</strong> – und das Drama nimmt sein<strong>en</strong> Lauf.<br />
Die Auserwählte heißt Soraya Esfandiary Bakhtiari, ist die Tochter <strong>de</strong>s<br />
persisch<strong>en</strong> Botschafters in Deutschland und seiner <strong>de</strong>utsch<strong>en</strong> Frau. In<br />
Isfahan gebor<strong>en</strong>, best<strong>en</strong>s erzog<strong>en</strong>, gebil<strong>de</strong>t und schön, ist sie eine stan<strong>de</strong>sgemäße<br />
Wahl. Nur wollte das Mädch<strong>en</strong> Soraya, <strong>de</strong>ss<strong>en</strong> Name so viel<br />
heißt wie »Sieb<strong>en</strong>gestirn«, als Schauspielerin ein Star werd<strong>en</strong> und nicht<br />
neb<strong>en</strong> <strong>de</strong>m Schah von Persi<strong>en</strong> auf <strong>de</strong>m Pfau<strong>en</strong>thron sitz<strong>en</strong>. Von all<strong>en</strong><br />
Seit<strong>en</strong> bedrängt, stimmt sie einer erst<strong>en</strong> Begegnung mit <strong>de</strong>m persisch<strong>en</strong><br />
Kaiser d<strong>en</strong>noch zu – und verliebt sich. Das Schicksal hat <strong>en</strong>tschied<strong>en</strong>: Am<br />
12. Februar 1951 heiratet die 19-jährige Soraya, in einem Hochzeitskleid,<br />
das wohl für alle Zeit<strong>en</strong> einmalig bleib<strong>en</strong> wird. Sie muss, obwohl von<br />
einer schwer<strong>en</strong> Typhuserkrankung noch sehr geschwächt, ein 20 Kilogramm<br />
schweres Hochzeitskleid durch eine <strong>en</strong>dlose Zeremonie schlepp<strong>en</strong>.<br />
Es war von Christian Dior, übersät mit taus<strong>en</strong>d<strong>en</strong> von Perl<strong>en</strong>, Silberfäd<strong>en</strong><br />
und Strass-Stein<strong>en</strong> in Brillantschliff. Diese Last war so schwer, dass<br />
eine Hofdame die Schleppe mit <strong>de</strong>r Schere um zehn Meter kürz<strong>en</strong><br />
musste, weil die Braut sonst kein<strong>en</strong> Schritt hätte geh<strong>en</strong> könn<strong>en</strong>. Die Liebe<br />
<strong>de</strong>s Paares war in <strong>de</strong>r Folgezeit von Intrig<strong>en</strong> überschattet. Und <strong>de</strong>r ausbleib<strong>en</strong><strong>de</strong><br />
Thronerbe führte schließlich am 6. April 1958 zur Scheidung –<br />
aus Gründ<strong>en</strong> <strong>de</strong>r Staatsraison. Die Be<strong>de</strong>utung <strong>de</strong>s Nam<strong>en</strong>s Soraya hatte<br />
sich nach nur sieb<strong>en</strong> Ehejahr<strong>en</strong> negativ erfüllt.<br />
146 <strong>Pretty</strong> W<strong>om</strong><strong>en</strong>
Soraya<br />
147
DIE GEFLECKTE<br />
FRAU<br />
Jagdsz<strong>en</strong><strong>en</strong> aus <strong>de</strong>m Großstadtdschungel<br />
Ava Gardner<br />
in einem Hauch von<br />
Dschungel. Ist da<br />
nicht auch ein leises<br />
Fauch<strong>en</strong> zu hör<strong>en</strong>?<br />
Bette Midler<br />
(»Noch einmal mit<br />
Gefühl«) ist sich<br />
im Leo-Look nicht<br />
ganz sicher.<br />
Das Wort »Großstadtdschungel« ist etwas in die Jahre gek<strong>om</strong>m<strong>en</strong>,<br />
was aber nichts daran än<strong>de</strong>rt, dass es ihn gibt. Es leb<strong>en</strong><br />
darin Jäger(inn<strong>en</strong>) und Gejagte, und nicht selt<strong>en</strong> sind sie in einer<br />
Person vereint. Frau<strong>en</strong>, die sich <strong>de</strong>m Leopard<strong>en</strong>-Look verschrieb<strong>en</strong><br />
hab<strong>en</strong>, sind solche »Doppelwes<strong>en</strong>«. Es gibt kaum ein<strong>en</strong> besser<strong>en</strong> Beweis<br />
dafür als das unvergessliche Foto von Ava Gardner als »Leo vor Leo«. Sie<br />
war nicht immer dieser lock<strong>en</strong><strong>de</strong>, glamouröse Vamp, d<strong>en</strong> Hollywood aus<br />
ihr gemacht hat. Allein ihre frühe Ehe mit Mickey Rooney, <strong>de</strong>m s<strong>om</strong>mersprossig<strong>en</strong>,<br />
ewig<strong>en</strong> Kin<strong>de</strong>rstar (»Ich war 30 Jahre lang ein 14-jähriger<br />
Junge«) <strong>de</strong>utet darauf hin, dass Ava Gardner ein<strong>en</strong> lang<strong>en</strong> Weg zurücklegte,<br />
bis sie zum »Leopard<strong>en</strong>weib« wur<strong>de</strong>. Auf diesem Weg<br />
hab<strong>en</strong> viele Männer sie begleitet, nicht zuletzt ihre weiter<strong>en</strong><br />
Ehemänner: <strong>de</strong>r Jazz-Musiker und K<strong>om</strong>ponist Artie Shaw<br />
(<strong>de</strong>r sich nach ihr <strong>de</strong>r Raubkatze Lana Turner zuwandte) und<br />
Frank Sinatra. Aber auch zwei ihrer bekanntest<strong>en</strong> Filme<br />
bracht<strong>en</strong> Ava Gardner mit <strong>de</strong>r Heimat <strong>de</strong>r gefl eckt<strong>en</strong> Großkatze<br />
in Verbindung: die Hemingway-Verfi lmung »Schnee<br />
am Kilimandscharo«, wo sie an <strong>de</strong>r Seite von Gregory Peck<br />
(und Hil<strong>de</strong>gard Knef) spielte und in <strong>de</strong>r Peck das Geheimnis<br />
eines auf <strong>de</strong>m höchst<strong>en</strong> Berg Afrikas erfror<strong>en</strong><strong>en</strong> Leopard<strong>en</strong><br />
ergründ<strong>en</strong> wollte, und das Großwild-Liebesab<strong>en</strong>teuer<br />
»Mogambo« mit Clark Gable und<br />
Grace Kelly. Von diesem Zeitpunkt an konnte<br />
man die Gardner in die Riege <strong>de</strong>r »gefl eckt<strong>en</strong><br />
Frau<strong>en</strong>« einordn<strong>en</strong>. Daran än<strong>de</strong>rte auch das zu<br />
Trän<strong>en</strong> rühr<strong>en</strong><strong>de</strong> Melodram »Die barfüßige Gräfi<br />
n« an <strong>de</strong>r Seite von Humphrey Bogart nichts.<br />
Aber es gibt auch Frau<strong>en</strong>, die man sich nicht im
Leo-Look<br />
149
Links<br />
Auch John Galliano<br />
huldigte 2008 für<br />
Dior d<strong>en</strong> »gefl eckt<strong>en</strong><br />
Frau<strong>en</strong>«.<br />
Rechts<br />
Ricardo Tisci war<br />
2008 für das Haus<br />
Giv<strong>en</strong>chy eb<strong>en</strong>falls<br />
auf <strong>de</strong>r Spur <strong>de</strong>s<br />
Leopard<strong>en</strong>.<br />
Kim Novak<br />
(Hitchcocks<br />
»Vertigo«-Star)<br />
gehört ohne Zweifel<br />
zu d<strong>en</strong> »gefl eckt<strong>en</strong><br />
Frau<strong>en</strong>«.<br />
150<br />
»Mit ›gefleckt<strong>en</strong><br />
Frau<strong>en</strong>‹ kann<br />
man nicht nur Pfer<strong>de</strong><br />
stehl<strong>en</strong>, son<strong>de</strong>rn<br />
auch auf Großwildjagd<br />
geh<strong>en</strong>.«<br />
Leopard<strong>en</strong>-Look vorstell<strong>en</strong> kann. Marl<strong>en</strong>e Dietrich, Hil<strong>de</strong>gard Knef o<strong>de</strong>r –<br />
noch vor ihn<strong>en</strong> – Greta Garbo, diese beson<strong>de</strong>rs cool<strong>en</strong> Frau<strong>en</strong>, sie hab<strong>en</strong><br />
mit an<strong>de</strong>r<strong>en</strong> Mitteln gejagt – im Zweifelsfall mit <strong>de</strong>m Klirr<strong>en</strong> von Eiswürfeln<br />
im Whiskyglas. Und dann gibt es noch Frau<strong>en</strong>, die »Getigertes« vorzieh<strong>en</strong>.<br />
Sie begnüg<strong>en</strong> sich nicht mit <strong>de</strong>m »Gefl ecktsein« und sind eine<br />
beson<strong>de</strong>re Kategorie unter d<strong>en</strong> Jägerinn<strong>en</strong> (manche tarn<strong>en</strong> sich als Zebras<br />
– reines Mimikry!).<br />
Gloria Swanson hingeg<strong>en</strong>, <strong>de</strong>r<strong>en</strong> Nam<strong>en</strong> man in einem Atemzug<br />
mit Rudolfo Val<strong>en</strong>tino n<strong>en</strong>nt, w<strong>en</strong>n es um die Groß<strong>en</strong> <strong>de</strong>r Stummfi lmzeit<br />
geht, sie war schon früh eine »gefl eckte Frau«, wie sie im <strong>Buch</strong>e steht.<br />
Regisseur Cecil B. DeMille baute sie bei Paramount zur glamourösest<strong>en</strong><br />
Frau <strong>de</strong>r 1920er-Jahre auf. Schließlich wur<strong>de</strong> sie sogar zusamm<strong>en</strong> mit ihrem<br />
Leb<strong>en</strong>sgefährt<strong>en</strong> Joseph P. K<strong>en</strong>nedy (<strong>de</strong>m Begrün<strong>de</strong>r <strong>de</strong>s gleichnamig<strong>en</strong><br />
Clans und Vater von JFK, <strong>de</strong>m später<strong>en</strong> amerikanisch<strong>en</strong> Präsid<strong>en</strong>t<strong>en</strong>)<br />
Filmproduz<strong>en</strong>tin. In Billy Wil<strong>de</strong>rs »Boulevard <strong>de</strong>r Dämmerung« von<br />
1950 war trotz ihres Alters noch immer etwas von diesem Glamour zu<br />
spür<strong>en</strong>.<br />
Natürlich gibt es kein<strong>en</strong> Couturier, <strong>de</strong>r dies<strong>en</strong> Raubkatz<strong>en</strong>effekt<br />
nicht in Mo<strong>de</strong> umgewan<strong>de</strong>lt hätte und es in Abständ<strong>en</strong> immer wie<strong>de</strong>r<br />
tut. Roberto Cavalli sowieso, Dolce & Gabbana häufi g, Bal<strong>en</strong>ciaga 2010<br />
ganz aktuell. Der Leopard birgt ein Geheimnis, und was könnte Mo<strong>de</strong>macher<br />
mehr faszinier<strong>en</strong> als etwas Verborg<strong>en</strong>es? Unergründliche Faszination<br />
und Poesie sind es doch, die Mo<strong>de</strong>macher all<strong>en</strong> Frau<strong>en</strong> mit ihr<strong>en</strong><br />
<strong>Pretty</strong> W<strong>om</strong><strong>en</strong>
Mo<strong>de</strong>ll<strong>en</strong> verleih<strong>en</strong> woll<strong>en</strong>. Der Mythos <strong>de</strong>s Leopard<strong>en</strong> wur<strong>de</strong> immer<br />
schon von Geschicht<strong>en</strong>erzählern und Literat<strong>en</strong> weitergetrag<strong>en</strong>. So heißt<br />
es, dass Adam und Eva in einem L<strong>en</strong>d<strong>en</strong>schurz aus Leopard<strong>en</strong>fell aus <strong>de</strong>m<br />
Paradies vertrieb<strong>en</strong> wurd<strong>en</strong>. Der ägyptische Gott Osiris wur<strong>de</strong> im Leopard<strong>en</strong>fell<br />
abgebil<strong>de</strong>t. Was ein<strong>en</strong> Zusamm<strong>en</strong>hang ergibt, w<strong>en</strong>n Stanley<br />
Kubrick in seinem berühmt<strong>en</strong> Film »2001: Odyssee im Weltraum« die<br />
Vorzeitm<strong>en</strong>sch<strong>en</strong> in <strong>de</strong>r Eingangssz<strong>en</strong>e unter d<strong>en</strong> Kläng<strong>en</strong> von Richard<br />
Strauss’ »Also sprach Zarathustra« von einem Leopard<strong>en</strong> angreif<strong>en</strong> lässt.<br />
Itali<strong>en</strong>s berühmtester R<strong>om</strong>ancier T<strong>om</strong>asi di Lampedusa nannte seine<br />
Geschichte eines sizilianisch<strong>en</strong> Landa<strong>de</strong>lig<strong>en</strong> »Der Leopard« (berühmt<br />
von Visconti verfi lmt). Rudyard Kipling hat auf faszinier<strong>en</strong><strong>de</strong> Weise beschrieb<strong>en</strong>,<br />
wie <strong>de</strong>r Leopard sein Fell <strong>de</strong>m düster<strong>en</strong>, lichtdurchfl eckt<strong>en</strong><br />
Dschungel angepasst hat, und noch heute ist das Leopard<strong>en</strong>fell bei d<strong>en</strong><br />
Häuptling<strong>en</strong> im B<strong>en</strong>in das Zeich<strong>en</strong> <strong>de</strong>s Herrschers. Kein Wun<strong>de</strong>r, dass<br />
Mo<strong>de</strong>macher (und Frau<strong>en</strong>) – ohnedies mit fein<strong>en</strong> S<strong>en</strong>sori<strong>en</strong> ausgestattet<br />
– das mythologische Image <strong>de</strong>s Leopard<strong>en</strong> für sich nutz<strong>en</strong>.<br />
W<strong>en</strong>n Eva M<strong>en</strong><strong>de</strong>s auf <strong>de</strong>m rot<strong>en</strong> Teppich von Cannes in einem<br />
leopard<strong>en</strong>gemustert<strong>en</strong> Kleid winkt, gibt sie ein Signal: das Signal von<br />
Eleganz und Kraft, verbund<strong>en</strong> mit einem Hauch von Sün<strong>de</strong>, Verlockung<br />
und pot<strong>en</strong>tieller Gefahr. Sharon Stone klei<strong>de</strong>t sich eb<strong>en</strong>so gefl eckt wie<br />
Sophia Lor<strong>en</strong> o<strong>de</strong>r Ursula Andress und Na<strong>om</strong>i Campbell. Grace Jones<br />
scheint im Leo-Look, mit einem Fauch<strong>en</strong> auf<br />
d<strong>en</strong> Lipp<strong>en</strong> und gebleckt<strong>en</strong> Zähn<strong>en</strong>, auf die<br />
Welt gek<strong>om</strong>m<strong>en</strong> zu sein, eb<strong>en</strong>so wie Tina<br />
Turner (die es nur raffi nierter verbirgt). W<strong>en</strong>iger<br />
wil<strong>de</strong> Frau<strong>en</strong> woll<strong>en</strong> zumin<strong>de</strong>st ähnliche<br />
Illusion<strong>en</strong> erweck<strong>en</strong>. Es hat sich herum-<br />
Anita Ekberg<br />
151<br />
Eva M<strong>en</strong><strong>de</strong>s 2009<br />
bei d<strong>en</strong> Filmfestspiel<strong>en</strong><br />
in V<strong>en</strong>edig.<br />
Ihr Kleid gibt<br />
<strong>de</strong>utliche Signale.<br />
DOPPELSEITE<br />
Marilyn Monroe<br />
hat die Leopard<strong>en</strong>phaseübersprung<strong>en</strong><br />
– sie bevorzugt<br />
d<strong>en</strong> Zebra-Look.
