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Margit Schönberger<br />

Katja Maybach<br />

KLEIDER FRAUEN<br />

STORYS<br />

W<strong>om</strong><strong>en</strong>


KLEIDER FRAUEN<br />

STORYS<br />

W<strong>om</strong><strong>en</strong>


Margit Schönberger<br />

Katja Maybach<br />

KLEIDER FRAUEN STORYS<br />

W<strong>om</strong><strong>en</strong><br />

KNESEBECK


INHALT<br />

8 | VORWORT<br />

12 | DAS ERSTE TOPMODEL<br />

Sisi – die ewig unvergess<strong>en</strong>e Kaiserin<br />

14 | BLICKDICHT<br />

YSL – <strong>de</strong>r König <strong>de</strong>s Hos<strong>en</strong>anzugs<br />

16 | CHIQUITA<br />

Wie die Baker die Banane berühmt machte<br />

20 | EVERGREEN<br />

Ein Blum<strong>en</strong>mädch<strong>en</strong> wird zur Lady<br />

22 | »THAT DRESS«<br />

Das bezaubern<strong>de</strong> Provisorium<br />

24 | BIG BANG DER MODE<br />

Im Land <strong>de</strong>r Kokosnüsse<br />

30 | VORDENKER DER MODE<br />

Rudi Gernreich –<br />

<strong>de</strong>r Barrikad<strong>en</strong>stürmer<br />

34 | »LA DOLCE VITA«<br />

und die Frage <strong>de</strong>r Statik<br />

36 | LIKE A VIRGIN?<br />

Nicht je<strong>de</strong> Madonna ist eine Heilige


38 | EDELBÄUERIN<br />

Marl<strong>en</strong>e und R<strong>om</strong>y einmal ganz an<strong>de</strong>rs<br />

40 | TUXEDO RAG<br />

Marl<strong>en</strong>e rauchte nicht – sie küsste<br />

46 | DER MODE-KLEMPNER<br />

»Klamott<strong>en</strong>« mit Hak<strong>en</strong> und Ös<strong>en</strong><br />

48 | MR. BIG HEIRATET<br />

Das Kleid, das alle Bräute woll<strong>en</strong><br />

50 | PRIMADONNA ASSOLUTA<br />

Die Callas – Königin <strong>de</strong>r Oper und <strong>de</strong>r Mo<strong>de</strong><br />

52 | HAPPY BIRTHDAY<br />

Eine Leg<strong>en</strong><strong>de</strong> nam<strong>en</strong>s Marilyn<br />

60 | DAS BLUTKOSTÜM<br />

Die Witwe trug Giv<strong>en</strong>chy<br />

62 | KAROMANIA. VERY BRITISH!<br />

Was die Que<strong>en</strong> und Col<strong>om</strong>bo<br />

gemeinsam hab<strong>en</strong><br />

66 | GEISHA-ROMANTIK<br />

Man<strong>de</strong>läugige Mo<strong>de</strong>grüße aus Fernost<br />

68 | GOLDEN BOYS<br />

Die Shootingstars <strong>de</strong>r Mo<strong>de</strong><br />

70 | HIMMLISCHE FEDERN<br />

Yves und Zizi Jeanmaire<br />

72 | FRÜHSTÜCK BEI TIFFANY<br />

Audrey – die schönste Frau <strong>de</strong>r Welt<br />

78 | REICHLICH DURCHBLICK<br />

Cher – die Frau, die abräumt<br />

80 | LADY DI – »HERZDAME«<br />

V<strong>om</strong> Schäfch<strong>en</strong>pulli-Mädch<strong>en</strong> zur Stil-Ikone<br />

86 | LUXUS IST –<br />

ein an<strong>de</strong>res Wort für Dior<br />

90 | FUNKELNDE NACKTHEIT<br />

So holte Marl<strong>en</strong>e die Sterne v<strong>om</strong> Himmel<br />

92 | RAUSCHENDE RÖCKE<br />

»V<strong>om</strong> Win<strong>de</strong> verweht« – für immer<br />

und ewig


94 | HOSENLADYS<br />

Skandalmo<strong>de</strong> – schlimmer als<br />

die Polizei erlaubt<br />

100 | EVA(S) KOSTÜM<br />

Trinkt Dita Champagner o<strong>de</strong>r Martini?<br />

102 | OPTISCHE TÄUSCHUNG<br />

Als die Bil<strong>de</strong>r eckig wurd<strong>en</strong><br />

104 | MAMAS LIEBLING<br />

Bettgefl üster on the Rock’s<br />

106 | TUPFEN, DIE DIE WELT BEWEGEN<br />

114 | EYES WIDE SHUT …<br />

Sharon Stone und <strong>de</strong>r »Basic Instinct«<br />

116 | DIE LIEBESGÖTTIN<br />

Als Rita (Hayworth) ihre Handschuhe auszog<br />

118 | HITCHCOCK MACHT MODE<br />

Wie Grace Kelly Monaco gerettet hat<br />

124 | HOT PANTS<br />

Das Gesicht <strong>de</strong>r Swinging Sixties<br />

126 | JENSEITS VON AFRIKA<br />

Ein Kontin<strong>en</strong>t macht Mo<strong>de</strong><br />

128 | FARBENRAUSCH<br />

Als wir Buntes buchstabier<strong>en</strong> lernt<strong>en</strong><br />

130 | MADEMOISELLE »JE T’AIME«<br />

BB – eine Frau wird Kult<br />

134 | DER KLEINE PRINZ – GANZ GROSS<br />

136 | ATEMLOS …<br />

… gestern, heute, morg<strong>en</strong><br />

142 | ACH DU LIEBER SCHWAN …<br />

Warum man die Dietrich nicht kopier<strong>en</strong> kann


144 | DIE KASCHMIR-QUEEN<br />

Jil San<strong>de</strong>r – die Minimalistin<br />

146 | SCHICKSALSKLEID<br />

Soraya – die Königin <strong>de</strong>r Trän<strong>en</strong><br />

148 | DIE GEFLECKTE FRAU<br />

Jagdsz<strong>en</strong><strong>en</strong> aus <strong>de</strong>m Großstadtdschungel<br />

156 | GOOD BYE, BAD BOY<br />

Nachruf auf ein G<strong>en</strong>ie<br />

158 | DER KÖNIG GEHT<br />

Skandalhochzeit im Hause Windsor<br />

162 | SO VIEL KNIE …<br />

Wie Mary Quants Mini die Welt eroberte<br />

168 | NINO GOES HOLLYWOOD<br />

Julias Rot ist zauberhaft<br />

170 | AMERIKAS KÖNIGIN<br />

Jackie wird die First Lady <strong>de</strong>r Mo<strong>de</strong><br />

172 | WILD THING …<br />

… you make my heart sing.<br />

178 | CARY IM LIEBESRAUSCH<br />

Es ist nicht alles Gold, was glänzt<br />

180 | KÜSSCHEN, KÜSSCHEN<br />

Gaultier zeigt so viel »Frau« wie noch nie<br />

182 | LULLABY DER MODE<br />

Ausgezog<strong>en</strong> gut angezog<strong>en</strong><br />

188 | »WORLD’S END«<br />

Provokation – <strong>de</strong>in Name ist<br />

Vivi<strong>en</strong>ne Westwood<br />

190 | AS TIME GOES BY<br />

Ein Mann und (s)ein Mantel


»KLEIDER<br />

MACHEN<br />

LEUTE«<br />

So überschrieb Gottfried Keller eine seiner bekanntest<strong>en</strong> Novell<strong>en</strong>,<br />

und natürlich hat er Recht mit <strong>de</strong>r darin <strong>en</strong>thalt<strong>en</strong><strong>en</strong> These,<br />

die dies<strong>en</strong> Titel bis heute zum gefl ügelt<strong>en</strong> Wort gemacht hat.<br />

Aber die Geschicht<strong>en</strong>, die hinter Klei<strong>de</strong>rn und ihr<strong>en</strong> g<strong>en</strong>ial<strong>en</strong> Schöpfern<br />

steck<strong>en</strong>, beweis<strong>en</strong>, dass es auch umgekehrt funktioniert. Wer zum richtig<strong>en</strong><br />

Zeitpunkt auf d<strong>en</strong> richtig<strong>en</strong> Mo<strong>de</strong>macher o<strong>de</strong>r Kostümbildner trifft<br />

und <strong>de</strong>ss<strong>en</strong> Kreation trägt, <strong>de</strong>ss<strong>en</strong> Schicksal kann sich abrupt verän<strong>de</strong>rn.<br />

Klei<strong>de</strong>r hab<strong>en</strong> Karrier<strong>en</strong> beför<strong>de</strong>rt, Eh<strong>en</strong> gestiftet und weltweite Tr<strong>en</strong>ds<br />

ausgelöst. Was wäre aus <strong>de</strong>m Smoking für Frau<strong>en</strong> geword<strong>en</strong>, w<strong>en</strong>n Marl<strong>en</strong>e<br />

Dietrich in »Marokko« ein Ab<strong>en</strong>dkleid getrag<strong>en</strong> hätte? O<strong>de</strong>r was<br />

aus <strong>de</strong>m Audrey-Hepburn-Look, w<strong>en</strong>n Billy Wil<strong>de</strong>r die »schönste Frau<br />

<strong>de</strong>r Welt« damals nicht zu Giv<strong>en</strong>chy nach Paris geschickt hätte? Sisi,<br />

die berühmte Kaiserin, wäre ohne Charles Fre<strong>de</strong>rick Worth nicht<br />

das erste Topmo<strong>de</strong>l und die Stilikone ihrer Zeit geword<strong>en</strong>. Sie<br />

interessierte sich eig<strong>en</strong>tlich nicht für Mo<strong>de</strong> und wäre ohne dies<strong>en</strong><br />

in Paris leb<strong>en</strong>d<strong>en</strong> Englän<strong>de</strong>r (und seine raffi niert<strong>en</strong> PR-<br />

Method<strong>en</strong>) nie zum modisch<strong>en</strong> Vorbild ihrer Zeit geword<strong>en</strong>.<br />

So wie 100 Jahre später Lady Di, die sogar mit einem harmlos<strong>en</strong><br />

Schäfch<strong>en</strong>pullover Furore machte.<br />

Was wär<strong>en</strong> all die herrlich<strong>en</strong> Filme und großartig<strong>en</strong> Schauspieler<br />

ohne die Kostümbildner, die ihn<strong>en</strong> mit Hilfe<br />

ihrer Entwürfe Glanz, Glamour und Unvergesslichkeit<br />

gesch<strong>en</strong>kt hab<strong>en</strong>? Und wie<br />

trist wäre die Welt ohne die groß<strong>en</strong><br />

Couturiers, die ihr mit ihr<strong>en</strong> Kreation<strong>en</strong> ein<br />

farbiges und modisches Gesicht verleih<strong>en</strong>? Mo<strong>de</strong> ist ein unverzichtbarer<br />

Teil unserer Kultur, so wie Literatur, Malerei, Musik und Architektur.<br />

Mo<strong>de</strong>schöpfer und Kostümbildner – oft sind sie bei<strong>de</strong>s –


sind s<strong>en</strong>sible Wes<strong>en</strong>, die in ihr<strong>en</strong><br />

Mo<strong>de</strong>ll<strong>en</strong> ausdrück<strong>en</strong>, wie die Welt <strong>de</strong>mnächst<br />

tickt und wie wir uns dabei kollektiv fühl<strong>en</strong>. Mary Quant hat<br />

mit ihrem Minirock und d<strong>en</strong> heiß<strong>en</strong> Hösch<strong>en</strong> nichts an<strong>de</strong>res getan als die<br />

Stud<strong>en</strong>t<strong>en</strong> damals auf d<strong>en</strong> Straß<strong>en</strong>: Sie hat alte Zöpfe abgeschnitt<strong>en</strong> und<br />

d<strong>en</strong> Gefühl<strong>en</strong> einer ganz<strong>en</strong> G<strong>en</strong>eration in Form einer Mo<strong>de</strong>revolution<br />

Luft gemacht.<br />

Ursprünglich wollt<strong>en</strong> wir ein <strong>Buch</strong> über die 100 berühmtest<strong>en</strong><br />

Klei<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r Welt mach<strong>en</strong>. Schon bald war klar, dass eine Eingr<strong>en</strong>zung<br />

auf eine so »kleine« Zahl unmöglich ist. Nun sind es viel mehr geword<strong>en</strong>,<br />

Klei<strong>de</strong>r und Kleidungsstücke, die alle aus ganz verschied<strong>en</strong><strong>en</strong> Gründ<strong>en</strong><br />

in unserem kollektiv<strong>en</strong> Gedächtnis verankert sind. Es sind auch unsere<br />

Lieblingsmo<strong>de</strong>lle, und wir verbind<strong>en</strong> mit all<strong>en</strong> positive Erinnerung<strong>en</strong><br />

an d<strong>en</strong> Aug<strong>en</strong>blick, als wir sie zum erst<strong>en</strong> Mal in einem Film, auf einem<br />

Foto o<strong>de</strong>r vielleicht sogar im real<strong>en</strong> Leb<strong>en</strong> geseh<strong>en</strong> hab<strong>en</strong>.<br />

Mo<strong>de</strong> ist nichts, das M<strong>en</strong>sch<strong>en</strong> einfach nur mitmach<strong>en</strong>, weil es<br />

gera<strong>de</strong> »in« ist. Klei<strong>de</strong>r strahl<strong>en</strong> faszinier<strong>en</strong><strong>de</strong> Signale aus, und im best<strong>en</strong><br />

Fall erfreut ihr Anblick und ihr Flair alle Sinne. Bestimmte Klei<strong>de</strong>r sind mit<br />

Schicksal<strong>en</strong> verbund<strong>en</strong> – <strong>de</strong>m <strong>de</strong>r Macher, <strong>de</strong>m <strong>de</strong>r Träger und <strong>de</strong>m <strong>de</strong>r<br />

Betrachter. Dieses <strong>Buch</strong> soll solche Erinnerungsm<strong>om</strong><strong>en</strong>te weck<strong>en</strong>.<br />

Vorwort<br />

9


KLEIDER FRAUEN STORYS


DAS ERSTE<br />

TOPMODEL<br />

Sisi – die ewig<br />

unvergess<strong>en</strong>e Kaiserin<br />

Die Kaiserin mit<br />

ihrem Hund<br />

Houseguard. Noch<br />

ganz konservativ<br />

in schwerem Samt.<br />

Sisi in duftiger,<br />

schimmern<strong>de</strong>r Robe,<br />

die auch zu Lady Di<br />

gepasst hätte.<br />

Mit ihr hat alles begonn<strong>en</strong>. Mit <strong>de</strong>r klein<strong>en</strong> Provinza<strong>de</strong>lig<strong>en</strong> aus<br />

Poss<strong>en</strong>hof<strong>en</strong> am Starnberger See. Es war Elisabeth nicht an<br />

<strong>de</strong>r Wiege gesung<strong>en</strong> word<strong>en</strong>, dass sie einmal Kaiserin von<br />

Österreich und Königin von Ungarn und Böhm<strong>en</strong> sein wür<strong>de</strong>. Und die<br />

erste Frau <strong>de</strong>r Geschichte, die zum international gefeiert<strong>en</strong> Medi<strong>en</strong>star<br />

avanciert. Das kleine, fast bäuerlich aufgewachs<strong>en</strong>e Mädch<strong>en</strong> aus Bayern<br />

wur<strong>de</strong> nicht nur zur berühmtest<strong>en</strong> Kaiserin aller Zeit<strong>en</strong>, zur märch<strong>en</strong>haft<strong>en</strong><br />

Vorlage für Film- und Bühn<strong>en</strong>regisseure auf <strong>de</strong>r ganz<strong>en</strong> Welt – »Sisi«<br />

war auch Europas erstes Topmo<strong>de</strong>l.<br />

1,72 Meter groß und nur 50 Kilogramm schwer, war sie im vorvorig<strong>en</strong><br />

Jahrhun<strong>de</strong>rt eine optische Ausnahmeerscheinung. Da sie das<br />

Wi<strong>en</strong>er Hofzeremoniell langweilte, widmete sie ihre Zeit fast ausschließlich<br />

<strong>de</strong>r Schönheitspfl ege. Allein das Frisier<strong>en</strong> ihres prachtvoll<strong>en</strong>, bod<strong>en</strong>lang<strong>en</strong><br />

Haares – das mit Ei und Cognac gewasch<strong>en</strong> wur<strong>de</strong> – beanspruchte<br />

jed<strong>en</strong> Tag viele Stund<strong>en</strong>. Eb<strong>en</strong>so das Einnäh<strong>en</strong> und wie<strong>de</strong>r Herauslös<strong>en</strong><br />

aus ihr<strong>en</strong> Klei<strong>de</strong>rn – <strong>de</strong>r Reißverschluss war noch nicht erfund<strong>en</strong>.<br />

Elisabeth war also in je<strong>de</strong>r Beziehung die i<strong>de</strong>ale Frau, um die<br />

Mo<strong>de</strong>lle <strong>de</strong>s erst<strong>en</strong> Mo<strong>de</strong>schöpfers <strong>de</strong>r Welt zu trag<strong>en</strong>. Er hieß Charles<br />

Fre<strong>de</strong>rick Worth und <strong>en</strong>twarf im Paris <strong>de</strong>r 1850er-Jahre Seid<strong>en</strong>klei<strong>de</strong>r, für<br />

die die Frau<strong>en</strong> <strong>de</strong>r Reich<strong>en</strong> und Superreich<strong>en</strong> bei ihm Schlange stand<strong>en</strong>.<br />

Er wollte jedoch mehr sein als <strong>de</strong>r Mo<strong>de</strong>könig Frankreichs. Und ersann<br />

die erste PR-I<strong>de</strong>e <strong>de</strong>r Mo<strong>de</strong>welt: Die Frau <strong>de</strong>s österreichisch<strong>en</strong> Botschafters<br />

in Paris erhielt seine Klei<strong>de</strong>r zum Nulltarif und machte mit ihrer modisch<strong>en</strong><br />

Extravaganz die Kaiserin in Wi<strong>en</strong> auf dies<strong>en</strong> erst<strong>en</strong> europäisch<strong>en</strong><br />

Mo<strong>de</strong>macher aufmerksam. Auf diese raffi nierte Weise gewann Worth<br />

die schöne Kaiserin <strong>de</strong>s k.u.k. Reiches als Kundin. Sie machte ihn weltberühmt.<br />

(Das extravagante und noch immer beliebte Worth-Parfüm »Je<br />

Revi<strong>en</strong>s« ist dieser Geburtsstun<strong>de</strong> <strong>de</strong>r Mo<strong>de</strong> gewidmet.)<br />

12 <strong>Pretty</strong> W<strong>om</strong><strong>en</strong>


Sisi<br />

13


BLICKDICHT<br />

YSL – <strong>de</strong>r König <strong>de</strong>s Hos<strong>en</strong>anzugs<br />

Eine Freundschaft<br />

fürs Leb<strong>en</strong>: die<br />

D<strong>en</strong>euve und YSL,<br />

<strong>de</strong>r Großmeister<br />

<strong>de</strong>r Mo<strong>de</strong>.<br />

Na<strong>om</strong>i Campbell,<br />

die YSL verdankt,<br />

dass sie auf<br />

die international<strong>en</strong><br />

Titelseit<strong>en</strong> kam.<br />

Er konnte es sich leist<strong>en</strong>, in <strong>de</strong>r Werbekampagne für sein Herr<strong>en</strong>parfüm<br />

splitternackt zu posier<strong>en</strong>. Das gab zwar ein<strong>en</strong> Skandal,<br />

aber auch das konnte sich Yves Saint Laur<strong>en</strong>t leist<strong>en</strong> – ja er war es<br />

sogar gewohnt. Er ist <strong>de</strong>r Mo<strong>de</strong>macher <strong>de</strong>s 20. Jahrhun<strong>de</strong>rts, <strong>de</strong>r »Revolutionär«,<br />

<strong>de</strong>r alle an<strong>de</strong>r<strong>en</strong> überragt und <strong>de</strong>r im wahrst<strong>en</strong> Sinne <strong>de</strong>s Wortes<br />

stilbild<strong>en</strong>d wirkte. Noch als Assist<strong>en</strong>t von Christian Dior erfand er das<br />

Trapezkleid, das die Frau<strong>en</strong> von <strong>de</strong>r Wesp<strong>en</strong>taille erlöste. Sein Mondrian-<br />

Kleid krönte die Pop-Art, sein Nu<strong>de</strong>-Look machte Skandal, er setze Jersey<br />

durch, als es noch von all<strong>en</strong> als Unterschicht<strong>en</strong>-Material abgelehnt wur<strong>de</strong>.<br />

Man könnte die Aufzählung seiner modisch<strong>en</strong> Innovation<strong>en</strong> <strong>en</strong>dlos fortsetz<strong>en</strong>.<br />

Seine größte Tat war wohl die Erfi ndung <strong>de</strong>s Hos<strong>en</strong>anzugs und<br />

<strong>de</strong>r Smoking-Look für Frau<strong>en</strong>, als man das Wort »androgyn« noch kaum<br />

buchstabier<strong>en</strong> konnte.<br />

Die »Looks«, die von YSL ausging<strong>en</strong>, kam<strong>en</strong> fast alle auch bei d<strong>en</strong><br />

Frau<strong>en</strong> an, die sich Haute Couture nicht leist<strong>en</strong> konnt<strong>en</strong>. Das traf für d<strong>en</strong><br />

»Schiwago«-Look mit seiner Midi-Länge und d<strong>en</strong> schafthoh<strong>en</strong> Stiefeln<br />

eb<strong>en</strong>so zu wie für d<strong>en</strong> Safari-Look und d<strong>en</strong> »E<strong>de</strong>lbäuerinn<strong>en</strong>«-Look. Sein<br />

»Opium« ist eb<strong>en</strong>so bekannt wie »Chanel Nr. 5«.<br />

Er war <strong>de</strong>r Erste, <strong>de</strong>r schwarze Mo<strong>de</strong>ls über d<strong>en</strong> Catwalk schickte<br />

und <strong>de</strong>r Zeitschrift, die Na<strong>om</strong>i Campbell weg<strong>en</strong> ihrer Hautfarbe nicht auf<br />

<strong>de</strong>r Titelseite abbild<strong>en</strong> wollte, erfolgreich mit Anzeig<strong>en</strong>-Stopp drohte. Er<br />

liebte und sammelte Kunst, und die Zimmer in seinem Schloss in Deauville<br />

trug<strong>en</strong> die Nam<strong>en</strong> <strong>de</strong>r Figur<strong>en</strong> aus Marcel Prousts R<strong>om</strong>an »Auf <strong>de</strong>r<br />

Suche nach <strong>de</strong>r verlor<strong>en</strong><strong>en</strong> Zeit«. Und er liebte seine Mus<strong>en</strong>, zu d<strong>en</strong><strong>en</strong><br />

auch Catherine D<strong>en</strong>euve gehörte. Die große französische Filmleg<strong>en</strong><strong>de</strong><br />

zählte zu sein<strong>en</strong> Freundinn<strong>en</strong>. Sie sang bei seiner Abschieds-Show ein<br />

Liebeslied. Stellvertret<strong>en</strong>d für alle Frau<strong>en</strong> <strong>de</strong>r Welt.<br />

14 <strong>Pretty</strong> W<strong>om</strong><strong>en</strong>


Yves Saint Laur<strong>en</strong>t 15


Zwei verwandte<br />

Seel<strong>en</strong>: Josephine<br />

Baker und ihr<br />

Gepard »Chiquita«.<br />

Die berühmteste<br />

»Glie<strong>de</strong>rpuppe«<br />

ihrer Zeit – und<br />

Bürgerschreck<br />

zugleich.<br />

CHIQUITA<br />

Wie die Baker die Banane<br />

berühmt machte<br />

Es ist fast eine Ironie <strong>de</strong>s Schicksals, dass Josephine Baker ausgerechnet<br />

mit einem Nichts von Banan<strong>en</strong>röckch<strong>en</strong> zur Liste <strong>de</strong>r<br />

berühmtest<strong>en</strong> »Klei<strong>de</strong>r« <strong>de</strong>r Welt beiträgt. D<strong>en</strong>n sie gehörte auf<br />

<strong>de</strong>r Höhe ihres Ruhmes zu d<strong>en</strong> extravagantest<strong>en</strong> und bestangezog<strong>en</strong><strong>en</strong><br />

Frau<strong>en</strong> <strong>de</strong>r Welt. Ihre Eleganz war leg<strong>en</strong>där. Mo<strong>de</strong>schöpfer überbot<strong>en</strong><br />

sich gera<strong>de</strong>zu darin, für sie zu <strong>en</strong>twerf<strong>en</strong>, Regisseure und Theaterfürst<strong>en</strong><br />

– wie Max Reinhardt – <strong>en</strong>tfl ammt<strong>en</strong> für sie, und das Publikum lag ihr<br />

zu Füß<strong>en</strong>. Die Baker war die berühmteste »Glie<strong>de</strong>rpuppe« <strong>de</strong>r damalig<strong>en</strong><br />

Zeit. Niemand konnte sich so g<strong>en</strong>ial verschling<strong>en</strong>, niemand konnte so<br />

fe<strong>de</strong>rnd tanz<strong>en</strong> und spring<strong>en</strong> wie sie, und niemand konnte mit einem so<br />

strahl<strong>en</strong>d<strong>en</strong> Gute-Laune-Lächeln verzaubern. Sie war <strong>de</strong>r erste große<br />

Showstar, <strong>de</strong>r zur Leg<strong>en</strong><strong>de</strong> wur<strong>de</strong>.<br />

Das Leb<strong>en</strong> <strong>de</strong>r Josephine Baker <strong>en</strong>thält so viel Glanz und El<strong>en</strong>d,<br />

dass es eig<strong>en</strong>tlich für 20 M<strong>en</strong>sch<strong>en</strong> gereicht hätte: Mit elf Jahr<strong>en</strong> überlebt<br />

sie in St. Louis/Missouri ein Pogr<strong>om</strong>, das sie zu einem zeitleb<strong>en</strong>s<br />

politisch d<strong>en</strong>k<strong>en</strong>d<strong>en</strong> M<strong>en</strong>sch<strong>en</strong> macht. Mit 13 wird sie von ihrer Mutter<br />

verheiratet, eine Ehe, aus <strong>de</strong>r sie lediglich ihr<strong>en</strong> Nam<strong>en</strong> mitnimmt. Als<br />

Aushilfstänzerin eines Tingeltangels k<strong>om</strong>mt sie an die Ostküste, wo sie,<br />

16-jährig, d<strong>en</strong> Sprung an d<strong>en</strong> Broadway schafft und zum erst<strong>en</strong> Mal auch<br />

als Sängerin begeistert. Von da an gibt es kein Halt<strong>en</strong> mehr. Die Baker<br />

k<strong>om</strong>mt über Europa wie ein Wirbelsturm. Es sind ihre wun<strong>de</strong>rbar<strong>en</strong><br />

Jahre, und sie weiß noch nicht, dass ein an<strong>de</strong>rer, aus Deutschland k<strong>om</strong>m<strong>en</strong><strong>de</strong>r<br />

»Sturm« auch ihr Leb<strong>en</strong> negativ beeinfl uss<strong>en</strong> wird. Noch gibt es<br />

je<strong>de</strong>s Jahr in Paris neue, immer aufw<strong>en</strong>digere Revu<strong>en</strong>, mit noch s<strong>en</strong>sationeller<strong>en</strong><br />

Kostüm<strong>en</strong>, die ihr<strong>en</strong> Ruhm ins Unermessliche steigern. 1930<br />

sch<strong>en</strong>kt ihr die Direktion <strong>de</strong>s Casino <strong>de</strong> Paris für eine Revue d<strong>en</strong> Gepard<strong>en</strong><br />

»Chiquita«, mit <strong>de</strong>m sie auch privat auf d<strong>en</strong> Boulevards fl aniert.<br />

Elegant und schön wie das Tier an ihrer Seite.


Josephine Baker<br />

17


18 <strong>Pretty</strong> W<strong>om</strong><strong>en</strong>


Anita Ekberg<br />

19


EVERGREEN<br />

Ein Blum<strong>en</strong>mädch<strong>en</strong><br />

wird zur Lady<br />

Hoff otograf Cecil<br />

Beaton wur<strong>de</strong> für<br />

diese Kostüme mit<br />

<strong>de</strong>m Oscar belohnt.<br />

Audrey Hepburn<br />

war unumstritt<strong>en</strong><br />

die schönste Eliza<br />

aller Zeit<strong>en</strong>.<br />

My Fair Lady« ist wahrscheinlich das erfolgreichste Musical aller<br />

Zeit<strong>en</strong>. Basier<strong>en</strong>d auf <strong>de</strong>m »Pygmalion«-Stoff von George<br />

Bernhard Shaw kam es aufgrund von Erbstreiterei<strong>en</strong> erst viele<br />

Jahre später, 1956, in New York mit Julie Andrews und Rex Harrison in<br />

d<strong>en</strong> Hauptroll<strong>en</strong> auf die Bühne. Das <strong>de</strong>utschsprachige Publikum kam erst<br />

1961 in d<strong>en</strong> G<strong>en</strong>uss dieser Verwandlungsgeschichte – die <strong>de</strong>utsch<strong>en</strong><br />

Stars war<strong>en</strong> Karin Hübner und Paul Hubschmid. Aber auf welcher Bühne<br />

auch immer »My Fair Lady« zur Aufführung kam – es lief überall jahrelang,<br />

und überall erfüllt<strong>en</strong> sich für die Kostümbildner Berufsträume.<br />

D<strong>en</strong> ganz groß<strong>en</strong> Durchbruch beim international<strong>en</strong> Publikum<br />

erreichte jedoch erst die Filmversion von 1965. Von Anfang an stand<br />

Audrey Hepburn als Eliza fest (bei ihrer Absage hätte man Elizabeth Taylor<br />

gefragt); als ihr<strong>en</strong> Partner hatte die Produktion Cary Grant im Auge,<br />

<strong>de</strong>r d<strong>en</strong> Stoff jedoch nicht mochte, weshalb man auf Rex Harrison zurückgriff.<br />

Die Verfi lmung heimste acht Oscars ein und zahlreiche N<strong>om</strong>inierung<strong>en</strong><br />

– nur Audrey Hepburn ging ausnahmsweise leer aus.<br />

Dafür konnte sich Starfotograf und Kostüm<strong>de</strong>signer Cecil Beaton<br />

freu<strong>en</strong>: Er war jetzt nicht nur <strong>en</strong>glischer Hoffotograf und Lieblingsporträtfotograf<br />

von Weltstars wie Gary Cooper, Marl<strong>en</strong>e Dietrich, Orson<br />

Welles, Audrey Hepburn, aber auch Coco Chanel – jetzt war er durch d<strong>en</strong><br />

Oscar für die »My Fair Lady«-Kostüme auch in d<strong>en</strong> fi lmisch<strong>en</strong> A<strong>de</strong>lsstand<br />

erhob<strong>en</strong>. Er arbeitete außer<strong>de</strong>m für die wichtigst<strong>en</strong> Hochglanzblätter<br />

seiner Zeit – seine Fotoreportag<strong>en</strong> führt<strong>en</strong> ihn um d<strong>en</strong> halb<strong>en</strong> Erdball.<br />

Aber nirg<strong>en</strong>ds scheint er Schöneres geseh<strong>en</strong> zu hab<strong>en</strong> als Audrey Hepburn<br />

(in sein<strong>en</strong> Kostüm<strong>en</strong>). Er bezeichnete sie in einem »Vogue«-Artikel<br />

als neues I<strong>de</strong>al <strong>de</strong>r Feminität. Sicher ist: Allein für das traumhafte weißschwarze<br />

Kleid mit Hut hätte er d<strong>en</strong> Oscar verdi<strong>en</strong>t.<br />

20 <strong>Pretty</strong> W<strong>om</strong><strong>en</strong>


Audrey Hepburn<br />

21


Hugh Grant und<br />

Liz Hurley bei <strong>de</strong>r<br />

»Notting Hill«-<br />

Premiere: Das Bild<br />

ging um die Welt.<br />

»THAT<br />

DRESS«<br />

Das bezaubern<strong>de</strong> Provisorium<br />

22<br />

Ein Kleid mit Sicherheitsna<strong>de</strong>ln zusamm<strong>en</strong>zuhalt<strong>en</strong> – das hat<br />

Gianni Versace sicher nicht bei seiner Mutter gelernt (bei <strong>de</strong>r er<br />

eine Schnei<strong>de</strong>rlehre absolvierte, bevor er für ihr<strong>en</strong> Betrieb Stoffeinkäufer<br />

und später Couturier wur<strong>de</strong>). Als er – schon längst ein anerkanntes<br />

G<strong>en</strong>ie in <strong>de</strong>r Hall of Fame <strong>de</strong>r Mo<strong>de</strong> – dieses »perfekte Provisorium«<br />

kreierte, war ihm sicher klar, dass es in aller Mun<strong>de</strong> sein wür<strong>de</strong>.<br />

Lästermäuler sag<strong>en</strong> jedoch, dass dieses Kleid seine Trägerin, Liz Hurley,<br />

von einer drittklassig<strong>en</strong> Freundin <strong>de</strong>s britisch<strong>en</strong> Charmebolz<strong>en</strong>s Hugh<br />

Grant zu einer zweitklassig<strong>en</strong> Schauspielerin beför<strong>de</strong>rte. Sicher ist, dass<br />

Liz Hurley seit ihrem Auftritt in »that dress« bei <strong>de</strong>r Premier<strong>en</strong>feier <strong>de</strong>s<br />

Films »Notting Hill« zur meistfotografi ert<strong>en</strong> Frau <strong>de</strong>r Welt wur<strong>de</strong>. Wie<strong>de</strong>rum<br />

an<strong>de</strong>re sind sich sicher, dass dieses Kleid nur von Glück und Gold<br />

zusamm<strong>en</strong>gehalt<strong>en</strong> werd<strong>en</strong> kann. Wie auch immer, die schöne Frau hat<br />

auch ohne Sicherheitsna<strong>de</strong>ln einige beachtliche Erfolge aufzuweis<strong>en</strong>.<br />

Für Gianni Versace und sein Imperium war »that dress« lediglich<br />

ein Höhepunkt von viel<strong>en</strong>. Die größt<strong>en</strong> Stars <strong>de</strong>r Welt, egal ob männlich<br />

o<strong>de</strong>r weiblich, riss<strong>en</strong> sich schon vorher darum, für seine Kollektion<strong>en</strong> auf<br />

d<strong>en</strong> Laufsteg zu geh<strong>en</strong> (von Madonna über Bon Jovi bis Demi Moore)<br />

und die Mo<strong>de</strong> ihres Freun<strong>de</strong>s zu trag<strong>en</strong> (von Michael Jackson über Sting<br />

bis zu Elton John).<br />

Kein Couturier arbeitete vor ihm mit gewagterem Material-Mix,<br />

wie zum Beispiel Sei<strong>de</strong> mit Jute o<strong>de</strong>r Le<strong>de</strong>r mit Crêpe <strong>de</strong> Chine, und niemand<br />

traute sich an schrillere Farb<strong>en</strong> und Muster heran. Seine bunt<br />

bestickt<strong>en</strong> Strass-Bustiers sind Leg<strong>en</strong><strong>de</strong> eb<strong>en</strong>so wie seine Ballett-, Theater-<br />

und Opernausstattung<strong>en</strong> auf d<strong>en</strong> groß<strong>en</strong> Bühn<strong>en</strong> <strong>de</strong>r ganz<strong>en</strong> Welt.<br />

Die amerikanische »Vogue« brachte das Phän<strong>om</strong><strong>en</strong> Versace auf d<strong>en</strong><br />

Punkt: »Armani zieht die Ehefrau an, Versace die Geliebte.«<br />

<strong>Pretty</strong> W<strong>om</strong><strong>en</strong>


Liz Hurley<br />

23


Das Original:<br />

Ursula Andress, das<br />

»beste Bond-Girl<br />

aller Zeit<strong>en</strong>«.<br />

Halle Berry im<br />

Bond-Film »Stirb an<br />

einem an<strong>de</strong>r<strong>en</strong> Tag«<br />

als Ursula-Andress-<br />

Zitat.<br />

BIG BANG<br />

DER MODE<br />

Im Land <strong>de</strong>r Kokosnüsse<br />

So w<strong>en</strong>ig Stoff war noch nie: Als das Striptease-Mo<strong>de</strong>ll Micheline<br />

Bernadini am 5. Juli 1946 im Pariser E<strong>de</strong>lbad »Molitor« d<strong>en</strong> erst<strong>en</strong><br />

wirklich<strong>en</strong> Bikini vorführte, war <strong>de</strong>r Skandal perfekt. Vier Tage<br />

zuvor hatt<strong>en</strong> die Amerikaner auf <strong>de</strong>m Bikini-Atoll ihr<strong>en</strong> erst<strong>en</strong> At<strong>om</strong>b<strong>om</strong>b<strong>en</strong>-Test<br />

<strong>de</strong>r Nachkriegszeit durchgeführt – aber das »unanständige«<br />

Nichts <strong>de</strong>s ehemalig<strong>en</strong> Ing<strong>en</strong>ieurs Louis Réard löste die weitaus<br />

empörter<strong>en</strong> Schlagzeil<strong>en</strong> aus. Die Kreation hatte er für ein<strong>en</strong> Schönheitswettbewerb<br />

erfund<strong>en</strong>. Sie sollte ursprünglich »At<strong>om</strong>« heiß<strong>en</strong>, was nach<br />

diesem 1. Juli natürlich nicht mehr ging: Man taufte d<strong>en</strong> Stein <strong>de</strong>s Anstoßes<br />

eiligst in »Bikini« um. Was so viel heißt wie »Land <strong>de</strong>r Kokosnüsse«.<br />

(Schmunzeln ist erlaubt!)<br />

Nun begann keineswegs sofort ein Siegeszug dieser sparsam<strong>en</strong><br />

Körperverhüllung, son<strong>de</strong>rn eine Skandalgeschichte, die die Jurist<strong>en</strong> auf<br />

<strong>de</strong>r ganz<strong>en</strong> Welt min<strong>de</strong>st<strong>en</strong>s 20 Jahre lang in Atem hielt. Ein<strong>en</strong><br />

Bikini am Strand zu trag<strong>en</strong>, war jahrelang verbot<strong>en</strong>, beson<strong>de</strong>rs<br />

in str<strong>en</strong>g katholisch<strong>en</strong> Län<strong>de</strong>rn wie Itali<strong>en</strong>, Spani<strong>en</strong> und Portugal.<br />

Als 1951 bei <strong>de</strong>r Wahl zur Miss Schwed<strong>en</strong> eine Bikini-<br />

Trägerin gewonn<strong>en</strong> hatte, wur<strong>de</strong> er auch dort ganz verbot<strong>en</strong><br />

(angeblich <strong>de</strong>r Chanc<strong>en</strong>gleichheit weg<strong>en</strong>!). Natürlich war<strong>en</strong><br />

die Stars dieser Zeit alle Bikini-Schönheit<strong>en</strong> – wer als Sexsymbol<br />

gelt<strong>en</strong> wollte, ließ sich selbstverständlich in diesem<br />

knapp<strong>en</strong> Zweiteiler ablicht<strong>en</strong>: Brigitte Bardot posierte<br />

1952 in Cannes darin und wur<strong>de</strong> ein Jahr danach<br />

von ihrem Ent<strong>de</strong>cker Roger Vadim offi ziell in die Filmwelt<br />

eingeführt (seither ist die Para<strong>de</strong> <strong>de</strong>r Bikini-<br />

Schönheit<strong>en</strong> währ<strong>en</strong>d <strong>de</strong>r Filmfestspiele an <strong>de</strong>r Cote<br />

d’Azur zur fest<strong>en</strong> Einrichtung geword<strong>en</strong>). Diana Dors<br />

ließ sich in einem Nerz-Bikini durch V<strong>en</strong>edig gon<strong>de</strong>ln,


Bikini<br />

25


Eine Nackttänzerin<br />

trägt mehr Stoff<br />

als sonst: Bikini-<br />

Skandal im Pariser<br />

E<strong>de</strong>lbad.<br />

26<br />

und auch Joan Collins ließ sich nicht länger züchtig verhüll<strong>en</strong>. Das Ganze<br />

blieb jedoch lange Zeit Skandal-Pr<strong>om</strong>otion für Schauspielerinn<strong>en</strong> und<br />

s<strong>om</strong>it ein Thema <strong>de</strong>r Boulevardpresse. D<strong>en</strong>n die Frau<strong>en</strong>zeitschrift<strong>en</strong>, die<br />

zunächst auf d<strong>en</strong> Zug aufgesprung<strong>en</strong> war<strong>en</strong>, bekam<strong>en</strong> es mit ihr<strong>en</strong> damals<br />

noch prüd<strong>en</strong> Leserinn<strong>en</strong> und <strong>de</strong>r<strong>en</strong> Empörtheit zu tun und schwor<strong>en</strong><br />

<strong>de</strong>m Bikini lange Zeit wie<strong>de</strong>r ab. Erst Ursula Andress brach 1962 im<br />

Film »James Bond jagt Dr. No« d<strong>en</strong> Bann, so wie sie im wahrst<strong>en</strong> Sinne<br />

<strong>de</strong>s Wortes »bewaffnet« aus <strong>de</strong>m Wasser stieg wie eine schaumgebor<strong>en</strong>e<br />

Meeresgöttin. Und viele Bond-Girls folgt<strong>en</strong> ihr, wurd<strong>en</strong> gera<strong>de</strong>zu im Bikini<br />

insz<strong>en</strong>iert; zu d<strong>en</strong> schönst<strong>en</strong> gehörte 1973 die dunkelhäutige Gloria<br />

H<strong>en</strong>dry in »Leb<strong>en</strong> und sterb<strong>en</strong> lass<strong>en</strong>«. Halle Berrys Bond-Girl-Auftritt<br />

2002 in »Stirb an einem an<strong>de</strong>r<strong>en</strong> Tag« war sogar ganz bewusst als Reminisz<strong>en</strong>z<br />

an Ursula Andress’damalige Sz<strong>en</strong>e gedacht.<br />

Dabei war die Aufregung um d<strong>en</strong> Bikini nichts an<strong>de</strong>res als ein<br />

Rückfall in die neue Spießigkeit <strong>de</strong>r Mo<strong>de</strong>rne: Bildungsbürgerliche Itali<strong>en</strong>besucher<br />

hatt<strong>en</strong> schon längst in zahlreich<strong>en</strong> Muse<strong>en</strong> auf antik<strong>en</strong> Mosaik<strong>en</strong><br />

seh<strong>en</strong> könn<strong>en</strong>, dass die Dam<strong>en</strong> im alt<strong>en</strong> R<strong>om</strong> bei Sport und Bad<br />

Bikinis trug<strong>en</strong>. Auch in Hollywood, <strong>de</strong>m Mekka <strong>de</strong>r modisch<strong>en</strong> Fortschrittlichkeit,<br />

wurd<strong>en</strong> spätest<strong>en</strong>s ab Mitte <strong>de</strong>r 1930er-Jahre – als sportliche<br />

Bräune angesagt war und die vornehme Blässe ablöste – von schö-<br />

<strong>Pretty</strong> W<strong>om</strong><strong>en</strong><br />

» Die Aufregung<br />

um d<strong>en</strong> Bikini<br />

war nichts an<strong>de</strong>res<br />

als ein Rückfall<br />

in die neue<br />

Spießigkeit <strong>de</strong>r<br />

Mo<strong>de</strong>rne.«


n<strong>en</strong> Frau<strong>en</strong> Zweiteiler getrag<strong>en</strong>. Zugegeb<strong>en</strong>, da war <strong>de</strong>r Stoffverbrauch<br />

noch etwas erheblicher, und die Unterteile wirkt<strong>en</strong> oft eher wie brave<br />

Mie<strong>de</strong>rhösch<strong>en</strong>. Diese meist aus Wolljersey gearbeitet<strong>en</strong> Mo<strong>de</strong>lle war<strong>en</strong><br />

sichtlich nicht fürs Bad<strong>en</strong>, son<strong>de</strong>rn fürs Posier<strong>en</strong> gedacht. In Europa war<strong>en</strong><br />

sie unter <strong>de</strong>m Stichwort »Palm-Beach-C<strong>om</strong>bination« erhältlich. Vorbei<br />

die Zeit, als ein Garbo-Zweiteiler in »Mata Hari« noch <strong>de</strong>r Z<strong>en</strong>sur<br />

zum Opfer fi el: Maure<strong>en</strong> O’Sullivan trat in »Tarzans Vergeltung« schon in<br />

einer zweiteilig<strong>en</strong> Le<strong>de</strong>r-Kreation auf. Ein<strong>en</strong> <strong>de</strong>r erst<strong>en</strong> Zweiteiler trug<br />

die mexikanische Schauspielerin Dolores <strong>de</strong>l Rio in einem Film, Rita Hayworth<br />

lan<strong>de</strong>te 1941 in einem zweiteilig<strong>en</strong> Strandkleid auf <strong>de</strong>r »Life«-Titelseite,<br />

und auch Marilyn Monroe trug 1946 bei einer Fotosession eine Art<br />

Bikini. Esther Williams – Amerikas kühne Schwimm-Diva, auch »Mermaid«<br />

g<strong>en</strong>annt – trug eb<strong>en</strong>so Zweiteiler wie Doris Day o<strong>de</strong>r Anne Bancroft.<br />

Und nach <strong>de</strong>r Premiere in Paris hielt<strong>en</strong> auch die knapp<strong>en</strong> Variant<strong>en</strong><br />

Einzug in die Filmstudios: Virginia Mayo und Ava Gardner war<strong>en</strong> Vorreiterinn<strong>en</strong>,<br />

und schon 1947 wimmelte es in <strong>de</strong>m Streif<strong>en</strong> »Easter Para<strong>de</strong>«<br />

nur so von knapp geschürzt<strong>en</strong> Bikini-Schönheit<strong>en</strong>.<br />

Die ganze Aufregung um d<strong>en</strong> Bikini hängt also ein<strong>de</strong>utig mit <strong>de</strong>r<br />

(fehl<strong>en</strong>d<strong>en</strong>) Stoffm<strong>en</strong>ge zusamm<strong>en</strong>. Und es gab kein<strong>en</strong> Mo<strong>de</strong>macher,<br />

<strong>de</strong>r sich dies<strong>en</strong> skandalträchtig<strong>en</strong> Spannungseffekt seither <strong>en</strong>tgeh<strong>en</strong> ließ.<br />

Ob Rudi Gernreichs »Monokini« o<strong>de</strong>r Paco Rabannes Plastik-Ba<strong>de</strong>kollektion<br />

von 1966 o<strong>de</strong>r sogar <strong>de</strong>r bedruckte Papier-Bikini, d<strong>en</strong> sich ein beson<strong>de</strong>rer<br />

Spaßvogel einfall<strong>en</strong> ließ – mit <strong>de</strong>m Bikini wur<strong>de</strong> (und wird bis<br />

Bikini<br />

27<br />

LINKS<br />

Hollywoods<br />

Schwimm-Diva<br />

Esther Williams in<br />

leichtgeschürzter<br />

»Arbeitskleidung«.<br />

MITTE<br />

Marilyn Monroe<br />

posiert En<strong>de</strong><br />

<strong>de</strong>r 40er-Jahre im<br />

brav<strong>en</strong> Rüsch<strong>en</strong>-<br />

Bikini.<br />

RECHTS<br />

Raquel Welch<br />

in einem exklusiv<strong>en</strong><br />

Mo<strong>de</strong>ll. Garantiert<br />

nicht wassertauglich.


