Strukturierte Investmentprodukte - Universität St.Gallen
Strukturierte Investmentprodukte - Universität St.Gallen
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<strong><strong>St</strong>rukturierte</strong> <strong>Investmentprodukte</strong><br />
- Absatz und Marktvolatilität<br />
Theorie, Empirie und eine Beurteilung<br />
D I S S E R T A T I O N<br />
der <strong>Universität</strong> <strong>St</strong>. <strong>Gallen</strong>,<br />
Hochschule für Wirtschafts-,<br />
Rechts- und Sozialwissenschaften (HSG)<br />
zur Erlangung der Würde eines<br />
Doktors der Wirtschaftswissenschaften<br />
vorgelegt von<br />
Thomas Lehmann<br />
von<br />
Langnau im Emmental (Bern)<br />
Genehmigt auf Antrag der Herren<br />
Prof. Dr. Klaus Spremann<br />
und<br />
Prof. Dr. Andreas Grünbichler<br />
Dissertation Nr. 3517<br />
Gutenberg AG, Schaan 2008
Die <strong>Universität</strong> <strong>St</strong>. <strong>Gallen</strong>, Hochschule für Wirtschafts-, Rechts- und Sozialwissenschaften<br />
(HSG), gestattet hiermit die Drucklegung der vorliegenden Dissertation, ohne damit zu den<br />
darin ausgesprochenen Anschauungen <strong>St</strong>ellung zu nehmen.<br />
<strong>St</strong>. <strong>Gallen</strong>, den 23. Juni 2008<br />
Der Rektor:<br />
Prof. Ernst Mohr, PhD
Meinen Eltern
Vorwort<br />
Viele Personen haben in verschiedenster Weise zum Gelingen dieser Arbeit beigetragen, so<br />
dass ich es nicht versäumen möchte, einige als Dank namentlich hervorzuheben.<br />
In erster Linie gebührt mein Dank meinem Doktorvater Prof. Dr. Klaus Spremann für die<br />
Übernahme des Referats dieser Arbeit. Seine Ratschläge und vielen fachlichen Hinweise sowie<br />
sein stetig offenes Ohr für meine Anliegen und seine Unterstützung zur Weiterentwicklung<br />
der Arbeit in jeder Phase der Dissertation sind nicht hoch genug einzuschätzen. Des<br />
Weiteren gilt mein Dank Prof. Dr. Andreas Grünbichler für die Übernahme des Koreferats<br />
und seine wertvollen Anregungen schon in einem frühen <strong>St</strong>adium der Arbeit.<br />
Ein besonderer Dank gebührt auch Dr. Kurt Aeberhard, vormaliger Chief Financial Officer<br />
(CFO) der Neuen Aargauer Bank (NAB), der die Dissertation in dieser Form überhaupt erst<br />
ermöglichte. Dank seines beruflichen Engagements und seiner Nähe zur Lehre und angewandten<br />
Forschung gab er mir als sein Assistent die Chance, meinen Berufseinstieg mit der<br />
Ausarbeitung dieser Dissertation zu verbinden. Von seiner konsequenten Förderung und uneingeschränkten<br />
Unterstützung konnte ich während meiner Dissertationsarbeit rege profitieren.<br />
Pascal Koradi wiederum, dem heutigen CFO der NAB, gebührt ebenfalls ein grosser<br />
Dank, durfte ich doch jederzeit auf seine fachliche, aber auch zeitliche Unterstützung zählen.<br />
Seine zahlreichen Hinweise und die bereichernden Diskussionen mit ihm gaben der Arbeit<br />
wichtige Impulse und lenkten viele konzeptionelle Überlegungen in umsetzbare Bahnen.<br />
Bei Derivative Partners, namentlich CEO Eric Wasescha, sowie der Schweizer Börse SWX<br />
möchte ich mich an dieser <strong>St</strong>elle für die Unterstützung im Datenresearch und dabei insbesondere<br />
für die grosszügige Bereitstellung der Daten bedanken, welche als Basis für die empirischen<br />
Auswertungen dienten. Dr. Klaus Edel von der Forschungsstelle für Business Metrics<br />
(FBM-HSG) der <strong>Universität</strong> <strong>St</strong>. <strong>Gallen</strong> (HSG) danke ich für die Hilfestellung in der Konzeption<br />
der empirischen Analysen. Maria Pinzger bin ich für die sorgfältige Durchsicht des Manuskripts<br />
und ihre wertvollen stilistischen Verbesserungen dankbar.<br />
Dipl. Bau-Ing. ETH Simone Aebischer gilt mein uneingeschränkter Dank für ihre Unterstützung<br />
in der Aufbereitung der Datengrundlagen, der Aufsetzung und Bewirtschaftung der Datenbank<br />
und vielen Ideen und Hinweise vor allem in der Umsetzung der empirischen Auswertungen.<br />
Dazu waren ihre Unterstützung und Begeisterung für die Dissertationsarbeit in vielen<br />
<strong>St</strong>unden der Diskussion und des Gedankenaustauschs sowie ihre Geduld und ihr Verständnis<br />
in der Begleitung dieser Dissertation von unschätzbarem Wert. Speziell bedanken möchte ich<br />
mich auch bei meiner Familie, welche mir diese Ausbildung erst ermöglichte und mich durch<br />
meine ganze Ausbildungszeit grossartig unterstützte und förderte. Dementsprechend soll meinen<br />
Eltern diese Dissertation aus Dankbarkeit gewidmet sein.<br />
Küsnacht, im August 2008 Thomas Lehmann
Inhaltsverzeichnis I<br />
Inhaltsverzeichnis<br />
Inhaltsverzeichnis I<br />
Zusammenfassung IV<br />
Management Summary (engl.) V<br />
Abbildungsverzeichnis VI<br />
Tabellenverzeichnis VII<br />
Abkürzungsverzeichnis VIII<br />
1 Einleitung 1<br />
1.1 Problemsituation 2<br />
1.2 Begriffsdefinitionen 3<br />
1.2.1 Derivat 3<br />
1.2.2 <strong><strong>St</strong>rukturierte</strong>s Investmentprodukt (SIP) 4<br />
1.2.3 Marktvolatilität 5<br />
1.2.4 Absatz 6<br />
1.3 <strong>St</strong>and der relevanten Forschung 6<br />
1.3.1 Schweiz 7<br />
1.3.2 Europa 9<br />
1.4 Forschungslücke 12<br />
1.5 Zielsetzung dieser Arbeit 13<br />
1.6 Aufbau 13<br />
1.7 Methodisches Vorgehen 16<br />
1.7.1 Einordnung nach Ulrich 16<br />
1.7.2 Ansatz der Erkenntnisgewinnung 16<br />
1.7.3 Forschungsmethodisches Vorgehen 17<br />
2 Marktvolatilität 18<br />
2.1 Derivate 18<br />
2.1.1 Optionstypen 19<br />
2.1.2 Optionsmodelle 20<br />
2.2 Messung der Volatilität 25<br />
2.2.1 Historische Volatilität 25<br />
2.2.2 Implizite Volatilität 27<br />
2.3 Forecasting der Volatilität 28<br />
2.3.1 Implizite vs. historische Volatilität 29<br />
2.3.2 Time-Series-Modelle 31<br />
2.3.3 Fazit 34<br />
2.4 Eigenschaften der Volatilität 35<br />
2.4.1 Mean-Reversion der Volatilität 35<br />
2.4.2 Clustering 37<br />
2.4.3 Volatility Skew 38<br />
2.5 Volatilitätsindizes 40<br />
2.5.1 Prinzip VSMI 40<br />
2.5.2 Berechnungsmethodik VSMI 41<br />
2.5.3 VLEU 48<br />
2.6 Volatilität als Assetklasse 52<br />
2.6.1 Diversifikationspotential der Volatilität 53
Inhaltsverzeichnis II<br />
2.6.2 Negative Risikoprämie der Volatilität 54<br />
2.6.3 Handelbarkeit der Volatilität 55<br />
3 <strong><strong>St</strong>rukturierte</strong> <strong>Investmentprodukte</strong> (SIP) 59<br />
3.1 Marktübersicht 59<br />
3.1.1 Marktstatistiken 59<br />
3.1.2 Marktfähigkeit der SIP 66<br />
3.1.3 Geschichte der SIP 70<br />
3.1.4 Kosten der SIP 73<br />
3.2 Regulierung und <strong>St</strong>euern 77<br />
3.2.1 Regulierung 77<br />
3.2.2 Abgrenzung zu Anlagefonds 79<br />
3.2.3 Kotierung 84<br />
3.2.4 Besteuerung der SIP 90<br />
3.3 Arten der Typologie 92<br />
3.3.1 Swiss Listed Derivative Map 95<br />
3.3.2 SWX Swiss Exchange 96<br />
3.3.3 Swiss Derivative Guide 2006/07 97<br />
3.3.4 Wohlwend 98<br />
3.3.5 Eidgenössische <strong>St</strong>euerverwaltung (E<strong>St</strong>V) 99<br />
3.3.6 EUWAX 100<br />
3.4 Produktkomponenten 101<br />
3.4.1 Hebel-Produkte (SIP i.w.S.) 102<br />
3.4.2 Partizipations-Produkte 103<br />
3.4.3 Renditeoptimierungs-Produkte 104<br />
3.4.4 Kapitalschutz-Produkte 105<br />
3.4.5 Out-of-Scope Produkte 107<br />
3.5 Typologie der Forschungsarbeit 109<br />
3.5.1 Volatilitätssensitivität 109<br />
3.5.2 Put-Call-Parität 111<br />
3.5.3 Extraktion der Volatilitätsposition 112<br />
3.5.4 Typologie gemäss Volatilitätsposition 114<br />
4 Theoretisches Absatzmodell von SIP 116<br />
4.1 Ansatz: Absatz und Volatilität 116<br />
4.1.1 Verwandte Forschung 116<br />
4.1.2 Volatilitätsstrategien 118<br />
4.2 Konzeptionelle Grundlagen 121<br />
4.2.1 Implizite Volatilität 121<br />
4.2.2 Leitindex VSMI 122<br />
4.2.3 Mean Reversion der Volatilität 122<br />
4.2.4 Volatilitätsposition 122<br />
4.3 Theoretisches Modell 123<br />
4.3.1 Erwartete Volatilitätsveränderung 123<br />
4.3.2 <strong>St</strong>rategieempfehlung 125<br />
4.3.3 Erwartetes Absatzverhalten 128<br />
