STADT ZÜRICH - Neue Zürcher Zeitung
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02<br />
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413<br />
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D.<br />
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12:54:36<br />
17.05.00<br />
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17.05.00<br />
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nzz<br />
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Regio<br />
und<br />
Zürich<br />
047<br />
Kurztext:<br />
NeuöZürcörZäitung<br />
<strong>STADT</strong> <strong>ZÜRICH</strong> Mittwoch, 17. Mai 2000 Nr. 114 47<br />
Konflikt für vorprogrammiert hielten, an die<br />
Schliessungen Jugendtreffs,<br />
von Konzertsälen<br />
und Veranstaltungslokalen für Jazz- und Popkonzerte<br />
erinnerten sowie an den geplanten Abbruch<br />
des Jugendhauses Drahtschmidli. Nicht unumstritten<br />
war ausserdem eine Aussage des damaligen<br />
Stadtpräsidenten Sigmund<br />
Widmer an der<br />
Vollversammlung<br />
vom 4. Juni 1980 im Volkshaus:<br />
«Ob Popkonzerte zur Kultur gehören,<br />
möchte ich bewusst offenlassen.»<br />
Stadtpräsident<br />
Widmer und Stadträtin Emilie<br />
Lieberherr waren an die Vollversammlung im<br />
Volkshaus erschienen, weil laut Stadtrat seit dem<br />
Wochenbeginn gewisse Beruhigung Lage<br />
eine der<br />
eingetreten<br />
war. Dieser Besuch stelle «etwas<br />
Ausserordentliches» dar; Ziel sei es, über die<br />
Möglichkeiten Begegnungszentren<br />
von zu diskutieren.<br />
Ein Grossteil der Jugendlichen war mit<br />
den Ausführunge<br />
n<br />
der Exekutivmitglieder nicht<br />
einverstanden. Die Haltung der Stadträt e wurde<br />
als Hinhaltetaktik verstanden; die parlamentarischen<br />
und demokratischen Spielregeln, die sofortige<br />
Versprechungen verunmög-<br />
Garantien und<br />
lichen, sprachen<br />
wurden kritisiert. Viele sich für<br />
den Konfrontationskurs aus und riefen nach<br />
Strassenaktionen. Als Provokation wurde die Tatsache<br />
empfunden, dass Erziehungsdirektor Alfred<br />
Gilgen Ethnologiestudenten gedrehten<br />
einen von<br />
Videofilm über den<br />
Opernhauskrawall wegen<br />
politischer Agitation<br />
konfiszieren liess.<br />
Protest auf der Strasse<br />
Am 30. Mai 1980 stehen sich beim <strong>Zürcher</strong> Opernhaus Demonstranten und Polizisten gegenüber<br />
. (Archivbild key) An der Volksabstimmung vom 8. Juni nahmen<br />
die Stimmberechtigten den Opernhauskredit an.<br />
Die bewegten Jugendlichen entschieden darauf-<br />
Steine und «Mollis» für autonomen Freiraum<br />
Vor 20 Jahren: Beginn der Jugendunruhen in der Stadt Zürich<br />
In den Hallen der Roten Fabrik versammelten sich vor 20 Jahren, am 17. Mai 1980, Jugendliche<br />
zu einem «Protestfest» und diskutierten, wie sie ihren Forderungen nach Räumen für ihre Kultur<br />
und ihre Musik Nachdruck verleihen sollten. Auf den 30. Mai 1980 wurde eine Demonstration<br />
vor dem Opernhaus angekündigt, die in Krawall und Ladenplünderungen ausartete und den<br />
Auftakt der Jugendunruhen bildete. Die NZZ geht in diesem Artikel und in weiteren, noch folgenden<br />
Beiträgen auf die Ereignisse vor 20 Jahren ein.<br />
hin an einer Vollversammlung, nicht auf die Bedingungen<br />
des Stadtrates bezüglich des Gebäudes<br />
an der Limmatstrasse 18/20 einzugehen. In den<br />
folgenden Tagen kam es zu friedlichen und zu gewalttätigen<br />
Demonstrationen: vor dem Gebäude<br />
der «<strong>Neue</strong>n <strong>Zürcher</strong> <strong>Zeitung</strong>» wollten die<br />
Jugendlichen Auslieferung Auflag e<br />
die der blockieren,<br />
was dank einem Polizeieinsatz verhindert<br />
werden konnte; vor der Universität forderten sie<br />
den sofortigen Rücktritt von Regierungsrat Gilgen;<br />
Bezirksgericht<br />
vor dem und der Polizeikaserne<br />
verlangten sie die Freilassung der beim<br />
Opernhauskrawall festgenommenen Jugendlichen;<br />
Gespräch<br />
vor dem Rathaus suchten sie das<br />
mit dem Gemeinderat, der diesen Wunsch ausschlug,<br />
worauf es in der Innenstadt zu Sachbeschädigungen<br />
kam. Im Vorfeld einer unbewilligten<br />
Grossdemonstration vom 21. Juni, an der<br />
rund 6000 Jugendliche teilnahmen, wurden<br />
Rädelsführer in Präventivhaft genommen, was<br />
heftige<br />
Reaktionen auslöste.<br />
Im Rückblick auf diese ersten Wochen fällt auf,<br />
dass eine Kerngruppe von Jugendlichen, die bereit<br />
waren, «Schmerzen und Blut» hinzunehmen,<br />
die Unentschlossenheit der Behörden ausnützte,<br />
um auf den <strong>Zürcher</strong> Strassen ein Chaos anzurichten.<br />
Diese Gruppe Unzufriedener verwandelte<br />
sich in blindwütige Randalierer. Die Mehrheit der<br />
Bewegung, grosse Anziehungskraft<br />
die eine auf<br />
Schüler, Lehrlinge,<br />
Studenten und Alt-68er ausübte,<br />
lehnte die Methoden der Gewalt zwar ab,<br />
solidarisierte sich aber mit den Anliegen. Welches<br />
waren diese Anliegen? Die Bewegung forderte ein<br />
«autonomes» Jugendhaus; pi. Tage<br />
Zwei dauerte das «Protestfest» in den<br />
Hallen der Roten<br />
sie wollte sich einen<br />
Freiraum ausserhalb der staatlichen Strukturen erkämpfen,<br />
einzig Vollversammlung<br />
in dem die das<br />
Wort hatte.<br />
Fabrik, das am 17. Mai 1980<br />
begann. Aktionsgruppe verfolgte<br />
Die Rote Fabrik<br />
ein Ziel: «Wir Jugendliche fordern hiermit von<br />
der Stadt Zürich Freiraum für uns und für unsere<br />
Kultur.» Ein entsprechender Brief an den <strong>Zürcher</strong><br />
Stadtrat lag in der Halle auf und wurde von den<br />
Anwesenden unterzeichnet. Aus den Boxen<br />
dröhnte Sound von «Funk Express»; die Jugendlichen<br />
sassen auf dem Boden; Partystimmung<br />
machte sich breit. Dann kamen während über<br />
einer Stunde Aktivisten zu Wort und verlangten<br />
über Mikrophon «Räume für unsere Kultur». Ergänzt<br />
Forderung<br />
wurde diese mehrfache mit der<br />
Bemerkung:<br />
«Wenn wir sie nicht erhalten, nehmen<br />
wir sie uns eben.» Es kam zu einem Wortgefecht<br />
zwischen den Rednern, wie man diese<br />
Freiräume zu erhalten gedenkemit Gewalt oder<br />
auf friedlichem Weg. Man entschied sich für eine<br />
gewaltfreie<br />
Demonstration am 30. Mai vor dem<br />
Opernhaus,<br />
doch die militanten Töne am Rande<br />
der Veranstaltung Provokation auf. Ihr Interesse an öffentlichen<br />
späten siebziger<br />
Räumen und Zentren war in den<br />
stetig gewachsen.<br />
Jahren Im Herbst 1979 formierte<br />
sich die<br />
waren nicht zu überhören.<br />
Arbeitsgemeinschaft «Rock als<br />
Revolte», Verbesserung<br />
die für eine der Musikszene<br />
in Zürich eintrat. Alternativen zu den als<br />
viel zu teuer empfundenen Konzerten sollten geschaffen<br />
werden; kritisiert wurden namentlich<br />
«hochkommerzialisierte, korrupte<br />
Bands» wie<br />
Nina Hagen und andere vermarktete Punks. Gewünscht<br />
wurden Konzerthallen und Räumlichkeiten<br />
für Musik, Diskussionen und Feste. Sitzungen,<br />
in denen die Unzufriedenen politisierten,<br />
fanden im Polyfoyer «Freak am Friitig» statt. Im<br />
Dezember 1979 trafen sich rund 600, die gegen<br />
die einseitige Verteilung der Kulturgelder und die<br />
hohen Preise für Rockkonzerte in Zürich protestierten.<br />
Kurze Zeit später<br />
lancierten die Jungsozialisten<br />
die «Pop-Initiative», wonach ein bis<br />
zwei Prozent der städtischen Kulturausgaben für<br />
Popkonzerte<br />
verwendet werden sollten.<br />
Aus diesen Versammlungen heraus wurde die<br />
Aktionsgruppe gegründet,<br />
Rote Fabrik zu der sich<br />
Vertreter des Polyfoyers, der Gruppen «Rock als<br />
Revolte» und «Freaks am Friitig» sowie Jungsozialisten<br />
zusammengeschlossen hatten. Da es<br />
an kommerziellen Konzerten wiederholt zu Unruhen<br />
gekommen war, erteilte die ETH-Verwaltung<br />
Bewilligungen Benützung<br />
keine mehr für die<br />
ihrer Räume, so auch des Polyfoyers. Die aufgebrachten<br />
Gruppierungen, die sich danach im<br />
Drahtschmidli und in Beizen zu Vollversammlungen<br />
trafen, versuchten direkt mit dem Stadtrat zu<br />
verhandeln und wiesen auf die «immer unbefriedigender<br />
Jungen»<br />
werdende Freizeitsituation der<br />
hin. So lange, bis eine 500 m grosse Halle gefunden<br />
würde, wolle die Aktionsgruppe die Halle in<br />
der Roten Fabrik zwei Tage pro Woche benutzen<br />
dürfen, Forderung.<br />
lautete die Die Antwort des<br />
Stadtrates fiel negativ aus: vorderhand keine weiteren<br />
Räumlichkeiten für die Jugendlichen. Allenfalls,<br />
signalisierte<br />
so er, könnte bei einem Ja zum<br />
Kredit des Opernhauses beziehungsweise nach<br />
dessen Umbau über ein allfälliges Einmieten in<br />
die Rote Fabrik diskutiert werden. Die Aktionsgruppe<br />
nahm das Schreiben mit «Befremden» auf<br />
und akzeptierte die Haltung den, Gummigeschosse Tränengas.<br />
und Der<br />
Reporter<br />
der NZZ beschrieb die Strassenschlachten,<br />
die sich zwischen Bellevue und<br />
Limmatquai<br />
abspielten,<br />
zwischen den Polizisten und den<br />
immer zahlreicher werdenden Demonstranten wie<br />
folgt:<br />
«Die Situation bleibt bis etwa 23 Uhr unverändert,<br />
endgültig<br />
bis sich die Demonstranten<br />
zur nackten Gewalt bekennen und zu Randalierern<br />
werden: Mit dem Mobiliar des Gartencaf´ es<br />
Odeon errichten sie eine Barrikade. Von nahen<br />
Baustellen wird Material<br />
nicht.<br />
herbeigeschafft, Blumentöpfe<br />
geschmettert,<br />
werden auf die Strasse<br />