Gisele Bündch<strong>en</strong><br />

posiert für Pirelli<br />

und beweist,<br />

dass Bikinis Streif<strong>en</strong><br />

mach<strong>en</strong>.<br />

Roger Vadim<br />

insz<strong>en</strong>iert Brigitte<br />

Bardot 1957 in<br />

seinem Lieblings-<br />

»Kostüm«.<br />

28<br />

heute) experim<strong>en</strong>tiert und provoziert, was das Zeug hält. Sogar <strong>de</strong>r Trikini<br />

wur<strong>de</strong> erfund<strong>en</strong>, <strong>de</strong>ss<strong>en</strong> zwei Oberteile auf d<strong>en</strong> Körper geklebt werd<strong>en</strong><br />

musst<strong>en</strong>.<br />

TV-Seri<strong>en</strong> wie »Bay Watch« erzeugt<strong>en</strong> ein<strong>en</strong> Gewöhnungseffekt,<br />

sie lebt<strong>en</strong> v<strong>om</strong> Voyeurismus <strong>de</strong>r Couch-Potatos – egal welch<strong>en</strong> Geschlechts<br />

– und die Hersteller von Diät-Mitteln gleich mit. Sogar vor <strong>de</strong>r<br />

Barbie-Puppe macht<strong>en</strong> Bikini-Kollektion<strong>en</strong> nicht halt. Ob Raquel Welch<br />

im Frans<strong>en</strong>- o<strong>de</strong>r Heidi Klum im steinch<strong>en</strong>besetzt<strong>en</strong> Glitzer-Bikini als<br />

Engel mit Fe<strong>de</strong>rfl ügeln – das sündige Nichts ist längst in <strong>de</strong>r Mitte <strong>de</strong>r<br />

Gesellschaft angek<strong>om</strong>m<strong>en</strong>. Und wer heute noch etwas dageg<strong>en</strong> hätte –<br />

<strong>de</strong>r werfe die erste Kokosnuss! (O<strong>de</strong>r mache eine Diät!)<br />

<strong>Pretty</strong> W<strong>om</strong><strong>en</strong>


Bikini<br />

29


VORDENKER<br />

DER MODE<br />

Rudi Gernreich –<br />

<strong>de</strong>r Barrikad<strong>en</strong>stürmer<br />

Rudi Gernreich<br />

beschwor laut<br />

Vatikan d<strong>en</strong><br />

»Untergang <strong>de</strong>s<br />

Ab<strong>en</strong>dlan<strong>de</strong>s«<br />

herauf …<br />

… er war – g<strong>en</strong>ial,<br />

radikal und<br />

innovativ – <strong>de</strong>r<br />

meistbeklaute<br />

Mo<strong>de</strong>macher.<br />

DOPPELSEITE<br />

Die Erfi ndung <strong>de</strong>s<br />

Monokinis war<br />

von Gernreich als<br />

»Befreiung <strong>de</strong>r<br />

Frau« gedacht.<br />

30<br />

Kaum ein Mo<strong>de</strong>schöpfer hat je mehr für die Körperbefreiung <strong>de</strong>r<br />

Frau<strong>en</strong> getan als <strong>de</strong>r Austro-Amerikaner Rudi Gernreich. Und<br />

niemand hat die Couture-Sz<strong>en</strong>e <strong>de</strong>s 20. Jahrhun<strong>de</strong>rts nachhaltiger<br />

beeinfl usst als er. Dass am En<strong>de</strong> bei d<strong>en</strong> Lai<strong>en</strong> lediglich <strong>de</strong>r fi schbein-<br />

und mie<strong>de</strong>rlose »Monokini« im Gedächtnis blieb, ist <strong>de</strong>r Tatsache<br />

geschul<strong>de</strong>t, dass seine an<strong>de</strong>r<strong>en</strong> visionär<strong>en</strong> Entwürfe von <strong>de</strong>r Konkurr<strong>en</strong>z<br />

fl ugs »aufgesaugt« und in die eig<strong>en</strong>e Arbeit integriert wurd<strong>en</strong>. Der brustfreie<br />

Ba<strong>de</strong>anzug – v<strong>om</strong> Vatikan bis zum Kreml zu »Teufelszeug« und als<br />

Beitrag zum »Untergang <strong>de</strong>s Ab<strong>en</strong>dlan<strong>de</strong>s« erklärt – war jedoch nicht die<br />

I<strong>de</strong>e eines Pornograf<strong>en</strong> o<strong>de</strong>r Lüstlings, son<strong>de</strong>rn als Akt <strong>de</strong>r (sexuell<strong>en</strong>)<br />

Gleichstellung von Mann und Frau gedacht: »Langsam wird die Befreiung<br />

unseres Körpers die Gesellschaft von ihrer Sexbesess<strong>en</strong>heit kurier<strong>en</strong>« –<br />

davon war Gernreich überzeugt. Als er 1970 zur Expo nach Osaka eingelad<strong>en</strong><br />

wur<strong>de</strong>, hat er die I<strong>de</strong>e in Paarform umgesetzt: Ein Mann und eine<br />

Frau führt<strong>en</strong> – kahlgeschor<strong>en</strong> – die id<strong>en</strong>tisch<strong>en</strong> Klei<strong>de</strong>r vor.<br />

Aber Gernreich hat auch zum erst<strong>en</strong> Mal »psyche<strong>de</strong>lische«<br />

Leuchtfarb<strong>en</strong> eingesetzt o<strong>de</strong>r Farb<strong>en</strong> – wie Grün und Blau, Schwarz und<br />

Braun, Rot und Orange – gemixt, die bisher als unverträglich galt<strong>en</strong>. Er<br />

brachte ultrakurze Miniröcke auf d<strong>en</strong> Laufsteg, erfand die Transpar<strong>en</strong>t-<br />

Bluse, d<strong>en</strong> »Cut out«-Look und d<strong>en</strong> »Total Look«, <strong>de</strong>ss<strong>en</strong> auffällige Muster<br />

sich in Schuh<strong>en</strong>, Tasch<strong>en</strong>, an<strong>de</strong>r<strong>en</strong> Accessoires und sogar auf <strong>de</strong>r nackt<strong>en</strong><br />

Haut fortsetzt<strong>en</strong>. Gernreich wollte die Haltung <strong>de</strong>r M<strong>en</strong>sch<strong>en</strong> zur<br />

Bekleidung revolutionier<strong>en</strong>. Das wur<strong>de</strong> als Angriff auf die Konv<strong>en</strong>tion<strong>en</strong><br />

<strong>de</strong>s gut<strong>en</strong> Geschmacks und auf gesellschaftliche Tabus begriff<strong>en</strong>, weshalb<br />

Gernreich polarisierte und skandalisierte. Heute ist fast alles, was er<br />

wollte, erreicht und selbstverständlich – zumin<strong>de</strong>st möglich.<br />

<strong>Pretty</strong> W<strong>om</strong><strong>en</strong>


Rudi Gernreich<br />

31


32 <strong>Pretty</strong> W<strong>om</strong><strong>en</strong>


Anita Ekberg<br />

33


Der berühmteste<br />

heiß-kalte Kuss<br />

aller Zeit<strong>en</strong>. Mit<br />

viel Wodka und<br />

Gänsehaut.<br />

So viel Frau war<br />

selt<strong>en</strong>. D<strong>en</strong> Oscar<br />

aber bekam <strong>de</strong>r<br />

Kostümbildner.<br />

»LA DOLCE<br />

VITA«<br />

und die Frage <strong>de</strong>r Statik<br />

34<br />

Die berühmte Sz<strong>en</strong>e, in <strong>de</strong>r Anita Ekberg im Trevi-Brunn<strong>en</strong> posiert,<br />

wur<strong>de</strong> im Monat März gedreht – und da kann R<strong>om</strong> noch<br />

sehr kalt sein: Die »Miss Schwed<strong>en</strong>« stand diszipliniert stund<strong>en</strong>lang<br />

im kalt<strong>en</strong> Wasser – Marcello Mastroianni befand sich im Trock<strong>en</strong><strong>en</strong><br />

und trug ein<strong>en</strong> wärm<strong>en</strong>d<strong>en</strong> »Wetsuit« unter seiner Kleidung. Und<br />

fröstelte immer noch, weshalb er währ<strong>en</strong>d <strong>de</strong>r Dreharbeit<strong>en</strong> dieser Sz<strong>en</strong>e<br />

angeblich eine ganze Flasche Wodka trank. Der Film »La dolce vita«<br />

k<strong>om</strong>mt 1960 in die Kinos und zeigt laut Branch<strong>en</strong>klatsch ein<strong>en</strong> stockbesoff<strong>en</strong><strong>en</strong><br />

Mastroianni. (Unter diesem Aspekt beim nächst<strong>en</strong> Mal also<br />

noch einmal g<strong>en</strong>au hinschau<strong>en</strong>!)<br />

Der zum Klassiker geword<strong>en</strong>e Film hat nicht nur d<strong>en</strong> Regisseur<br />

Fe<strong>de</strong>rico Fellini und viele <strong>de</strong>r Darsteller weltberühmt und die Via V<strong>en</strong>eto<br />

zur römisch<strong>en</strong> Pr<strong>om</strong>i-Meile gemacht, son<strong>de</strong>rn auch d<strong>en</strong> Begriff »Paparazzo«<br />

(nach <strong>de</strong>r Filmfi gur) für aufdringliche Skandalfotograf<strong>en</strong> geprägt.<br />

Fellinis Berater für d<strong>en</strong> Film, Tazio Secciardi, machte eb<strong>en</strong>falls sein Glück<br />

mit »La dolce vita«: Er wur<strong>de</strong> v<strong>om</strong> »Paparazzo« zum seriös<strong>en</strong> Filmfotograf<strong>en</strong><br />

und gewann als solcher das Vertrau<strong>en</strong> von Marcello Mastroianni<br />

und Sophia Lor<strong>en</strong>.<br />

Der Glücklichste von all<strong>en</strong> war aber wahrscheinlich <strong>de</strong>r Kostümbildner<br />

Piero Gherardi, <strong>de</strong>r 1962 sein<strong>en</strong> erst<strong>en</strong> Oscar für die Kostüme<br />

bekam (später noch einmal für »8 ½«): woran das Trevi-Brunn<strong>en</strong>-Ab<strong>en</strong>dkleid<br />

sicher nicht ganz unschuldig ist. Da hatte er nicht nur modische<br />

Supereleganz geschaff<strong>en</strong>, son<strong>de</strong>rn aus »Korsag<strong>en</strong>sicht« auch ein nicht unschwieriges<br />

statisches Problem gelöst. Gherardi war mit Fellini befreun<strong>de</strong>t,<br />

sagte aber nach einem groß<strong>en</strong> Krach über d<strong>en</strong> Regie-Großmeister:<br />

»Fellini hat ein<strong>en</strong> fürchterlich<strong>en</strong> Geschmack. Sein Hauptfehler – d<strong>en</strong> ich<br />

ver<strong>de</strong>ck<strong>en</strong> konnte – ist seine Provinzialität.« Hoppla – wer hätte das gedacht?<br />

<strong>Pretty</strong> W<strong>om</strong><strong>en</strong>


Anita Ekberg<br />

35


Madonna am<br />

17. Juli 1990 in<br />

Dortmund. »Zugespitzt«<br />

von<br />

Jean-Paul Gaultier.<br />

Parfüm ist für<br />

Gaultier »wie eine<br />

zweite Haut«.<br />

Und dieser Flakon<br />

wur<strong>de</strong> Kult.<br />

LIKE A<br />

VIRGIN?<br />

Nicht je<strong>de</strong> Madonna ist eine Heilige<br />

Manchmal müss<strong>en</strong> nur die Richtig<strong>en</strong> zusamm<strong>en</strong>k<strong>om</strong>m<strong>en</strong>, und<br />

die Welt hält für ein paar Sekund<strong>en</strong> d<strong>en</strong> Atem an. Madonna<br />

und Jean-Paul Gaultier sind zwei solche Ausnahmem<strong>en</strong>sch<strong>en</strong>.<br />

Und beid<strong>en</strong> wur<strong>de</strong> ihr Erfolg nicht in die Wiege gelegt.<br />

Madonna Louise Ciccone stammt aus einfach<strong>en</strong> Verhältniss<strong>en</strong><br />

und verlor mit fünf Jahr<strong>en</strong> ihre Mutter. Eine schwierige Kindheit und ein<br />

IQ von 140 macht<strong>en</strong> sie zur Tabubrecherin, die je<strong>de</strong> ihrer Chanc<strong>en</strong> zu<br />

nutz<strong>en</strong> wusste. Ihre Platt<strong>en</strong> erreicht<strong>en</strong> Million<strong>en</strong>aufl ag<strong>en</strong>, Te<strong>en</strong>ager auf<br />

<strong>de</strong>r ganz<strong>en</strong> Welt hört<strong>en</strong> ihre Lie<strong>de</strong>r, und sie kopiert<strong>en</strong> alles, w<strong>om</strong>it<br />

Madonna die Konservativ<strong>en</strong> und d<strong>en</strong> Vatikan provozierte: Kruzifi xe als<br />

Schmuck, bauchfreie Tops und Le<strong>de</strong>rarmbän<strong>de</strong>r. Sie ließ sich in Klei<strong>de</strong>rn<br />

<strong>de</strong>r Mo<strong>de</strong>götter Lagerfeld, Lacroix und Chanel ablicht<strong>en</strong> – sie wur<strong>de</strong> zur<br />

Sex-Göttin <strong>de</strong>r 1980er-Jahre und zur Pop-Ikone.<br />

Jean-Paul Gaultier stammt eb<strong>en</strong>falls aus einfach<strong>en</strong> Verhältniss<strong>en</strong>,<br />

war nach eig<strong>en</strong><strong>en</strong> Wort<strong>en</strong> ein Schulschwänzer, <strong>de</strong>r lieber Klei<strong>de</strong>r für sein<strong>en</strong><br />

Teddybär<strong>en</strong> schnei<strong>de</strong>rte und seine Großmutter bewun<strong>de</strong>rte, die in<br />

ihrem Wohnzimmer ein<strong>en</strong> Schönheitssalon betrieb. Aber auch er verfolgte<br />

ein<strong>en</strong> Traum: Mit 18 Jahr<strong>en</strong> arbeitete er bei Pierre Cardin, später<br />

als Assist<strong>en</strong>t von Michel G<strong>om</strong>a im Haus »Jean Patou« und Angelo Tarlazzi.<br />

Auch er erwies sich als Meister <strong>de</strong>r Provokation, weil ihm in <strong>de</strong>r<br />

Mo<strong>de</strong> nichts heilig war – und ist. 1978 stellte er seine erste eig<strong>en</strong>e Kollektion<br />

vor, die <strong>de</strong>r Tabubrecherin aus d<strong>en</strong> USA auffi el: Für ihre »Blon<strong>de</strong><br />

Ambition World Tour« 1990 schuf er ihre Aufseh<strong>en</strong> erreg<strong>en</strong><strong>de</strong> Bühn<strong>en</strong>gar<strong>de</strong>robe.<br />

Madonna hatte bis dahin bereits alle Form<strong>en</strong> von Protest<strong>en</strong><br />

und auch alle Form<strong>en</strong> von Begeisterungsstürm<strong>en</strong> erlebt, aber das Aufseh<strong>en</strong>,<br />

das Gaultiers Korsett mit d<strong>en</strong> Kegelbrüst<strong>en</strong> erregte, war <strong>de</strong>r Höhepunkt<br />

von allem. Gaultier ging damit in die Geschichte <strong>de</strong>r Mo<strong>de</strong> ein.<br />

36 <strong>Pretty</strong> W<strong>om</strong><strong>en</strong>


Madonna<br />

37


EDELBÄUERIN<br />

Marl<strong>en</strong>e und R<strong>om</strong>y einmal ganz an<strong>de</strong>rs<br />

Josef von Sternberg<br />

konnte auch an<strong>de</strong>rs:<br />

die Dietrich 1931<br />

in »Entehrt«.<br />

R<strong>om</strong>y Schnei<strong>de</strong>r<br />

währ<strong>en</strong>d <strong>de</strong>r<br />

Dreharbeit<strong>en</strong> zu<br />

»Sisi«. Sehr jung,<br />

sehr süß und sehr<br />

»lanzy« …<br />

Marl<strong>en</strong>e Dietrich hat die österreichische Tracht<strong>en</strong>mo<strong>de</strong> nach<br />

Amerika gebracht, nach<strong>de</strong>m sie sich und ihre kleine Familie in<br />

Salzburg bei »Lanz« eingeklei<strong>de</strong>t hat. Lanz (mit <strong>de</strong>m Herz im<br />

Firm<strong>en</strong>logo) steht seit<strong>de</strong>m in aller Welt für traditionelle Tracht<strong>en</strong>mo<strong>de</strong>.<br />

Die Geschichte von <strong>de</strong>r Salzburger »Trapp-Familie« – nicht zuletzt in <strong>de</strong>m<br />

Musical »Sound of Music« – hat dies<strong>en</strong> Tr<strong>en</strong>d vor allem in d<strong>en</strong> USA noch<br />

verstärkt. Und seither gibt sich bei Lanz in Salzburg an <strong>de</strong>r Staatsbrücke<br />

die Pr<strong>om</strong>in<strong>en</strong>z die Klinke in die Hand. Selbst Liz Taylor soll ein Lanz-<br />

Dirndl erworb<strong>en</strong> hab<strong>en</strong>. Das hat sogar sprachliche Folg<strong>en</strong>: Der österreichisch-traditionelle<br />

Leb<strong>en</strong>sstil wird in Übersee als »lanzy« bezeichnet.<br />

Dass bäuerliche Arbeitskleidung zur »hoffähig<strong>en</strong>« Ausgehmo<strong>de</strong><br />

wur<strong>de</strong>, mit und ohne Janker und Lod<strong>en</strong>mantel, begann mit d<strong>en</strong> Wittelsbachern<br />

und d<strong>en</strong> Habsburgern, die in Jagdanzüg<strong>en</strong> auch zu offi ziell<strong>en</strong><br />

Anläss<strong>en</strong> auftrat<strong>en</strong>. Der im <strong>de</strong>utschsprachig<strong>en</strong> Raum vor allem in <strong>de</strong>r<br />

Nachkriegszeit so beliebte Heimatfi lm tat sein Übriges, um das Dirndlkleid,<br />

Lod<strong>en</strong>anzug und Hirschhornknöpfe salonfähig zu mach<strong>en</strong>. In Österreich<br />

und Bayern gehör<strong>en</strong> sie zur Grundausstattung von Leut<strong>en</strong>, die zur<br />

Gesellschaft gehör<strong>en</strong> woll<strong>en</strong>. Die Lager hab<strong>en</strong> sich allerdings längst in<br />

Traditionalist<strong>en</strong> und »So tun als ob«-Leute gespalt<strong>en</strong>, die sich bei<strong>de</strong> mit<br />

Verachtung straf<strong>en</strong>, was jährlich anlässlich <strong>de</strong>s Münchner Oktoberfests in<br />

wahre Wettbewerbe ausartet.<br />

Doch auch vor <strong>de</strong>r Haute Couture hat <strong>de</strong>r Tracht<strong>en</strong>-Einfl uss nicht<br />

Halt gemacht. Der große Yves Saint Laur<strong>en</strong>t hat beispielsweise 1976 eine<br />

grellbunte »E<strong>de</strong>lbäuerinn<strong>en</strong>«-Kollektion vorgelegt. Die »Süd<strong>de</strong>utsche Zeitung«<br />

schrieb damals: »Das muss also künftig sein: Babuschka- und Kosak<strong>en</strong>-Mäntel<br />

über Bojar<strong>en</strong>-Röck<strong>en</strong>.« Die Traditionalist<strong>en</strong> hab<strong>en</strong> sich wein<strong>en</strong>d<br />

abgewandt.<br />

38 <strong>Pretty</strong> W<strong>om</strong><strong>en</strong>


Brevi vel toto est iunior anno. Interdum<br />

volgus<br />

rectum vi<strong>de</strong>t, est ubi peccat.<br />

Brevi vel toto est iunior anno. Interdum<br />

volgus<br />

rectum vi<strong>de</strong>t, est ubi peccat.<br />

Dirndl<br />

39


TUXEDO RAG<br />

Marl<strong>en</strong>e rauchte nicht – sie küsste<br />

Das Original:<br />

Marl<strong>en</strong>e Dietrich<br />

in »Marokko«.<br />

Die Kopie: Katja<br />

Flint als Marl<strong>en</strong>e<br />

Dietrich.<br />

Schon Gloria Swanson und Josephine Baker hab<strong>en</strong> ihn getrag<strong>en</strong> –<br />

und längst ist dieses Prachtstück <strong>de</strong>s männlich<strong>en</strong> Klei<strong>de</strong>rschranks<br />

nicht mehr aus <strong>de</strong>r Gar<strong>de</strong>robe <strong>de</strong>r mo<strong>de</strong>rn<strong>en</strong>, emanzipiert<strong>en</strong> Frau<br />

<strong>de</strong>r Gesellschaft wegzud<strong>en</strong>k<strong>en</strong>. Von Katharine Hepburn in d<strong>en</strong> 1940er-<br />

Jahr<strong>en</strong> bis zu Madonna heute. Aber niemand führte ihn eleganter vor als<br />

Marl<strong>en</strong>e Dietrich in »Marokko«. Dieses Kostüm mit Zylin<strong>de</strong>r hat schon<br />

auf sie gewartet, als sie 1930, noch am Premier<strong>en</strong>ab<strong>en</strong>d von »Der blaue<br />

Engel«, mit Josef von Sternberg in die USA aufbrach, um dort sofort in<br />

<strong>de</strong>r Rolle <strong>de</strong>r androgyn<strong>en</strong> Smokingträgerin Amy Jolly – mit Gary Cooper<br />

an ihrer Seite – vor <strong>de</strong>r Kamera zu steh<strong>en</strong>: Bereits ein halbes Jahr später<br />

hatte »Marokko« in Los Angeles Premiere und machte die Dietrich <strong>en</strong>dgültig<br />

zur weltweit angebetet<strong>en</strong> cool<strong>en</strong> Sex-Ikone – und brachte ihr 1931<br />

ein<strong>en</strong> Oscar ein.<br />

Der Smoking hatte schon eine interessante Geschichte, ehe er<br />

d<strong>en</strong> Frau<strong>en</strong> in die Hän<strong>de</strong> fi el. Eig<strong>en</strong>tlich war er ein »Wechseljackett« –<br />

Männer wollt<strong>en</strong> nach <strong>de</strong>m Dinner rauch<strong>en</strong> (daher <strong>de</strong>r Rauchsalon) und<br />

wechselt<strong>en</strong> das Jackett, damit sich <strong>de</strong>r Rauchgeruch nicht in ihr<strong>en</strong> Anzüg<strong>en</strong><br />

festsetz<strong>en</strong> konnte, w<strong>en</strong>n sie nach ihrem Qualmausfl ug<br />

zu d<strong>en</strong> Dam<strong>en</strong> zurückkehrt<strong>en</strong>. Erfund<strong>en</strong> hat dies<strong>en</strong> auf ein<strong>en</strong><br />

Knopf geschloss<strong>en</strong><strong>en</strong>, klein<strong>en</strong> Gesellschaftsanzug mit Seid<strong>en</strong>revers<br />

um 1865 <strong>de</strong>r Londoner Schnei<strong>de</strong>r von Albert Eduard,<br />

<strong>de</strong>m damalig<strong>en</strong> Prince of Wales und als Eduard VII. später<strong>en</strong><br />

König <strong>de</strong>s Vereinigt<strong>en</strong> Königreichs. Als Gast bei Hofe <strong>en</strong>t<strong>de</strong>ckte<br />

ihn <strong>de</strong>r US-Tabak-Millionär James Braun-Potter, <strong>de</strong>m<br />

dieses Kleidungsstück so gefi el, dass er es nach seiner Rückkehr<br />

in seinem New Yorker Country-Club »Tuxedo Park«<br />

einführte, von wo aus es sein<strong>en</strong> Siegeszug antrat. Musiker<br />

trug<strong>en</strong> dies<strong>en</strong> Anzug mit Fliege auf <strong>de</strong>r Bühne und gab<strong>en</strong>


Smoking<br />

41


Liza Minnelli<br />

im berühmt<strong>en</strong><br />

»Kit Cat<br />

Club« -Bühn<strong>en</strong>kostüm<br />

aus<br />

»Cabaret«.<br />

Ein Smoking-Zitat.<br />

42<br />

sich d<strong>en</strong> <strong>en</strong>tsprech<strong>en</strong>d<strong>en</strong> Nam<strong>en</strong> (wie z.B. das »Original Tuxedo Jazz<br />

Orchestra«, in <strong>de</strong>m auch Louis Armstrong in sein<strong>en</strong> Anfangszeit<strong>en</strong> auftrat),<br />

und <strong>de</strong>r berühmte »Tuxedo Rag« wur<strong>de</strong> k<strong>om</strong>poniert. Das also ist<br />

<strong>de</strong>r Grund, warum <strong>de</strong>r Smoking in d<strong>en</strong> USA »tuxedo« heißt – egal, ob ihn<br />

Männer o<strong>de</strong>r Frau<strong>en</strong> trag<strong>en</strong>. In Kontin<strong>en</strong>taleuropa wur<strong>de</strong> und wird die aus<br />

Österreich stamm<strong>en</strong><strong>de</strong> Bezeichnung »Smoking« verw<strong>en</strong><strong>de</strong>t, die Englän<strong>de</strong>r<br />

bezeichn<strong>en</strong> dieses Kleidungsstück schlicht als »dinner jacket« (<strong>de</strong>r Begriff<br />

»Smoking« ist dort ungebräuchlich – erinnert uns das nicht an die eb<strong>en</strong>so<br />

pragmatische und nur bei uns übliche Wortkreation »Handy«?). Und je<strong>de</strong>r<br />

Erfahr<strong>en</strong>e weiß, w<strong>en</strong>n auf einer offi ziell<strong>en</strong> Einladung als Klei<strong>de</strong>rvorschrift<br />

»black tie« o<strong>de</strong>r »cravate noir« steht, dass <strong>de</strong>r Smoking gemeint ist.<br />

1966 wur<strong>de</strong> <strong>de</strong>r Smoking für die Frau von niemand an<strong>de</strong>rem neu<br />

erfund<strong>en</strong> als v<strong>om</strong> Großmeister Yves Saint Laur<strong>en</strong>t persönlich. Catherine<br />

D<strong>en</strong>euve (»Belle <strong>de</strong> Jour«) war eine seiner unermüdlich<strong>en</strong>, schön<strong>en</strong> Pr<strong>om</strong>oterinn<strong>en</strong>,<br />

und seit diesem Jahr hat YSL in je<strong>de</strong>r Kollektion ein Smo-<br />

<strong>Pretty</strong> W<strong>om</strong><strong>en</strong>


»Coco Chanel<br />

hat d<strong>en</strong> Frau<strong>en</strong><br />

die Freiheit,<br />

ich habe ihn<strong>en</strong><br />

die Macht<br />

gegeb<strong>en</strong>!«<br />

Yves Saint Laur<strong>en</strong>t<br />

king-Mo<strong>de</strong>ll vorgestellt. Nun war dieses Kleidungsstück <strong>en</strong>dgültig ein zutiefst<br />

weibliches geword<strong>en</strong>: YSL sagte dazu einmal: »Coco Chanel hat d<strong>en</strong><br />

Frau<strong>en</strong> die Freiheit, ich habe ihn<strong>en</strong> die Macht gegeb<strong>en</strong>!«.<br />

Bei g<strong>en</strong>auerer Betrachtung wur<strong>de</strong> <strong>de</strong>r Smoking für Frau<strong>en</strong> schon<br />

»zitiert«, bevor er über d<strong>en</strong> Film »Marokko« sein<strong>en</strong> Siegeszug in die Klei<strong>de</strong>rschränke<br />

mutiger Dam<strong>en</strong> <strong>de</strong>r Gesellschaft antrat: Auch das erste Zitat<br />

hat mit Marl<strong>en</strong>e Dietrich zu tun. Ihr Bühn<strong>en</strong>kostüm in »Der blaue Engel« –<br />

das kurze Rüsch<strong>en</strong>-Hos<strong>en</strong>röckch<strong>en</strong> mit (Smoking-)Oberteil und Zylin<strong>de</strong>r<br />

ist ein<strong>de</strong>utig eine Persifl age auf das damals noch männlich besetzte<br />

Kleidungsstück. Heute kann man sich kein an<strong>de</strong>res Kostüm für Friedrich<br />

Hollän<strong>de</strong>rs Song »Ich bin von Kopf bis Fuß auf Liebe eingestellt« mehr<br />

vorstell<strong>en</strong>.<br />

Alle groß<strong>en</strong>, unkonv<strong>en</strong>tionell<strong>en</strong> weiblich<strong>en</strong> Film- und Show-Stars<br />

hab<strong>en</strong> mit <strong>de</strong>m Smoking und sein<strong>en</strong> Variant<strong>en</strong> gespielt: von Josephine<br />

Baker über Kim Novak bis hin zu Brigitte Bardot. Dass diese weiblich-verführerische<br />

Kühle auch Auszeit<strong>en</strong> hatte, kann man heute gar nicht mehr<br />

versteh<strong>en</strong> – aber Greta Garbo, Katharine Hepburn und die Dietrich galt<strong>en</strong><br />

Mitte <strong>de</strong>r 1930er-Jahre mit ihrer »Smoking«-Coolness als Kass<strong>en</strong>gift.<br />

Was sich für die beid<strong>en</strong> Letztg<strong>en</strong>annt<strong>en</strong> durch diverse Imagewechsel (die<br />

Dietrich spielte beispielsweise in »Der große Bluff« eine prügeln<strong>de</strong> Barfrau<br />

und wur<strong>de</strong> so eine Frau zum »Anfass<strong>en</strong>«, und die Hepburn gewann<br />

die Herz<strong>en</strong> <strong>de</strong>s international<strong>en</strong> Publikums mit Roll<strong>en</strong> als zwar emanzipierte,<br />

aber lieb<strong>en</strong><strong>de</strong> Frau) jedoch rasch wie<strong>de</strong>r än<strong>de</strong>rte.<br />

Smoking<br />

43<br />

James Garner<br />

sexuell total<br />

verwirrt. Mit Julie<br />

Andrews in<br />

»Victor & Victoria«.


Die amüsante<br />

Spitze <strong>de</strong>r Smoking-<br />

Zitate: Ingrid<br />

Steeger in <strong>de</strong>r<br />

TV-C<strong>om</strong>edy-Serie<br />

»Klimbim«.<br />

Das Kostüm in<br />

»Der blaue Engel«<br />

war am Mythos<br />

Marl<strong>en</strong>e nicht ganz<br />

unbeteiligt.<br />

44<br />

Noch ein berühmtes Smoking-Zitat darf nicht unerwähnt bleib<strong>en</strong>: Das<br />

»Kit Cat Club«-Bühn<strong>en</strong>kostüm von Liza Minnelli in »Cabaret«. Der Film<br />

(mit d<strong>en</strong> <strong>de</strong>utsch<strong>en</strong> Darstellern Fritz Wepper und Helmut Griem) wur<strong>de</strong><br />

ein großer internationaler Erfolg und mit acht Oscars ausgezeichnet. Das<br />

Bühn<strong>en</strong>kostüm von Liza Minnelli wur<strong>de</strong> seinerseits zum Smoking-<br />

»Zitat«: Das prü<strong>de</strong> <strong>de</strong>utsche Fernseh<strong>en</strong> verlieh <strong>de</strong>r Schauspielerin Ingrid<br />

Steeger für die TV-C<strong>om</strong>edy-Serie »Klimbim« ein<strong>en</strong> Liza-Minnelli-<br />

»Cabaret«-Kostüm-Anstrich. »Cabaret« wur<strong>de</strong> übrig<strong>en</strong>s von Charlotte<br />

Flemming, einer <strong>de</strong>r erfolgreichst<strong>en</strong> Kostümbildnerinn<strong>en</strong> Deutschlands,<br />

ausgestattet (die <strong>de</strong>utsch<strong>en</strong> TV-Zuschauer konnt<strong>en</strong> ihre Kostümarbeit<br />

zuletzt in <strong>de</strong>r Erfolgsserie »Das Erbe <strong>de</strong>r Guld<strong>en</strong>burgs« seh<strong>en</strong>) – was für<br />

Hollywood-Produktion<strong>en</strong> höchst ungewöhnlich war und Flemming fast<br />

eine Oscar-N<strong>om</strong>inierung einbrachte.<br />

Aber angefang<strong>en</strong> hat alles mit »Marokko« und Marl<strong>en</strong>e Dietrich.<br />

Wobei die berühmteste Sz<strong>en</strong>e <strong>de</strong>s Films fast <strong>de</strong>r Z<strong>en</strong>sur zum Opfer gefall<strong>en</strong><br />

wäre: Die Produz<strong>en</strong>t<strong>en</strong> im prüd<strong>en</strong> Amerika war<strong>en</strong> schockiert darüber,<br />

dass die Dietrich im Smoking eine Frau küsst. Und damit schließt sich ein<br />

Kreis, was kein Zufall sein kann – YSL hat die letzt<strong>en</strong> Jahre seines Leb<strong>en</strong>s<br />

in Marokko verbracht.<br />

<strong>Pretty</strong> W<strong>om</strong><strong>en</strong><br />

»Die Dietrich und<br />

<strong>de</strong>r Smoking.<br />

Ein perfekteres<br />

Paar hat es<br />

nie gegeb<strong>en</strong>.«


Smoking<br />

45


Mo<strong>de</strong>, beeinfl usst<br />

von Sci<strong>en</strong>ce-Fiction.<br />

Laetitia Casta<br />

in einem Rabanne-<br />

Mo<strong>de</strong>ll.<br />

Jane Fonda als<br />

»Barbarella«. Der<br />

Kultfi lm wur<strong>de</strong><br />

von Paco Rabanne<br />

ausgestattet.<br />

DER MODE-<br />

KLEMPNER<br />

»Klamott<strong>en</strong>« mit Hak<strong>en</strong><br />

und Ös<strong>en</strong><br />

Der im katalanisch<strong>en</strong> San Sebastian gebor<strong>en</strong>e spanisch-französische<br />

Couturier Paco Rabanne, <strong>de</strong>r mit seiner Mutter vor <strong>de</strong>m<br />

Spanisch<strong>en</strong> Bürgerkrieg nach Paris fl oh, wur<strong>de</strong> vorwieg<strong>en</strong>d mit<br />

Klei<strong>de</strong>rn berühmt, in d<strong>en</strong><strong>en</strong> man nur steh<strong>en</strong> konnte. Sie war<strong>en</strong> schön anzuseh<strong>en</strong>,<br />

diese mit Draht, Zange und Lötkolb<strong>en</strong> gefertigt<strong>en</strong> Mo<strong>de</strong>lle aus<br />

Metall, Plastik o<strong>de</strong>r Glasfasern – aber sicher nicht ang<strong>en</strong>ehm zu trag<strong>en</strong>.<br />

Nicht zuletzt sein Kett<strong>en</strong>hemd aus silbrigem »Metalljersey« trug sein<strong>en</strong><br />

Ruhm hinaus in die Welt, bevor er in <strong>de</strong>r kurz<strong>en</strong> Phase <strong>de</strong>r Wegwerfmo<strong>de</strong><br />

<strong>de</strong>r 1960er-Jahre mit Papier und Pappe arbeitete.<br />

Dabei hatte Paco, <strong>de</strong>r v<strong>om</strong> Futurismus und Konstruktivismus geprägt<br />

und von Sci<strong>en</strong>ce-Fiction beeinfl usst war, nach einem Architekturstudium<br />

(wovon <strong>de</strong>r Flakon seines erst<strong>en</strong> Parfüms »Calandre« zeugt)<br />

recht konv<strong>en</strong>tionell begonn<strong>en</strong>: Er arbeitete zunächst als Mo<strong>de</strong>zeichner<br />

für Pierre Cardin und André Courrèges, <strong>en</strong>twarf begehrte Handtasch<strong>en</strong>,<br />

Gürtel und Schmuck und bald auch eig<strong>en</strong>e Kollektion<strong>en</strong>. 1965 eröffnete<br />

er sein eig<strong>en</strong>es Atelier in Paris. D<strong>en</strong> Durchbruch brachte ihm jedoch die<br />

Filmausstattung für Roger Vadims erotische Spaceopera »Barbarella«, in<br />

<strong>de</strong>r seine Catsuits für Vadims Ehefrau Jane Fonda weltweites Aufseh<strong>en</strong><br />

erregt<strong>en</strong> (und Jane Fonda berühmt macht<strong>en</strong>). Die C<strong>om</strong>ic-Verfi lmung<br />

selbst wur<strong>de</strong> von Kritikern als »so schlecht« bezeichnet, »dass sie schon<br />

wie<strong>de</strong>r gut ist«. Der Film ist – außer von Cineast<strong>en</strong> – vergess<strong>en</strong>,<br />

die Kostümarbeit von Paco Rabanne nicht. Kylie Minogue<br />

zitierte die berühmte Anfangssz<strong>en</strong>e – d<strong>en</strong> Striptease<br />

in <strong>de</strong>r Schwerelosigkeit <strong>de</strong>s Weltraums – in einem<br />

ihrer Vi<strong>de</strong>os. Und es wäre nicht verwun<strong>de</strong>rlich, w<strong>en</strong>n<br />

die »Klempner«-Phase Paco Rabannes <strong>de</strong>mnächst<br />

ein Revival erleb<strong>en</strong> wür<strong>de</strong>. Schön, aber unbequem<br />

– das war schon lang nicht mehr da.


Paco Rabanne<br />

47


Die Westwood<br />

mit <strong>de</strong>m berühmt<strong>en</strong><br />

»Ich bin kein<br />

Terrorist …«-T-Shirt.<br />

Vivi<strong>en</strong>ne schuf für<br />

»Sex and the City«<br />

das begehrteste<br />

Brautkleid aller<br />

Zeit<strong>en</strong>.<br />

MR. BIG<br />

HEIRATET<br />

Das Kleid, das alle Bräute woll<strong>en</strong><br />

48<br />

Que<strong>en</strong> of Punk« – auf dies<strong>en</strong> Titel will die Westwood längst<br />

nicht mehr festgelegt werd<strong>en</strong>. Diese Zeit<strong>en</strong> war<strong>en</strong> für sie, nach<br />

eig<strong>en</strong>er Aussage, nur Fingerübung<strong>en</strong>. Trotz<strong>de</strong>m gibt es auch<br />

bei ihr nostalgische T<strong>en</strong>d<strong>en</strong>z<strong>en</strong>: Ihre Liebe zum Schott<strong>en</strong>karo ist ungebroch<strong>en</strong>.<br />

Sie hat sogar ein eig<strong>en</strong>es kreiert und schütz<strong>en</strong> lass<strong>en</strong>. Mit diesem<br />

Design hat Vivi<strong>en</strong>ne allerdings nicht gearbeitet, als sie ihr berühmtes<br />

Brautkleid für Sarah Jessica Parker alias Carrie Bradshaw <strong>en</strong>twarf, das d<strong>en</strong><br />

optisch<strong>en</strong> Höhepunkt in »Sex and the City – Der Film« darstellt. Sämtliche<br />

Bräute weltweit träumt<strong>en</strong> ab sofort von einer Hochzeit in dieser Kreation<br />

(selbst die, die noch gar kein<strong>en</strong> Bräutigam hatt<strong>en</strong>). Und noch nie<br />

gab es ein<strong>en</strong> solch<strong>en</strong> Run auf Kopi<strong>en</strong>, die sündhaft teuer war<strong>en</strong>. Spätest<strong>en</strong>s<br />

jetzt war <strong>de</strong>r Name Vivi<strong>en</strong>ne Westwood auch im letzt<strong>en</strong> Winkel <strong>de</strong>r<br />

Welt bekannt. Die Designerin brachte allerdings <strong>de</strong>m Film, d<strong>en</strong> sie bei<br />

<strong>de</strong>r Premiere angeblich laut protestier<strong>en</strong>d frühzeitig verließ, nicht so viel<br />

Begeisterung <strong>en</strong>tgeg<strong>en</strong>. Ein tolles Kleid macht in ihr<strong>en</strong> Aug<strong>en</strong> eb<strong>en</strong> noch<br />

kein<strong>en</strong> gut<strong>en</strong> Film.<br />

So wie Vivi<strong>en</strong>ne Westwood ohnedies nie ein Blatt vor d<strong>en</strong> Mund<br />

nimmt – we<strong>de</strong>r was ihre Mo<strong>de</strong>lle (Feig<strong>en</strong>blätter und Kunstp<strong>en</strong>isse an ihrer<br />

Männermo<strong>de</strong> sprech<strong>en</strong> eine <strong>de</strong>utliche Sprache) noch was ihre politisch<strong>en</strong><br />

Standpunkte betrifft. Auf die Verschärfung <strong>de</strong>r britisch<strong>en</strong> Anti-Terror-Gesetze<br />

reagierte sie mit einem Hemd, auf das sie »Ich bin kein Terrorist.<br />

Bitte nehmt mich nicht fest« druck<strong>en</strong> ließ.<br />

Immerhin: Vivi<strong>en</strong>ne wur<strong>de</strong> Anfang <strong>de</strong>r 90er-Jahre nicht nur zweimal<br />

hintereinan<strong>de</strong>r »Designerin <strong>de</strong>s Jahres«: Die <strong>en</strong>glische Zeitschrift<br />

»W<strong>om</strong><strong>en</strong>’s Wear Daily« kürte sie neb<strong>en</strong> Yves Saint Laur<strong>en</strong>t, Ungaro, Lagerfeld<br />

und Lacroix zur »wichtigst<strong>en</strong> Mo<strong>de</strong>macherin unserer Zeit«. Provokation<br />

in <strong>de</strong>r Kunst ist eb<strong>en</strong> unverzichtbar und wird manchmal sogar belohnt.<br />

<strong>Pretty</strong> W<strong>om</strong><strong>en</strong>


Vivi<strong>en</strong>ne Westwood<br />

49


PRIMADONNA<br />

ASSOLUTA<br />

Die Callas – Königin <strong>de</strong>r Oper und <strong>de</strong>r Mo<strong>de</strong><br />

50<br />

Der Begriff »Diva« könnte für die 1977 verstorb<strong>en</strong>e Callas erfund<strong>en</strong><br />

word<strong>en</strong> sein. Sie war verehrt und gefürchtet – für ihre Kunst<br />

und für ihre Laun<strong>en</strong>. An dieser Stelle über ihre Ausnahmestimme<br />

zu sprech<strong>en</strong>, käme einem Sakrileg gleich: Worüber man nicht<br />

sprech<strong>en</strong> kann, darüber soll man schweig<strong>en</strong>. Über 30 Jahre nach ihrem<br />

Tod werd<strong>en</strong> immer noch jährlich eine Viertelmillion Callas-Platt<strong>en</strong><br />

verkauft – das spricht für sich.<br />

Ihr tragisches Leb<strong>en</strong>, das an gebroch<strong>en</strong>em Herz<strong>en</strong> zu En<strong>de</strong><br />

ging, glich <strong>de</strong>m <strong>de</strong>r Heldinn<strong>en</strong>, d<strong>en</strong><strong>en</strong> sie auf <strong>de</strong>r Bühne ihre überirdisch<br />

schöne Stimme gab. Das einstmals dicke Mädch<strong>en</strong> liebte ein<strong>en</strong><br />

Mann, <strong>de</strong>r aus einer an<strong>de</strong>r<strong>en</strong> Welt kam – Aristoteles Onassis. Der<br />

M<strong>en</strong>sch geword<strong>en</strong>e Gott Mammon. Es war sicher kein Zufall, dass<br />

sich in Pasolinis »Me<strong>de</strong>a«-Verfi lmung diese unglückliche Paarbeziehung<br />

– mit <strong>de</strong>r Callas in <strong>de</strong>r Hauptrolle – quasi spiegelte. Und ihr Biograf<br />

Nicholas Gage hätte für sein <strong>Buch</strong> kein<strong>en</strong> besser<strong>en</strong> Titel als »Griechisches<br />

Feuer« wähl<strong>en</strong> könn<strong>en</strong>.<br />

Sie war die Königin <strong>de</strong>r Oper, die durch sie – und durch niemand<br />

an<strong>de</strong>r<strong>en</strong> – zu neuer Popularität gelangte. Ein Ergebnis nicht zuletzt ihres<br />

schauspielerisch<strong>en</strong> Tal<strong>en</strong>ts, ihrer eindrücklich<strong>en</strong> Bewegung<strong>en</strong>, die bis dato<br />

auf d<strong>en</strong> Opernbühn<strong>en</strong> so gut wie nicht vorhand<strong>en</strong> war<strong>en</strong>. Die tragische<br />

und immer wie<strong>de</strong>r <strong>en</strong>ttäuschte Liebe zu Onassis umgab die Diva mit einer<br />

Aura <strong>de</strong>s Schmerzes, die sie schon zu Lebzeit<strong>en</strong> zum Mythos werd<strong>en</strong><br />

ließ. Und die Fantasie <strong>de</strong>r groß<strong>en</strong> Mo<strong>de</strong>macher anregte. Sie trug privat<br />

Mo<strong>de</strong>lle von Dior, Gucci und Yves Saint Laur<strong>en</strong>t. Val<strong>en</strong>tino schuf 2005<br />

ein schwarzes, gold- und silberbesticktes Bustierkleid, das Na<strong>om</strong>i Campbell<br />

als »H<strong>om</strong>mage an die Callas« vorführte. Und die Dolce & Gabbana-<br />

Kundinn<strong>en</strong> konnt<strong>en</strong> jüngst T-Shirts erwerb<strong>en</strong>, die Callas-Porträts zeigt<strong>en</strong><br />

und ein w<strong>en</strong>ig an die Warhol-Manier erinnert<strong>en</strong>. Die Callas lebt.<br />

<strong>Pretty</strong> W<strong>om</strong><strong>en</strong>


Bitte am Kopf<br />

etwas ansetz<strong>en</strong><br />

Maria Callas<br />

51


In einem Nichts von<br />

Kleid hauchte MM<br />

eine skandalöse<br />

Liebeserklärung.<br />

So konnte nur<br />

eine die Männer<br />

lock<strong>en</strong> – und nicht<br />

nur Millionäre.<br />

HAPPY<br />

BIRTHDAY<br />

Eine Leg<strong>en</strong><strong>de</strong> nam<strong>en</strong>s Marilyn<br />

Es macht mir nichts aus, in einer von Männern d<strong>om</strong>iniert<strong>en</strong> Welt<br />

zu leb<strong>en</strong>, solange ich darin eine Frau sein darf.« Und das durfte<br />

sie: Marilyn Monroe war die Frau. Und sie trug leg<strong>en</strong>däre Klei<strong>de</strong>r.<br />

Eines <strong>de</strong>r schönst<strong>en</strong>, auf jed<strong>en</strong> Fall aber das berühmteste Filmkleid war<br />

das von William Travilla kreierte <strong>de</strong>r berühmt<strong>en</strong> U-Bahn-Luftschacht-<br />

Sz<strong>en</strong>e in Manhattan. Trotz Absperrung war die Begeisterung <strong>de</strong>r Zuschauer,<br />

die anerk<strong>en</strong>n<strong>en</strong>d<strong>en</strong> Pfi ffe und das Klatsch<strong>en</strong>, damals so laut, dass<br />

Billy Wil<strong>de</strong>r die Sz<strong>en</strong>e in d<strong>en</strong> Studios in Hollywood nachdreh<strong>en</strong> musste.<br />

Der große Billy Wil<strong>de</strong>r war übrig<strong>en</strong>s begeistert von Marilyns Schlagfertigkeit<br />

und Humor, auch w<strong>en</strong>n er sich <strong>de</strong>s Öfter<strong>en</strong> kritisch über die<br />

Zusamm<strong>en</strong>arbeit mit MM, die schon damals oft nicht die Pünktlichste<br />

und Konz<strong>en</strong>trierteste am Set war, geäußert hat: »Sie hat ein<br />

außergewöhnlich gutes Händch<strong>en</strong> für witzige Dialoge. Sie war ein<br />

Gesch<strong>en</strong>k Gottes!«<br />

Auch ein an<strong>de</strong>rer berühmter Regisseur war ihrem Charme<br />

und ihrer Ausstrahlung erleg<strong>en</strong>: »Miss Monroe sieht wie<strong>de</strong>r<br />

einmal aus, als wür<strong>de</strong> sie im Dunkeln leucht<strong>en</strong>«, soll Howard<br />

Hawks gesagt hab<strong>en</strong>, <strong>de</strong>r mit ihr d<strong>en</strong> zweit<strong>en</strong><br />

leg<strong>en</strong>där<strong>en</strong> Filmauftritt in einem unvergesslich<strong>en</strong><br />

Kleid insz<strong>en</strong>ierte. Das lasziv hingehauchte »Diamonds<br />

are a Girl’s Best Fri<strong>en</strong>d« hätte in keinem<br />

an<strong>de</strong>r<strong>en</strong> Kleid besser gesung<strong>en</strong> werd<strong>en</strong> könn<strong>en</strong><br />

als in diesem wie angegoss<strong>en</strong> wirk<strong>en</strong>d<strong>en</strong><br />

pinkfarb<strong>en</strong><strong>en</strong> Traum. Dass Marilyn sich in so<br />

einem Kleid katz<strong>en</strong>haft leicht und elegant<br />

beweg<strong>en</strong>, tanz<strong>en</strong> und fe<strong>de</strong>rn<strong>de</strong> Sprünge in<br />

Männerarme vollführ<strong>en</strong> konnte, gr<strong>en</strong>zt an<br />

ein Wun<strong>de</strong>r. Die große Rück<strong>en</strong>schleife verlor


Marilyn Monroe<br />

53


Marilyn im Aufwind.<br />

Die vielleicht<br />

berühmtest<strong>en</strong> Fotos<br />

<strong>de</strong>r Filmgeschichte.<br />

54<br />

in keiner einzig<strong>en</strong> Tanzsituation ihre ta<strong>de</strong>llose Fasson (was an eingearbeitet<strong>en</strong><br />

Pfer<strong>de</strong>haar<strong>en</strong> lag, wie Travilla später einmal verriet). Der Song –<br />

er wur<strong>de</strong> v<strong>om</strong> American Film Institute auf Platz zwölf <strong>de</strong>r best<strong>en</strong> Filmsongs<br />

aller Zeit<strong>en</strong> gesetzt – war sozusag<strong>en</strong> das Sahnehäubch<strong>en</strong> <strong>de</strong>s Films<br />

»Blondin<strong>en</strong> bevorzugt«. Dess<strong>en</strong> Regisseur, <strong>de</strong>r ehemalige Pilot Howard<br />

Hawks, hatte sich im Filmgeschäft als Cutter, Filmarchitekt, Requisiteur,<br />

Stuntman, Regieassist<strong>en</strong>t regelrecht hochgedi<strong>en</strong>t, bevor er zum Star<br />

wur<strong>de</strong> und sich d<strong>en</strong> Anblick <strong>de</strong>r umwerf<strong>en</strong>d Schön<strong>en</strong> in »Blondin<strong>en</strong> bevorzugt«<br />

wahrlich verdi<strong>en</strong>t hatte. Allerdings hätte er dabei seine zu rosarote<br />

Brille vielleicht doch geleg<strong>en</strong>tlich absetz<strong>en</strong> soll<strong>en</strong>: William Travilla<br />

zumin<strong>de</strong>st war ein w<strong>en</strong>ig traurig, weil seine ursprünglich vorgeseh<strong>en</strong><strong>en</strong>,<br />

lang<strong>en</strong> schwarz<strong>en</strong> Handschuhe zum Pink-Kostümwun<strong>de</strong>r nicht zum Einsatz<br />

kam<strong>en</strong>, son<strong>de</strong>rn pinkfarb<strong>en</strong><strong>en</strong> weich<strong>en</strong> musst<strong>en</strong>.<br />

Dass Marilyn Monroe auch im Männerhemd, billig<strong>en</strong> Arbeitshos<strong>en</strong><br />

und mit einem Hanfstrick als Gürtel umwerf<strong>en</strong>d aussah, hat <strong>de</strong>r Film<br />

»Fluss ohne Wie<strong>de</strong>rkehr« bewies<strong>en</strong>. Und er zeigte, dass niemand diese<br />

schöne Frau besser anzieh<strong>en</strong> konnte als William Travilla. In <strong>de</strong>r Anfangssz<strong>en</strong>e<br />

von »Fluss ohne Wie<strong>de</strong>rkehr« brachte er ihre Beine auf eine Art<br />

und Weise zur Geltung, dass nicht nur Männern <strong>de</strong>r Atem wegbleibt. Mit<br />

<strong>de</strong>m grün<strong>en</strong>, beidseitig geschlitzt<strong>en</strong> Kleid wur<strong>de</strong> <strong>de</strong>r schönste »L<strong>en</strong>d<strong>en</strong>-<br />

<strong>Pretty</strong> W<strong>om</strong><strong>en</strong>


»Es macht<br />

mir nichts aus,<br />

in einer<br />

von Männern<br />

d<strong>om</strong>iniert<strong>en</strong><br />

Welt zu leb<strong>en</strong>,<br />

solange ich darin<br />

eine Frau sein<br />

darf.«<br />

Marilyn Monroe<br />

schurz« aller Zeit<strong>en</strong> geschaff<strong>en</strong>. Die damals noch s<strong>en</strong>sationell<strong>en</strong> Cinema-<br />

Scope-Bil<strong>de</strong>r von Kameramann Joseph LaShelle bracht<strong>en</strong> nicht nur die<br />

großartige kanadische Landschaft zur Geltung, son<strong>de</strong>rn auch d<strong>en</strong> Körper<br />

<strong>de</strong>r Hauptdarstellerin. Die Beine von Marilyn steckt<strong>en</strong> in Netzstrümpf<strong>en</strong>,<br />

die damit <strong>en</strong>dlich auch fürs Kino <strong>en</strong>t<strong>de</strong>ckt wurd<strong>en</strong>, nach<strong>de</strong>m sie zuvor<br />

eher als etwas anrüchig galt<strong>en</strong> und d<strong>en</strong> Revu<strong>en</strong> vorbehalt<strong>en</strong> war<strong>en</strong>. Travilla<br />

machte zwei Schlitze ins Kleid und ganz neb<strong>en</strong>bei die Netzstrümpfe<br />

»saloon-fähig«. Dass man diese schön<strong>en</strong>, perfekt geformt<strong>en</strong> Beine <strong>de</strong>r<br />

MM in diesem Film nach d<strong>en</strong> Eingangssz<strong>en</strong><strong>en</strong> im Saloon nicht mehr zu<br />

seh<strong>en</strong> bekam, lag daran, dass die Schöne sich währ<strong>en</strong>d <strong>de</strong>r Dreharbeit<strong>en</strong><br />

ein<strong>en</strong> Fuß gebroch<strong>en</strong> hatte.<br />

Nach <strong>de</strong>m bisher Gesagt<strong>en</strong> glaub<strong>en</strong> Sie sicher, dass man eine<br />

Monroe nicht so einfach rauswerf<strong>en</strong> kann. Aber das ist gescheh<strong>en</strong>. Sie<br />

arbeitete an ihrem letzt<strong>en</strong>, nie fertiggestellt<strong>en</strong> Film – »S<strong>om</strong>ething’s Got<br />

to Give« – und mel<strong>de</strong>te sich bereits am erst<strong>en</strong> Drehtag beim Produz<strong>en</strong>t<strong>en</strong><br />

krank. Und das sollte so weitergeh<strong>en</strong>: Von 30 Drehtag<strong>en</strong> war sie nur<br />

17 am Set. In die Zeit ihrer Krankmeldung fi el <strong>de</strong>r 45. Geburtstag von<br />

Präsid<strong>en</strong>t John F. K<strong>en</strong>nedy, für d<strong>en</strong> sie nach New York fl og, um am 29.<br />

Mai 1962 im Madison Square Gard<strong>en</strong> das berühmte Lied im eb<strong>en</strong>so berühmt-verrucht<strong>en</strong><br />

Kleid zu sing<strong>en</strong>. Es wur<strong>de</strong> nie bewies<strong>en</strong> (also wahrscheinlich<br />

gut vertuscht), dass Marilyn ein Verhältnis mit <strong>de</strong>m Präsid<strong>en</strong>t<strong>en</strong><br />

hatte. Doch ihr Vortrag an diesem Ab<strong>en</strong>d wirkte wie ein Eingeständnis,<br />

zumal Jackie K<strong>en</strong>nedy <strong>de</strong>r Veranstaltung <strong>de</strong>monstrativ fernblieb. Und das<br />

Marilyn Monroe 55<br />

links<br />

Sie liebte kluge<br />

Männer: Arthur<br />

Miller war<br />

Marilyns zweiter<br />

Ehemann.<br />

rechts<br />

Einmal ganz<br />

unglamourös (aber<br />

bezaubernd) – in<br />

»Fluss ohne<br />

Wie<strong>de</strong>rkehr«.<br />

Doppelseite<br />

Sie weiß, wie es geht:<br />

So und nicht an<strong>de</strong>rs<br />

»angelt man sich<br />

ein<strong>en</strong> Millionär«.