152 <strong>Pretty</strong> W<strong>om</strong><strong>en</strong>
Anita Ekberg<br />
153
Ursula Andress<br />
brandgefährlich:<br />
Ob sie unter <strong>de</strong>m<br />
Leo-Mantel ihr<strong>en</strong><br />
Bond-Bikini trägt?<br />
Michelle Obama:<br />
Hinter einem<br />
mächtig<strong>en</strong> Mann<br />
steht immer eine<br />
»gefl eckte Frau«.<br />
154<br />
gesproch<strong>en</strong>: Mit »gefl eckt<strong>en</strong> Frau<strong>en</strong>« kann man nicht nur Pfer<strong>de</strong> stehl<strong>en</strong>,<br />
son<strong>de</strong>rn auch auf Großwildjagd geh<strong>en</strong>. D<strong>en</strong>n <strong>de</strong>r Leopard – nach Löwe,<br />
Tiger und Jaguar die viertgrößte Großkatze – gehört zu d<strong>en</strong> »Big Five«,<br />
d<strong>en</strong> fünf größt<strong>en</strong> Hauptattraktion<strong>en</strong> je<strong>de</strong>r Afrika-Safari.<br />
»Gefl eckte Frau<strong>en</strong>« sind oft perfekte Partnerinn<strong>en</strong> für (die selt<strong>en</strong>e Sorte)<br />
Männer, die wiss<strong>en</strong>, was sie woll<strong>en</strong>. Sie lieb<strong>en</strong> die Teamarbeit bei <strong>de</strong>r Jagd<br />
nach Erfolg und unterstütz<strong>en</strong> ihre Partner dabei. Sie trag<strong>en</strong> das Muster<br />
nicht aus Eitelkeit, son<strong>de</strong>rn sozusag<strong>en</strong> als off<strong>en</strong>es »Visier« (Soll keiner sag<strong>en</strong><br />
könn<strong>en</strong>, er hätte nicht gewusst, mit wem er es zu tun hat.) Sie lieg<strong>en</strong><br />
gern auf <strong>de</strong>r Lauer, sind Meisterinn<strong>en</strong> im Anschleich<strong>en</strong> und mach<strong>en</strong> gern<br />
große Sprünge. Mit Hilfe <strong>de</strong>r Mo<strong>de</strong> könn<strong>en</strong> sie zumin<strong>de</strong>st dies<strong>en</strong> Eindruck<br />
erweck<strong>en</strong>. Was davon wahr ist, muss je<strong>de</strong>r Jäger selbst herausfi nd<strong>en</strong>.<br />
Vorausgesetzt, er traut sich. Wer zögert, kann leicht zur Beute <strong>de</strong>r<br />
»Gefl eckt<strong>en</strong>« werd<strong>en</strong>.<br />
<strong>Pretty</strong> W<strong>om</strong><strong>en</strong><br />
»Gefleckte Frau<strong>en</strong>«<br />
lieg<strong>en</strong> gern<br />
auf <strong>de</strong>r Lauer, sind<br />
Meisterinn<strong>en</strong> im<br />
Anschleich<strong>en</strong> und<br />
mach<strong>en</strong> gern<br />
große Sprünge.«
Leo-Look<br />
155
Sarah Jessica Parker<br />
und Alexan<strong>de</strong>r<br />
McQue<strong>en</strong> – unübersehbar<br />
im Partner-<br />
Look.<br />
Lady Gaga liebte<br />
d<strong>en</strong> »Hooligan <strong>de</strong>r<br />
Mo<strong>de</strong>« und trat<br />
bevorzugt in sein<strong>en</strong><br />
Kreation<strong>en</strong> auf.<br />
GOOD BYE,<br />
BAD BOY<br />
Nachruf auf ein G<strong>en</strong>ie<br />
156<br />
Er hat so verrückt und skandalös begonn<strong>en</strong>, dass ihm niemand<br />
zugetraut hätte, jemals <strong>de</strong>r hoffnungsvollste Nachwuchs-Couturier<br />
<strong>de</strong>r Jahrhun<strong>de</strong>rtw<strong>en</strong><strong>de</strong> zu werd<strong>en</strong>. Dass Lady Gaga bevorzugt<br />
in Alexan<strong>de</strong>r-McQue<strong>en</strong>-Rob<strong>en</strong> auftritt, machte ihn mehr als interessant.<br />
Die <strong>en</strong>glische Presse musste d<strong>en</strong>noch hinnehm<strong>en</strong>, dass <strong>de</strong>r<br />
gelernte Schnei<strong>de</strong>r und Assist<strong>en</strong>t von R<strong>om</strong>eo Gigli in Mailand viermal<br />
zum <strong>en</strong>glisch<strong>en</strong> Designer <strong>de</strong>s Jahres gewählt wur<strong>de</strong>, und bezeichnete<br />
ihn weiterhin als »Hooligan <strong>de</strong>r Mo<strong>de</strong>«.<br />
Alexan<strong>de</strong>r McQue<strong>en</strong> war ein Shootingstar, <strong>de</strong>r Anfang 2010<br />
seinem Leb<strong>en</strong> selbst ein En<strong>de</strong> setzte, bevor er d<strong>en</strong> Z<strong>en</strong>it seiner Karriere<br />
erleb<strong>en</strong> konnte. Als er 1997 – selbst für Insi<strong>de</strong>r überrasch<strong>en</strong>d – zum<br />
Nachfolger von John Galliano bei Giv<strong>en</strong>chy wur<strong>de</strong>, hatte er bereits eine<br />
Verehrergemein<strong>de</strong> um sich geschart, die versuchte, seine skandalös<strong>en</strong><br />
Auftritte (er zeigte d<strong>en</strong> Besuchern einer seiner erst<strong>en</strong> Prêt-à-porter-<br />
Shows nach Abschluss keine freundliche Verbeugung, son<strong>de</strong>rn sein blankes<br />
Hinterteil) und Insz<strong>en</strong>ierung<strong>en</strong> vergess<strong>en</strong> zu mach<strong>en</strong>. Für die Medi<strong>en</strong><br />
blieb er »the <strong>de</strong>vilchild anarchist of fashion«. Ungerecht, d<strong>en</strong>n er<br />
folgte nur d<strong>en</strong> Gesetz<strong>en</strong> <strong>de</strong>r mo<strong>de</strong>rn<strong>en</strong> Medi<strong>en</strong>welt: Auffall<strong>en</strong> um jed<strong>en</strong><br />
Preis – d<strong>en</strong>n nur »bad news are good news«!<br />
Die Giv<strong>en</strong>chy-Ära ging bald zu En<strong>de</strong>, obwohl die Mo<strong>de</strong>lle durchaus<br />
charmant und tragbar war<strong>en</strong>, aber die Insz<strong>en</strong>ierung ihrer Präs<strong>en</strong>tation<br />
trug McQue<strong>en</strong> – nicht ganz zu Unrecht – d<strong>en</strong> Ruf <strong>de</strong>r Frau<strong>en</strong>feindlichkeit<br />
ein, d<strong>en</strong> er so schnell nicht mehr loswur<strong>de</strong>. Zuletzt war er unter<br />
<strong>de</strong>m Dach von Gucci auf <strong>de</strong>m allerbest<strong>en</strong> Weg, einer <strong>de</strong>r ganz groß<strong>en</strong><br />
Couturiers zu werd<strong>en</strong>. Es wäre sehr ungerecht, w<strong>en</strong>n er nur als Erfi n<strong>de</strong>r<br />
<strong>de</strong>r auf d<strong>en</strong> Hüft<strong>en</strong> sitz<strong>en</strong>d<strong>en</strong> Hos<strong>en</strong> (mit <strong>de</strong>m Zwickel in Nähe <strong>de</strong>r<br />
Knie) <strong>de</strong>r »Young Boys« in <strong>de</strong>r Erinnerung <strong>en</strong>tsetzter Großmütter bliebe.<br />
<strong>Pretty</strong> W<strong>om</strong><strong>en</strong>
Alexan<strong>de</strong>r McQue<strong>en</strong><br />
157
Shame and scandal<br />
in the family …<br />
aber das Hochzeitskleid<br />
war das<br />
e<strong>de</strong>lste seiner Zeit.<br />
Die Abdankungsurkun<strong>de</strong><br />
<strong>de</strong>s Königs<br />
und <strong>de</strong>r Briefumschlag<br />
seiner<br />
Heiratsanzeige.<br />
DER KÖNIG<br />
GEHT<br />
Skandalhochzeit im Hause Windsor<br />
Im Vergleich zu seinem Großonkel Eduard VIII. ist Prinz Charles ein<br />
Wais<strong>en</strong>knabe, was Skandale in Bezug auf Frau<strong>en</strong> betrifft. Der eine<br />
verzichtete aus Liebe zu einer zweimal geschied<strong>en</strong><strong>en</strong> Bürgerlich<strong>en</strong><br />
auf sein<strong>en</strong> Thron; <strong>de</strong>r an<strong>de</strong>re – Charles – wird ihn wohl (aus ähnlich<strong>en</strong><br />
Gründ<strong>en</strong>) nie besteig<strong>en</strong>, weil Mama böse ist. Dabei ist geg<strong>en</strong> Camilla bei<br />
weitem nicht so viel zu sag<strong>en</strong> wie seinerzeit geg<strong>en</strong> Wallis Simpson. Ihr<br />
Hochzeitskleid aber war v<strong>om</strong> Feinst<strong>en</strong>: Es stammte aus <strong>de</strong>m Atelier <strong>de</strong>s<br />
amerikanisch<strong>en</strong> Mo<strong>de</strong>schöpfers Main Rousseau Bocher, <strong>de</strong>r sich kurz<br />
Mainbocher nannte und in d<strong>en</strong> 1920er- und 1930er-Jahr<strong>en</strong> alles anzog,<br />
was Rang, Nam<strong>en</strong> und Geld hatte: Baronesse von Rothschild, Gloria Van<strong>de</strong>rbilt,<br />
Prinzessin Maria Cristina von Bourbon, Loretta Young, Frau Cole<br />
Porter, Clau<strong>de</strong>tte Colbert, um nur einige w<strong>en</strong>ige zu n<strong>en</strong>n<strong>en</strong>. Mainbocher<br />
fi el mit Korsetts und Wesp<strong>en</strong>taille auf, und er war <strong>de</strong>r Erste, <strong>de</strong>r Pelze<br />
einfärbte – Jahrzehnte, bevor es wie<strong>de</strong>r mo<strong>de</strong>rn wur<strong>de</strong>. Und er stattete<br />
diverse Broadway-Stücke aus, darunter die »Sound of<br />
Music«-Produktion (basier<strong>en</strong>d auf <strong>de</strong>r Geschichte <strong>de</strong>r<br />
Trappfamilie) und Laur<strong>en</strong> Bacall in »Applause«. Sein<strong>en</strong><br />
Nam<strong>en</strong> k<strong>en</strong>nt man heute jedoch wohl vor allem weg<strong>en</strong><br />
<strong>de</strong>s Klei<strong>de</strong>s zur Skandalhochzeit <strong>de</strong>s Jahrhun<strong>de</strong>rts: Ein<br />
König tritt zurück, weil er eine nicht stan<strong>de</strong>sgemäße Frau<br />
heirat<strong>en</strong> will. Nun war Prinz Eduard schon vorher kein<br />
Kind von Traurigkeit. Nach<strong>de</strong>m eine ursprünglich angedachte<br />
Heirat mit Olga, <strong>de</strong>r ältest<strong>en</strong> Tochter<br />
von Zar Nikolaus II., aufgrund <strong>de</strong>r Ermordung<br />
<strong>de</strong>r Zar<strong>en</strong>familie nicht mehr möglich war,<br />
mutierte <strong>de</strong>r Prinz in d<strong>en</strong> 1920er-Jahr<strong>en</strong> zum<br />
Salonlöw<strong>en</strong>, <strong>de</strong>ss<strong>en</strong> Vorliebe für erfahr<strong>en</strong>e<br />
Frau<strong>en</strong> kein Geheimnis und <strong>de</strong>ss<strong>en</strong> Affär<strong>en</strong>
Die Herzogin von Windsor<br />
159
160 <strong>Pretty</strong> W<strong>om</strong><strong>en</strong>
»Im Vergleich zu<br />
seinem Großonkel<br />
Eduard VIII.<br />
ist Prinz Charles<br />
ein Wais<strong>en</strong>knabe,<br />
was Skandale<br />
in Bezug auf<br />
Frau<strong>en</strong> betrifft.«<br />
Leg<strong>en</strong><strong>de</strong> war<strong>en</strong> (darunter mit <strong>de</strong>r Schauspielerin Mildred Harris, <strong>de</strong>r geschied<strong>en</strong><strong>en</strong><br />
Frau von Charly Chaplin). Und dann traf er auf die mit einem<br />
Millionär verheiratete Wallis Simpson (<strong>de</strong>r die Liaison mit <strong>de</strong>m Prinz<strong>en</strong><br />
dul<strong>de</strong>te, weil er hoffte, dadurch in d<strong>en</strong> A<strong>de</strong>lsstand erhob<strong>en</strong> zu werd<strong>en</strong>).<br />
Scotland Yard will herausgefund<strong>en</strong> hab<strong>en</strong>, dass sie sich währ<strong>en</strong>d <strong>de</strong>r Affäre<br />
mit <strong>de</strong>m Prinz<strong>en</strong> und zukünftig<strong>en</strong> König parallel mit einem Londoner<br />
Autohändler vergnügte. Inzwisch<strong>en</strong> starb Eduards Vater, und er<br />
wur<strong>de</strong> König Eduard VIII. Doch nichts konnte seine Heiratspläne mit <strong>de</strong>r<br />
liebestüchtig<strong>en</strong> Wallis aufhalt<strong>en</strong> – <strong>de</strong>r Gerüchte nachsag<strong>en</strong>, sie hätte in<br />
Singapur Liebespraktik<strong>en</strong> erlernt, von d<strong>en</strong><strong>en</strong> nicht nur Prinz<strong>en</strong> träum<strong>en</strong>.<br />
Da war nicht nur <strong>de</strong>r Hof nicht amüsiert, das hatte auch politische Folg<strong>en</strong>.<br />
Bis hin zur Abdankung und <strong>de</strong>m Verbot, England ohne Einladung seines<br />
Nachfolgers (<strong>de</strong>s Vaters von Königin Elisabeth II.) jemals wie<strong>de</strong>r zu betret<strong>en</strong>.<br />
Jetzt war Eduard kein König von England und auch kein Kaiser von<br />
Indi<strong>en</strong> mehr, son<strong>de</strong>rn nur mehr Herzog von Windsor. Mit hoher Abfi ndung<br />
ausgestattet, wur<strong>de</strong> am 3. Juni 1937 in einem Loire-Schloss in<br />
Frankreich geheiratet. Übrig<strong>en</strong>s, auch sein<strong>en</strong> Butler hat <strong>de</strong>r Herzog von<br />
Windsor in <strong>de</strong>r Folge verlor<strong>en</strong>: Der hat <strong>en</strong>trüstet gekündigt, als er mitanseh<strong>en</strong><br />
musste, dass »Seine Hoheit« <strong>de</strong>r Ehefrau die Zeh<strong>en</strong>nägel lackierte.<br />
Im Lauf <strong>de</strong>r Zeit kam<strong>en</strong> zahllose Skandale über sie ans Licht. Das FBI will<br />
sogar herausgefund<strong>en</strong> hab<strong>en</strong>, dass sie eine Affäre mit Hitlers Botschafter<br />
in London und <strong>de</strong>m später<strong>en</strong> Reichsauß<strong>en</strong>minister Joachim von Ribb<strong>en</strong>trop<br />
hatte. Was für eine Frau und was für eine Ehe.<br />
Die Herzogin von Windsor<br />
161<br />
Zwei, <strong>de</strong>r<strong>en</strong> Liebe<br />
Geschichte schrieb<br />
(und die Medi<strong>en</strong><br />
»fütterte«) – und<br />
trotz<strong>de</strong>m zerbrach.<br />
Wallis Simpson<br />
wusste sich perfekt<br />
zu insz<strong>en</strong>ier<strong>en</strong> – und<br />
gab ein Vermög<strong>en</strong><br />
für Klei<strong>de</strong>r aus.