5 Empirische Auswertungen 130<br />
5.1 Datenbasis 130<br />
5.1.1 Datenerhebung 130<br />
5.1.2 Datenaufbereitung 134<br />
5.1.3 Quantitative Auswertung der Datenbasis 137<br />
5.2 Untersuchungsmethodik 141<br />
5.2.1 <strong>St</strong>ationarität von Zeitreihen 141<br />
5.2.2 Regressand und Regressor 148<br />
5.2.3 Regressionsmodell 154<br />
5.2.4 <strong>St</strong>ichprobenumfang 160<br />
5.2.5 Hypothesentest 160<br />
5.2.6 Signifikanzniveau 161
Inhaltsverzeichnis III<br />
5.3 Empirische Ergebnisse 164<br />
5.3.1 Gesamtabsatzebene 165<br />
5.3.2 Einzelne Volatilitätspositionen 168<br />
5.3.3 Produktebene 172<br />
5.3.4 Relative Volatilitätsabhängigkeit 177<br />
5.4 Fazit der empirischen Untersuchung 181<br />
5.4.1 <strong><strong>St</strong>rukturierte</strong> Produkte 182<br />
5.4.2 Warrants (SIP i.w.S.) 183<br />
5.4.3 Total Derivate 185<br />
6 Beurteilung 187<br />
6.1 Divergenz Theorie und Empirie 187<br />
6.2 Begründung für Divergenz 189<br />
6.2.1 Aspekte der behavioral Finance 190<br />
6.2.2 Duale Anlegerstruktur 192<br />
6.2.3 Dichotome Märkte 194<br />
6.3 Empfehlung 197<br />
7 Schlussfolgerungen und Ausblick 201<br />
7.1 Schlüsselerkenntnisse der Forschungsarbeit 201<br />
7.2 Ausblick 204<br />
Anhang A: Detaillierte Ergebnisse der Regressionsanalyse 206<br />
Anhang B: Teststatistiken der Regressionsanalyse 210<br />
Literaturverzeichnis 214
Zusammenfassung IV<br />
Zusammenfassung<br />
Die vorliegende Forschungsarbeit untersucht den Zusammenhang zwischen der Marktvolatilität<br />
und dem Absatz der strukturierten <strong>Investmentprodukte</strong>. Die Frage nach einer Abhängigkeit<br />
des Produktabsatzes von der Volatilität wird zunächst auf theoretischer Basis analysiert und<br />
danach anhand der Empirie getestet.<br />
Die Theorie der Optionsbewertung zeigt die Wichtigkeit des Parameters Volatilität für die<br />
Bewertung der in den strukturierten Produkten eingebetteten Optionen und damit den Einfluss<br />
der Volatilität auf die Attraktivität strukturierter Produkte auf. Basierend auf der Put-Call-<br />
Parität kann eine richtungsbezogene Volatilitätsposition des strukturierten Produkts bestimmt<br />
werden, welche die Interdependenz mit der Volatilitätsentwicklung anzeigt, ohne allerdings<br />
die theoretische Abhängigkeit zu quantifizieren. Über die Volatilitätsposition lassen sich die<br />
strukturierten Produkte in drei Typen einordnen (long, short, neutral), welche die Basis für<br />
das theoretische Modell und die empirischen Auswertungen dieser Forschungsarbeit bilden.<br />
Das theoretische Absatzmodell wird anhand der ausgewerteten Absatzdaten der an der SWX<br />
kotierten strukturierten Produkte über den Zeitraum von Januar 2004 bis Dezember 2006 getestet.<br />
Mittels Regressionsanalysen wird die Nullhypothese, welche einen Einfluss der Volatilität<br />
auf den Produktabsatz annimmt, für strukturierte Produkte sowohl auf Gesamtabsatzebene,<br />
als auch für die einzelnen Produktkategorien gemäss deren Volatilitätsposition (long,<br />
short, neutral) sowie für die einzelnen Produkttypen über alle Periodizitäten (täglich, wöchentlich,<br />
monatlich) verworfen. Damit wird auf keinen Einfluss der Volatilität auf den Absatz<br />
geschlossen und die in der Theorie hergeleitete Volatilitätsabhängigkeit des Produktabsatzes<br />
empirisch nicht bestätigt.<br />
Die festgestellten Divergenzen von Theorie und Praxis werden einerseits mit einer dualen<br />
Anlegerstruktur (Retailinvestoren vs. professionelle Investoren) erklärt, welche ein divergentes<br />
Anlageverhalten innerhalb der Investorengemeinde gegenüber der Marktvolatilität bezeichnet<br />
und auf Aspekte der behavioral Finance sowie den unterschiedlichen Marktzugang<br />
einzelner Anlegersegmente zurückgeführt, und andererseits mit dichotomen Märkten begründet.<br />
Letzteres deutet darauf hin, dass strukturierte Produkte und ihre einzelnen Komponenten<br />
auf voneinander getrennten Märkten, am Sekundärmarkt der strukturierten Produkte (Bundling)<br />
sowie am Markt für die einzelnen Produktkomponenten (Unbundling), dem Markt für<br />
Gegenparteirisiken, gehandelt werden.<br />
Die Sensitivität der Investoren gegenüber der Volatilität soll gesteigert und gleichzeitig die<br />
Produkttransparenz erhöht werden. Deshalb wird die Einführung eines Volatilitätswegweisers<br />
empfohlen, der die Volatilitätsposition des Produkts anhand der in dieser Arbeit vorgestellten<br />
Methodik anzeigt. Das wäre eine relativ einfach umzusetzende Ergänzung der heute am<br />
Markt anhand der Pay-off-Diagramme vorgenommenen Produkttypologie, welche ebenfalls<br />
auf den beiden Faktoren des Underlyings und der eingebetteten Option(en) basiert.
Management Summary (engl.) V<br />
Management Summary (engl.)<br />
This research work investigates the relationship between market volatility and the sales of<br />
structured investment products. The question as to whether product sales are dependent upon<br />
volatility is first analyzed at a theoretical level and then tested on the basis of empirical findings.<br />
Option valuation theory shows how important volatility is as a parameter for the valuation of<br />
options embedded in structured products, therefore indicating the influence that volatility has<br />
on the appeal of structured products. Based on the put-call parity relationship, a directionbased<br />
volatility position can be determined for the structured product that shows the interdependence<br />
with the development of volatility, without however quantifying the theoretical dependency.<br />
Using the volatility position, one can classify structured products into three categories (long,<br />
short, neutral), thereby laying the basis for the theoretical model and the empirical evaluations<br />
of this research work. The theoretical sales model is tested using the evaluated sales data of<br />
structured products listed on the SWX exchange over the period January 2004 to December<br />
2006. Using regression analyses, the null hypothesis that assumes an influence of volatility on<br />
product sales – for structured products and at overall sales level, as well as for individual<br />
product categories as per their volatility positions (long, short, neutral) and for the individual<br />
product types over all frequencies (daily, weekly, monthly) – is ruled out. It is therefore concluded<br />
that volatility has no influence on sales, so the theoretically derived dependency of<br />
product sales on volatility is not confirmed by empirical data.<br />
The established divergence between theory and practice is explained on the one hand by a<br />
dual investor structure (retail investors versus professional investors) that highlights divergent<br />
investment behavior within the investor community itself toward market volatility – a phenomenon<br />
explained by aspects of behavioral finance as well as the different levels of market<br />
access enjoyed by individual investment segments – and on the other hand by dichotomous<br />
markets. The latter shows that structured products and their individual components are traded<br />
in separately demarcated markets: in the secondary market for structured products (bundling),<br />
and in the market for individual price components (unbundling), the market for counterparty<br />
risks.<br />
The sensitivity of investors toward volatility should be enhanced and product transparency at<br />
the same time increased. For this reason, the introduction of a volatility signpost is recommended<br />
that would display the volatility position of the product on the basis of the methodology<br />
set out in this work. This would represent a relatively easy-to-implement enhancement to<br />
the product typology currently employed in the market by means of payoff diagrams, as this is<br />
likewise based on the two factors of the underlying and the embedded option(s).