56 <strong>Pretty</strong> W<strong>om</strong><strong>en</strong>


Anita Ekberg<br />

57


Wer sich fragt,<br />

warum »Blondin<strong>en</strong><br />

bevorzugt« werd<strong>en</strong>:<br />

Dieses Bild gibt die<br />

Antwort.<br />

Marilyn mit William<br />

Travilla, einem<br />

<strong>de</strong>r größt<strong>en</strong><br />

Kostüm<strong>de</strong>signer<br />

Hollywoods.<br />

58<br />

Kleid, das die Monroe von Großmeister Jean Louis für dies<strong>en</strong> Anlass fertig<strong>en</strong><br />

ließ, sprach Bän<strong>de</strong>. Nur einmal wirkte sie nackter als an diesem Tag<br />

im Mai: auf Nacktfotos, die sie 1949 aus Geldnot mach<strong>en</strong> ließ und die ein<br />

paar Jahre später ein<strong>en</strong> Skandal auslöst<strong>en</strong>. Von einem Journalist<strong>en</strong> befragt,<br />

ob sie bei diesem Fotoshooting wirklich nichts an hatte, soll sie<br />

gesagt hab<strong>en</strong>: »Doch, das Radio!« Zwei Monate nach <strong>de</strong>r als Geburtstagsgesch<strong>en</strong>k<br />

getarnt<strong>en</strong> »Liebeserklärung« an d<strong>en</strong> Präsid<strong>en</strong>t<strong>en</strong> war Marilyn<br />

Monroe tot.<br />

Über dies<strong>en</strong> Tod wird bis heute gerätselt – aber gera<strong>de</strong> er ist es,<br />

<strong>de</strong>r das Rätsel Marilyn noch geheimnisvoller macht. Diese Frau und ihre<br />

Art zu geh<strong>en</strong>, sich zu beweg<strong>en</strong> und Klei<strong>de</strong>r zu trag<strong>en</strong> wurd<strong>en</strong> zum Mythos<br />

schlechthin. Hun<strong>de</strong>rttaus<strong>en</strong><strong>de</strong> versucht<strong>en</strong> und versuch<strong>en</strong> sie zu<br />

imitier<strong>en</strong>. Vergeb<strong>en</strong>s.<br />

<strong>Pretty</strong> W<strong>om</strong><strong>en</strong><br />

»Miss Monroe<br />

sieht wie<strong>de</strong>r<br />

einmal aus, als<br />

wür<strong>de</strong> sie<br />

im Dunkeln<br />

leucht<strong>en</strong>.«<br />

Howard Hawks


Marilyn Monroe<br />

59


DAS<br />

BLUTKOSTÜM<br />

Die Witwe trug Giv<strong>en</strong>chy<br />

Der schwere Weg<br />

<strong>de</strong>r K<strong>en</strong>nedys in<br />

Arlington – die<br />

ganze Welt trauerte<br />

mit <strong>de</strong>r Präsid<strong>en</strong>t<strong>en</strong>familie.<br />

Jackie ist Witwe:<br />

Im noch blutbefl eckt<strong>en</strong><br />

Kostüm bei <strong>de</strong>r<br />

Ankunft in Washington.<br />

Es gibt Tage, die schon in <strong>de</strong>r Geg<strong>en</strong>wart zu Geschichte werd<strong>en</strong>.<br />

So wie M<strong>en</strong>sch<strong>en</strong> sich daran erinnern, wo sie war<strong>en</strong>, als am 9.<br />

November 1989 die Berliner Mauer fi el o<strong>de</strong>r am 21. August 1968<br />

durch d<strong>en</strong> Einmarsch <strong>de</strong>r Warschauer-Pakt-Trupp<strong>en</strong> <strong>de</strong>r »Prager Frühling«<br />

im Keim erstickt wur<strong>de</strong>, so erinnern sich diej<strong>en</strong>ig<strong>en</strong>, die damals<br />

schon als Erwachs<strong>en</strong>e o<strong>de</strong>r Te<strong>en</strong>ager lebt<strong>en</strong>, noch sehr g<strong>en</strong>au an d<strong>en</strong><br />

22. November 1963. Es war <strong>de</strong>r Tag, an <strong>de</strong>m John F. K<strong>en</strong>nedy in Dallas<br />

ermor<strong>de</strong>t wur<strong>de</strong>. Er war <strong>de</strong>r Präsid<strong>en</strong>t <strong>de</strong>r Vereinigt<strong>en</strong> Staat<strong>en</strong>, <strong>de</strong>r verehrt<br />

und geliebt wur<strong>de</strong> und mit <strong>de</strong>m vor allem die Jug<strong>en</strong>d <strong>de</strong>r ganz<strong>en</strong><br />

Welt eb<strong>en</strong>so viele Hoffnung<strong>en</strong> verband wie heute mit Barack Obama.<br />

Mit diesem warm<strong>en</strong>, sonnig<strong>en</strong> Novembertag verbin<strong>de</strong>t sich auf<br />

traurige Weise auch ein unvergessliches Kleidungsstück: das rosafarb<strong>en</strong>e<br />

Wollkostüm aus <strong>de</strong>r Chanel-Kollektion, das Jacqueline K<strong>en</strong>nedy trug,<br />

weil die Wettervorhersage kühle Temperatur<strong>en</strong> für Dallas angekündigt<br />

hatte. Es war nach d<strong>en</strong> tödlich<strong>en</strong> Schüss<strong>en</strong> mit <strong>de</strong>m Blut <strong>de</strong>s Präsid<strong>en</strong>t<strong>en</strong><br />

besu<strong>de</strong>lt. Dieser Anblick hat sich unvergesslich in das kollektive Gedächtnis<br />

<strong>de</strong>r Welt eingebrannt.<br />

Es heißt, Jacqueline K<strong>en</strong>nedy habe sich damals geweigert, die<br />

Kleidung zu wechseln, weil sie <strong>de</strong>r ganz<strong>en</strong> Welt zeig<strong>en</strong> wollte, was man<br />

ihrem Mann – <strong>de</strong>m mächtigst<strong>en</strong> Staatschef <strong>de</strong>r Welt – angetan hat. Sie<br />

trug das befl eckte Kostüm auch dann noch, als <strong>de</strong>r Vizepräsid<strong>en</strong>t Lyndon<br />

B. Johnson an Bord <strong>de</strong>r »Air Force One« an ihrer Seite d<strong>en</strong> Amtseid ablegte.<br />

Dass die Präsid<strong>en</strong>t<strong>en</strong>witwe auch beim Staatsbegräbnis mo<strong>de</strong>bewusst<br />

war, nahm<strong>en</strong> ihr viele übel: Sie ließ ein schwarzes Mo<strong>de</strong>ll von<br />

Giv<strong>en</strong>chy aus Paris einfl ieg<strong>en</strong>, wo man die Maße aller K<strong>en</strong>nedy-Frau<strong>en</strong> –<br />

wohl für eilige Fälle, so sagt das böse Gerücht – vorlieg<strong>en</strong> hatte.<br />

60 <strong>Pretty</strong> W<strong>om</strong><strong>en</strong>


Jacqueline K<strong>en</strong>nedy<br />

61


KAROMANIA.<br />

VERY BRITISH!<br />

Was die Que<strong>en</strong> und Col<strong>om</strong>bo<br />

gemeinsam hab<strong>en</strong><br />

Kate Moss ist<br />

eine <strong>de</strong>r einfl ussreichst<strong>en</strong>Botschafterinn<strong>en</strong><br />

von<br />

Burberrys neuem<br />

Stil …<br />

DOPPELSEITE<br />

... und Christopher<br />

Bailey beweist mit<br />

je<strong>de</strong>r Kollektion,<br />

dass es auch ganz<br />

ohne Karos geht.<br />

Auch coole<br />

<strong>en</strong>glische Hun<strong>de</strong><br />

fühl<strong>en</strong> sich in<br />

Burberry rundum so<br />

richtig mopswohl.<br />

Auf Dauer hätte man allein von <strong>de</strong>r Que<strong>en</strong>, von Col<strong>om</strong>bo- und<br />

Bogart-Fans nicht leb<strong>en</strong> könn<strong>en</strong> und auch nicht von d<strong>en</strong> <strong>de</strong>r Insel<br />

freundlich gesonn<strong>en</strong><strong>en</strong> Hamburgern. Die Marke Burberry<br />

brauchte Blutauffrischung. Also sann man auf Abhilfe, und da traf es sich<br />

gut, dass <strong>de</strong>r <strong>en</strong>glische Designer Christopher Bailey nach neu<strong>en</strong> Herausfor<strong>de</strong>rung<strong>en</strong><br />

suchte. Er hatte bereits in New York an <strong>de</strong>r Seite von Donna<br />

Karan gearbeitet und zusamm<strong>en</strong> mit T<strong>om</strong> Ford das Label Gucci zu ungeahnt<strong>en</strong><br />

Umsatzhöh<strong>en</strong> gebracht. Aber was kann man aus so viel Tradition<br />

und so viel Karos schon mach<strong>en</strong>? Noch dazu, w<strong>en</strong>n sie das Zeich<strong>en</strong> für<br />

Burberry sind, so wie das LV für Louis Vuitton, das GG für Gucci o<strong>de</strong>r das<br />

CC für Chanel?<br />

Bailey hat es geschafft. Eine neue Dam<strong>en</strong>kollektion, die die Verwandtschaft<br />

mit d<strong>en</strong> Stammvätern zunächst noch durchblitz<strong>en</strong> ließ, bis<br />

sie sich immer mehr emanzipierte und die Karos immer mehr »un<strong>de</strong>rcover«<br />

lief<strong>en</strong>. Und inzwisch<strong>en</strong> ganz <strong>de</strong>m fi rm<strong>en</strong>eig<strong>en</strong><strong>en</strong> Logo <strong>de</strong>s Ritters<br />

auf steig<strong>en</strong><strong>de</strong>m Pferd mit <strong>de</strong>m Motto »Prorsum« (Vorwärts! – was für ein<br />

Zeich<strong>en</strong>!) gewich<strong>en</strong> sind. Als Christopher Bailey von »Bunte«-Chefredakteurin<br />

Patricia Riekel 2007 <strong>de</strong>r Mo<strong>de</strong>-Bambi überreicht wur<strong>de</strong>, geschah<br />

das für »britische Coolness mit frischem Rock’n’Roll-Style und perfekte<br />

Schnei<strong>de</strong>rkunst«. Und weil sich die neue Burberry-Linie zu einem <strong>de</strong>r<br />

wichtigst<strong>en</strong> Labels <strong>de</strong>r Mo<strong>de</strong>welt <strong>en</strong>twickelt hat.<br />

Allein an d<strong>en</strong> namhaft<strong>en</strong> Trägerinn<strong>en</strong> und Botschafterinn<strong>en</strong> kann<br />

das nicht geleg<strong>en</strong> hab<strong>en</strong> – zumal sie sehr unterschiedlich sind: Skandal-<br />

Lady Kate Moss sieht in Baileys Kreation<strong>en</strong> eb<strong>en</strong>so umwerf<strong>en</strong>d aus wie<br />

die unschuldige Emma Watson, Harry Potters altkluge Freundin Hermine<br />

Granger. So hat <strong>de</strong>r Englän<strong>de</strong>r Christopher Bailey die Traditionsmarke<br />

seiner Insel gerettet. Ein Harry Potter <strong>de</strong>r Mo<strong>de</strong>? Auf jed<strong>en</strong> Fall sind seine<br />

Kollektion<strong>en</strong> zauberhaft.


Christopher Bailey<br />

63


GEISHA-<br />

ROMANTIK<br />

Man<strong>de</strong>läugige Mo<strong>de</strong>grüße<br />

aus Fernost<br />

45 Topmo<strong>de</strong>ls<br />

präs<strong>en</strong>tier<strong>en</strong><br />

John Gallianos<br />

H<strong>om</strong>mage an<br />

das Shanghai <strong>de</strong>r<br />

30er-Jahre.<br />

Greta Garbo in<br />

einem atemberaub<strong>en</strong>d<strong>en</strong><br />

Kostüm<br />

für ihr<strong>en</strong> »Mata<br />

Hari«-Film.<br />

Die Faszination, die asiatische Kultur und Mo<strong>de</strong> auf d<strong>en</strong> West<strong>en</strong><br />

ausüb<strong>en</strong>, ist so alt wie Marco Polos erste Berichte. Aber spätest<strong>en</strong>s<br />

seit die Asi<strong>en</strong>-R<strong>om</strong>ane von Pearl S. Buck Million<strong>en</strong>auflag<strong>en</strong><br />

erreicht<strong>en</strong> und auch Hollywood d<strong>en</strong> Fern<strong>en</strong> Ost<strong>en</strong> <strong>en</strong>t<strong>de</strong>ckte, ist<br />

<strong>de</strong>r »Asi<strong>en</strong>«-Look auch bei d<strong>en</strong> Mo<strong>de</strong>machern angek<strong>om</strong>m<strong>en</strong>.<br />

Greta Garbo faszinierte in <strong>de</strong>r Rolle <strong>de</strong>r Tänzerin und Spionin<br />

Mata Hari mit Gilbert Adrians exotischst<strong>en</strong> Kostüm<strong>en</strong> <strong>de</strong>r Filmgeschichte.<br />

Ingrid Bergman und Curd Jürg<strong>en</strong>s spielt<strong>en</strong> sich in »Die Herberge<br />

zur 6. Glückseligkeit« in alle Frau<strong>en</strong>herz<strong>en</strong>, und Europa hat damit<br />

etwas über das schmerzhafte Abbind<strong>en</strong> <strong>de</strong>r Frau<strong>en</strong>füße in China erfahr<strong>en</strong>.<br />

Aber ein<strong>en</strong> modisch<strong>en</strong> Hype hab<strong>en</strong> erst Filme ausgelöst wie »Meine<br />

Geisha«: Shirley McLaine als verklei<strong>de</strong>te Geisha, die von ihrem Mann,<br />

gespielt von Yves Montand, nicht wie<strong>de</strong>rerkannt wird. Das Publikum lief<br />

in Ström<strong>en</strong> in die Kinos, und alle Frau<strong>en</strong> wollt<strong>en</strong> Geishas sein. Kimonos,<br />

Kirschblüt<strong>en</strong> im Haar und Seid<strong>en</strong>brokat hatt<strong>en</strong> von Paris bis Mailand und<br />

New York Hochsaison. Und das bis heute in kurz<strong>en</strong> Abständ<strong>en</strong> – und<br />

modifi ziert – immer wie<strong>de</strong>r.<br />

John Galliano begann sein Wirk<strong>en</strong> bei Dior mit einer H<strong>om</strong>mage<br />

an das modische Shanghai <strong>de</strong>r 1930er-Jahre und verblüffte sein Publikum<br />

damals mit einer Geisha-Kollektion, die bei seinem zehnjährig<strong>en</strong><br />

Jubiläum vor w<strong>en</strong>ig<strong>en</strong> Jahr<strong>en</strong> mit Jubel gefeiert wur<strong>de</strong>. Yves Saint Laur<strong>en</strong>t<br />

zeigte 1998 chinesisch angehauchte Mo<strong>de</strong>lle, und Roberto Cavalli<br />

<strong>en</strong>twarf <strong>en</strong>tsprech<strong>en</strong><strong>de</strong> Stoffmuster. Währ<strong>en</strong>d in Tokio und Peking<br />

Armani, Burberry und Prada getrag<strong>en</strong> wur<strong>de</strong> und wird, huldigt<strong>en</strong> die<br />

Couturier-Götter – von Lacroix bis Gucci – 2004 in sonst selt<strong>en</strong>er Einhelligkeit<br />

<strong>de</strong>m Asi<strong>en</strong>-Look. Sogar Cartier trug <strong>de</strong>m Tr<strong>en</strong>d mit seiner<br />

Schmuck-Kollektion »Kiss of the Dragon« Rechnung. Die Mo<strong>de</strong>sonne<br />

geht seither immer öfter im Ost<strong>en</strong> auf.<br />

66 <strong>Pretty</strong> W<strong>om</strong><strong>en</strong>


Anita Asi<strong>en</strong>-Look<br />

Ekberg 67


S<strong>en</strong>krechtstarter <strong>de</strong>r<br />

Mo<strong>de</strong>: D<strong>om</strong><strong>en</strong>ico<br />

Dolce und Stefano<br />

Gabbana.<br />

Ein Kleid wie eine<br />

Hochzeitstorte:<br />

ein D&G-Mo<strong>de</strong>ll aus<br />

<strong>de</strong>r S<strong>om</strong>mer-Kollektion<br />

2010.<br />

GOLDEN<br />

BOYS<br />

Die Shootingstars <strong>de</strong>r Mo<strong>de</strong><br />

Die »süß<strong>en</strong> Jungs«, wie sie von ihrer Freundin Madonna g<strong>en</strong>annt<br />

werd<strong>en</strong>, traf<strong>en</strong> sich beim »Klink<strong>en</strong>putz<strong>en</strong>«. Man schrieb das<br />

Jahr 1982 – <strong>de</strong>r Sizilianer D<strong>om</strong><strong>en</strong>ico Dolce und <strong>de</strong>r aus <strong>de</strong>m<br />

V<strong>en</strong>eto stamm<strong>en</strong><strong>de</strong> Stefano Gabbana bot<strong>en</strong> ihre Mo<strong>de</strong>zeichnung<strong>en</strong> an,<br />

aber mit w<strong>en</strong>ig Erfolg. Und so versucht<strong>en</strong> sie es gemeinsam. Unter erschwert<strong>en</strong><br />

Bedingung<strong>en</strong>, d<strong>en</strong>n Sizili<strong>en</strong> und Norditali<strong>en</strong> geht eig<strong>en</strong>tlich<br />

gar nicht! Aber es ging prima. Schon vier Jahre später stellt<strong>en</strong> <strong>de</strong>r Schnei<strong>de</strong>rsohn<br />

Dolce und <strong>de</strong>r Grafi ker Gabbana ihre erste Kollektion vor. Und<br />

die war wun<strong>de</strong>rbar an<strong>de</strong>rs als alles, was aus d<strong>en</strong> berühmt<strong>en</strong> Couture-<br />

Häusern kam. Ihr<strong>en</strong> Entwürf<strong>en</strong> ist anzuseh<strong>en</strong>, dass sie weibliche Frau<strong>en</strong><br />

wie Sophia Lor<strong>en</strong>, »Gina nazionale«, Anna Magnani (die steht ganz ob<strong>en</strong><br />

auf ihrer Nostalgie-Erinnerungsliste) verehr<strong>en</strong> und von ihn<strong>en</strong> animiert<br />

werd<strong>en</strong>. Natürlich auch Madonna, die Freundin, die sogar die neue Kollektion<br />

präs<strong>en</strong>tiert.<br />

Dolce & Gabbana-Mo<strong>de</strong> ist sinnlich und frech zugleich. Schwarze<br />

Strümpfe, Unterwäsche als Oberbekleidung getrag<strong>en</strong>, Petticoats, Rüsch<strong>en</strong><br />

und Tüll, Frans<strong>en</strong>, Korsag<strong>en</strong>oberteile mit Perl<strong>en</strong>, Strass und groß<strong>en</strong><br />

Glasstein<strong>en</strong> – es wirkt immer unschuldig und sehr sexy zugleich. Selbst<br />

w<strong>en</strong>n sie str<strong>en</strong>ge Hos<strong>en</strong>anzüge kreier<strong>en</strong>, ist die Rück<strong>en</strong>partie <strong>de</strong>r Weste<br />

aus Spitze. So <strong>en</strong>tstand ein Dolce & Gabbana-Stil, <strong>de</strong>r von <strong>de</strong>r Presse als<br />

»Boutiqu<strong>en</strong>-Look für d<strong>en</strong> Konfer<strong>en</strong>zraum« bezeichnet wur<strong>de</strong>. Währ<strong>en</strong>d<br />

sich Stefano auch vorstell<strong>en</strong> könnte, ein Rockstar wie Elvis geword<strong>en</strong> zu<br />

sein, schwärmt D<strong>om</strong><strong>en</strong>ico für »Africa« von Toto. Die Shows <strong>de</strong>r beid<strong>en</strong><br />

katholisch<strong>en</strong> Opernfans beginn<strong>en</strong> jedoch immer mit <strong>de</strong>m Intermezzo<br />

aus Mascagnis »Cavalleria Rusticana«. Diese Bandbreite lieb<strong>en</strong> emanzipierte<br />

Frau<strong>en</strong> wie Demi Moore, Isabella Rossellini, Julia Roberts, J<strong>en</strong>nifer<br />

Lopez und Eva M<strong>en</strong><strong>de</strong>s. Madonna schnipselt für sie sogar in <strong>de</strong>r Küche<br />

Gemüse.<br />

68 <strong>Pretty</strong> W<strong>om</strong><strong>en</strong>


Dolce & Gabbana<br />

69


HIMMLISCHE<br />

FEDERN<br />

Yves und Zizi Jeanmaire<br />

»Eine Revue<br />

auszustatt<strong>en</strong> ist so,<br />

als wür<strong>de</strong> man die<br />

Welt neu erfi nd<strong>en</strong>.«<br />

Zizi Jeanmaire ist<br />

die schönste<br />

leb<strong>en</strong>dig geword<strong>en</strong>e<br />

Pu<strong>de</strong>rquaste <strong>de</strong>r<br />

Welt.<br />

Ohne sie wäre Paris nicht Paris!« Davon ist ihr Partner und Ehemann,<br />

<strong>de</strong>r Tänzer und Choreograf Roland Petit, überzeugt.<br />

Und für Ballettfans gehört Zizi Jeanmaire sowieso zu d<strong>en</strong> groß<strong>en</strong><br />

ihrer Zunft: Sie tanzte nicht zufällig mit Rudolf Nurejew in <strong>de</strong>m Film<br />

»Der Jüngling und <strong>de</strong>r Tod« und Mikhail Baryschnikow. Bekannt wur<strong>de</strong><br />

die 1924 in Paris gebor<strong>en</strong>e Zizi mit <strong>de</strong>m von Roland Petit nach Bizet choreografi<br />

ert<strong>en</strong> Ballett »Carm<strong>en</strong>«, das 1949 in London produziert wur<strong>de</strong><br />

und das seither auf <strong>de</strong>r ganz<strong>en</strong> Welt 5000 Mal aufgeführt wur<strong>de</strong>.<br />

Zizi Jeanmaire begann als Primaballerina an <strong>de</strong>r Pariser Oper, war<br />

dann von »Les Ballets <strong>de</strong> Monte-Carlo« <strong>en</strong>gagiert und wechselte zu d<strong>en</strong><br />

»Ballets <strong>de</strong>s Champs-Elysées«. In Hollywood war sie in Musical-Verfi lmung<strong>en</strong><br />

zu seh<strong>en</strong>, u.a. als Partnerin von Bing Crosby in »Anything Goes«<br />

nach Cole Porter. Und an <strong>de</strong>r Seite von Eddie Constantin machte sie in<br />

»Folies-Bergères« (»Paradies <strong>de</strong>r Liebe«) Werbung für die Seine-Stadt<br />

und erfüllte damit alle Klischeevorstellung<strong>en</strong> von Tourist<strong>en</strong>.<br />

Aber in d<strong>en</strong> Köpf<strong>en</strong> <strong>de</strong>r meist<strong>en</strong> M<strong>en</strong>sch<strong>en</strong> ist Zizi Jeanmaire mit<br />

ihr<strong>en</strong> s<strong>en</strong>sationell<strong>en</strong> Bühn<strong>en</strong>shows geblieb<strong>en</strong>, von d<strong>en</strong><strong>en</strong> ihr Mann über<br />

60 mit ihr produziert hat. All<strong>en</strong> voran »Mon truc <strong>en</strong> plumes«, in <strong>de</strong>r sie<br />

auch zum erst<strong>en</strong> Mal das gleichnamige Chanson sang. Ein optischer und<br />

akustischer Hochg<strong>en</strong>uss.<br />

Die meist<strong>en</strong> dieser b<strong>om</strong>bastisch<strong>en</strong>, s<strong>en</strong>sationell<strong>en</strong> Shows hat<br />

Yves Saint Laur<strong>en</strong>t ausgestattet, mit <strong>de</strong>m die Künstlerin bis zu seinem<br />

Tod befreun<strong>de</strong>t war und <strong>de</strong>r ihr<strong>en</strong> Bühn<strong>en</strong>auftritt<strong>en</strong>, in d<strong>en</strong><strong>en</strong> er oft und<br />

unnachahmlich mit Fe<strong>de</strong>rn experim<strong>en</strong>tierte, sein<strong>en</strong> unverwechselbar<strong>en</strong><br />

Charme gab. In Verbindung mit ihr<strong>en</strong> Chansons, geschrieb<strong>en</strong> von Serge<br />

Gainsbourg und Jaques Prévert (und ihrer Tochter) wur<strong>de</strong> sie <strong>en</strong>dgültig<br />

zur französisch<strong>en</strong> Leg<strong>en</strong><strong>de</strong>.<br />

70 <strong>Pretty</strong> W<strong>om</strong><strong>en</strong>


Zizi Jeanmaire<br />

71


FRÜHSTÜCK<br />

BEI TIFFANY<br />

Audrey – die schönste Frau <strong>de</strong>r Welt<br />

Audrey als Holly<br />

Golightly. Eine<br />

Rolle, die Truman<br />

Capote für die<br />

Monroe schrieb.<br />

Und immer noch<br />

ist sie die schönste<br />

Gazelle, die je<br />

als Frau auf Erd<strong>en</strong><br />

wan<strong>de</strong>lte.<br />

Audrey Hepburn, die Tochter einer holländisch<strong>en</strong> Baronin und<br />

eines <strong>en</strong>glisch<strong>en</strong> Bankiers, hatte d<strong>en</strong> Zweit<strong>en</strong> Weltkrieg unter<br />

groß<strong>en</strong> Entbehrung<strong>en</strong> in Holland überlebt, machte eine Ballettausbildung<br />

in England und kam 1951 wie ein Wirbelsturm über Amerika:<br />

In diesem Jahr tanzte sie am Broadway die »Gigi« und wur<strong>de</strong> dort<br />

von Hollywood <strong>en</strong>t<strong>de</strong>ckt. Schon 1954 erhielt sie für ihre Rolle in »Ein<br />

Herz und eine Krone« an <strong>de</strong>r Seite von Gregory Peck d<strong>en</strong> Oscar für die<br />

beste Hauptdarstellerin. Die Friseure jubelt<strong>en</strong>, weil die Frau<strong>en</strong> aufgrund<br />

<strong>de</strong>r Haarschnittsz<strong>en</strong>e in diesem Film plötzlich modische Kurzhaarfrisur<strong>en</strong><br />

hab<strong>en</strong> wollt<strong>en</strong>. Te<strong>en</strong>ager auf <strong>de</strong>r ganz<strong>en</strong> Welt kopiert<strong>en</strong> ihre Art, sich<br />

zu kleid<strong>en</strong>: Der »Audrey-Stil« war gebor<strong>en</strong>. Und er hatte Regeln: Beachte<br />

<strong>de</strong>in<strong>en</strong> Körpertyp, zieh dich bequem an, damit du dich natürlich beweg<strong>en</strong><br />

kannst, lebe gesund, achte auf <strong>de</strong>ine Haltung, schminke dich <strong>de</strong>z<strong>en</strong>t,<br />

sei fröhlich und lächle, d<strong>en</strong>n Schönheit k<strong>om</strong>mt von inn<strong>en</strong>, und<br />

dann darf Kleidung auch leger und einfach sein. Mo<strong>de</strong> wur<strong>de</strong> schon<br />

immer von pr<strong>om</strong>in<strong>en</strong>t<strong>en</strong> Frau<strong>en</strong> populär gemacht, aber nur w<strong>en</strong>ige<br />

hab<strong>en</strong> so stilbild<strong>en</strong>d gewirkt wie die Europäerin Audrey Hepburn:<br />

Sie revolutionierte die damals in Hollywood vorherrsch<strong>en</strong><strong>de</strong> Üppigkeit<br />

à la Monroe und schuf damit völlig neue Sehnsüchte.<br />

Es war das G<strong>en</strong>ie Billy Wil<strong>de</strong>r, das d<strong>en</strong> groß<strong>en</strong> Couturier<br />

Hubert <strong>de</strong> Giv<strong>en</strong>chy mit seiner Muse Audrey Hepburn zusamm<strong>en</strong>brachte.<br />

Er schickte seine »Sabrina«-Darstellerin<br />

nach Paris, um Pariser Mo<strong>de</strong>llklei<strong>de</strong>r<br />

einzukauf<strong>en</strong>. So wollte er glaubhafter<br />

mach<strong>en</strong>, dass aus <strong>de</strong>r Chauffeurtochter<br />

Sabrina, <strong>de</strong>m klein<strong>en</strong>


Audrey Hepburn<br />

73


Audrey auf<br />

<strong>de</strong>m Ba<strong>de</strong>wann<strong>en</strong>-<br />

Sofa: George<br />

Peppard fand sie<br />

zum Nie<strong>de</strong>rkni<strong>en</strong>.<br />

74<br />

»hässlich<strong>en</strong> Entlein«, eine elegante Lady mit europäischem Flair geword<strong>en</strong><br />

war. Ein Arrangem<strong>en</strong>t, das seiner Hauptdarstellerin sehr gefi el, d<strong>en</strong>n<br />

sie sagte einmal in einem Interview, dass sie schöne Klei<strong>de</strong>r so sehr liebe,<br />

dass sie diese Neigung schon selbst als lasterhaft empfän<strong>de</strong>.<br />

Die Hepburn war bei Giv<strong>en</strong>chy angemel<strong>de</strong>t, doch dieser schi<strong>en</strong><br />

auf ein<strong>en</strong> Termin nicht son<strong>de</strong>rlich erpicht, da er sich mitt<strong>en</strong> in <strong>de</strong>r Vorbereitung<br />

einer neu<strong>en</strong> Kollektion befand. Außer<strong>de</strong>m gab es wohl eine<br />

K<strong>om</strong>munikationspanne, d<strong>en</strong>n <strong>de</strong>r Couturier war <strong>de</strong>r Meinung, es handle<br />

sich um Katharine Hepburn. Aus dieser erst<strong>en</strong> Irritation erwuchs dann<br />

aber eine große Freundschaft, und das Zauberwes<strong>en</strong> Audrey wur<strong>de</strong> ab<br />

sofort zu Giv<strong>en</strong>chys befl ügeln<strong>de</strong>r Muse. Der junge, damals noch aufstreb<strong>en</strong><strong>de</strong><br />

Mo<strong>de</strong>schöpfer – er war nur drei Jahre älter als Audrey – sagte<br />

über sie: »Sie gab mein<strong>en</strong> Klei<strong>de</strong>rn Leb<strong>en</strong> … sie passt<strong>en</strong> sich ihr an.« Und<br />

<strong>de</strong>r ›Sabrina‹-Drehbuchautor Ernest Lehmann meinte: »Die Art und<br />

Weise, wie Audrey in ›Sabrina‹ aussah, hat all ihre später<strong>en</strong> Roll<strong>en</strong> beeinfl<br />

usst. Man könnte sag<strong>en</strong>, wäre sie damals nicht zum Einkauf<strong>en</strong> nach<br />

<strong>Pretty</strong> W<strong>om</strong><strong>en</strong>


»Giv<strong>en</strong>chys<br />

lieb<strong>en</strong>swert<br />

einfache<br />

Gar<strong>de</strong>robe gab<br />

mir immer<br />

das Gefühl, die<br />

zu sein, die ich<br />

spiele.«<br />

Audrey Hepburn<br />

Paris gefl og<strong>en</strong>, hätte sie nie ihre Rolle in ›Frühstück bei Tiffany‹ spiel<strong>en</strong><br />

könn<strong>en</strong>.« Aber egal, ob diese Hollywood Anekdot<strong>en</strong> stimm<strong>en</strong> o<strong>de</strong>r<br />

nicht – Audreys »Sabrina«-Ab<strong>en</strong>dkleid aus Billy Wil<strong>de</strong>rs Original hat<br />

ein<strong>en</strong> fest<strong>en</strong>, unverrückbar<strong>en</strong> Platz in je<strong>de</strong>m Frau<strong>en</strong>herz<strong>en</strong>.<br />

Audrey Hepburn selbst sagte über Giv<strong>en</strong>chy, dass er ihr ein<strong>en</strong><br />

eig<strong>en</strong><strong>en</strong> Look gesch<strong>en</strong>kt hätte, <strong>de</strong>r es ihr überhaupt erst möglich gemacht<br />

hätte, d<strong>en</strong> Beruf <strong>de</strong>r Schauspielerin auszuüb<strong>en</strong>: »Es war eine <strong>en</strong>orme<br />

Hilfe zu wiss<strong>en</strong>, dass ich so aussehe, wie meine Rolle es verlangt. Der Rest<br />

war dann nicht mehr so schwer: Giv<strong>en</strong>chys lieb<strong>en</strong>swert einfache Gar<strong>de</strong>robe<br />

gab mir immer das Gefühl, die zu sein, die ich spiele.«<br />

Wer an »Frühstück bei Tiffany« d<strong>en</strong>kt, hat sofort die Melodie<br />

von »Moon River« im Ohr – und die wun<strong>de</strong>rbare Audrey Hepburn in<br />

d<strong>en</strong> herrlich<strong>en</strong> Klei<strong>de</strong>rn vor Aug<strong>en</strong>. Dabei wollte Truman Capote, nach<br />

<strong>de</strong>ss<strong>en</strong> Erzählung Regisseur Blake Edwards diese Tragik<strong>om</strong>ödie verfi lmt<br />

hat, unbedingt Marilyn Monroe in <strong>de</strong>r Rolle <strong>de</strong>s Partygirls Holly Golightly<br />

seh<strong>en</strong>. Aber wer könnte sich heute Marilyn in diesem wun<strong>de</strong>rbar<strong>en</strong>,<br />

schwarz<strong>en</strong> Satin-Etuikleid vorstell<strong>en</strong>? Giv<strong>en</strong>chy hatte die Klei<strong>de</strong>r<br />

für das Partygirl, das sich vor <strong>de</strong>m Leb<strong>en</strong> fürchtet und sich ein<strong>en</strong> reich<strong>en</strong><br />

Mann angeln will, Audrey auf d<strong>en</strong> Leib geschnei<strong>de</strong>rt. Auch Audreys Partner,<br />

George Peppard, war übrig<strong>en</strong>s nicht die erste Wahl <strong>de</strong>r Filmemacher:<br />

Sie hatt<strong>en</strong> ursprünglich Steve McQue<strong>en</strong> im Auge.<br />

Das Etuikleid, das es schon seit d<strong>en</strong> 1930er-Jahr<strong>en</strong> gab, wur<strong>de</strong><br />

durch sein<strong>en</strong> pr<strong>om</strong>in<strong>en</strong>t<strong>en</strong> Auftritt am Körper Audrey Hepburns in die-<br />

Audrey Hepburn<br />

75<br />

links<br />

Freu<strong>de</strong> über d<strong>en</strong><br />

Oscar für »Ein Herz<br />

und eine Krone«.<br />

Sie hat ihn verdi<strong>en</strong>t.<br />

rechts<br />

Audrey – eine<br />

»Hutfrau« <strong>de</strong>r<br />

Son<strong>de</strong>rklasse und<br />

ein Zauberwes<strong>en</strong><br />

<strong>de</strong>r Mo<strong>de</strong>.


William Hold<strong>en</strong><br />

ist <strong>de</strong>r falsche Mann<br />

für »Sabrina«.<br />

Wir wart<strong>en</strong> auf<br />

Humphrey.<br />

Wer dieses Bild<br />

sieht, hat sofort die<br />

Melodie von »Moon<br />

River« im Ohr.<br />

sem Film erst zum Star und das Original von Giv<strong>en</strong>chy 2006 zugunst<strong>en</strong><br />

wohltätiger Zwecke für eine hohe sechsstellige Summe in <strong>en</strong>glisch<strong>en</strong><br />

Pfund versteigert. In <strong>de</strong>r Novemberausgabe von »Harper’s Bazaar« sah<br />

man dann im selb<strong>en</strong> Jahr Natalie Portman in <strong>de</strong>r schwarz<strong>en</strong> Tiffany-Leg<strong>en</strong><strong>de</strong>.<br />

Audrey-Fans mög<strong>en</strong> das als Häresie empfund<strong>en</strong> hab<strong>en</strong>. Aber egal,<br />

wer es trägt – es ist und bleibt ihr Kleid.<br />

Audrey Hepburn war in fast all<strong>en</strong> ihr<strong>en</strong> Film<strong>en</strong> ein perfektes Gesamtkunstwerk<br />

an Natürlichkeit, selbst w<strong>en</strong>n sich das paradox anhört.<br />

Dabei fehlte ihr einiges, das an<strong>de</strong>re Schauspielerinn<strong>en</strong> berühmt gemacht<br />

hatte: »Das Mädch<strong>en</strong> wird d<strong>en</strong> Bus<strong>en</strong> noch völlig aus <strong>de</strong>r Mo<strong>de</strong> bring<strong>en</strong>!«,<br />

wird beispielsweise Billy Wil<strong>de</strong>r zitiert. Und Starfotograf und Designer<br />

Cecil Beaton zählte einmal in einem »Vogue«-Artikel auf, was alles<br />

an Audreys Modigliani-Gesicht »eig<strong>en</strong>tlich« nicht stimmte (und doch<br />

nicht schöner sein könnte). Im April 2006 wur<strong>de</strong> Audrey Hepburn von<br />

<strong>de</strong>r <strong>en</strong>glisch<strong>en</strong> Zeitschrift »New W<strong>om</strong>an« zur schönst<strong>en</strong> Frau aller Zeit<strong>en</strong><br />

gekürt.<br />

76 <strong>Pretty</strong> W<strong>om</strong><strong>en</strong><br />

»Das Mädch<strong>en</strong><br />

wird d<strong>en</strong><br />

Bus<strong>en</strong> noch<br />

völlig<br />

aus <strong>de</strong>r Mo<strong>de</strong><br />

bring<strong>en</strong>!«<br />

Billy Wil<strong>de</strong>r


Audrey Hepburn<br />

77


REICHLICH<br />

DURCHBLICK<br />

Cher – die Frau, die abräumt<br />

Diese Frau schlug<br />

alle Rekor<strong>de</strong>, die es<br />

zu schlag<strong>en</strong> gab.<br />

In je<strong>de</strong>r Beziehung.<br />

78<br />

Die Tochter einer Cherokee-Indianerin und eines Arm<strong>en</strong>iers<br />

brach alle künstlerisch<strong>en</strong> Rekor<strong>de</strong>, ihre Skandale (um ihre Klei<strong>de</strong>r)<br />

stell<strong>en</strong> mediale Spitz<strong>en</strong>leistung<strong>en</strong> dar. Allein ihre Oscar-<br />

Outfi ts ging<strong>en</strong> in die Hollywood-Geschichte ein. Und för<strong>de</strong>rt<strong>en</strong> die<br />

Gerüchte um ihre ständig<strong>en</strong> Schönheitsoperation<strong>en</strong> (»kein normaler<br />

Körper kann sich dieses Nichts von Klei<strong>de</strong>rn leist<strong>en</strong>!« – so die neidvoll<strong>en</strong><br />

Zung<strong>en</strong>).<br />

Und so hat alles begonn<strong>en</strong>: Ihr späterer Ehemann und Partner<br />

Sonny Bono vermittelte sie als Background-Sängerin zum sag<strong>en</strong>umwob<strong>en</strong><strong>en</strong><br />

Musikproduz<strong>en</strong>t<strong>en</strong> Phil Spector, tat sich aber bald mit ihr zum<br />

»Sonny & Cher«-Duo zusamm<strong>en</strong>. Es gelang ihn<strong>en</strong>, was nur noch d<strong>en</strong><br />

Beatles, Elvis Presley, d<strong>en</strong> Bee Gees und Michael Jackson gelang: fünf<br />

Songs gleichzeitig unter d<strong>en</strong> erst<strong>en</strong> 20 <strong>de</strong>r international<strong>en</strong> Hitlist<strong>en</strong> zu<br />

hab<strong>en</strong>. Sie dreht<strong>en</strong> das erste Musikvi<strong>de</strong>o aller Zeit<strong>en</strong>, bekam<strong>en</strong> TV-Shows<br />

und konnt<strong>en</strong> sich vor Erfolg<strong>en</strong> kaum rett<strong>en</strong>. Cher wur<strong>de</strong> in d<strong>en</strong> 1960er-Jahr<strong>en</strong><br />

mit ihr<strong>en</strong> Schlaghos<strong>en</strong>, d<strong>en</strong> Pelzjäckch<strong>en</strong>, ihr<strong>en</strong> glatt<strong>en</strong>, schwarz<strong>en</strong><br />

Haar<strong>en</strong> und ihrem dick<strong>en</strong> Lidstrich zum Mo<strong>de</strong>vorbild ihrer G<strong>en</strong>eration.<br />

Danach toppte sie alles, was vorher war. Cher ist die reichste<br />

weibliche Künstlerin aller Zeit<strong>en</strong>. Sie erhielt alle Emmys, Grammys o<strong>de</strong>r<br />

Gold<strong>en</strong> Globes gleich mehrfach. Kaum mit Hilfe von Robert Altman ins<br />

Filmgeschäft eingestieg<strong>en</strong>, kam für »Silkwood« pr<strong>om</strong>pt <strong>de</strong>r erste Oscar,<br />

<strong>de</strong>m 1999 noch <strong>de</strong>r »Fashion Oscar« folgte. Madame Tussaud zählt sie in<br />

ihrem Wachsfi gur<strong>en</strong>kabinett zu d<strong>en</strong> fünf schönst<strong>en</strong> Frau<strong>en</strong> <strong>de</strong>r Geschichte.<br />

Sechsmal »Vogue«- und 21-mal »People«-Cover sind kein Zufall.<br />

Die Frau hat nicht nur un<strong>en</strong>dlich viel Geld, son<strong>de</strong>rn auch Mo<strong>de</strong> gemacht.<br />

Und zwar in <strong>de</strong>r Abteilung Provokation, Mut und Leb<strong>en</strong>sfreu<strong>de</strong>.<br />

Eine höchst begabte, wun<strong>de</strong>rschöne, echte Hexe (»von Eastwick«).<br />

<strong>Pretty</strong> W<strong>om</strong><strong>en</strong>


Cher<br />

79


LADY DI –<br />

»HERZDAME«<br />

V<strong>om</strong> Schäfch<strong>en</strong>pulli-Mädch<strong>en</strong><br />

zur Stil-Ikone<br />

Der Pulli mit einem<br />

schwarz<strong>en</strong> Schaf –<br />

ein Kleidungsstück<br />

von großer Symbolkraft.<br />

Ein umwerf<strong>en</strong><strong>de</strong>r<br />

Auftritt – währ<strong>en</strong>d<br />

Charles im TV eine<br />

peinliche Beichte<br />

ablegte.<br />

80<br />

Wer hätte je gedacht, dass ausgerechnet eine Prinzessin und<br />

spätere Mo<strong>de</strong>-Ikone die Strickna<strong>de</strong>ln aus <strong>de</strong>r Mott<strong>en</strong>kiste<br />

wie<strong>de</strong>r zum Klappern bring<strong>en</strong> wür<strong>de</strong>, als Omas weltweit für<br />

ihre von Diana faszinierte Girlie-Verwandtschaft Schäfch<strong>en</strong>pullover<br />

strickt<strong>en</strong>? Mehr als Lady Di, die dieses Gesch<strong>en</strong>k einer Angestellt<strong>en</strong> nicht<br />

nur annahm, son<strong>de</strong>rn auch trug, beglückte <strong>de</strong>r Schäfch<strong>en</strong>pulli-Hype<br />

allerdings die zwei Frau<strong>en</strong> von »Warm and Won<strong>de</strong>rful« in London,<br />

St. Johns Hill Nr. 191: Kaum erschi<strong>en</strong> 1980 das Foto in <strong>de</strong>r international<strong>en</strong><br />

Presse, konnt<strong>en</strong> sich Joanna Osborne und Sally Mair vor Schäfch<strong>en</strong>pulli-<br />

Bestellung<strong>en</strong> kaum mehr rett<strong>en</strong>. Sämtliche E<strong>de</strong>lkaufhäuser <strong>de</strong>r Welt<br />

überschüttet<strong>en</strong> sie mit Aufträg<strong>en</strong>: Die <strong>en</strong>glische Boulevardpresse errechnete<br />

ihr<strong>en</strong> Verdi<strong>en</strong>st mit über eine Million Pfund. Auf die Frage, was sie<br />

d<strong>en</strong>n zu diesem Muster inspiriert hätte, kam die lapidare Antwort: »Nun<br />

ja, Wolle stammt von Schaf<strong>en</strong>…«.<br />

So einfach, herz<strong>en</strong>swarm und bod<strong>en</strong>ständig blieb die Kleidung<br />

<strong>de</strong>r berühmtest<strong>en</strong> Frau <strong>de</strong>r Welt jedoch nicht. Zur Hochzeit <strong>de</strong>s Jahrhun<strong>de</strong>rts<br />

trug sie eine Kreation, die in ihrer Üppigkeit, samt meterlanger<br />

Schleppe, <strong>de</strong>m Traum taus<strong>en</strong><strong>de</strong>r Bräute auf <strong>de</strong>r ganz<strong>en</strong> Welt <strong>en</strong>tsprach.<br />

Und obwohl die Prinzessin später zugab, dass die Robe nicht perfekt saß,<br />

weil sie sich zwisch<strong>en</strong> <strong>de</strong>r letzt<strong>en</strong> Anprobe und <strong>de</strong>m groß<strong>en</strong> Auftritt mehr<br />

als zehn Z<strong>en</strong>timeter Taill<strong>en</strong>weite heruntergehungert hatte, wur<strong>de</strong> dieses<br />