Abschrankungen, Fässer, umgekippt,<br />
Container<br />
auf den Trümmerhaufen geworfen. In sinnloser<br />
Wut wird alles in der näheren Umgebung zertrümmert.<br />
Gegen die Polizei und Zuschauer prasseln<br />
Pflastersteine und Molotowcocktails.» Die<br />
Polizeiwache bei der Rathausbrücke wird angegriffen,<br />
Fahrzeuge<br />
und Barrikaden werden in<br />
Brand gesteckt, Schaufensterscheiben klirren, Geschäfte<br />
werden geplündert.<br />
Am Samstagmorgen, um 6 Uhr 15, ist die erste<br />
Krawallnacht zu Ende. Ein Polizist erlag einem<br />
Herzstillstand, zehn Beamte sind verletzt; elf<br />
Steinwerfer und Plünderer werden inhaftiert.<br />
Während der langen Nacht waren 124 Beamte<br />
der Stadtpolizei und 50 der Kantonspolizei<br />
im<br />
Einsatz. Es blieb jedoch nicht bei dieser einzigen<br />
Nacht. Der Damm der Gewalt war gebrochen;<br />
die Unruhen flammten nicht nur am Samstagabend<br />
wieder auf.Am 1. Juni wurde das vor<br />
dem Opernhaus aufgestellte Festzelt von rund<br />
2000 Personen besetzt, die eine Vollversammlung<br />
abhielten und die Ereignisse der Vortage diskutierten.<br />
Es wurden neue Forderungen an den<br />
Stadtrat gestellt: Rückzug Strafanzeige gegen<br />
der<br />
alle Verhafteten, keine weitere Verwendung von<br />
CB-Tränengas Gummigeschossen,<br />
und teilweise<br />
Inbetriebnahme der Roten Fabrik als Kultur- und<br />
Jugendzentrum<br />
ab Herbst 1980, Bewilligung<br />
eines<br />
autonomen Jugendzentrums in der leerstehenden<br />
Fabrikhalle an der Limmatstrasse 18/20 ab<br />
8. Juni, Steine des Anstosses<br />
Vor dem<br />
12 Uhr.<br />
Opernhaus entlud sich an diesem<br />
denkwürdigen Freitagabend,<br />
30. Mai 1980, dem<br />
Auftakt der Jugendunruhen, der aufgestaute<br />
Ärger Jugendlichen<br />
und Frust der über die staatlichen<br />
und bürgerlichen Institutionen. Wie konnte<br />
es so weit kommen? Blenden wir in das Jahr 1977<br />
zurück, September.<br />
auf den 25. Die Stimmberechtigten<br />
hatten damals beschlossen, die Rote Fabrik<br />
in ein Begegnungs- und Kulturzentrum umzuwandeln.<br />
Wie dieses jedoch aussehen sollte, darüber<br />
hüllten sich die zuständigen Ämter, die Präsidialabteilung,<br />
das Sozialamt und das Gartenbauamt,<br />
Schweigen. Liegenschaftenverwal-<br />
in Die<br />
tung<br />
hatte die Rote Fabrik weitervermietet: 15<br />
Prozent des Raumes an Private, den Rest an<br />
Kulturinstitute (Theater am Neumarkt, Opernhaus<br />
und Schauspielhaus als Probe- und Lagerraum)<br />
sowie an Kunstmaler<br />
(Ateliers).<br />
Diese Art der Nutzung und Vermietung der<br />
Roten Fabrik fassten die Jugendlichen, die sich<br />
zum «Protestfest» zusammengefunden Ein autonomes<br />
hatten, als<br />
Jugendzentrum<br />
Dieser Wunsch ging sechs Wochen nach dem<br />
«Protestfest» in der Roten Fabrik in Erfüllung.<br />
Am 25. Juni wurde an einer Vollversammlung im<br />
Volkshaus beschlossen, Vermittlungsvor-<br />
den<br />
schlag<br />
der SP anzunehmen, jedoch<br />
unter der Bedingung,<br />
dass das Haus an der Limmatstrasse<br />
autonom geführt und am 28. Juni geöffnet werden<br />
könne. An besagtem Tag öffnete das Autonome<br />
Jugendhaus dann seine Pforten. Die Vollversammlung<br />
und das Fest, das bis in die frühen<br />
Morgenstunden dauerte, verliefen ohne Zwischenfälle.<br />
Erste Reparaturarbeiten, namentlich<br />
die Installation von Toiletten, wurden sofort an<br />
die Hand genommen. Die «Bruchbude» wurde<br />
mit Farbe, Bildern und Slogans verschönert. Alles<br />
verlief in Minnedoch das Experiment AJZ<br />
scheiterte knapp zwe i Jahre später, im März 1982,<br />
nach weiteren Eruptionen der Gewalt.<br />
Literatur: Hugo Bütler und Thomas Häberling (Hg.): Die<br />
neuen Verweigerer, Unruhe in Zürich und in anderen Städten,<br />
Zürich 1981; SP Stadt Zürich (Hg.): Eine Stadt in Bewegung,<br />
Materialien zu den <strong>Zürcher</strong> Unruhen, Zürich 1980; Sozialarchiv<br />
Zürich: Eine kommentierte Chronologie Kontroversen<br />
Der <strong>Zürcher</strong> Stadtrat lehnte es zu<br />
über die 80er Bewegung<br />
im Internet unter www.sozialarchiv.ch/80.<br />
Beginn der<br />
Woche zunächst noch ab, unter Druck von Gewalttätigkeiten<br />
Verhandlungen<br />
zu führen. Er<br />
werde, Stellungnahme<br />
wie er in einer festhielt, die<br />
mit der Interessengemeinschaft Rote Fabrik ge-<br />
Gespräche<br />
führte n<br />
fortführen. Der Stadtrat blieb<br />
jedoch Haltung lange<br />
seiner nicht<br />
kapitu-<br />
treu. Er<br />
lierte unter dem Druck der Jugendlichen und des<br />
Radaus. Am 7. Juni, fünf Tage später, konnten<br />
die Jugendlichen an einer Vollversammlung auf<br />
dem Platzspitz Folgendes verlesen: «In seiner<br />
Mitteilung<br />
macht der Stadtrat darauf aufmerksam,<br />
dass es sich dabei (dem Gebäude an der Limmatstrasse<br />
18/20) um ein Abbruchobjekt handelt und<br />
der Platz einer städtischen Dienstabteilung zur<br />
Verfügung gestellt<br />
werden muss. Bis dahin soll es<br />
aber noch zwei bis drei Jahre dauern. Als Bedingung<br />
nannte die Stadt, dass es zu keinen Ausschreitungen<br />
mehr kommt, Träger<br />
dass ferner ein<br />
gefunden wird, entsprechende<br />
der Statuten vorlegt<br />
Schliessung garantiert,<br />
und für die abendliche<br />
dass über die Benützungsbedingungen mit der<br />
Stadt Einvernehmen herrscht und dass dringendste<br />
bauliche Verbesserungen vor Inbetriebnahme<br />
erfolgen<br />
müssen.»<br />
In der Öffentlichkeit fanden kontroverse Diskussionen<br />
über den Protest der Jugendlichen und<br />
deren Gewaltbereitschaft statt. Kritisch unter die<br />
Lupe genommen nachgiebige Haltung<br />
wurden die<br />
des Stadtrates, der die Angriffe auf Recht und<br />
Ordnung hingenommen geradezu<br />
und honoriert<br />
habe, sowie die Einsatzdoktrin der Polizei. Hinterfragt<br />
wurden ausserdem die Rolle der städtischen<br />
Jugendberater und Streetworker und die<br />
Millionen von Franken, die Jugendinstitutionen<br />
(Freizeitanlagen, Jugendhaus)<br />
Verein von der<br />
Stadt erhielten. Es gab auch Stimmen, Aufruf zu<br />
die den<br />
Sabotage<br />
pi. Stadtzeitung<br />
In der linken «Stilett» wurde in<br />
der April-Ausgabe 1980 der «Sabotage-Boogie»<br />
abgedruckt. späteren<br />
Der Liedtext nahm die Ge-<br />
Zerstörung<br />
waltausbrücheLadenplünderungen,<br />
und blinde Wut gegen die bürgerliche Weltvorweg,<br />
die die <strong>Zürcher</strong><br />
Opern-<br />
Strassen nach dem<br />
hauskrawall vom 30. Mai 1980 lange Monate in<br />
Atem hielten.<br />
«Ich lauf am Samschtig über d Bahnhofschtrass<br />
i mir da schtaut sich immer meh e Wuät<br />
tüüri Luxusware hinder Schaufänschterglas<br />
doch wart nur bis am zwölfi z Nacht<br />
wänns paar vo dene huere Schiibe jagt.<br />
Sabotasch-Boogie<br />
dänn Sabotasch macht Schpass.<br />
Mängmal<br />
leite dä Mascht vom ne AKW<br />
und öppediä wird ä Bouschtell flambiert<br />
wird im ne Superknascht Sprängladig gleit<br />
ä<br />
än Bonzechare dä wird liquidiert<br />
paa r<br />
«Mollis» gägnen Gschäftsneubau<br />
das schtellt mich uf<br />
das isch dä Plausch.<br />
Sabotasch-Boogie<br />
dänn Sabotasch macht Schpass.»<br />
Opernhauskrawall<br />
Mit dem «Protestfest» in der Roten Fabrik und<br />
der Demonstration vor dem Opernhaus, die nicht<br />
bewilligt<br />
worden war, Aktionsgruppe<br />
wollte die<br />
mehr Jugendliche erreichen und ihre Anliegen<br />
einer breiteren Öffentlichkeit kundtun. Es zirkulierten<br />
zum Teil aggressive Flugblätter, die zur<br />
Opernhaus-Demo<br />
aufriefen. Während das eine<br />
Flugblatt «unvergesslichen Opernabend»<br />
einen<br />
versprach,<br />
rief ein anderes dazu auf, Kampf<br />
beim<br />
um die Rote Fabrik «unter Umständen sogar<br />
Schmerze<br />
n und Blut» in Kauf zu nehmen. Um 19<br />
Uhr hatten sich rund 200 Manifestanten, ausgerüstet<br />
mit Eiern und Tomaten, vor dem Opernhaus<br />
eingefunden, um ihrem Unmut über die<br />
städtische Kulturpolitik Ausdruck zu verleihen<br />
und die Opernbesucher im Vorfeld der Abstimmung<br />
über den 60-Millionen-Franken-Kredit für<br />
den Opernhausumbau auf die Bedürfnisse eines<br />
alternativen <strong>Zürcher</strong> Kulturbetriebs aufmerksam<br />
zu machen. Als unerwarteterweise 30 Polizisten<br />
Kampfausrüstung<br />
in<br />
Opernhaus<br />
aus dem traten, um<br />
die vor dem Gebäude wartenden Opernbesucher<br />
einzulassen, kam es zu ersten Scharmützeln, die<br />
sich zu exzessiven Krawallen entwickelten.<br />
Zunächst flogen Eier und Tomaten, dann Flaschen<br />
und Pflastersteine, schliesslich Gaspetar-<br />
Anzeige<br />
<strong>Neue</strong> <strong>Zürcher</strong> <strong>Zeitung</strong> vom 17.05.2000
State ÄjcrAiliiiifl <strong>STADT</strong> <strong>ZÜRICH</strong><br />
Barockes Landhaus in der Innenstadt<br />
Abschluss der Restaurierung des Stockargutes<br />
bli. Rund 100 Schwamendmger versammelten<br />
sich am Freitag abend im Zentrum von<br />
Schwamendingen, einem Aufruf des «Komitees<br />
Züritram nöd eso» folgend, zu einer Kundgebung<br />
für die- Traminitiative Schwamendingen,<br />
die am kommenden Wochenende vom 7./<br />
8. Juni zur Abstimmung gelangen wird. Auf<br />
rund 20 mitgeführten Transparenten warb das<br />
Komitee mit Slogans wie «Wir wollen keine<br />
jahrelange Bauerei», «Ein grünes Trassee ist<br />
kein Spielplatz» und «Gegen das Lädelisterben<br />
für eine vernünftige Tramlösung». Vom Kirchgemeindehaus<br />
Stettbach zogen die Demonstranten<br />