Abbildungsverzeichnis VI<br />
Abbildungsverzeichnis<br />
Abbildung 1: Aufbau der Forschungsarbeit 14<br />
Abbildung 2: Mean-Reversion der Volatilität 36<br />
Abbildung 3: Verlauf VSMI 45<br />
Abbildung 4: VSMI vs. VLEU 50<br />
Abbildung 5: Entwicklung SIP-Volumen an der SWX 60<br />
Abbildung 6: Umsatzentwicklung an der EUWAX 61<br />
Abbildung 7: Entwicklung SIP-Volumen in Anlegerdepots 62<br />
Abbildung 8: SIP-Anteil an Depotvolumen 63<br />
Abbildung 9: Produktlebenszyklus SIP 86<br />
Abbildung 10: Anzahl kotierter SIP an der SWX 89<br />
Abbildung 11: Pay-off-Diagramme der drei Grundtypen von SIP 93<br />
Abbildung 12: Entwicklung der Absatzdaten der grundlegenden SIP-Typen 94<br />
Abbildung 13: Typologie der Swiss Listed Derivative Map 96<br />
Abbildung 14: Typologie der SWX Swiss Exchange 97<br />
Abbildung 15: Typologie des Swiss Derivative Guides 2006/07 98<br />
Abbildung 16: Typologie nach Wohlwend 99<br />
Abbildung 17: Typologie der E<strong>St</strong>V 100<br />
Abbildung 18: Typologie der EUWAX 101<br />
Abbildung 19: Konstruktion Hebel-Produkte 102<br />
Abbildung 20: Pay-off-Diagramm Partizipations-Produkte 103<br />
Abbildung 21: Konstruktion Partizipations-Produkte 103<br />
Abbildung 22:Pay-off-Diagramm Renditeoptimierungs-Produkte 104<br />
Abbildung 23: Konstruktion Renditeoptimierungs-Produkte 105<br />
Abbildung 24:Pay-off-Diagramm Kapitalschutz-Produkte 106<br />
Abbildung 25: Konstruktion Kapitalschutz-Produkte 106<br />
Abbildung 26: Volatilitätssensitivitäten 111<br />
Abbildung 27: Volatilitätsposition der strukturierten Produkte (inkl. SIP i.w.S.) 113<br />
Abbildung 28: Typologie der strukturierten Produkte der Forschungsarbeit 114<br />
Abbildung 29: Typologie der Hebelprodukte (SIP i.w.S.) der Forschungsarbeit 115<br />
Abbildung 30: Erwartete Volatilitätsveränderungen 125<br />
Abbildung 31: Investitionsempfehlung bezüglich Volatilitätsposition 126<br />
Abbildung 32: Investitionsempfehlung SIP (i.e.S.) 127<br />
Abbildung 33: Investitionsempfehlung SIP (i.w.S.) und Optionsstrategien 127<br />
Abbildung 34: Absatzerwartung bei gegebener richtungsbezogener Volatilitätserwartung 128<br />
Abbildung 35: SIP-Absatzerwartung 129<br />
Abbildung 36: <strong>St</strong>ammdaten SIP (SWX) 131<br />
Abbildung 37: Historische Daten SIP (SWX) 132<br />
Abbildung 38: <strong>St</strong>ammdaten SIP (DP) 133<br />
Abbildung 39: Historische Daten SIP (DP) 133<br />
Abbildung 40: Verknüpfung der Absatzdaten mit dem VSMI 136<br />
Abbildung 41: Datenaufbereitung 137<br />
Abbildung 42: Datensätze der SIP 138<br />
Abbildung 43: <strong><strong>St</strong>rukturierte</strong> Produkte in der Datenbasis 139<br />
Abbildung 44: Übersicht Datenbasis SIP 140<br />
Abbildung 45: Verlauf des SMI (Dez 87 -Dez 07) 143<br />
Abbildung 46: Entwicklung Turnover Derivate 148<br />
Abbildung 47: Turnover Derivate mit Trend 150<br />
Abbildung 48: Linearer vs. exponentieller Trend des Derivatturnovers 151<br />
Abbildung 49: Regressor VSMI 152<br />
Abbildung 50: Absatz vs. VSMI 153<br />
Abbildung 51: Pay-off-Diagramm und Volatilitätsposition Kapitalschutzprodukt ohne Cap 200
Tabellenverzeichnis VII<br />
Tabellenverzeichnis<br />
Tabelle 1: Altes vs. neues Berechnungsverfahren der Volatilitätsindizes 46<br />
Tabelle 2: VSMI vs. VLEU 49<br />
Tabelle 3: Korrelation zwischen VSMI und VLEU 51<br />
Tabelle 4: Korrelation ausgewählter Volatilitätsindizes 52<br />
Tabelle 5: Geschätztes weltweites Marktvolumen von SIP 64<br />
Tabelle 6: Depotvolumen SIP nach Anlegertyp 65<br />
Tabelle 7: Kostenfaktoren der SIP 76<br />
Tabelle 8: SIP vs. Anlagefonds 83<br />
Tabelle 9: Absatzdaten 2007 der grundlegenden SIP-Typen 94<br />
Tabelle 10: Volatilitätsposition ausgewählter Optionsstrategien 121<br />
Tabelle 11: Datenbasis 138<br />
Tabelle 12: Übersicht Datensätze und Produkte 141<br />
Tabelle 13: ADF-Test Turnover auf <strong>St</strong>ationarität 149<br />
Tabelle 14: ADF-Test Turnover auf Trendstationarität 149<br />
Tabelle 15: ADF-Test VSMI auf <strong>St</strong>ationarität 152<br />
Tabelle 16: Fehlerarten und deren Wahrscheinlichkeiten bei Hypothesentests 162<br />
Tabelle 17: Gesamtabsatzebene (tägliche Daten) 165<br />
Tabelle 18: Gesamtabsatzebene (wöchentliche Daten) 166<br />
Tabelle 19: Gesamtabsatzebene (monatliche Daten) 167<br />
Tabelle 20: Übersicht Gesamtabsatzebene 168<br />
Tabelle 21: Einzelne Volatilitätspositionen (tägliche Daten) 169<br />
Tabelle 22: Einzelne Volatilitätspositionen (wöchentliche Daten) 170<br />
Tabelle 23: Einzelne Volatilitätspositionen (monatliche Daten) 171<br />
Tabelle 24: Übersicht einzelne Volatilitätspositionen 172<br />
Tabelle 25: Produktebene (tägliche Daten) 173<br />
Tabelle 26: Produktebene (wöchentliche Daten) 174<br />
Tabelle 27: Produktebene (monatliche Daten) 175<br />
Tabelle 28: Übersicht Produktebene 177<br />
Tabelle 29: Übersicht relative Volatilitätsabhängigkeit 180<br />
Tabelle 30: Gesamtübersicht empirische Ergebnisse 186<br />
Tabelle 31: Vergleich der dichotomen Märkte 196
Abkürzungsverzeichnis VIII<br />
Abkürzungsverzeichnis<br />
ADF (- Test) Augmented Dickey-Fuller (- Test)<br />
Art. / Abs. Artikel / Absatz<br />
ATM (-Option) at-the-money (- Option)<br />
BIS Bank for International Settlements<br />
bspw. / bzw. beispielsweise / beziehungsweise<br />
ca. circa<br />
CBOE Chicago Board Options Exchange<br />
CHF Schweizer Franken<br />
DAX Deutscher Aktienindex<br />
DDI Deutsches Derivate Institut<br />
DDV Deutscher Derivate Verband<br />
DF Derivate Forum<br />
d.h. das heisst<br />
EBK Eidgenössische Bankenkommission<br />
ECB European Central Bank<br />
engl. Englisch<br />
E<strong>St</strong>V Eidgenössische <strong>St</strong>euerverwaltung<br />
et al. et alii<br />
EUR Euro<br />
EUREX European Exchange<br />
EUWAX European Warrant Exchange<br />
f. / ff. folgende / fortfolgende<br />
IBL Internet Based Listing<br />
i.e.S. / i.w.S. im engeren Sinne / im weiteren Sinne<br />
insb. insbesondere<br />
Is. Issue<br />
KAG Kollektivanlagegesetz<br />
KS Kreisschreiben
Abkürzungsverzeichnis IX<br />
lat. Lateinisch<br />
LIBOR London Interbank Offered Rate<br />
MEZ Mitteleuropäische Zeit<br />
Mio. / Mrd. Millionen / Milliarden<br />
NAB Neue Aargauer Bank<br />
NAV Net Asset Value<br />
Nr. / No. Nummer / Number<br />
OECD Organisation for Economic Co-Operation and Development<br />
OTC Over-the-Counter<br />
resp. respektive<br />
Rz. Randziffer<br />
SEC Securities and Exchange Commission<br />
S&P 500 (100) <strong>St</strong>andard & Poor's 500 (100) Aktienindex<br />
SBVg Schweizerische Bankiervereinigung<br />
SFA Swiss Fund Association<br />
SGKB <strong>St</strong>. Galler Kantonalbank<br />
SIP <strong><strong>St</strong>rukturierte</strong>s Investmentprodukt<br />
SMI Swiss Market Index<br />
SNB Schweizerische Nationalbank<br />
SOFFEX Swiss Options and Financial Futures Exchange<br />
SPI Swiss Performance Index<br />
SVSP Schweizerischer Verband für <strong><strong>St</strong>rukturierte</strong> Produkte<br />
SWX Swiss Exchange (Schweizer Börse)<br />
u.a. / v.a. unter anderem / vor allem<br />
VIX Volatility Index der CBOE auf den S&P 500<br />
Vol. Volume<br />
VLEU Volatilitätsindex der Bank Leu<br />
vs. versus<br />
VSMI Volatilitätsindex der SWX auf den SMI<br />
VSTOXX Volatilitätsindex auf den Dow Jones Euro <strong>St</strong>oxx 50<br />
ZKB Zürcher Kantonalbank
Einleitung 1<br />
1 Einleitung<br />
<strong><strong>St</strong>rukturierte</strong> <strong>Investmentprodukte</strong> (SIP) erfreuen sich seit einigen Jahren stetig wachsender<br />
Beliebtheit und sind als eine Art Modeerscheinung 1 ein Grosserfolg. Die Zeitungen sind übersät<br />
mit Inseraten und Ankündigungen von neu entwickelten strukturierten Produkten, und<br />
einige Anbieter versuchen sich mit speziellen Newslettern über die neusten Produktinnovationen<br />
bei potentiellen Investoren relativ aggressiv zu positionieren. Die Bezeichnung "<strong><strong>St</strong>rukturierte</strong>s<br />
Investmentprodukt (SIP)" wird in Wissenschaft und Praxis nicht einheitlich verwendet;<br />
es existieren in der Literatur und vor allem in der Praxis beinahe so viele Definitionen wie<br />
Produktvariationen. Diese regelrechte Flut an verschiedenen Bezeichnungen für die jeweils<br />
gleiche Art von Produkten sorgt denn auch in Anlegerkreisen für mehr Verwirrung als Klarheit;<br />
es wird gar von einem Dschungel der strukturierten Produkte gesprochen. 2 Beispielhaft<br />
sollen an dieser <strong>St</strong>elle einige genannt werden: strukturierte Produkte, strukturierte Finanzprodukte,<br />
strukturierte <strong>Investmentprodukte</strong> (SIP), strukturierte Anlageprodukte, strukturierte<br />
Kapitalmarktprodukte, hybride Anlageprodukte, hybrid instruments, usw. Es existieren gegenwärtig<br />
keine offiziellen Produktnamen für die spezifischen Produkte, weder von den Banken<br />
respektive Emittenten noch von den Aufsichtsorganen. 3 So werden teilweise strukturierte<br />
Produkte schon mit Sportwetten in Verbindung gebracht, was zwar durchaus seine Berechtigung<br />
haben mag, in der vorliegenden Arbeit aber nicht berücksichtigt und nicht weiter verfolgt<br />
wird. 4 Auf die sehr weitreichende Produktvielfalt wird später noch spezifisch in dieser<br />
Forschungsarbeit ein Augenmerk gelegt. 5 Die uneinheitliche Namensgebung der Produkte,<br />
die mehrheitlich auf Marketingüberlegungen basiert und von den Emittenten jeweils individuell<br />
vorgenommen wird, trägt auch nicht zu einer einheitlichen Lösung der Problematik der<br />
Nomenklatur bei. Daher wird in der Forschungsarbeit die Bezeichnung strukturiertes Investmentprodukt<br />
respektive die Abkürzung SIP für solche Anlageprodukte verwendet, und sie<br />
soll gleichzeitig als Synonym der aufgezählten verschiedenen in der Praxis gebräuchlichen<br />
Namen gelten. Die uneinheitliche Nomenklatur der Produkte ist nun auch in der Branche<br />
selbst als problematisch anerkannt, was in den Zielen des im April 2006 gegründeten Branchenverbandes<br />
(Schweizerischer Verband für <strong><strong>St</strong>rukturierte</strong> Produkte, SVSP) auch explizit<br />
genannt wird und in Zukunft entsprechend verbessert werden soll, um "Bekanntheit, Akzeptanz<br />
und Ansehen der strukturierten Produkte zu fördern". 6 Mit der im Herbst 2006 vorge-<br />
1 Vgl. Piel (2005), S. 13.<br />
2 Vgl. Tolle/Adamovich (2005).<br />
3 Vgl. Rasch (2005), EBK (2005), E<strong>St</strong>V (1999/2002/2007) und Wohlwend (2001), S. 3f.<br />
4 Wilkens (2005) beschreibt Produkte von Finanzinstituten, deren Rendite vom Erfolg eines Sportvereins oder vom Ausgang<br />
eines Sportereignisses abhängt. Wilkens zeigt dabei den finanzmathematischen Hintergrund, auf dem sich die Kalkulation<br />
von Produkten auf Sportereignisse als Underlying durchführen lässt. Vgl. dazu auch die Ausführungen und Verweise<br />
in Abschnitt 3.4.5 über strukturierte Produkte mit wettähnlichem Charakter, welche in dieser Forschungsarbeit explizit<br />
von den Analysen ausgeschlossen werden. In diesem Zusammenhang sind auch die Warnungen vor illegalen Sportwetten<br />
des Deutschen Derivate Instituts bei der Auflage von Zertifikaten zu beachten (vgl. DDI (2007).<br />
5<br />
Siehe auch Ausführungen in Kapitel 3.4.5, die u.a. auch noch weitere Formen von Finanzprodukten in Zusammenhang mit<br />