Brautkleid wie keines zuvor kopiert. Entworf<strong>en</strong> hat d<strong>en</strong> barock<strong>en</strong> Traum<br />

in Weiß das Designer-Ehepaar David und Elizabeth Emanuel. Sie gehört<strong>en</strong><br />

bei<strong>de</strong> nicht zum »Club« <strong>de</strong>r ganz groß<strong>en</strong> Pariser Couturiers, aber David<br />

arbeitete schon in jung<strong>en</strong> Jahr<strong>en</strong> für d<strong>en</strong> Hof<strong>de</strong>signer Hardy Amier<br />

und Elizabeth war für die Anzüge von Charles verantwortlich. In ihrer eig<strong>en</strong><strong>en</strong><br />

Mo<strong>de</strong>boutique schnei<strong>de</strong>rt<strong>en</strong> sie später vorwieg<strong>en</strong>d für Filmstars<br />

(darunter Elizabeth Taylor und Madonna) und eb<strong>en</strong> die Royalties.<br />

<strong>Pretty</strong> W<strong>om</strong><strong>en</strong>


Lady Di<br />

81


Die Braut hatte<br />

gehungert – das<br />

Hochzeitskleid saß<br />

nicht. Schon wie<strong>de</strong>r<br />

ein Zeich<strong>en</strong>?<br />

82<br />

Mit Dianas Hochzeitskleid begann nicht nur eine katastrophale Ehe, son<strong>de</strong>rn<br />

auch ein neues Mo<strong>de</strong>bewusstsein <strong>de</strong>r zur Prinzessin geword<strong>en</strong><strong>en</strong><br />

Kin<strong>de</strong>rgärtnerin. Ihre beid<strong>en</strong> älter<strong>en</strong> Schwestern hatt<strong>en</strong> für »Vogue« gearbeitet,<br />

bracht<strong>en</strong> Diana mit <strong>de</strong>r Chefredakteurin zusamm<strong>en</strong>, und sofort<br />

hatte Lady Di eine Mo<strong>de</strong>beraterin erster Güte. Bed<strong>en</strong>kt man ihre Klei<strong>de</strong>rwahl<br />

aus <strong>de</strong>r Verlobungszeit – brave Kostümch<strong>en</strong> mit eb<strong>en</strong>so brav<strong>en</strong> Blüsch<strong>en</strong>,<br />

Falt<strong>en</strong>röcke und Kniestrümpfe, Matros<strong>en</strong>krägelch<strong>en</strong>, fl ache Slipper<br />

o<strong>de</strong>r das unglückliche Geg<strong>en</strong>lichtfoto im durchschein<strong>en</strong>d<strong>en</strong> Rock –,<br />

än<strong>de</strong>rte sich ihr modisches Auftret<strong>en</strong> nach <strong>de</strong>r Hochzeit in rasantem<br />

Tempo. Lady Shy wan<strong>de</strong>lte sich <strong>en</strong>dgültig zu Lady Di. Sie wur<strong>de</strong> stilsicher<br />

und zur meistfotografi ert<strong>en</strong> Frau <strong>de</strong>r Welt – nicht nur ihrer herausrag<strong>en</strong>d<strong>en</strong><br />

gesellschaftlich<strong>en</strong> Stellung weg<strong>en</strong>, son<strong>de</strong>rn auch aufgrund ihrer modisch<strong>en</strong><br />

Eig<strong>en</strong>ständigkeit. Sie hatte ihre Farb<strong>en</strong> gefund<strong>en</strong> (neb<strong>en</strong> Schwarz<br />

Eisblau und Rot), wusste längst, dass zweifarbige Schuhe – am liebst<strong>en</strong><br />

von Chanel – die Füße kleiner wirk<strong>en</strong> ließ<strong>en</strong>, und strahlte in Chanel-Kostüm<strong>en</strong>,<br />

Versace-Etuiklei<strong>de</strong>rn und im erst<strong>en</strong> Dior-Mo<strong>de</strong>ll von John Galliano.<br />

<strong>Pretty</strong> W<strong>om</strong><strong>en</strong>


»Nach <strong>de</strong>r Hochzeit<br />

än<strong>de</strong>rte sich ihr<br />

modisches Auftret<strong>en</strong> in<br />

rasantem Tempo.<br />

Lady Shy wan<strong>de</strong>lte sich<br />

zu Lady Di.«<br />

Was immer Diana tat, es wur<strong>de</strong> k<strong>om</strong>m<strong>en</strong>tiert, kritisiert und natürlich fotografi<br />

ert. Charles lästerte über ihre Verschw<strong>en</strong>dungssucht, die sich nicht<br />

nur auf Äußeres bezog, son<strong>de</strong>rn auch auf Psychiater, Refl exzon<strong>en</strong>masseure,<br />

Ar<strong>om</strong>atherapeut<strong>en</strong>, Tarotkart<strong>en</strong>leger und F<strong>en</strong>g-Shui-Expert<strong>en</strong>.<br />

Unter ihr<strong>en</strong> Klei<strong>de</strong>rn trug sie angeblich ein<strong>en</strong> weiß<strong>en</strong> Kristall, <strong>de</strong>r ihr zu<br />

klarem Verstand, Ausgeglich<strong>en</strong>heit und Harmonie verhelf<strong>en</strong> sollte. Diana<br />

war auf <strong>de</strong>m Weg, sich selbst zu fi nd<strong>en</strong>. Es war ein langer, steiniger Weg,<br />

und wie man weiß, hatte sie nicht die Zeit, ihn zu En<strong>de</strong> zu geh<strong>en</strong>.<br />

D<strong>en</strong> 26. Juni 1994 erlebt<strong>en</strong> die meist<strong>en</strong> M<strong>en</strong>sch<strong>en</strong> sicher nicht als<br />

ein<strong>en</strong> außergewöhnlich<strong>en</strong> Tag. Für die Prinzessin von Wales, ihr<strong>en</strong> Ehemann<br />

und die königliche Familie aber war er gewiss eb<strong>en</strong>so schwarz wie<br />

das Kleid, in <strong>de</strong>m Lady Di zur Vernissage in <strong>de</strong>r Londoner Serp<strong>en</strong>tine Gallery<br />

auftauchte. Währ<strong>en</strong>d im Fernseh<strong>en</strong> ein sich vor Peinlichkeit wind<strong>en</strong><strong>de</strong>r<br />

Prinz Charles seine Untreue gestand, insz<strong>en</strong>ierte die betrog<strong>en</strong>e Ehefrau<br />

ein<strong>en</strong> bühn<strong>en</strong>reif<strong>en</strong> Auftritt. Die Titelseit<strong>en</strong> <strong>de</strong>s nächst<strong>en</strong> Tages<br />

gehört<strong>en</strong> damit wie<strong>de</strong>r einmal ihr und setzt<strong>en</strong> d<strong>en</strong> Ehemann vor <strong>de</strong>r Öff<strong>en</strong>tlichkeit<br />

doppelt ins Unrecht! Das Kleid, das die Fotoapparate blitz<strong>en</strong><br />

ließ, kann je<strong>de</strong> Frau seither blind beschreib<strong>en</strong>: Das schulterfreie, asymmetrisch<br />

geschnitt<strong>en</strong>e »kleine Schwarze« (das d<strong>en</strong> Effekt einer groß<strong>en</strong><br />

Ab<strong>en</strong>drobe hatte) stammt aus <strong>de</strong>m Atelier <strong>de</strong>r griechisch<strong>en</strong> Designerin<br />

Christina Stambolian. Je<strong>de</strong>s modische Detail an Diana stimmte an diesem<br />

Ab<strong>en</strong>d, bis hin zur Absatzhöhe <strong>de</strong>r Schuhe. In dieser von Skandal<strong>en</strong> geprägt<strong>en</strong><br />

Leb<strong>en</strong>sphase war Lady Di schon längst zur Stil-Ikone geword<strong>en</strong>.<br />

Lady Di<br />

83<br />

links<br />

Auch Lady Di war<br />

einmal eine Frau<br />

»wie du und ich«:<br />

Diana als Kin<strong>de</strong>rgärtnerin.<br />

rechts<br />

Ihre Wohltätigkeitsgalas<br />

erzielt<strong>en</strong><br />

Sp<strong>en</strong>d<strong>en</strong>quot<strong>en</strong> in<br />

Million<strong>en</strong>höhe.


»Who’s Who« zählt<br />

sie zu d<strong>en</strong> wichtigst<strong>en</strong><br />

Hun<strong>de</strong>rt.<br />

Charles muss<br />

darauf immer noch<br />

wart<strong>en</strong>.<br />

John Travolta<br />

ließ sich die<br />

Geleg<strong>en</strong>heit nicht<br />

<strong>en</strong>tgeh<strong>en</strong>: Tanz<br />

im Weiß<strong>en</strong> Haus.<br />

84<br />

Doch bezeichnet dieser in zweifacher Hinsicht schwarze Tag auch d<strong>en</strong><br />

Beginn einer Zeit, in <strong>de</strong>r Diana sich <strong>en</strong>dgültig v<strong>om</strong> Königshaus löste und<br />

ihr<strong>en</strong> eig<strong>en</strong><strong>en</strong> Weg zu geh<strong>en</strong> versuchte. Dass ihr nicht gegönnt war, sich<br />

und ihr gekonnt modisches Auftret<strong>en</strong> weiterzu<strong>en</strong>twickeln, ist ganz<br />

abgeseh<strong>en</strong> von <strong>de</strong>r m<strong>en</strong>schlich<strong>en</strong> Tragödie <strong>de</strong>s früh<strong>en</strong> To<strong>de</strong>s bedauerlich.<br />

Sie wäre sicher auch noch im Alter eine bewun<strong>de</strong>rnswert schöne<br />

Frau gewes<strong>en</strong> und hätte die Mo<strong>de</strong>macher noch zu viel<strong>en</strong> beson<strong>de</strong>r<strong>en</strong><br />

Kreation<strong>en</strong> inspiriert. Fast alles, was Lady Di trug, wur<strong>de</strong> fotografi ert und<br />

ging mit Hilfe <strong>de</strong>r Medi<strong>en</strong> um d<strong>en</strong> Globus. Ihre Klei<strong>de</strong>r und ihre Art, sie<br />

zu trag<strong>en</strong>, sind in das kollektive Gedächtnis aller Frau<strong>en</strong> <strong>de</strong>r westlich<strong>en</strong><br />

Welt eingegang<strong>en</strong>.<br />

<strong>Pretty</strong> W<strong>om</strong><strong>en</strong>


Lady Di<br />

85


Dior ist für viele<br />

immer noch das<br />

Evangelium <strong>de</strong>r<br />

Mo<strong>de</strong>. Darum trägt<br />

Linda Evangelista …<br />

… g<strong>en</strong>au d<strong>en</strong><br />

richtig<strong>en</strong> Nam<strong>en</strong>,<br />

um die atemberaub<strong>en</strong>d<strong>en</strong><br />

Kreation<strong>en</strong><br />

vorzuführ<strong>en</strong>.<br />

DOPPELSEITE<br />

John Galliano<br />

hat ein Händch<strong>en</strong><br />

dafür, sich und das<br />

Haus Dior perfekt<br />

zu insz<strong>en</strong>ier<strong>en</strong>.<br />

LUXUS IST –<br />

ein an<strong>de</strong>res Wort für<br />

DIOR<br />

Er kam, um das Haus Dior »von Spinnweb<strong>en</strong> zu befrei<strong>en</strong> und wie<strong>de</strong>r<br />

zum Leb<strong>en</strong> zu erweck<strong>en</strong>«. So sah <strong>de</strong>r damals schon mit Preis<strong>en</strong><br />

und Auszeichnung<strong>en</strong> überschüttete <strong>en</strong>glische Designer John<br />

Galliano 1997 seine Aufgabe, als er die Haute Couture bei Dior übernahm.<br />

Das war g<strong>en</strong>au 50 Jahre nach Gründung <strong>de</strong>s berühmtest<strong>en</strong> Mo<strong>de</strong>hauses<br />

<strong>de</strong>r Welt durch Christian Dior und 40 Jahre nach <strong>de</strong>ss<strong>en</strong> Tod. Der<br />

Grün<strong>de</strong>r dieses Hauses, <strong>de</strong>r in d<strong>en</strong> Nachkriegsjahr<strong>en</strong> das Mo<strong>de</strong>monopol<br />

aus New York wie<strong>de</strong>r nach Paris zurückholte und die Couture mit seinem<br />

»New Look« <strong>de</strong>rmaß<strong>en</strong> revolutionierte, dass alles aus seiner Hand zum<br />

Mo<strong>de</strong>diktat wur<strong>de</strong>, hatte schon viele namhafte Nachfolger (unter an<strong>de</strong>rem<br />

Yves Saint Laur<strong>en</strong>t), bevor Galliano Gianfranco Ferré ablöste.<br />

Galliano, <strong>de</strong>r schon 1987 in England zum Designer <strong>de</strong>s Jahres gewählt<br />

word<strong>en</strong> war, wechselte von Giv<strong>en</strong>chy zu Dior und zwang alle Welt<br />

v<strong>om</strong> Tag eins an, mit einem neu<strong>en</strong> Blick auf dieses geschichtsträchtige<br />

Couture-Haus zu schau<strong>en</strong>. Seine erste Dior-Show war eine wahre Orgie<br />

aus Tüll, mit <strong>de</strong>r er sofort alle Journalist<strong>en</strong>- und Fotograf<strong>en</strong>-Herz<strong>en</strong> gewann.<br />

Er wird nicht zu Unrecht als »Kostümbildner« unter d<strong>en</strong> Mo<strong>de</strong>machern<br />

bezeichnet, weil er immer schon gern Historie zitierte. Doch Galliano<br />

macht nicht nur Mo<strong>de</strong> aus Mod<strong>en</strong>, son<strong>de</strong>rn er versteht es auch wie<br />

kein Zweiter, diese Kollektion<strong>en</strong> im richtig<strong>en</strong> Ambi<strong>en</strong>te zu insz<strong>en</strong>ier<strong>en</strong>. Er<br />

führt dies darauf zurück, dass er währ<strong>en</strong>d seines Studiums in London am<br />

Theater als Gar<strong>de</strong>robier<strong>en</strong>hilfe gearbeitet hat (»Seit<strong>de</strong>m kann ich perfekt<br />

bügeln!«). Das <strong>en</strong>glische Enfant terrible in Paris liebt privat alte Bücher,<br />

üppige Ros<strong>en</strong>arrangem<strong>en</strong>ts – und seine Muse Linda Evangelista. Und<br />

Lady Di liebte John Galliano – sie trug eines seiner erst<strong>en</strong> Dior-Klei<strong>de</strong>r.<br />

Christian Dior dürfte gefall<strong>en</strong>, was sich da seit knapp 15 Jahr<strong>en</strong> in seinem<br />

Haus tut.<br />

86 <strong>Pretty</strong> W<strong>om</strong><strong>en</strong>


John Galliano 87


88 <strong>Pretty</strong> W<strong>om</strong><strong>en</strong>


Anita Ekberg<br />

89


FUNKELNDE<br />

NACKTHEIT<br />

So holte Marl<strong>en</strong>e<br />

die Sterne v<strong>om</strong> Himmel<br />

Gar<strong>de</strong>rob<strong>en</strong>-Aufnahme<br />

von<br />

Marl<strong>en</strong>es letzter<br />

Tournee. Die<br />

Diva so schön wie<br />

eh und je.<br />

Die Illusion von<br />

stern<strong>en</strong>übersäter<br />

Nacktheit – die<br />

Dietrich überließ<br />

nichts <strong>de</strong>m Zufall.<br />

Ich kann nicht sing<strong>en</strong>, also muss das, was ich trage, eine S<strong>en</strong>sation<br />

sein!«, soll Marl<strong>en</strong>e Dietrich über die Bühn<strong>en</strong>klei<strong>de</strong>r ihrer berühmt<strong>en</strong><br />

»One-W<strong>om</strong>an-Show« gesagt hab<strong>en</strong>. Ein <strong>en</strong>glischer Kritiker befand,<br />

dass diese Kostüme von Columbia-Chef<strong>de</strong>signer Jean Louis »die<br />

höchste Errung<strong>en</strong>schaft <strong>de</strong>r Theaterwelt seit Erfi ndung <strong>de</strong>r Falltür«<br />

sei<strong>en</strong>, und an<strong>de</strong>re war<strong>en</strong> davon überzeugt, dass sie aus außerirdischem<br />

Material gefertigt würd<strong>en</strong>.<br />

Dabei war<strong>en</strong> es nur ganz irdische, fl eißige Bi<strong>en</strong><strong>en</strong>, die da am<br />

Werk war<strong>en</strong>. Bevor diese Studio-Stickerinn<strong>en</strong> und -Näherinn<strong>en</strong> jedoch<br />

unter <strong>de</strong>m str<strong>en</strong>g<strong>en</strong> Blick <strong>de</strong>r Dietrich tätig werd<strong>en</strong> konnt<strong>en</strong>, musste erst<br />

ein bestimmter Stoff in Itali<strong>en</strong> produziert und auf d<strong>en</strong> Hautton <strong>de</strong>s Stars<br />

eingefärbt werd<strong>en</strong>. Diese textile Erfi ndung wur<strong>de</strong> »Souffl é« g<strong>en</strong>annt<br />

und haut<strong>en</strong>g bod<strong>en</strong>lang auf das Mie<strong>de</strong>r seiner Trägerin geschnei<strong>de</strong>rt. So<br />

<strong>en</strong>g, dass Marl<strong>en</strong>e nur auf die Bühne trippeln konnte. Dann begann<strong>en</strong><br />

woch<strong>en</strong>lange Arbeit<strong>en</strong> vor <strong>de</strong>m Spiegel, d<strong>en</strong>n erst jetzt konnt<strong>en</strong> Paillett<strong>en</strong>,<br />

Perl<strong>en</strong> und Kristallsteinch<strong>en</strong> aufg<strong>en</strong>äht werd<strong>en</strong>. Die Dietrich hatte<br />

ein scharfes Auge für d<strong>en</strong> perfekt<strong>en</strong> Glitzereffekt: Die von ihr festgelegt<strong>en</strong><br />

Stell<strong>en</strong> wurd<strong>en</strong> mit fein<strong>en</strong> rot<strong>en</strong> Fäd<strong>en</strong> markiert, damit später die<br />

Applikationsarbeit beginn<strong>en</strong> konnte, die selbst danach oft noch mehrere<br />

dutz<strong>en</strong>d Male geän<strong>de</strong>rt werd<strong>en</strong> musste.<br />

Die Designer wusst<strong>en</strong>: »Man macht keine Klei<strong>de</strong>r für die Dietrich,<br />

man macht sie mit ihr.« Das atemberaub<strong>en</strong><strong>de</strong> Ergebnis war die Illusion<br />

von stern<strong>en</strong>übersäter, funkeln<strong>de</strong>r Nacktheit.<br />

Ergänzt wur<strong>de</strong> dieses unvergessliche Traumkostüm durch d<strong>en</strong><br />

leg<strong>en</strong>där<strong>en</strong> Bühn<strong>en</strong>mantel, <strong>de</strong>r kostbar wirkte wie ein weißer Pelz. Er<br />

musste vor je<strong>de</strong>m Auftritt wie ein Plumeau kräftig aufgeschüttelt werd<strong>en</strong>,<br />

damit die Schwan<strong>en</strong>fe<strong>de</strong>rn ihr volles, prachtvolles Volum<strong>en</strong> darbiet<strong>en</strong><br />

konnt<strong>en</strong>.<br />

90 <strong>Pretty</strong> W<strong>om</strong><strong>en</strong>


Marl<strong>en</strong>e Dietrich<br />

91


RAUSCHENDE<br />

RÖCKE<br />

»V<strong>om</strong> Win<strong>de</strong> verweht« – für immer und ewig<br />

Vivi<strong>en</strong> Leigh und<br />

Clark Gable – das<br />

berühmteste<br />

Film-Liebespaar<br />

aller Zeit<strong>en</strong>.<br />

Diese unerreicht<br />

atemberaub<strong>en</strong>d<strong>en</strong><br />

Klei<strong>de</strong>r. Von<br />

»Mammy« auf Taille<br />

geschnürt …<br />

Die Verfi lmung von Margaret Mitchells Weltbestseller »V<strong>om</strong><br />

Win<strong>de</strong> verweht« ist <strong>de</strong>r berühmteste Film aller Zeit<strong>en</strong>. Dabei<br />

galt <strong>de</strong>r Million<strong>en</strong>seller zunächst als unverfi lmbar. Produz<strong>en</strong>t<br />

David O. Selznick erwarb d<strong>en</strong>noch die Rechte – und damit begann eine<br />

lange Story: Die Drehbuchautor<strong>en</strong> wurd<strong>en</strong> gewechselt wie die Hemd<strong>en</strong><br />

(sogar F. Scott Fitzgerald versuchte sich vergeblich daran), eb<strong>en</strong>so die Regisseure.<br />

Bei <strong>de</strong>r Besetzung <strong>de</strong>r Hauptroll<strong>en</strong> war es nicht an<strong>de</strong>rs: Rhett<br />

Butler sollte ursprünglich von Errol Flynn, dann von Gary Cooper dargestellt<br />

werd<strong>en</strong> – bis man sich dann schluss<strong>en</strong>dlich auf Clark Gable einigte.<br />

Das Casting für die Rolle <strong>de</strong>r Scarlett O’Hara war noch wes<strong>en</strong>tlich k<strong>om</strong>plizierter.<br />

Könnt<strong>en</strong> wir uns heute Katharine Hepburn, Bette Davis o<strong>de</strong>r<br />

Paulette Goddard in dies<strong>en</strong> wun<strong>de</strong>rbar<strong>en</strong> Klei<strong>de</strong>rn vorstell<strong>en</strong>? Es dauerte<br />

lange, bis Selznick Vivi<strong>en</strong> Leigh, die bezaubern<strong>de</strong> Geliebte von Lawr<strong>en</strong>ce<br />

Olivier (d<strong>en</strong> sie später auch heiratete), in Hollywood k<strong>en</strong>n<strong>en</strong>lernte und<br />

wusste, dass das die Scarlett seiner Träume war. Es dauerte insgesamt<br />

dreieinhalb Jahre – für Hollywood eine Ewigkeit –, bis die Vorbereitung<strong>en</strong><br />

abgeschloss<strong>en</strong> und <strong>de</strong>r Film abgedreht war. An <strong>de</strong>r Premiere durft<strong>en</strong> die<br />

schwarz<strong>en</strong> Darsteller aufgrund <strong>de</strong>r Rass<strong>en</strong>tr<strong>en</strong>nungsgesetze nicht teilnehm<strong>en</strong>.<br />

D<strong>en</strong>noch konnte Hattie McDaniel, die Darstellerin <strong>de</strong>r Mammy,<br />

ein Jahr später als erste Schwarze ein<strong>en</strong> von insgesamt zehn Oscars <strong>en</strong>tgeg<strong>en</strong>nehm<strong>en</strong>.<br />

Die s<strong>en</strong>sationell<strong>en</strong> Kostüme <strong>de</strong>s Films wurd<strong>en</strong> von Walter Plunkett<br />

<strong>en</strong>tworf<strong>en</strong>, <strong>de</strong>r sich an d<strong>en</strong> schönst<strong>en</strong> Materiali<strong>en</strong>, die die Textilindustrie<br />

zu biet<strong>en</strong> hatte, austob<strong>en</strong> durfte. Plunkett hat hun<strong>de</strong>rte von Film<strong>en</strong><br />

ausgestattet und dabei ein beson<strong>de</strong>res Händch<strong>en</strong> für historische<br />

Kostüme bewies<strong>en</strong>. Völlig unverständlich, dass er für das grandiose Festival<br />

<strong>de</strong>r rausch<strong>en</strong>d<strong>en</strong> Röcke in »V<strong>om</strong> Win<strong>de</strong> verweht« kein<strong>en</strong> Kostüm-<br />

Oscar bekam.<br />

92 <strong>Pretty</strong> W<strong>om</strong><strong>en</strong>


Vivi<strong>en</strong> Leigh<br />

93


HOSENLADYS<br />

Skandalmo<strong>de</strong> –<br />

schlimmer als die Polizei erlaubt<br />

Katharine Hepburn<br />

lässt schon 1933<br />

kein<strong>en</strong> Zweifel: Sie<br />

ist eine emanzipierte<br />

Frau.<br />

Hos<strong>en</strong>mo<strong>de</strong> im<br />

Jahre 1920.<br />

Die schönst<strong>en</strong> Frau<strong>en</strong> hab<strong>en</strong> sie getrag<strong>en</strong>, und das, obwohl sie<br />

alle Beine hatt<strong>en</strong>, die bis »in d<strong>en</strong> Himmel« ragt<strong>en</strong>: die Garbo<br />

und die beid<strong>en</strong> Hepburns, die Dietrich und die Knef, um nur<br />

ein paar typische »Hos<strong>en</strong>trägerinn<strong>en</strong>« <strong>de</strong>r früh<strong>en</strong> Hos<strong>en</strong>zeit zu n<strong>en</strong>n<strong>en</strong>.<br />

Fast paradox, dass gera<strong>de</strong> sie diese herrlich<strong>en</strong> Beine so gern verhüllt<strong>en</strong>.<br />

Dass die Frau, die die Marl<strong>en</strong>e-Hose kreierte und d<strong>en</strong> Smoking salonfähig<br />

machte, <strong>de</strong>r Meinung war: »W<strong>en</strong>n man schöne Beine hab<strong>en</strong> will, muss<br />

man sie von d<strong>en</strong> Blick<strong>en</strong> <strong>de</strong>r Männer massier<strong>en</strong> lass<strong>en</strong>!«, ist in <strong>de</strong>m<br />

Zusamm<strong>en</strong>hang umso verwirr<strong>en</strong><strong>de</strong>r. Die weibliche Hos<strong>en</strong>frage kann<br />

also nur emanzipatorisch erklärt werd<strong>en</strong>.<br />

Exemplarisch dafür steht die letzte große Diva Hollywoods:<br />

Katharine Hepburn (mit ihrer Kollegin Audrey we<strong>de</strong>r verwandt<br />

noch verschwägert), nach <strong>de</strong>r<strong>en</strong> Tod am Broadway ihr zum<br />

Ged<strong>en</strong>k<strong>en</strong> für eine Stun<strong>de</strong> lang alle Lichter gelöscht wurd<strong>en</strong>. In<br />

einem extrem liberal<strong>en</strong> Haushalt als Tochter eines Chirurg<strong>en</strong><br />

und einer »Suffragette« – ihre Mutter kämpfte <strong>en</strong>gagiert für<br />

das Frau<strong>en</strong>wahlrecht – aufgewachs<strong>en</strong>, war sie ohne Zweifel<br />

»ein aufsässiges Mädch<strong>en</strong>« (auch Titel eines ihrer erst<strong>en</strong> Filme).<br />

Sie schloss ein Philosophie- und Geschichtsstudium erfolgreich ab,<br />

weshalb sie auf ihre im Regelfall w<strong>en</strong>iger gebil<strong>de</strong>t<strong>en</strong> Schauspieler-<br />

Kolleg<strong>en</strong> ein<strong>en</strong> arrogant<strong>en</strong> Eindruck machte, <strong>de</strong>r ihr d<strong>en</strong> Spitznam<strong>en</strong><br />

»Die Zarin« einbrachte. Die emanzipierte Frau in ihr ist auch in<br />

einem Rat zu erk<strong>en</strong>n<strong>en</strong>, d<strong>en</strong> Katharine ihrer Tochter gab: »W<strong>en</strong>n du<br />

immer das tust, was du möchtest, ist w<strong>en</strong>igst<strong>en</strong>s schon mal ein M<strong>en</strong>sch<br />

glücklich!« Dass die große Schauspielerin, mit vier Oscars ausgezeichnet<br />

und zwölfmal dafür n<strong>om</strong>iniert, sich we<strong>de</strong>r körperlich noch geistig<br />

ein<strong>en</strong>g<strong>en</strong> ließ, ist auch an ihrer Roll<strong>en</strong>wahl zu erk<strong>en</strong>n<strong>en</strong>. Selbst in Film<strong>en</strong>,<br />

in d<strong>en</strong><strong>en</strong> sie g<strong>en</strong>rebedingt keine Hos<strong>en</strong> trug, wie in »Der Löwe


Hos<strong>en</strong>ladys<br />

95


Paul Poiret k<strong>om</strong>mt<br />

Coco Chanel zuvor<br />

und kreiert d<strong>en</strong><br />

erst<strong>en</strong> Hos<strong>en</strong>rock.<br />

Sooo bequem …<br />

96<br />

im Winter« (wo sie Eleonore von Aquitani<strong>en</strong>, die Frau von König Heinrich<br />

II. spielte) o<strong>de</strong>r in »African Que<strong>en</strong>« (mit Humphrey Bogart). Dass<br />

richtige, gute Männer schon damals keine Angst vor klug<strong>en</strong>, selbstbewusst<strong>en</strong><br />

(Hos<strong>en</strong> trag<strong>en</strong>d<strong>en</strong>) Frau<strong>en</strong> hatt<strong>en</strong>, ist an Katharine Hepburns<br />

Leb<strong>en</strong>spartnern – Howard Hughes und Sp<strong>en</strong>cer Tracy – zu erk<strong>en</strong>n<strong>en</strong>.<br />

Noch eine Hos<strong>en</strong> trag<strong>en</strong><strong>de</strong> Frau hat große Männer um sich versammelt<br />

– George Sand, die g<strong>en</strong>au 100 Jahre vor <strong>de</strong>r Hepburn gebor<strong>en</strong><br />

wur<strong>de</strong>. We<strong>de</strong>r die Schriftstellerkolleg<strong>en</strong> Honoré <strong>de</strong> Balzac und Alexandre<br />

Dumas noch d<strong>en</strong> Maler Eugène Delacroix o<strong>de</strong>r die Musiker Franz Liszt<br />

o<strong>de</strong>r Frédéric Chopin störte es, dass die Zigarr<strong>en</strong> rauch<strong>en</strong><strong>de</strong> Sand Männerkleidung<br />

trug und sich für die Frau<strong>en</strong>rechte einsetzte. Allerdings<br />

musst<strong>en</strong> sich damals die w<strong>en</strong>ig<strong>en</strong> Hos<strong>en</strong> trag<strong>en</strong>d<strong>en</strong> Frau<strong>en</strong> noch eine<br />

Erlaubnis v<strong>om</strong> Polizeipräfekt<strong>en</strong> einhol<strong>en</strong>. Das <strong>en</strong>tsprech<strong>en</strong><strong>de</strong> Gesetz<br />

stammt aus <strong>de</strong>r Zeit <strong>de</strong>r Französisch<strong>en</strong> Revolution und ist bis heute nicht<br />

aufgehob<strong>en</strong>. Nun macht eine Schwalbe noch kein<strong>en</strong> S<strong>om</strong>mer, weshalb<br />

die Sand sicher keine trag<strong>en</strong><strong>de</strong> Rolle in <strong>de</strong>r Geschichte <strong>de</strong>r Hos<strong>en</strong> für<br />

<strong>Pretty</strong> W<strong>om</strong><strong>en</strong>


»W<strong>en</strong>n du<br />

immer das tust ,<br />

was du möchtest,<br />

ist w<strong>en</strong>igst<strong>en</strong>s<br />

schon mal<br />

ein M<strong>en</strong>sch<br />

glücklich!«<br />

Katharine Hepburn<br />

Frau<strong>en</strong> spielt. Die k<strong>om</strong>mt nämlich <strong>de</strong>m Fahrrad zu. Und <strong>de</strong>r amerikanisch<strong>en</strong><br />

Frau<strong>en</strong>rechtlerin Amelia Blo<strong>om</strong>er, die sie für Fahrrad fahr<strong>en</strong><strong>de</strong><br />

Frau<strong>en</strong> erfand, damals kurz »Blo<strong>om</strong>ers« g<strong>en</strong>annt. Allerdings hatt<strong>en</strong><br />

Frau<strong>en</strong>, die mit dies<strong>en</strong> Plu<strong>de</strong>rhos<strong>en</strong> (über die man ein knielanges Kleid<br />

trug) angetroff<strong>en</strong> wurd<strong>en</strong> und kein Fahrrad dabeihatt<strong>en</strong>, sofort polizeirelevant<strong>en</strong><br />

Ärger. Es war nicht erlaubt, in diesem »Aufzug« Hotels, Restaurants<br />

o<strong>de</strong>r überhaupt öff<strong>en</strong>tliche Gebäu<strong>de</strong> zu betret<strong>en</strong>.<br />

Und nun k<strong>om</strong>mt ein Pariser Couturier ins Spiel, <strong>de</strong>r um die vorletzte<br />

Jahrhun<strong>de</strong>rtw<strong>en</strong><strong>de</strong> eine Mo<strong>de</strong>revolution verursachte und sogar<br />

d<strong>en</strong> Karrierebeginn von Coco Chanel hinauszögerte: Paul Poiret. Er war<br />

Assist<strong>en</strong>t von Charles Fre<strong>de</strong>rick Worth (<strong>de</strong>r u.a. die österreichische Kaiserin<br />

anzog) und hat dort gelernt, wie man seine Kundinn<strong>en</strong> für PR-Zwecke<br />

nutzt. Als 1909 die »Ballets Russes« in Paris gastiert<strong>en</strong>, wur<strong>de</strong> er von<br />

<strong>de</strong>r<strong>en</strong> fl ieß<strong>en</strong>d<strong>en</strong> Kostüm<strong>en</strong> inspiriert und schuf die erst<strong>en</strong> Klei<strong>de</strong>r, die<br />

sogar ohne Mie<strong>de</strong>r getrag<strong>en</strong> werd<strong>en</strong> konnt<strong>en</strong>. Und im Rahm<strong>en</strong> dieser<br />

Kollektion auch ein<strong>en</strong> Hos<strong>en</strong>rock, <strong>de</strong>r ihm aus d<strong>en</strong> Händ<strong>en</strong> geriss<strong>en</strong><br />

wur<strong>de</strong>. Aber die Hos<strong>en</strong> war<strong>en</strong> ohnedies nicht mehr aufzuhalt<strong>en</strong>, da die<br />

Frau<strong>en</strong>, die währ<strong>en</strong>d <strong>de</strong>s Erst<strong>en</strong> Weltkriegs die Arbeit ihrer Männer erledig<strong>en</strong><br />

musst<strong>en</strong>, sich von dies<strong>en</strong> bequem<strong>en</strong> Beinklei<strong>de</strong>rn nicht mehr tr<strong>en</strong>n<strong>en</strong><br />

wollt<strong>en</strong>. Damit war<strong>en</strong> sie zwar immer noch nicht gesellschaftsfähig,<br />

aber nicht mehr zu überseh<strong>en</strong>. Coco Chanel, die als Hutmacherin anfi ng,<br />

ließ sich Reithos<strong>en</strong> schnei<strong>de</strong>rn und för<strong>de</strong>rte d<strong>en</strong> aus Indi<strong>en</strong> k<strong>om</strong>m<strong>en</strong>d<strong>en</strong><br />

Baumwoll-»Pyjama«, <strong>de</strong>r, aus Sei<strong>de</strong> o<strong>de</strong>r Crêpe <strong>de</strong> Chine gefertigt, bei<br />

Hos<strong>en</strong>ladys<br />

97<br />

links<br />

Joan Crawford 1935<br />

ganz sportlich:<br />

Spaziergang mit<br />

Hund – in Reithos<strong>en</strong><br />

und Stiefeln.<br />

Rechts<br />

Die Dietrich und<br />

Hos<strong>en</strong> – das<br />

war schon 1931 eine<br />

große modische<br />

Freundschaft.<br />

Diese Mä<strong>de</strong>ls im<br />

Nachkriegs<strong>en</strong>gland<br />

beweis<strong>en</strong>, dass<br />

Jungs-Mo<strong>de</strong> auch<br />

ihn<strong>en</strong> gut steht.


Brigitte Bardot im<br />

itali<strong>en</strong>isch<strong>en</strong><br />

Spoleto – wie<strong>de</strong>r<br />

einmal auf <strong>de</strong>r<br />

Flucht vor Paparazzi.<br />

Auch die große<br />

Garbo trägt schon<br />

1929 Hos<strong>en</strong>. Die<br />

Männer bedauern<br />

es.<br />

98<br />

d<strong>en</strong> ober<strong>en</strong> Zehntaus<strong>en</strong>d Furore machte und als Haus- o<strong>de</strong>r Strandkleid<br />

getrag<strong>en</strong> wur<strong>de</strong>. Schauspielerinn<strong>en</strong> war<strong>en</strong> wie<strong>de</strong>r einmal Vorreiterinn<strong>en</strong>,<br />

und schon 1919 gab es die erst<strong>en</strong> »Pyjama-Partys«. Die berühmt<strong>en</strong><br />

»Roaring Tw<strong>en</strong>ties« bracht<strong>en</strong> dann d<strong>en</strong> <strong>en</strong>dgültig<strong>en</strong> Durchbruch für Dam<strong>en</strong>hos<strong>en</strong>.<br />

Die Geschichte <strong>de</strong>r Hose für Frau<strong>en</strong> könnte Bän<strong>de</strong> füll<strong>en</strong> – von<br />

Maria Bogners elastischer Keilhose (die heute noch mark<strong>en</strong>übergreif<strong>en</strong>d<br />

in d<strong>en</strong> USA »Bogners« g<strong>en</strong>annt wird) über Emilio Puccis Capri-Hose, die<br />

von d<strong>en</strong> Indianern abgeschaut<strong>en</strong> »Leggings« bis hin zu d<strong>en</strong> Jeans. Aber<br />

das ist wie<strong>de</strong>r eine Geschichte für sich. Sie sind zu einem Alltags-Mythos<br />

geword<strong>en</strong> – reif für philosophische Abhandlung<strong>en</strong>. Der große Yves Saint<br />

Laur<strong>en</strong>t sagte einmal über diese »Arbeiterhose«: »Ich gäbe etwas darum,<br />

w<strong>en</strong>n ich die Jeans erfund<strong>en</strong> hätte!« (Dabei ist das doch auch nur eine<br />

Hose – w<strong>en</strong>n auch bestimmte aufgedruckte Labels sie zum Luxusprodukt<br />

mach<strong>en</strong> könn<strong>en</strong>.) Sicher ist, wir Frau<strong>en</strong> hab<strong>en</strong> es geschafft: Wir hab<strong>en</strong><br />

<strong>en</strong>dlich Hos<strong>en</strong> an!<br />

<strong>Pretty</strong> W<strong>om</strong><strong>en</strong><br />

»Ich gäbe etwas<br />

darum, w<strong>en</strong>n<br />

ich die Jeans<br />

erfund<strong>en</strong> hätte!«<br />

Yves Saint Laur<strong>en</strong>t


Hos<strong>en</strong>ladys<br />

99


Bettie Page,<br />

die Pin-up- und<br />

Striptease-Königin<br />

im Hollywood<br />

<strong>de</strong>r 1950er-Jahre.<br />

Striptease als<br />

Kunstform: Dita<br />

Von Teese im<br />

Februar 2010 beim<br />

San-Remo-Festival.<br />

EVA(S)<br />

KOSTÜM<br />

Trinkt Dita Champagner<br />

o<strong>de</strong>r Martini?<br />

100<br />

Ob Heather R<strong>en</strong>ée Sweet, die sich d<strong>en</strong> Künstlernam<strong>en</strong> Dita Von<br />

Teese gegeb<strong>en</strong> (bzw. aus <strong>de</strong>m Telefonbuch herausgesucht)<br />

hat, auch die »Königin <strong>de</strong>s Striptease« geword<strong>en</strong> wäre, w<strong>en</strong>n<br />

sie in jung<strong>en</strong> Jahr<strong>en</strong> nicht von Michigan in das Sünd<strong>en</strong>babel <strong>de</strong>r Westküste<br />

umgezog<strong>en</strong> wäre? Dort hat sie zunächst brav und sittsam »historic<br />

costuming« studiert. Bis sie auf Bil<strong>de</strong>r <strong>de</strong>s 1950er-Jahre Pin-up- und<br />

Striptease-Girls Bettie Page stieß und <strong>de</strong>r<strong>en</strong> Bil<strong>de</strong>r nachstellte. Die Page<br />

war mittlerweile zu einer Ikone <strong>de</strong>r Pop-Kultur geword<strong>en</strong> und wird als<br />

Vorreiterin <strong>de</strong>r sexuell<strong>en</strong> Revolution bezeichnet. Aber sie war in die Jahre<br />

gek<strong>om</strong>m<strong>en</strong> und trat nicht mehr öff<strong>en</strong>tlich auf. Da tat sich also eine<br />

»Marktlücke« auf, die Dita geschickt zu nutz<strong>en</strong> wusste. Quasi über Nacht<br />

– und mit Hilfe einiger »Playboy«-Fotosessions – wur<strong>de</strong> sie zur gefeiert<strong>en</strong><br />

Vertreterin <strong>de</strong>s »New Burlesque Style«. Und zum gern geseh<strong>en</strong><strong>en</strong><br />

Gast <strong>de</strong>r Reich<strong>en</strong> und Schön<strong>en</strong>. Filmangebote folgt<strong>en</strong> (mit nur kurz<strong>en</strong><br />

Ausfl üg<strong>en</strong> in die Porno-Abteilung), und so wur<strong>de</strong> sie sogar zur Muse von<br />

Couturiers – darunter Jean-Paul Gaultier. Berufl ich hatte sie sich für das<br />

historischste aller Kostüme <strong>en</strong>tschied<strong>en</strong>: das von Eva im Paradies, allerdings<br />

elegant verbrämt, beispielsweise mit taus<strong>en</strong>d<strong>en</strong> Swarowski-Steinch<strong>en</strong><br />

o<strong>de</strong>r Lack und Le<strong>de</strong>r. Privat trägt sie Mo<strong>de</strong>lle mit Stoffverbrauch.<br />

Ihr Bad im Champagnerglas gehört zu d<strong>en</strong> meistangeklickt<strong>en</strong><br />

Vi<strong>de</strong>os im Internet, und sogar beim berühmt<strong>en</strong> Wi<strong>en</strong>er Opernball (eingelad<strong>en</strong><br />

von »Mörtel« Lugner) machte sie Furore. Und besuchte die Sisi-<br />

Ausstellung – Dita ist eine Verehrerin <strong>de</strong>r österreichisch<strong>en</strong> Kaiserin. Ihre<br />

Shows betrachtet sie als »H<strong>om</strong>mage an das vergötterte Glamourgirl <strong>de</strong>r<br />

1940er-Jahre«. Dass sie zur Mo<strong>de</strong>-Ikone wur<strong>de</strong>, fi n<strong>de</strong>t sie »witzig, wo es<br />

doch mein Job ist, Klei<strong>de</strong>r abzuleg<strong>en</strong>«. Humor hat sie also, die Frau, die so<br />

gekonnt Eva im Paradieskostüm imitiert.<br />

<strong>Pretty</strong> W<strong>om</strong><strong>en</strong>


Dita Von Teese<br />

101


OPTISCHE<br />

TÄUSCHUNG<br />

Als die Bil<strong>de</strong>r eckig wurd<strong>en</strong><br />

Britisches Mo<strong>de</strong>l<br />

in einer von<br />

Mondrian inspiriert<strong>en</strong><br />

YSL-Kreation.<br />

Manchmal wur<strong>de</strong><br />

das Motto »Optische<br />

Täuschung«<br />

ein w<strong>en</strong>ig übertrieb<strong>en</strong><br />

…<br />

102<br />

So viel Zeitgeist war selt<strong>en</strong> – und er war so vor<strong>de</strong>rgründig zu<br />

spür<strong>en</strong>, dass er d<strong>en</strong> Mo<strong>de</strong>machern fast diktiert wur<strong>de</strong>. Sci<strong>en</strong>ce-<br />

Fiction bo<strong>om</strong>te in d<strong>en</strong> 1950er- und 1960er-Jahr<strong>en</strong>, und <strong>de</strong>r<br />

Wettlauf <strong>de</strong>r Supermächte ins All versetzte alle Welt in fi eberhafte Erwartung.<br />

Die Geburtsstun<strong>de</strong> von Op-Art und Pop-Art hatte geschlag<strong>en</strong>.<br />

Selt<strong>en</strong> war <strong>de</strong>utlicher wahrzunehm<strong>en</strong>, dass auch Mo<strong>de</strong> <strong>de</strong>r Gattung<br />

Kunst zuzuordn<strong>en</strong> ist. Vasarely und Mondrian wurd<strong>en</strong> textil, Küch<strong>en</strong>karo<br />

<strong>en</strong> vogue. Manche Mo<strong>de</strong>lle <strong>de</strong>r Couturiers wirkt<strong>en</strong>, als stammt<strong>en</strong> sie<br />

v<strong>om</strong> Reißbrett eines Architekt<strong>en</strong>.<br />

André Courrèges dul<strong>de</strong>te nur str<strong>en</strong>ge Ge<strong>om</strong>etrie, schuf Overalls<br />

mit Ries<strong>en</strong>reißverschlüss<strong>en</strong>, kurze Capes, helmförmige Astronaut<strong>en</strong>mütz<strong>en</strong><br />

mit Sehschlitz<strong>en</strong>, fl ache Weltraumstiefel aus Plastik und arbeitete<br />

viel mit Silberlamé.<br />

Währ<strong>en</strong>d Andy Warhol mit Papierklei<strong>de</strong>rn experim<strong>en</strong>tierte, w<strong>om</strong>it<br />

er d<strong>en</strong> Supp<strong>en</strong>hersteller Campbell zur »The Souper Dress«-Aktion<br />

animierte, war<strong>en</strong> die Mo<strong>de</strong>lle von Pierre Cardin an Bög<strong>en</strong> und Löchern<br />

innerhalb <strong>de</strong>r str<strong>en</strong>g<strong>en</strong> Ge<strong>om</strong>etrie zu erk<strong>en</strong>n<strong>en</strong>. Paco Rabanne erfand<br />

d<strong>en</strong> Metalljersey und schwelgte in farbint<strong>en</strong>siver Ge<strong>om</strong>etrie. Die Ab<strong>en</strong>dmo<strong>de</strong><br />

war bei fast all<strong>en</strong> in Silbertön<strong>en</strong> gehalt<strong>en</strong> und erinnerte an Mondmädch<strong>en</strong>.<br />

Yves Saint Laur<strong>en</strong>t <strong>en</strong>twarf das berühmte Mondrian-Kleid<br />

und arbeitete bei sein<strong>en</strong> Pop-Art-Mo<strong>de</strong>ll<strong>en</strong> mit groß<strong>en</strong> appliziert<strong>en</strong><br />

Schatt<strong>en</strong>riss<strong>en</strong> (z.B. in Rosa). Die Tasch<strong>en</strong> war<strong>en</strong> schachtelförmig, und<br />

die Schuhe hatt<strong>en</strong> Carré-Spitz<strong>en</strong>.<br />

Scheinbar fehlte d<strong>en</strong> Pariser Mo<strong>de</strong>größ<strong>en</strong> dann doch ein bissch<strong>en</strong><br />

R<strong>om</strong>antik, die auch durch die »Doktor Schiwago«-Verfi lmung angeregt<br />

wur<strong>de</strong>. Plötzlich taucht<strong>en</strong> parallel zur Ge<strong>om</strong>etrie Russ<strong>en</strong>kapp<strong>en</strong>,<br />

Muffs und lange Mäntel auf. Und Yves Saint Laur<strong>en</strong>t schuf d<strong>en</strong> »Transpar<strong>en</strong>t<br />

Look«. Auch eine Art Mondlandung.<br />

<strong>Pretty</strong> W<strong>om</strong><strong>en</strong>


André Courrèges<br />

103


Rock Hudson und<br />

Doris Day als<br />

Gesch<strong>en</strong>k zum<br />

Val<strong>en</strong>tinstag <strong>de</strong>s<br />

Jahres 1961.<br />

Der Hausanzug<br />

in »Mitternachtsspitz<strong>en</strong>«<br />

wur<strong>de</strong><br />

weltweit taus<strong>en</strong>dfach<br />

kopiert.<br />

MAMAS<br />

LIEBLING<br />

Bettgefl üster on the Rock’s<br />

Sie trug in all ihr<strong>en</strong> Film<strong>en</strong> wun<strong>de</strong>rbare Kostüme und spielte mit<br />

d<strong>en</strong> begehrtest<strong>en</strong> männlich<strong>en</strong> Hauptdarstellern ihrer Zeit. Die<br />

Sängerin bei einem Provinzradio wur<strong>de</strong> bald <strong>en</strong>t<strong>de</strong>ckt und fand<br />

sich neb<strong>en</strong> Frank Sinatra und Bob Hope vor <strong>de</strong>m Mikrofon größerer S<strong>en</strong><strong>de</strong>r<br />

wie<strong>de</strong>r. Nummer-eins-Hits wie »S<strong>en</strong>tim<strong>en</strong>tal Journey« macht<strong>en</strong> Filmleute<br />

auf sie aufmerksam, und so begann ein rasanter Aufstieg. In ihr<strong>en</strong><br />

Roll<strong>en</strong> stellte sie – von w<strong>en</strong>ig<strong>en</strong> Ausnahm<strong>en</strong> abgeseh<strong>en</strong> – immer »die<br />

anständige Frau von neb<strong>en</strong>an« dar, was ihr mit zunehm<strong>en</strong><strong>de</strong>m Alter d<strong>en</strong><br />

Spitznam<strong>en</strong> »die eiserne Jungfrau« eintrug. Immer, w<strong>en</strong>n sie in ihr<strong>en</strong> Film<strong>en</strong><br />

auch sang, <strong>en</strong>tstand<strong>en</strong> Hits, die um die Welt ging<strong>en</strong>, wie beispielsweise<br />

»Qué será, será« für d<strong>en</strong> Hitchcock-Klassiker »Der Mann, <strong>de</strong>r zu<br />

viel wusste« mit James Stewart an ihrer Seite. (Der Song bekam 1957 ein<strong>en</strong><br />