über die Dübendorf-, die Glattwiesen- und<br />
die Winterthurerstrasse und wieder zurück zum<br />
Schwamendingerplatz. In einer kurzen Anspra-<br />
che wandte sich Urs Bobst vom Ausschuss des<br />
Komitees noch einmal gegen den Vorwurf der<br />
Zwängerei und warnte eindringlich vor den Fol<br />
gen «des überdimensionierten Projekts».<br />
lieh seien, indem sie für" diverse Veranstaltungen<br />
zur Verfügung gestellt werden können.<br />
Der Kredit für die Renovation und den Um<br />
bau des Opernhauses entspricht angesichts der<br />
prekären und gefährlichen heutigen Verhältnisse<br />
einer dringenden Notwendigkeit. Unbestritten<br />
blieb auch der Kredit für den Ersatz von<br />
Oefen in der Kehrichtverbrennungsanlage Hagenholz.<br />
Zwar gab die Tatsache, dass dieser Ersatz<br />
bereits nach einer zehnjährigen Betriebsdauer<br />
nötig ist, zu Bedenken Anlass. Es musste<br />
aber anerkannt werden, dass die Ueberlastung<br />
der letzten Jahre wesentlich zu dieser vorzeitigen<br />
Fälligkeit beigetragen hat. Die Zustimmung<br />
zur Volksinitiative gegen die beschlossene<br />
Tramverlängerung nach Schwamendingen wurde<br />
mit Argumenten von Quartierbewohnern begründet.<br />
Insbesondere stiess die oberirdische<br />
Führung mit den erforderlichen Erschliessungsanpassungen<br />
auf Kritik.<br />
124-51<br />
SunitAc/SoniilA' ig/Sonntag. 31. Mai/l. Juni 1980 Nr. 124 51<br />
Krawalle zwischen Opernhaus und Bellevue<br />
Ein Polizist gestorben<br />
Hon. Während gut dreier Jahre wurde das<br />
Stockargut am<br />
Sempersteig, unterhalb des<br />
Hauptgebäudes der Universität, einer gründlichen<br />
Renovation unterzogen. Das barocke<br />
Wohnhaus, der danebenstehende Pavillon und<br />
die Gartenanlage haben nun wieder ihre festliche,<br />
für Zürich fast zu prunkvolle Gestalt erhalten.<br />
Begrenzter Raum für die Universität<br />
Wie der Baudirektor des Kantons Zürich,<br />
Regierungsrat Albert<br />
Sigrist. anlasslich der Einweihung<br />
in seiner<br />
Begrüssungs- und Dank-<br />
bekanntgab,<br />
adresse<br />
hat die Renovation<br />
3,5 Mio. Fr. gekostet; eine bevorstehende zweite<br />
Etappe, Tedigl'ch<br />
die noch die neue<br />
Gestaltung<br />
einiger Räume im<br />
Erdgeschoss und im ersten<br />
Stockwerk betrifft, wird nur noch verhältnismässig<br />
kleine Kosten verursachen. Bis zur Eröffnung<br />
der zweiten Etappe der Universität im<br />
Irchcl ist das Anthropologische Institut in den<br />
renovierten Räumen des Hauses untergebracht,<br />
während der Pavillon von der Uniyersitätsverwaltung<br />
genutzt wird. Regierungsrat Sigrist hob<br />
hervor, dass die Geisteswissenschaftliche Fakultät,<br />
die in den Uniyersitätsgebäuden im Zentrum<br />
bleibt, ihrerseits gewisse Ausbaubedürfnisse<br />
habe, die mit den Ansprüchen der Denkmalpflege<br />
koordiniert werden mussten. Der<br />
Bund, der Kanton und die Stadt Zürich haben<br />
sich auf eine Liste von 45 im Hochschulquartier<br />
gelegenen Gebäuden<br />
geeinigt, die zur Hälfte unbedingt,<br />
zur andern Hälfte wenn immer<br />
möglich<br />
erhalten bleiben sollen. Durch die Verlegung eines<br />
Teils der Administration in die eher kleinteiligen<br />
Räume des<br />
ehemaligen Wohnhauses<br />
werden im Hauptgebäude Räume für Lehre und<br />
Forschung frei.<br />
Die Nutzung der Räume<br />
Wenn man die prächtigen Barocksäle im<br />
zweiten Obergeschoss mit ihren reichen Stuckdecken<br />
und den bemalten Kachelöfen besichtigen<br />
will, findet man sie angefüll t mit Büchergestellen,<br />
Vitrinen, Schauwänden und einem Sammelsurium<br />
kantonaler Ordonanzmöbel: sicherlich<br />
ein Erscheinungsbild, das die aufwendige<br />
Restaurierung nicht honoriert<br />
Erziehungsdirektor<br />
Dr. Alfred Gilgen versicherte jedoch, dass<br />
nach dem Auszug des Anthropologischen Instituts<br />
in den prunkvollen Räumen keine Verwaltungsbüros<br />
eingerichtet werden, dass diese vielmehr<br />
für Repräsentationszwecke und Veranstaltungen<br />
zur Verfügung stehen 'sollen. Sinnvoll<br />
wäre auch die Verwendung als Amtsräume für<br />
den Rektor. Der derzeitige Inhaber dieses Amtes,<br />
Prof. Gerold Hilly, doppelte nach, indem er<br />
darauf verwies, dass grundsätzlich alle Räume<br />
der Universität in einem gewissen Sinne öffent-<br />
Unterirdisches Tram zu teuer<br />
VBZ-Direktor zum Vorschlag<br />
des Quartiervereins Schwamendigen<br />
/ Der Quartierverein Schwamendingen ist<br />
diese Woche mit einem neuen Vorschlag für<br />
eine Erschliessung des Quartiers Schwamendingen<br />
an die Oeffentlichkeit getreten. Statt vom<br />
«Hirschen» aus zwei Tramäste nach Hirzenbach<br />
und Stettbach zu bauen, wie es das städtische<br />
Projekt vorsieht, möchte sich der Quartierverein<br />
auf einen Ast nach Stettbach beschränken,<br />
diesen aber unterirdisch führen; der Rest<br />
des Quartiers soll mit Bussen bedient werden.<br />
Der Direktor der Verkehrsbetriebe, Rolf<br />
Künzle, steht, wie er uns auf Anfrage erklärte,<br />
diesem Vorschlag nicht nur skeptisch, sondern<br />
«sehr skeptisch» gegenüber. Er verweist dabei<br />
auf Vorbilder in ausländischen Städten, wo die<br />
öffentlichen Verkehrsmittel, auch wenn sie im<br />
Zentrum unterirdisch geführt werden, in den<br />
Aussenquartieren oberirdisch verkehren. Unterirdische<br />
Lösungen sind eben teurer. Ohne genauere<br />
Untersuchungen möchte Künzle nicht<br />
einfach behaupten, der Quartierverein rechne<br />
mit zu niedrigen Baukosten, obwohl er dies offensichtlich<br />
annimmt Der VBZ-Direktor unterstreicht<br />
aber, dass nicht nur der Bau, sondern<br />
auch der Betrieb unterirdischer Tramstrecken<br />
wesentlich teurer sei; Bis 1967 hatten die<br />
nicht zuletzt ist auch die<br />
Reinigung aufwendigen<br />
Eine Antitramdemonstration<br />
Anthropologen im Stokkargut<br />
Affen gehalten, auch jetzt noch dominieren<br />
in den Institutsräumen die diversen Primaten,<br />
sei es in der Form von Skeletten , sei es ausgestopft<br />
Es war dem Erziehungsdirektor deslalb<br />
nicht zu verargen, dass er in einer amüsan-<br />
Blick in den oktogonalen Saal des Gartenpavillons. Neben<br />
der Restauration der Stukkaturen und des Deckengemäldes<br />
wurden diskret unter den Fensterbänken<br />
Heizkörper eingebaut.<br />
ten Ansprache gewisse Verbindungen zu potentiellen<br />
künftigen Benutzern der Räume insinuierte.<br />
Zurückhaltung und Repräsentation<br />
Das grosse Wohngebäude<br />
des<br />
Stockargutes<br />
wurde um 1630 vom -Ratsherr Rudolf Waser<br />
ausserhalb der Stadtbefestigung im Rebgelände<br />
erstellt Noch im 17. Jahrhundert wurde es vom<br />
Fabrikanten Joseph Orell umgebaut 1731<br />
kaufte Johannes Escher-Gossweiler den stadtnahen<br />
Landsitz und liess vermutlich die französische<br />
Gartenanlage und den Pavillon erstellen.<br />
Das Wohnhaus zeigt im Aeusseren die zurückhaltende<br />
Art des zürcherischen Landhauses,<br />
und erst die Dimensionen und die Ausstattung<br />
der Innenräume dokumentieren den Wohlstand<br />
der Bauherren. Demgegenüber begegnet einem<br />
in dem im Regencestil erbauten Pavillon und<br />
dem axialsymmetrisch auf ihn ausgerichteten<br />
Garten, der nun nach dem Stadtplan von Johannes<br />
Müller von 1788 rekonstruiert worden ist,<br />
bereits die Festlichkeit des Rokoko mit seinem<br />
eher extravertierten Repräsentationsbedürfnis.<br />
Eines der Prunkstücke des Hauses, ein mit Blumenmotiven<br />
bemalter Fayence-Ofen aus der<br />
<strong>Zürcher</strong> Porzellanmanufaktur im Schoren, ist<br />
leider kürzlich dem Schweizerischen Landesmuseum<br />
geschenkt und dort aufgestellt worden.<br />
Dem Ensemble von Gartenanlage, Wohnhaus<br />
und Pavillon hat das 1975 sehr schonungsvoll<br />
in der Garten eingefügte Gebäude der Universitätskasse<br />
ebensowenig Schaden angetan<br />
wie der Abbruch des Oekonomiegebäudes aus<br />
dem 19. Jahrhundert Zu bedauern ist einzig,<br />
dass das reiche barocke Gartenportal an der<br />
Künstlergasse durch die Neugestaltung des<br />
Sempersteigs abgeschnitten wurde und nun<br />
nicht mehr als zugehörig empfunden wird. Es is t<br />
nur zu hoffen, dass der für die Stadt Zürich so<br />
bedeutsame Komplex künftig nicht nur einer<br />
universitären, sondern einer weiteren Oeffentlichkeit<br />
zugänglich gemacht wird.<br />
Ja-Parolen der Demokraten<br />
(Mitg.) Die Demokratische Stadtpartei hat<br />
unter dem Vorsitz ihres Präsidenten Werner<br />
Müller die städtischen Vorlagen ma. Anlässlich eines<br />
vom 8. Juni<br />
diskutiert und beschlossen, für alle drei Vorlagen<br />
Zustimmung zu empfehlen.<br />
Volksfestes, mit dem<br />
das <strong>Zürcher</strong> Opernhaus für ein JA an der kommenden<br />
Abstimmung werben wollte, ist es am<br />
Samstag abend am Limmatquai in Zürich zu<br />
schweren Zusammenstössen zwischen etwa 200<br />
Demonstranten und der Polizei gekommen, in<br />
deren Verlauf der Polizist Peter Kellerhals aus<br />
noch nicht genau geklärter Ursache starb. Zwei<br />
weitere Beamte mussten, von Wurfgeschossen<br />
der Demonstranten getroffen, mit der Ambulanz<br />
abgeholt werden. Eine nicht genau bekannte<br />
Anzahl von Randalierern wurde verhaftet<br />
Bei Redaktionsschluss war nach wie vor<br />
eine eigentliche Schlacht vor dem Rathausposten<br />
der Kantonspolizei im Gang.<br />
Mit Flaschen und Steinen gegen Polizisten<br />
pz. Mit Budenstadt und Festzelt auf dem<br />
Theaterplatz wirb», das Opernhaus über das Wochenende<br />
für die Abstimmungsvorlage am<br />