SO<br />
VIEL KNIE …<br />
Wie Mary Quants Mini<br />
die Welt eroberte<br />
Mit Starmo<strong>de</strong>l<br />
Twiggy fi ng alles an.<br />
Zuerst fi el die<br />
Rocklänge und dann<br />
die alt<strong>en</strong> Zöpfe.<br />
Tina Turner: ohne<br />
Mini geht es nicht.<br />
Aus Frustration über die spießig<strong>en</strong> und ein<strong>en</strong>g<strong>en</strong>d<strong>en</strong> Vorschrift<strong>en</strong><br />
<strong>de</strong>r sog<strong>en</strong>annt<strong>en</strong> »Backfi schmo<strong>de</strong>« <strong>de</strong>r 1950er-Jahre griff<br />
Mary Quant zur Selbsthilfe: Sie hatte die Nase voll von Petticoats,<br />
Rüsch<strong>en</strong>blus<strong>en</strong> und Wesp<strong>en</strong>taille und nähte bequeme Hängerch<strong>en</strong>,<br />
die nicht zu Bus<strong>en</strong>- und Taill<strong>en</strong>wettbewerb<strong>en</strong> verführt<strong>en</strong>. 1955<br />
eröffnete sie zusamm<strong>en</strong> mit ihrem später<strong>en</strong> Ehemann ihre erste Boutique<br />
nam<strong>en</strong>s »Bazaar« in <strong>de</strong>r Londoner King’s Road, die in kürzester Zeit<br />
zu einem Jug<strong>en</strong>dtreff um d<strong>en</strong> neu<strong>en</strong>, erschwinglich<strong>en</strong> »Chelsea Look«<br />
wur<strong>de</strong>. Das Foto eines fl ott<strong>en</strong> Tupf<strong>en</strong>pyjamas mit Knickerbocker fand sein<strong>en</strong><br />
Weg in die geheiligt<strong>en</strong> Seit<strong>en</strong> von »Harper’s Bazaar« – und ab da gab<br />
es kein Halt<strong>en</strong> für Quant-Mo<strong>de</strong>lle mehr. Die Zeit war <strong>en</strong>dlich reif für d<strong>en</strong><br />
»Mini«, <strong>de</strong>r sein<strong>en</strong> Siegeszug um die Welt antrat und in d<strong>en</strong> Jahrzehnt<strong>en</strong><br />
danach immer wie<strong>de</strong>r zu neu<strong>en</strong> Höh<strong>en</strong>fl üg<strong>en</strong> ansetzte. (Schon 1964 erlebte<br />
er dann bei Courrèges auch Couturier-Ehr<strong>en</strong>.)<br />
Aber Mary Quant steht für sehr viel mehr als für sichtbare Knie.<br />
Sie war die Erste, die sich mit ihrem »Lolita Look« (auch das Wort Look<br />
kam mit Marys Gänseblümch<strong>en</strong>-Logo in die Welt und löste d<strong>en</strong> Begriff<br />
Stil ab) direkt an ein Publikum wandte, das w<strong>en</strong>ig Geld in d<strong>en</strong> Tasch<strong>en</strong><br />
hatte. Sie war es, die zum erst<strong>en</strong> Mal Material in die Mo<strong>de</strong> brachte, das<br />
bisher keine Verw<strong>en</strong>dung für Kleidung fand, man d<strong>en</strong>ke an ihr<strong>en</strong> berühmt<strong>en</strong><br />
PVC-Reg<strong>en</strong>mantel plus gleichfarbige Stiefel. Ihre Mini-Mo<strong>de</strong> revolutionierte<br />
die Wäsche- und Strumpfmo<strong>de</strong>. Mary Quant hab<strong>en</strong> wir die<br />
Erfi ndung <strong>de</strong>r Strumpfhose zu verdank<strong>en</strong>, die heute aus <strong>de</strong>m Leb<strong>en</strong> von<br />
Frau<strong>en</strong> jed<strong>en</strong> Alters nicht mehr wegzud<strong>en</strong>k<strong>en</strong> ist. Mit ihrer Mo<strong>de</strong> wur<strong>de</strong><br />
<strong>de</strong>r androgyne Frau<strong>en</strong>typ à la Twiggy – das Topmo<strong>de</strong>l wur<strong>de</strong> von <strong>de</strong>r<br />
Presse als »teuerste Bohn<strong>en</strong>stange <strong>de</strong>r Welt« geschmäht – zum Vorbild,<br />
und das ist bis heute so geblieb<strong>en</strong>. Quants Skizz<strong>en</strong> zeigt<strong>en</strong> nur<br />
Mo<strong>de</strong>lle mit Bubikopfhaarschnitt: Die Föhnfrisur war gebor<strong>en</strong>. Bei
Mini<br />
163
LINKS<br />
Lange Beine – kurze<br />
Beinch<strong>en</strong>: Mary-<br />
Quant-Mod<strong>en</strong>schau<br />
in London, mit<br />
Yorkshireterrier.<br />
RECHTS<br />
Mary Quant:<br />
Sie machte<br />
Mo<strong>de</strong>-Revolution<br />
und war ihr<br />
eig<strong>en</strong>es, überzeug<strong>en</strong><strong>de</strong>s<br />
Mo<strong>de</strong>l.<br />
164<br />
Mary Quants Mod<strong>en</strong>schau<strong>en</strong> (als Kin<strong>de</strong>rgehopse verhöhnt) dröhnte<br />
Beatmusik – und die 68er hatt<strong>en</strong> dazu <strong>en</strong>dlich etwas zum Anzieh<strong>en</strong>.<br />
Mary Quant hatte mit ihrer neu<strong>en</strong> Rocklänge nichts an<strong>de</strong>res getan,<br />
als d<strong>en</strong> berühmt<strong>en</strong> »Zeitgeist« erspürt: Die jung<strong>en</strong> Leute hatt<strong>en</strong> die<br />
Nase voll v<strong>om</strong> »Muff von 1000 Jahr<strong>en</strong> unter d<strong>en</strong> Talar<strong>en</strong>«, die Mädch<strong>en</strong><br />
verbrannt<strong>en</strong> ihre BHs, ließ<strong>en</strong> die Bikini-Oberteile weg und tat<strong>en</strong> auch<br />
sonst alles, um ihre bie<strong>de</strong>r<strong>en</strong> Erzeuger zu schock<strong>en</strong>. Und sie hört<strong>en</strong> die<br />
Songs, die heute zu »Oldies« geword<strong>en</strong> sind, damals aber alle Konservativ<strong>en</strong><br />
zur Weißglut bracht<strong>en</strong>. Währ<strong>en</strong>d die sich über Filme wie Ingmar<br />
Bergmans »Das Schweig<strong>en</strong>« o<strong>de</strong>r R<strong>om</strong>an Polanskis »Ekel« aufregt<strong>en</strong><br />
(aber zu Million<strong>en</strong> in die Kinos strömt<strong>en</strong>), macht<strong>en</strong> die Jung<strong>en</strong> Streif<strong>en</strong>,<br />
die die alt<strong>en</strong> Zöpfe abschnitt<strong>en</strong> – sei es nun Stanley Kubricks »Odyssee im<br />
Weltraum«, »Dr. Seltsam o<strong>de</strong>r: Wie ich lernte, die B<strong>om</strong>be zu lieb<strong>en</strong>« o<strong>de</strong>r<br />
»Blow Up« –, zu Kultfi lm<strong>en</strong>. Und überall war<strong>en</strong> die kurz<strong>en</strong> Röcke dabei.<br />
Bei d<strong>en</strong> Schön<strong>en</strong> und Reich<strong>en</strong>, die bei d<strong>en</strong> groß<strong>en</strong> Mo<strong>de</strong>machern einkauft<strong>en</strong><br />
eb<strong>en</strong>so wie bei d<strong>en</strong><strong>en</strong>, die ihre Klamott<strong>en</strong> in billig<strong>en</strong> Kaufhäusern<br />
<strong>Pretty</strong> W<strong>om</strong><strong>en</strong>
»Die jung<strong>en</strong><br />
Leute hatt<strong>en</strong><br />
die Nase voll<br />
v<strong>om</strong> ›Muff<br />
von 1000 Jahr<strong>en</strong><br />
unter d<strong>en</strong><br />
Talar<strong>en</strong>‹«.<br />
erwarb<strong>en</strong>. Pop war angesagt, weil Pop alles Überk<strong>om</strong>m<strong>en</strong>e infrage stellte,<br />
alle Eingr<strong>en</strong>zung<strong>en</strong> aufhob – sogar das berühmte »U« und »E«. Alle Tabus<br />
wollt<strong>en</strong> gebroch<strong>en</strong> sein. Nichts war zu kurz, zu knapp o<strong>de</strong>r zu gemustert.<br />
Je<strong>de</strong> Übertreibung war erlaubt – bis hin zu Mustern, die aussah<strong>en</strong> wie<br />
billige, abwaschbare Tischtücher o<strong>de</strong>r Küch<strong>en</strong>-Resopalplatt<strong>en</strong>.<br />
In dieser Zeit wollt<strong>en</strong> sich alle verkleid<strong>en</strong>, nur um nicht d<strong>en</strong> graumäusig<strong>en</strong><br />
und in ihr<strong>en</strong> Aug<strong>en</strong> verlog<strong>en</strong><strong>en</strong> Spießern zu gleich<strong>en</strong>, die ihre<br />
Erziehungsberechtigt<strong>en</strong> war<strong>en</strong> (die sich ums Wirtschaftswun<strong>de</strong>r kümmert<strong>en</strong><br />
und nicht bereit war<strong>en</strong>, über ihre dunkl<strong>en</strong> Geheimnisse <strong>de</strong>r Vergang<strong>en</strong>heit<br />
zu sprech<strong>en</strong>): Es gab d<strong>en</strong> China- und d<strong>en</strong> Russ<strong>en</strong>-Look, die aus<br />
<strong>de</strong>r Ökobewegung stamm<strong>en</strong><strong>de</strong> Patchwork-Mo<strong>de</strong>, Batik<strong>en</strong> und Stickerei<strong>en</strong>,<br />
Overalls, natürliche Fasern und selbstgestrickte Pullover (<strong>en</strong>g o<strong>de</strong>r<br />
im Schlabberlook) – alles war erlaubt, w<strong>en</strong>n es nur »an<strong>de</strong>rs« war. Aber an<br />
einem hielt<strong>en</strong> alle jung<strong>en</strong> (und nicht nur die) Frau<strong>en</strong> fest: am Mini.<br />
Im Winter 1970/71 dacht<strong>en</strong> nicht nur die Pariser Mo<strong>de</strong>macher,<br />
son<strong>de</strong>rn in <strong>de</strong>r Folge auch die Chefeinkäufer <strong>de</strong>r War<strong>en</strong>häuser, jetzt sei<br />
Schluss mit <strong>de</strong>m Mini. Es wur<strong>de</strong> wie<strong>de</strong>r knielang geor<strong>de</strong>rt. Aber schon im<br />
darauffolg<strong>en</strong>d<strong>en</strong> S<strong>om</strong>mer war<strong>en</strong> alle wie<strong>de</strong>r mit d<strong>en</strong> Minis unterwegs –<br />
egal was die Schlaumeier auf Lager gelegt hatt<strong>en</strong>.<br />
Erst 1974 setzte das Mo<strong>de</strong>diktat die Geg<strong>en</strong>bewegung – die Maxi-<br />
Mo<strong>de</strong> – durch. Frau folgte ihr, aber zögerlich und wi<strong>de</strong>rwillig: Sie machte<br />
sich <strong>de</strong>shalb kurz<strong>en</strong>tschloss<strong>en</strong> »ein<strong>en</strong> Schlitz ins (lange) Kleid und fand es<br />
(erst dann) wun<strong>de</strong>rbar«. Nun trug man zwar pfl ichtschuldigst Maxi, aber<br />
Mini<br />
165<br />
Der Mini ist in<br />
Paris angek<strong>om</strong>m<strong>en</strong>.<br />
Drei Mo<strong>de</strong>ls<br />
mit Rabanne-Gürteln<br />
– und einem<br />
Windhund.