Sportereignissen beschreiben.<br />
6 Vgl. SVSP (2006b).
Einleitung 2<br />
stellten Swiss Listed Derivative Map, die der SVSP in Zusammenarbeit mit Derivative Partners<br />
und der Schweizer Börse SWX sowie der Finanz und Wirtschaft vorgestellt hat, ist ein<br />
erster Schritt in diese Richtung vollbracht und setzt – allerdings unverbindliche – <strong>St</strong>andards in<br />
der Kategorisierung der strukturierten Produkte. 7 Auf die Typologisierung der einzelnen Produkte<br />
wird im Kapitel 3 (insbesondere unter 3.3) ausführlich eingegangen.<br />
1.1 Problemsituation<br />
Der grosse Absatzerfolg der strukturierten Produkte, die eine Paketlösung für ein individuelles<br />
Risiko/Rendite-Profil anbieten oder relativ einfach zu generieren, oder eben zu strukturieren,<br />
vermögen, wurde bisher nicht genauer spezifiziert oder untersucht. Daher erscheint es<br />
überfällig, den Erfolg dieser Produkte im Schweizer Markt, sprich den Absatz und dessen<br />
bestimmende Faktoren, wissenschaftlich zu untersuchen. Insbesondere eine genauere Betrachtung<br />
der in SIP eingebetteten Derivate verspricht ein lohnendes Forschungsziel zu sein,<br />
da letztlich diese Derivate die Spezifika des Produktes bestimmen. Der Wert eines Derivats<br />
setzt sich bekanntlich aus dem inneren Wert und Zeitwert zusammen, wobei neben der Laufzeit,<br />
Zinsen und Dividenden vor allem die Volatilität den Zeitwert bestimmt, wodurch die<br />
Volatilität eine entscheidende Bedeutung erlangt bei der Bewertung und damit der Attraktivität<br />
eines strukturierten Produkts, wie es auch schon Wohlwend 8 in seiner Arbeit gezeigt hat.<br />
Daher soll der Hauptfokus in dieser Arbeit der Volatilität gelten und deren Einfluss auf den<br />
Absatz der SIP genauer untersucht und auch empirisch abgestützt werden. Damit einhergehend<br />
wird auch eine Typologisierung der SIP vorgenommen, die der Volatilitätsabhängigkeit<br />
des Produkts eine wichtige Bedeutung zukommen lässt.<br />
Daneben wird anhand der Extraktion der Volatilitätsposition versucht, Derivate zu entmythisieren<br />
und aufzuzeigen, dass Derivate sowohl zur Risikominimierung wie auch zur Risikoerhöhung<br />
eingesetzt werden können. Es ist daher unbegründet, Derivate zu verteufeln oder<br />
Angst davor zu haben, auch wenn in der breiten Öffentlichkeit derivative Instrumente meist<br />
nur im Zusammenhang mit skandalträchtigen Pleiten oder massiven Verlusten ("Barings",<br />
"Metallgesellschaft", "LTCM", "Enron", "Procter&Gamble" etc.) breite Erwähnung finden. 9<br />
Erstaunlicherweise verurteilte auch der bekannte Investmentprofi Warren Buffet ("Das Orakel<br />
von Omaha") im Geschäftsbericht seiner Beteiligungsgesellschaft Berkshire Hathaway Inc.<br />
pauschal den Einsatz von Derivaten, indem er diese Instrumente als "finanzielle Massenvernichtungswaffen"<br />
bezeichnete. 10<br />
Dem soll hier klar widersprochen werden, denn wissenschaftliche <strong>St</strong>udien zeigen, dass der<br />
bewusste Umgang und der gezielte Einsatz von Derivaten die Opportunitäten am Kapitalmarkt<br />
für die Marktteilnehmer erweitern, gleichermassen für Investoren und für Unternehmungen,<br />
wodurch Derivate gewissermassen zu einer Vervollständigung des Kapitalmarktes<br />
7 Vgl. SVSP (2006c) und SVSP (2006d).<br />
8 Vgl. Wohlwend (2001). Unter 1.3.1 wird noch genauer auf die Dissertationsschrift von Hanspeter Wohlwend eingegangen.<br />
9 Vgl. <strong>St</strong>ulz (2004), S. 3.<br />
10 Vgl. Buffet (2003), S. 15: "In our view, however, derivatives are financial weapon of mass destructions, carrying dangers<br />
that, while now latent, are potentially lethal." Auch zitiert in <strong>St</strong>ulz (2004), S. 3.
Einleitung 3<br />
beitragen. 11 <strong><strong>St</strong>rukturierte</strong> Produkte ihrerseits öffnen den Derivatemarkt auch für Retailkunden<br />
und fördern das Bewusstsein für die preistreibenden Komponenten von Derivaten für Anleger.<br />
Dabei spielt das Verständnis der Komponente Volatilität gleichfalls eine wichtige Rolle,<br />
was sich auch entsprechend in neuen Produktarten niederschlägt. 12 Die Volatilität wird allmählich<br />
als eigene Anlageklasse wahrgenommen, wobei entsprechende Anlageprodukte spezifisch<br />
auf die Volatilität ausgerichtet werden und diese damit vermehrt in den Fokus der Finanzgemeinde<br />
rückt. Nicht zuletzt daher lohnt es sich, in dieser Forschungsarbeit die Marktvolatilität<br />
etwas genauer zu betrachten, ohne allerdings spezifische Untersuchungen über die<br />
Volatilität als Assetklasse vorzunehmen oder Vor- und Nachteile aus portfoliotheoretischer<br />
Sicht herauszuarbeiten. Die Betrachtung ist fokussiert auf die aufgrund der in einem Produkt<br />
eingebetteten Derivate konkret eingegangene Volatilitätsposition und deren aufgrund der erwarteten<br />
Volatilitätsentwicklung Einfluss auf den Absatz strukturierter <strong>Investmentprodukte</strong>.<br />
1.2 Begriffsdefinitionen<br />
Um Klarheit über die zentralen Begriffe dieser Arbeit zu schaffen, werden diese nachfolgend<br />
kurz definiert.<br />
1.2.1 Derivat<br />
Eine derivative Anlage wird dadurch charakterisiert, dass sich deren Wert von der Wertentwicklung<br />
einer Direktanlage, sprich eines Basisproduktes (Underlying), ableiten lässt, respektive<br />
direkt davon abhängig ist. 13 Derivate sind Terminkontrakte, zu denen Optionen, Futures,<br />
Forwards, Warrants, Swaps – um nur einige zu nennen – und Kombinationen davon gezählt<br />
werden, deren Spezifika später noch genauer betrachtet werden. 14 In der Entwicklung spezifischer<br />
Ausgestaltungen von strukturierten Produkten spielen Derivate eine entscheidende Rolle,<br />
da sie in Form von "Bausteinen" 15 quasi beliebig miteinander kombiniert werden können.<br />
In der Forschungsarbeit wird unter der Bezeichnung "Derivat" eine Art Oberbegriff aller Produkte<br />
mit derivativem Charakter verstanden und umfasst sowohl die strukturierten Produkte<br />
als auch die Warrants.<br />
11 Vgl. Ross (1976b) und die Bemerkungen in Amann/Ising (2007), S. 581f. Hakansson (1978) seinerseits zeigt Wohlfahrtseffekte,<br />
die mit dem Einsatz von Derivaten einhergehen. Merton (1992) wiederum beschäftigt sich mit den positiven Effekten<br />
von Finanzinnovationen (z.B. Derivate) auf die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit. Weiter führt insbesondere<br />
<strong>St</strong>ulz (2004) in seiner <strong>St</strong>udie eine grundsätzliche Diskussion über Sinn und Unsinn, <strong>St</strong>ärken und Schwächen eines Einsatzes<br />
von Derivaten. Dabei kommt <strong>St</strong>ulz zum Schluss, dass die sich aus dem Einsatz von Derivaten ergebenden Chancen<br />
die Risiken daraus bei weitem übersteigen. <strong>St</strong>ulz' Fokus liegt dabei auf Unternehmen, seine Schlussfolgerungen sind<br />
allerdings allgemeiner Natur und können analog auch für (Privat-) Investoren herangezogen werden.<br />
Géczy/Minton/Schrand (2007) wiederum untersuchen den Einsatz von Derivaten zu Spekulationszwecken von Unternehmungen<br />
und kommen auch zu weitgehend positiven Ergebnissen, ohne allerdings die Gefahren der mit Derivaten<br />
einhergehenden Spekulation zu vernachlässigen und mit eindringlichen Negativbeispielen zu untermauern.<br />
12 Siehe die Ausführungen über die Handelbarkeit der Volatilität in Abschnitt 2.6.<br />
13 lat.: derivare = sich ableiten, herleiten, abstammen.<br />
14 Siehe Kapitel 2.1 über Optionstypen und -modelle.<br />
15<br />
Tolle et al. (2005) benutzen in ihrer Arbeit über strukturierte Produkte die nach Meinung des Autors sehr gelungene Bezeichnung<br />
"Bausteine" für Derivate (vgl. S. 15ff.).