8. Juni. Das Theaterfest kam aus zwei Gründen<br />
etwas anders in Gang, als man sich das von seiten<br />
der Organisatoren vorgestellt haben dürfte.<br />
Am Freitag abend versammelten sich im Zelt,<br />
wo ein «Bernhard-Apero» das Programm eröffnete,<br />
nicht allzu viele Leute, weil die recht kühle<br />
Witterung eher in die geheizten Wohnungen<br />
lockte.<br />
Gege n 19 Uhr trafen sich am Bellevueplatz<br />
Demonstranten, die zwar für Alternativkultur in<br />
der Roten Fabrik einstehen, die Opernkultur<br />
dagegen ablehnen. Mit Transparenten zogen<br />
sie, rund 200 an der Zahl, vor das Opernhaus<br />
und besetzten den Haupteingang. Die Bereitschaftspolizei<br />
sicherte darauf für die Opernhausbesucher<br />
den Zugang. Die Demonstration eskalierte,<br />
indem ein harter Kern der Demonstranten<br />
nicht davor zurückschreckte, Polizisten und<br />
auch die Theaterbesucher zuerst mit Eiern, dann<br />
mit naschen und Steinen zu bewerfen. Als die<br />
Randalierer, die ihren Forderungen keinen klaren<br />
Ausdruck zu geben vermochten, sondern<br />
sich lediglich mit Geschrei bemerkbar machten,<br />
als Kampfmittel gegen die Polizei auch noch<br />
Holzlatten von Bauabschrankungen, Pflastersteine<br />
und Sprengkörper einsetzten, mussten sie<br />
mehr und mehr zurückgedrängt werden.<br />
Indessen rief alt Stadtpräsident Emil Landolt<br />
im Festzelt dazu auf, die dringend notwendige<br />
Sanierung der baulichen Verhältnisse im Opernhaus<br />
zu bejahen. Die Krawallszenen draussen<br />
nehmen zur Zeit, da dieser Bericht erstellt wird,<br />
noch ihren Fortgang, doch dürfte sich diese Ar t<br />
der politischen Auseinandersetzung, die mit<br />
Wurfgeschossen operiert, weil ihr die Argumente<br />
fehlen, wohl eher zugunsten der Opernhaus-Vorlage<br />
auswirken: solchen Leuten muss<br />
mit einem klaren Ja zur Theatersanierung entgegnet<br />
werden.<br />
Einsatz von Tränengas<br />
Da die ausschliesslich jugendlichen Demonstranten<br />
trotz dem Einsatz von rund 70 Polizisten<br />
nicht gewillt waren, sich zu zerstreuen und<br />
sich von weiteren Gewalttätigkeiten auch nicht<br />
durch deutliche Missfallenskundgebungen der<br />
Passanten abhalten Hessen, kündigte die Polizei<br />
um 20 Uhr 15 an, sie räume den Platz vor dem<br />
Theater und die Umgebung Als die Polizei, wie<br />
in einer Viertelstunde.<br />
angekündigt, mit dem<br />
Einsatz von Tränengas die Randalierer vom<br />
Theater- und vom Stadelhoferplatz verdrängte,<br />
sammelten diese sich erneut beim Bellevue. Dort<br />
schienen sie das Opernhaus vollständig zu vergessen,<br />
und richteten ihre Zerstörungswut auf<br />
andere Objekte. Sie öffneten Dolendeckel, bewarfen<br />
mit Steinen Schaufenster und errichteten<br />
Strassensperren. Der öffentliche und der private<br />
Verkehr waren am Bellevue zeitweise vollständig<br />
blockiert Die Polizei verschaffte sich zwar<br />
mit der erzwungenen Durchfahrt von Mannschaftswagen,<br />
aus denen ein Wasser-Tränengasgemisch<br />
gespritzt, wurde, immer wieder freie<br />
Bahn, doch sammelte sich ein harter Kern der<br />
Jugendlichen<br />
ebenso rasch wieder, wenn sich<br />
die Polizei zurückgezogen hatte. Nach vorläufigen<br />
Meldungen<br />
wurden insgesamt<br />
fünf tungenVerhaf-<br />
vorgenommen, zwei Polizeileute mussten<br />
mit der Ambulanz weggebracht werden.<br />
Schlacht am Bellevue<br />
ma. Kurz vor 23 Uhr eskalierte der Zusammenstoss<br />
der Demonstranten mit den Polizeikräften,<br />
als diese gegen die Menge vorging. Zunächst<br />
sah es aus, als wiederhole sich das bisherige<br />
Hin und Her wiederum am Bellevueplatz.<br />
Dort jedoch zeigten die Demonstranten der<br />
harte Kern hatte inzwishen Verstärkung erhalten,<br />
da, wie man auf dem Platz hörte, eine private<br />
Radiostation zur Teilnahme aufgerufen<br />
hatte , dass sie einer gewalttätigen Konfrontation<br />
mit der Polizei nicht auszuweichen gewillt<br />
waren: Mit dem gesamten Mobiliar der Gartenwirtschaft<br />
des Restaurants Odeon wurde eine<br />
Barrikade errichtet, und man liess nun der Zerstörungswut<br />
freien Lauf. Mit Material von Baustellen<br />
blockierten die Demonstranten unter,<br />
den Augen der Polizei Tramwagen, Molotow-<br />
Coctails und Steine prasselten gegen den Polizeikordon,<br />
und die einigen hundert Zuschauer des<br />
Geschehens, welche, trotz den in der Luft hängenden<br />
Tränengaswolken, nichts verpassen<br />
wollten. Schliesslich rückten die Reihen der<br />
heim- und schildbewehrten Bereitschaftspolizei<br />
gegen das inzwischen brennende Hindernis vor;<br />
eine eigentliche Strassenschlacht begann. Es gelang<br />
jedoch nicht, die Randalierer zu fassen.<br />
Vielmehr zogen sich diese Richtung limmatquai<br />
zurück, ein Trümmerfeld hinterlassend,<br />
und verschanzten sich hinter einer weiteren Barrikade<br />
beim «Select». Die Fassade des Cafes<br />
weist kaum noch eine ganze Fensterscheibe auf,<br />
Blumen und Mobiliar wurden sinnlos auf die<br />
Strasse geschleudert, zerstört.<br />
Beim Helmhaus zerrten die zurückweichenden<br />
Horden einen Bauwagen auf die Fahrbahn,<br />
und kein zwischen dem Opernhaus und der<br />
Wasserkirche parkiertes Auto blieb unversehrt<br />
Schliesslich, bei Redaktionsschluss, griffen die<br />
Demonstranten den Rathausposten der Kantonspolizei<br />
mit Steinen, Flaschen und weiteren<br />
Wurfkörpern an. Um 24 Uhr 30 erreichte uns<br />
die Nachricht, dass die Ausschreitungen ein<br />
Todesopfer gefordert haben: Nach einer Sitzung<br />
von Stadtrat Hans Frick er leitete die ganze<br />
Polizeiaktion wurde bekanntgegeben, dass<br />
der Polizeibeamte Peter Kellerhals, Kreischef 1<br />
der Stadtpolizei, im Spital gestorben war. Kellerhals<br />
war bei seinem Einsatz in der Nähe des<br />
Opernhauses zusammengesunken und mit dem<br />
Kardiomobil in das Kantonsspital gebracht<br />
worden. Die Ursache seines Todes ist noch<br />
nicht bekanntgegeben worden.<br />
Von Tag zu Tag<br />
Basar des Gemeinnützigen Frauenvereins<br />
mh. In den Räumen der Haushaltungsschule am<br />
Zellweg<br />
21 führt der Gemeinnützige<br />
Frauenverein Zürich<br />
am kommenden Samstag (31. Mal) von 9 bis 17<br />
Uhr einen Basar durch, dessen Erlös mithilft, de i<br />
Werke des Frauenvereins zu tragen: Haushaltungsschule,<br />
Ausbildung hauswirtschaftlicher Betriebsleiterinnen,<br />
Mädchen fortbildungskursc 10. Schuljah r mit<br />
hauswirtschaftlichem Obligatorium, Abendkochkurse<br />
fDr Frauen und Männer, sieben Kinderkrippen für<br />
Kinder vom Säuglingsalter bis zu etwa 6 Jahren, Ausbildung<br />
von Kleinkinder-Erzieherinnen, zwei Wohnheime<br />
i'ür Frauen. Verkaufsstande, Flohmarkt, Kaffeestube,<br />
ein Kinderparadies und Drehorgelmusik<br />
sind die wichtigsten Attraktionen des Basars, ergänzt<br />
von Signierstunden von Beato Cello, Margrit Haubensack-TclIenbach,<br />
Rene Villiger und Laure Wyss.<br />
VRZ für Ablehnung<br />
der Trnm-Schwamendingcn-Initiaüve<br />
(Mitg.) Der Vorstand des Vereins pro öffentlicher<br />
Regionalverkehr Zürich (VRZ) hat sich mit der Initiative<br />
Tram Schwamendingen Fr. bezahlt Ein<br />
befasst. Er stellt dazu<br />
fest, dass sich seit der Abstimmung<br />
im September<br />
Mitglied der Erbengemeinschaft macht<br />
uns jetzt daran aufmerksam, dass der Preis sich auch<br />
jetzt im Rahmen der<br />
Vereinbarungen mit der Stadt gehalten<br />
habe. Angesichts der Kaufkraftverminderung<br />
des Frankens seit dem Jahr 1976 sei er sogar eher<br />
gesunken.<br />
Carl-Mannerfelt-Medaille<br />
für Prof. Eduard Imhof<br />
(sda) An der ETH Zürich ist Prof. Dr. h. c. Eduard<br />
Imhof"vom Präsidenten der Internationalen Kartographischen<br />
Vereinigung (IVK),<br />
Prof. F. J. Ormeling<br />
(Niederlande), die neu<br />
geschaffene Carl-Mannerfelt-<br />
Medaille überreicht worden. Imhof, Professor für<br />
Kartographie im Ruhestand und langjähriger Leiter<br />
des Instituts für Kartographie an der ETH Zürich,<br />
war der erste Präsident der IVK. Er erhielt die Medaille<br />
in Würdigung seiner außergewöhnlichen Leistungen<br />
auf dem Gebiet der internationalen Kartographie^<br />
Anzeige<br />
1978 an der Sache selbst nichts geändert hat und dass<br />
das Quartier Schwamendingen durch das Öffentliche<br />
Verkehrsmittel optimal erschlossen wird. Das von den<br />
Initianten vorgeschlagene Konzept verschlechtert die<br />
Verbindungen mehr als die heutige Bedienung mit<br />
den Direktbussen. Der VRZ empfiehlt daher den<br />
Stimmbürgern die Ablehnung der Initiative.<br />
«Falkenstein» erheblich mehr?<br />
* In unserem Bericht Ober den Verkauf der Villa<br />
Falkenstei<br />
n auf der Hohen Promenade haben wir auf<br />
Grund einer glaubwürdig erscheinenden Information<br />
mitgeteilt, der Käufer habe erheblich mehr als den seinerzeit<br />
zwischen der Stadt und der verkaufenden<br />
Erbengemeinschaft vereinbarten Preis von 3,9 Mio.<br />
<strong>Neue</strong> <strong>Zürcher</strong> <strong>Zeitung</strong> vom 31.05.1980<br />
Diavox<br />
Modernes Sprachinstitut,<br />
Avenue de Beaulieu 19,<br />
1004 Lausanne,<br />
Telefon (021) 37 68 15<br />
Französisch, Englisch, Deutsch<br />
4 Iiwöchige Intensivkurse für Erwachsene<br />
und Jugendliche ab 16 Jahren. Externat.<br />
<strong>Neue</strong>ste Lehrmethoden:<br />
Unterrichtsziel: Vermittlung der modernen<br />
Umgangssprache.<br />
Vorbereitung auf offizielle Examen.<br />
Privatkurse oder Spezialkurse für Gruppen<br />
auf Anfrage.