Nicht je<strong>de</strong>m<br />
schmeichelt <strong>de</strong>r<br />
Mini: Elizabeth<br />
Taylor und Mia<br />
Farrow bei einer<br />
Drehpause.<br />
Eine Papierkleidch<strong>en</strong>-Revue<br />
von<br />
Paco Rabanne.<br />
Natürlich je<strong>de</strong>s v<strong>om</strong><br />
Meister signiert.<br />
166<br />
die Beine war<strong>en</strong> doch wie<strong>de</strong>r in voller Länge zu seh<strong>en</strong>. Und Hot Pants<br />
unter Maxi-Mänteln war<strong>en</strong> <strong>de</strong>r Hit.<br />
Die Mini-Mo<strong>de</strong> ist seither keine Frage <strong>de</strong>r Saison mehr – sie war<br />
und ist immer da. Bei d<strong>en</strong> groß<strong>en</strong> Designern und bei d<strong>en</strong> Mass<strong>en</strong>fertigern<br />
gleichermaß<strong>en</strong>. Vielleicht hab<strong>en</strong> wir Frau<strong>en</strong> diesem Phän<strong>om</strong><strong>en</strong> sogar<br />
zu verdank<strong>en</strong>, dass es inzwisch<strong>en</strong> möglich ist, je<strong>de</strong>rzeit je<strong>de</strong> Rocklänge<br />
zu trag<strong>en</strong> – sie ist so fl exibel geword<strong>en</strong>, dass man durch sie nicht<br />
mehr als »in« o<strong>de</strong>r »out« id<strong>en</strong>tifi ziert werd<strong>en</strong> kann. Allerdings birgt <strong>de</strong>r<br />
Mini eine Tücke: Nicht alle Frau<strong>en</strong> seh<strong>en</strong> aus wie Bond-Girls und hab<strong>en</strong><br />
Beine, die in d<strong>en</strong> Himmel wachs<strong>en</strong>. Kleine, gedrung<strong>en</strong>e Frau<strong>en</strong> mit Kurv<strong>en</strong><br />
seh<strong>en</strong> im Mini – mil<strong>de</strong> ausgedrückt – ein bissch<strong>en</strong> merkwürdig aus.<br />
Wer hätte gedacht, dass es irg<strong>en</strong><strong>de</strong>twas gibt, was einer schön<strong>en</strong> Frau wie<br />
Liz Taylor nicht steht? Der Mini hat es ans Licht gebracht. Das ist die<br />
Achillesferse von Mary Quants großartiger, stoffspar<strong>en</strong><strong>de</strong>r Erfi ndung: Sie<br />
ist nicht i<strong>de</strong>al für alle Frau<strong>en</strong>. Aber welche Mo<strong>de</strong> ist das schon?<br />
<strong>Pretty</strong> W<strong>om</strong><strong>en</strong>
Mini<br />
167
NINO GOES<br />
HOLLYWOOD<br />
Julias Rot ist zauberhaft<br />
Julia Roberts und<br />
Richard Gere<br />
verzaubert<strong>en</strong> in<br />
»<strong>Pretty</strong> W<strong>om</strong>an« die<br />
Welt.<br />
Die Männer war<strong>en</strong> bei ihrem Anblick hin und weg – und das<br />
hätte ganz sicher nicht einmal im Drehbuch steh<strong>en</strong> müss<strong>en</strong>.<br />
Nino Cerruti hat in »<strong>Pretty</strong> W<strong>om</strong>an« das bezaubern<strong>de</strong> Wes<strong>en</strong><br />
von Julia Roberts so sehr verinnerlicht, dass seine Klei<strong>de</strong>r wie kostbare<br />
Fassung<strong>en</strong> für ein<strong>en</strong> E<strong>de</strong>lstein wirk<strong>en</strong>. Die exquisit<strong>en</strong> Anzüge, die Richard<br />
Gere in diesem mo<strong>de</strong>rn<strong>en</strong> Hollywood-Klassiker trägt, stell<strong>en</strong> eine subtile<br />
modische Ergänzung dar. Gekonnt ist eb<strong>en</strong> gekonnt: d<strong>en</strong>n angefang<strong>en</strong><br />
hat alles mit Männermo<strong>de</strong>.<br />
Nino Cerruti, Erbe <strong>de</strong>r 1881 von seinem Großvater in<br />
<strong>de</strong>r L<strong>om</strong>bar<strong>de</strong>i gegrün<strong>de</strong>t<strong>en</strong> Textilfabrik, stellte 1967 eine<br />
erste Herr<strong>en</strong>mod<strong>en</strong>-Kollektion vor. Zehn Jahre später folgte<br />
die berühmte Dam<strong>en</strong>kollektion, <strong>de</strong>r<strong>en</strong> klassischer Stil und<br />
luxuriöses Material sofort zum Cerruti-Gütesiegel wurd<strong>en</strong>.<br />
Seine Stammkund<strong>en</strong> war<strong>en</strong> es auch, die Nino zum Film<br />
bracht<strong>en</strong>: Jean Paul Belmondo trug in »Die toll<strong>en</strong> Ab<strong>en</strong>teuer<br />
<strong>de</strong>s Monsieur L.« Cerruti-Anzüge. Der erfolgreiche Couturier<br />
zog Kathle<strong>en</strong> Turner in »Auf <strong>de</strong>r Jagd nach <strong>de</strong>m<br />
Juwel v<strong>om</strong> Nil« an und arbeitete für Faye Dunaway, Jack Nicholson<br />
in »Die Hex<strong>en</strong> von Eastwick«, D<strong>en</strong>zel Washington in »Phila<strong>de</strong>lphia«<br />
und T<strong>om</strong> Cruise in »Eyes Wi<strong>de</strong> Shut«. Kein Couturier<br />
stattete mehr Filme aus als Nino Cerruti – es war<strong>en</strong> insgesamt<br />
über 60. Wie humorvoll und uneitel er ist, zeigte sich spätest<strong>en</strong>s,<br />
als er auch die Verantwortung für die Kostüme <strong>de</strong>s satirisch<strong>en</strong><br />
Mo<strong>de</strong>welt-Films »Prêt-à-Porter« übernahm (worum<br />
sich alle an<strong>de</strong>r<strong>en</strong> Größ<strong>en</strong> gedrückt hatt<strong>en</strong> – zu gefährliches<br />
Pfl aster!). Und für die Hauptdarsteller von »Miami Vice« hat er<br />
d<strong>en</strong> Clou (und in <strong>de</strong>r Folge die Europäisierung <strong>de</strong>r amerikanisch<strong>en</strong><br />
Männermo<strong>de</strong>) geschaff<strong>en</strong>: Die Farb<strong>en</strong> dieser Serie war<strong>en</strong> stil-
ild<strong>en</strong>d, und je<strong>de</strong>r Mann, <strong>de</strong>r »in« sein wollte, trug ab sofort T-Shirt<br />
unterm Blazer und Schuhe ohne Sock<strong>en</strong>. Als das Geschäft <strong>de</strong>r »groß<strong>en</strong><br />
Mo<strong>de</strong>« immer k<strong>om</strong>plizierter und immer mehr von Konzern<strong>en</strong> beherrscht<br />
wur<strong>de</strong>, zog sich Nino aus <strong>de</strong>r Mo<strong>de</strong> zurück und widmete sich wie<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r<br />
Textilherstellung. Große Mo<strong>de</strong>häuser bezieh<strong>en</strong> Cerruti-Stoffe, unter an<strong>de</strong>rem<br />
auch Chanel. Nino Cerruti ist jedoch immer noch Gast bei d<strong>en</strong><br />
Präs<strong>en</strong>tation<strong>en</strong> <strong>de</strong>r Kollektion<strong>en</strong> die sein<strong>en</strong> Nam<strong>en</strong> trag<strong>en</strong>. Zusamm<strong>en</strong><br />
mit Sohn Julian (<strong>de</strong>r Name ist sicher kein Zufall!) in <strong>de</strong>r erst<strong>en</strong> Reihe. Der<br />
Platz, <strong>de</strong>r ihm zusteht.<br />
Julia Roberts<br />
169<br />
Lady in Red: Dieses<br />
Cerruti-Mo<strong>de</strong>ll ist<br />
eines <strong>de</strong>r schönst<strong>en</strong><br />
Klei<strong>de</strong>r in »<strong>Pretty</strong><br />
W<strong>om</strong>an«.
Eines <strong>de</strong>r schönst<strong>en</strong><br />
Pr<strong>om</strong>i-Hochzeitsklei<strong>de</strong>r<br />
aller Zeit<strong>en</strong> –<br />
das fast ins Wasser<br />
gefall<strong>en</strong> wäre.<br />
Wie gut, dass JFK<br />
und Jackie (an<br />
diesem Tag) nicht<br />
wusst<strong>en</strong>, was<br />
das Schicksal für sie<br />
bereithielt.<br />
AMERIKAS<br />
KÖNIGIN<br />
Jackie wird die<br />
First Lady <strong>de</strong>r Mo<strong>de</strong><br />
S<br />
o wur<strong>de</strong> Jacqueline K<strong>en</strong>nedy von Frank Sinatra g<strong>en</strong>annt. Ihre irisch<strong>en</strong><br />
Wurzeln mütterlicherseits macht<strong>en</strong> sie für d<strong>en</strong> K<strong>en</strong>nedy-<br />
Clan zur akzeptabl<strong>en</strong> Braut für JFK, d<strong>en</strong> politisch<strong>en</strong> Hoffnungsträger<br />
<strong>de</strong>r machtbewusst<strong>en</strong> Familie. Der väterliche französische Anteil in<br />
Jackies Wes<strong>en</strong> führte eher zu Reiberei<strong>en</strong> mit <strong>de</strong>r Familie <strong>de</strong>s Bräutigams.<br />
Nach einer Phase, währ<strong>en</strong>d <strong>de</strong>r<strong>en</strong> Jacqueline bevorzugt Dior,<br />
Giv<strong>en</strong>chy und Chanel trug, fand sie in Oleg Cassini jedoch ihr<strong>en</strong> I<strong>de</strong>al-<br />
Designer, <strong>de</strong>r auch Freund <strong>de</strong>r Familie war. Der aus <strong>de</strong>m russisch<strong>en</strong> Hocha<strong>de</strong>l<br />
stamm<strong>en</strong><strong>de</strong> Cassini war Enkel <strong>de</strong>s Zar<strong>en</strong>botschafters in Washington,<br />
hatte in Flor<strong>en</strong>z Kunst studiert und im Pariser Atelier von Jean Patou Entwürfe<br />
gezeichnet, bevor er nach Amerika ging und dort unter an<strong>de</strong>rem<br />
Assist<strong>en</strong>t von Hollywoods großer Kostüm<strong>de</strong>signerin Edith Head und<br />
Leb<strong>en</strong>sgefährte von Grace Kelly wur<strong>de</strong>. Oleg Cassini perfektionierte d<strong>en</strong><br />
von Paris vorgegeb<strong>en</strong><strong>en</strong> Stil <strong>de</strong>r 1960er-Jahre für Jackie K<strong>en</strong>nedy und<br />
begrün<strong>de</strong>te so ihr<strong>en</strong> weltberühmt<strong>en</strong> Look.<br />
Ein großer Schmerz für Oleg Cassini dürfte gewes<strong>en</strong> sein, dass<br />
ausgerechnet Jackies Hochzeitskleid auf Wunsch ihrer Mutter von einem<br />
an<strong>de</strong>r<strong>en</strong> Designer, g<strong>en</strong>auer gesagt einer Designerin, stammte: von <strong>de</strong>r<br />
Afroamerikanerin Ann Lowe, <strong>de</strong>r<strong>en</strong> Großeltern schon die Mo<strong>de</strong> für die<br />
reich<strong>en</strong> Südstaat<strong>en</strong>-Famili<strong>en</strong> kreiert hatt<strong>en</strong>. Selbst die Roosevelts und<br />
Rockefellers ließ<strong>en</strong> bei ihr arbeit<strong>en</strong>, sprach<strong>en</strong> aber <strong>de</strong>r Hautfarbe <strong>de</strong>r<br />
Mo<strong>de</strong>macherin weg<strong>en</strong> nicht off<strong>en</strong> darüber. Jackies Hochzeitskleid wäre<br />