Oscar und wur<strong>de</strong> dutz<strong>en</strong><strong>de</strong> Male pr<strong>om</strong>in<strong>en</strong>t gecovert, darunter auch von<br />

Shakin’ Stev<strong>en</strong>s.)<br />

Doris Day hatte Glück – mit d<strong>en</strong> M<strong>en</strong>sch<strong>en</strong>, die sie <strong>en</strong>t<strong>de</strong>ckt<strong>en</strong><br />

und ihre Karriere begleitet<strong>en</strong>, ja sogar mit ihr<strong>en</strong> Hairdressern, die ihre<br />

blond<strong>en</strong> Haare für die damalige Zeit zu frech anmut<strong>en</strong>d<strong>en</strong> Kurzhaarfrisur<strong>en</strong><br />

stylt<strong>en</strong>, die alle kopiert<strong>en</strong>. Und nicht zuletzt mit ihr<strong>en</strong> Kostümbildnern.<br />

In »Bettgefl üster« war es einer <strong>de</strong>r größt<strong>en</strong> seiner Zeit – Jean Louis.<br />

Er zog die schönst<strong>en</strong> Hollywood-Frau<strong>en</strong> an: Rita Hayworth, Joan Crawford,<br />

Kim Novak, Marl<strong>en</strong>e Dietrich, Marilyn Monroe und viele an<strong>de</strong>re.<br />

Der französische US-Amerikaner Jean Louis Berthauldt hatte d<strong>en</strong><br />

berühmt<strong>en</strong> Blick dafür, welches Kleid welche Frau in welcher Rolle zur<br />

best<strong>en</strong> Geltung brachte. So einer wie er konnte auch <strong>de</strong>r lieb<strong>en</strong>swert<strong>en</strong>,<br />

aber brav<strong>en</strong> Doris Day zu Glamour verhelf<strong>en</strong>. Unsere Mütter wusst<strong>en</strong> es<br />

zu schätz<strong>en</strong>. Und an einem verregnet<strong>en</strong> Sonntagnachmittag vor <strong>de</strong>m TV-<br />

Gerät wirkt es manchmal immer noch.<br />

104 <strong>Pretty</strong> W<strong>om</strong><strong>en</strong>


Doris Day<br />

105


TUPFEN,<br />

DIE DIE WELT<br />

BEWEGEN<br />

Nino Cerruti hat<br />

Julia Roberts in<br />

»<strong>Pretty</strong> W<strong>om</strong>an«<br />

wun<strong>de</strong>rbar betupft.<br />

Minnie Maus weiß<br />

ganz g<strong>en</strong>au, wie<br />

man ein<strong>en</strong> Mäuserich<br />

fasziniert:<br />

mit Tupf<strong>en</strong>.<br />

Es ist sicher kein Zufall, dass Walt Disney und seine Zeichner für<br />

Minnie Maus ausgerechnet ein Tupf<strong>en</strong>kleid kreiert hab<strong>en</strong>. Tupf<strong>en</strong><br />

gehör<strong>en</strong> in <strong>de</strong>r Mo<strong>de</strong>welt zum Weiblichst<strong>en</strong> überhaupt. Sie sind<br />

nie »aus <strong>de</strong>r Mo<strong>de</strong>« gek<strong>om</strong>m<strong>en</strong>. Ob Alexan<strong>de</strong>r McQue<strong>en</strong> mit sein<strong>en</strong><br />

Blus<strong>en</strong> o<strong>de</strong>r Dolce & Gabbana mit d<strong>en</strong> aufreg<strong>en</strong>d<strong>en</strong>, <strong>en</strong>g<strong>en</strong> Bustierklei<strong>de</strong>rn<br />

– nicht nur sie bracht<strong>en</strong> Tupf<strong>en</strong> gera<strong>de</strong> in <strong>de</strong>r jüngst<strong>en</strong> Vergang<strong>en</strong>heit<br />

wie<strong>de</strong>r ins aktuelle Mo<strong>de</strong>bewusstsein. Erfahr<strong>en</strong>e und s<strong>en</strong>sible Mo<strong>de</strong>macher<br />

wiss<strong>en</strong> um das anzieh<strong>en</strong><strong>de</strong> Geheimnis <strong>de</strong>r klein<strong>en</strong> o<strong>de</strong>r größer<strong>en</strong><br />

Punkte.<br />

Das Kaufhaus Lafayette schrieb 2008 anlässlich <strong>de</strong>s 80. Geburtstags<br />

von Micky Maus unter 80 Designern ein<strong>en</strong> Mo<strong>de</strong>wettbewerb für<br />

Mickys Dauerverlobte Minnie aus. Man fand, die selbstbewusste Minnie<br />

sollte ein w<strong>en</strong>ig gestylt werd<strong>en</strong> – und sei es nur, um beim Kaffeeklatsch<br />

mit ihr<strong>en</strong> Freundinn<strong>en</strong> Daisy o<strong>de</strong>r Klarabella für ein w<strong>en</strong>ig Unruhe<br />

unter d<strong>en</strong> »Dam<strong>en</strong>« zu sorg<strong>en</strong>. Es stellte sich heraus, dass kaum<br />

einer <strong>de</strong>r jung<strong>en</strong> Mo<strong>de</strong>macher begriff<strong>en</strong> hatte, dass Minnies Pünktch<strong>en</strong><br />

zu ihr gehör<strong>en</strong> so wie ihre Pumps. Sie sind <strong>de</strong>r<br />

Mittelpunkt ihres Seins. Christian Lacroix hat als<br />

einer von w<strong>en</strong>ig<strong>en</strong> Minnies Seele erfasst, ihr die<br />

Punkte belass<strong>en</strong>, dazu ein schickes weißes Oberteil<br />

<strong>en</strong>tworf<strong>en</strong> und <strong>de</strong>m Pünktch<strong>en</strong>rocksaum eine edle<br />

Spitze gesch<strong>en</strong>kt. Minnie goes Paris (und bleibt doch<br />

sie selbst).<br />

Mit die schönst<strong>en</strong> Tupf<strong>en</strong> trägt Julia Roberts in<br />

»<strong>Pretty</strong> W<strong>om</strong>an«: Sie wurd<strong>en</strong> ihr von Nino Cerruti auf d<strong>en</strong><br />

Leib geschnei<strong>de</strong>rt und mit d<strong>en</strong> stilvoll<strong>en</strong>, kurz<strong>en</strong> Handschuh<strong>en</strong> zum<br />

perfekt<strong>en</strong>, unvergesslich<strong>en</strong> Ensemble. Dabei stammt diese »schönste<br />

Kino-Illusion aller Zeit<strong>en</strong>«, die wir fast alle als sehr geg<strong>en</strong>wärtig empfi n-


Tupf<strong>en</strong><br />

107


108<br />

<strong>Pretty</strong> W<strong>om</strong><strong>en</strong>


»Tupf<strong>en</strong> gehör<strong>en</strong> in<br />

<strong>de</strong>r Mo<strong>de</strong>welt<br />

zum Weiblichst<strong>en</strong><br />

überhaupt. Sie sind<br />

nie aus <strong>de</strong>r<br />

Mo<strong>de</strong> gek<strong>om</strong>m<strong>en</strong>.«<br />

d<strong>en</strong>, immerhin schon aus <strong>de</strong>m Jahr 1990. Auch mit Marilyn Monroe verbin<strong>de</strong>t<br />

sich min<strong>de</strong>st<strong>en</strong>s ein Tupf<strong>en</strong>kleid: Sie trug es in »Misfi ts – Nicht<br />

gesellschaftsfähig«, wo sie – zusamm<strong>en</strong> mit Clark Gable und Montg<strong>om</strong>ery<br />

Clift – eine <strong>de</strong>r erst<strong>en</strong> ernsthaft<strong>en</strong>, psychologisch tiefgängig<strong>en</strong> Roll<strong>en</strong><br />

spielte. Ihr hab<strong>en</strong> die Punkte jedoch kein Glück gebracht: Nach diesem<br />

Film ging ihre längste Ehe (mit <strong>de</strong>m Schriftsteller Arthur Miller) zu En<strong>de</strong>.<br />

Bette Midler griff in <strong>de</strong>r Zwillingsverwechslungsk<strong>om</strong>ödie »Big<br />

Business« gleich zweimal nach einem umwerf<strong>en</strong>d schön<strong>en</strong> Tupf<strong>en</strong>kostüm.<br />

Und Billy Wil<strong>de</strong>r ließ in <strong>de</strong>r K<strong>om</strong>ödie »Eins, zwei, drei« Lilo Pulver in<br />

einer s<strong>en</strong>sationell<strong>en</strong> Monroe-Persifl age in Tupf<strong>en</strong> auf <strong>de</strong>m Tisch tanz<strong>en</strong><br />

(was gleich mehrere Ost-Ag<strong>en</strong>t<strong>en</strong> um d<strong>en</strong> politisch<strong>en</strong> Verstand brachte).<br />

Sogar Sophia Lor<strong>en</strong>, <strong>de</strong>r<strong>en</strong> üppige Weiblichkeit eig<strong>en</strong>tlich nicht<br />

via Tupf<strong>en</strong> betont werd<strong>en</strong> müsste, fi el mit einer Tupf<strong>en</strong>bluse auf: Sie<br />

wur<strong>de</strong> v<strong>om</strong> damalig<strong>en</strong> Dior-Designer Gianfranco Ferré eig<strong>en</strong>s für ihre<br />

Rolle in Robert Altmans Film »Prêt-à-Porter« kreiert. Kritiker sag<strong>en</strong>, sie<br />

sei für die Lor<strong>en</strong> und ihr<strong>en</strong> Stil überzog<strong>en</strong> gewes<strong>en</strong> – trotz<strong>de</strong>m hat sich<br />

je<strong>de</strong>r, <strong>de</strong>r diese Film-H<strong>om</strong>mage an die Welt <strong>de</strong>r Mo<strong>de</strong> geseh<strong>en</strong> hat, g<strong>en</strong>au<br />

diese Tupf<strong>en</strong>bluse gemerkt. Damit hat die reife, itali<strong>en</strong>ische Diva alle<br />

an<strong>de</strong>r<strong>en</strong> mitspiel<strong>en</strong>d<strong>en</strong> Weltstars und Schönheit<strong>en</strong> »übertupft«. Wie<br />

Tupf<strong>en</strong><br />

109<br />

Linke Seite<br />

Sophia Lor<strong>en</strong>,<br />

»behütet«und sehr<br />

»pünktlich« – 1975<br />

bei d<strong>en</strong> Moskauer<br />

Filmfestspiel<strong>en</strong>.<br />

Madonna 1992:<br />

Tea-Time im Hy<strong>de</strong><br />

Park Hotel London.<br />

Krawatte ganz<br />

weiblich.


links<br />

Ein Betsey-Johnson-<br />

Mo<strong>de</strong>ll, das im<br />

raffi niert-naiv<strong>en</strong><br />

Schulmädch<strong>en</strong>-Look<br />

punktet.<br />

rechts<br />

Ein Traumkleid von<br />

Emanuel Ungaro,<br />

das sogar Tupf<strong>en</strong>-<br />

Gegner <strong>en</strong>tzück<strong>en</strong><br />

dürfte.<br />

110<br />

man die Lor<strong>en</strong> ohnedies zur Tupf<strong>en</strong>königin erklär<strong>en</strong> müsste, sie war (und<br />

hat) in so viel<strong>en</strong> Roll<strong>en</strong> »gepunktet«, dass die Aufzählung eine lange Liste<br />

ergeb<strong>en</strong> wür<strong>de</strong>. Allein ihr »pünktlicher« Auftritt mit Hut in noch jünger<strong>en</strong><br />

Jahr<strong>en</strong> bei d<strong>en</strong> Moskauer Filmfestspiel<strong>en</strong> hat modisches Aufseh<strong>en</strong> erregt.<br />

Und wer sich an d<strong>en</strong> Ustinov-Film »Das Böse unter <strong>de</strong>r Sonne«<br />

mit Diana Rigg erinnert, hat sicher noch vor Aug<strong>en</strong>, dass ihr Sonn<strong>en</strong>bad<br />

nicht nur im Unglück, son<strong>de</strong>rn auch in Tupf<strong>en</strong> <strong>en</strong><strong>de</strong>te. Selbst die kühle<br />

Garbo war <strong>de</strong>s Öfter<strong>en</strong> in Pünktch<strong>en</strong> zu seh<strong>en</strong>. Alle an<strong>de</strong>r<strong>en</strong> Div<strong>en</strong>, die<br />

ihr nachfolgt<strong>en</strong>, auch. Nur an <strong>de</strong>r Dietrich kann man sie sich w<strong>en</strong>iger gut<br />

vorstell<strong>en</strong> (ihre Punkte glitzert<strong>en</strong> in Form von in all<strong>en</strong> Reg<strong>en</strong>bog<strong>en</strong>farb<strong>en</strong><br />

strahl<strong>en</strong>d<strong>en</strong> Steinch<strong>en</strong>). Auch die raubkatz<strong>en</strong>hafte Grace Jones ist wohl<br />

eher kein Pünktch<strong>en</strong>-Typ. Die Knef hingeg<strong>en</strong> hat sich mit d<strong>en</strong> rund<strong>en</strong><br />

klein<strong>en</strong> Sach<strong>en</strong> durchaus angefreun<strong>de</strong>t, und auch die gestand<strong>en</strong>e Meryl<br />

Streep war schon im Konfetti-Muster zu seh<strong>en</strong>.<br />

Allerdings kann man sich auch täusch<strong>en</strong>: Wer hätte je gedacht,<br />

dass Juliette Greco, die Ikone <strong>de</strong>s französisch<strong>en</strong> Exist<strong>en</strong>tialismus, jemals<br />

weiße Fleck<strong>en</strong> auf ihrem Nachtschwarz zulass<strong>en</strong> wür<strong>de</strong>? Dies<strong>en</strong> Weichheitsfaktor<br />

konnte nur eine Lackhose ausgleich<strong>en</strong>. Aber wer sich auf die<br />

Suche nach Punkt<strong>en</strong> macht, erlebt viele Überraschung<strong>en</strong>: Dass die kleine<br />

Shirley Temple auf einer ihrer erst<strong>en</strong> Kin<strong>de</strong>rstar-Autogrammkart<strong>en</strong> in<br />

»Selbst die kühle<br />

Garbo war <strong>de</strong>s<br />

Öfter<strong>en</strong> in Pünktch<strong>en</strong><br />

zu seh<strong>en</strong>. Alle<br />

an<strong>de</strong>r<strong>en</strong> Div<strong>en</strong>,<br />

die ihr nachfolgt<strong>en</strong>,<br />

auch.«<br />

<strong>Pretty</strong> W<strong>om</strong><strong>en</strong>


Pünktch<strong>en</strong> posierte, ist noch nachzuvollzieh<strong>en</strong> (Kin<strong>de</strong>r bringt man schnell<br />

mit niedlich<strong>en</strong> Mustern in Verbindung. »Pünktch<strong>en</strong> und Anton« lass<strong>en</strong><br />

grüß<strong>en</strong>). Aber Madonna in gepunkteter Krawatte? Das musst<strong>en</strong> dann ein<br />

Männerhut und eine dicke Zigarre wie<strong>de</strong>r relativier<strong>en</strong>. Trotz<strong>de</strong>m – auch<br />

das unbeschreiblich weiblich. Manchmal sind die Punkte in <strong>de</strong>r Mo<strong>de</strong> für<br />

eine Weile verschwund<strong>en</strong> o<strong>de</strong>r in die Dessous-Abteilung abgetaucht (wo<br />

sie schon immer beliebt war<strong>en</strong>). Ganz verschwind<strong>en</strong> werd<strong>en</strong> sie aber nie.<br />

Tupf<strong>en</strong><br />

111<br />

Für dies<strong>en</strong> Tupf<strong>en</strong>mantel<br />

hat Juliette<br />

Greco spontan ihre<br />

Prinzipi<strong>en</strong> durchbroch<strong>en</strong>.<br />

DOPPELSEITE<br />

Eine Kollektion, für<br />

die Pierre Cardin in<br />

einem Punkterausch<br />

schwelgte.


112 <strong>Pretty</strong> W<strong>om</strong><strong>en</strong>


Anita Ekberg<br />

113


Für die Dessous<br />

von Sharon Stone<br />

fühlte sich die<br />

Kostümbildnerin<br />

nicht zuständig.<br />

EYES WIDE<br />

SHUT …<br />

Sharon Stone und <strong>de</strong>r »Basic Instinct«<br />

… hätte <strong>de</strong>r Erotik-Thriller »Basic Instinct« durchaus auch heiß<strong>en</strong><br />

könn<strong>en</strong>. Der Film von Paul Verhoev<strong>en</strong> brach nicht nur alle Kass<strong>en</strong>rekor<strong>de</strong>,<br />

son<strong>de</strong>rn schuf mit Sharon Stone auch eine neue Sex-Göttin. Dabei war<strong>en</strong><br />

die Kostüme (soweit sie getrag<strong>en</strong> wurd<strong>en</strong>), die Nino Cerruti zusamm<strong>en</strong><br />

mit <strong>de</strong>r erfahr<strong>en</strong><strong>en</strong> Kostümbildnerin Ell<strong>en</strong> Mirojnick schuf, von klassischer<br />

Eleganz. Nur wie sie getrag<strong>en</strong> wurd<strong>en</strong>, erregte weltweites Aufseh<strong>en</strong>.<br />

Zumin<strong>de</strong>st in <strong>de</strong>r bewusst<strong>en</strong> Sz<strong>en</strong>e: Für Unterwäsche fühlt<strong>en</strong> sich die<br />

Kostümbildner nicht zuständig. Und Sharon Stone auch nicht. Es geht das<br />

Gerücht, dass sie <strong>de</strong>m Regisseur vor <strong>de</strong>m Dreh dieser Sz<strong>en</strong>e ihr<strong>en</strong> Slip<br />

überreicht hätte.<br />

Dabei hat die blon<strong>de</strong> Schöne so brav angefang<strong>en</strong>: Ihre erste Rolle<br />

spielte das New Yorker Mo<strong>de</strong>l in Woody All<strong>en</strong>s »Stardust Memories«.<br />

Weshalb für d<strong>en</strong> »eiskalt<strong>en</strong> To<strong>de</strong>s<strong>en</strong>gel« in Verhoev<strong>en</strong>s Film zunächst die<br />

Kolleginn<strong>en</strong> Kim Basinger, Michelle Pfeiffer und Greta Scacchi vorgeseh<strong>en</strong><br />

war<strong>en</strong>, die jedoch ablehnt<strong>en</strong>. Emma Th<strong>om</strong>pson hätte <strong>de</strong>r Mut nicht<br />

gefehlt, aber sie war schon für »Wie<strong>de</strong>rseh<strong>en</strong> in Howards End« verpfl ichtet.<br />

Vielleicht hat es sie ein bissch<strong>en</strong> gereut – ihre Äußerung über Sharon<br />

Stone lässt das zumin<strong>de</strong>st vermut<strong>en</strong>: »Soweit ich das in Sharons Liebessz<strong>en</strong><strong>en</strong><br />

seh<strong>en</strong> kann, formt<strong>en</strong> sie ihr<strong>en</strong> Körper aus haltbarem Plastilin. Sie<br />

reitet Michael Douglas wie ein<strong>en</strong> Esel, und nicht ein Zoll an ihrem Körper<br />

bewegt sich!« (Aber vielleicht ist das nur ganz normale »Stut<strong>en</strong>bissigkeit«<br />

…)<br />

Obwohl die Kinokass<strong>en</strong> auf <strong>de</strong>r ganz<strong>en</strong> Welt klingelt<strong>en</strong>, war die<br />

Kritik eher durchwachs<strong>en</strong>. Die beid<strong>en</strong> Hauptdarsteller war<strong>en</strong> sogar für<br />

die gefürchtete »Gold<strong>en</strong>e Himbeere« n<strong>om</strong>iniert. Vor allem an <strong>de</strong>r schauspielerisch<strong>en</strong><br />

Leistung von Michael Douglas wur<strong>de</strong> herumgekrittelt<br />

(»spielt wie vor 20 Jahr<strong>en</strong> in ›Die Straß<strong>en</strong> von San Francisco‹!«). Hatte er<br />

d<strong>en</strong>n eine Chance?<br />

114 <strong>Pretty</strong> W<strong>om</strong><strong>en</strong>


Sharon Stone<br />

115


DIE<br />

LIEBESGÖTTIN<br />

Als Rita (Hayworth)<br />

ihre Handschuhe auszog<br />

Allein w<strong>en</strong>n Rita<br />

ihre Handschuhe<br />

abstreifte, verfi el<strong>en</strong><br />

die Männer in<br />

Raserei.<br />

Gl<strong>en</strong>n Ford liebt<br />

die Liebesgöttin<br />

Rita Hayworth<br />

in »Gilda« – er gibt<br />

es nur lange nicht<br />

zu …<br />

Dieser Mann liebte die Frau<strong>en</strong>: D<strong>en</strong>n wie<strong>de</strong>r einmal war es <strong>de</strong>r<br />

begna<strong>de</strong>te Hollywood-Kostümbildner Jean Louis, <strong>de</strong>r die Hayworth<br />

modisch atemberaub<strong>en</strong>d in Sz<strong>en</strong>e setzte. Mit diesem<br />

Kleid am schön<strong>en</strong> Leib wur<strong>de</strong> Rita Hayworth in <strong>de</strong>m Film noir »Gilda«<br />

von 1946 zur begehrtest<strong>en</strong> Frau ihrer Zeit. Der Striptease, <strong>de</strong>r lediglich<br />

darin bestand, dass sie ihre armlang<strong>en</strong> Handschuhe abstreifte, ging als<br />

eine <strong>de</strong>r berühmtest<strong>en</strong> Filmsz<strong>en</strong><strong>en</strong> aller Zeit<strong>en</strong> in die Hollywoodgeschichte<br />

ein. Sie wur<strong>de</strong> damit zur Liebesgöttin Amerikas und zum Vorbild<br />

für viele Schauspielerinn<strong>en</strong>, die lange nach ihr kam<strong>en</strong>: Barbra Streisand,<br />

Shirley MacLaine, R<strong>om</strong>y Schnei<strong>de</strong>r, S<strong>en</strong>ta Berger, Claudia Cardinale, Anita<br />

Ekberg, Nicole Kidman, J<strong>en</strong>nifer Lopez – sie alle gab<strong>en</strong> sie in ihr<strong>en</strong> Autobiografi<br />

<strong>en</strong> o<strong>de</strong>r in Interviews als ihr Vorbild an.<br />

Die Presse bezeichnete »Gilda« als Gefühlskino <strong>de</strong>r Superlative.<br />

»W<strong>en</strong>n Männer hass<strong>en</strong>, erfi nd<strong>en</strong> sie Frau<strong>en</strong> wie Gilda, … die die Er<strong>de</strong> beb<strong>en</strong><br />

und Schneestürme heul<strong>en</strong> lass<strong>en</strong>«, schrieb »Die Zeit« über dies<strong>en</strong><br />

Film. Das Lied »Put the Blame on Mame«, das die Hayworth in <strong>de</strong>r Handschuhsz<strong>en</strong>e<br />

sang, wur<strong>de</strong> zu einem Lieblingslied <strong>de</strong>r aus <strong>de</strong>m Krieg heimkehr<strong>en</strong>d<strong>en</strong><br />

Soldat<strong>en</strong> – so wie die Hayworth schon vorher <strong>de</strong>r<strong>en</strong> Lieblings-Pin-up-Girl<br />

war. Daran hab<strong>en</strong> auch spätere, nicht<br />

ganz so erfolgreiche Roll<strong>en</strong> und Filme nichts geän<strong>de</strong>rt.<br />

Nicht einmal <strong>de</strong>r Bibel-Film »Sal<strong>om</strong>e« – die<br />

Hayworth blieb die Hayworth. Der Kult um sie<br />

ging so weit, dass ihr Pin-up-Bild 1946 sogar auf<br />

eine At<strong>om</strong>b<strong>om</strong>be geklebt wur<strong>de</strong>, die auf <strong>de</strong>m<br />

Bikini-Atoll getestet wur<strong>de</strong>. Sie soll bitterlich darüber<br />

geweint hab<strong>en</strong>. Ihr<strong>en</strong> Stern auf <strong>de</strong>m »Hollywood<br />

Walk of Fame« hat sich die rotblon<strong>de</strong> Traumfrau<br />

wahrlich verdi<strong>en</strong>t.


Rita Hayworth<br />

117


HITCHCOCK<br />

MACHT MODE<br />

Wie Grace Kelly Monaco gerettet hat<br />

In Ȇber d<strong>en</strong><br />

Dächern von Nizza«<br />

präs<strong>en</strong>tiert Edith<br />

Head die schönst<strong>en</strong><br />

Klei<strong>de</strong>r Hollywoods.<br />

Hitchcocks<br />

Lieblingsstar Grace<br />

Kelly, die er modisch<br />

von Kopf bis Fuß<br />

neu kreierte.<br />

In ihrer erst<strong>en</strong> groß<strong>en</strong> Rolle an <strong>de</strong>r Seite von Gary Cooper in »Zwölf<br />

Uhr mittags« war die Gar<strong>de</strong>robe <strong>de</strong>r später<strong>en</strong> Stil-Ikone Grace Kelly<br />

noch kaum beeindruck<strong>en</strong>d: Für eine frisch verheiratete Quäker-Frau<br />

in Western-Umgebung konnte selbst <strong>de</strong>r g<strong>en</strong>ialste Kostümbildner keine<br />

Traumklei<strong>de</strong>r zaubern. So war es eine glückliche Fügung, dass Grace Kelly<br />

d<strong>en</strong> Film »Die Faust im Nack<strong>en</strong>« absagte, in <strong>de</strong>m ihr Elia Kazan die weibliche<br />

Hauptrolle neb<strong>en</strong> Marlon Brando angebot<strong>en</strong> hatte. Sie <strong>en</strong>tschied<br />

sich für Alfred Hitchcock und sein<strong>en</strong> Kultfi lm »Das F<strong>en</strong>ster zum Hof«.<br />

Dass Hitchcock in sein<strong>en</strong> Film<strong>en</strong> auch nicht die kleinste Kleinigkeit <strong>de</strong>m<br />

Zufall überließ, ist bekannt. Dass er seine Detailversess<strong>en</strong>heit aber sogar<br />

auf die Kostüme aus<strong>de</strong>hnte, war für die Kostümbildnerin Edith Head<br />

jedoch neu. Hitchcock sah »Das F<strong>en</strong>ster zum Hof« nicht nur als Kriminalfi<br />

lm. Ihn faszinierte <strong>de</strong>r Blick eines gelangweilt<strong>en</strong>, an d<strong>en</strong> Rollstuhl<br />

gefesselt<strong>en</strong> Presse- fotograf<strong>en</strong> und Ab<strong>en</strong>teurers, <strong>de</strong>r<br />

seine normale Neugier zur obsessiv<strong>en</strong> Beobachtungs-<br />

wut steigert, und auf einer<br />

zweit<strong>en</strong> Eb<strong>en</strong>e die ungeklärte<br />

Beziehung zwisch<strong>en</strong><br />

Jeff/James Stewart und Lisa/<br />

Grace Kelly, die von einer kaum<br />

überwindbar erschein<strong>en</strong>d<strong>en</strong> Beziehungsangst<br />

geprägt wird. Deshalb<br />

war ihm wichtig, dass sich je<strong>de</strong><br />

emotionale Regung <strong>de</strong>r beid<strong>en</strong> Hauptdarsteller<br />

auch in d<strong>en</strong> Klei<strong>de</strong>rn wi<strong>de</strong>rspiegelt.<br />

An Hitchcocks »Leine« ist Edith Head fast über<br />

sich selbst hinausgewachs<strong>en</strong>. So erhielt sie<br />

auch d<strong>en</strong> Auftrag, die Kostüme


Grace Kelly<br />

119


Links<br />

Das trug Grace<br />

zu ihrer erst<strong>en</strong><br />

Verabredung mit<br />

Fürst Rainier von<br />

Monaco.<br />

Rechts<br />

Ein Traumkleid<br />

von Edith Head,<br />

die sich ständig<br />

Einmischung<strong>en</strong> von<br />

Hitch gefall<strong>en</strong><br />

lass<strong>en</strong> musste.<br />

120<br />

für d<strong>en</strong> ein Jahr später <strong>en</strong>tstand<strong>en</strong><strong>en</strong> Film »Über d<strong>en</strong> Dächern von<br />

Nizza« zu schnei<strong>de</strong>rn, und wie<strong>de</strong>r gelang<strong>en</strong> ihr atemberaub<strong>en</strong><strong>de</strong> Entwürfe.<br />

Edith Head wur<strong>de</strong> zur erfolgreichst<strong>en</strong> Kostümbildnerin Hollywoods<br />

(»W<strong>en</strong>n es ein Paramount-Film ist, stamm<strong>en</strong> die Kostüme höchstwahrscheinlich<br />

von mir!«) und erhielt als Lohn insgesamt 35 Oscar-<br />

N<strong>om</strong>inierung<strong>en</strong>. Beson<strong>de</strong>rs gern arbeitete sie allerdings für Grace Kelly:<br />

»Ich habe taus<strong>en</strong><strong>de</strong> Schauspieler, Schauspielerinn<strong>en</strong> und Tiere angezog<strong>en</strong>.<br />

W<strong>en</strong>n Sie mich frag<strong>en</strong>, mit wem ich am liebst<strong>en</strong> gearbeitet habe,<br />

sage ich: Grace Kelly. Sie ist charmant, unglaublich begabt und b<strong>en</strong>immt<br />

sich wie eine Freundin.«<br />

Für diese Schauspielerin gelang<strong>en</strong> ihr so perfekte Meisterwerke,<br />

dass man bei »Das F<strong>en</strong>ster zum Hof« fast mein<strong>en</strong> könnte, ein<strong>en</strong> Film über<br />

Mo<strong>de</strong> zu seh<strong>en</strong>. Dabei wird am En<strong>de</strong> doch ein Mord aufgeklärt. Was die<br />

Beziehung <strong>de</strong>r beid<strong>en</strong> Hauptfi gur<strong>en</strong> anging, blieb Hitchcock allerdings<br />

skeptisch: Alles in Sach<strong>en</strong> Liebe ließ er off<strong>en</strong> – Traumklei<strong>de</strong>r hin o<strong>de</strong>r her.<br />

Als sich Grace Kelly 1955 währ<strong>en</strong>d <strong>de</strong>r Filmfestspiele in Cannes<br />

von <strong>de</strong>m »Paris Match«-Journalist<strong>en</strong> Pierre Galante (n<strong>om</strong><strong>en</strong> est <strong>om</strong><strong>en</strong>?)<br />

zu einem Treff<strong>en</strong> mit Fürst Rainier III. in Monte Carlo überred<strong>en</strong> ließ, war<br />

es eb<strong>en</strong>falls w<strong>en</strong>iger Liebe (zumin<strong>de</strong>st nicht auf d<strong>en</strong> erst<strong>en</strong> Blick) – als ein<br />

Geschäft auf Geg<strong>en</strong>seitigkeit mit <strong>de</strong>m Ergebnis: große Fotostrecke und<br />

die Headline »Filmprinzessin trifft echt<strong>en</strong> Fürst<strong>en</strong>«. Monaco war zu diesem<br />

Zeitpunkt fast pleite, und <strong>de</strong>r Fürst erkannte sehr schnell seine<br />

Chance (als Mann und auch als Lan<strong>de</strong>sfürst). Schon ein halbes Jahr später<br />

<strong>Pretty</strong> W<strong>om</strong><strong>en</strong><br />

»Sie ist<br />

charmant,<br />

unglaublich<br />

begabt und<br />

b<strong>en</strong>immt sich<br />

wie eine<br />

Freundin.«<br />

Edith Head


wird die Verlobung bekannt gegeb<strong>en</strong>, und die Märch<strong>en</strong>geschichte nimmt<br />

ihr<strong>en</strong> Lauf. Grace Kelly gibt ihrem Leb<strong>en</strong>sgefährt<strong>en</strong>, <strong>de</strong>m Kostüm<strong>de</strong>signer<br />

Oleg Cassini, d<strong>en</strong> Laufpass. Empört hielt dieser ihr <strong>en</strong>tgeg<strong>en</strong>, dass sie<br />

d<strong>en</strong> Fürst<strong>en</strong> doch gar nicht richtig k<strong>en</strong>n<strong>en</strong> wür<strong>de</strong>. »Ich wer<strong>de</strong> es lern<strong>en</strong>,<br />

ihn zu lieb<strong>en</strong>!«, antwortete <strong>de</strong>r Star, <strong>de</strong>r immer schon große Ambition<strong>en</strong><br />

hatte. Insi<strong>de</strong>r woll<strong>en</strong> wiss<strong>en</strong>, dass Grace Kelly mit dieser Hochzeit wahrscheinlich<br />

ihrem Vater imponier<strong>en</strong> wollte, <strong>de</strong>r es mit einem Bauunternehm<strong>en</strong><br />

zum Millionär gebracht hatte und <strong>de</strong>r Hollywood-Karriere seiner<br />

Tochter in <strong>de</strong>r<strong>en</strong> Aug<strong>en</strong> nicht g<strong>en</strong>üg<strong>en</strong>d Respekt zollte. Immerhin:<br />

Die Mitgift betrug zwei Million<strong>en</strong> Dollar.<br />

Das Hochzeitskleid war ein Gesch<strong>en</strong>k <strong>de</strong>r MGM-Studios und<br />

wur<strong>de</strong> von Hel<strong>en</strong> Rose <strong>en</strong>tworf<strong>en</strong>, die hun<strong>de</strong>rte von Film<strong>en</strong> ausgestattet<br />

und Grace Kelly auch schon in »High Society« angezog<strong>en</strong> hatte. Dieses<br />

Hochzeitskleid aus 30 Meter Tüll und 290 Meter Val<strong>en</strong>ci<strong>en</strong>nes-Spitze,<br />

perl<strong>en</strong>bestickt und zum Nie<strong>de</strong>rkni<strong>en</strong> schön, ist noch heute die Nummer<br />

eins unter d<strong>en</strong> Brautkleid-Klassikern. MGM bannte die monegassische<br />

Grace Kelly<br />

121<br />

Grace Kelly und<br />

James Stewart in<br />

Hitchcocks Kultfi lm<br />

»Das F<strong>en</strong>ster zum<br />

Hof«.


Ein prächtiges<br />

Film-Kostüm –<br />

das bald von <strong>de</strong>r<br />

Wirklichkeit<br />

eingeholt werd<strong>en</strong><br />

sollte …<br />

… das fürstliche<br />

Kleid für die<br />

monegassische<br />

Traumhochzeit<br />

<strong>en</strong>twarf Hel<strong>en</strong><br />

Rose.<br />

122<br />

Hochzeit für die Nachwelt auf Zelluloid, und <strong>de</strong>r Ree<strong>de</strong>r-Milliardär Onassis<br />

fi nanzierte sie. Der Grieche hatte schon immer eine Nase für richtig<br />

gute Investition<strong>en</strong>: Der neu<strong>en</strong> Lan<strong>de</strong>sfürstin, die sich jetzt Gracia Patricia<br />

nannte und aus Gründ<strong>en</strong> <strong>de</strong>r Staatsraison auf das Filmgeschäft verzicht<strong>en</strong><br />

musste, gelang es im Handumdreh<strong>en</strong>, die Tourist<strong>en</strong>zahl<strong>en</strong> zu verdoppeln<br />

und Monaco zum international<strong>en</strong> Pr<strong>om</strong>in<strong>en</strong>t<strong>en</strong>-Treff Nummer eins<br />

zu mach<strong>en</strong>. Nur Hitchcock war traurig – er hatte seine Lieblingsschauspielerin<br />

verlor<strong>en</strong>.<br />

Die Fürstin ihrerseits prägte in <strong>de</strong>r Folge einige weitere unvergess<strong>en</strong>e<br />

Mo<strong>de</strong>accessoires, wie die berühmte »Kelly Bag«. Anlass war w<strong>en</strong>iger<br />

das Mo<strong>de</strong>ll – Täschch<strong>en</strong> mit Trageriem<strong>en</strong> gehört<strong>en</strong> schon seit d<strong>en</strong> 30er-<br />

Jahr<strong>en</strong> zu d<strong>en</strong> Mo<strong>de</strong>klassikern –, son<strong>de</strong>rn ein Titelfoto <strong>de</strong>s Magazins<br />

»Life«, auf <strong>de</strong>m die Fürstin von Monaco versuchte, mit <strong>de</strong>r Tasche ihre<br />

Schwangerschaft zu verberg<strong>en</strong>. Eine Geschichte, die sich die Tasch<strong>en</strong>macher<br />

von Hermés natürlich nicht <strong>en</strong>tgeh<strong>en</strong> ließ<strong>en</strong>: Die »Kelly Bag« war<br />

gebor<strong>en</strong>. Sie kost<strong>en</strong> heute einige taus<strong>en</strong>d Euro, Kroko-Variant<strong>en</strong> aus d<strong>en</strong><br />

60er-Jahr<strong>en</strong> erziel<strong>en</strong> bei Auktion<strong>en</strong> bis zu 6000 Dollar.<br />

<strong>Pretty</strong> W<strong>om</strong><strong>en</strong><br />

»Sie alle<br />

(die Studios)<br />

fand<strong>en</strong> Kelly<br />

zunächst zu<br />

kalt und<br />

geschlechtslos.<br />

Aber für mich<br />

war und ist<br />

sie stets ein<br />

schneebe<strong>de</strong>ckter<br />

Vulkan.«<br />

Alfred Hitchcock


Grace Kelly<br />

123


Joan Collins,<br />

schon früh »Britains<br />

best bad girl«,<br />

provozierte schon<br />

immer gerne.<br />

Diese »heiß<strong>en</strong><br />

Hösch<strong>en</strong>«: Es ist,<br />

als sei<strong>en</strong> sie für<br />

Madonna erfund<strong>en</strong><br />

word<strong>en</strong>.<br />

HOT<br />

PANTS<br />

Das Gesicht<br />

<strong>de</strong>r Swinging Sixties<br />

Sie hieß eig<strong>en</strong>tlich Lesly Hornby, stammte aus einfach<strong>en</strong> Londoner<br />

Verhältniss<strong>en</strong> und wur<strong>de</strong> das erste weltweit bekannte Topmo<strong>de</strong>l.<br />

Ihre Mutter war Verkäuferin bei Woolworth und hätte sich<br />

bestimmt bei <strong>de</strong>r Geburt ihrer Tochter nicht träum<strong>en</strong> lass<strong>en</strong>, dass diese<br />

einmal unter <strong>de</strong>m Nam<strong>en</strong> »Twiggy« die präg<strong>en</strong><strong>de</strong> Rolle <strong>de</strong>r »Swinging<br />

Sixties« innehab<strong>en</strong> wür<strong>de</strong>.<br />

Es begann alles ziemlich »haarig«, nämlich bei Vidal Sassoon, <strong>de</strong>m<br />

fl ippigst<strong>en</strong> Friseur Londons, <strong>de</strong>m das klapperdürre Mädch<strong>en</strong> mit d<strong>en</strong> kugelrund<strong>en</strong><br />

Aug<strong>en</strong>, d<strong>en</strong> Schatt<strong>en</strong> werf<strong>en</strong>d<strong>en</strong>, lang<strong>en</strong> Wimpern und <strong>de</strong>m<br />

kindlich<strong>en</strong> Mund als Mo<strong>de</strong>ll für seine kurz<strong>en</strong>, glatt<strong>en</strong> Föhnfrisur<strong>en</strong> di<strong>en</strong>te<br />

(die die Frau<strong>en</strong> von Lock<strong>en</strong>wicklern und <strong>de</strong>m Schmor<strong>en</strong> unter Trock<strong>en</strong>haub<strong>en</strong><br />

erlöst<strong>en</strong>). Eines dieser Sassoon-Bil<strong>de</strong>r Twiggys fand d<strong>en</strong> Weg auf<br />

eine Zeitschrift<strong>en</strong>-Titelseite, und die Kindfrau wur<strong>de</strong> zu <strong>de</strong>m Gesicht dieser<br />

Zeit. Zu keinem Mo<strong>de</strong>l hätt<strong>en</strong> die Miniklei<strong>de</strong>r und -röcke von Mary<br />

Quant besser gepasst als zu diesem Mädch<strong>en</strong>, <strong>de</strong>ss<strong>en</strong> natürliches Dünnsein<br />

(im Geg<strong>en</strong>satz zum Abgehungert<strong>en</strong>look vieler heutiger Mo<strong>de</strong>ls)<br />

alle Welt faszinierte: Kurz geschnitt<strong>en</strong>e Oberteile über d<strong>en</strong> Minis ließ<strong>en</strong><br />

die Beine Twiggys noch länger erschein<strong>en</strong>, mit d<strong>en</strong><strong>en</strong> sie über<br />

die Laufstege tanzte. Und dann wur<strong>de</strong> <strong>de</strong>m »verrucht<strong>en</strong>«<br />

Mini noch eins draufgesetzt – die »heiß<strong>en</strong> Hösch<strong>en</strong>«.<br />

Zunächst war<strong>en</strong> sie oft ausgefranste, abgeschnitt<strong>en</strong>e<br />

Jeans, mausert<strong>en</strong> sich aber bald zu edler<strong>en</strong> Materiali<strong>en</strong><br />

wie <strong>de</strong>hnbarem Satin, Samt o<strong>de</strong>r Strickstoff<strong>en</strong>. Hauptsache, <strong>de</strong>r Po wur<strong>de</strong><br />

perfekt mo<strong>de</strong>lliert. Die Anhänger von Lock<strong>en</strong>köpf<strong>en</strong> und Kurv<strong>en</strong> à la<br />

Sophia Lor<strong>en</strong> und Marilyn Monroe war<strong>en</strong> konsterniert – und ziemlich<br />

»out«. Wer jung war und »in« sein wollte, zog sich diese Hot Pants an,<br />

geg<strong>en</strong> die <strong>de</strong>r Minirock schon fast wie<strong>de</strong>r gesittet wirkte. Und dann kam<br />

<strong>de</strong>r Maximantel. Minimales zieht oft Maximales nach sich.


Hot Pants<br />

125


tp://portal.picture-alliance.c<strong>om</strong>/cust<strong>om</strong>er/<strong>de</strong>rivative/wprev/6205518-dL3-7O8v9j5Xf-3j8a7vfu8Zwjb<br />

cture-alliance.c<strong>om</strong>/cust<strong>om</strong>er/<strong>de</strong>rivative/wprev/5340549-dL3-7O8v9j5Xf-3j8a7vfu8ZwjbvqM759v5L<br />

hriftsteller zu all<strong>en</strong> Zeit<strong>en</strong> fasziniert und als die Bil<strong>de</strong>r lauf<strong>en</strong> lernt<strong>en</strong>, folgt<strong>en</strong> ihn<strong>en</strong> die Filmemache<br />

ße. Mo<strong>de</strong>m<strong>en</strong>sch<strong>en</strong> (und Maler) war<strong>en</strong> und sind fasziniert von d<strong>en</strong> int<strong>en</strong>siv<strong>en</strong> Farb<strong>en</strong> Afrikas. Vielle<br />

<strong>en</strong>schheit. JENSEITS<br />

VON AFRIKA<br />

Ein Kontin<strong>en</strong>t macht Mo<strong>de</strong><br />

Afrika regte schon<br />

immer die Fantasie<br />

aller Designer<br />

an – auch die<br />

<strong>de</strong>r Hutmacher.<br />

Der Film von Sidney Pollack mit Meryl Streep, Robert Redford<br />

und Klaus Maria Brandauer in d<strong>en</strong> Hauptroll<strong>en</strong> löste eine wahre<br />

»Afrikamania« aus, die bis heute angehalt<strong>en</strong> hat. Er erzählt die<br />

Leb<strong>en</strong>sgeschichte <strong>de</strong>r dänisch<strong>en</strong> Schriftstellerin Tanja Blix<strong>en</strong>, w<strong>en</strong>n auch<br />

»fi lmgerecht« verän<strong>de</strong>rt – wer wiss<strong>en</strong> will, wie es wirklich war, muss ihre<br />

Bücher les<strong>en</strong>. Dieser Kontin<strong>en</strong>t hat die Schriftsteller zu all<strong>en</strong> Zeit<strong>en</strong> fasziniert,<br />

und als die Bil<strong>de</strong>r lauf<strong>en</strong> lernt<strong>en</strong>, folgt<strong>en</strong> ihn<strong>en</strong> die Filmemacher auf<br />

<strong>de</strong>m Fuße. Mo<strong>de</strong>m<strong>en</strong>sch<strong>en</strong> (und Maler) war<strong>en</strong> und sind fasziniert von<br />

d<strong>en</strong> int<strong>en</strong>siv<strong>en</strong> Farb<strong>en</strong> Afrikas. Vielleicht weck<strong>en</strong> sie in uns die Erinnerung<br />

an unsere alte Heimat? Afrika ist nun mal die Wiege <strong>de</strong>r M<strong>en</strong>schheit.<br />

Meryl Streep, einer <strong>de</strong>r vielseitigst<strong>en</strong> und erfolgreichst<strong>en</strong> weiblich<strong>en</strong><br />

US-Stars – sie hält beispielsweise vor Katharine Hepburn und Jack<br />

Nicholson d<strong>en</strong> Rekord in Sach<strong>en</strong> Oscar-N<strong>om</strong>inierung<strong>en</strong> –, wird wohl<br />

für viele hauptsächlich durch »J<strong>en</strong>seits von Afrika« in Erinnerung<br />

bleib<strong>en</strong>. Und für die meist<strong>en</strong> <strong>de</strong>r jünger<strong>en</strong> G<strong>en</strong>eration<br />

gilt dieser Film auch als Auslöser für d<strong>en</strong> Safari-Look,<br />

<strong>de</strong>r seither fast Jahr für Jahr von all<strong>en</strong> Designern –<br />

auch <strong>de</strong>r Haute Couture – aufgegriff<strong>en</strong> wird. Egal<br />

ob sportlich betont in Hos<strong>en</strong>anzüg<strong>en</strong>, Shorts und<br />

Hos<strong>en</strong>röck<strong>en</strong> o<strong>de</strong>r in Klei<strong>de</strong>rn mit Animal-Mustern<br />

in Zebra, Tiger o<strong>de</strong>r Leopard. Ergänzt<br />

werd<strong>en</strong> diese Ensembles<br />

durch Holzperl<strong>en</strong>schmuck o<strong>de</strong>r<br />

Makramee-Gefl echte, Armbän<strong>de</strong>r<br />

aus Holz, Elefant<strong>en</strong>haar o<strong>de</strong>r Eb<strong>en</strong>holzschnitzerei<strong>en</strong>.<br />

In Wahrheit war aber einer –<br />

<strong>de</strong>r Größte – schon wie<strong>de</strong>r einmal viel früher<br />

damit auf <strong>de</strong>m Spot: Yves Saint Laur<strong>en</strong>t huldigte<br />

126 <strong>Pretty</strong> W<strong>om</strong><strong>en</strong>


vqM759v5L8Pm1oRsbv2d2ifyhnPsfo1v8z2uh9dkRx2bP415840c98foPbO5jeNhv.jpg http://portal.<br />

8Pm2o9s8vbd2i8ydnPsfofvRzfu298kdxdbP425948cd8RoPbO5jeNhv.jpg Dieser Kontin<strong>en</strong>t hat die<br />

r auf <strong>de</strong>m<br />

icht weck<strong>en</strong> sie in uns die Erinnerung an unsere alte Heimat? Afrika ist nun mal die Wiege <strong>de</strong>r<br />

<strong>de</strong>r Großwildjägerei und Wildtierbeobachtung unter <strong>de</strong>r heiß<strong>en</strong> Sonne<br />

Afrikas bereits 1968 im Rahm<strong>en</strong> einer Kollektion. Vielleicht ließ er sich<br />

von alt<strong>en</strong> Hollywood-Film<strong>en</strong> inspirier<strong>en</strong>, d<strong>en</strong>n schon Marl<strong>en</strong>e Dietrich,<br />

Ava Gardner und Grace Kelly trug<strong>en</strong> savann<strong>en</strong>taugliche Kleidung in<br />

Khaki. Yves Saint Laur<strong>en</strong>t arbeitete natürlich auch mit ge<strong>de</strong>ckt<strong>en</strong> Erdfarb<strong>en</strong>,<br />

Brusttasch<strong>en</strong> und Ös<strong>en</strong>schnürung. Veruschka von Lehndorff<br />

wur<strong>de</strong> in einem dieser Mo<strong>de</strong>lle, <strong>de</strong>korativ das Gewehr über <strong>de</strong>r Schulter,<br />

mit großem Frans<strong>en</strong>hut fotografi ert. Die Sehnsucht von uns Großstadt-<br />

Zivilist<strong>en</strong> nach Freiheit und Naturverbund<strong>en</strong>heit wird ewig leb<strong>en</strong>.<br />

Anita Safari-Look Ekberg 127<br />

Ava Gardner, Clark<br />

Gable und Grace<br />

Kelly in »Mogambo« –<br />

die »Afr<strong>om</strong>ania«<br />

konnte beginn<strong>en</strong>.