3Iac Äljcr&iiintg<br />
Von der Störung<br />
zur Zerstörung<br />
Die Krawallszenen, die sich in Zürich<br />
über das Wochenende während Tagen und<br />
Nächten in verschiedenen Wellen abge-<br />
<strong>STADT</strong> UND KANTON <strong>ZÜRICH</strong><br />
Die Demonstrationen gegen das Opernhaus<br />
125-25<br />
Schwere Krawalle und Plünderungen in Zürich<br />
MonUg, 2. Juni 1980 Nr. 125 25<br />
spielt und jeweils in massiven, bisher nie<br />
erlebten<br />
Plünderungen gegipfelt haben,<br />
sind, was die Haltung der jugendlichen<br />
Teilnehmer betrifft, höchstens ganz weit<br />
draussen am Rande Ausdruck eines politischen<br />
oder ideologischen Willens. Die meisten<br />
der Randalierer hatten, wenn man sie<br />
befragte,<br />
kaum eine Ahnung,<br />
um was es bei<br />
der Opernhausvorlage überhaupt geht, und<br />
wendeten sich dann auch rasch ihrem eigentlichen<br />
Ziel zu: Störung und Zerstörung,<br />
Radau und Konfrontation mit der<br />
Polizei Vollends die zahlreichen Zuzüger,<br />
die erst im Laufe der Zeit zu den ursprünglichen<br />
Manifestanten stiessen und die<br />
wilde Rotte verstärkten, wussten von Anfang<br />
an nichts vom Ausgangspunkt, angeblich<br />
einer Demonstration gegen die Opernhausvorlage,<br />
sondern nutzten die ihnen offenbar<br />
willkommene Gelegenheit, zuzuschlagen,<br />
wohin die Schläge trafen.<br />
Noch ist nicht bekannt, wer den Anfang<br />
gemacht hat, wer am Freitag den ersten<br />
Haufen auf das Bellevue einberief und zum<br />
Opernhaus in Marsch setzte; und hinterher<br />
wird dafür wohl auch niemand die Verantwortung<br />
übernehmen wollen. Bekannt aber<br />
ist, dass einzelne Vertreter der Sozialdemokratischen<br />
Partei ihre Ablehnung der Vorlage<br />
für die Sanierung des Opernhauses mit<br />
der Konstruktion eines Gegensatzes zwischen<br />
dem ungelösten Problem der «Roten<br />
Fabrik» und der notwendigen Renovation<br />
des Theaters untermauert haben. Da ist sogenannte<br />
Alternativkultur gegen die bestehende<br />
Theaterkultur ausgespielt worden,<br />
als ob nicht beides nebeneinander bestehe n<br />
müsste. Und da ist vermutlich der Nährboden<br />
entstanden, auf dem sich die Plünderer<br />
zum Teil ohne eigenes Wissen bewegt haben.<br />
Mit der Wahrnehmung einer Gelegenheit<br />
zur kulturpolitischen Abrechnung sind<br />
«Geister» gerufen worden, die man zwar<br />
so will man hoffen nicht gemeint hat,<br />
mit denen aber hätte gerechnet werden<br />
müssen.<br />
Unterschwellig<br />
kommt weiteres hinzu.<br />
. Linksorientierte Kreise haben vielfach die<br />
Ansprüche der Jugendlichen, berechtigte<br />
und unberechtigte, verstärkt, ohne jedoch<br />
in dieser Richtung auch etwas zu realisieren.<br />
Wo sind die Resultate der langen Beratungen<br />
über ein Jugendkonzept? Was hat<br />
das dafür zuständige, unter sozialdemokratischer<br />
Leitung stehende Sozialamt in dieser<br />
Richtung vorzuweisen? Wenn heute<br />
kaum der Volksschule Entwachsen<br />
e von<br />
ihrem zwölf Jahre langen Kampf um ein<br />
Jugendhaus sprechen, so ist das zwar lächerlich,<br />
zeigt aber deutlich an, dass sie für<br />
eine Sache demonstrieren, die sie grossenteils<br />
nur vom Hörensagen her kennen.<br />
Das Verhalten der Polizei war in den<br />
vielen Stunden* da die Gewalttätigkeiten<br />
im Gange waren, einwandfrei. Sie hat jeweils<br />
immer wieder versucht, die Verhältnismässigkeit<br />
der Mittel zu wahren, wurde<br />
aber von den Leuten, die eigentliche Strassenschlachten<br />
austrugen, gezwungen, in gesteigertem<br />
Masse<br />
einzugreifen. An Beständen<br />
war sie eher schwach dotiert, was dazu<br />
führte, dass beispielsweise die Rathauswache<br />
der Kantonspolizei vorübergehend<br />
kaum gehalten werden konnte. Wenn naive<br />
Passanten den Anblick der mit Helmen,<br />
Masken und Schilden ausgerüsteten Polizisten<br />
als «provokant» bezeichnen, so<br />
möchte man gerne von ihnen wissen, wie<br />
die Polizeileute denn auftreten sollen,<br />
wenn die Pflastersteine hageln, wenn Molotowcocktails<br />
fliegen. Es war zu beobachten,<br />
dass sich die Polizisten beim Eingang<br />
des Theaters beispielsweise lange Unglaubliches<br />
gefallen Hessen und ruhig dastanden,<br />
als sie mit Eiern, Tomaten, Flaschen und<br />
Steinen beworfen wurden. Da war von Provokation<br />
wohl vieles zu sehen, jedoch nicht<br />
von Seiten der Polizei.<br />
Mit dem eklatanten Landfriedensbruch<br />
in Zürich sind nicht nur unzählige Scheiben,<br />
da ist auch in anderem Sinne Geschirr<br />
zerschlagen worden. Es wird nicht einfach<br />
sein, in nächster Zukunft den Ansprüchen<br />
nach Förderung der Freizeitmöglichkeiten<br />
von Jugendlichen und der Unterstützung<br />
von alternativen Veranstaltungen Gehör zu<br />
verschaffen: Methoden, wie sie jetzt angewendet<br />
worden sind , machen taube Ohren.<br />
Zu hoffen bleibt vorläufig, dass sich die<br />
üblen Szenen, was das Opernhaus betrifft,<br />
kontraproduktiv auswirken und in einer<br />
Woche zu einem überzeugten Die schweren Zusammenstösse zwischen Demonstranten und der Polizei vom<br />
Ja zur Sanierung<br />
des Theaters führen werden.<br />
Freitag, die vor<br />
dem Opernhaus begannen, haben sich in der Nacht zum Sonntag nach einer anfänglichen<br />
Phase der Beruhigung in unverminderter Härte wiederholt. Wie berichtet, war es am Freitag<br />
zwischen dem Opernhaus und dem Bellevue sowie am Limmatquai bis zur Rudolf Brun-<br />
Brücke zu eigentlichen Strassenschlachten gekommen. Fazit der ersten Nacht: ein toter<br />
Polizist Kreischef 1 der Stadtpolizei, Peter Kellerhals, hatte während des Einsatzes einen<br />
Herzkollaps erlitten , zerstörte und<br />
geplünderte Ladengeschäfte,<br />
das. Limmatquai ein verlassenes<br />
Schlachtfeld. Am Samstag abend flammten die Unruhen erneut auf. Wiederum<br />
kam es zu Plünderungen beim Bellevueplatz. Die Polizei nahm 45 Verhaftungen vor.<br />
Protokoll<br />
einer langen Nacht<br />
ma. Am Freitag waren in Zürich zwei Flugblätter<br />
in Umlauf gesetzt worden, welche beide<br />
zu Demonstrationen einluden. Während der<br />
Verfasser des einen Papiers dazu aufrief, dass<br />
beim Kampf um die Rote Fabrik «unter Umständen<br />
sogar Schmerzen und Blut» in Kauf genommen<br />
werden müssten, versprach das zweite<br />
Flugblatt einen<br />
«unvergesslichen Opernabend»,<br />
Indiz für die Polizei, dass die Demonstranten<br />
beabsichtigten, die Vorstellung im Opernhaus<br />
Grosse Zerstörungen wurden auch am Rathäusposten<br />
der Kantonspolizei angerichtet. Es kostete Mähe, den<br />
Angriff der wütenden<br />
Menge<br />
auf das Gebäude abzuwehren.<br />
zu stören. Der «unvergessliche Opernabend»<br />
sollte mit den späteren Ereignissen makabre<br />
Realität werden; der erste Schritt zu den Opernhauskrawallen<br />
war getan. Im nachhinein lassen<br />
sich die Ausschreitungen, wie der Chef der Bereitschaftspolizei,<br />
Heinz Steffen, an einer Pressekonferenz<br />
ausführte, in vier Phasen einteilen.<br />
Freitag abend, 19 Uhr. Der erste Akt beginnt<br />
vor dem Opernhaus, wo sich etwa 200 Manifestanten<br />
eingefunden haben und ihrem Unmut<br />
über die Kulturpolitik der Stadt Ausdruck zu<br />
geben<br />
versuchen. Die Haupteingangstüren werden<br />
besetzt ; damit Wird den Opernhausbesuchern<br />
der Zutritt verwehrt Um 19 Uhr 28 entschliesst<br />
sich die Polizei, den im Innern des<br />
Opernhauses wartenden Zug, 30 Mann, vorzuziehen.<br />
Mit einem Kordon wird für die Besucher<br />
eine Gasse gebildet, die Demonstranten<br />
werden etwas zurückgedrängt 19 Uhr 40: Begleitet<br />
von Hohnrufen wird der erste dunkle<br />
Anzug von Eiern getroffen. Fünf Minuten später<br />
platzt die erste Flasche auf dem Pflaster, die<br />
erste Rauchbombe wird geworfen. Da die Belästigungen<br />
zunehmen, ziehen an der Schillerstrasse<br />
zwei Einsatzzüge der Bereitschaftspolizei<br />
auf; fliegen.<br />
Pflastersteine Nach erstaunlich langer<br />
Zurückhaltung prellen die Polizisten im<br />
Steinregen mit vorgestrecktem Schild vor, zerstreuen<br />
die Demonstranten vorübergehend, und<br />
es ist 20 Uhr 10, da eine erste<br />
Verhaftung erfolgt.<br />
Gleichzeitig wird ein Beamter von einem Wurfkörper<br />
getroffen. Er muss durch die Sanität<br />