in Ann Lowes Atelier aufgrund eines Rohrbruchs fast »ins Wasser gefall<strong>en</strong>«.<br />
Das erste Mo<strong>de</strong>ll wur<strong>de</strong> dadurch zerstört und in <strong>de</strong>r Rekordzeit von<br />
zehn Tag<strong>en</strong> von Ann Lowe rekonstruiert. Es gilt bis heute als eines <strong>de</strong>r<br />
schönst<strong>en</strong> Brautklei<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r Welt.<br />
170 <strong>Pretty</strong> W<strong>om</strong><strong>en</strong>
Jaqueline K<strong>en</strong>nedy<br />
171
Nicole Kidman<br />
in einem atemberaub<strong>en</strong>d<strong>en</strong><br />
Versace-<br />
Anzug, fotografi ert<br />
von Karl Lagerfeld.<br />
Grace Jones als<br />
May Day (wie<br />
pass<strong>en</strong>d) im<br />
Bond-Film »Im<br />
Angesicht <strong>de</strong>s<br />
To<strong>de</strong>s«.<br />
WILD<br />
THING …<br />
… you make my heart sing.<br />
Wer erinnert sich nicht an dies<strong>en</strong> Hit <strong>de</strong>r Troggs, <strong>de</strong>r unzählige<br />
Male gecovert wur<strong>de</strong>? Dieses »wil<strong>de</strong>« weibliche Wes<strong>en</strong>, das<br />
da besung<strong>en</strong> wur<strong>de</strong>, ging bestimmt in Lack o<strong>de</strong>r Le<strong>de</strong>r.<br />
D<strong>en</strong>n mit diesem Material – übrig<strong>en</strong>s <strong>de</strong>m ältest<strong>en</strong> <strong>de</strong>r Welt – verbin<strong>de</strong>t<br />
sich immer <strong>de</strong>r Gedanke an Wildheit, Leid<strong>en</strong>schaft und Unbezähmbarkeit.<br />
Immerhin – Vegetarier bitte weghör<strong>en</strong> – musste dafür immer ein<br />
Tier sterb<strong>en</strong>. W<strong>en</strong>n also Frau<strong>en</strong> Le<strong>de</strong>r trag<strong>en</strong>, signalisier<strong>en</strong> sie, dass sie<br />
furchtlose (vielleicht sogar gnad<strong>en</strong>lose?) Jägerinn<strong>en</strong> sind. Ein<br />
starker Roll<strong>en</strong>wechsel, <strong>de</strong>r seine Wirkung bei »richtig<strong>en</strong>«<br />
und ab<strong>en</strong>teuerlustig<strong>en</strong> Männern aber selt<strong>en</strong> verfehlt.<br />
Dies<strong>en</strong> Effekt hab<strong>en</strong> Mo<strong>de</strong>macher zu all<strong>en</strong> Zeit<strong>en</strong><br />
zu nutz<strong>en</strong> gewusst, egal, ob sie sich <strong>de</strong>r weiblich<strong>en</strong> Eleganz<br />
o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r Provokation in <strong>de</strong>r Mo<strong>de</strong> verschrieb<strong>en</strong> hab<strong>en</strong>.<br />
Ob Versace, Thierry Mugler, Alexan<strong>de</strong>r McQue<strong>en</strong> o<strong>de</strong>r<br />
Gaultier – ohne Le<strong>de</strong>r in all<strong>en</strong> Variant<strong>en</strong> kam und k<strong>om</strong>mt<br />
bis heute keiner aus.<br />
Einer <strong>de</strong>r größt<strong>en</strong> »Le<strong>de</strong>rmacher« in <strong>de</strong>r Mo<strong>de</strong><br />
ist <strong>de</strong>r Flor<strong>en</strong>tiner Designer Roberto Cavalli, <strong>de</strong>r in jung<strong>en</strong><br />
Jahr<strong>en</strong> für Pierre Cardin und Hermes gearbeitet<br />
hat. Cavalli interessierte sich schon früh für die technische<br />
Seite <strong>de</strong>r Mo<strong>de</strong>, zum Beispiel für Stoffdruck. Dieses<br />
Interesse ließ ihn 1970 eine Metho<strong>de</strong> <strong>en</strong>t<strong>de</strong>ck<strong>en</strong>, wie man<br />
Le<strong>de</strong>r bedruck<strong>en</strong> kann. Sie machte ihn eb<strong>en</strong>so berühmt wie<br />
sein Design. Noch im selb<strong>en</strong> Jahr zeigte er in Flor<strong>en</strong>z und Mailand<br />
seine erste Kollektion und eröffnete w<strong>en</strong>ig später in<br />
St. Tropez eine Boutique – Brigitte Bardot wur<strong>de</strong> eine seiner<br />
erst<strong>en</strong> Kundinn<strong>en</strong>. Cavalli <strong>en</strong>twarf mit die schönst<strong>en</strong> Tiermuster<br />
– 2007 war<strong>en</strong> sie bei seiner erst<strong>en</strong> H&M-Kollektion zu seh<strong>en</strong>
Lack und Le<strong>de</strong>r<br />
173
LINKS<br />
Brigitte Bardot 1968<br />
in London. Petticoat<br />
und Karos hat sie<br />
diesmal zu Hause<br />
gelass<strong>en</strong>.<br />
RECHTS<br />
Diana Rigg als<br />
Emma Peel in »Mit<br />
Schirm, Charme<br />
und Melone« – sie<br />
blieb das unerreichte<br />
Original.<br />
174<br />
und auch bei <strong>de</strong>r C<strong>om</strong>eback-Tour <strong>de</strong>r Spice Girls, die er ausstattete – aber<br />
geliebt wird er vor allem für seine gewagt<strong>en</strong> Kreation<strong>en</strong> aus Le<strong>de</strong>r, Fe<strong>de</strong>rn<br />
und Pelz. Cavalli-Mo<strong>de</strong>lle verkörpern Eleganz und Erotik mit<br />
einem gehörig<strong>en</strong> Schuss Exaltiertheit, was an sein<strong>en</strong> Lieblingskundinn<strong>en</strong><br />
Victoria Beckham, J<strong>en</strong>nifer Lopez und Christina Aguilera zu bewun<strong>de</strong>rn<br />
ist. Deshalb fand er auch in Laur<strong>en</strong> Weisbergers R<strong>om</strong>an »Der Teufel trägt<br />
Prada« Erwähnung.<br />
D<strong>en</strong>noch musste auch das Material Le<strong>de</strong>r in <strong>de</strong>r zweit<strong>en</strong> Hälfte<br />
<strong>de</strong>s vergang<strong>en</strong><strong>en</strong> Jahrhun<strong>de</strong>rts erst durch die Pr<strong>om</strong>otion-Maschinerie<br />
<strong>de</strong>r groß<strong>en</strong> Filmerfolge geh<strong>en</strong>, um beim weiblich<strong>en</strong> Publikum wirklich<br />
anzuk<strong>om</strong>m<strong>en</strong>, das Le<strong>de</strong>r auch in d<strong>en</strong> Nachkriegsjahr<strong>en</strong> noch lange ausschließlich<br />
<strong>de</strong>m männlich<strong>en</strong> Geschlecht zuordnete. Es war<strong>en</strong> futuristische<br />
Filme wie »Barbarella« mit Jane Fonda o<strong>de</strong>r die exaltiert<strong>en</strong> »Mit Schirm,<br />
Charme und Melone«-Ab<strong>en</strong>teuer mit Diana Rigg als Emma Peel, <strong>de</strong>r<strong>en</strong><br />
ungewöhnliche Le<strong>de</strong>rkreation<strong>en</strong> d<strong>en</strong> Material-Vorbehalt (<strong>de</strong>r vor allem<br />
in Europa vorherrschte – vielleicht aufgrund <strong>de</strong>s immer noch präs<strong>en</strong>t<strong>en</strong><br />
<strong>Pretty</strong> W<strong>om</strong><strong>en</strong>
»Es dauerte lange,<br />
bis Le<strong>de</strong>r sein<strong>en</strong><br />
etwas anrüchig<strong>en</strong><br />
Ruf verlor.«<br />
Kriegstraumas und bestimmter Uniform<strong>en</strong>) langsam aufl öst<strong>en</strong>. Es dauerte<br />
lange, bis Le<strong>de</strong>r sein<strong>en</strong> etwas anrüchig<strong>en</strong> Ruf verlor – zunächst war<strong>en</strong><br />
Le<strong>de</strong>rkreation<strong>en</strong> auch in normal<strong>en</strong> Film<strong>en</strong> immer noch an Frau<strong>en</strong>fi<br />
gur<strong>en</strong> zu seh<strong>en</strong>, die aus <strong>de</strong>m »Milieu« kam<strong>en</strong>, wie beispielsweise R<strong>om</strong>y<br />
Schnei<strong>de</strong>r in »Das Mädch<strong>en</strong> und <strong>de</strong>r K<strong>om</strong>missar« o<strong>de</strong>r etwas später die<br />
verschied<strong>en</strong>st<strong>en</strong> Bond-Girls, die zwar keine »Liz<strong>en</strong>z zum Töt<strong>en</strong>« hatt<strong>en</strong>,<br />
es aber doch tat<strong>en</strong>. Lackle<strong>de</strong>r brauchte am längst<strong>en</strong>, um sich aus <strong>de</strong>r<br />
schummrig<strong>en</strong> Zwielichtigkeit in d<strong>en</strong> Mo<strong>de</strong>-Alltag zu rett<strong>en</strong>. Dazu trug<strong>en</strong><br />
Rebellinn<strong>en</strong> wie Mary Quant und auch Vivi<strong>en</strong>ne Westwood nicht unwes<strong>en</strong>tlich<br />
bei, die auch le<strong>de</strong>rähnliches Kunststoffmaterial verw<strong>en</strong><strong>de</strong>t<strong>en</strong> und<br />
damit Skandal macht<strong>en</strong>.<br />
Heute könn<strong>en</strong> wir uns eine Grace Jones o<strong>de</strong>r auch Tina Turner<br />
ohne Le<strong>de</strong>r-Outfi ts – egal ob matt o<strong>de</strong>r lackiert – überhaupt nicht mehr<br />
vorstell<strong>en</strong>. Und niemand ist nachhaltig geschockt, w<strong>en</strong>n Jerry Hall Latex-<br />
Strumpfhos<strong>en</strong> trägt. Michelle Pfeiffer als »Catw<strong>om</strong>an« wur<strong>de</strong> von ganz<br />
normal<strong>en</strong> jung<strong>en</strong> Mädch<strong>en</strong> imitiert, und keine wäre auf die I<strong>de</strong>e gek<strong>om</strong>m<strong>en</strong>,<br />
sich <strong>de</strong>shalb als Motorradbraut zu seh<strong>en</strong>, wie es in d<strong>en</strong> 1950er-<br />
Jahr<strong>en</strong> noch <strong>de</strong>r Fall gewes<strong>en</strong> wäre. Im Geg<strong>en</strong>teil, die Le<strong>de</strong>rmo<strong>de</strong>lle, die<br />
Nicole Kidman, Whitney Houston o<strong>de</strong>r Angelina Jolie trag<strong>en</strong>, werd<strong>en</strong><br />
immer gewagter und mach<strong>en</strong> geleg<strong>en</strong>tlich sogar <strong>de</strong>utlich, dass wir in<br />
einer Zeit leb<strong>en</strong>, die ein<strong>en</strong> gewiss<strong>en</strong> Sado-Maso-Kick längst für gesellschaftsfähig<br />
erklärt hat. Mo<strong>de</strong> drückt eb<strong>en</strong> nach wie vor Zeitgeist aus. Ein<br />
weiblicher Gast <strong>de</strong>s Le<strong>de</strong>rhos<strong>en</strong> trag<strong>en</strong>d<strong>en</strong> Th<strong>om</strong>as Gottschalk macht<br />
Lack und Le<strong>de</strong>r<br />
175<br />
Uma Thurman<br />
in <strong>de</strong>r Rolle <strong>de</strong>r exaltiert<strong>en</strong><br />
<strong>en</strong>glisch<strong>en</strong><br />
Seri<strong>en</strong>heldin Emma<br />
Peel.