Einleitung 4<br />
1.2.2 <strong><strong>St</strong>rukturierte</strong>s Investmentprodukt (SIP)<br />
In der Forschungsarbeit wird auf eine eigenständige, neue Definition verzichtet und vielmehr<br />
auf die existierende konsistente Definition von Hanspeter Wohlwend zurückgegriffen, der mit<br />
seiner Dissertation über strukturierte Produkte aus dem Jahre 2001 eine Art Referenzwerk für<br />
den Schweizer Markt verfasste. Zusätzlich wird mit der Berücksichtigung der Definition der<br />
strukturierten Produkte von der Neuen Aargauer Bank (NAB) ein aktueller Praxisbezug gewährleistet,<br />
welcher hier insofern relevant ist, da sich die Forschungsfrage im Umfeld der<br />
NAB entwickelte und sowohl das theoretische Absatzmodell als auch die empirischen Auswertungen<br />
von praktischem Wert sein sollen.<br />
Wohlwend definiert ein strukturiertes Produkt anhand der Elemente Kombination, Emittententyp<br />
und Art der Emission. Dabei steht das Element der Kombination für das Zusammenfügen<br />
16 mindestens zweier Finanzanlagen, wobei eine davon ein Derivat sein muss. Wohlwend<br />
unterscheidet Finanzinstitutionen und andere Unternehmen als Emittenten und betrachtet in<br />
seiner Arbeit nur Produkte, die öffentlich emittiert werden als strukturierte Produkte. 17 Dies<br />
führt schliesslich zu folgender Definition der strukturierten Produkte: 18<br />
"Ein durch eine Bank oder Finanzgesellschaft im Rahmen einer öffentlichen Emission<br />
begebenes Finanzprodukt, in welchem mindestens zwei Finanzanlagen in einem Produkt<br />
kombiniert werden, wovon mindestens eine der Komponenten ein derivatives Produkt ist."<br />
Die Definition der Neuen Aargauer Bank (NAB) ihrerseits zeigt sich dazu im Vergleich weniger<br />
formal, dafür einfacher verständlich, da sie schon erklärende Faktoren der Anwendung<br />
mit einbezieht, sowie – aus naheliegenden Gründen – praxisnaher: 19<br />
"<strong><strong>St</strong>rukturierte</strong> Produkte sind Finanzprodukte, die aus einer Kombination von Aktien,<br />
Obligationen und Derivaten bestehen. Sie bieten dem Investor die Möglichkeit, (mit begrenztem<br />
Risiko) an einer Marktentwicklung zu partizipieren. Bei kapitalgeschützten Produkten ist<br />
die Rückzahlung des nominellen Kapitals garantiert. <strong><strong>St</strong>rukturierte</strong> Produkte können auf verschiedene<br />
zukünftige Marktszenarien setzen, deren inhärente <strong>St</strong>rategie durch einen Privatinvestor<br />
mittels traditionellen Anlagevehikeln regelmässig nicht nachvollziehbar wäre, und<br />
dabei je nach deren Eintreffen attraktive Gewinne erzielen."<br />
Insbesondere gilt es hervorzuheben, dass strukturierte Produkte in der Definition der NAB<br />
selbst als Anlagestrategie und nicht bloss als Anlageprodukt bezeichnet werden. Diesen Punkt<br />
gilt es für die Forschungsarbeit zu beachten und entsprechend zu berücksichtigen. Ansonsten<br />
soll die Definition von Wohlwend Gültigkeit haben in der Forschungsarbeit, auch wenn die<br />
nichtkotierten Produkte nicht per definitionem, sondern aus Praktikabilitätsgründen ausgeschlossen<br />
werden sollen, da solche nicht in die empirischen Auswertungen einfliessen und<br />
auch nicht genau spezifiziert werden können.<br />
16 lat. struere = zusammenfügen, anordnen der Teile.<br />
17 Vgl. Wohlwend (2001), S. 5ff.<br />
18 Vgl. Wohlwend (2001), S. 9.<br />
19 Vgl. NAB (2005).
Einleitung 5<br />
1.2.3 Marktvolatilität<br />
Der Begriff Volatilität entstammt dem Lateinischen (lat. volare = fliegen resp. lat. volitare =<br />
flattern) und bezeichnet die Abweichung bzw. die Bewegungen bezüglich eines Referenzpunktes.<br />
In der <strong>St</strong>atistik wird die Quadratwurzel der Varianz, allgemein das zentrale Moment<br />
2. Ordnung, als <strong>St</strong>andardabweichung respektive Volatilität σ bezeichnet. 20 Die Volatilität<br />
misst die Abweichung eines beobachteten Wertes von dessen Mittelwert während einer bestimmten<br />
Zeitperiode und wird mathematisch folgendermassen definiert:<br />
Gleichung 1<br />
n 1<br />
− ⎛ ⎞<br />
σ = ⎜ xi<br />
− x⎟<br />
, wobei<br />
⎝ ⎠<br />
( ) ∑ n −1<br />
i=<br />
1<br />
• n = Anzahl der Werte, <strong>St</strong>ichprobenumfang<br />
2<br />
• x i = Mess-/Beobachtungswert des i-ten Elements der Grundgesamtheit<br />
•<br />
Gleichung 2<br />
−<br />
x = arithmetisches Mittel der Messwerte, d.h.<br />
− 1<br />
x =<br />
n<br />
n<br />
∑ xi<br />
i=<br />
1<br />
Da die Volatilität die gleiche Einheit hat wie die Messwerte und die quadrierte Form davon<br />
(d.h. die Varianz) weniger praktisch handhabbar ist, wird in der Praxis vorwiegend mit der<br />
Volatilität gearbeitet. In der Ökonomie wiederum wird die <strong>St</strong>andardabweichung oftmals in<br />
Prozent angegeben und als ein Risikomass bezeichnet. Volatilität ist ein Synonym für Risiko<br />
in der Welt der Finanzmärkte und -anlagen, obwohl dabei ausschliesslich auf die "negativen"<br />
Abweichungen der Werte, d.h. die gegenüber dem Mittelwert tieferen Werte, abgestützt wird.<br />
Diese "negative" Richtung der Volatilität wird auch als Semivarianz bezeichnet. 21 Die "Chancen"<br />
der positiven Abweichungen werden in der Bezeichnung Risiko negiert, dafür aber in<br />
der Preisstellung von Derivaten durchaus berücksichtigt. 22<br />
An den Finanzmärkten und auch in der vorliegenden Arbeit wird unter Volatilität die <strong>St</strong>andardabweichung<br />
der Veränderung des Marktpreises respektive Anlagekurses gegenüber dessen<br />
mittleren Kurses einer bestimmten Zeitperiode verstanden. Dieses <strong>St</strong>reuungsmass zeigt<br />
demnach die Grösse der Bandbreiten der Marktpreise an. Weiter wird an den Finanzmärkten<br />
zwischen der historisch realisierten, anhand effektiver Marktpreise gemessenen Volatilität<br />