weggeführt werden. Fünf Minuten später gibt<br />
Zugführer<br />
Adolf Trachsel den* Manifestanten<br />
15 Minuten Zeit, das Feld zu räumen, da sonst<br />
Tränengas eingesetzt werde. Die Frist verstreicht.<br />
Während die Polizei schliesslich um<br />
20 Uhr 40 mit Gaspetarden und Gummigeschossen<br />
die Demonstranten bis zum Bellevue zurücktreibt,<br />
spielt im Festzelt beim Esplanade, unberührt<br />
von den Ereignissen In zeitlichen Abständen von etwa einer halben<br />
Stande<br />
auf der Strasse, die<br />
Big-Band der Stadtmusik zum Tanz auf.<br />
preschen die Mannschaftswagen der<br />
Polizei vor und zerstreuen unter Einsatz eines<br />
Tränengasgemischs aus Flammenwerfern und<br />
Gaspetarden die Menge. Die Zahl der Zuschauer<br />
ist inzwischen stark angewachsen. Wie<br />
die hartnäckigen Demonstranten werden auch<br />
sie von den blitzschnellen Einsätzen der Tränengaswerfer<br />
betroffen, was jedoch die Gaffer<br />
nicht daran hindert, immer wieder an den Ort<br />
des Geschehens zurückzuströmen.<br />
Die Situation bleibt bis etwa 23 Uhr unverändert,<br />
bis sich die Demonstranten endgültig<br />
zur nackten Gewalt bekennen und zu Randalierern<br />
werden: Mit dem Mobiliar des Gartencafes<br />
Odeon errichten sie eine Barrikade. Von nahen<br />
Baustellen wird Material herbeigeschafft, Blumentöpfe<br />
werden auf die Strasse<br />
geschmettert,<br />
Abschrankungen, Fässer, Container umgekippt,<br />
auf den Trümmerhaufen geworfen. In sinnloser<br />
Wut wird alles in der näheren Umgebung zertrümmert<br />
Gegen Polizei und Zuschauer prasseln<br />
Pflastersteine und Molotow-cocktails. Geradezu<br />
grotesk wirken einige Rollschuhläufer, die<br />
beschwingt über die Szene gleiten, welche durch<br />
die hasserfüllten, sich überschlagenden Stimmen<br />
der Randalierer, Sirenen der Polizeifahrzeuge,<br />
gelegentlichem Applaus einiger Zaungäste<br />
und Fussgetrampel gekennzeichnet ist<br />
Angriff auf die Polizei<br />
Schliesslich schlagen die Poiizeieinheiten zu;<br />
die Befestigung vor dem «Odeon» wird gestürmt<br />
In einem Inferno von Tränengas- und<br />
Gummigeschossen, Pflastersteinregen und platzenden<br />
Molotowcocktails stiebt die Menge auseinander;<br />
sie verschanzt sich freilich sofort wieder<br />
hinter der bereits beim «Select» nach dem<br />
gleichen Muster errichteten Barrikade. Um<br />
23 Uhr 45 wird auch dieses Hindernis geräumt<br />
Doch schon haben die Randalierer, ein wüstes<br />
Trümmerfeld hinter sich zurücklassend, beim<br />
Helmhaus einen ' Baumaterialwagen auf der<br />
Strasse umgeworfen und in Brand gesteckt Flaschen<br />
aus dem nahen Spirituosengeschäft dienen<br />
nun .als Wurfgeschosse. Bis Mitternacht<br />
tobt in diesem Teil des Limmatquais eine eigentliche,<br />
hin und her wogende Schlacht Immer<br />
wieder vertreibt die Polizei den Pöbel, welcher<br />
sich ebensooft wieder sammelt Wie man<br />
später an einer Pressekonferenz erfahren kann,<br />
ist es Strategie Am<br />
der Polizei, die Randalierer nicht<br />
Sonntag nachmittag hielt der Stadtrat<br />
eine Sitzung ab, welche die Krawalle um das<br />
Opernhaus zum Thema hatte. Polizeivorstand<br />
Frick orientierte eingehend über die Vorgänge.<br />
Der Stadtrat nahm mit grösstem Bedauern von<br />
den kriminellen Uebergriffen Kenntnis. Er<br />
dankt den Ordnungskräften für ihren vorbildlichen<br />
Einsatz und drückt der Familie von Peter<br />
Kellerhals, Kreischef der Stadtpolizei, sein aufrichtiges<br />
Beileid aus. Der Stadtrat hofft zuversichtlich,<br />
dass sich Zürichs Bewohner durch den<br />
gegen das Opernhaus gerichteten Druck von der<br />
Strasse weder provozieren noch verunsichern<br />
lassen, sondern sich mit ruhiger Entschiedenheit<br />
für unser Opernhaus einsetzen.<br />
Der Stadtrat lehnt es ab, unter dem Druck<br />
von Gewalttätigkeiten Verhandlungen zu führen.<br />
Dagegen wird er die mit der Interessengemeinschaft<br />
«Rote Fabrik» geführten Gespräche<br />
fortsetzen.<br />
Der Stadtrat schliesst mit einem dringenden<br />
Aufruf an die Demonstranten, Vernunft walten<br />
zu lassen und sich an die Spielregeln der Demokratie<br />
zu halten.<br />
einzukreisen, um die härteste Konfrontation zu<br />
vermeiden.<br />
Es ist mittlerweile 0 Uhr 10, der Höhepunkt<br />
der Ausschreitungen steht unmittelbar bevor:<br />
die wütenden Jugendlichen greifen den Rathausposten<br />
der Kantonspolizei Zürich massiv an.<br />
Die Beamten im Gebäude können sich des Ansturms<br />
kaum erwehren. Ein Gefängniswagen<br />
wird von der entfesselten Menge umgeworfen,<br />
ein anderes Polizeifahrzeug in Brand gesteckt<br />
Polizeikräfte machen schliesslich das Haus zur<br />
Festung, von wo aus immer wieder Säuberungsaktionen<br />
in verschiedenen Gassen gestartet werden.<br />
Plünderungen im Morgengrauen<br />
Inzwischen haben sich die Demonstranten<br />
auf beiden Seiten des Polizeipostens am Limmatquai<br />
formiert Um 0 Uhr 40 prescht ein<br />
Löschzug der Berufsfeuerwehr heran. Beim «Rüden»<br />
brennt es. Die Fahrzeuge haben zuerst<br />
zwei Strassensperren zu umfahren und werden<br />
sofort mit Steinen, Flaschen und Eisenstangen<br />
unter Beschuss genommen. Bei diesem und drei<br />
weiteren Einsätzen entsteht an Feuerwehrfahrzeugen<br />
ein Sachschaden von rund 20 000 Fran-<br />
'<br />
ken.<br />
-'<br />
Es ist Samstag morgen, 6 Uhr 15. Der Krawall<br />
is t für diese Nacht zu Ende. Zehn Polizisten<br />
sind verletzt, Peter Kellerhans gestorben.<br />
Elf Steinwerfer und Plünderer befinden sich in<br />
Haft Fünf von ihnen sind jünger als 18 Jahre,<br />
acht, wohnen ausserhalb der Stadt Während<br />
dieser langen Nacht waren 124 Beamte der<br />
Stadtpolizei und rund SO Mann der Kantonspolizei<br />
i:n Einsatz.<br />
Wiederaufflammen der Unruhen am Samstag<br />
pz. Die Ausschreitungen das Gesetz nennt<br />
den Tatbestand Landfriedensbruch wurden<br />
am Samstag abend fortgesetzt Um 19 Uhr versammelten<br />
sich die Rotten wieder vor dem<br />
Opernhaus, die letzten Besucher der zweiten<br />
Vorstellung wurden am Eintritt gehindert, die<br />
Eingangsscheiben eingeschlagen, die Randalierer<br />
drangen ins Foyer, worauf die Bereitschaftspolizei<br />
ihnen im Innern den weiteren Zugang<br />
ins Theater versperrte. Noch während der ersten<br />
Inzwischen war auch der<br />
Bühneneingang von den<br />
Jugendlichen blokkiert,<br />
war von ihnen auf der Falkenstrasse eine<br />
Strassensperre errichtet worden.<br />
Vorstellung, die<br />
um 17 Uhr begonnen hatte, waren Demonstranten<br />
ins Festzelt eingedrungen, wo rund 300 Sänger<br />
verschiedener <strong>Zürcher</strong> Chöre versammelt<br />
waren und im Rahmen des Theaterfestes ein<br />
Liederkonzert geben wollten. Die Eindringlinge<br />
stürmten die Bühne, demolierten Mikrophone<br />
und Lautsprecheranlagen, zogen sich aber, weil<br />
sich die Chorsänger, wenn auch mit einiger<br />
Mühe, beherrscht verhielten, später wieder zurück.<br />
Vor dem Opernhaus wiederholte sich die<br />
Szene vom Vorabend. Die Polizei musste den<br />
Im Laufe der Nacht vom Freitag aufden Samstag musste auch die Feuerwehr mehrmals zu gerufen<br />
Hilfe werden,<br />
weil die Randalierer Feuer gelegt hatten., Barrikaden und Steinwürfe behinderten die Feuerwehr, die nur unter<br />
polizeilichem Schutz Hausbrände verhüten konnte.<br />
Verschärfung der Gewalt . !<br />
Eine zweite Phase der Demonstration spielt<br />
sich nun am Bellevueplatz ab, wo die Menge,<br />
nachdem sie immer wieder von der Polizei vom<br />
Opernhaus zurückgedrängt werden musste,<br />
ginnt den Verkehr zu blockieren beginnt. Tramzüge<br />
werden gestoppt, Bremsschläuche abgehängt.<br />
Damit is t der Platz für die folgenden<br />
Stunden für den Strassen- und Schienenverkehr<br />
nicht mehr passierbar. Es ist 20 Uhr 40. Die Demonstranten<br />
reissen Abschrankungen um, Dohlendeckel<br />
werden auf die Tramschienen gelegt.<br />
Irgendwo klirren Fensterscheiben.<br />
v»<br />
<strong>Neue</strong> <strong>Zürcher</strong> <strong>Zeitung</strong> vom 02.06.1980<br />
Erklärung des Stadtrates
125-26<br />
26 Montag, 2. Juni 1980 Nr. 12$ <strong>STADT</strong> UND KANTON <strong>ZÜRICH</strong><br />
Die Polizei stand einigermassen auf verlorenem<br />
Posten, hielten sich doch die Randalierer<br />