Michelle Pfeiff er als<br />
»Catw<strong>om</strong>an« – so<br />
gefährlich war sie<br />
noch in keiner Rolle<br />
zuvor.<br />
Links<br />
Thierry Mugler ist<br />
das schier unmögliche<br />
gelung<strong>en</strong>: eine<br />
Ab<strong>en</strong>drobe ganz aus<br />
Le<strong>de</strong>r.<br />
Rechts<br />
Ein fl auschiges<br />
Mo<strong>de</strong>ll aus <strong>de</strong>r<br />
Kollektion von<br />
Roberto Cavalli.<br />
176<br />
sich heute keine Gedank<strong>en</strong> mehr über ihr Image, w<strong>en</strong>n sie in Lackhos<strong>en</strong><br />
auf die Bühne k<strong>om</strong>mt.<br />
Die Zeit<strong>en</strong>, in d<strong>en</strong><strong>en</strong> Le<strong>de</strong>r ausschließlich mit Indianer-Kostümierung,<br />
Pilot<strong>en</strong>-Outfi t und Motorradsport in Verbindung gebracht wird,<br />
die sind vorbei. Le<strong>de</strong>r in all<strong>en</strong> Variant<strong>en</strong> – ob v<strong>om</strong> Kalb, Reh, Hirsch, Krokodil,<br />
Känguru, Strauß o<strong>de</strong>r von Fisch<strong>en</strong> o<strong>de</strong>r Schlang<strong>en</strong> – steht für Luxus<br />
(das vor allem) und Emanzipation. Starke Frau<strong>en</strong> trag<strong>en</strong> Le<strong>de</strong>r und auch<br />
solche, die es nicht sind, aber so erschein<strong>en</strong> woll<strong>en</strong>. Dank Cavalli ist Le<strong>de</strong>r<br />
heute bunt bedruckt, lackiert o<strong>de</strong>r aufgeraut. Le<strong>de</strong>r gibt es in all<strong>en</strong> Farb<strong>en</strong><br />
<strong>de</strong>r Mo<strong>de</strong>saison und wird längst mit all<strong>en</strong> Materiali<strong>en</strong> k<strong>om</strong>biniert.<br />
Le<strong>de</strong>r hat schon lange sein<strong>en</strong> Platz in d<strong>en</strong> Gürtel-, Tasch<strong>en</strong>- und Schuhregal<strong>en</strong><br />
verlass<strong>en</strong> und ist ein vollwertiges »Stoff«-Mitglied auf d<strong>en</strong> Zuschnei<strong>de</strong>tisch<strong>en</strong><br />
<strong>de</strong>r Couturiers geword<strong>en</strong>. Was im letzt<strong>en</strong> Jahrhun<strong>de</strong>rt<br />
exaltiert<strong>en</strong> Stars wie Marl<strong>en</strong>e Dietrich o<strong>de</strong>r an<strong>de</strong>r<strong>en</strong> weiblich<strong>en</strong> Tabubrecherinn<strong>en</strong><br />
vorbehalt<strong>en</strong> war, ist längst bei d<strong>en</strong> »normal<strong>en</strong>« mo<strong>de</strong>bewusst<strong>en</strong><br />
Frau<strong>en</strong> angek<strong>om</strong>m<strong>en</strong>. Und keine fl üchtet sich – wie bei d<strong>en</strong> Pelz<strong>en</strong> –<br />
in Imitation<strong>en</strong>. Lack und Le<strong>de</strong>r verkörpern das neue modische<br />
Statussymbol <strong>de</strong>r Weiblichkeit. Da könn<strong>en</strong> sich Vegetarier und Tierschützer<br />
auf d<strong>en</strong> Kopf stell<strong>en</strong>. Selbst Brigitte Bardot hat in Le<strong>de</strong>r gesündigt, als<br />
Mo<strong>de</strong> für sie noch ein z<strong>en</strong>trales Thema war.<br />
<strong>Pretty</strong> W<strong>om</strong><strong>en</strong>
Lack und Le<strong>de</strong>r<br />
177
CARY IM<br />
LIEBESRAUSCH<br />
Es ist nicht alles Gold,<br />
was glänzt<br />
Im Film musste es<br />
laut Drehbuch<br />
»funk<strong>en</strong>« – im echt<strong>en</strong><br />
Leb<strong>en</strong> war es längst<br />
vorbei.<br />
Backstage sprüht<strong>en</strong> die Funk<strong>en</strong>. D<strong>en</strong>noch: Der Film »Hausboot«<br />
aus <strong>de</strong>m Jahr 1958 machte Sophia Lor<strong>en</strong> auf ein<strong>en</strong> Schlag weltberühmt.<br />
Inklusive <strong>de</strong>s gold<strong>en</strong><strong>en</strong> Klei<strong>de</strong>s. Sie hatte zwar schon<br />
d<strong>en</strong> Hollywood-Film »Stolz und Leid<strong>en</strong>schaft« – eb<strong>en</strong>falls mit Cary Grant<br />
als Partner – gedreht, aber <strong>de</strong>r reichte nicht an d<strong>en</strong> Kass<strong>en</strong>erfolg von<br />
»Hausboot« heran. Dabei stand die Entstehung dieses Filmklassikers unter<br />
keinem gut<strong>en</strong> Stern – es heißt, alle Beteiligt<strong>en</strong> hätt<strong>en</strong> <strong>en</strong>orm unter<br />
<strong>de</strong>r angespannt<strong>en</strong> Atmosphäre bei d<strong>en</strong> Dreharbeit<strong>en</strong> gelitt<strong>en</strong>. Und dafür<br />
gab es ein<strong>en</strong> Grund: Grant und die Lor<strong>en</strong> hatt<strong>en</strong> währ<strong>en</strong>d <strong>de</strong>r Dreharbeit<strong>en</strong><br />
zu »Stolz und Leid<strong>en</strong>schaft« eine Affäre, die Cary Grant ernster nahm<br />
als die noch unbekannte Itali<strong>en</strong>erin. Er wollte die Sache »im Hausboot«<br />
wie<strong>de</strong>r aufwärm<strong>en</strong> – sie stand kurz vor <strong>de</strong>r zweit<strong>en</strong> (diesmal legal<strong>en</strong>)<br />
Eheschließung mit Carlo Ponti. Der Liebeswahn ihres Filmpartners<br />
machte die Lor<strong>en</strong> wüt<strong>en</strong>d und schlecht<br />
gelaunt. Erschwer<strong>en</strong>d kam hinzu, dass<br />
Grants Ehefrau Betsy Drake ursprünglich<br />
die weibliche Hauptrolle spiel<strong>en</strong><br />
sollte. Und von ihr wollte sich Grant<br />
nun weg<strong>en</strong> <strong>de</strong>r üppig<strong>en</strong> Itali<strong>en</strong>erin auch<br />
noch scheid<strong>en</strong> lass<strong>en</strong>. Eine emotionale<br />
Gem<strong>en</strong>gelage <strong>de</strong>r Son<strong>de</strong>rklasse.<br />
Der Film wur<strong>de</strong> nicht gera<strong>de</strong><br />
mit gut<strong>en</strong> Kritik<strong>en</strong> überschüttet, aber<br />
einige Kritiker lobt<strong>en</strong> die gute Laune<br />
<strong>de</strong>r Darsteller. Was unter dies<strong>en</strong> Umständ<strong>en</strong><br />
für <strong>de</strong>r<strong>en</strong> schauspielerische<br />
Qualität spricht. Wie die Lor<strong>en</strong> aus <strong>de</strong>m<br />
kitschig<strong>en</strong>, überlad<strong>en</strong><strong>en</strong> Goldkleid, das<br />
178 <strong>Pretty</strong> W<strong>om</strong><strong>en</strong>
ihr von <strong>de</strong>r eifersüchtig<strong>en</strong> Konkurr<strong>en</strong>tin im Rahm<strong>en</strong> <strong>de</strong>r Filmhandlung<br />
hinterlistig überlass<strong>en</strong> wur<strong>de</strong>, mit einig<strong>en</strong> temperam<strong>en</strong>tvoll<strong>en</strong> Handgriff<strong>en</strong><br />
ein Klassekleid macht, könnte dieser aufgelad<strong>en</strong><strong>en</strong> Stimmung am Set<br />
geschul<strong>de</strong>t sein. Auf jed<strong>en</strong> Fall ist es eine Sz<strong>en</strong>e, die sich in das Gedächtnis<br />
aller weiblich<strong>en</strong> Zuschauer eingeprägt hat.<br />
Die Lor<strong>en</strong> war und ist die letzte Diva aus <strong>de</strong>r »Vor-Fernsehzeit«,<br />
als Klei<strong>de</strong>r in Film<strong>en</strong> noch Mo<strong>de</strong>tr<strong>en</strong>ds auslöst<strong>en</strong> und d<strong>en</strong> Geschmack<br />
<strong>de</strong>r Frau<strong>en</strong> auf <strong>de</strong>r ganz<strong>en</strong> Welt beeinfl usst<strong>en</strong>.<br />
Sophia Lor<strong>en</strong><br />
179<br />
Sophia Lor<strong>en</strong> hatte<br />
alles im Griff – die<br />
Männer, aber<br />
auch das »Zuviel«<br />
am berühmt<strong>en</strong><br />
Goldkleid.
Jean-Paul Gaultier<br />
war <strong>de</strong>r erste<br />
Couturier, <strong>de</strong>r<br />
die Hungerhak<strong>en</strong><br />
v<strong>om</strong> Laufsteg<br />
verbannte.<br />
KÜSSCHEN,<br />
KÜSSCHEN<br />
Gaultier zeigt so viel »Frau« wie noch nie<br />
Er gilt gleichermaß<strong>en</strong> als verrückt wie charmant, er provoziert, ist<br />
aber niemals bösartig, und er hat es geschafft, dass »Untragbares«<br />
d<strong>en</strong>noch getrag<strong>en</strong> wird. Er brachte Mädch<strong>en</strong> und Frau<strong>en</strong><br />
dazu, <strong>en</strong>ge Röcke über Petticoats anzuzieh<strong>en</strong>, kreierte die erst<strong>en</strong> Ballonröcke<br />
und die Cocktailmo<strong>de</strong> <strong>de</strong>r 1990er-Jahre – Tütüröckch<strong>en</strong> zusamm<strong>en</strong><br />
mit grobklotzig<strong>en</strong> Schnürstiefeln zu trag<strong>en</strong>, geht eb<strong>en</strong>falls auf Jean-<br />
Paul Gaultier zurück. Mie<strong>de</strong>rmacher war<strong>en</strong> <strong>en</strong>tzückt, d<strong>en</strong>n er kehrte das<br />
Unterste zuoberst und schuf ein<strong>en</strong> neu<strong>en</strong> Bus<strong>en</strong>kult, <strong>de</strong>r in Madonnas<br />
Spitzbus<strong>en</strong> gipfelte.<br />
Seine erste Kollektion kam unter <strong>de</strong>m Motto »Und Gott erschuf<br />
d<strong>en</strong> M<strong>en</strong>sch<strong>en</strong>« auf d<strong>en</strong> Laufsteg: Er ließ Männer Röcke trag<strong>en</strong> – <strong>de</strong>r<br />
Mo<strong>de</strong>-Aufreger <strong>de</strong>r Saison –, erfand d<strong>en</strong> Rück<strong>en</strong>ausschnitt für die Herr<strong>en</strong>mo<strong>de</strong><br />
und druckte Schaltpläne auf T-Shirts. Seine Frau<strong>en</strong>mo<strong>de</strong> bestand<br />
aus Oberteil<strong>en</strong>, die nur eine Seite be<strong>de</strong>ckt<strong>en</strong>, die zweite bestand aus einem<br />
Mie<strong>de</strong>rteil. Er griff Folklorethem<strong>en</strong> auf und wickelte die Frau<strong>en</strong> in<br />
Mongol<strong>en</strong>mäntel o<strong>de</strong>r ließ nach Amazon<strong>en</strong>art ein<strong>en</strong> Bus<strong>en</strong> frei. Mit seinem<br />
Eau <strong>de</strong> Toilette in <strong>de</strong>r Konserv<strong>en</strong>dose überzeugte er sogar das bürgerliche<br />
Lager.<br />
Gaultier ist ein immerwähr<strong>en</strong><strong>de</strong>s Feuerwerk an Einfäll<strong>en</strong>. Sogar<br />
seine Autobiografi e war kein normales <strong>Buch</strong>, son<strong>de</strong>rn ein C<strong>om</strong>ic mit<br />
Sprechblas<strong>en</strong>. Aber einer seiner größt<strong>en</strong> PR-Coups war die I<strong>de</strong>e, aus <strong>de</strong>r<br />
Mo<strong>de</strong>welt ausgegr<strong>en</strong>zte M<strong>en</strong>sch<strong>en</strong> auf d<strong>en</strong> Laufsteg zu bring<strong>en</strong> – zum<br />
Beispiel mollige Mo<strong>de</strong>ls. Eines seiner erst<strong>en</strong> war Sophie Dahl, die Enkelin<br />
<strong>de</strong>s <strong>en</strong>glisch<strong>en</strong> Schriftstellers Roald Dahl, <strong>de</strong>r durch seine skurril<strong>en</strong> »Küssch<strong>en</strong>,<br />
Küssch<strong>en</strong>«-Geschicht<strong>en</strong> weltberühmt wur<strong>de</strong>. Und wie<strong>de</strong>r einmal<br />
war <strong>de</strong>r wasserstoffblon<strong>de</strong> Gaultier Auslöser für Bil<strong>de</strong>r und Berichte, die<br />
um die Welt ging<strong>en</strong>. Frau<strong>en</strong> mit Größe 40 und mehr dank<strong>en</strong> es ihm noch<br />
heute.<br />
180 <strong>Pretty</strong> W<strong>om</strong><strong>en</strong>
Jean-Paul Gaultier<br />
181
Kim Basinger in »9 ½<br />
Woch<strong>en</strong>«. Ein Film, in<br />
<strong>de</strong>m die Wäsche eine<br />
wes<strong>en</strong>tliche Rolle spielt …<br />
Dita Von Teese posiert<br />
im Won<strong>de</strong>rbra.<br />
LULLABY<br />
DER MODE<br />
Ausgezog<strong>en</strong> gut angezog<strong>en</strong><br />
Für Kostümbildner gibt es zwei ganz große Herausfor<strong>de</strong>rung<strong>en</strong>:<br />
die weiblich<strong>en</strong> Stars perfekt in unvergesslich<strong>en</strong> Ab<strong>en</strong>drob<strong>en</strong> zu<br />
insz<strong>en</strong>ier<strong>en</strong> und sie unnachahmlich »auszuzieh<strong>en</strong>«. Deshalb gibt<br />
es auch nicht eine große Diva <strong>de</strong>s letzt<strong>en</strong> Jahrhun<strong>de</strong>rts, die nicht – ganz<br />
unabhängig von Filmsz<strong>en</strong><strong>en</strong> – im Negligé, in Unterwäsche o<strong>de</strong>r im<br />
Ba<strong>de</strong>anzug posierte. Und wahrscheinlich gab es nur w<strong>en</strong>ige Situation<strong>en</strong>,<br />
die zu heftiger<strong>en</strong> Diskussion<strong>en</strong> über Material, Schnitt und Blickdurchlässigkeit<strong>en</strong><br />
zwisch<strong>en</strong> d<strong>en</strong> Kostümverantwortlich<strong>en</strong>, d<strong>en</strong> Stars und d<strong>en</strong><br />
Regisseur<strong>en</strong> führt<strong>en</strong>. Alle an <strong>de</strong>r Traumfabrik Hollywood Beteiligt<strong>en</strong><br />
– gestern wie heute – wiss<strong>en</strong> nur zu g<strong>en</strong>au: Nackt sein kann je<strong>de</strong>r,<br />
<strong>de</strong>r es sich leist<strong>en</strong> kann und mag. Aber die Vorstellung<br />
von Nacktheit in d<strong>en</strong> Köpf<strong>en</strong> <strong>de</strong>r Zuschauer<br />
k<strong>om</strong>mt nur zustan<strong>de</strong>, w<strong>en</strong>n <strong>de</strong>r Körper auf raffi -<br />
nierte Weise verhüllt ist. Dabei k<strong>om</strong>mt es nicht<br />
auf die Stoffm<strong>en</strong>ge an, son<strong>de</strong>rn auf die Art und<br />
Weise, wie sie eingesetzt wird.<br />
Zwisch<strong>en</strong> Hel<strong>en</strong> Rose (die das Brautkleid von<br />
Grace Kelly <strong>en</strong>twarf) und Liz Taylor scheint bei d<strong>en</strong> Film<strong>en</strong><br />
»Telefon Butterfi eld 8« und »Die Katze auf <strong>de</strong>m heiß<strong>en</strong> Blechdach«<br />
Übereinstimmung geherrscht zu hab<strong>en</strong>: Die Taylor bewegt<br />
sich in beid<strong>en</strong> Film<strong>en</strong> – trotz anstr<strong>en</strong>g<strong>en</strong><strong>de</strong>r Roll<strong>en</strong> – in Unterklei<strong>de</strong>rn<br />
so frei und ungehemmt, als sei das ihr Straß<strong>en</strong>-Outfi t.<br />
Das trifft auch auf Kim Basinger zu. Sie hat zwar für ihr Erotik-<br />
Drama »9½ Woch<strong>en</strong>« (<strong>de</strong>r Film wur<strong>de</strong> mit »Der letzte Tango von<br />
Paris« verglich<strong>en</strong> und kam daher zumin<strong>de</strong>st in d<strong>en</strong> USA sofort in<br />
die Schmud<strong>de</strong>l-Schubla<strong>de</strong>) Hollywoods Negativ-Preis »Die gold<strong>en</strong>e<br />
Himbeere« kassiert, aber an ihr<strong>en</strong> Dessous und ihrer Art sie<br />
zu trag<strong>en</strong> kann es, wie gesagt, nicht geleg<strong>en</strong> hab<strong>en</strong>.