20 Vgl. Bohley (2000), S. 166.<br />
21 Vgl. bspw. Bamberg/Dorfleitner/Glaab (2005) für eine Diskussion des Prinzips der Semivarianz.<br />
22 Zum Pricing von Optionen vgl. Kapitel 2.1.2.
Einleitung 6<br />
und der impliziten, auf aktuellen Markterwartungen basierenden und anhand der am Markt<br />
gehandelten Optionen extrahierbaren Volatilität unterschieden. 23<br />
1.2.4 Absatz<br />
Als Absatz eines strukturierten Produkts wird der in Geldeinheiten ausgedrückte Umsatz des<br />
jeweiligen Produktes an der Schweizer Börse SWX bezeichnet. Der Umsatz errechnet sich als<br />
Produkt von der Anzahl der gehandelten Titel und dem bezahlten Kurs derselben Titel, d.h.<br />
das in einem Produkt insgesamt umgesetzte Kapital unter Berücksichtigung aller Käufe und<br />
Verkäufe. Es werden hier nur effektiv auf dem Sekundärmarkt abgeschlossene Handel betrachtet,<br />
unabhängig ob der Abschluss on- oder off-exchange erfolgt ist. Volumina während<br />
der Zeichnungsfrist, Emissionsvolumina und der Graumarkthandel werden für die Bestimmung<br />
des Absatzes nicht berücksichtigt. Die Begriffe Absatz, Umsatz und Volumen werden<br />
in dieser Arbeit synonym verwendet.<br />
1.3 <strong>St</strong>and der relevanten Forschung<br />
Trotz des regelrechten Booms, den der Markt für strukturierte <strong>Investmentprodukte</strong> in den letzten<br />
Jahren erlebte, sind diese Produkte von der Wissenschaft bisher weitestgehend vernachlässigt<br />
worden und unbeachtet geblieben. Es existieren zwar einige Untersuchungen, die jeweils<br />
Teilaspekte des Marktes von strukturierten Produkten betrachten, dabei aber vor allem<br />
auf das Pricing der Produkte fokussieren und andere Aspekte vernachlässigen.<br />
Chen und Kensinger waren die Ersten in den USA, die das Pricing von strukturierten Produkten<br />
bei der Emission anhand von Market-Index - Certificates of Deposit (MICD) untersuchten.<br />
MICD ist eine Art Kapitalschutzprodukt mit einer garantierten Mindestverzinsung und<br />
einer variablen Partizipation an einer allfällig positiven Entwicklung des S&P 500. Die Untersuchung<br />
der impliziten Volatilitäten sowohl der MICD-Option als auch von Optionen auf<br />
den S&P 500 (untersucht wurden 18 Produkte im Zeitraum von Januar 1988 bis Januar 1989)<br />
brachten sehr unterschiedliche Ergebnisse und teilweise starke Abweichungen vom theoretischen<br />
Marktpreis und Inkonsistenzen in der Preisstellung unter verschiedenen Anbietern. 24<br />
Chen und Sears ihrerseits nahmen den Ball von Chen und Kensinger auf und basierten ihre<br />
Untersuchungen auf das Pricing von S&P 500 Index Notes (SPIN), einem ähnlichen Produkt<br />
wie die erwähnten MICD aber börsengehandelt. In der Untersuchungsperiode von September<br />
1986 bis Dezember 1987 wurde anhand von impliziten Volatilitäten der Markt- mit dem Modellpreis<br />
(unter Verwendung des Black/Scholes-Modells) 25 verglichen und ein zu hoher Preis<br />
(overpricing) der Produkte von ca. 5 % im Primärmarkt nach der Ausgabe der Produkte festgestellt.<br />
Die Produkte wurden im Primärmarkt demnach zu teuer verkauft, während im Sekundärmarkt<br />
wiederum ein zu tiefer Preis (underpricing) der Produkte konstatiert wurde. 26<br />
23 Vgl. zur Messung sowohl der historischen als auch der impliziten Volatilität Kapitel 2.2.<br />
24 Vgl. Chen/Kensinger (1990).<br />
25 Vgl. Abschnitt 2.1.2.2 über Optionsmodelle.<br />
26 Vgl. Chen/Sears (1990).
Einleitung 7<br />
Chen und Chen nahmen dieses Ergebnis zum Anlass, das Pricing im Sekundärmarkt für ein<br />
strukturiertes Produkt ohne Kapitalschutz zu untersuchen und fanden eine konstante Überpreisung<br />
der Produkte von etwa 5 %. 27<br />
Baubonis, Gastineau und Purcell betrachteten die Kostenstruktur sowie <strong>St</strong>euer- und Hedgingaspekte<br />
von equity-linked certificates of deposit, einem wiederum sehr ähnlichen Produkt zu<br />
den in den oben erwähnten <strong>St</strong>udien betrachteten Konstrukten. Die Autoren fokussierten insbesondere<br />
auf die ihrer Meinung nach sehr hohen Fees (zwischen 2.5 % - 4.0 %), welche die<br />
Emissionsbank verlangte und nicht entsprechend transparent machte. 28 Das Papier zeigt eine<br />
Diskussion über versteckte Gebühren in komplexen Produktkonstrukten, die auch heute noch<br />
hoch aktuell ist und immer wieder Kritik an den Emittenten hervorruft.<br />
In die gleiche Richtung gehen die Ergebnisse einer jüngeren Untersuchung von Benet, Giannetti<br />
und Pissaris, welche die Emissionskosten von 24 Reverse Exchangeable Securities<br />
(RES), einem Produkt mit einem maximalen Gewinncap gegen oben und ohne Kapitalschutz,<br />
im US Markt während des Monats September im Jahre 2002 genauer unter die Lupe nahmen.<br />
Auch diese Arbeit konzentriert sich auf den Aspekt des Pricings und weist in diesem Punkt<br />
analoge Ergebnisse wie die Arbeit von Baubonis, Gastineau und Purcell auf. Die <strong>St</strong>udie<br />
zeigt, dass im Zeitpunkt der Emission dieser Typ eines strukturierten Produkts unter Berücksichtigung<br />
der Emissionskosten nicht fair gepreist, sprich der Preis vom Emittenten zuungunsten<br />
des Investors gestellt wird. 29<br />
Hernandez, Lee und Liu untersuchten ihrerseits das Pricing von 7'426 Reverse Exchangeable<br />
Bonds im US Markt, welche zwischen Mai 1998 und Februar 2007 emittiert wurden. Die<br />
Analyse offenbarte ebenfalls die bereits mehrfach beschriebenen Erkenntnisse, dass bei der<br />
Emission das Pricing zugunsten des Emittenten und zuungunsten des Investors gestellt wird. 30<br />
Relevante Forschungen im Gebiet der strukturierten Produkte konzentrieren sich eigentlich<br />
seit den Anfängen auf das Pricing dieser Produkte und nicht auf den Absatz oder andere spezifische<br />
Teilspakte der Thematik. Eine nähere Betrachtung des Forschungsstands in der<br />
Schweiz und dem deutschen Markt wird diese Aussage unterstreichen.<br />
1.3.1 Schweiz<br />
In erster Linie ist hierfür die Dissertation von Hanspeter Wohlwend 31 aus dem Jahre 2001 zu<br />
nennen, die den Schweizer Markt für strukturierte Produkte qualitativ und quantitativ untersucht<br />
und dabei im Kern aufs Pricing der strukturierten Produkte sowohl auf dem Primär- als<br />
auch Sekundärmarkt eingeht. Dabei stellte die <strong>St</strong>udie ein systematisches Mispricing fest,<br />
meist zuungunsten des Investors im Primärmarkt sowie zugunsten des Investors im Sekun-<br />
27 Vgl. Chen/Chen (1995).<br />
28 Vgl. Baubonis/Gastineau/Purcell (1993).<br />
29 Vgl. Benet/Giannetti/Pissaris (2006).<br />
30 Vgl. Hernandez/Lee/Liu (2007).<br />
31 Vgl. Wohlwend (2001). Daneben wurden die Ergebnisse in Grünbichler/Wohlwend (2005) publiziert. Die Dissertation<br />
wurde zudem in zweiter Auflage veröffentlicht (vgl. Wohlwend (2004)).
Einleitung 8<br />
därmarkt. Wohlwend wertete das Pricing aus einer Datenbasis von 192 strukturierten Produkten<br />
ohne Kapitalschutz im Zeitraum von April 1999 bis März 2000 aus, wobei die impliziten<br />
Volatilitäten der in den strukturierten Produkten eingebetteten Derivaten den impliziten Volatilitäten<br />
von vergleichbaren (d.h. möglichst gleiche Merkmale bzgl. Laufzeit, <strong>St</strong>rike etc.) an<br />
der EUREX gehandelten Optionen gegenübergestellt wurden. Als Gründe für das nicht-faire<br />
Pricing der Produkte werden sowohl die Komplexität der Konstruktion als auch die Schwierigkeit<br />
der genauen Bewertung des Produkts sowie die quasi-monopolistisch geprägte Preismacht<br />
des Emittenten genannt. Neben dem Pricing wurden aber keine weiteren Faktoren oder<br />
Aspekte der SIP vertieft untersucht, insbesondere auch nicht der Absatz dieser Produkte.<br />
Wohlwends Dissertation knüpfte an vorangegangene Untersuchungen über das Pricing von<br />
strukturierten Produkten auf dem Primärmarkt an, die von <strong>St</strong>efan Burth, Thomas Kraus und<br />
Hanspeter Wohlwend auf der Basis von 275 Produkten ohne Kapitalschutz, die im August<br />
1999 am Schweizer Markt ausstehend waren, nach der gleichen Methodik wie Wohlwends<br />
Auswertungen vorgenommen wurden und ein systematisches Mispricing zuungunsten der<br />
Anleger bei der Emission zeigten. In beiden Untersuchungen wurden auch die emittierenden<br />
Institutionen miteinander verglichen, wobei grosse Unterschiede in der Preisgestaltung unter<br />
den Emittenten festgestellt wurden. Zudem wurde die Rolle eines Co-Lead Managers 32 bei<br />
der Emission genauer unter die Lupe genommen und diesem eine positive Wirkung auf ein<br />
aus Sicht des Investors faireren Pricings zugesprochen. 33<br />
Walter Wasserfallen und Christoph Schenk waren 1996 mit ihrem Papier über das Preisverhalten<br />
von 13 strukturierten Produkten mit Kapitalschutz und dem SMI als Underlying die<br />
Ersten, die einen Grundtyp eines strukturierten Produkts wissenschaftlich thematisierten. Ihre<br />
<strong>St</strong>udie zeigte, dass die Produkte bei der Emission überbewertet, im Sekundärmarkt hingegen<br />
tendenziell unterbewertet und damit insgesamt nach ihrer Einschätzung fair bewertet waren. 34<br />
Wasserfallen/Schenk nutzten damals wie Chen/Sears auch das Black/Scholes-Modell zur<br />
Schätzung der impliziten Volatilitäten (mittels at-the-money-Optionen 35 ) und zur Modellbewertung<br />
der mit dem Markt zu vergleichenden Produktpreise.<br />
Obwohl Wasserfallen Schenk mit ihrem Papier als erste strukturierte Produkte in der Schweiz<br />
wissenschaftlich untersuchten, kann Hanspeter Wohlwend als Vorreiter in der Abdeckung der<br />
Thematik der strukturierten Produkte im Schweizer Markt bezeichnet werden, sowohl aus<br />
wissenschaftlicher Perspektive als auch aus Sicht der Praxis. Denn neben der erwähnten Dissertation<br />
hat Wohlwend gemeinsam mit <strong>St</strong>effen Tolle, Boris Hutter und Patrik Rüthemann<br />
einen Guide über Typen, Konstruktion und Besonderheiten von SIP herausgegeben, der einen<br />
sehr schönen Überblick über die aktuell (Jahre 2006/07) im Schweizer Markt angebotenen<br />
32 Der Co-Lead Manager emittiert nicht selbst ein Produkt, sondern nur als eine Art Junior Partner in Zusammenarbeit mit<br />
dem Lead Manager. Der Co-Lead Manager nimmt dabei im Emissionsprozess auch eine Kontrollfunktion im Sinne des<br />
Anlegers wahr. Vgl. dazu auch die Ausführungen in Abschnitt 3.2.3.3 und die Verweise ebenda.<br />
33 Vgl. Burth/Kraus/Wohlwend (2001).<br />
34 Vgl. Wasserfallen/Schenk (1996).<br />
35 Falls der Kurs des Basiswerts exakt dem Ausübungspreis (<strong>St</strong>rike) der Option entspricht, ist die Option at-the-money. Vgl.<br />
dazu auch die Erklärungen des inneren Werts einer Option in Abschnitt 2.1.2.