nicht wie in der Nacht zuvor auf einer eigentlichen<br />
Front auf, sondern standen in losen Gruppen<br />
umher, die sich bei einem Einsatz sofort in<br />
alle Himmelsrichtungen verzogen.<br />
Nach drei Uhr früh kaum ein Geschäft im<br />
Bereich Rämistrasse bis Hechtplatz war verschont<br />
geblieben<br />
schien die Polizei energischer<br />
einzugreifen und verfolgte die Flüchtenden<br />
jeweils bis weit in die Gassen des Oberdorfes<br />
hinauf. Dass dabei auch einige unbeteiligte<br />
Passanten Gasspritzer abkriegten, ist zweifellos<br />
nicht als Unverhältnismässigkeit des Einsatzes<br />
zu taxieren. Immerhin gelang es nun, die Gruppen<br />
weiter aufzusplittern, und wer mit der brennenden<br />
Flüssigkeit in Berührung kam, zog es<br />
offensichtlich vor, langsam den Heimweg anzu-<br />
spricht den Polizeiorganen den Dank für deren<br />
Einsatz aus. Nach Ansicht der SVP verdienten<br />
die Krawallbrüder und Chaoten keine Schonung.<br />
Zudem scheint die Aktion von langer<br />
Hand vorbereitet worden zu sein. Es ist deshalb<br />
alles daran zu setzen, die Drahtzieherund Organisatoren<br />
zu demaskieren, um sie der Gerichts-<br />
Einfahrt des Dampfzugs in die Haltestelle Opfikon; im Vordergrund die Schienen der Flughafenlinie.<br />
5icnc3iirdicr3cifiiitg<br />
Von «Anatevka»<br />
bis «Meistersinger»<br />
Die Grosse Opernhaus-Revue<br />
Die Ausschreitungen eskalierten von Stunde zu Stunde: Demonstration, Konfrontation mit der Polizei, Errichtung<br />
von Strassenbarrikaden, Plünderung von Geschäften.<br />
Eingang schützen, erneut flogen Wurfgeschosse<br />
aller Art, darunter auch wieder Pflastersteine gegen<br />
die Polizisten, die eine Zeitlang arg in Bedrängnis<br />
gerieten, bis schliesslich Verstärkung<br />
anrückte. Die Steine flogen weiterhin, jetzt auch<br />
gegen das Haus der NZZ, wo ebenfalls Scheiben<br />
beschädigt oder zerstört wurden.<br />
Entspannung und Eskalation<br />
shr. Die Wagen der Bereitschaftspolizei wurden<br />
wenig später an die Dufourstrasse zurückgezogen,<br />
worauf sich mehrere hundert Jugendliche<br />
an der Schillerstrasse versammelten. Mit einem<br />
Megaphon richtete unter anderen Kantonsrat<br />
Karl Gmünder das Wort an die Demon-'<br />
stranten. Er forderte sie auf, von weiteren gewalttätigen<br />
Aktionen abzusehen und sich bis zu<br />
einem Gespräch mit dem Stadtrat zu gedulden.<br />
Einige Hitzköpfe versuchten die Menge<br />
au/zuwiegeln<br />
und zu einer Besetzung des Belle vues zu<br />
überreden. Diese Aufforderungen wurden jedoch<br />
nur von einem kleinen Teil der Anwesenden<br />
gutgeheissen. Ein Sprecher forderte die militante<br />
Gruppe auf, sich zu entfernen, was diese<br />
nach und nach auch tat..,<br />
i Langsam löste sich in der Folge die Kundgebung<br />
auf. Als dann gegen Mitternacht ein heftiger<br />
Regen über dem Festplatz am Opernhaus<br />
niederging, schien sich die Lage völlig entspannt<br />
zu haben. Ein Blick auf das Bellevue<br />
zeigte jedoch, das s sich die Randalierer erneut<br />
gefunden hatten. Wie am Abend zuvor wurden<br />
vor dem Odeon Barrikaden errichtet und zahlreiche<br />
Schaufenster mit Pflastersteinen eingeworfen.<br />
Die Polizei hielt sich in diesem Zeitpunkt<br />
eher im Hintergrund und griff nur sporadisch<br />
ein, indem sie mit Wasser-Gas-Gemisch gegen<br />
die sich in Sicherheit bringenden Randalierer<br />
und Neugierigen vorging. Sobald die Beamten<br />
verschwunden waren, drangen die Manifestanten<br />
wieder aus allen Gassen und bauten die von<br />
der Polizei abgerissenen Barrikaden erneut auf.<br />
War kein Polizist zu sehen, so suchten die Jugendlichen<br />
nach anderen Angriffszielen:<br />
Scheibe um Scheibe wurde zertrümmert und ein<br />
Teil der Verkehrsregelungsanlage zerstör t Die<br />
Autospur vom Utoquai Richtung<br />
Quaibrücke<br />
wurde mit Blumenkisten verstellt und an der<br />
Rämistrasse eine Strassensperre aus Pflastersteinen<br />
errichtet Immer wieder verirrten sich unbeteiligte<br />
Automobilisten auf den von mehreren<br />
hundert Personen (Gaffer waren eindeutig in<br />
der Mehrzahl) bevölkerten Bellevue-Platz.<br />
Zahlreiche Geschäfte geplündert<br />
Die Ausschreitungen spitzten. sich weiter zu,<br />
als einige Randalierer begannen, systematisch<br />
Schaufenster und Vitrinen mit Pflastersteinen<br />
einzuwerfen. Ihrer Sache völlig sicher vereinzelte<br />
trugen ein Funkgerät, mit welchem' sie die<br />
Polizeieinsätze rechtzeitig mithören konnten ,<br />
zertrümmerten sie aus kurzer Distanz das Glas,<br />
um dann in aller Ruhe die Auslagen an sich zu<br />
nehmen. Jedesmal, wenn irgendwo eine Scheibe<br />
barst, eilten weitere herbei, um Uhren, Räucherwaren,<br />
Brillen, Kleider, ja sogar Pelze zu entwenden.<br />
Einige schleppten treten.<br />
Röcke auf die<br />
Strasse und zerrissen sie in sinnloser Zerstörungswut.<br />
Gege n vier Uhr waren Limmatquai und<br />
umliegende Gassen ziemlich menschenleer.<br />
Stellungnahmen<br />
politischer Parteien<br />
Scharfe Verurteilung durch FDP und SVP<br />
Die Freisinnig-Demokratische Partei der Stadt<br />
Zürich teilt mit:<br />
Im Zuge der Demonstration vom Freitag<br />
abend hat sich eine Gruppe von Gegnern der<br />
Opernhausvorlage hervorgetan, die sich offensichtlich<br />
nicht mit Argumenten an einem demokratischen<br />
Abstimmungskampf beteiligen,<br />
sondern mit brutalsten Ausschreitungen gegen<br />
Personen und Sachen der Bevölkerung ihren<br />
Willen aufzwingen will.<br />
Die FDP der Stadt Zürich verurteilt diese Gewaltakte<br />
aufs schärfste. Sie spricht sich dafür<br />
aus, dass die gegensätzlichen Meinungen zu diesem<br />
Abstimmungsgeschäft in einem Klima von<br />
gegenseitigem Verständnis und Achtung ausgetragen<br />
werden müssen. Dazu gehört auch, dass<br />
die strittige Frage;- lü? welchen Bereichen der<br />
Kultur sich die Stadt Zürich engagieren soll,<br />
nicht durch Gewaltakte auf der Strasse, sondern<br />
im Gemeinderat einer Erörterung zuge-<br />
Rrimär ihrt werden muss. Die FDP appelliert an die<br />
Stimmbürger, sich durch die<br />
Ausschreitungen<br />
nicht von der freien Ausübung ihres Stimmrechtes<br />
abhalten zu lassen.<br />
Die Schweizerische Volkspartei der Stadt Zürich<br />
teilt mit:<br />
An einer Sondersitzung barkeit überführen zu können. Sollte es erneut<br />
zu solchen Vorkommnissen' kommen, so is t mit<br />
aller Härte und mit<br />
befasste sich die Geschäftsleitung<br />
der SVP der Stadt Zürich am<br />
Samstag mit den Opernhauskrawallen.<br />
Die SVP<br />
jedem als geboten erscheinenden<br />
Mittel gegen die Landfriedensbrecher<br />
vorzugehen. Die <strong>Zürcher</strong> Polizei kann auf die<br />
Solidarität der SVP zählen.<br />
Die SVP spricht den Angehörigen des im<br />
Laufe der Krawalle in der Erfüllung seines<br />
'Dienstes verstorbenen Polizeibeamten ihr tiefes<br />
Beileid aus.<br />
Die Schuld an der verbrecherischen Gewalt<br />
tragen nach Ansicht der SVP aber nicht allein<br />
die Rädelsführer, die Brandbombenwerfer und<br />
zerstörungswütigen<br />
Linksradikalen. Ebenso<br />
schuldig sind diejenigen,<br />
die die Kulturpolitik<br />
zum Klassenkampf missbrauchen und vom<br />
Schreibtisch aus politisch Andersdenkende laufend<br />
verunglimpfen. Man kann, wenn dann die<br />
Drachensaat in der Gosse aufgeht, seine Hände<br />
nicht in Unschuld waschen wollen und sich von<br />
den Gewalttaten distanzieren, die ihren Ursprung<br />
in der permanenten Hetze linker Politdemagogen<br />
haben.<br />
Die SVP der Stadt Zürich wiederholt an dieser<br />
Stelle ihre Befürwortung der Opernhausvorlage.<br />
Sie appelliert an die Stimmbürger der<br />
Stadt Zürich, mit einem klaren Ja denjenigen<br />
die Antwort zu erteilen, die mangels Argumenten<br />
mit Wurfgeschossen, Sprengkörpern und<br />
Zerstörungswut die Vorlage bekämpfen.<br />
Demonstration am Sonntag<br />
ma. Nach den schweren Ausschreitungen<br />
vom Freitag und Samstag versammelten sich am<br />
Sonntag abend um 19 Uhr nach und nach rund<br />
1500 Jugendliche im Festzelt beim Opernhaus.<br />
Zu gleicher Zeit gelangten die Opernhausbesueher<br />
über die Nebeneingänge in die Vorstellung;<br />
den<br />
Haupteingang hatte man sicherheitshalber<br />
mit Bretterverschlägen abgesichert Indessen<br />