Unterwäsche<br />
183
184 <strong>Pretty</strong> W<strong>om</strong><strong>en</strong>
»Schicke<br />
Dessous<br />
verberg<strong>en</strong><br />
überhaupt<br />
nichts.<br />
Und ist man<br />
<strong>en</strong>dlich am<br />
Ziel, ist es<br />
tabu.«<br />
Serge Gainsbourg<br />
Das Ehepaar Nicole Kidman und T<strong>om</strong> Cruise hat sich nach eig<strong>en</strong><strong>en</strong> Aussag<strong>en</strong><br />
in »Eyes Wi<strong>de</strong> Shut« auf sein größtes gemeinsames Berufsab<strong>en</strong>teuer<br />
eingelass<strong>en</strong>. Es war Stanley Kubricks letzter Film, d<strong>en</strong> er nach Arthur<br />
Schnitzlers »Traumnovelle« drehte und <strong>de</strong>m Kritiker vorwarf<strong>en</strong>, dass <strong>de</strong>r<br />
erotische Eifersuchts- und Untreue-Stoff die Übersetzung von <strong>de</strong>r<br />
schwül<strong>en</strong> Prü<strong>de</strong>rie <strong>de</strong>r Schnitzler-Ära ins New York <strong>de</strong>r Geg<strong>en</strong>wart nicht<br />
glaubhaft überstand<strong>en</strong> hätte. Die Macher <strong>de</strong>s Films bedankt<strong>en</strong> sich im<br />
Abspann bei hun<strong>de</strong>rt<strong>en</strong> von Person<strong>en</strong> und Institution<strong>en</strong> – bei Cerruti<br />
beispielsweise für die Ausstattung von T<strong>om</strong> Cruise und sogar bei Bang &<br />
Olufs<strong>en</strong>. Nur nicht bei <strong>de</strong>r Schweizer Unterwäsche-Firma Hanro, <strong>de</strong>r<strong>en</strong><br />
Mo<strong>de</strong>lle Nicole Kidman trug. (Vielleicht ahnt<strong>en</strong> die Filmleute, dass es<br />
eig<strong>en</strong>tlich umgekehrt sein müsste, d<strong>en</strong>n <strong>de</strong>r Film bescherte <strong>de</strong>r Firma<br />
<strong>en</strong>orme Umsatzzuwächse.) Für Dessous-K<strong>en</strong>ner und Liebhaber von erotischer<strong>en</strong><br />
Variant<strong>en</strong> so unverständlich wie auch die Tatsache, dass ausgerechnet<br />
eine Köchin (Sarah Wi<strong>en</strong>er) für die Werbung <strong>de</strong>r Wäschemarke<br />
Mey ausgewählt wur<strong>de</strong>. Damit sei nichts geg<strong>en</strong> die Köchin und ihre exzell<strong>en</strong>te<br />
Figur gesagt. Nur <strong>de</strong>r Glamour-Faktor hält sich eb<strong>en</strong> in Gr<strong>en</strong>z<strong>en</strong>.<br />
Da geh<strong>en</strong> die Lingerie-Spezialist<strong>en</strong> von »Ag<strong>en</strong>t Provocateur«<br />
schon progressiver vor: Ihre Vi<strong>de</strong>os, in d<strong>en</strong><strong>en</strong> sich Kylie Minogue, Dita<br />
Von Teese und Kate Moss in verführerisch<strong>en</strong> Mo<strong>de</strong>ll<strong>en</strong> räkeln o<strong>de</strong>r Bull<strong>en</strong><br />
reit<strong>en</strong>, verzeichn<strong>en</strong> im Internet aus gutem Grund Rekord-Klickzahl<strong>en</strong>.<br />
Zu »Ag<strong>en</strong>t Provocateur«-Kundinn<strong>en</strong> zähl<strong>en</strong> Paris Hilton, Christina Aguilera<br />
und – im richtig<strong>en</strong> Leb<strong>en</strong>, ganz im Geg<strong>en</strong>satz zu »Eyes Wi<strong>de</strong> Shut« –<br />
Unterwäsche<br />
185<br />
Linke Seite<br />
»Nobody is perfect!«<br />
heißt es in »Manche<br />
mög<strong>en</strong>ˇs heiß« .<br />
Marilyn ist damit<br />
nicht gemeint.<br />
Nicole Kidman löste<br />
ein<strong>en</strong> ungeahnt<strong>en</strong><br />
Run auf die Unterwäsche<br />
<strong>de</strong>r Firma<br />
Hanro aus.
Keine trug Seid<strong>en</strong>unterklei<strong>de</strong>r<br />
so<br />
lässig-elegant wie<br />
die Taylor. Hier in<br />
»Telefon Butterfi eld 8«.<br />
186<br />
Nicole Kidman. Was zur Folge hat, dass vor d<strong>en</strong> Läd<strong>en</strong> <strong>de</strong>r clever<strong>en</strong> Englän<strong>de</strong>r<br />
von London bis Moskau und Tokio ständig Paparazzi lauern, um<br />
Pr<strong>om</strong>is bei Intimeinkäuf<strong>en</strong> abzulicht<strong>en</strong>.<br />
Da war die Privatsphäre früherer Stars geschützter. Jean Harlow,<br />
Esther Williams und Jane Mansfi eld hätte man sicher eb<strong>en</strong>so w<strong>en</strong>ig beim<br />
Wäschekauf beobacht<strong>en</strong> könn<strong>en</strong> wie die Garbo o<strong>de</strong>r Marl<strong>en</strong>e Dietrich.<br />
Auch Gina Lollobrigida, die Lor<strong>en</strong> und die Monroe wurd<strong>en</strong> über Studios<br />
mit Mie<strong>de</strong>r- und BH-Spezialist<strong>en</strong> versorgt – und das schon lange vor <strong>de</strong>r<br />
Erfi ndung <strong>de</strong>r Push-ups, die sie alle drei nicht nötig hatt<strong>en</strong>. Ihre s<strong>en</strong>sationell<strong>en</strong><br />
Negligés – wie zum Beispiel das <strong>de</strong>r Lollo in »Happy End im September«<br />
o<strong>de</strong>r das von Marilyn in »Manche mög<strong>en</strong>’s heiß« ließ<strong>en</strong> sich die<br />
Kostümbildner selbst einfall<strong>en</strong>.<br />
Für die Frau<strong>en</strong>g<strong>en</strong>eration, die diese groß<strong>en</strong> Hollywood-Zeit<strong>en</strong><br />
noch Händch<strong>en</strong> halt<strong>en</strong>d im Kino (und nicht an einem verregnet<strong>en</strong> Woch<strong>en</strong><strong>en</strong><strong>de</strong><br />
aus <strong>de</strong>r Konserve) erlebt hat, ist diese neue Wäschebravheit,<br />
die unser eig<strong>en</strong>er Alltag ist, vollk<strong>om</strong>m<strong>en</strong> uninteressant. Sie schwärm<strong>en</strong><br />
von d<strong>en</strong> Zeit<strong>en</strong>, als die Div<strong>en</strong> ihre Lover in Wolk<strong>en</strong> von Tüll, Brüsseler<br />
Spitze, Batist, Sei<strong>de</strong> und Satin empfi ng<strong>en</strong>. Das war<strong>en</strong> perfekte Insz<strong>en</strong>ierung<strong>en</strong><br />
– bis hin zu d<strong>en</strong> Pantöffelch<strong>en</strong> –, bei d<strong>en</strong><strong>en</strong> je<strong>de</strong> Bewegung, je<strong>de</strong>s<br />
Rascheln <strong>de</strong>r Stoffe wohlüberlegt war. Damals ging es d<strong>en</strong> Regisseur<strong>en</strong><br />
<strong>de</strong>r Traumfabrik nicht um Sex, son<strong>de</strong>rn um die R<strong>om</strong>antik <strong>de</strong>r Liebe (davor).<br />
Dass es auch damals schon auf Sex hinauslief, war klar, aber es sollte<br />
<strong>Pretty</strong> W<strong>om</strong><strong>en</strong><br />
Wie wichtig<br />
Dessous sind,<br />
lässt sich an<br />
<strong>de</strong>r stetig<br />
wachs<strong>en</strong>d<strong>en</strong> Zahl<br />
von Mark<strong>en</strong>- und<br />
E<strong>de</strong>l-Lingeri<strong>en</strong><br />
und Erfindung<strong>en</strong><br />
wie <strong>de</strong>r <strong>de</strong>s<br />
»Won<strong>de</strong>rbra«<br />
ables<strong>en</strong>.
nur in d<strong>en</strong> Köpf<strong>en</strong> <strong>de</strong>r Zuschauerinn<strong>en</strong> stattfi nd<strong>en</strong>. Das funktionierte<br />
und funktioniert bis heute. Wie wichtig Dessous sind, lässt sich an <strong>de</strong>r<br />
stetig wachs<strong>en</strong>d<strong>en</strong> Zahl von Mark<strong>en</strong>- und E<strong>de</strong>l-Lingeri<strong>en</strong> und Erfi ndung<strong>en</strong><br />
wie <strong>de</strong>r <strong>de</strong>s »Won<strong>de</strong>rbra« ables<strong>en</strong>. Die »Grand Dame« <strong>de</strong>r Dessous-<br />
Kreation<strong>en</strong> ist ohne Zweifel Chantal Th<strong>om</strong>ass, die Dessous-Designerin<br />
<strong>de</strong>r Stars. Sie machte ihre kess<strong>en</strong> und frech<strong>en</strong> Mo<strong>de</strong>lle gesellschaftsfähig<br />
und lockte so je<strong>de</strong> M<strong>en</strong>ge Konkurr<strong>en</strong>z auf d<strong>en</strong> Plan: Calvin Klein mit<br />
sportlich-amerikanisch<strong>en</strong> Mo<strong>de</strong>ll<strong>en</strong>, Christian Lacroix mit sein<strong>en</strong> raffi -<br />
niert<strong>en</strong> Details, Dolce & Gabbana mit ihr<strong>en</strong> schmiegsam<strong>en</strong> Mo<strong>de</strong>ll<strong>en</strong>,<br />
die nicht auftrag<strong>en</strong> und zu d<strong>en</strong> haut<strong>en</strong>g<strong>en</strong> Klei<strong>de</strong>rn pass<strong>en</strong> wie »Körperhandschuhe«,<br />
die frech<strong>en</strong> französisch<strong>en</strong> Landsleute von Huit, die Kollektion<br />
<strong>de</strong>s Topmo<strong>de</strong>ls Elle Macpherson o<strong>de</strong>r K<strong>en</strong>zo mit d<strong>en</strong> dramatisch<strong>en</strong><br />
Schnitt<strong>en</strong> und gewagt<strong>en</strong> Farbk<strong>om</strong>bination<strong>en</strong>. Um nur einige zu n<strong>en</strong>n<strong>en</strong>.<br />
Und nicht zu vergess<strong>en</strong>: La Perla. Will Smith bringt diese Dessous-Marke<br />
sogar mit seiner (zweit<strong>en</strong>) lang<strong>en</strong> und gut<strong>en</strong> Ehe in Verbindung und sagt,<br />
sie sei nicht zuletzt auf La Perla zurückzuführ<strong>en</strong>. Damit steht wohl fest: Es<br />
ist äußerst wichtig, auch ausgezog<strong>en</strong> gut angezog<strong>en</strong> zu sein.<br />
Unterwäsche<br />
187<br />
Cosma Shiva Hag<strong>en</strong><br />
posiert für eine<br />
Kampagne <strong>de</strong>s<br />
Wäscheherstellers<br />
Mey.