Einleitung 9<br />
verschiedenen SIP-Produkte verschafft. 36 Dazu haben die gleichen Autoren ein Werk herausgegeben,<br />
das über die reine Illustration der verschiedenen SIP-Spezifikationen hinaus geht<br />
und insbesondere den Einsatz von strukturierten Produkten in der Vermögensverwaltung thematisiert.<br />
37<br />
Seit Hanspeter Wohlwends Dissertation im Jahre 2001 hat sich bis heute niemand mehr wissenschaftlich<br />
mit spezifischen Fragestellungen über strukturierte Produkte im Schweizer<br />
Markt auseinander gesetzt. Von der Praxisseite her ist neben der erwähnten Publikationen von<br />
Wohlwend und seinen Kollegen von der Bank Wegelin Privatbankiers & Co. die Firma Derivative<br />
Partners als Vorreiterin in der Publikation von Fachartikeln und Expertenmeinungen<br />
über den Derivatemarkt zu bezeichnen. Die junge Zürcher Firma hat 2004 das Derivatemagazin<br />
payoff lanciert, die bis heute in der Schweiz einzige deutschsprachige Fachzeitschrift für<br />
Derivate. Darin werden monatlich Themen um das breite Feld der Derivate behandelt mit<br />
besonderem Fokus auf Entwicklungen auf dem Markt der strukturierten Produkte. Die<br />
Schweizer Börse SWX ihrerseits trägt seit anfangs 2005 der stetigen Weiterentwicklungen auf<br />
dem Derivatemarkt Rechnung und gibt quartalsweise den Derivatives Newsletter heraus, der<br />
sich unter anderem ebenfalls mit strukturierten Produkten beschäftigt. Darin werden auch<br />
aktuelle statistische Daten der an der SWX kotierten Derivate (inkl. SIP) aufbereitet.<br />
Insgesamt ist eine vermehrte Thematisierung der strukturierten Produkte im Markt zu spüren,<br />
die in Fachmagazinen und in einzelnen Fachartikeln der (Finanz-) Presse 38 Niederschlag findet<br />
und nun auch die Regulierungsbehörden auf den Plan rief. Von der Wissenschaft allerdings<br />
wird die Materie der strukturierten Produkte immer noch stiefmütterlich behandelt. Dabei<br />
sei hier nochmals der im April 2006 gegründete Schweizer Branchenverband für strukturierte<br />
Produkte (SVSP) erwähnt, der sich auf die Fahne geschrieben hat, das Ansehen von<br />
strukturierten Produkten im Speziellen und des Finanzplatzes Schweiz im Allgemeinen zu<br />
fördern, dies mit Hilfe von Empfehlungen und Branchenstandards und nicht zuletzt mit wissenschaftlichen<br />
Arbeiten und <strong>St</strong>udien. 39 Denn ausser der Preisstellung sind noch keine weiteren<br />
Aspekte der strukturierten Produkte im Schweizer Markt wissenschaftlich untersucht worden,<br />
was viel Raum für weitere Forschungsvorhaben lässt. Diese Arbeit soll eine erste Lücke<br />
schliessen und den Absatz der strukturierten <strong>Investmentprodukte</strong> genauer untersuchen.<br />
1.3.2 Europa<br />
Im deutschen Markt, dem grössten europäischen Markt für strukturierte Produkte, hat sich<br />
wissenschaftlich ebenfalls lange wenig getan, erst mit der Publikation der Dissertation von<br />
Wohlwend kam diese Thematik auch in Deutschland aufs Tapet. Seither zeigt sich die Wissenschaft<br />
in Deutschland allerdings weit aktiver als diejenige in der Schweiz, was sich insbesondere<br />
an den verschiedenen <strong>St</strong>udien von Sascha Wilkens zeigt. Wilkens gehörte zu den ers-<br />
36 Vgl. Tolle et al. (2006). Dies ist bereits die zweite Auflage des Swiss Derivative Guides, den dieses Autorenteam zusammen<br />
veröffentlicht hat. Die erste Ausgabe stammt aus dem Jahre 2004 (Vgl. Hutter/Rüthemann/Wohlwend (2004)).<br />
37 Vgl. Tolle et al. (2005).<br />
38 Vgl. u.a. Piel (2005), S. 13, <strong>St</strong>auffacher (2006), Tolle/Adamovich (2005), Wasescha (2006), S. 13.<br />
39 Vgl. SVSP (2006b). Siehe bezüglich Branchenstandards auch Kapitel 3.2.4.
Einleitung 10<br />
ten, der wissenschaftliche Forschung auf dem Gebiet der strukturierten Produkte betrieb und<br />
untersuchte zusammen mit Carsten Erner und Klaus Röder das Pricing von über 900 strukturierten<br />
Produkten (737 Discount Zertifikate und 169 Reverse Convertibles) im deutschen<br />
Markt auf der Basis täglicher Daten über den Zeitraum eines Monats (November 2001). Die<br />
Autoren wandten eine ähnliche Methodologie an wie Wohlwend, indem sie die Produkte duplizierten<br />
und je die impliziten Volatilitäten der im strukturierten Produkt eingebetteten Optionen<br />
mit derjenigen des Duplikates (eine EUREX-Option) miteinander verglichen. Die Ergebnisse<br />
der <strong>St</strong>udie zeigen auch im deutschen Markt ein signifikantes Mispricing der Produkte<br />
zuungunsten des Investors. 40 Rainer Baule, Ralf Rühling und Hendrik Scholz analysierten<br />
ihrerseits die Preisstellung von 272 Discount Zertifikaten (per Januar 2003) auf dem Sekundärmarkt<br />
und fanden grosse Unterschiede im Preisverhalten der Produkte verschiedener Emittenten,<br />
was unter anderem auch auf die Bonität der Emittenten zurückgeführt wurde. Die Emittenten<br />
mit besserem Bonitätsrating stellten auch im Sinne des Kunden vorteilhaftere Preise<br />
für die Produkte. 41<br />
Pavel <strong>St</strong>oimenov und Sascha Wilkens zeigten in ihrer grossflächigen Analyse von 2'566 strukturierten<br />
Finanzprodukten (Produkte mit dem DAX-Index oder einem einzelnen DAX-Titel<br />
als Underlying) das sich bisher fast durchwegs bekannte Bild eines Overpricings zugunsten<br />
der emittierenden Institution (d.h. zuungunsten des Anlegers) zum Ausgabezeitpunkt. 42 Der<br />
theoretische, faire Preis der Produkte wurde auch in dieser <strong>St</strong>udie nach dem bekannten Muster<br />
anhand der gehandelten EUREX-Optionen ermittelt und mit den gehandelten Preisen der<br />
strukturierten Produkte verglichen. Der Auswertung lagen tägliche Daten vom Zeitraum von<br />
August 2001 bis Oktober 2002 zugrunde. In einer weiterführenden Analyse, die das Pricing<br />
auf dem Sekundärmarkt der Produkte betraf (Daten per <strong>St</strong>ichdatum 10. Oktober 2002), zeigten<br />
zudem die Autoren, dass sich die Prämie auf dem theoretischen Wert der Produkte über<br />
den Lebenszyklus stetig verminderte und am Ende der Laufzeit teils sogar zugunsten der Investoren<br />
gepriced waren. Insgesamt ist aber bei den meisten Emittenten sowohl im Primär- als<br />
auch im Sekundärmarkt eine Preisstellung zuungunsten des Investors zu beobachten. Auf ein<br />
ähnliches Ergebnis kam in seinen Auswertungen auch Wohlwend, der aus Sicht des Anlegers<br />
ebenfalls vorwiegend ein Overpricing auf dem Primär- und Sekundärmarkt, teilweise aber<br />
auch ein leichtes Underpricing auf dem Sekundärmarkt feststellte. 43 <strong>St</strong>oimenov/Wilkens werteten<br />
in ihrer Analyse zum ersten Mal am deutschen Markt auch strukturierte Produkte mit<br />
exotischen Optionskomponenten aus, namentlich mit sogenannten Barrier- und Rainbow-<br />
Optionen, 44 und beobachteten, dass mit steigender Komplexität der Produkte das Overpricing<br />
ebenfalls stieg. 45<br />
40 Vgl. Wilkens/Erner/Röder (2003).<br />
41 Vgl. Baule/Rühling/Scholz (2004).<br />
42 Vgl. <strong>St</strong>oimenov/Wilkens (2005). Weiter sind die Ausführungen von <strong>St</strong>oimenov und Wilkens in einem weiteren Artikel<br />
über die gleiche Sachlage zu beachten (vgl. Wilkens/<strong>St</strong>oimenov (2007)).<br />
43 Vgl. Wohlwend (2001), S. 224ff.<br />
44 Rainbow-Optionen sind sogenannte multivariate Optionen, deren Wert von zwei oder mehreren Underlyings (z.B. einem<br />
Basket oder Portfolio) abhängt. Dabei spielen auch die Korrelationen der Underlyings für den Wert der Option eine Rol-
Einleitung 11<br />
In zahlreichen weiteren Analysen für den deutschen Markt wurde das Pricing von verschiedenen<br />
strukturierten Produkten (u.a. Turbo- und Hebel-Zertifikate, die heute in Form von Mini-<br />
Future Zertifikaten 46 aufgelegt werden, und Outperformance-Zertifikate) untersucht und meist<br />
ähnliche Schlüsse wie in den oben erwähnten <strong>St</strong>udien gezogen: Die Preisstellung der Emittenten<br />
ist insbesondere im Primärmarkt weitestgehend zuungunsten des Investors verglichen mit<br />
dem theoretisch "fairen" Preis. 47 Daneben wurde auch das Margenpotential der Emittenten<br />
von strukturierten Produkten im Retailmarkt betrachtet und versucht, die Attraktivität der<br />
Produkte aus Emittenten- und Investorensicht daraus abzuleiten. 48<br />