FARBENRAUSCH<br />

Als wir Buntes<br />

buchstabier<strong>en</strong> lernt<strong>en</strong><br />

Pucci-Präs<strong>en</strong>tation<br />

2004 in Mailand –<br />

in all<strong>en</strong> Farb<strong>en</strong> <strong>de</strong>s<br />

Reg<strong>en</strong>bog<strong>en</strong>s.<br />

Chiff on und Jersey –<br />

im »Farb<strong>en</strong>-Alphabet«<br />

<strong>de</strong>s g<strong>en</strong>ial<strong>en</strong><br />

fl or<strong>en</strong>tinisch<strong>en</strong><br />

Graf<strong>en</strong>.<br />

Barbara Parker im<br />

»Tal <strong>de</strong>r Pupp<strong>en</strong>« –<br />

Pucci war längst<br />

auch in Hollywood<br />

angek<strong>om</strong>m<strong>en</strong>.<br />

Beim breit<strong>en</strong> Publikum ist <strong>de</strong>r fl or<strong>en</strong>tinische Graf Emilio Pucci als<br />

<strong>de</strong>r Vater <strong>de</strong>r Capri-Hos<strong>en</strong> und als Erfi n<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r knitterfrei<strong>en</strong><br />

»Kofferklei<strong>de</strong>r« aus Seid<strong>en</strong>jersey für immer in Erinnerung. Und<br />

natürlich seine unglaublich<strong>en</strong> Farb<strong>en</strong> und Muster nicht zu vergess<strong>en</strong>. Dabei<br />

hatte sein Aufstieg zum groß<strong>en</strong> Couturier auf <strong>de</strong>r Skipiste begonn<strong>en</strong> –<br />

er war bei <strong>de</strong>r Olympia<strong>de</strong> 1936 in Garmisch Mitglied <strong>de</strong>r itali<strong>en</strong>isch<strong>en</strong> Skimannschaft,<br />

woraus sich eine erste Sportkollektion ergab, eb<strong>en</strong>so wie<br />

sein Ehrgeiz, funktionale Stoffe – wie beispielsweise Stretch für Skihos<strong>en</strong><br />

o<strong>de</strong>r Seid<strong>en</strong>shantung (Emilioform) für Bodys – zu (er)fi nd<strong>en</strong>. Er wur<strong>de</strong><br />

gefeiert, und von da an gab es kein Halt<strong>en</strong> mehr.<br />

Pucci steht für ein<strong>en</strong> Farb<strong>en</strong>rausch, wie ihn vor ihm noch niemand<br />

<strong>en</strong>tfacht hat: Blau und Grün fl oss<strong>en</strong> in ein unnachahmliches Pucci-<br />

Türkis, Rot und Gelb in ein Orange, das man eb<strong>en</strong>falls sofort ihm zuordn<strong>en</strong><br />

konnte. Die berühmt<strong>en</strong> Trägerinn<strong>en</strong> – wie Marilyn Monroe,<br />

Elizabeth Taylor o<strong>de</strong>r Jane Fonda – verschafft<strong>en</strong> <strong>de</strong>m Label Pucci etwas<br />

Exklusives und signalisiert<strong>en</strong> gleichzeitig eine neue Bewegungsfreiheit<br />

ohne Mie<strong>de</strong>r und Korsett. Seine Farb<strong>en</strong> und Muster<br />

stimmt<strong>en</strong> mit <strong>de</strong>m Pop-Art-Feeling <strong>de</strong>r 1960er-Jahre<br />

überein – Limon<strong>en</strong>grün mit Korall<strong>en</strong>rot, Türkis mit<br />

Braun und Pink wirbelt<strong>en</strong> durcheinan<strong>de</strong>r.<br />

Nach Puccis Tod im Jahr 1992 holte seine<br />

Tochter Marchesa Laud<strong>om</strong>ia Pucci große Designer<br />

wie Christian Lacroix, Matthew Williamson<br />

und zuletzt d<strong>en</strong> von Ungaro<br />

k<strong>om</strong>m<strong>en</strong>d<strong>en</strong> Peter Dundas ins Haus.<br />

Der<strong>en</strong> Aufgabe: »Sie müss<strong>en</strong> die<br />

Pucci-Muster wie <strong>Buch</strong>stab<strong>en</strong> eines<br />

Alphabets les<strong>en</strong> könn<strong>en</strong>.«<br />

128 <strong>Pretty</strong> W<strong>om</strong><strong>en</strong>


Emilio Pucci<br />

129


MADEMOISELLE<br />

»JE T’AIME«<br />

BB – eine Frau wird Kult<br />

1959: Flitterwoch<strong>en</strong><br />

mit Ehemann<br />

Jaques Charrier in<br />

St. Tropez.<br />

1964: Selbst<br />

im brasilianisch<strong>en</strong><br />

Urwald bleibt die<br />

BB nicht un<strong>en</strong>t<strong>de</strong>ckt.<br />

DOPPELSEITE<br />

S<strong>om</strong>mer 1955: Der<br />

Maler und das<br />

Mädch<strong>en</strong> – Pablo<br />

Picasso und Brigitte<br />

Bardot.<br />

Für sie ließ Gunter Sachs 1000 rote Ros<strong>en</strong> v<strong>om</strong> Himmel regn<strong>en</strong>,<br />

bevor er sie in Las Vegas zu einer (dreijährig<strong>en</strong>) Spontan-Ehe<br />

verführte. Und 100 000 junge Mädch<strong>en</strong> übt<strong>en</strong> in d<strong>en</strong> 1950er-<br />

und 1960er-Jahr<strong>en</strong> vor <strong>de</strong>m Spiegel, ihr<strong>en</strong> Schmollmund nachzumach<strong>en</strong> –<br />

was d<strong>en</strong> Lipp<strong>en</strong>stiftumsatz <strong>en</strong>orm steigerte. Und um ein Haar wäre das<br />

berühmte, mehr gestöhnte als gesung<strong>en</strong>e Lied »Je t’aime« – Schreck<strong>en</strong>smelodie<br />

für alle Eltern und sonstig<strong>en</strong> Sitt<strong>en</strong>wächter dieser Zeit – nicht<br />

von Jane Birkin, son<strong>de</strong>rn von Brigitte Bardot gesung<strong>en</strong> word<strong>en</strong>. Kaum ein<br />

an<strong>de</strong>rer pr<strong>om</strong>in<strong>en</strong>ter Weltstar hat jemals die Mo<strong>de</strong> seiner Zeit so sehr<br />

beeinfl usst wie die Bardot. Sie verkörperte eine bis dato noch nie da<br />

gewes<strong>en</strong>e Mischung aus Unschuld und Sinnlichkeit, die ihr zu einer Blitzkarriere<br />

verhalf: Das 15-jährige, aus gut situiert<strong>en</strong>, str<strong>en</strong>g-bürgerlich<strong>en</strong><br />

Verhältniss<strong>en</strong> stamm<strong>en</strong><strong>de</strong> Mädch<strong>en</strong> wur<strong>de</strong> in kürzester Zeit zum meistgefragt<strong>en</strong><br />

Mannequin in Paris. Und war Wachs in d<strong>en</strong> Händ<strong>en</strong> ihres Ent<strong>de</strong>ckers<br />

und erst<strong>en</strong> Ehemannes Roger Vadim. Er brachte sie zum Film,<br />

und die Bardot wur<strong>de</strong> trotz schlechter Kritik<strong>en</strong> sofort zur kultig<strong>en</strong> BB. Ein<br />

Exportschlager für Frankreich: Die Auslandseinnahm<strong>en</strong> ihrer Filme überstieg<strong>en</strong><br />

zeitweise die <strong>de</strong>r Aut<strong>om</strong>arke R<strong>en</strong>ault. »Sex Appeal« wur<strong>de</strong> plötzlich<br />

auf <strong>de</strong>r ganz<strong>en</strong> Welt französisch buchstabiert. Und alle jung<strong>en</strong> Mädch<strong>en</strong><br />

wollt<strong>en</strong> sich so anzieh<strong>en</strong> wie die Bardot. Sie machte – barfuß durch<br />

St. Tropez spazier<strong>en</strong>d – nicht nur die Jeans zum modisch<strong>en</strong> Muss, son<strong>de</strong>rn<br />

auch die <strong>en</strong>g<strong>en</strong> Tops, die Tellerröcke und das Vichy-Karo in all<strong>en</strong><br />

Pastellfarb<strong>en</strong>. Der Boutique-Stil war gebor<strong>en</strong>: Klei<strong>de</strong>r, Röcke, Pullis, Blus<strong>en</strong><br />

und Bikinis mit Baumwollspitze und Lochstickerei, Mo<strong>de</strong> zu Preis<strong>en</strong>,<br />

die sich junge Leute auch leist<strong>en</strong> konnt<strong>en</strong>. Kreiert zunächst von No-<br />

Name-Designern. Gunter Sachs hatte dafür ein gutes Gespür und begrün<strong>de</strong>te<br />

mit dieser BB-Mo<strong>de</strong> seine Mic-mac-Boutiqu<strong>en</strong>. Viele an<strong>de</strong>re<br />

zog<strong>en</strong> nach. Ganz »großes Karo« für junge Leute.<br />

130 <strong>Pretty</strong> W<strong>om</strong><strong>en</strong>


Brigitte Bardot<br />

131


132 <strong>Pretty</strong> W<strong>om</strong><strong>en</strong>


Anita Ekberg<br />

133


DER KLEINE<br />

PRINZ – GANZ<br />

GROSS<br />

Azzedine Alaïa<br />

Der Mann musste<br />

auff all<strong>en</strong>: Frühe<br />

raffi nierte Schal-<br />

Kreation von<br />

Azzedine Alaïa.<br />

Zwei in ihrer<br />

ganz<strong>en</strong> Größe<br />

und Leid<strong>en</strong>schaft:<br />

Grace Jones und<br />

Azzedine Alaïa.<br />

Viele halt<strong>en</strong> d<strong>en</strong> nicht sehr groß gewachs<strong>en</strong><strong>en</strong> Mann für d<strong>en</strong> <strong>de</strong>rzeit<br />

größt<strong>en</strong> leb<strong>en</strong>d<strong>en</strong> Designer. Er selbst bezeichnet sich – bescheid<strong>en</strong><br />

– als Handwerker: Azzedine Alaïa, <strong>de</strong>r Bauernsohn aus<br />

Tunesi<strong>en</strong>, <strong>de</strong>r eig<strong>en</strong>tlich Bildhauer werd<strong>en</strong> wollte, hat es nach ganz ob<strong>en</strong><br />

geschafft. Frau<strong>en</strong>körper hält er für voll<strong>en</strong><strong>de</strong>te Skulptur<strong>en</strong>, die er liebt.<br />

Man mag es heute kaum glaub<strong>en</strong>, dass er 1957 bei Dior nach w<strong>en</strong>ig<strong>en</strong><br />

Tag<strong>en</strong> rausfl og und sich als Babysitter, Koch und Haushälter über Wasser<br />

hielt, währ<strong>en</strong>d er unbeirrt sein Ziel, Mo<strong>de</strong> zu mach<strong>en</strong>, weiterverfolgte.<br />

Zwei Jahre arbeitete er bei Guy Laroche, anschließ<strong>en</strong>d bei Thierry Mugler.<br />

Der Durchbruch kam in d<strong>en</strong> 1980er-Jahr<strong>en</strong>, als er das körperbetonte<br />

Stretchkleid erfand. (Daher sein Spitzname »König <strong>de</strong>r Klebefolie«).<br />

Alaïa mo<strong>de</strong>lliert seine Mo<strong>de</strong> auf d<strong>en</strong> Körper <strong>de</strong>r Frau<strong>en</strong> und sorgt<br />

d<strong>en</strong>noch dafür, dass es die Trägerin bequem hat. Er erfand die Mo<strong>de</strong> mit<br />

eingearbeiteter Unterwäsche und ist dadurch <strong>de</strong>r i<strong>de</strong>ale Designer für<br />

Bühn<strong>en</strong>stars mit Sinn für ästhetische Exz<strong>en</strong>trik (darunter Tina Turner,<br />

Madonna und Grace Jones, die Großkatze mit <strong>de</strong>m Raubtiergebiss).<br />

Aber auch ganz »normale« in <strong>de</strong>r Öff<strong>en</strong>tlichkeit steh<strong>en</strong><strong>de</strong> Frau<strong>en</strong> wie<br />

Michelle Obama seh<strong>en</strong> in sein<strong>en</strong> Mo<strong>de</strong>ll<strong>en</strong> hinreiß<strong>en</strong>d aus.<br />

Kaum jemand wird so oft von <strong>de</strong>r Konkurr<strong>en</strong>z »zitiert« wie Alaïa,<br />

was er nicht immer gelass<strong>en</strong> sieht. Er hält zwei Kollektion<strong>en</strong> pro Jahr für<br />

ausreich<strong>en</strong>d – alles an<strong>de</strong>re für ein »K<strong>om</strong>merz-Inferno«, das mit Kreativität<br />

nichts zu tun hat. Er kreiert eig<strong>en</strong>e Stoffe, arbeitet mit ungewöhnlich<strong>en</strong><br />

Materiali<strong>en</strong> und Material-Mix und führt all das bei sich zu Hause<br />

vor. Bei Tee und Kaffee und nur für Leute, die er mag. Für Kund<strong>en</strong>, die<br />

ihm unsympathisch sind, arbeitet er nicht. D<strong>en</strong> höchst<strong>en</strong> Verdi<strong>en</strong>stord<strong>en</strong><br />

Frankreichs nahm er nicht an, weil er Staatspräsid<strong>en</strong>t Sarkozy nicht leid<strong>en</strong><br />

kann. Was für ein ungewöhnlicher Mann!<br />

134 <strong>Pretty</strong> W<strong>om</strong><strong>en</strong>


Azzedine Alaïa<br />

135


Alles Schöne hat<br />

seine ganz<br />

beson<strong>de</strong>re Form:<br />

Das Korsett als<br />

Pünktch<strong>en</strong> auf <strong>de</strong>m<br />

»i«.<br />

ATEMLOS …<br />

… gestern, heute, morg<strong>en</strong><br />

Das gab es wirklich nur einmal: 1964 bekam Vittorio De Sicas<br />

Episod<strong>en</strong>fi lm »Gestern, heute, morg<strong>en</strong>« mit Marcello Mastroianni<br />

und Sophia Lor<strong>en</strong> in d<strong>en</strong> Hauptroll<strong>en</strong> d<strong>en</strong> Oscar für d<strong>en</strong><br />

best<strong>en</strong> ausländisch<strong>en</strong> Film. Die berühmte Striptease-Korsag<strong>en</strong>-Sz<strong>en</strong>e <strong>de</strong>r<br />

Lor<strong>en</strong> war an dieser Jury-Entscheidung <strong>de</strong>r Aca<strong>de</strong>my ganz bestimmt<br />

nicht ganz unbeteiligt. Aber dass dieselb<strong>en</strong> Schauspieler dieselbe Sz<strong>en</strong>e<br />

30 Jahre später noch einmal spiel<strong>en</strong>, mutet fast unglaublich an: So<br />

gescheh<strong>en</strong> in Robert Altmans »Prêt-à-Porter«. Dass Mastroianni dabei<br />

einschlaf<strong>en</strong> musste, lag we<strong>de</strong>r an <strong>de</strong>r älter geword<strong>en</strong><strong>en</strong> Lor<strong>en</strong> (dafür<br />

hab<strong>en</strong> schon allein exzell<strong>en</strong>te Mask<strong>en</strong>bildner und Beleuchter gesorgt)<br />

noch an <strong>de</strong>r wun<strong>de</strong>rschön<strong>en</strong> Korsage, son<strong>de</strong>rn am Drehbuch. Eine größere<br />

Ehrung konnte man <strong>de</strong>m mo<strong>de</strong>rn<strong>en</strong> Korsett und <strong>de</strong>r Korsage nicht<br />

erweis<strong>en</strong>. Was für ein modischer Aufstieg <strong>de</strong>s alt<strong>en</strong> Folterinstrum<strong>en</strong>ts,<br />

das die Frau<strong>en</strong> aus Luftmangel reih<strong>en</strong>weise ohnmächtig umsink<strong>en</strong><br />

ließ und ein Leb<strong>en</strong> ohne Riechfl äschch<strong>en</strong> kaum zuließ. (Dass viele<br />

Frau<strong>en</strong> von heute eb<strong>en</strong>falls nur ein<strong>en</strong> Teil ihres Lung<strong>en</strong>volum<strong>en</strong>s<br />

nutz<strong>en</strong>, liegt nicht an einschnür<strong>en</strong>d<strong>en</strong> Mie<strong>de</strong>rn, son<strong>de</strong>rn daran,<br />

dass sie ständig mit eingezog<strong>en</strong>em Bauch herumlauf<strong>en</strong>, was die<br />

Bauchmuskeln von unt<strong>en</strong> auf die Lung<strong>en</strong>fl ügel drückt … aber das<br />

ist ein an<strong>de</strong>res Thema.)<br />

Dass die Korsage heute zu d<strong>en</strong> glamourösest<strong>en</strong> Kleidungsstück<strong>en</strong><br />

gehört, hat eine lange und teilweise verblüff<strong>en</strong><strong>de</strong> Geschichte.<br />

Diese Geschichte hat zunächst mit <strong>de</strong>r Erfi ndung <strong>de</strong>s Büst<strong>en</strong>halters<br />

zu tun, und <strong>de</strong>r hat viele Väter und Mütter, wie das<br />

eb<strong>en</strong> bei Erfolgsstorys stets <strong>de</strong>r Fall ist. Daran beteiligt war<strong>en</strong><br />

verschied<strong>en</strong>e Person<strong>en</strong> <strong>de</strong>r Klei<strong>de</strong>rreform-Bewegung, aber<br />

auch Coco Chanel. Eine wes<strong>en</strong>tliche Verbesserung <strong>de</strong>s Büst<strong>en</strong>halters<br />

ist einem Hobby-Bildhauer zu verdank<strong>en</strong> – <strong>de</strong>m


Korsag<strong>en</strong><br />

137


»Der Engel <strong>de</strong>r<br />

Gejagt<strong>en</strong>«: die<br />

Dietrich, das<br />

Korsett, George<br />

K<strong>en</strong>nedy und<br />

Mel Ferrer.<br />

138<br />

Ehemann <strong>de</strong>r Besitzerin von »Maid<strong>en</strong>form«, einer Wäschefabrik, die<br />

1922 in d<strong>en</strong> USA gegrün<strong>de</strong>t word<strong>en</strong> war: Er erfand die getr<strong>en</strong>nt<strong>en</strong> Körbch<strong>en</strong><br />

und elastisches Material. Ein solches Mo<strong>de</strong>ll, das d<strong>en</strong> Bus<strong>en</strong> <strong>en</strong>tsprech<strong>en</strong>d<br />

auffällig formte, trug Loretta Young 1934 in <strong>de</strong>m Film »The<br />

House of Rothschild«, was <strong>en</strong>ormes Aufseh<strong>en</strong> erregte. 1934 kam <strong>de</strong>r<br />

erste trägerlose Büst<strong>en</strong>halter auf d<strong>en</strong> Markt, und ab 1935 wurd<strong>en</strong> die<br />

erst<strong>en</strong> Bügel in Mo<strong>de</strong>lle eing<strong>en</strong>äht. Jetzt schlug wie<strong>de</strong>r einmal die Stun<strong>de</strong><br />

<strong>de</strong>r Hollywood-Studios, d<strong>en</strong>n die Warner Brothers war<strong>en</strong> es, die für ihre<br />

Schauspielerinn<strong>en</strong> zum erst<strong>en</strong> Mal die Körbch<strong>en</strong>größ<strong>en</strong> von A bis D <strong>de</strong>fi -<br />

niert<strong>en</strong>. »Maid<strong>en</strong>form« erfand 1936 das kreisrun<strong>de</strong> Näh<strong>en</strong> für d<strong>en</strong> BH,<br />

wodurch <strong>de</strong>r Bus<strong>en</strong> ziemlich spitz wirkte. Darüber wur<strong>de</strong> oft ein <strong>en</strong>g anlieg<strong>en</strong><strong>de</strong>r<br />

Pullover getrag<strong>en</strong>, d<strong>en</strong> man »sweater« nannte. Das trug <strong>de</strong>r<br />

damals 16-jährig<strong>en</strong> Lana Turner bei ihrem Film<strong>de</strong>büt die Bezeichnung<br />

»Sweater-Girl« ein. Diese spitzbusig<strong>en</strong> Pullover-Aufnahm<strong>en</strong> hab<strong>en</strong> in <strong>de</strong>r<br />

Folge damals alle Schauspielerinn<strong>en</strong> von sich mach<strong>en</strong> lass<strong>en</strong> – natürlich<br />

auch die Europäerinn<strong>en</strong>.<br />

Die wun<strong>de</strong>rschön<strong>en</strong> Korsag<strong>en</strong>, die wir heute k<strong>en</strong>n<strong>en</strong> und bewun<strong>de</strong>rn,<br />

erlebt<strong>en</strong> ihre Geburtsstun<strong>de</strong> allerdings mit <strong>de</strong>r Kreation <strong>de</strong>s schulterfrei<strong>en</strong><br />

Ab<strong>en</strong>dklei<strong>de</strong>s. Es wird <strong>de</strong>r <strong>en</strong>glisch<strong>en</strong> Designerin Dolly Tree zugeschrieb<strong>en</strong>,<br />

die in London, Paris und New York zahlreiche Revu<strong>en</strong> und<br />

<strong>Pretty</strong> W<strong>om</strong><strong>en</strong><br />

»Was für<br />

ein modischer<br />

Aufstieg <strong>de</strong>s<br />

alt<strong>en</strong> Folterinstrum<strong>en</strong>ts,<br />

das<br />

die Frau<strong>en</strong><br />

aus Luftmangel<br />

reih<strong>en</strong>weise<br />

ohnmächtig<br />

umsink<strong>en</strong> ließ.«


Musicals ausstattete, bevor sie in Hollywood zuerst für die Fox-Studios<br />

und dann für MGM an <strong>de</strong>r Seite <strong>de</strong>s berühmt<strong>en</strong> Gilbert Adrian arbeitete.<br />

Die schönst<strong>en</strong> Frau<strong>en</strong> Hollywoods glänzt<strong>en</strong> ab sofort in Taft, Tüll, Seid<strong>en</strong>mousseline,<br />

Silber- und Goldlamé – schulterfrei und mit Bus<strong>en</strong>form<strong>en</strong>,<br />

die weltweit Nachahmung fand<strong>en</strong>. Diese Zeit war auch die Erfolgsstun<strong>de</strong><br />

<strong>de</strong>r itali<strong>en</strong>isch<strong>en</strong> Mo<strong>de</strong>schöpferin Elsa Schiaparelli. Sie schuf traumhaft<br />

schöne schulterfreie Ab<strong>en</strong>drob<strong>en</strong>, um die sich die Schön<strong>en</strong> und Reich<strong>en</strong><br />

gera<strong>de</strong>zu geriss<strong>en</strong> hab<strong>en</strong>. Zu ihr<strong>en</strong> Kundinn<strong>en</strong> zählt<strong>en</strong> Gloria Swanson,<br />

Joan Crawford, Tallulah Bankhead, Marl<strong>en</strong>e Dietrich, Greta Garbo. So<br />

Korsag<strong>en</strong><br />

139<br />

Die Lor<strong>en</strong> liebte<br />

verführerische<br />

Korsett-Sz<strong>en</strong><strong>en</strong> wie<br />

diese in »Die<br />

Millionärin« …<br />

Folg<strong>en</strong><strong>de</strong> Seite<br />

… und zeigte stolz<br />

ihre Wesp<strong>en</strong>taille.<br />

Allein <strong>de</strong>r Anblick<br />

löst Atemnot aus.


140<br />

<strong>Pretty</strong> W<strong>om</strong><strong>en</strong>


»Korsag<strong>en</strong><br />

war<strong>en</strong> plötzlich<br />

sichtbar getrag<strong>en</strong>eKleidungsstücke,<br />

w<strong>en</strong>n<br />

auch als erotische<br />

Blickfänger<br />

gedacht.«<br />

wie heutige Designer kreierte sie auch ein Parfüm – »Shocking« –, <strong>de</strong>ss<strong>en</strong><br />

Flakon die Kurv<strong>en</strong> von Mae West zum Vorbild hatte. (Jean Paul Gaultier<br />

war also nicht <strong>de</strong>r erste Erfi n<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r Flakon-Kurv<strong>en</strong>.) Ihr Parfüm »Si« war<br />

sogar Anlass für ein<strong>en</strong> Song, d<strong>en</strong> Juliette Gréco interpretierte. Pablo<br />

Picasso und Salvador Dalí war<strong>en</strong> ihre Freun<strong>de</strong>, und Jean Cocteau <strong>en</strong>twarf<br />

Stoffmuster für sie. 1936 führte die Schiaparelli d<strong>en</strong> Reißverschluss in die<br />

Haute Couture ein, und noch 1952, schon über 60-jährig, klei<strong>de</strong>te die<br />

Königin <strong>de</strong>r elegant<strong>en</strong> Ab<strong>en</strong>drob<strong>en</strong> Zsa Zsa Gabor für d<strong>en</strong> Film »Moulin<br />

Rouge« ein. Der Krieg unterbrach die erotische schulterfreie Klei<strong>de</strong>rperio<strong>de</strong>,<br />

diese setzte danach aber umso vehem<strong>en</strong>ter wie<strong>de</strong>r ein.<br />

Und spätest<strong>en</strong>s jetzt nahm<strong>en</strong> sich alle Couturiers <strong>de</strong>r Korsage an,<br />

stellt<strong>en</strong> sie teilweise sogar in d<strong>en</strong> Mittelpunkt ihrer Kreation<strong>en</strong>. Korsag<strong>en</strong><br />

war<strong>en</strong> plötzlich nicht mehr nur Halt- und Formgeber, son<strong>de</strong>rn selbstbewusst<br />

und sichtbar getrag<strong>en</strong>e Kleidungsstücke, w<strong>en</strong>n auch durchaus als<br />

erotische Blickfänger gedacht. John Galliano präs<strong>en</strong>tierte – stolz in Frack<br />

und Zylin<strong>de</strong>r geklei<strong>de</strong>t – in seiner 2010er-Kollektion wie<strong>de</strong>r ein Korsag<strong>en</strong>kleid,<br />

Kylie Minogue trug eines bei ihrem erst<strong>en</strong> Auftritt nach ihrer G<strong>en</strong>esung,<br />

und die Korsag<strong>en</strong> <strong>de</strong>r Chantal-Th<strong>om</strong>as-Kollektion von 2004 wär<strong>en</strong><br />

durchaus geeignet gewes<strong>en</strong>, sie über <strong>de</strong>m Kleid zu trag<strong>en</strong>, so wie Vivi<strong>en</strong>ne<br />

Westwood und Jean Paul Gaultier das schon vorgemacht hab<strong>en</strong> (w<strong>en</strong>n<br />

auch als historische Zitate und bei weitem nicht so verspielt). Yves Saint<br />

Laur<strong>en</strong>t hat Korsag<strong>en</strong>klei<strong>de</strong>r <strong>en</strong>tworf<strong>en</strong>, eb<strong>en</strong>so wie in jüngster Vergang<strong>en</strong>heit<br />

auch wie<strong>de</strong>r Chanel, Alaïa und Cacharel.<br />

Links<br />

Die Frau, die weiß,<br />

was sie will: Grace<br />

Jones im Etui<br />

einer unnachgiebig<strong>en</strong><br />

zweit<strong>en</strong> Haut.<br />

Rechts<br />

Edle K<strong>om</strong>bination:<br />

John Galliano und<br />

Nora Arneze<strong>de</strong>r<br />

bei <strong>de</strong>r Dior-Schau<br />

2010.<br />

Eng auf Figur:<br />

ein Schiaparelli-<br />

Parfüm-Flakon.<br />

Hat sich Gaultier<br />

davon anreg<strong>en</strong><br />

lass<strong>en</strong>?


ACH DU LIEBER<br />

SCHWAN …<br />

Warum man die Dietrich nicht kopier<strong>en</strong> kann<br />

Das ging schief<br />

für Björk, 2001 in Los<br />

Angeles bei <strong>de</strong>r<br />

Oscar-Verleihung …<br />

… sie hätte es wiss<strong>en</strong><br />

müss<strong>en</strong>: Die<br />

Dietrich kopiert man<br />

nicht, ob mit o<strong>de</strong>r<br />

ohne Schwan.<br />

142<br />

Dieses Fe<strong>de</strong>rtier wur<strong>de</strong> zur Klei<strong>de</strong>rleg<strong>en</strong><strong>de</strong>. Dabei war diese I<strong>de</strong>e<br />

<strong>de</strong>r Dietrich »nur« für ein<strong>en</strong> privat<strong>en</strong> Auftritt in ein Kostüm gegoss<strong>en</strong><br />

word<strong>en</strong>. Marl<strong>en</strong>e Dietrich trug es am 4. Juli 1935, als sie<br />

ein Fest <strong>de</strong>r Million<strong>en</strong>erbin Gräfi n Dorothy Di Frasso besuchte und sich<br />

wie<strong>de</strong>r einmal sicher sein wollte, all<strong>en</strong> an<strong>de</strong>r<strong>en</strong> die Schau zu stehl<strong>en</strong>. Die<br />

Society-Gräfi n war nicht nur die Geliebte von Gary Cooper, son<strong>de</strong>rn ließ<br />

auch sonst nichts »anbr<strong>en</strong>n<strong>en</strong>«. Wer von ihr nicht eingelad<strong>en</strong> wur<strong>de</strong> und<br />

kein<strong>en</strong> gesellschaftlich<strong>en</strong> Umgang mit ihr hatte, war in d<strong>en</strong> 1930er-Jahr<strong>en</strong><br />

in Hollywood lediglich B-Pr<strong>om</strong>in<strong>en</strong>z. Die Gräfi n soll sogar Vorlage für<br />

eine Filmfi gur in »Die Frau<strong>en</strong>« von 1939 gewes<strong>en</strong> sein: einer bitterbös<strong>en</strong><br />

Scheidungsk<strong>om</strong>ödie, in <strong>de</strong>r sich die Hauptdarstellerinn<strong>en</strong> (darunter Joan<br />

Crawford und Norma Shearer) hinter d<strong>en</strong> Kuliss<strong>en</strong> privat eb<strong>en</strong>so bekriegt<br />

hab<strong>en</strong>, wie es das Drehbuch vorschrieb. Verständlich, dass die Dietrich<br />

ihr<strong>en</strong> damalig<strong>en</strong> Paramount-Designer, Travis Banton, auch für dieses<br />

private Ev<strong>en</strong>t zu Höchstleistung<strong>en</strong> anspornte. Sie wusste, dass man auch<br />

mit Klei<strong>de</strong>rn – lächelnd<strong>en</strong> Gesichts – Krieg führ<strong>en</strong> konnte. Allerdings<br />

dürft<strong>en</strong> für das Schwan<strong>en</strong>kleid »Leda und <strong>de</strong>r Schwan« nicht ganz so<br />

viele Fe<strong>de</strong>rn notw<strong>en</strong>dig gewes<strong>en</strong> sein wie für d<strong>en</strong> berühmt<strong>en</strong> später<strong>en</strong><br />

Bühn<strong>en</strong>mantel <strong>de</strong>r Dietrich als Sängerin. Dafür soll<strong>en</strong> zahlreiche Schwäne<br />

angeblich 3000 Brustdaun<strong>en</strong> geopfert hab<strong>en</strong>. Wahrscheinlich nicht ganz<br />

freiwillig, aber mit Nachruhm verbund<strong>en</strong>. Sicher ist, dass Zeus dieser<br />

Leda nam<strong>en</strong>s Marl<strong>en</strong>e an diesem S<strong>om</strong>mertag in Los Angeles mit o<strong>de</strong>r<br />

ohne Brustdaun<strong>en</strong> erleg<strong>en</strong> wäre.<br />

Nicht immer wird modischer Mut belohnt. Das Schwan<strong>en</strong>kleid-<br />

Revival, das die isländische Sängerin und Schauspielerin Björk anlässlich<br />

<strong>de</strong>r Oscar-Festivität 2001 trug, ging als großer Fehlgriff in die Mo<strong>de</strong>geschichte<br />

<strong>de</strong>s berühmtest<strong>en</strong> rot<strong>en</strong> Film-Teppichs ein.<br />

<strong>Pretty</strong> W<strong>om</strong><strong>en</strong>


Marl<strong>en</strong>e Dietrich<br />

143


DIE KASCHMIR-<br />

QUEEN<br />

Jil San<strong>de</strong>r – die Minimalistin<br />

So zieh<strong>en</strong> sich<br />

selbstbewusste<br />

Frau<strong>en</strong> an:<br />

Jil-San<strong>de</strong>r-Mo<strong>de</strong>lle<br />

auf <strong>de</strong>m Mailän<strong>de</strong>r<br />

Catwalk.<br />

Marl<strong>en</strong>e Dietrich hätte sie geliebt. So wie alle Frau<strong>en</strong>, die nach<br />

<strong>de</strong>m Motto »mehr Sein als Schein« leb<strong>en</strong>, ihre Mo<strong>de</strong> lieb<strong>en</strong>.<br />

Jil San<strong>de</strong>rs Kunst ist es nämlich, Überfl üssiges wegzulass<strong>en</strong>. In<br />

<strong>de</strong>r Branche n<strong>en</strong>nt man sie <strong>de</strong>shalb auch »Que<strong>en</strong> of Less«.<br />

Sie trägt keine Klei<strong>de</strong>r, und das hat sein<strong>en</strong> Grund: Als Mädch<strong>en</strong><br />

bezeichnete man sie klei<strong>de</strong>rtrag<strong>en</strong>d immer als »blond<strong>en</strong> Engel«. Da sie<br />

nicht in d<strong>en</strong> Himmel, son<strong>de</strong>rn überall hink<strong>om</strong>m<strong>en</strong> wollte, ging sie mo<strong>de</strong>technisch<br />

in Opposition und trug nur mehr Hos<strong>en</strong>, und das zu einer Zeit,<br />

als das durchaus noch <strong>de</strong>batt<strong>en</strong>würdig war.<br />

Jil San<strong>de</strong>r lernte alles, was mit Mo<strong>de</strong> zu tun hat, von <strong>de</strong>r Pike auf:<br />

Sie absolvierte ein Textiling<strong>en</strong>ieursstudium in Deutschland, ging dann in<br />

die USA, wo sie als Mo<strong>de</strong>journalistin arbeitete, was sie für die Zeitschrift<strong>en</strong><br />

»Constanze« und »Petra« auch nach ihrer Rückkehr nach Deutschland<br />

tat. Und dann wollte sie es g<strong>en</strong>au wiss<strong>en</strong>:<br />

1967, als 24-jährige, eröffnete sie in Hamburg<br />

ihre erste Boutique, wo sie ab 1973 nicht<br />

nur Sonia-Rykiel- und Thierry-Mugler-Mo<strong>de</strong>lle,<br />

son<strong>de</strong>rn auch ihre erst<strong>en</strong> eig<strong>en</strong><strong>en</strong> Kollektion<strong>en</strong><br />

verkaufte. 1976 erlebte sie mit ihrem Zwiebel-<br />

Look d<strong>en</strong> international<strong>en</strong> Durchbruch. Sie war<br />

so erfolgreich, dass schon bald das leg<strong>en</strong>däre<br />

»Jil San<strong>de</strong>r. W<strong>om</strong>an Pure«-Parfüm mit <strong>de</strong>r gleichnamig<strong>en</strong><br />

Kosmetikserie folgte – bei<strong>de</strong>s vermarktete<br />

sie als erste Designerin über viele Jahre hinweg<br />

mit ihrem eig<strong>en</strong><strong>en</strong>, schön<strong>en</strong> Gesicht.<br />

Für viele Frau<strong>en</strong> – quer durch alle G<strong>en</strong>eration<strong>en</strong><br />

– wur<strong>de</strong> die Mo<strong>de</strong> von Jil San<strong>de</strong>r fast<br />

zu einer Glaub<strong>en</strong>sfrage (so wie es für viele M<strong>en</strong>-<br />

144 <strong>Pretty</strong> W<strong>om</strong><strong>en</strong>


sch<strong>en</strong> heute das C<strong>om</strong>putersystem von Apple ist). Jil San<strong>de</strong>r zu trag<strong>en</strong>,<br />

war ein Erk<strong>en</strong>nungssignal j<strong>en</strong>seits <strong>de</strong>s Finanziell<strong>en</strong>: für eine weibliche<br />

Selbstsicherheit, die nicht mehr über Emanzipation <strong>de</strong>battiert, son<strong>de</strong>rn<br />

sie längst lebt. Jil-San<strong>de</strong>r-Mo<strong>de</strong>lle seh<strong>en</strong> an groß<strong>en</strong>, schlank<strong>en</strong> Frau<strong>en</strong><br />

beson<strong>de</strong>rs elegant aus, ihre großzügig<strong>en</strong> Schnitte erlaubt<strong>en</strong> jedoch auch<br />

Frau<strong>en</strong> mit »nicht perfekt<strong>en</strong>« Figur<strong>en</strong>, <strong>de</strong>m JS-Club beizutret<strong>en</strong>.<br />

Ihr puristischer Mo<strong>de</strong>-Stil, ihre klar<strong>en</strong> Lini<strong>en</strong> und ihr Gespür für<br />

Stoff, wobei sie hier zwisch<strong>en</strong> Dam<strong>en</strong>- und Herr<strong>en</strong>kollektion<strong>en</strong> kein<strong>en</strong><br />

Unterschied machte, sorgt<strong>en</strong> vor allem in d<strong>en</strong> USA bald für groß<strong>en</strong> Beifall.<br />

Nahelieg<strong>en</strong>d, da dort <strong>de</strong>r Begriff »Fashion and Business« schon früh<br />

ein Begriff war. Es wäre schön, w<strong>en</strong>n auch bei uns mehr Frau<strong>en</strong> wüsst<strong>en</strong>,<br />

dass <strong>de</strong>r (richtige) Hos<strong>en</strong>anzug unbeschreiblich weiblich sein kann.<br />

Jil San<strong>de</strong>r<br />

145<br />

Jil San<strong>de</strong>r in ihrem<br />

Büro. Sie macht<br />

Mo<strong>de</strong> für Frau<strong>en</strong>,<br />

die wiss<strong>en</strong>, was sie<br />

woll<strong>en</strong>.


SCHICKSALS-<br />

KLEID<br />

Soraya – die Königin <strong>de</strong>r Trän<strong>en</strong><br />

Sorayas Hochzeitskleid<br />

von Dior<br />

war so schwer, dass<br />

die Braut die Last<br />

nicht trag<strong>en</strong> konnte.<br />

Hun<strong>de</strong>rt Jahre nach Kaiserin Elisabeth von Österreich hatt<strong>en</strong> die<br />

Medi<strong>en</strong> eine neue Märch<strong>en</strong>kaiserin, über die sie bericht<strong>en</strong><br />

konnt<strong>en</strong>. So viel Schicksal war noch nie, und die ganze Welt<br />

konnte es dank <strong>de</strong>r mo<strong>de</strong>rn<strong>en</strong> Technik quasi live verfolg<strong>en</strong>. Diesmal war<br />

es sogar ein Märch<strong>en</strong> aus »1001 Nacht«, und es schi<strong>en</strong> einem Kitschr<strong>om</strong>an<br />

<strong>en</strong>tsprung<strong>en</strong>: Ein Kaiser aus <strong>de</strong>m Morg<strong>en</strong>land sucht eine Frau – und<br />

ein<strong>en</strong> Thronerb<strong>en</strong> – und verliebt sich in ein Foto, das ihm seine Mutter<br />

zuspielt. Hollywood lässt grüß<strong>en</strong> – und das Drama nimmt sein<strong>en</strong> Lauf.<br />

Die Auserwählte heißt Soraya Esfandiary Bakhtiari, ist die Tochter <strong>de</strong>s<br />

persisch<strong>en</strong> Botschafters in Deutschland und seiner <strong>de</strong>utsch<strong>en</strong> Frau. In<br />

Isfahan gebor<strong>en</strong>, best<strong>en</strong>s erzog<strong>en</strong>, gebil<strong>de</strong>t und schön, ist sie eine stan<strong>de</strong>sgemäße<br />

Wahl. Nur wollte das Mädch<strong>en</strong> Soraya, <strong>de</strong>ss<strong>en</strong> Name so viel<br />

heißt wie »Sieb<strong>en</strong>gestirn«, als Schauspielerin ein Star werd<strong>en</strong> und nicht<br />

neb<strong>en</strong> <strong>de</strong>m Schah von Persi<strong>en</strong> auf <strong>de</strong>m Pfau<strong>en</strong>thron sitz<strong>en</strong>. Von all<strong>en</strong><br />

Seit<strong>en</strong> bedrängt, stimmt sie einer erst<strong>en</strong> Begegnung mit <strong>de</strong>m persisch<strong>en</strong><br />

Kaiser d<strong>en</strong>noch zu – und verliebt sich. Das Schicksal hat <strong>en</strong>tschied<strong>en</strong>: Am<br />

12. Februar 1951 heiratet die 19-jährige Soraya, in einem Hochzeitskleid,<br />

das wohl für alle Zeit<strong>en</strong> einmalig bleib<strong>en</strong> wird. Sie muss, obwohl von<br />

einer schwer<strong>en</strong> Typhuserkrankung noch sehr geschwächt, ein 20 Kilogramm<br />

schweres Hochzeitskleid durch eine <strong>en</strong>dlose Zeremonie schlepp<strong>en</strong>.<br />

Es war von Christian Dior, übersät mit taus<strong>en</strong>d<strong>en</strong> von Perl<strong>en</strong>, Silberfäd<strong>en</strong><br />

und Strass-Stein<strong>en</strong> in Brillantschliff. Diese Last war so schwer, dass<br />

eine Hofdame die Schleppe mit <strong>de</strong>r Schere um zehn Meter kürz<strong>en</strong><br />

musste, weil die Braut sonst kein<strong>en</strong> Schritt hätte geh<strong>en</strong> könn<strong>en</strong>. Die Liebe<br />

<strong>de</strong>s Paares war in <strong>de</strong>r Folgezeit von Intrig<strong>en</strong> überschattet. Und <strong>de</strong>r ausbleib<strong>en</strong><strong>de</strong><br />

Thronerbe führte schließlich am 6. April 1958 zur Scheidung –<br />

aus Gründ<strong>en</strong> <strong>de</strong>r Staatsraison. Die Be<strong>de</strong>utung <strong>de</strong>s Nam<strong>en</strong>s Soraya hatte<br />

sich nach nur sieb<strong>en</strong> Ehejahr<strong>en</strong> negativ erfüllt.<br />

146 <strong>Pretty</strong> W<strong>om</strong><strong>en</strong>


Soraya<br />

147


DIE GEFLECKTE<br />

FRAU<br />

Jagdsz<strong>en</strong><strong>en</strong> aus <strong>de</strong>m Großstadtdschungel<br />

Ava Gardner<br />

in einem Hauch von<br />

Dschungel. Ist da<br />

nicht auch ein leises<br />

Fauch<strong>en</strong> zu hör<strong>en</strong>?<br />

Bette Midler<br />

(»Noch einmal mit<br />

Gefühl«) ist sich<br />

im Leo-Look nicht<br />

ganz sicher.<br />

Das Wort »Großstadtdschungel« ist etwas in die Jahre gek<strong>om</strong>m<strong>en</strong>,<br />

was aber nichts daran än<strong>de</strong>rt, dass es ihn gibt. Es leb<strong>en</strong><br />

darin Jäger(inn<strong>en</strong>) und Gejagte, und nicht selt<strong>en</strong> sind sie in einer<br />

Person vereint. Frau<strong>en</strong>, die sich <strong>de</strong>m Leopard<strong>en</strong>-Look verschrieb<strong>en</strong><br />

hab<strong>en</strong>, sind solche »Doppelwes<strong>en</strong>«. Es gibt kaum ein<strong>en</strong> besser<strong>en</strong> Beweis<br />

dafür als das unvergessliche Foto von Ava Gardner als »Leo vor Leo«. Sie<br />

war nicht immer dieser lock<strong>en</strong><strong>de</strong>, glamouröse Vamp, d<strong>en</strong> Hollywood aus<br />

ihr gemacht hat. Allein ihre frühe Ehe mit Mickey Rooney, <strong>de</strong>m s<strong>om</strong>mersprossig<strong>en</strong>,<br />

ewig<strong>en</strong> Kin<strong>de</strong>rstar (»Ich war 30 Jahre lang ein 14-jähriger<br />

Junge«) <strong>de</strong>utet darauf hin, dass Ava Gardner ein<strong>en</strong> lang<strong>en</strong> Weg zurücklegte,<br />

bis sie zum »Leopard<strong>en</strong>weib« wur<strong>de</strong>. Auf diesem Weg<br />

hab<strong>en</strong> viele Männer sie begleitet, nicht zuletzt ihre weiter<strong>en</strong><br />

Ehemänner: <strong>de</strong>r Jazz-Musiker und K<strong>om</strong>ponist Artie Shaw<br />

(<strong>de</strong>r sich nach ihr <strong>de</strong>r Raubkatze Lana Turner zuwandte) und<br />

Frank Sinatra. Aber auch zwei ihrer bekanntest<strong>en</strong> Filme<br />

bracht<strong>en</strong> Ava Gardner mit <strong>de</strong>r Heimat <strong>de</strong>r gefl eckt<strong>en</strong> Großkatze<br />

in Verbindung: die Hemingway-Verfi lmung »Schnee<br />

am Kilimandscharo«, wo sie an <strong>de</strong>r Seite von Gregory Peck<br />

(und Hil<strong>de</strong>gard Knef) spielte und in <strong>de</strong>r Peck das Geheimnis<br />

eines auf <strong>de</strong>m höchst<strong>en</strong> Berg Afrikas erfror<strong>en</strong><strong>en</strong> Leopard<strong>en</strong><br />

ergründ<strong>en</strong> wollte, und das Großwild-Liebesab<strong>en</strong>teuer<br />

»Mogambo« mit Clark Gable und<br />

Grace Kelly. Von diesem Zeitpunkt an konnte<br />

man die Gardner in die Riege <strong>de</strong>r »gefl eckt<strong>en</strong><br />

Frau<strong>en</strong>« einordn<strong>en</strong>. Daran än<strong>de</strong>rte auch das zu<br />

Trän<strong>en</strong> rühr<strong>en</strong><strong>de</strong> Melodram »Die barfüßige Gräfi<br />

n« an <strong>de</strong>r Seite von Humphrey Bogart nichts.<br />

Aber es gibt auch Frau<strong>en</strong>, die man sich nicht im


Leo-Look<br />

149


Links<br />

Auch John Galliano<br />

huldigte 2008 für<br />

Dior d<strong>en</strong> »gefl eckt<strong>en</strong><br />

Frau<strong>en</strong>«.<br />

Rechts<br />

Ricardo Tisci war<br />

2008 für das Haus<br />

Giv<strong>en</strong>chy eb<strong>en</strong>falls<br />

auf <strong>de</strong>r Spur <strong>de</strong>s<br />

Leopard<strong>en</strong>.<br />

Kim Novak<br />

(Hitchcocks<br />

»Vertigo«-Star)<br />

gehört ohne Zweifel<br />

zu d<strong>en</strong> »gefl eckt<strong>en</strong><br />

Frau<strong>en</strong>«.<br />

150<br />

»Mit ›gefleckt<strong>en</strong><br />

Frau<strong>en</strong>‹ kann<br />

man nicht nur Pfer<strong>de</strong><br />

stehl<strong>en</strong>, son<strong>de</strong>rn<br />

auch auf Großwildjagd<br />

geh<strong>en</strong>.«<br />

Leopard<strong>en</strong>-Look vorstell<strong>en</strong> kann. Marl<strong>en</strong>e Dietrich, Hil<strong>de</strong>gard Knef o<strong>de</strong>r –<br />

noch vor ihn<strong>en</strong> – Greta Garbo, diese beson<strong>de</strong>rs cool<strong>en</strong> Frau<strong>en</strong>, sie hab<strong>en</strong><br />

mit an<strong>de</strong>r<strong>en</strong> Mitteln gejagt – im Zweifelsfall mit <strong>de</strong>m Klirr<strong>en</strong> von Eiswürfeln<br />

im Whiskyglas. Und dann gibt es noch Frau<strong>en</strong>, die »Getigertes« vorzieh<strong>en</strong>.<br />

Sie begnüg<strong>en</strong> sich nicht mit <strong>de</strong>m »Gefl ecktsein« und sind eine<br />

beson<strong>de</strong>re Kategorie unter d<strong>en</strong> Jägerinn<strong>en</strong> (manche tarn<strong>en</strong> sich als Zebras<br />

– reines Mimikry!).<br />

Gloria Swanson hingeg<strong>en</strong>, <strong>de</strong>r<strong>en</strong> Nam<strong>en</strong> man in einem Atemzug<br />

mit Rudolfo Val<strong>en</strong>tino n<strong>en</strong>nt, w<strong>en</strong>n es um die Groß<strong>en</strong> <strong>de</strong>r Stummfi lmzeit<br />

geht, sie war schon früh eine »gefl eckte Frau«, wie sie im <strong>Buch</strong>e steht.<br />

Regisseur Cecil B. DeMille baute sie bei Paramount zur glamourösest<strong>en</strong><br />

Frau <strong>de</strong>r 1920er-Jahre auf. Schließlich wur<strong>de</strong> sie sogar zusamm<strong>en</strong> mit ihrem<br />

Leb<strong>en</strong>sgefährt<strong>en</strong> Joseph P. K<strong>en</strong>nedy (<strong>de</strong>m Begrün<strong>de</strong>r <strong>de</strong>s gleichnamig<strong>en</strong><br />

Clans und Vater von JFK, <strong>de</strong>m später<strong>en</strong> amerikanisch<strong>en</strong> Präsid<strong>en</strong>t<strong>en</strong>)<br />

Filmproduz<strong>en</strong>tin. In Billy Wil<strong>de</strong>rs »Boulevard <strong>de</strong>r Dämmerung« von<br />

1950 war trotz ihres Alters noch immer etwas von diesem Glamour zu<br />

spür<strong>en</strong>.<br />

Natürlich gibt es kein<strong>en</strong> Couturier, <strong>de</strong>r dies<strong>en</strong> Raubkatz<strong>en</strong>effekt<br />

nicht in Mo<strong>de</strong> umgewan<strong>de</strong>lt hätte und es in Abständ<strong>en</strong> immer wie<strong>de</strong>r<br />

tut. Roberto Cavalli sowieso, Dolce & Gabbana häufi g, Bal<strong>en</strong>ciaga 2010<br />

ganz aktuell. Der Leopard birgt ein Geheimnis, und was könnte Mo<strong>de</strong>macher<br />

mehr faszinier<strong>en</strong> als etwas Verborg<strong>en</strong>es? Unergründliche Faszination<br />

und Poesie sind es doch, die Mo<strong>de</strong>macher all<strong>en</strong> Frau<strong>en</strong> mit ihr<strong>en</strong><br />

<strong>Pretty</strong> W<strong>om</strong><strong>en</strong>


Mo<strong>de</strong>ll<strong>en</strong> verleih<strong>en</strong> woll<strong>en</strong>. Der Mythos <strong>de</strong>s Leopard<strong>en</strong> wur<strong>de</strong> immer<br />

schon von Geschicht<strong>en</strong>erzählern und Literat<strong>en</strong> weitergetrag<strong>en</strong>. So heißt<br />

es, dass Adam und Eva in einem L<strong>en</strong>d<strong>en</strong>schurz aus Leopard<strong>en</strong>fell aus <strong>de</strong>m<br />

Paradies vertrieb<strong>en</strong> wurd<strong>en</strong>. Der ägyptische Gott Osiris wur<strong>de</strong> im Leopard<strong>en</strong>fell<br />

abgebil<strong>de</strong>t. Was ein<strong>en</strong> Zusamm<strong>en</strong>hang ergibt, w<strong>en</strong>n Stanley<br />

Kubrick in seinem berühmt<strong>en</strong> Film »2001: Odyssee im Weltraum« die<br />

Vorzeitm<strong>en</strong>sch<strong>en</strong> in <strong>de</strong>r Eingangssz<strong>en</strong>e unter d<strong>en</strong> Kläng<strong>en</strong> von Richard<br />

Strauss’ »Also sprach Zarathustra« von einem Leopard<strong>en</strong> angreif<strong>en</strong> lässt.<br />

Itali<strong>en</strong>s berühmtester R<strong>om</strong>ancier T<strong>om</strong>asi di Lampedusa nannte seine<br />

Geschichte eines sizilianisch<strong>en</strong> Landa<strong>de</strong>lig<strong>en</strong> »Der Leopard« (berühmt<br />

von Visconti verfi lmt). Rudyard Kipling hat auf faszinier<strong>en</strong><strong>de</strong> Weise beschrieb<strong>en</strong>,<br />

wie <strong>de</strong>r Leopard sein Fell <strong>de</strong>m düster<strong>en</strong>, lichtdurchfl eckt<strong>en</strong><br />

Dschungel angepasst hat, und noch heute ist das Leopard<strong>en</strong>fell bei d<strong>en</strong><br />

Häuptling<strong>en</strong> im B<strong>en</strong>in das Zeich<strong>en</strong> <strong>de</strong>s Herrschers. Kein Wun<strong>de</strong>r, dass<br />

Mo<strong>de</strong>macher (und Frau<strong>en</strong>) – ohnedies mit fein<strong>en</strong> S<strong>en</strong>sori<strong>en</strong> ausgestattet<br />

– das mythologische Image <strong>de</strong>s Leopard<strong>en</strong> für sich nutz<strong>en</strong>.<br />

W<strong>en</strong>n Eva M<strong>en</strong><strong>de</strong>s auf <strong>de</strong>m rot<strong>en</strong> Teppich von Cannes in einem<br />

leopard<strong>en</strong>gemustert<strong>en</strong> Kleid winkt, gibt sie ein Signal: das Signal von<br />

Eleganz und Kraft, verbund<strong>en</strong> mit einem Hauch von Sün<strong>de</strong>, Verlockung<br />

und pot<strong>en</strong>tieller Gefahr. Sharon Stone klei<strong>de</strong>t sich eb<strong>en</strong>so gefl eckt wie<br />

Sophia Lor<strong>en</strong> o<strong>de</strong>r Ursula Andress und Na<strong>om</strong>i Campbell. Grace Jones<br />

scheint im Leo-Look, mit einem Fauch<strong>en</strong> auf<br />

d<strong>en</strong> Lipp<strong>en</strong> und gebleckt<strong>en</strong> Zähn<strong>en</strong>, auf die<br />

Welt gek<strong>om</strong>m<strong>en</strong> zu sein, eb<strong>en</strong>so wie Tina<br />

Turner (die es nur raffi nierter verbirgt). W<strong>en</strong>iger<br />

wil<strong>de</strong> Frau<strong>en</strong> woll<strong>en</strong> zumin<strong>de</strong>st ähnliche<br />

Illusion<strong>en</strong> erweck<strong>en</strong>. Es hat sich herum-<br />

Anita Ekberg<br />

151<br />

Eva M<strong>en</strong><strong>de</strong>s 2009<br />

bei d<strong>en</strong> Filmfestspiel<strong>en</strong><br />

in V<strong>en</strong>edig.<br />

Ihr Kleid gibt<br />

<strong>de</strong>utliche Signale.<br />

DOPPELSEITE<br />

Marilyn Monroe<br />

hat die Leopard<strong>en</strong>phaseübersprung<strong>en</strong><br />

– sie bevorzugt<br />

d<strong>en</strong> Zebra-Look.