»WORLD’S END«<br />
Provokation – <strong>de</strong>in Name ist<br />
Vivi<strong>en</strong>ne Westwood<br />
Vivi<strong>en</strong>ne ist in d<strong>en</strong><br />
Buckingham-Palast<br />
gelad<strong>en</strong>. Aber, aber,<br />
geht man wirklich so<br />
zur Königin?<br />
Vivi<strong>en</strong>ne und Na<strong>om</strong>i<br />
Campbell nach<br />
<strong>de</strong>m berühmt<strong>en</strong><br />
Stolperer mit d<strong>en</strong><br />
»turmhoh<strong>en</strong>«<br />
Plateaus.<br />
Diese Lady war nicht immer eine solche. Die brave Lehrerin<br />
musste erst in London d<strong>en</strong> Kunststud<strong>en</strong>t<strong>en</strong>, Begrün<strong>de</strong>r und<br />
Manager <strong>de</strong>r Band »Sex Pistols« k<strong>en</strong>n<strong>en</strong>lern<strong>en</strong>, <strong>de</strong>r zu <strong>en</strong>g<strong>en</strong><br />
Le<strong>de</strong>rhos<strong>en</strong> grün fl uoreszier<strong>en</strong><strong>de</strong> Dam<strong>en</strong>schuhe trug, um ihr eig<strong>en</strong>es<br />
Pot<strong>en</strong>tial an Unangepasstheit zu <strong>en</strong>t<strong>de</strong>ck<strong>en</strong>. Durch dies<strong>en</strong> leg<strong>en</strong>där<strong>en</strong>,<br />
im April 2010 verstorb<strong>en</strong><strong>en</strong> Malcolm McLar<strong>en</strong> wur<strong>de</strong> Vivi<strong>en</strong>ne Westwoods<br />
Tal<strong>en</strong>t zum »Schock<strong>en</strong>« geweckt. Sie fi ng an, für die gemeinsam<br />
gegrün<strong>de</strong>te Boutique zu <strong>en</strong>twerf<strong>en</strong> und zu näh<strong>en</strong>. In <strong>de</strong>m Lad<strong>en</strong> bil<strong>de</strong>te<br />
sich <strong>de</strong>r jeweilige Zeitgeist Jahr für Jahr in konz<strong>en</strong>trierter Form neu ab,<br />
was schon an d<strong>en</strong> Nam<strong>en</strong>, die über <strong>de</strong>r Hausnummer 430 stand<strong>en</strong>, abzules<strong>en</strong><br />
ist: von »Let it Rock at Paradise Garage« über »Too Fast to Live, Too<br />
Young to Die« (in Erinnerung an James Dean), bis hin zu »World’s End«.<br />
Natürlich stand<strong>en</strong> diese Nam<strong>en</strong> auch für jeweils an<strong>de</strong>re Mo<strong>de</strong>lle.<br />
Vivi<strong>en</strong>ne experim<strong>en</strong>tierte mit Reißverschlüss<strong>en</strong> (an Stell<strong>en</strong>, wo sie nicht<br />
hingehört<strong>en</strong>) und machte vor keiner Verrücktheit halt – ihr öff<strong>en</strong>tlicher<br />
Auftritt in einem rosa glänz<strong>en</strong>d<strong>en</strong> Latex-Unterkleid manifestierte ihre<br />
Linie <strong>en</strong>dgültig unter <strong>de</strong>m Stichwort »Punk«. Und nun schaut<strong>en</strong> auch die<br />
Etabliert<strong>en</strong> hin, kopfschüttelnd zwar, aber Vivi<strong>en</strong>ne war nicht mehr zu<br />
ignorier<strong>en</strong>.<br />
Ihre erste eig<strong>en</strong>e Kollektion stellte Vivi<strong>en</strong>ne Westwood jedoch<br />
erst Anfang <strong>de</strong>r 1980er-Jahre vor. Damit war sie nach Mary Quant die<br />
erste Englän<strong>de</strong>rin, die sich nach Paris wagte, sozusag<strong>en</strong> in die Höhle <strong>de</strong>r<br />
Mo<strong>de</strong>löw<strong>en</strong>. Büst<strong>en</strong>halter über T-Shirts getrag<strong>en</strong> – Skandal! Sie nahm<br />
Anleih<strong>en</strong> bei <strong>de</strong>r Mo<strong>de</strong> früherer Jahrhun<strong>de</strong>rte, erfand gefährlich hohe<br />
Schaukelpferd-Plateauschuhe (mit d<strong>en</strong><strong>en</strong> das Topmo<strong>de</strong>l Na<strong>om</strong>i Campbell<br />
auf <strong>de</strong>m Laufsteg pr<strong>om</strong>pt stolperte – weltweite PR!). Nur w<strong>en</strong>ige<br />
M<strong>en</strong>sch<strong>en</strong> hab<strong>en</strong> die Mo<strong>de</strong>welt mehr beschäftigt und beeinfl usst als<br />
die exz<strong>en</strong>trische Lady aus London.<br />
188 <strong>Pretty</strong> W<strong>om</strong><strong>en</strong>
Vivi<strong>en</strong>ne Westwood<br />
189
Humphrey Bogart:<br />
Mit diesem Bild ist<br />
er ins kollektive<br />
Gedächtnis aller<br />
Frau<strong>en</strong> eingegang<strong>en</strong>.<br />
Marl<strong>en</strong>e Dietrich<br />
war eine Burberry-<br />
Frau <strong>de</strong>r erst<strong>en</strong><br />
Stun<strong>de</strong> – so wie viele<br />
Stars.<br />
AS TIME<br />
GOES BY<br />
Ein Mann und (s)ein Mantel<br />
Casablanca«. Der erfolgreichste US-Liebesfi lm aller Zeit<strong>en</strong> ist<br />
natürlich zugleich viel mehr als das. Der Drehbuchprüfer<br />
schätzte d<strong>en</strong> Stoff als »anspruchsvoll<strong>en</strong> Kitsch« ein, was diej<strong>en</strong>ig<strong>en</strong><br />
heute gar nicht gerne hör<strong>en</strong>, die beim 25. Mal immer noch verstohl<strong>en</strong><br />
nach <strong>de</strong>m Tasch<strong>en</strong>tuch greif<strong>en</strong>. Es gibt eb<strong>en</strong> auch ein<strong>en</strong> Kitsch, <strong>de</strong>r<br />
keiner ist! Viele Dialogsätze wurd<strong>en</strong> zu unvergesslich<strong>en</strong> Zitat<strong>en</strong> – quer<br />
durch alle G<strong>en</strong>eration<strong>en</strong>. Was wäre das Leb<strong>en</strong> beispielsweise ohne die<br />
Hoffnung auf d<strong>en</strong> Beginn einer wun<strong>de</strong>rbar<strong>en</strong> Freundschaft? Sogar<br />
kleinste Details hab<strong>en</strong> sich viel<strong>en</strong> tief eingeprägt. K<strong>en</strong>ner wiss<strong>en</strong> eb<strong>en</strong>,<br />
dass Rick sich die Farbe <strong>de</strong>s Klei<strong>de</strong>s seiner Geliebt<strong>en</strong> am letzt<strong>en</strong> gemeinsam<strong>en</strong><br />
Tag in Paris gemerkt hat: »Die Deutsch<strong>en</strong> trug<strong>en</strong> Grau, und du<br />
trugst Blau!« Nach solch<strong>en</strong> Männern sehn<strong>en</strong> sich Frau<strong>en</strong> – mit solch<strong>en</strong><br />
Sätz<strong>en</strong> (und diesem unverwechselbar<strong>en</strong> Gesicht) wird man zum Star.<br />
Nicht auszud<strong>en</strong>k<strong>en</strong>, w<strong>en</strong>n Ronald Reagan diese Rolle bek<strong>om</strong>m<strong>en</strong> hätte<br />
(er war im Gespräch)!<br />
Und noch ein an<strong>de</strong>rer Star spielt in »Casablanca« eine bis heute<br />
unvergess<strong>en</strong>e Rolle: <strong>de</strong>r Tr<strong>en</strong>chcoat. Von Th<strong>om</strong>as Burberry für die Offi -<br />
ziere <strong>de</strong>r <strong>en</strong>glisch<strong>en</strong> Armee im Erst<strong>en</strong> Weltkrieg kreiert. Schütz<strong>en</strong>grab<strong>en</strong>tauglich,<br />
Wasser abweis<strong>en</strong>d und atmungsaktiv aufgrund <strong>de</strong>s Gabardine,<br />
eb<strong>en</strong>falls von Burberry erfund<strong>en</strong>. Material und Kreation wurd<strong>en</strong> zum<br />
erfolgreichst<strong>en</strong> Mark<strong>en</strong>kleidungsstück aller Zeit<strong>en</strong>: 1901 eröffnete<br />
Burberry sein<strong>en</strong> erst<strong>en</strong> Lad<strong>en</strong> in London, 1920 war er an <strong>de</strong>r<br />
Börse. Es begann ein Siegeszug um die ganze Welt und durch<br />
alle Gesellschaftsschicht<strong>en</strong>. Je<strong>de</strong>r männliche und weibliche<br />
Star hat in Film<strong>en</strong> und privat schon Tr<strong>en</strong>chcoat<br />
getrag<strong>en</strong>. Ohne dies<strong>en</strong> Mantel hätte <strong>de</strong>r Satz: »Ich<br />
seh dir in die Aug<strong>en</strong>, Kleines!« nur halb so viel<br />
Erinnerungswert.
Tr<strong>en</strong>chcoat<br />
191
Impressum<br />
Bildnachweis<br />
Deutsche Originalausgabe<br />
Copyright © 2010 von <strong>de</strong>m Knesebeck GmbH & Co. Verlag KG, Münch<strong>en</strong><br />
Ein Unternehm<strong>en</strong> <strong>de</strong>r La Martinière Groupe<br />
Gestaltungskonzept und Covergestaltung: Fabian Arnet, Knesebeck Verlag<br />
Gestaltung und Satz: Leonore Höfer, Knesebeck Verlag<br />
Lektorat: Dr. Reinhard Pietsch<br />
Lithografi e: Reproline Mediateam GmbH, Münch<strong>en</strong><br />
Druck: Tlacˇiarne BB, spol. s r. o.<br />
Printed in Slowak Republic<br />
Picture-Alliance S. 2 (dpa), 4 (KPA/TopFoto), 5 (akg-images), 6 (dpa), 7 (kpa), 8<br />
(dpa),12 (IMAGNO), 13 (akg-images/Erich Lessing), 14 (dpa), 15 (dpa), 16 (united archives),<br />
17 (akg-images), 18/19 (imagestate/HIP), 20 (Mary Evans Picture Library),<br />
21 (KPA/TopFoto), 23 (Photoshot), 24 (dpa), 25 (dpa), 26 (dpa), 27 l. (dpa), 27 M.<br />
(akg-images), 27 r. (dpa), 28 (KPA), 29 (dpa), 30 (dpa), 31 (dpa), 32/33 (akg-images/<br />
Paul Almasy), 34 (dpa), 35 (Mary Evans Picture Library/Pier Luigi), 36 (dpa), 37 (dpa),<br />
40 (KPA), 41, 42 (KPA), 43 (dpa), 44 (dpa), 45, 46 (akg-images), 47 (dpa), 48 (dpa),<br />
49 (SCHROEWIG/Graylock), 50 (united archives), 51 (united archives), 52 (Mary<br />
Evans Picture Library), 54 (KPA/TopFoto), 55 l., 55 r., 56/57, 58 (united archives), 59,<br />
60 (united archives), 61 (dpa), 62 (dpa), 63 (dpa), 64/65 (dpa), 66 (dpa), 67, 68<br />
(dpa), 69 (dpa), 72 (akg-images), 73, 74, 75 l., 75 r. (dpa), 76, 77, 79, 80 (/Picture<br />
Press/CAMERA PRESS/Stewart Mark), 81 (dpa), 82 (dpa), 83 l. (dpa), 83 r. (dpa), 84<br />
(dpa), 85 (dpa), 86 (dpa), 87 (dpa), 88/89 (dpa), 90, 91, 92 (akg-images), 93 (akgimages),<br />
94 (akg-images), 96 o. (dpa), 96 u. (KPA/TopFoto), 97 l. (IMAGNO/Schostal<br />
Archiv), 97 r. (akg-images), 98 (akg-images), 99 (dpa), 101 (dpa), 102 (dpa), 103<br />
(dpa), 104, 105, 106 (dpa), 107 (dpa), 110 l., 110 r. (dpa/epa), 112/113 (dpa), 115<br />
(KPA), 116 (Mary Evans Picture Library), 117 (Mary Evans Picture Library), 118 (KPA/<br />
TopFoto), 119 (dpa), 120 l. (dpa), 120 r. (dpa), 121 (KPA), 122 (maxppp), 123 (dpa),<br />
124 (dpa), 125 (dpa), 126 (dpa), 127 (KPA), 128 o. (dpa), 129, 130 (dpa), 131 (dpa),<br />
132/133 (united archives), 134 (dpa), 136 (Photoshot), 137, 138, 141 u. (dpa), 142<br />
(dpa), 143, 144 l. (dpa), 144 r. (dpa), 145 (dpa), 147 (dpa), 148 (dpa), 149 (Mary Evans<br />
Picture Library), 150 l. und r., 151 u. und o. (dpa), 152/153, 154 (dpa), 156 (dpa), 157<br />
(empics), 158 l. (Mary Evans Picture Library), 158 r. (Mary Evans Picture Library), 159<br />
(Mary Evans Picture Library), 160 (Mary Evans Picture Library), 161 (KPA/TopFoto),<br />
162 (Photoshot), 163 (dpa), 164 l. (empics), 164 r. (Photoshot), 165 (KPA/TopFoto),<br />
166 (KPA/TopFoto), 167 (Photoshot), 168 (Mary Evans Picture Library), 169, 170<br />
(united archives), 171 (united archives), 173 (dpa), 174 l. (dpa), 174 r. (Mary Evans Picture<br />
Library), 175 (dpa), 176 l. (dpa), 176 r. (dpa), 177 (KPA), 178 (Mary Evans Picture<br />
Library), 179 (Mary Evans Picture Library), 182 (dpa), 183 (KPA), 184 (Mary Evans Picture<br />
Library), 185 (Mary Evans Picture Library), 186, 187 (dpa, GABO/Mey), 188<br />
(empics), 189 (empics), 190 (akg-images), 191 (akg-images); Corbis S. 181; Actionpress<br />
S. 9, 53, 95, 100, 109, 128 u., 135, 139, 141 r.o., 155 ; laif S. 70, 71, 111, 135, 140;<br />
ullstein bild S. 108, 141 l.o., 172; Süd<strong>de</strong>utsche Zeitung Photo S. 38<br />
ISBN 978-3-86873-216-0<br />
Alle Rechte vorbehalt<strong>en</strong>, auch auszugsweise.<br />
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DIE SCHÖNSTEN<br />
KLEIDER – DIE BESTEN<br />
STORYS<br />
Viele Bil<strong>de</strong>r leg<strong>en</strong>därer Auftritte von Marl<strong>en</strong>e Dietrich bis Grace Kelly,<br />
von Madonna bis Lady Gaga hab<strong>en</strong> sich in unserem Gedächtnis unauslöschlich<br />
eingeprägt. Aber was steckt hinter dies<strong>en</strong> Bil<strong>de</strong>rn? Spann<strong>en</strong><strong>de</strong><br />
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Bil<strong>de</strong>r begleit<strong>en</strong> ihre rasant<strong>en</strong> Geschicht<strong>en</strong> über die Welt <strong>de</strong>r Schönheit<br />
und d<strong>en</strong> Glamour in <strong>de</strong>r Mo<strong>de</strong>.<br />
ISBN 978-3-86873-216-0<br />
www.knesebeck-verlag.<strong>de</strong>