trat bis Redaktionsschluss nicht ein, was<br />
zu befürchten war: Im Zelt wurden die Anwesenden<br />
unter Applaus aufgerufen, sich nicht<br />
aufhetzen zu lassen und an einem «gewaltfreien»<br />
Demonstrationsmarsch zur Polizeikaserne<br />
auch die Zugänge zum Kripohäus waren<br />
praktisch hermetisch abgeschlossen worden<br />
und anschliessend zum Bezirksgebäude-- teilzunehmen.<br />
Anfänglich etwa 1000 Personen begaben<br />
sich via Limmatquai und Bahnhofbrücke<br />
vor die Gebäude der Polizei an der Kasernenstrasse,<br />
wo in Sprechchören die Freilassung der<br />
inhaftierten Randaliere<br />
r<br />
gefordert wurde. Der<br />
Demonstrationszug umrundete anschliessend<br />
das Bezirksgebäude und kehrte, inzwischen auf<br />
die Hälfte dezimiert, zum Zelt beim Opernhaus<br />
zurück. Dort wurde nochmals ein Megaphon<br />
herumgereicht und mehr oder minder sachlich<br />
die Situation diskutiert Schliesslich kam man<br />
überein, nach Hause zu gehen. Polizeieinheiten<br />
Hessen sich mit Ausnahme der Bewachungs-<br />
Fröhliches Bahnhoffest in Opfikon-Glaübrugg<br />
hhö. Im allgemeinen war das von den Vereinen<br />
arrangierte Opfikoner «Bahnhoflest», das<br />
der Inbetriebnahme der neuen SBB-Haltestelle<br />
Opfikon galt, eine wohlgelungene Sache, auch<br />
wenn das Wetter nicht recht mitspielte. Die von<br />
Oerlikon herkommende Spanisch-Brötli-Bahn<br />
, in der die Opfikoner Stadträte, die Gemeinderäte,<br />
hohe Beamte der SBB-Kreisdirektion sowie<br />
Behördemitglieder aus Nachbargemeinden<br />
Platz genommen hatten, fuhr unter unbeschreiblichem<br />
Jubel der Bevölkerung in die Haltestelle<br />
ein; dazu gesellten sich die vertrauten<br />
Geräusche der Dampflok sowie die schrillen<br />
Töne der «freudig mitjubelnden» Dampfpfeife.<br />
Nach dem kurzen Begrüssungshalt Stadtpräsident Bruno Begni unterliess es bei<br />
seiner kurzen<br />
rollte die<br />
Komposition langsam in die unterirdische Haltestelle<br />
ein, empfangen<br />
von der Stadtmusik.<br />
Ansprache nicht, der Bevölkerung<br />
für die Genehmigung des Kredites von<br />
6 Mio. Fr. für den Bau der Haltestelle zu danken.<br />
Worte der Anerkennung zollte das Stadtoberhaupt<br />
auch den SBB, welche die Idee im<br />
Rahmen der Erstellung der Flughafenlinie in<br />
die Tat umsetzten. Somit besitzt nun die Stadt<br />
Opfikon zwei «Bahnhöfe».<br />
Hauptanziehungspunkt<br />
des Festes bildete natürlich die Spanisch-<br />
Brötli-Bahn, welche den ganzen Tag belagert<br />
war und zur Freude der Kinder und Erwachsenen<br />
zeitweise kurze Spezialfahrten Richtung<br />
Kloten unternahm. Trotz dem Regen Hess sich<br />
die Bevölkerung vom Festen nicht abhalten. In<br />
den Gaststätten Hessen sich die Attraktionen<br />
und Wettkämpfe trocken über die Runde bringen,<br />
pz. Während rund um das Theater Krawallszenen<br />
angeheizt wurden, wickelte sich am<br />
Samstag<br />
abend auf der Bühne programmgemäss<br />
und ohne Nervosität dreimal hintereinander<br />
eine «Grosse Opernhaus-Revue» ab, ein<br />
Querschnitt durch alle Sparten, die in diesem<br />
Theater gepflegt werden, von Musical und Operette<br />
über Ballett bis zur kleinen und grossen<br />
Oper. Ein Opernhaus-Potpourri sozusagen mit<br />
einem Zuschauer-Quiz. Die Gratisvorstellungen<br />
waren gleichzeitig als eine neue Form der Darbietung<br />
zur Eröffnung der Juni-Festwochen gedacht,<br />
sie war aber diskret auch eine Werbung<br />
för die Abstimmung vom 8. Juni. Aus dem Prospekt-Magazin<br />
hatte man den Festvorhang<br />
von<br />
1891 ausgegraben mit der Darstellung der neun<br />
Musen, und als der Samtvorhang gezogen und<br />
der Blick' auf die romantische Malerei freigegeben<br />
wurde, dankte das Publikum mit kräftigem<br />
Applaus für die Erinnerung an den Beginn unseres<br />
Stadttheaters. Eingeführt von Direktor<br />
Claus Helmut Drese und Dramaturg Rudolf<br />
Sauser (deren Namen, weil ihre Träger sonst<br />
nicht im Rampenlicht der Bühne stehen, hier<br />
stellvertretend für alle andern genannt seien),<br />
beteiligten sich rund 300 der 560 am Opernhaus<br />
Angestellten am abwechslungsreichen Programm<br />
dieser Revue. Mit grosser Vielfalt demonstrierte<br />
das Opernhaus, was unter erschwerten<br />
Umständen in dem baulich sanierungsbedümigen<br />
Theater an künstlerischen Produktionen<br />
alles entsteht: Von «Anatevka» bis zu<br />
«Porgy and Bess», dem «Barbier von Sevilla»<br />
oder der «Zauberflöte», mit der einst 1834 das<br />
erste ständige Theater Zürichs eingeweiht worden<br />
ist Während draussen die Randaliere<br />
r Pflastersteine<br />
warfen, sang drinnen der Gefangenenchor<br />
aus «Nabucco», tanzte das hervorragende<br />
Ballett, versammelten sich zum feierlichen<br />
Abschluss der «Revue» die Meistersinger<br />
auf der Festwiese; schade, dass man draussen,<br />
wo man angeblich für die Alternativkultur demonstrierte,<br />
den Ruf nicht gehört hat: «Verachtet<br />
mir die Meister nichtl»<br />
mannschaft beim Kripogebäude nicht blicken.<br />
Hingegen is t dem Vernehmen nach beim Bezirksgebäude<br />
eine Person festgenommen<br />
worden.<br />
Filmspiegel<br />
«Der Kandidat»<br />
A.C.Ms Beitrag eher ungewöhnlicher Art<br />
zum deutschen Wahlkampf haben die Filmemacher<br />
Volker Schlb'ndorff, Stefan<br />
Aust, Alexander<br />
von Eschwege und Alexander Kluge gemeinsam<br />
einen abendfüllenden Streifen geschaffen, in<br />
dessen Mittelpunkt der Kanzlerkandidat Franz<br />
JosefStrauss steht; darüber hinaus aber soll ein<br />
impressionistisches Bild des heutigen Deutschland<br />
vermittelt werden, anknüpfend an 1977<br />
«Deutschland im Herbst» nun «Deutschland im<br />
Winter, im Winter vor den Wahlen im Herbst<br />
1980». Der Film will zuviel aufs Mal; zwei Themen<br />
und vier Gestalter, jeder mit eigenem Stil,<br />
stehen sich gegenseitig im Weg. Gefallen an<br />
dem Film werden nur die finden, die sich zu<br />
ergötzen vermögen an den zahllosen Finessen<br />
wie dämmrige, von Wagner-Klängen untermalte<br />
Rheinlandschaft, symbolgetränkte<br />
Grimmsche Märchenromantik von dem Wolf<br />
und den sieben Geisslein, düster vorüberflimmernde<br />
Wallenstein-Tragik, unterstrichen<br />
durch den bedeutungsschwangeren Satz: «In<br />
diesem Winter lag Mord in der Luft.» Und dazwischen<br />
agiert die Hauptperson, der «Kandidat»<br />
Franz Josef Strauss, dessen Karriere im<br />
Bild schwarzweiss nachgezeichnet wird, mindestens<br />
so lange, als der Dokumentarist des Films<br />
auf alte zurückgreifen<br />
Wochenschauen konnte;<br />
ARD und ZDF verweigerten die Herausgabe<br />
von Archivmaterial, und die CSU Hess an ihren<br />
Veranstaltungen mit Strauss keine Aufnahmen<br />
des Filmteams zu.<br />
So bleibt das, was hier unter dem Stichwort<br />
«Kandidat» präsentiert wird, ein Torso. Sehenswert<br />
sind einige Sequenzen aus alten Filmreportagen,<br />
meist verhältnismässig objektiv dargestellt<br />
Anderes wieder ist an Plattheit kaum zu<br />
überbieten. Peinlich berühren Ausrutscher ins<br />
Groteske, beispielsweise<br />
wenn Straussens<br />
Stimme in Lallerei verzerrt wird, zu der seine<br />
Zuhörer eifrig applaudieren. In solchen Szenen<br />
fällt die Maske der Sachlichkeit, enthüllt sich<br />
ungezügelte<br />
Polemik und schwindet die vorgetäuschte<br />
Fairness. Der Film is t ein Pamphlet,<br />
aber kein gutes. Die politische Wirkung bleibt<br />
fragwürdig.<br />
Dem Zielpublikum, dem deutschen<br />
Wähler, wird in einem' sich über zwei Stunden<br />
dahinziehenden gigantischen<br />
Wirrwarr das<br />
Chaos dargestellt, mit dem er fertig zu werden<br />
hat - ohne Rezept selbstverständlich. Was der<br />
Streifen dem schweizerischen Zuschauer sagen<br />
soll, der sich hier kaum angesprochen fühlen<br />
dürfte, bleibt vollends nebelhaft. (Movie 1)<br />
<strong>Neue</strong> <strong>Zürcher</strong> <strong>Zeitung</strong> vom 02.06.1980<br />
Aus Kanton und Gemeinden<br />
Vier Gemeinden mit neuer Telefon-Vorwahl<br />
(sda) Die vier zürcherischen Gemeinden BoppeU<br />
sen, Dänikon, Hüttikon und Otelfingen sind dieser<br />
Tage von der Netzgruppe 056 abgetrennt worden. Ab<br />
sofort sind die 1 100 Telefonabonnenten dieser vier<br />
Gemeinden aus anderen Netzgruppen nur noch mit<br />
der Vorwahl 01 zu erreichen.