152 <strong>Pretty</strong> W<strong>om</strong><strong>en</strong>


Anita Ekberg<br />

153


Ursula Andress<br />

brandgefährlich:<br />

Ob sie unter <strong>de</strong>m<br />

Leo-Mantel ihr<strong>en</strong><br />

Bond-Bikini trägt?<br />

Michelle Obama:<br />

Hinter einem<br />

mächtig<strong>en</strong> Mann<br />

steht immer eine<br />

»gefl eckte Frau«.<br />

154<br />

gesproch<strong>en</strong>: Mit »gefl eckt<strong>en</strong> Frau<strong>en</strong>« kann man nicht nur Pfer<strong>de</strong> stehl<strong>en</strong>,<br />

son<strong>de</strong>rn auch auf Großwildjagd geh<strong>en</strong>. D<strong>en</strong>n <strong>de</strong>r Leopard – nach Löwe,<br />

Tiger und Jaguar die viertgrößte Großkatze – gehört zu d<strong>en</strong> »Big Five«,<br />

d<strong>en</strong> fünf größt<strong>en</strong> Hauptattraktion<strong>en</strong> je<strong>de</strong>r Afrika-Safari.<br />

»Gefl eckte Frau<strong>en</strong>« sind oft perfekte Partnerinn<strong>en</strong> für (die selt<strong>en</strong>e Sorte)<br />

Männer, die wiss<strong>en</strong>, was sie woll<strong>en</strong>. Sie lieb<strong>en</strong> die Teamarbeit bei <strong>de</strong>r Jagd<br />

nach Erfolg und unterstütz<strong>en</strong> ihre Partner dabei. Sie trag<strong>en</strong> das Muster<br />

nicht aus Eitelkeit, son<strong>de</strong>rn sozusag<strong>en</strong> als off<strong>en</strong>es »Visier« (Soll keiner sag<strong>en</strong><br />

könn<strong>en</strong>, er hätte nicht gewusst, mit wem er es zu tun hat.) Sie lieg<strong>en</strong><br />

gern auf <strong>de</strong>r Lauer, sind Meisterinn<strong>en</strong> im Anschleich<strong>en</strong> und mach<strong>en</strong> gern<br />

große Sprünge. Mit Hilfe <strong>de</strong>r Mo<strong>de</strong> könn<strong>en</strong> sie zumin<strong>de</strong>st dies<strong>en</strong> Eindruck<br />

erweck<strong>en</strong>. Was davon wahr ist, muss je<strong>de</strong>r Jäger selbst herausfi nd<strong>en</strong>.<br />

Vorausgesetzt, er traut sich. Wer zögert, kann leicht zur Beute <strong>de</strong>r<br />

»Gefl eckt<strong>en</strong>« werd<strong>en</strong>.<br />

<strong>Pretty</strong> W<strong>om</strong><strong>en</strong><br />

»Gefleckte Frau<strong>en</strong>«<br />

lieg<strong>en</strong> gern<br />

auf <strong>de</strong>r Lauer, sind<br />

Meisterinn<strong>en</strong> im<br />

Anschleich<strong>en</strong> und<br />

mach<strong>en</strong> gern<br />

große Sprünge.«


Leo-Look<br />

155


Sarah Jessica Parker<br />

und Alexan<strong>de</strong>r<br />

McQue<strong>en</strong> – unübersehbar<br />

im Partner-<br />

Look.<br />

Lady Gaga liebte<br />

d<strong>en</strong> »Hooligan <strong>de</strong>r<br />

Mo<strong>de</strong>« und trat<br />

bevorzugt in sein<strong>en</strong><br />

Kreation<strong>en</strong> auf.<br />

GOOD BYE,<br />

BAD BOY<br />

Nachruf auf ein G<strong>en</strong>ie<br />

156<br />

Er hat so verrückt und skandalös begonn<strong>en</strong>, dass ihm niemand<br />

zugetraut hätte, jemals <strong>de</strong>r hoffnungsvollste Nachwuchs-Couturier<br />

<strong>de</strong>r Jahrhun<strong>de</strong>rtw<strong>en</strong><strong>de</strong> zu werd<strong>en</strong>. Dass Lady Gaga bevorzugt<br />

in Alexan<strong>de</strong>r-McQue<strong>en</strong>-Rob<strong>en</strong> auftritt, machte ihn mehr als interessant.<br />

Die <strong>en</strong>glische Presse musste d<strong>en</strong>noch hinnehm<strong>en</strong>, dass <strong>de</strong>r<br />

gelernte Schnei<strong>de</strong>r und Assist<strong>en</strong>t von R<strong>om</strong>eo Gigli in Mailand viermal<br />

zum <strong>en</strong>glisch<strong>en</strong> Designer <strong>de</strong>s Jahres gewählt wur<strong>de</strong>, und bezeichnete<br />

ihn weiterhin als »Hooligan <strong>de</strong>r Mo<strong>de</strong>«.<br />

Alexan<strong>de</strong>r McQue<strong>en</strong> war ein Shootingstar, <strong>de</strong>r Anfang 2010<br />

seinem Leb<strong>en</strong> selbst ein En<strong>de</strong> setzte, bevor er d<strong>en</strong> Z<strong>en</strong>it seiner Karriere<br />

erleb<strong>en</strong> konnte. Als er 1997 – selbst für Insi<strong>de</strong>r überrasch<strong>en</strong>d – zum<br />

Nachfolger von John Galliano bei Giv<strong>en</strong>chy wur<strong>de</strong>, hatte er bereits eine<br />

Verehrergemein<strong>de</strong> um sich geschart, die versuchte, seine skandalös<strong>en</strong><br />

Auftritte (er zeigte d<strong>en</strong> Besuchern einer seiner erst<strong>en</strong> Prêt-à-porter-<br />

Shows nach Abschluss keine freundliche Verbeugung, son<strong>de</strong>rn sein blankes<br />

Hinterteil) und Insz<strong>en</strong>ierung<strong>en</strong> vergess<strong>en</strong> zu mach<strong>en</strong>. Für die Medi<strong>en</strong><br />

blieb er »the <strong>de</strong>vilchild anarchist of fashion«. Ungerecht, d<strong>en</strong>n er<br />

folgte nur d<strong>en</strong> Gesetz<strong>en</strong> <strong>de</strong>r mo<strong>de</strong>rn<strong>en</strong> Medi<strong>en</strong>welt: Auffall<strong>en</strong> um jed<strong>en</strong><br />

Preis – d<strong>en</strong>n nur »bad news are good news«!<br />

Die Giv<strong>en</strong>chy-Ära ging bald zu En<strong>de</strong>, obwohl die Mo<strong>de</strong>lle durchaus<br />

charmant und tragbar war<strong>en</strong>, aber die Insz<strong>en</strong>ierung ihrer Präs<strong>en</strong>tation<br />

trug McQue<strong>en</strong> – nicht ganz zu Unrecht – d<strong>en</strong> Ruf <strong>de</strong>r Frau<strong>en</strong>feindlichkeit<br />

ein, d<strong>en</strong> er so schnell nicht mehr loswur<strong>de</strong>. Zuletzt war er unter<br />

<strong>de</strong>m Dach von Gucci auf <strong>de</strong>m allerbest<strong>en</strong> Weg, einer <strong>de</strong>r ganz groß<strong>en</strong><br />

Couturiers zu werd<strong>en</strong>. Es wäre sehr ungerecht, w<strong>en</strong>n er nur als Erfi n<strong>de</strong>r<br />

<strong>de</strong>r auf d<strong>en</strong> Hüft<strong>en</strong> sitz<strong>en</strong>d<strong>en</strong> Hos<strong>en</strong> (mit <strong>de</strong>m Zwickel in Nähe <strong>de</strong>r<br />

Knie) <strong>de</strong>r »Young Boys« in <strong>de</strong>r Erinnerung <strong>en</strong>tsetzter Großmütter bliebe.<br />

<strong>Pretty</strong> W<strong>om</strong><strong>en</strong>


Alexan<strong>de</strong>r McQue<strong>en</strong><br />

157


Shame and scandal<br />

in the family …<br />

aber das Hochzeitskleid<br />

war das<br />

e<strong>de</strong>lste seiner Zeit.<br />

Die Abdankungsurkun<strong>de</strong><br />

<strong>de</strong>s Königs<br />

und <strong>de</strong>r Briefumschlag<br />

seiner<br />

Heiratsanzeige.<br />

DER KÖNIG<br />

GEHT<br />

Skandalhochzeit im Hause Windsor<br />

Im Vergleich zu seinem Großonkel Eduard VIII. ist Prinz Charles ein<br />

Wais<strong>en</strong>knabe, was Skandale in Bezug auf Frau<strong>en</strong> betrifft. Der eine<br />

verzichtete aus Liebe zu einer zweimal geschied<strong>en</strong><strong>en</strong> Bürgerlich<strong>en</strong><br />

auf sein<strong>en</strong> Thron; <strong>de</strong>r an<strong>de</strong>re – Charles – wird ihn wohl (aus ähnlich<strong>en</strong><br />

Gründ<strong>en</strong>) nie besteig<strong>en</strong>, weil Mama böse ist. Dabei ist geg<strong>en</strong> Camilla bei<br />

weitem nicht so viel zu sag<strong>en</strong> wie seinerzeit geg<strong>en</strong> Wallis Simpson. Ihr<br />

Hochzeitskleid aber war v<strong>om</strong> Feinst<strong>en</strong>: Es stammte aus <strong>de</strong>m Atelier <strong>de</strong>s<br />

amerikanisch<strong>en</strong> Mo<strong>de</strong>schöpfers Main Rousseau Bocher, <strong>de</strong>r sich kurz<br />

Mainbocher nannte und in d<strong>en</strong> 1920er- und 1930er-Jahr<strong>en</strong> alles anzog,<br />

was Rang, Nam<strong>en</strong> und Geld hatte: Baronesse von Rothschild, Gloria Van<strong>de</strong>rbilt,<br />

Prinzessin Maria Cristina von Bourbon, Loretta Young, Frau Cole<br />

Porter, Clau<strong>de</strong>tte Colbert, um nur einige w<strong>en</strong>ige zu n<strong>en</strong>n<strong>en</strong>. Mainbocher<br />

fi el mit Korsetts und Wesp<strong>en</strong>taille auf, und er war <strong>de</strong>r Erste, <strong>de</strong>r Pelze<br />

einfärbte – Jahrzehnte, bevor es wie<strong>de</strong>r mo<strong>de</strong>rn wur<strong>de</strong>. Und er stattete<br />

diverse Broadway-Stücke aus, darunter die »Sound of<br />

Music«-Produktion (basier<strong>en</strong>d auf <strong>de</strong>r Geschichte <strong>de</strong>r<br />

Trappfamilie) und Laur<strong>en</strong> Bacall in »Applause«. Sein<strong>en</strong><br />

Nam<strong>en</strong> k<strong>en</strong>nt man heute jedoch wohl vor allem weg<strong>en</strong><br />

<strong>de</strong>s Klei<strong>de</strong>s zur Skandalhochzeit <strong>de</strong>s Jahrhun<strong>de</strong>rts: Ein<br />

König tritt zurück, weil er eine nicht stan<strong>de</strong>sgemäße Frau<br />

heirat<strong>en</strong> will. Nun war Prinz Eduard schon vorher kein<br />

Kind von Traurigkeit. Nach<strong>de</strong>m eine ursprünglich angedachte<br />

Heirat mit Olga, <strong>de</strong>r ältest<strong>en</strong> Tochter<br />

von Zar Nikolaus II., aufgrund <strong>de</strong>r Ermordung<br />

<strong>de</strong>r Zar<strong>en</strong>familie nicht mehr möglich war,<br />

mutierte <strong>de</strong>r Prinz in d<strong>en</strong> 1920er-Jahr<strong>en</strong> zum<br />

Salonlöw<strong>en</strong>, <strong>de</strong>ss<strong>en</strong> Vorliebe für erfahr<strong>en</strong>e<br />

Frau<strong>en</strong> kein Geheimnis und <strong>de</strong>ss<strong>en</strong> Affär<strong>en</strong>


Die Herzogin von Windsor<br />

159


160 <strong>Pretty</strong> W<strong>om</strong><strong>en</strong>


»Im Vergleich zu<br />

seinem Großonkel<br />

Eduard VIII.<br />

ist Prinz Charles<br />

ein Wais<strong>en</strong>knabe,<br />

was Skandale<br />

in Bezug auf<br />

Frau<strong>en</strong> betrifft.«<br />

Leg<strong>en</strong><strong>de</strong> war<strong>en</strong> (darunter mit <strong>de</strong>r Schauspielerin Mildred Harris, <strong>de</strong>r geschied<strong>en</strong><strong>en</strong><br />

Frau von Charly Chaplin). Und dann traf er auf die mit einem<br />

Millionär verheiratete Wallis Simpson (<strong>de</strong>r die Liaison mit <strong>de</strong>m Prinz<strong>en</strong><br />

dul<strong>de</strong>te, weil er hoffte, dadurch in d<strong>en</strong> A<strong>de</strong>lsstand erhob<strong>en</strong> zu werd<strong>en</strong>).<br />

Scotland Yard will herausgefund<strong>en</strong> hab<strong>en</strong>, dass sie sich währ<strong>en</strong>d <strong>de</strong>r Affäre<br />

mit <strong>de</strong>m Prinz<strong>en</strong> und zukünftig<strong>en</strong> König parallel mit einem Londoner<br />

Autohändler vergnügte. Inzwisch<strong>en</strong> starb Eduards Vater, und er<br />

wur<strong>de</strong> König Eduard VIII. Doch nichts konnte seine Heiratspläne mit <strong>de</strong>r<br />

liebestüchtig<strong>en</strong> Wallis aufhalt<strong>en</strong> – <strong>de</strong>r Gerüchte nachsag<strong>en</strong>, sie hätte in<br />

Singapur Liebespraktik<strong>en</strong> erlernt, von d<strong>en</strong><strong>en</strong> nicht nur Prinz<strong>en</strong> träum<strong>en</strong>.<br />

Da war nicht nur <strong>de</strong>r Hof nicht amüsiert, das hatte auch politische Folg<strong>en</strong>.<br />

Bis hin zur Abdankung und <strong>de</strong>m Verbot, England ohne Einladung seines<br />

Nachfolgers (<strong>de</strong>s Vaters von Königin Elisabeth II.) jemals wie<strong>de</strong>r zu betret<strong>en</strong>.<br />

Jetzt war Eduard kein König von England und auch kein Kaiser von<br />

Indi<strong>en</strong> mehr, son<strong>de</strong>rn nur mehr Herzog von Windsor. Mit hoher Abfi ndung<br />

ausgestattet, wur<strong>de</strong> am 3. Juni 1937 in einem Loire-Schloss in<br />

Frankreich geheiratet. Übrig<strong>en</strong>s, auch sein<strong>en</strong> Butler hat <strong>de</strong>r Herzog von<br />

Windsor in <strong>de</strong>r Folge verlor<strong>en</strong>: Der hat <strong>en</strong>trüstet gekündigt, als er mitanseh<strong>en</strong><br />

musste, dass »Seine Hoheit« <strong>de</strong>r Ehefrau die Zeh<strong>en</strong>nägel lackierte.<br />

Im Lauf <strong>de</strong>r Zeit kam<strong>en</strong> zahllose Skandale über sie ans Licht. Das FBI will<br />

sogar herausgefund<strong>en</strong> hab<strong>en</strong>, dass sie eine Affäre mit Hitlers Botschafter<br />

in London und <strong>de</strong>m später<strong>en</strong> Reichsauß<strong>en</strong>minister Joachim von Ribb<strong>en</strong>trop<br />

hatte. Was für eine Frau und was für eine Ehe.<br />

Die Herzogin von Windsor<br />

161<br />

Zwei, <strong>de</strong>r<strong>en</strong> Liebe<br />

Geschichte schrieb<br />

(und die Medi<strong>en</strong><br />

»fütterte«) – und<br />

trotz<strong>de</strong>m zerbrach.<br />

Wallis Simpson<br />

wusste sich perfekt<br />

zu insz<strong>en</strong>ier<strong>en</strong> – und<br />

gab ein Vermög<strong>en</strong><br />

für Klei<strong>de</strong>r aus.


SO<br />

VIEL KNIE …<br />

Wie Mary Quants Mini<br />

die Welt eroberte<br />

Mit Starmo<strong>de</strong>l<br />

Twiggy fi ng alles an.<br />

Zuerst fi el die<br />

Rocklänge und dann<br />

die alt<strong>en</strong> Zöpfe.<br />

Tina Turner: ohne<br />

Mini geht es nicht.<br />

Aus Frustration über die spießig<strong>en</strong> und ein<strong>en</strong>g<strong>en</strong>d<strong>en</strong> Vorschrift<strong>en</strong><br />

<strong>de</strong>r sog<strong>en</strong>annt<strong>en</strong> »Backfi schmo<strong>de</strong>« <strong>de</strong>r 1950er-Jahre griff<br />

Mary Quant zur Selbsthilfe: Sie hatte die Nase voll von Petticoats,<br />

Rüsch<strong>en</strong>blus<strong>en</strong> und Wesp<strong>en</strong>taille und nähte bequeme Hängerch<strong>en</strong>,<br />

die nicht zu Bus<strong>en</strong>- und Taill<strong>en</strong>wettbewerb<strong>en</strong> verführt<strong>en</strong>. 1955<br />

eröffnete sie zusamm<strong>en</strong> mit ihrem später<strong>en</strong> Ehemann ihre erste Boutique<br />

nam<strong>en</strong>s »Bazaar« in <strong>de</strong>r Londoner King’s Road, die in kürzester Zeit<br />

zu einem Jug<strong>en</strong>dtreff um d<strong>en</strong> neu<strong>en</strong>, erschwinglich<strong>en</strong> »Chelsea Look«<br />

wur<strong>de</strong>. Das Foto eines fl ott<strong>en</strong> Tupf<strong>en</strong>pyjamas mit Knickerbocker fand sein<strong>en</strong><br />

Weg in die geheiligt<strong>en</strong> Seit<strong>en</strong> von »Harper’s Bazaar« – und ab da gab<br />

es kein Halt<strong>en</strong> für Quant-Mo<strong>de</strong>lle mehr. Die Zeit war <strong>en</strong>dlich reif für d<strong>en</strong><br />

»Mini«, <strong>de</strong>r sein<strong>en</strong> Siegeszug um die Welt antrat und in d<strong>en</strong> Jahrzehnt<strong>en</strong><br />

danach immer wie<strong>de</strong>r zu neu<strong>en</strong> Höh<strong>en</strong>fl üg<strong>en</strong> ansetzte. (Schon 1964 erlebte<br />

er dann bei Courrèges auch Couturier-Ehr<strong>en</strong>.)<br />

Aber Mary Quant steht für sehr viel mehr als für sichtbare Knie.<br />

Sie war die Erste, die sich mit ihrem »Lolita Look« (auch das Wort Look<br />

kam mit Marys Gänseblümch<strong>en</strong>-Logo in die Welt und löste d<strong>en</strong> Begriff<br />

Stil ab) direkt an ein Publikum wandte, das w<strong>en</strong>ig Geld in d<strong>en</strong> Tasch<strong>en</strong><br />

hatte. Sie war es, die zum erst<strong>en</strong> Mal Material in die Mo<strong>de</strong> brachte, das<br />

bisher keine Verw<strong>en</strong>dung für Kleidung fand, man d<strong>en</strong>ke an ihr<strong>en</strong> berühmt<strong>en</strong><br />

PVC-Reg<strong>en</strong>mantel plus gleichfarbige Stiefel. Ihre Mini-Mo<strong>de</strong> revolutionierte<br />

die Wäsche- und Strumpfmo<strong>de</strong>. Mary Quant hab<strong>en</strong> wir die<br />

Erfi ndung <strong>de</strong>r Strumpfhose zu verdank<strong>en</strong>, die heute aus <strong>de</strong>m Leb<strong>en</strong> von<br />

Frau<strong>en</strong> jed<strong>en</strong> Alters nicht mehr wegzud<strong>en</strong>k<strong>en</strong> ist. Mit ihrer Mo<strong>de</strong> wur<strong>de</strong><br />

<strong>de</strong>r androgyne Frau<strong>en</strong>typ à la Twiggy – das Topmo<strong>de</strong>l wur<strong>de</strong> von <strong>de</strong>r<br />

Presse als »teuerste Bohn<strong>en</strong>stange <strong>de</strong>r Welt« geschmäht – zum Vorbild,<br />

und das ist bis heute so geblieb<strong>en</strong>. Quants Skizz<strong>en</strong> zeigt<strong>en</strong> nur<br />

Mo<strong>de</strong>lle mit Bubikopfhaarschnitt: Die Föhnfrisur war gebor<strong>en</strong>. Bei


Mini<br />

163


LINKS<br />

Lange Beine – kurze<br />

Beinch<strong>en</strong>: Mary-<br />

Quant-Mod<strong>en</strong>schau<br />

in London, mit<br />

Yorkshireterrier.<br />

RECHTS<br />

Mary Quant:<br />

Sie machte<br />

Mo<strong>de</strong>-Revolution<br />

und war ihr<br />

eig<strong>en</strong>es, überzeug<strong>en</strong><strong>de</strong>s<br />

Mo<strong>de</strong>l.<br />

164<br />

Mary Quants Mod<strong>en</strong>schau<strong>en</strong> (als Kin<strong>de</strong>rgehopse verhöhnt) dröhnte<br />

Beatmusik – und die 68er hatt<strong>en</strong> dazu <strong>en</strong>dlich etwas zum Anzieh<strong>en</strong>.<br />

Mary Quant hatte mit ihrer neu<strong>en</strong> Rocklänge nichts an<strong>de</strong>res getan,<br />

als d<strong>en</strong> berühmt<strong>en</strong> »Zeitgeist« erspürt: Die jung<strong>en</strong> Leute hatt<strong>en</strong> die<br />

Nase voll v<strong>om</strong> »Muff von 1000 Jahr<strong>en</strong> unter d<strong>en</strong> Talar<strong>en</strong>«, die Mädch<strong>en</strong><br />

verbrannt<strong>en</strong> ihre BHs, ließ<strong>en</strong> die Bikini-Oberteile weg und tat<strong>en</strong> auch<br />

sonst alles, um ihre bie<strong>de</strong>r<strong>en</strong> Erzeuger zu schock<strong>en</strong>. Und sie hört<strong>en</strong> die<br />

Songs, die heute zu »Oldies« geword<strong>en</strong> sind, damals aber alle Konservativ<strong>en</strong><br />

zur Weißglut bracht<strong>en</strong>. Währ<strong>en</strong>d die sich über Filme wie Ingmar<br />

Bergmans »Das Schweig<strong>en</strong>« o<strong>de</strong>r R<strong>om</strong>an Polanskis »Ekel« aufregt<strong>en</strong><br />

(aber zu Million<strong>en</strong> in die Kinos strömt<strong>en</strong>), macht<strong>en</strong> die Jung<strong>en</strong> Streif<strong>en</strong>,<br />

die die alt<strong>en</strong> Zöpfe abschnitt<strong>en</strong> – sei es nun Stanley Kubricks »Odyssee im<br />

Weltraum«, »Dr. Seltsam o<strong>de</strong>r: Wie ich lernte, die B<strong>om</strong>be zu lieb<strong>en</strong>« o<strong>de</strong>r<br />

»Blow Up« –, zu Kultfi lm<strong>en</strong>. Und überall war<strong>en</strong> die kurz<strong>en</strong> Röcke dabei.<br />

Bei d<strong>en</strong> Schön<strong>en</strong> und Reich<strong>en</strong>, die bei d<strong>en</strong> groß<strong>en</strong> Mo<strong>de</strong>machern einkauft<strong>en</strong><br />

eb<strong>en</strong>so wie bei d<strong>en</strong><strong>en</strong>, die ihre Klamott<strong>en</strong> in billig<strong>en</strong> Kaufhäusern<br />

<strong>Pretty</strong> W<strong>om</strong><strong>en</strong>


»Die jung<strong>en</strong><br />

Leute hatt<strong>en</strong><br />

die Nase voll<br />

v<strong>om</strong> ›Muff<br />

von 1000 Jahr<strong>en</strong><br />

unter d<strong>en</strong><br />

Talar<strong>en</strong>‹«.<br />

erwarb<strong>en</strong>. Pop war angesagt, weil Pop alles Überk<strong>om</strong>m<strong>en</strong>e infrage stellte,<br />

alle Eingr<strong>en</strong>zung<strong>en</strong> aufhob – sogar das berühmte »U« und »E«. Alle Tabus<br />

wollt<strong>en</strong> gebroch<strong>en</strong> sein. Nichts war zu kurz, zu knapp o<strong>de</strong>r zu gemustert.<br />

Je<strong>de</strong> Übertreibung war erlaubt – bis hin zu Mustern, die aussah<strong>en</strong> wie<br />

billige, abwaschbare Tischtücher o<strong>de</strong>r Küch<strong>en</strong>-Resopalplatt<strong>en</strong>.<br />

In dieser Zeit wollt<strong>en</strong> sich alle verkleid<strong>en</strong>, nur um nicht d<strong>en</strong> graumäusig<strong>en</strong><br />

und in ihr<strong>en</strong> Aug<strong>en</strong> verlog<strong>en</strong><strong>en</strong> Spießern zu gleich<strong>en</strong>, die ihre<br />

Erziehungsberechtigt<strong>en</strong> war<strong>en</strong> (die sich ums Wirtschaftswun<strong>de</strong>r kümmert<strong>en</strong><br />

und nicht bereit war<strong>en</strong>, über ihre dunkl<strong>en</strong> Geheimnisse <strong>de</strong>r Vergang<strong>en</strong>heit<br />

zu sprech<strong>en</strong>): Es gab d<strong>en</strong> China- und d<strong>en</strong> Russ<strong>en</strong>-Look, die aus<br />

<strong>de</strong>r Ökobewegung stamm<strong>en</strong><strong>de</strong> Patchwork-Mo<strong>de</strong>, Batik<strong>en</strong> und Stickerei<strong>en</strong>,<br />

Overalls, natürliche Fasern und selbstgestrickte Pullover (<strong>en</strong>g o<strong>de</strong>r<br />

im Schlabberlook) – alles war erlaubt, w<strong>en</strong>n es nur »an<strong>de</strong>rs« war. Aber an<br />

einem hielt<strong>en</strong> alle jung<strong>en</strong> (und nicht nur die) Frau<strong>en</strong> fest: am Mini.<br />

Im Winter 1970/71 dacht<strong>en</strong> nicht nur die Pariser Mo<strong>de</strong>macher,<br />

son<strong>de</strong>rn in <strong>de</strong>r Folge auch die Chefeinkäufer <strong>de</strong>r War<strong>en</strong>häuser, jetzt sei<br />

Schluss mit <strong>de</strong>m Mini. Es wur<strong>de</strong> wie<strong>de</strong>r knielang geor<strong>de</strong>rt. Aber schon im<br />

darauffolg<strong>en</strong>d<strong>en</strong> S<strong>om</strong>mer war<strong>en</strong> alle wie<strong>de</strong>r mit d<strong>en</strong> Minis unterwegs –<br />

egal was die Schlaumeier auf Lager gelegt hatt<strong>en</strong>.<br />

Erst 1974 setzte das Mo<strong>de</strong>diktat die Geg<strong>en</strong>bewegung – die Maxi-<br />

Mo<strong>de</strong> – durch. Frau folgte ihr, aber zögerlich und wi<strong>de</strong>rwillig: Sie machte<br />

sich <strong>de</strong>shalb kurz<strong>en</strong>tschloss<strong>en</strong> »ein<strong>en</strong> Schlitz ins (lange) Kleid und fand es<br />

(erst dann) wun<strong>de</strong>rbar«. Nun trug man zwar pfl ichtschuldigst Maxi, aber<br />

Mini<br />

165<br />

Der Mini ist in<br />

Paris angek<strong>om</strong>m<strong>en</strong>.<br />

Drei Mo<strong>de</strong>ls<br />

mit Rabanne-Gürteln<br />

– und einem<br />

Windhund.


Nicht je<strong>de</strong>m<br />

schmeichelt <strong>de</strong>r<br />

Mini: Elizabeth<br />

Taylor und Mia<br />

Farrow bei einer<br />

Drehpause.<br />

Eine Papierkleidch<strong>en</strong>-Revue<br />

von<br />

Paco Rabanne.<br />

Natürlich je<strong>de</strong>s v<strong>om</strong><br />

Meister signiert.<br />

166<br />

die Beine war<strong>en</strong> doch wie<strong>de</strong>r in voller Länge zu seh<strong>en</strong>. Und Hot Pants<br />

unter Maxi-Mänteln war<strong>en</strong> <strong>de</strong>r Hit.<br />

Die Mini-Mo<strong>de</strong> ist seither keine Frage <strong>de</strong>r Saison mehr – sie war<br />

und ist immer da. Bei d<strong>en</strong> groß<strong>en</strong> Designern und bei d<strong>en</strong> Mass<strong>en</strong>fertigern<br />

gleichermaß<strong>en</strong>. Vielleicht hab<strong>en</strong> wir Frau<strong>en</strong> diesem Phän<strong>om</strong><strong>en</strong> sogar<br />

zu verdank<strong>en</strong>, dass es inzwisch<strong>en</strong> möglich ist, je<strong>de</strong>rzeit je<strong>de</strong> Rocklänge<br />

zu trag<strong>en</strong> – sie ist so fl exibel geword<strong>en</strong>, dass man durch sie nicht<br />

mehr als »in« o<strong>de</strong>r »out« id<strong>en</strong>tifi ziert werd<strong>en</strong> kann. Allerdings birgt <strong>de</strong>r<br />

Mini eine Tücke: Nicht alle Frau<strong>en</strong> seh<strong>en</strong> aus wie Bond-Girls und hab<strong>en</strong><br />

Beine, die in d<strong>en</strong> Himmel wachs<strong>en</strong>. Kleine, gedrung<strong>en</strong>e Frau<strong>en</strong> mit Kurv<strong>en</strong><br />

seh<strong>en</strong> im Mini – mil<strong>de</strong> ausgedrückt – ein bissch<strong>en</strong> merkwürdig aus.<br />

Wer hätte gedacht, dass es irg<strong>en</strong><strong>de</strong>twas gibt, was einer schön<strong>en</strong> Frau wie<br />

Liz Taylor nicht steht? Der Mini hat es ans Licht gebracht. Das ist die<br />

Achillesferse von Mary Quants großartiger, stoffspar<strong>en</strong><strong>de</strong>r Erfi ndung: Sie<br />

ist nicht i<strong>de</strong>al für alle Frau<strong>en</strong>. Aber welche Mo<strong>de</strong> ist das schon?<br />

<strong>Pretty</strong> W<strong>om</strong><strong>en</strong>


Mini<br />

167


NINO GOES<br />

HOLLYWOOD<br />

Julias Rot ist zauberhaft<br />

Julia Roberts und<br />

Richard Gere<br />

verzaubert<strong>en</strong> in<br />

»<strong>Pretty</strong> W<strong>om</strong>an« die<br />

Welt.<br />

Die Männer war<strong>en</strong> bei ihrem Anblick hin und weg – und das<br />

hätte ganz sicher nicht einmal im Drehbuch steh<strong>en</strong> müss<strong>en</strong>.<br />

Nino Cerruti hat in »<strong>Pretty</strong> W<strong>om</strong>an« das bezaubern<strong>de</strong> Wes<strong>en</strong><br />

von Julia Roberts so sehr verinnerlicht, dass seine Klei<strong>de</strong>r wie kostbare<br />

Fassung<strong>en</strong> für ein<strong>en</strong> E<strong>de</strong>lstein wirk<strong>en</strong>. Die exquisit<strong>en</strong> Anzüge, die Richard<br />

Gere in diesem mo<strong>de</strong>rn<strong>en</strong> Hollywood-Klassiker trägt, stell<strong>en</strong> eine subtile<br />

modische Ergänzung dar. Gekonnt ist eb<strong>en</strong> gekonnt: d<strong>en</strong>n angefang<strong>en</strong><br />

hat alles mit Männermo<strong>de</strong>.<br />

Nino Cerruti, Erbe <strong>de</strong>r 1881 von seinem Großvater in<br />

<strong>de</strong>r L<strong>om</strong>bar<strong>de</strong>i gegrün<strong>de</strong>t<strong>en</strong> Textilfabrik, stellte 1967 eine<br />

erste Herr<strong>en</strong>mod<strong>en</strong>-Kollektion vor. Zehn Jahre später folgte<br />

die berühmte Dam<strong>en</strong>kollektion, <strong>de</strong>r<strong>en</strong> klassischer Stil und<br />

luxuriöses Material sofort zum Cerruti-Gütesiegel wurd<strong>en</strong>.<br />

Seine Stammkund<strong>en</strong> war<strong>en</strong> es auch, die Nino zum Film<br />

bracht<strong>en</strong>: Jean Paul Belmondo trug in »Die toll<strong>en</strong> Ab<strong>en</strong>teuer<br />

<strong>de</strong>s Monsieur L.« Cerruti-Anzüge. Der erfolgreiche Couturier<br />

zog Kathle<strong>en</strong> Turner in »Auf <strong>de</strong>r Jagd nach <strong>de</strong>m<br />

Juwel v<strong>om</strong> Nil« an und arbeitete für Faye Dunaway, Jack Nicholson<br />

in »Die Hex<strong>en</strong> von Eastwick«, D<strong>en</strong>zel Washington in »Phila<strong>de</strong>lphia«<br />

und T<strong>om</strong> Cruise in »Eyes Wi<strong>de</strong> Shut«. Kein Couturier<br />

stattete mehr Filme aus als Nino Cerruti – es war<strong>en</strong> insgesamt<br />

über 60. Wie humorvoll und uneitel er ist, zeigte sich spätest<strong>en</strong>s,<br />

als er auch die Verantwortung für die Kostüme <strong>de</strong>s satirisch<strong>en</strong><br />

Mo<strong>de</strong>welt-Films »Prêt-à-Porter« übernahm (worum<br />

sich alle an<strong>de</strong>r<strong>en</strong> Größ<strong>en</strong> gedrückt hatt<strong>en</strong> – zu gefährliches<br />

Pfl aster!). Und für die Hauptdarsteller von »Miami Vice« hat er<br />

d<strong>en</strong> Clou (und in <strong>de</strong>r Folge die Europäisierung <strong>de</strong>r amerikanisch<strong>en</strong><br />

Männermo<strong>de</strong>) geschaff<strong>en</strong>: Die Farb<strong>en</strong> dieser Serie war<strong>en</strong> stil-


ild<strong>en</strong>d, und je<strong>de</strong>r Mann, <strong>de</strong>r »in« sein wollte, trug ab sofort T-Shirt<br />

unterm Blazer und Schuhe ohne Sock<strong>en</strong>. Als das Geschäft <strong>de</strong>r »groß<strong>en</strong><br />

Mo<strong>de</strong>« immer k<strong>om</strong>plizierter und immer mehr von Konzern<strong>en</strong> beherrscht<br />

wur<strong>de</strong>, zog sich Nino aus <strong>de</strong>r Mo<strong>de</strong> zurück und widmete sich wie<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r<br />

Textilherstellung. Große Mo<strong>de</strong>häuser bezieh<strong>en</strong> Cerruti-Stoffe, unter an<strong>de</strong>rem<br />

auch Chanel. Nino Cerruti ist jedoch immer noch Gast bei d<strong>en</strong><br />

Präs<strong>en</strong>tation<strong>en</strong> <strong>de</strong>r Kollektion<strong>en</strong> die sein<strong>en</strong> Nam<strong>en</strong> trag<strong>en</strong>. Zusamm<strong>en</strong><br />

mit Sohn Julian (<strong>de</strong>r Name ist sicher kein Zufall!) in <strong>de</strong>r erst<strong>en</strong> Reihe. Der<br />

Platz, <strong>de</strong>r ihm zusteht.<br />

Julia Roberts<br />

169<br />

Lady in Red: Dieses<br />

Cerruti-Mo<strong>de</strong>ll ist<br />

eines <strong>de</strong>r schönst<strong>en</strong><br />

Klei<strong>de</strong>r in »<strong>Pretty</strong><br />

W<strong>om</strong>an«.


Eines <strong>de</strong>r schönst<strong>en</strong><br />

Pr<strong>om</strong>i-Hochzeitsklei<strong>de</strong>r<br />

aller Zeit<strong>en</strong> –<br />

das fast ins Wasser<br />

gefall<strong>en</strong> wäre.<br />

Wie gut, dass JFK<br />

und Jackie (an<br />

diesem Tag) nicht<br />

wusst<strong>en</strong>, was<br />

das Schicksal für sie<br />

bereithielt.<br />

AMERIKAS<br />

KÖNIGIN<br />

Jackie wird die<br />

First Lady <strong>de</strong>r Mo<strong>de</strong><br />

S<br />

o wur<strong>de</strong> Jacqueline K<strong>en</strong>nedy von Frank Sinatra g<strong>en</strong>annt. Ihre irisch<strong>en</strong><br />

Wurzeln mütterlicherseits macht<strong>en</strong> sie für d<strong>en</strong> K<strong>en</strong>nedy-<br />

Clan zur akzeptabl<strong>en</strong> Braut für JFK, d<strong>en</strong> politisch<strong>en</strong> Hoffnungsträger<br />

<strong>de</strong>r machtbewusst<strong>en</strong> Familie. Der väterliche französische Anteil in<br />

Jackies Wes<strong>en</strong> führte eher zu Reiberei<strong>en</strong> mit <strong>de</strong>r Familie <strong>de</strong>s Bräutigams.<br />

Nach einer Phase, währ<strong>en</strong>d <strong>de</strong>r<strong>en</strong> Jacqueline bevorzugt Dior,<br />

Giv<strong>en</strong>chy und Chanel trug, fand sie in Oleg Cassini jedoch ihr<strong>en</strong> I<strong>de</strong>al-<br />

Designer, <strong>de</strong>r auch Freund <strong>de</strong>r Familie war. Der aus <strong>de</strong>m russisch<strong>en</strong> Hocha<strong>de</strong>l<br />

stamm<strong>en</strong><strong>de</strong> Cassini war Enkel <strong>de</strong>s Zar<strong>en</strong>botschafters in Washington,<br />

hatte in Flor<strong>en</strong>z Kunst studiert und im Pariser Atelier von Jean Patou Entwürfe<br />

gezeichnet, bevor er nach Amerika ging und dort unter an<strong>de</strong>rem<br />

Assist<strong>en</strong>t von Hollywoods großer Kostüm<strong>de</strong>signerin Edith Head und<br />

Leb<strong>en</strong>sgefährte von Grace Kelly wur<strong>de</strong>. Oleg Cassini perfektionierte d<strong>en</strong><br />

von Paris vorgegeb<strong>en</strong><strong>en</strong> Stil <strong>de</strong>r 1960er-Jahre für Jackie K<strong>en</strong>nedy und<br />

begrün<strong>de</strong>te so ihr<strong>en</strong> weltberühmt<strong>en</strong> Look.<br />

Ein großer Schmerz für Oleg Cassini dürfte gewes<strong>en</strong> sein, dass<br />

ausgerechnet Jackies Hochzeitskleid auf Wunsch ihrer Mutter von einem<br />

an<strong>de</strong>r<strong>en</strong> Designer, g<strong>en</strong>auer gesagt einer Designerin, stammte: von <strong>de</strong>r<br />

Afroamerikanerin Ann Lowe, <strong>de</strong>r<strong>en</strong> Großeltern schon die Mo<strong>de</strong> für die<br />

reich<strong>en</strong> Südstaat<strong>en</strong>-Famili<strong>en</strong> kreiert hatt<strong>en</strong>. Selbst die Roosevelts und<br />

Rockefellers ließ<strong>en</strong> bei ihr arbeit<strong>en</strong>, sprach<strong>en</strong> aber <strong>de</strong>r Hautfarbe <strong>de</strong>r<br />

Mo<strong>de</strong>macherin weg<strong>en</strong> nicht off<strong>en</strong> darüber. Jackies Hochzeitskleid wäre<br />

in Ann Lowes Atelier aufgrund eines Rohrbruchs fast »ins Wasser gefall<strong>en</strong>«.<br />

Das erste Mo<strong>de</strong>ll wur<strong>de</strong> dadurch zerstört und in <strong>de</strong>r Rekordzeit von<br />

zehn Tag<strong>en</strong> von Ann Lowe rekonstruiert. Es gilt bis heute als eines <strong>de</strong>r<br />

schönst<strong>en</strong> Brautklei<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r Welt.<br />

170 <strong>Pretty</strong> W<strong>om</strong><strong>en</strong>


Jaqueline K<strong>en</strong>nedy<br />

171


Nicole Kidman<br />

in einem atemberaub<strong>en</strong>d<strong>en</strong><br />

Versace-<br />

Anzug, fotografi ert<br />

von Karl Lagerfeld.<br />

Grace Jones als<br />

May Day (wie<br />

pass<strong>en</strong>d) im<br />

Bond-Film »Im<br />

Angesicht <strong>de</strong>s<br />

To<strong>de</strong>s«.<br />

WILD<br />

THING …<br />

… you make my heart sing.<br />

Wer erinnert sich nicht an dies<strong>en</strong> Hit <strong>de</strong>r Troggs, <strong>de</strong>r unzählige<br />

Male gecovert wur<strong>de</strong>? Dieses »wil<strong>de</strong>« weibliche Wes<strong>en</strong>, das<br />

da besung<strong>en</strong> wur<strong>de</strong>, ging bestimmt in Lack o<strong>de</strong>r Le<strong>de</strong>r.<br />

D<strong>en</strong>n mit diesem Material – übrig<strong>en</strong>s <strong>de</strong>m ältest<strong>en</strong> <strong>de</strong>r Welt – verbin<strong>de</strong>t<br />

sich immer <strong>de</strong>r Gedanke an Wildheit, Leid<strong>en</strong>schaft und Unbezähmbarkeit.<br />

Immerhin – Vegetarier bitte weghör<strong>en</strong> – musste dafür immer ein<br />

Tier sterb<strong>en</strong>. W<strong>en</strong>n also Frau<strong>en</strong> Le<strong>de</strong>r trag<strong>en</strong>, signalisier<strong>en</strong> sie, dass sie<br />

furchtlose (vielleicht sogar gnad<strong>en</strong>lose?) Jägerinn<strong>en</strong> sind. Ein<br />

starker Roll<strong>en</strong>wechsel, <strong>de</strong>r seine Wirkung bei »richtig<strong>en</strong>«<br />

und ab<strong>en</strong>teuerlustig<strong>en</strong> Männern aber selt<strong>en</strong> verfehlt.<br />

Dies<strong>en</strong> Effekt hab<strong>en</strong> Mo<strong>de</strong>macher zu all<strong>en</strong> Zeit<strong>en</strong><br />

zu nutz<strong>en</strong> gewusst, egal, ob sie sich <strong>de</strong>r weiblich<strong>en</strong> Eleganz<br />

o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r Provokation in <strong>de</strong>r Mo<strong>de</strong> verschrieb<strong>en</strong> hab<strong>en</strong>.<br />

Ob Versace, Thierry Mugler, Alexan<strong>de</strong>r McQue<strong>en</strong> o<strong>de</strong>r<br />

Gaultier – ohne Le<strong>de</strong>r in all<strong>en</strong> Variant<strong>en</strong> kam und k<strong>om</strong>mt<br />

bis heute keiner aus.<br />

Einer <strong>de</strong>r größt<strong>en</strong> »Le<strong>de</strong>rmacher« in <strong>de</strong>r Mo<strong>de</strong><br />

ist <strong>de</strong>r Flor<strong>en</strong>tiner Designer Roberto Cavalli, <strong>de</strong>r in jung<strong>en</strong><br />

Jahr<strong>en</strong> für Pierre Cardin und Hermes gearbeitet<br />

hat. Cavalli interessierte sich schon früh für die technische<br />

Seite <strong>de</strong>r Mo<strong>de</strong>, zum Beispiel für Stoffdruck. Dieses<br />

Interesse ließ ihn 1970 eine Metho<strong>de</strong> <strong>en</strong>t<strong>de</strong>ck<strong>en</strong>, wie man<br />

Le<strong>de</strong>r bedruck<strong>en</strong> kann. Sie machte ihn eb<strong>en</strong>so berühmt wie<br />

sein Design. Noch im selb<strong>en</strong> Jahr zeigte er in Flor<strong>en</strong>z und Mailand<br />

seine erste Kollektion und eröffnete w<strong>en</strong>ig später in<br />

St. Tropez eine Boutique – Brigitte Bardot wur<strong>de</strong> eine seiner<br />

erst<strong>en</strong> Kundinn<strong>en</strong>. Cavalli <strong>en</strong>twarf mit die schönst<strong>en</strong> Tiermuster<br />

– 2007 war<strong>en</strong> sie bei seiner erst<strong>en</strong> H&M-Kollektion zu seh<strong>en</strong>


Lack und Le<strong>de</strong>r<br />

173


LINKS<br />

Brigitte Bardot 1968<br />

in London. Petticoat<br />

und Karos hat sie<br />

diesmal zu Hause<br />

gelass<strong>en</strong>.<br />

RECHTS<br />

Diana Rigg als<br />

Emma Peel in »Mit<br />

Schirm, Charme<br />

und Melone« – sie<br />

blieb das unerreichte<br />

Original.<br />

174<br />

und auch bei <strong>de</strong>r C<strong>om</strong>eback-Tour <strong>de</strong>r Spice Girls, die er ausstattete – aber<br />

geliebt wird er vor allem für seine gewagt<strong>en</strong> Kreation<strong>en</strong> aus Le<strong>de</strong>r, Fe<strong>de</strong>rn<br />

und Pelz. Cavalli-Mo<strong>de</strong>lle verkörpern Eleganz und Erotik mit<br />

einem gehörig<strong>en</strong> Schuss Exaltiertheit, was an sein<strong>en</strong> Lieblingskundinn<strong>en</strong><br />

Victoria Beckham, J<strong>en</strong>nifer Lopez und Christina Aguilera zu bewun<strong>de</strong>rn<br />

ist. Deshalb fand er auch in Laur<strong>en</strong> Weisbergers R<strong>om</strong>an »Der Teufel trägt<br />

Prada« Erwähnung.<br />

D<strong>en</strong>noch musste auch das Material Le<strong>de</strong>r in <strong>de</strong>r zweit<strong>en</strong> Hälfte<br />

<strong>de</strong>s vergang<strong>en</strong><strong>en</strong> Jahrhun<strong>de</strong>rts erst durch die Pr<strong>om</strong>otion-Maschinerie<br />

<strong>de</strong>r groß<strong>en</strong> Filmerfolge geh<strong>en</strong>, um beim weiblich<strong>en</strong> Publikum wirklich<br />

anzuk<strong>om</strong>m<strong>en</strong>, das Le<strong>de</strong>r auch in d<strong>en</strong> Nachkriegsjahr<strong>en</strong> noch lange ausschließlich<br />

<strong>de</strong>m männlich<strong>en</strong> Geschlecht zuordnete. Es war<strong>en</strong> futuristische<br />

Filme wie »Barbarella« mit Jane Fonda o<strong>de</strong>r die exaltiert<strong>en</strong> »Mit Schirm,<br />

Charme und Melone«-Ab<strong>en</strong>teuer mit Diana Rigg als Emma Peel, <strong>de</strong>r<strong>en</strong><br />

ungewöhnliche Le<strong>de</strong>rkreation<strong>en</strong> d<strong>en</strong> Material-Vorbehalt (<strong>de</strong>r vor allem<br />

in Europa vorherrschte – vielleicht aufgrund <strong>de</strong>s immer noch präs<strong>en</strong>t<strong>en</strong><br />

<strong>Pretty</strong> W<strong>om</strong><strong>en</strong>


»Es dauerte lange,<br />

bis Le<strong>de</strong>r sein<strong>en</strong><br />

etwas anrüchig<strong>en</strong><br />

Ruf verlor.«<br />

Kriegstraumas und bestimmter Uniform<strong>en</strong>) langsam aufl öst<strong>en</strong>. Es dauerte<br />

lange, bis Le<strong>de</strong>r sein<strong>en</strong> etwas anrüchig<strong>en</strong> Ruf verlor – zunächst war<strong>en</strong><br />

Le<strong>de</strong>rkreation<strong>en</strong> auch in normal<strong>en</strong> Film<strong>en</strong> immer noch an Frau<strong>en</strong>fi<br />

gur<strong>en</strong> zu seh<strong>en</strong>, die aus <strong>de</strong>m »Milieu« kam<strong>en</strong>, wie beispielsweise R<strong>om</strong>y<br />

Schnei<strong>de</strong>r in »Das Mädch<strong>en</strong> und <strong>de</strong>r K<strong>om</strong>missar« o<strong>de</strong>r etwas später die<br />

verschied<strong>en</strong>st<strong>en</strong> Bond-Girls, die zwar keine »Liz<strong>en</strong>z zum Töt<strong>en</strong>« hatt<strong>en</strong>,<br />

es aber doch tat<strong>en</strong>. Lackle<strong>de</strong>r brauchte am längst<strong>en</strong>, um sich aus <strong>de</strong>r<br />

schummrig<strong>en</strong> Zwielichtigkeit in d<strong>en</strong> Mo<strong>de</strong>-Alltag zu rett<strong>en</strong>. Dazu trug<strong>en</strong><br />

Rebellinn<strong>en</strong> wie Mary Quant und auch Vivi<strong>en</strong>ne Westwood nicht unwes<strong>en</strong>tlich<br />

bei, die auch le<strong>de</strong>rähnliches Kunststoffmaterial verw<strong>en</strong><strong>de</strong>t<strong>en</strong> und<br />

damit Skandal macht<strong>en</strong>.<br />

Heute könn<strong>en</strong> wir uns eine Grace Jones o<strong>de</strong>r auch Tina Turner<br />

ohne Le<strong>de</strong>r-Outfi ts – egal ob matt o<strong>de</strong>r lackiert – überhaupt nicht mehr<br />

vorstell<strong>en</strong>. Und niemand ist nachhaltig geschockt, w<strong>en</strong>n Jerry Hall Latex-<br />

Strumpfhos<strong>en</strong> trägt. Michelle Pfeiffer als »Catw<strong>om</strong>an« wur<strong>de</strong> von ganz<br />

normal<strong>en</strong> jung<strong>en</strong> Mädch<strong>en</strong> imitiert, und keine wäre auf die I<strong>de</strong>e gek<strong>om</strong>m<strong>en</strong>,<br />

sich <strong>de</strong>shalb als Motorradbraut zu seh<strong>en</strong>, wie es in d<strong>en</strong> 1950er-<br />

Jahr<strong>en</strong> noch <strong>de</strong>r Fall gewes<strong>en</strong> wäre. Im Geg<strong>en</strong>teil, die Le<strong>de</strong>rmo<strong>de</strong>lle, die<br />

Nicole Kidman, Whitney Houston o<strong>de</strong>r Angelina Jolie trag<strong>en</strong>, werd<strong>en</strong><br />

immer gewagter und mach<strong>en</strong> geleg<strong>en</strong>tlich sogar <strong>de</strong>utlich, dass wir in<br />

einer Zeit leb<strong>en</strong>, die ein<strong>en</strong> gewiss<strong>en</strong> Sado-Maso-Kick längst für gesellschaftsfähig<br />

erklärt hat. Mo<strong>de</strong> drückt eb<strong>en</strong> nach wie vor Zeitgeist aus. Ein<br />

weiblicher Gast <strong>de</strong>s Le<strong>de</strong>rhos<strong>en</strong> trag<strong>en</strong>d<strong>en</strong> Th<strong>om</strong>as Gottschalk macht<br />

Lack und Le<strong>de</strong>r<br />

175<br />

Uma Thurman<br />

in <strong>de</strong>r Rolle <strong>de</strong>r exaltiert<strong>en</strong><br />

<strong>en</strong>glisch<strong>en</strong><br />

Seri<strong>en</strong>heldin Emma<br />

Peel.


Michelle Pfeiff er als<br />

»Catw<strong>om</strong>an« – so<br />

gefährlich war sie<br />

noch in keiner Rolle<br />

zuvor.<br />

Links<br />

Thierry Mugler ist<br />

das schier unmögliche<br />

gelung<strong>en</strong>: eine<br />

Ab<strong>en</strong>drobe ganz aus<br />

Le<strong>de</strong>r.<br />

Rechts<br />

Ein fl auschiges<br />

Mo<strong>de</strong>ll aus <strong>de</strong>r<br />

Kollektion von<br />

Roberto Cavalli.<br />

176<br />

sich heute keine Gedank<strong>en</strong> mehr über ihr Image, w<strong>en</strong>n sie in Lackhos<strong>en</strong><br />

auf die Bühne k<strong>om</strong>mt.<br />

Die Zeit<strong>en</strong>, in d<strong>en</strong><strong>en</strong> Le<strong>de</strong>r ausschließlich mit Indianer-Kostümierung,<br />

Pilot<strong>en</strong>-Outfi t und Motorradsport in Verbindung gebracht wird,<br />

die sind vorbei. Le<strong>de</strong>r in all<strong>en</strong> Variant<strong>en</strong> – ob v<strong>om</strong> Kalb, Reh, Hirsch, Krokodil,<br />

Känguru, Strauß o<strong>de</strong>r von Fisch<strong>en</strong> o<strong>de</strong>r Schlang<strong>en</strong> – steht für Luxus<br />

(das vor allem) und Emanzipation. Starke Frau<strong>en</strong> trag<strong>en</strong> Le<strong>de</strong>r und auch<br />

solche, die es nicht sind, aber so erschein<strong>en</strong> woll<strong>en</strong>. Dank Cavalli ist Le<strong>de</strong>r<br />

heute bunt bedruckt, lackiert o<strong>de</strong>r aufgeraut. Le<strong>de</strong>r gibt es in all<strong>en</strong> Farb<strong>en</strong><br />

<strong>de</strong>r Mo<strong>de</strong>saison und wird längst mit all<strong>en</strong> Materiali<strong>en</strong> k<strong>om</strong>biniert.<br />

Le<strong>de</strong>r hat schon lange sein<strong>en</strong> Platz in d<strong>en</strong> Gürtel-, Tasch<strong>en</strong>- und Schuhregal<strong>en</strong><br />

verlass<strong>en</strong> und ist ein vollwertiges »Stoff«-Mitglied auf d<strong>en</strong> Zuschnei<strong>de</strong>tisch<strong>en</strong><br />

<strong>de</strong>r Couturiers geword<strong>en</strong>. Was im letzt<strong>en</strong> Jahrhun<strong>de</strong>rt<br />

exaltiert<strong>en</strong> Stars wie Marl<strong>en</strong>e Dietrich o<strong>de</strong>r an<strong>de</strong>r<strong>en</strong> weiblich<strong>en</strong> Tabubrecherinn<strong>en</strong><br />

vorbehalt<strong>en</strong> war, ist längst bei d<strong>en</strong> »normal<strong>en</strong>« mo<strong>de</strong>bewusst<strong>en</strong><br />

Frau<strong>en</strong> angek<strong>om</strong>m<strong>en</strong>. Und keine fl üchtet sich – wie bei d<strong>en</strong> Pelz<strong>en</strong> –<br />

in Imitation<strong>en</strong>. Lack und Le<strong>de</strong>r verkörpern das neue modische<br />

Statussymbol <strong>de</strong>r Weiblichkeit. Da könn<strong>en</strong> sich Vegetarier und Tierschützer<br />

auf d<strong>en</strong> Kopf stell<strong>en</strong>. Selbst Brigitte Bardot hat in Le<strong>de</strong>r gesündigt, als<br />

Mo<strong>de</strong> für sie noch ein z<strong>en</strong>trales Thema war.<br />

<strong>Pretty</strong> W<strong>om</strong><strong>en</strong>


Lack und Le<strong>de</strong>r<br />

177


CARY IM<br />

LIEBESRAUSCH<br />

Es ist nicht alles Gold,<br />

was glänzt<br />

Im Film musste es<br />

laut Drehbuch<br />

»funk<strong>en</strong>« – im echt<strong>en</strong><br />

Leb<strong>en</strong> war es längst<br />

vorbei.<br />

Backstage sprüht<strong>en</strong> die Funk<strong>en</strong>. D<strong>en</strong>noch: Der Film »Hausboot«<br />

aus <strong>de</strong>m Jahr 1958 machte Sophia Lor<strong>en</strong> auf ein<strong>en</strong> Schlag weltberühmt.<br />

Inklusive <strong>de</strong>s gold<strong>en</strong><strong>en</strong> Klei<strong>de</strong>s. Sie hatte zwar schon<br />

d<strong>en</strong> Hollywood-Film »Stolz und Leid<strong>en</strong>schaft« – eb<strong>en</strong>falls mit Cary Grant<br />

als Partner – gedreht, aber <strong>de</strong>r reichte nicht an d<strong>en</strong> Kass<strong>en</strong>erfolg von<br />

»Hausboot« heran. Dabei stand die Entstehung dieses Filmklassikers unter<br />

keinem gut<strong>en</strong> Stern – es heißt, alle Beteiligt<strong>en</strong> hätt<strong>en</strong> <strong>en</strong>orm unter<br />

<strong>de</strong>r angespannt<strong>en</strong> Atmosphäre bei d<strong>en</strong> Dreharbeit<strong>en</strong> gelitt<strong>en</strong>. Und dafür<br />

gab es ein<strong>en</strong> Grund: Grant und die Lor<strong>en</strong> hatt<strong>en</strong> währ<strong>en</strong>d <strong>de</strong>r Dreharbeit<strong>en</strong><br />

zu »Stolz und Leid<strong>en</strong>schaft« eine Affäre, die Cary Grant ernster nahm<br />

als die noch unbekannte Itali<strong>en</strong>erin. Er wollte die Sache »im Hausboot«<br />

wie<strong>de</strong>r aufwärm<strong>en</strong> – sie stand kurz vor <strong>de</strong>r zweit<strong>en</strong> (diesmal legal<strong>en</strong>)<br />

Eheschließung mit Carlo Ponti. Der Liebeswahn ihres Filmpartners<br />

machte die Lor<strong>en</strong> wüt<strong>en</strong>d und schlecht<br />

gelaunt. Erschwer<strong>en</strong>d kam hinzu, dass<br />

Grants Ehefrau Betsy Drake ursprünglich<br />

die weibliche Hauptrolle spiel<strong>en</strong><br />

sollte. Und von ihr wollte sich Grant<br />

nun weg<strong>en</strong> <strong>de</strong>r üppig<strong>en</strong> Itali<strong>en</strong>erin auch<br />

noch scheid<strong>en</strong> lass<strong>en</strong>. Eine emotionale<br />

Gem<strong>en</strong>gelage <strong>de</strong>r Son<strong>de</strong>rklasse.<br />

Der Film wur<strong>de</strong> nicht gera<strong>de</strong><br />

mit gut<strong>en</strong> Kritik<strong>en</strong> überschüttet, aber<br />

einige Kritiker lobt<strong>en</strong> die gute Laune<br />

<strong>de</strong>r Darsteller. Was unter dies<strong>en</strong> Umständ<strong>en</strong><br />

für <strong>de</strong>r<strong>en</strong> schauspielerische<br />

Qualität spricht. Wie die Lor<strong>en</strong> aus <strong>de</strong>m<br />

kitschig<strong>en</strong>, überlad<strong>en</strong><strong>en</strong> Goldkleid, das<br />

178 <strong>Pretty</strong> W<strong>om</strong><strong>en</strong>


ihr von <strong>de</strong>r eifersüchtig<strong>en</strong> Konkurr<strong>en</strong>tin im Rahm<strong>en</strong> <strong>de</strong>r Filmhandlung<br />

hinterlistig überlass<strong>en</strong> wur<strong>de</strong>, mit einig<strong>en</strong> temperam<strong>en</strong>tvoll<strong>en</strong> Handgriff<strong>en</strong><br />

ein Klassekleid macht, könnte dieser aufgelad<strong>en</strong><strong>en</strong> Stimmung am Set<br />

geschul<strong>de</strong>t sein. Auf jed<strong>en</strong> Fall ist es eine Sz<strong>en</strong>e, die sich in das Gedächtnis<br />

aller weiblich<strong>en</strong> Zuschauer eingeprägt hat.<br />

Die Lor<strong>en</strong> war und ist die letzte Diva aus <strong>de</strong>r »Vor-Fernsehzeit«,<br />

als Klei<strong>de</strong>r in Film<strong>en</strong> noch Mo<strong>de</strong>tr<strong>en</strong>ds auslöst<strong>en</strong> und d<strong>en</strong> Geschmack<br />

<strong>de</strong>r Frau<strong>en</strong> auf <strong>de</strong>r ganz<strong>en</strong> Welt beeinfl usst<strong>en</strong>.<br />

Sophia Lor<strong>en</strong><br />

179<br />

Sophia Lor<strong>en</strong> hatte<br />

alles im Griff – die<br />

Männer, aber<br />

auch das »Zuviel«<br />

am berühmt<strong>en</strong><br />

Goldkleid.


Jean-Paul Gaultier<br />

war <strong>de</strong>r erste<br />

Couturier, <strong>de</strong>r<br />

die Hungerhak<strong>en</strong><br />

v<strong>om</strong> Laufsteg<br />

verbannte.<br />

KÜSSCHEN,<br />

KÜSSCHEN<br />

Gaultier zeigt so viel »Frau« wie noch nie<br />

Er gilt gleichermaß<strong>en</strong> als verrückt wie charmant, er provoziert, ist<br />

aber niemals bösartig, und er hat es geschafft, dass »Untragbares«<br />

d<strong>en</strong>noch getrag<strong>en</strong> wird. Er brachte Mädch<strong>en</strong> und Frau<strong>en</strong><br />

dazu, <strong>en</strong>ge Röcke über Petticoats anzuzieh<strong>en</strong>, kreierte die erst<strong>en</strong> Ballonröcke<br />

und die Cocktailmo<strong>de</strong> <strong>de</strong>r 1990er-Jahre – Tütüröckch<strong>en</strong> zusamm<strong>en</strong><br />

mit grobklotzig<strong>en</strong> Schnürstiefeln zu trag<strong>en</strong>, geht eb<strong>en</strong>falls auf Jean-<br />

Paul Gaultier zurück. Mie<strong>de</strong>rmacher war<strong>en</strong> <strong>en</strong>tzückt, d<strong>en</strong>n er kehrte das<br />

Unterste zuoberst und schuf ein<strong>en</strong> neu<strong>en</strong> Bus<strong>en</strong>kult, <strong>de</strong>r in Madonnas<br />

Spitzbus<strong>en</strong> gipfelte.<br />

Seine erste Kollektion kam unter <strong>de</strong>m Motto »Und Gott erschuf<br />

d<strong>en</strong> M<strong>en</strong>sch<strong>en</strong>« auf d<strong>en</strong> Laufsteg: Er ließ Männer Röcke trag<strong>en</strong> – <strong>de</strong>r<br />

Mo<strong>de</strong>-Aufreger <strong>de</strong>r Saison –, erfand d<strong>en</strong> Rück<strong>en</strong>ausschnitt für die Herr<strong>en</strong>mo<strong>de</strong><br />

und druckte Schaltpläne auf T-Shirts. Seine Frau<strong>en</strong>mo<strong>de</strong> bestand<br />

aus Oberteil<strong>en</strong>, die nur eine Seite be<strong>de</strong>ckt<strong>en</strong>, die zweite bestand aus einem<br />

Mie<strong>de</strong>rteil. Er griff Folklorethem<strong>en</strong> auf und wickelte die Frau<strong>en</strong> in<br />

Mongol<strong>en</strong>mäntel o<strong>de</strong>r ließ nach Amazon<strong>en</strong>art ein<strong>en</strong> Bus<strong>en</strong> frei. Mit seinem<br />

Eau <strong>de</strong> Toilette in <strong>de</strong>r Konserv<strong>en</strong>dose überzeugte er sogar das bürgerliche<br />

Lager.<br />

Gaultier ist ein immerwähr<strong>en</strong><strong>de</strong>s Feuerwerk an Einfäll<strong>en</strong>. Sogar<br />

seine Autobiografi e war kein normales <strong>Buch</strong>, son<strong>de</strong>rn ein C<strong>om</strong>ic mit<br />

Sprechblas<strong>en</strong>. Aber einer seiner größt<strong>en</strong> PR-Coups war die I<strong>de</strong>e, aus <strong>de</strong>r<br />

Mo<strong>de</strong>welt ausgegr<strong>en</strong>zte M<strong>en</strong>sch<strong>en</strong> auf d<strong>en</strong> Laufsteg zu bring<strong>en</strong> – zum<br />

Beispiel mollige Mo<strong>de</strong>ls. Eines seiner erst<strong>en</strong> war Sophie Dahl, die Enkelin<br />

<strong>de</strong>s <strong>en</strong>glisch<strong>en</strong> Schriftstellers Roald Dahl, <strong>de</strong>r durch seine skurril<strong>en</strong> »Küssch<strong>en</strong>,<br />

Küssch<strong>en</strong>«-Geschicht<strong>en</strong> weltberühmt wur<strong>de</strong>. Und wie<strong>de</strong>r einmal<br />

war <strong>de</strong>r wasserstoffblon<strong>de</strong> Gaultier Auslöser für Bil<strong>de</strong>r und Berichte, die<br />

um die Welt ging<strong>en</strong>. Frau<strong>en</strong> mit Größe 40 und mehr dank<strong>en</strong> es ihm noch<br />

heute.<br />

180 <strong>Pretty</strong> W<strong>om</strong><strong>en</strong>


Jean-Paul Gaultier<br />

181


Kim Basinger in »9 ½<br />

Woch<strong>en</strong>«. Ein Film, in<br />

<strong>de</strong>m die Wäsche eine<br />

wes<strong>en</strong>tliche Rolle spielt …<br />

Dita Von Teese posiert<br />

im Won<strong>de</strong>rbra.<br />

LULLABY<br />

DER MODE<br />

Ausgezog<strong>en</strong> gut angezog<strong>en</strong><br />

Für Kostümbildner gibt es zwei ganz große Herausfor<strong>de</strong>rung<strong>en</strong>:<br />

die weiblich<strong>en</strong> Stars perfekt in unvergesslich<strong>en</strong> Ab<strong>en</strong>drob<strong>en</strong> zu<br />

insz<strong>en</strong>ier<strong>en</strong> und sie unnachahmlich »auszuzieh<strong>en</strong>«. Deshalb gibt<br />

es auch nicht eine große Diva <strong>de</strong>s letzt<strong>en</strong> Jahrhun<strong>de</strong>rts, die nicht – ganz<br />

unabhängig von Filmsz<strong>en</strong><strong>en</strong> – im Negligé, in Unterwäsche o<strong>de</strong>r im<br />

Ba<strong>de</strong>anzug posierte. Und wahrscheinlich gab es nur w<strong>en</strong>ige Situation<strong>en</strong>,<br />

die zu heftiger<strong>en</strong> Diskussion<strong>en</strong> über Material, Schnitt und Blickdurchlässigkeit<strong>en</strong><br />

zwisch<strong>en</strong> d<strong>en</strong> Kostümverantwortlich<strong>en</strong>, d<strong>en</strong> Stars und d<strong>en</strong><br />

Regisseur<strong>en</strong> führt<strong>en</strong>. Alle an <strong>de</strong>r Traumfabrik Hollywood Beteiligt<strong>en</strong><br />

– gestern wie heute – wiss<strong>en</strong> nur zu g<strong>en</strong>au: Nackt sein kann je<strong>de</strong>r,<br />

<strong>de</strong>r es sich leist<strong>en</strong> kann und mag. Aber die Vorstellung<br />

von Nacktheit in d<strong>en</strong> Köpf<strong>en</strong> <strong>de</strong>r Zuschauer<br />

k<strong>om</strong>mt nur zustan<strong>de</strong>, w<strong>en</strong>n <strong>de</strong>r Körper auf raffi -<br />

nierte Weise verhüllt ist. Dabei k<strong>om</strong>mt es nicht<br />

auf die Stoffm<strong>en</strong>ge an, son<strong>de</strong>rn auf die Art und<br />

Weise, wie sie eingesetzt wird.<br />

Zwisch<strong>en</strong> Hel<strong>en</strong> Rose (die das Brautkleid von<br />

Grace Kelly <strong>en</strong>twarf) und Liz Taylor scheint bei d<strong>en</strong> Film<strong>en</strong><br />

»Telefon Butterfi eld 8« und »Die Katze auf <strong>de</strong>m heiß<strong>en</strong> Blechdach«<br />

Übereinstimmung geherrscht zu hab<strong>en</strong>: Die Taylor bewegt<br />

sich in beid<strong>en</strong> Film<strong>en</strong> – trotz anstr<strong>en</strong>g<strong>en</strong><strong>de</strong>r Roll<strong>en</strong> – in Unterklei<strong>de</strong>rn<br />

so frei und ungehemmt, als sei das ihr Straß<strong>en</strong>-Outfi t.<br />

Das trifft auch auf Kim Basinger zu. Sie hat zwar für ihr Erotik-<br />

Drama »9½ Woch<strong>en</strong>« (<strong>de</strong>r Film wur<strong>de</strong> mit »Der letzte Tango von<br />

Paris« verglich<strong>en</strong> und kam daher zumin<strong>de</strong>st in d<strong>en</strong> USA sofort in<br />

die Schmud<strong>de</strong>l-Schubla<strong>de</strong>) Hollywoods Negativ-Preis »Die gold<strong>en</strong>e<br />

Himbeere« kassiert, aber an ihr<strong>en</strong> Dessous und ihrer Art sie<br />

zu trag<strong>en</strong> kann es, wie gesagt, nicht geleg<strong>en</strong> hab<strong>en</strong>.


Unterwäsche<br />

183


184 <strong>Pretty</strong> W<strong>om</strong><strong>en</strong>


»Schicke<br />

Dessous<br />

verberg<strong>en</strong><br />

überhaupt<br />

nichts.<br />

Und ist man<br />

<strong>en</strong>dlich am<br />

Ziel, ist es<br />

tabu.«<br />

Serge Gainsbourg<br />

Das Ehepaar Nicole Kidman und T<strong>om</strong> Cruise hat sich nach eig<strong>en</strong><strong>en</strong> Aussag<strong>en</strong><br />

in »Eyes Wi<strong>de</strong> Shut« auf sein größtes gemeinsames Berufsab<strong>en</strong>teuer<br />

eingelass<strong>en</strong>. Es war Stanley Kubricks letzter Film, d<strong>en</strong> er nach Arthur<br />

Schnitzlers »Traumnovelle« drehte und <strong>de</strong>m Kritiker vorwarf<strong>en</strong>, dass <strong>de</strong>r<br />

erotische Eifersuchts- und Untreue-Stoff die Übersetzung von <strong>de</strong>r<br />

schwül<strong>en</strong> Prü<strong>de</strong>rie <strong>de</strong>r Schnitzler-Ära ins New York <strong>de</strong>r Geg<strong>en</strong>wart nicht<br />

glaubhaft überstand<strong>en</strong> hätte. Die Macher <strong>de</strong>s Films bedankt<strong>en</strong> sich im<br />

Abspann bei hun<strong>de</strong>rt<strong>en</strong> von Person<strong>en</strong> und Institution<strong>en</strong> – bei Cerruti<br />

beispielsweise für die Ausstattung von T<strong>om</strong> Cruise und sogar bei Bang &<br />

Olufs<strong>en</strong>. Nur nicht bei <strong>de</strong>r Schweizer Unterwäsche-Firma Hanro, <strong>de</strong>r<strong>en</strong><br />

Mo<strong>de</strong>lle Nicole Kidman trug. (Vielleicht ahnt<strong>en</strong> die Filmleute, dass es<br />

eig<strong>en</strong>tlich umgekehrt sein müsste, d<strong>en</strong>n <strong>de</strong>r Film bescherte <strong>de</strong>r Firma<br />

<strong>en</strong>orme Umsatzzuwächse.) Für Dessous-K<strong>en</strong>ner und Liebhaber von erotischer<strong>en</strong><br />

Variant<strong>en</strong> so unverständlich wie auch die Tatsache, dass ausgerechnet<br />

eine Köchin (Sarah Wi<strong>en</strong>er) für die Werbung <strong>de</strong>r Wäschemarke<br />

Mey ausgewählt wur<strong>de</strong>. Damit sei nichts geg<strong>en</strong> die Köchin und ihre exzell<strong>en</strong>te<br />

Figur gesagt. Nur <strong>de</strong>r Glamour-Faktor hält sich eb<strong>en</strong> in Gr<strong>en</strong>z<strong>en</strong>.<br />

Da geh<strong>en</strong> die Lingerie-Spezialist<strong>en</strong> von »Ag<strong>en</strong>t Provocateur«<br />

schon progressiver vor: Ihre Vi<strong>de</strong>os, in d<strong>en</strong><strong>en</strong> sich Kylie Minogue, Dita<br />

Von Teese und Kate Moss in verführerisch<strong>en</strong> Mo<strong>de</strong>ll<strong>en</strong> räkeln o<strong>de</strong>r Bull<strong>en</strong><br />

reit<strong>en</strong>, verzeichn<strong>en</strong> im Internet aus gutem Grund Rekord-Klickzahl<strong>en</strong>.<br />

Zu »Ag<strong>en</strong>t Provocateur«-Kundinn<strong>en</strong> zähl<strong>en</strong> Paris Hilton, Christina Aguilera<br />

und – im richtig<strong>en</strong> Leb<strong>en</strong>, ganz im Geg<strong>en</strong>satz zu »Eyes Wi<strong>de</strong> Shut« –<br />

Unterwäsche<br />

185<br />

Linke Seite<br />

»Nobody is perfect!«<br />

heißt es in »Manche<br />

mög<strong>en</strong>ˇs heiß« .<br />

Marilyn ist damit<br />

nicht gemeint.<br />

Nicole Kidman löste<br />

ein<strong>en</strong> ungeahnt<strong>en</strong><br />

Run auf die Unterwäsche<br />

<strong>de</strong>r Firma<br />

Hanro aus.


Keine trug Seid<strong>en</strong>unterklei<strong>de</strong>r<br />

so<br />

lässig-elegant wie<br />

die Taylor. Hier in<br />

»Telefon Butterfi eld 8«.<br />

186<br />

Nicole Kidman. Was zur Folge hat, dass vor d<strong>en</strong> Läd<strong>en</strong> <strong>de</strong>r clever<strong>en</strong> Englän<strong>de</strong>r<br />

von London bis Moskau und Tokio ständig Paparazzi lauern, um<br />

Pr<strong>om</strong>is bei Intimeinkäuf<strong>en</strong> abzulicht<strong>en</strong>.<br />

Da war die Privatsphäre früherer Stars geschützter. Jean Harlow,<br />

Esther Williams und Jane Mansfi eld hätte man sicher eb<strong>en</strong>so w<strong>en</strong>ig beim<br />

Wäschekauf beobacht<strong>en</strong> könn<strong>en</strong> wie die Garbo o<strong>de</strong>r Marl<strong>en</strong>e Dietrich.<br />

Auch Gina Lollobrigida, die Lor<strong>en</strong> und die Monroe wurd<strong>en</strong> über Studios<br />

mit Mie<strong>de</strong>r- und BH-Spezialist<strong>en</strong> versorgt – und das schon lange vor <strong>de</strong>r<br />

Erfi ndung <strong>de</strong>r Push-ups, die sie alle drei nicht nötig hatt<strong>en</strong>. Ihre s<strong>en</strong>sationell<strong>en</strong><br />

Negligés – wie zum Beispiel das <strong>de</strong>r Lollo in »Happy End im September«<br />

o<strong>de</strong>r das von Marilyn in »Manche mög<strong>en</strong>’s heiß« ließ<strong>en</strong> sich die<br />

Kostümbildner selbst einfall<strong>en</strong>.<br />

Für die Frau<strong>en</strong>g<strong>en</strong>eration, die diese groß<strong>en</strong> Hollywood-Zeit<strong>en</strong><br />

noch Händch<strong>en</strong> halt<strong>en</strong>d im Kino (und nicht an einem verregnet<strong>en</strong> Woch<strong>en</strong><strong>en</strong><strong>de</strong><br />

aus <strong>de</strong>r Konserve) erlebt hat, ist diese neue Wäschebravheit,<br />

die unser eig<strong>en</strong>er Alltag ist, vollk<strong>om</strong>m<strong>en</strong> uninteressant. Sie schwärm<strong>en</strong><br />

von d<strong>en</strong> Zeit<strong>en</strong>, als die Div<strong>en</strong> ihre Lover in Wolk<strong>en</strong> von Tüll, Brüsseler<br />

Spitze, Batist, Sei<strong>de</strong> und Satin empfi ng<strong>en</strong>. Das war<strong>en</strong> perfekte Insz<strong>en</strong>ierung<strong>en</strong><br />

– bis hin zu d<strong>en</strong> Pantöffelch<strong>en</strong> –, bei d<strong>en</strong><strong>en</strong> je<strong>de</strong> Bewegung, je<strong>de</strong>s<br />

Rascheln <strong>de</strong>r Stoffe wohlüberlegt war. Damals ging es d<strong>en</strong> Regisseur<strong>en</strong><br />

<strong>de</strong>r Traumfabrik nicht um Sex, son<strong>de</strong>rn um die R<strong>om</strong>antik <strong>de</strong>r Liebe (davor).<br />

Dass es auch damals schon auf Sex hinauslief, war klar, aber es sollte<br />

<strong>Pretty</strong> W<strong>om</strong><strong>en</strong><br />

Wie wichtig<br />

Dessous sind,<br />

lässt sich an<br />

<strong>de</strong>r stetig<br />

wachs<strong>en</strong>d<strong>en</strong> Zahl<br />

von Mark<strong>en</strong>- und<br />

E<strong>de</strong>l-Lingeri<strong>en</strong><br />

und Erfindung<strong>en</strong><br />

wie <strong>de</strong>r <strong>de</strong>s<br />

»Won<strong>de</strong>rbra«<br />

ables<strong>en</strong>.


nur in d<strong>en</strong> Köpf<strong>en</strong> <strong>de</strong>r Zuschauerinn<strong>en</strong> stattfi nd<strong>en</strong>. Das funktionierte<br />

und funktioniert bis heute. Wie wichtig Dessous sind, lässt sich an <strong>de</strong>r<br />

stetig wachs<strong>en</strong>d<strong>en</strong> Zahl von Mark<strong>en</strong>- und E<strong>de</strong>l-Lingeri<strong>en</strong> und Erfi ndung<strong>en</strong><br />

wie <strong>de</strong>r <strong>de</strong>s »Won<strong>de</strong>rbra« ables<strong>en</strong>. Die »Grand Dame« <strong>de</strong>r Dessous-<br />

Kreation<strong>en</strong> ist ohne Zweifel Chantal Th<strong>om</strong>ass, die Dessous-Designerin<br />

<strong>de</strong>r Stars. Sie machte ihre kess<strong>en</strong> und frech<strong>en</strong> Mo<strong>de</strong>lle gesellschaftsfähig<br />

und lockte so je<strong>de</strong> M<strong>en</strong>ge Konkurr<strong>en</strong>z auf d<strong>en</strong> Plan: Calvin Klein mit<br />

sportlich-amerikanisch<strong>en</strong> Mo<strong>de</strong>ll<strong>en</strong>, Christian Lacroix mit sein<strong>en</strong> raffi -<br />

niert<strong>en</strong> Details, Dolce & Gabbana mit ihr<strong>en</strong> schmiegsam<strong>en</strong> Mo<strong>de</strong>ll<strong>en</strong>,<br />

die nicht auftrag<strong>en</strong> und zu d<strong>en</strong> haut<strong>en</strong>g<strong>en</strong> Klei<strong>de</strong>rn pass<strong>en</strong> wie »Körperhandschuhe«,<br />

die frech<strong>en</strong> französisch<strong>en</strong> Landsleute von Huit, die Kollektion<br />

<strong>de</strong>s Topmo<strong>de</strong>ls Elle Macpherson o<strong>de</strong>r K<strong>en</strong>zo mit d<strong>en</strong> dramatisch<strong>en</strong><br />

Schnitt<strong>en</strong> und gewagt<strong>en</strong> Farbk<strong>om</strong>bination<strong>en</strong>. Um nur einige zu n<strong>en</strong>n<strong>en</strong>.<br />

Und nicht zu vergess<strong>en</strong>: La Perla. Will Smith bringt diese Dessous-Marke<br />

sogar mit seiner (zweit<strong>en</strong>) lang<strong>en</strong> und gut<strong>en</strong> Ehe in Verbindung und sagt,<br />

sie sei nicht zuletzt auf La Perla zurückzuführ<strong>en</strong>. Damit steht wohl fest: Es<br />

ist äußerst wichtig, auch ausgezog<strong>en</strong> gut angezog<strong>en</strong> zu sein.<br />

Unterwäsche<br />

187<br />

Cosma Shiva Hag<strong>en</strong><br />

posiert für eine<br />

Kampagne <strong>de</strong>s<br />

Wäscheherstellers<br />

Mey.


»WORLD’S END«<br />

Provokation – <strong>de</strong>in Name ist<br />

Vivi<strong>en</strong>ne Westwood<br />

Vivi<strong>en</strong>ne ist in d<strong>en</strong><br />

Buckingham-Palast<br />

gelad<strong>en</strong>. Aber, aber,<br />

geht man wirklich so<br />

zur Königin?<br />

Vivi<strong>en</strong>ne und Na<strong>om</strong>i<br />

Campbell nach<br />

<strong>de</strong>m berühmt<strong>en</strong><br />

Stolperer mit d<strong>en</strong><br />

»turmhoh<strong>en</strong>«<br />

Plateaus.<br />

Diese Lady war nicht immer eine solche. Die brave Lehrerin<br />

musste erst in London d<strong>en</strong> Kunststud<strong>en</strong>t<strong>en</strong>, Begrün<strong>de</strong>r und<br />

Manager <strong>de</strong>r Band »Sex Pistols« k<strong>en</strong>n<strong>en</strong>lern<strong>en</strong>, <strong>de</strong>r zu <strong>en</strong>g<strong>en</strong><br />

Le<strong>de</strong>rhos<strong>en</strong> grün fl uoreszier<strong>en</strong><strong>de</strong> Dam<strong>en</strong>schuhe trug, um ihr eig<strong>en</strong>es<br />

Pot<strong>en</strong>tial an Unangepasstheit zu <strong>en</strong>t<strong>de</strong>ck<strong>en</strong>. Durch dies<strong>en</strong> leg<strong>en</strong>där<strong>en</strong>,<br />

im April 2010 verstorb<strong>en</strong><strong>en</strong> Malcolm McLar<strong>en</strong> wur<strong>de</strong> Vivi<strong>en</strong>ne Westwoods<br />

Tal<strong>en</strong>t zum »Schock<strong>en</strong>« geweckt. Sie fi ng an, für die gemeinsam<br />

gegrün<strong>de</strong>te Boutique zu <strong>en</strong>twerf<strong>en</strong> und zu näh<strong>en</strong>. In <strong>de</strong>m Lad<strong>en</strong> bil<strong>de</strong>te<br />

sich <strong>de</strong>r jeweilige Zeitgeist Jahr für Jahr in konz<strong>en</strong>trierter Form neu ab,<br />

was schon an d<strong>en</strong> Nam<strong>en</strong>, die über <strong>de</strong>r Hausnummer 430 stand<strong>en</strong>, abzules<strong>en</strong><br />

ist: von »Let it Rock at Paradise Garage« über »Too Fast to Live, Too<br />

Young to Die« (in Erinnerung an James Dean), bis hin zu »World’s End«.<br />

Natürlich stand<strong>en</strong> diese Nam<strong>en</strong> auch für jeweils an<strong>de</strong>re Mo<strong>de</strong>lle.<br />

Vivi<strong>en</strong>ne experim<strong>en</strong>tierte mit Reißverschlüss<strong>en</strong> (an Stell<strong>en</strong>, wo sie nicht<br />

hingehört<strong>en</strong>) und machte vor keiner Verrücktheit halt – ihr öff<strong>en</strong>tlicher<br />

Auftritt in einem rosa glänz<strong>en</strong>d<strong>en</strong> Latex-Unterkleid manifestierte ihre<br />

Linie <strong>en</strong>dgültig unter <strong>de</strong>m Stichwort »Punk«. Und nun schaut<strong>en</strong> auch die<br />

Etabliert<strong>en</strong> hin, kopfschüttelnd zwar, aber Vivi<strong>en</strong>ne war nicht mehr zu<br />

ignorier<strong>en</strong>.<br />

Ihre erste eig<strong>en</strong>e Kollektion stellte Vivi<strong>en</strong>ne Westwood jedoch<br />

erst Anfang <strong>de</strong>r 1980er-Jahre vor. Damit war sie nach Mary Quant die<br />

erste Englän<strong>de</strong>rin, die sich nach Paris wagte, sozusag<strong>en</strong> in die Höhle <strong>de</strong>r<br />

Mo<strong>de</strong>löw<strong>en</strong>. Büst<strong>en</strong>halter über T-Shirts getrag<strong>en</strong> – Skandal! Sie nahm<br />

Anleih<strong>en</strong> bei <strong>de</strong>r Mo<strong>de</strong> früherer Jahrhun<strong>de</strong>rte, erfand gefährlich hohe<br />

Schaukelpferd-Plateauschuhe (mit d<strong>en</strong><strong>en</strong> das Topmo<strong>de</strong>l Na<strong>om</strong>i Campbell<br />

auf <strong>de</strong>m Laufsteg pr<strong>om</strong>pt stolperte – weltweite PR!). Nur w<strong>en</strong>ige<br />

M<strong>en</strong>sch<strong>en</strong> hab<strong>en</strong> die Mo<strong>de</strong>welt mehr beschäftigt und beeinfl usst als<br />

die exz<strong>en</strong>trische Lady aus London.<br />

188 <strong>Pretty</strong> W<strong>om</strong><strong>en</strong>


Vivi<strong>en</strong>ne Westwood<br />

189


Humphrey Bogart:<br />

Mit diesem Bild ist<br />

er ins kollektive<br />

Gedächtnis aller<br />

Frau<strong>en</strong> eingegang<strong>en</strong>.<br />

Marl<strong>en</strong>e Dietrich<br />

war eine Burberry-<br />

Frau <strong>de</strong>r erst<strong>en</strong><br />

Stun<strong>de</strong> – so wie viele<br />

Stars.<br />

AS TIME<br />

GOES BY<br />

Ein Mann und (s)ein Mantel<br />

Casablanca«. Der erfolgreichste US-Liebesfi lm aller Zeit<strong>en</strong> ist<br />

natürlich zugleich viel mehr als das. Der Drehbuchprüfer<br />

schätzte d<strong>en</strong> Stoff als »anspruchsvoll<strong>en</strong> Kitsch« ein, was diej<strong>en</strong>ig<strong>en</strong><br />

heute gar nicht gerne hör<strong>en</strong>, die beim 25. Mal immer noch verstohl<strong>en</strong><br />

nach <strong>de</strong>m Tasch<strong>en</strong>tuch greif<strong>en</strong>. Es gibt eb<strong>en</strong> auch ein<strong>en</strong> Kitsch, <strong>de</strong>r<br />

keiner ist! Viele Dialogsätze wurd<strong>en</strong> zu unvergesslich<strong>en</strong> Zitat<strong>en</strong> – quer<br />

durch alle G<strong>en</strong>eration<strong>en</strong>. Was wäre das Leb<strong>en</strong> beispielsweise ohne die<br />

Hoffnung auf d<strong>en</strong> Beginn einer wun<strong>de</strong>rbar<strong>en</strong> Freundschaft? Sogar<br />

kleinste Details hab<strong>en</strong> sich viel<strong>en</strong> tief eingeprägt. K<strong>en</strong>ner wiss<strong>en</strong> eb<strong>en</strong>,<br />

dass Rick sich die Farbe <strong>de</strong>s Klei<strong>de</strong>s seiner Geliebt<strong>en</strong> am letzt<strong>en</strong> gemeinsam<strong>en</strong><br />

Tag in Paris gemerkt hat: »Die Deutsch<strong>en</strong> trug<strong>en</strong> Grau, und du<br />

trugst Blau!« Nach solch<strong>en</strong> Männern sehn<strong>en</strong> sich Frau<strong>en</strong> – mit solch<strong>en</strong><br />

Sätz<strong>en</strong> (und diesem unverwechselbar<strong>en</strong> Gesicht) wird man zum Star.<br />

Nicht auszud<strong>en</strong>k<strong>en</strong>, w<strong>en</strong>n Ronald Reagan diese Rolle bek<strong>om</strong>m<strong>en</strong> hätte<br />

(er war im Gespräch)!<br />

Und noch ein an<strong>de</strong>rer Star spielt in »Casablanca« eine bis heute<br />

unvergess<strong>en</strong>e Rolle: <strong>de</strong>r Tr<strong>en</strong>chcoat. Von Th<strong>om</strong>as Burberry für die Offi -<br />

ziere <strong>de</strong>r <strong>en</strong>glisch<strong>en</strong> Armee im Erst<strong>en</strong> Weltkrieg kreiert. Schütz<strong>en</strong>grab<strong>en</strong>tauglich,<br />

Wasser abweis<strong>en</strong>d und atmungsaktiv aufgrund <strong>de</strong>s Gabardine,<br />

eb<strong>en</strong>falls von Burberry erfund<strong>en</strong>. Material und Kreation wurd<strong>en</strong> zum<br />

erfolgreichst<strong>en</strong> Mark<strong>en</strong>kleidungsstück aller Zeit<strong>en</strong>: 1901 eröffnete<br />

Burberry sein<strong>en</strong> erst<strong>en</strong> Lad<strong>en</strong> in London, 1920 war er an <strong>de</strong>r<br />

Börse. Es begann ein Siegeszug um die ganze Welt und durch<br />

alle Gesellschaftsschicht<strong>en</strong>. Je<strong>de</strong>r männliche und weibliche<br />

Star hat in Film<strong>en</strong> und privat schon Tr<strong>en</strong>chcoat<br />

getrag<strong>en</strong>. Ohne dies<strong>en</strong> Mantel hätte <strong>de</strong>r Satz: »Ich<br />

seh dir in die Aug<strong>en</strong>, Kleines!« nur halb so viel<br />

Erinnerungswert.


Tr<strong>en</strong>chcoat<br />

191


Impressum<br />

Bildnachweis<br />

Deutsche Originalausgabe<br />

Copyright © 2010 von <strong>de</strong>m Knesebeck GmbH & Co. Verlag KG, Münch<strong>en</strong><br />

Ein Unternehm<strong>en</strong> <strong>de</strong>r La Martinière Groupe<br />

Gestaltungskonzept und Covergestaltung: Fabian Arnet, Knesebeck Verlag<br />

Gestaltung und Satz: Leonore Höfer, Knesebeck Verlag<br />

Lektorat: Dr. Reinhard Pietsch<br />

Lithografi e: Reproline Mediateam GmbH, Münch<strong>en</strong><br />

Druck: Tlacˇiarne BB, spol. s r. o.<br />

Printed in Slowak Republic<br />

Picture-Alliance S. 2 (dpa), 4 (KPA/TopFoto), 5 (akg-images), 6 (dpa), 7 (kpa), 8<br />

(dpa),12 (IMAGNO), 13 (akg-images/Erich Lessing), 14 (dpa), 15 (dpa), 16 (united archives),<br />

17 (akg-images), 18/19 (imagestate/HIP), 20 (Mary Evans Picture Library),<br />

21 (KPA/TopFoto), 23 (Photoshot), 24 (dpa), 25 (dpa), 26 (dpa), 27 l. (dpa), 27 M.<br />

(akg-images), 27 r. (dpa), 28 (KPA), 29 (dpa), 30 (dpa), 31 (dpa), 32/33 (akg-images/<br />

Paul Almasy), 34 (dpa), 35 (Mary Evans Picture Library/Pier Luigi), 36 (dpa), 37 (dpa),<br />

40 (KPA), 41, 42 (KPA), 43 (dpa), 44 (dpa), 45, 46 (akg-images), 47 (dpa), 48 (dpa),<br />

49 (SCHROEWIG/Graylock), 50 (united archives), 51 (united archives), 52 (Mary<br />

Evans Picture Library), 54 (KPA/TopFoto), 55 l., 55 r., 56/57, 58 (united archives), 59,<br />

60 (united archives), 61 (dpa), 62 (dpa), 63 (dpa), 64/65 (dpa), 66 (dpa), 67, 68<br />

(dpa), 69 (dpa), 72 (akg-images), 73, 74, 75 l., 75 r. (dpa), 76, 77, 79, 80 (/Picture<br />

Press/CAMERA PRESS/Stewart Mark), 81 (dpa), 82 (dpa), 83 l. (dpa), 83 r. (dpa), 84<br />

(dpa), 85 (dpa), 86 (dpa), 87 (dpa), 88/89 (dpa), 90, 91, 92 (akg-images), 93 (akgimages),<br />

94 (akg-images), 96 o. (dpa), 96 u. (KPA/TopFoto), 97 l. (IMAGNO/Schostal<br />

Archiv), 97 r. (akg-images), 98 (akg-images), 99 (dpa), 101 (dpa), 102 (dpa), 103<br />

(dpa), 104, 105, 106 (dpa), 107 (dpa), 110 l., 110 r. (dpa/epa), 112/113 (dpa), 115<br />

(KPA), 116 (Mary Evans Picture Library), 117 (Mary Evans Picture Library), 118 (KPA/<br />

TopFoto), 119 (dpa), 120 l. (dpa), 120 r. (dpa), 121 (KPA), 122 (maxppp), 123 (dpa),<br />

124 (dpa), 125 (dpa), 126 (dpa), 127 (KPA), 128 o. (dpa), 129, 130 (dpa), 131 (dpa),<br />

132/133 (united archives), 134 (dpa), 136 (Photoshot), 137, 138, 141 u. (dpa), 142<br />

(dpa), 143, 144 l. (dpa), 144 r. (dpa), 145 (dpa), 147 (dpa), 148 (dpa), 149 (Mary Evans<br />

Picture Library), 150 l. und r., 151 u. und o. (dpa), 152/153, 154 (dpa), 156 (dpa), 157<br />

(empics), 158 l. (Mary Evans Picture Library), 158 r. (Mary Evans Picture Library), 159<br />

(Mary Evans Picture Library), 160 (Mary Evans Picture Library), 161 (KPA/TopFoto),<br />

162 (Photoshot), 163 (dpa), 164 l. (empics), 164 r. (Photoshot), 165 (KPA/TopFoto),<br />

166 (KPA/TopFoto), 167 (Photoshot), 168 (Mary Evans Picture Library), 169, 170<br />

(united archives), 171 (united archives), 173 (dpa), 174 l. (dpa), 174 r. (Mary Evans Picture<br />

Library), 175 (dpa), 176 l. (dpa), 176 r. (dpa), 177 (KPA), 178 (Mary Evans Picture<br />

Library), 179 (Mary Evans Picture Library), 182 (dpa), 183 (KPA), 184 (Mary Evans Picture<br />

Library), 185 (Mary Evans Picture Library), 186, 187 (dpa, GABO/Mey), 188<br />

(empics), 189 (empics), 190 (akg-images), 191 (akg-images); Corbis S. 181; Actionpress<br />

S. 9, 53, 95, 100, 109, 128 u., 135, 139, 141 r.o., 155 ; laif S. 70, 71, 111, 135, 140;<br />

ullstein bild S. 108, 141 l.o., 172; Süd<strong>de</strong>utsche Zeitung Photo S. 38<br />

ISBN 978-3-86873-216-0<br />

Alle Rechte vorbehalt<strong>en</strong>, auch auszugsweise.<br />

www.knesebeck-verlag.<strong>de</strong>


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