<strong>St</strong>udien für den österreichischen Markt beschäftigen sich ebenfalls mehrheitlich mit dem Pricing<br />
der Produkte und damit einhergehend mit den impliziten Volatilitäten der in den Produkten<br />
eingebetteten Optionen. Insbesondere Fischer, Keber und Maringer bzw. Schuster veröffentlichten<br />
eine Reihe von Arbeiten basierend auf konkreten Fallstudien von strukturierten<br />
Produkten, die ebenfalls vorwiegend für den Anleger ungünstige Preisstellungen zeigten. 49<br />
Erwähnenswert sind weiter zwei Arbeiten von Fischer, Greistorfer und Sommersguter-<br />
Reichmann, welche die Verkaufsargumente von Marketingpublikationen der Emittenten für<br />
Turbo- und Short-Zertifikate wissenschaftlich analysierten und dabei feststellten, dass einigen<br />
Einflussfaktoren (u.a. die Volatilität) auf das Pricing der Produkte zu wenig oder schlicht gar<br />
keine Beachtung geschenkt wird. 50<br />
Neben der viel beachteten Preisstellung wurde ein Aspekt der Produkte immer wieder betont,<br />
nämlich die neuen Opportunitäten für Retailinvestoren, dank solcher Produkte Investitionsalternativen<br />
zu erhalten, die bisher institutionellen Investoren oder sehr vermögenden Kunden<br />
vorbehalten waren. Diesem Aspekt wird im Kapitel 3 Rechnung getragen, indem ein umfassender<br />
Überblick über die verschiedenen Eigenarten und Charakteristika sowie eine klare<br />
Typologisierung dieser strukturierten Produkte gegeben wird.<br />
Zwei Arbeiten, welche die Attraktivität von SIP für den Retailmarkt spezifisch thematisieren,<br />
werden an dieser <strong>St</strong>elle beispielhaft erwähnt: auf der einen Seite die Untersuchungen von Milevsky<br />
und Kim für den nordamerikanischen (Kanada) und auf der anderen Seite diejenigen<br />
von Hary M. Kat für den europäischen (Niederlande) Markt. Kat geht einerseits sehr allge-<br />
le, daher werden diese oft auch als Correlation-Optionen bezeichnet (vgl. Hull (2003), S. 446). Zu Barrier-Optionen vgl.<br />
Kapitel 2.1.1 sowie die Angaben unter Fussnote 64.<br />
45 Die Komplexität der strukturierten Produkte und deren Folgen auf die Wahrnehmung der Produktkomponenten durch die<br />
Anleger und mögliche Implikationen daraus aufs Pricing der Produkte werden in Kapitel 6 weiter ausgeführt.<br />
46 Vgl. Hutter/Rüthemann/Wohlwend (2004), S. 35f. Mini-Future Zertifikate können long oder short ausgegeben werden. In<br />
dieser Forschungsarbeit wird dieser Produkttyp allerdings nicht spezifisch untersucht.<br />
47 Vgl. Scholz/Baule/Wilkens (2005), Baule/Scholz/Wilkins (2004) und Scholz/Ammann/Baule (2003) für Turbo- und Hebel-Zertifikate,<br />
Wilkens/Entrop/Scholz (2001) für Outperformance-Zertifikate und Wilkens/Scholz (2000) für Reverse<br />
Convertibles und Discount-Zertifikate. Wilkens/Röder (2003) wiederum zeigten in einer weiteren Analyse den Einfluss<br />
stochastischer Volatilität auf den theoretischen Wert von Reverse Convertibles und Discount-Zertifikaten gegenüber der<br />
Annahme konstanter Volatilität.<br />
48 Vgl. Baule/Entrop/Wilkens (2007) sowie Entrop/Scholz/Wilkens (2005).<br />
49 Vgl. Fischer/Keber/Maringer (1999), Fischer/Keber/Maringer (2000a), Fischer/Keber/Maringer (2000b), Fischer/Keber/<br />
Schuster (2000) und Fischer/Keber/Schuster (2001); vgl. ergänzend die Angaben in Wohlwend (2001), S. 193.<br />
50 Vgl. Fischer/Greistorfer/Sommersguter-Reichmann (2002) und Fischer/Greistorfer/Sommersguter-Reichmann (2003).
Einleitung 12<br />
mein auf die Produktausgestaltungen und -spezifika ein und streicht darin die Opportunitäten<br />
für die (Retail-) Investoren heraus, andererseits wird anhand einer nachgezeichneten Emission<br />
die Attraktivität der Produktgruppe aus Emittentensicht aufgezeigt und dabei auch in dieser<br />
Untersuchung schwerpunktmässig aufs Pricing der Produkte eingegangen. 51 Die Untersuchungen<br />
von Milevsky und Kim ihrerseits betten die neuen Produktgruppen respektive -<br />
variationen, die mit dem kombinierten Einsatz von Derivaten mit klassischen Anlagen konstruiert<br />
werden können, in den Kontext der Portfoliotheorie ein. Sie zeigen neben einer kleinen<br />
Tour d’Horizon durch verschiedene Produkttypen die Vorteile dieser Produkte als Portfoliobeimischung<br />
auch für Retailinvestoren auf. 52 Dass auch in ihrer Arbeit sehr stark auf den<br />
Kostenfaktor für Investoren respektive die Preisstellung der Produkte eingegangen wird, passt<br />
in den bisherigen Forschungsrahmen über strukturierte Produkte. Die Verbreitung strukturierter<br />
<strong>Investmentprodukte</strong> unter privaten Investoren im Retailmarkt spielt in dieser Arbeit in der<br />
Analyse und Beurteilung der Volatilitätsabhängigkeit des Produktabsatzes eine wichtige Rolle.<br />
1.4 Forschungslücke<br />
Insgesamt konzentrierte sich die bisherige Forschung auf das Pricing der strukturierten Produkte<br />
und vernachlässigte weitere interessante Aspekte wie zum Beispiel den Absatz respektive<br />
Umsatz dieser Produkte am Kapitalmarkt. Aufgrund der boomartigen Entwicklung der<br />
Produkte erscheint es nun überfällig, neben dem Pricing den Erfolg der strukturierten Produkte<br />
im Schweizer Markt, sprich ihren Absatz und dessen bestimmenden Faktoren, wissenschaftlich<br />
zu untersuchen. Wie die vorgängig beschriebenen <strong>St</strong>udien zeigen, verspricht eine<br />
genauere Betrachtung der in den strukturierten Produkten eingebetteten Optionskomponenten<br />
ein lohnendes Forschungsziel zu sein, da letztlich diese Derivate die Spezifika und damit auch<br />
die Attraktivität des Produktes bestimmen. Daher soll der Hauptfokus der Forschungsarbeit<br />
der Volatilität gelten und deren Einfluss auf den Absatz der strukturierten <strong>Investmentprodukte</strong><br />
genauer untersucht und auch empirisch betrachtet werden. Dabei spielt aber im Gegensatz zu<br />
den Untersuchungen über das Pricing nicht die exakt quantifizierte implizite Volatilität der in<br />
den SIP eingebetteten Optionen die entscheidende Rolle, sondern die mit den eingebetteten<br />
Optionen eingegangene Volatilitätsstrategie respektive Volatilitätsposition, die schliesslich<br />
mit der am Markt herrschenden Volatilitätserwartung (angezeigt durch die implizite Volatilität<br />
am Markt) verglichen wird. Dabei werden die Untersuchungen auf bezüglich der Volatilität<br />
richtungweisende <strong>St</strong>rategien beschränkt und nicht-richtungweisende von den Auswertungen<br />
ausgeklammert.<br />
Untersuchungen der Marktumsätze von strukturierten Produkten sind bisher nicht wissenschaftlich<br />
vorgenommen worden. Ein Grund dafür ist sicherlich auch der Mangel an einer<br />
umfangreichen Datenbasis, da solche Informationen lange Zeit schlicht nie systematisch aufbereitet<br />
wurden. Mit der nun vorliegenden Datenreihe der Schweizer Börse SWX, welche<br />
detaillierte Rohdaten auf täglicher Basis über jedes kotierte strukturierte Produkt von Januar<br />
51 Vgl. Kat (2000).<br />
52 Vgl. Milevsky/Kim (1997).
Einleitung 13<br />
2004 bis Dezember 2006 umfasst, werden die empirischen Auswertungen auf einer grossen<br />
Informationsdichte basieren, aus der Erkenntnisse über den Absatz und dessen Abhängigkeit<br />
von der Volatilität zu erwarten sind. Damit soll schliesslich die Forschungslücke über den<br />
Teilaspekt des Absatzes strukturierter <strong>Investmentprodukte</strong> geschlossen werden.<br />
1.5 Zielsetzung dieser Arbeit<br />
Die Forschungsarbeit geht der Frage nach dem theoretischen und empirischen Zusammenhang<br />
zwischen der Marktvolatilität und dem Absatz von strukturierten <strong>Investmentprodukte</strong>n<br />
nach und leistet einen Beitrag zur Schliessung der Forschungslücke über den Absatz von<br />
strukturierten Produkten im Schweizer Markt. Die Untersuchung einer Abhängigkeit des Produktabsatzes<br />
von der Volatilität wird zunächst auf theoretischer Basis durchgeführt und danach<br />
anhand der Empirie getestet.<br />
Die strukturierten Produkte stehen aufgrund der durch die im Produkt eingebetteten Derivate<br />
gegenüber der Marktvolatilität in einer spezifischen Abhängigkeit.<br />
Welche richtungweisende Volatilitätsposition wird über die strukturierten Produkte eingenommen?<br />
Welche über die Volatilitätsposition eingegangene Volatilitätsstrategie wird durch<br />
eine bestimmte erwartete Volatilitätsentwicklung theoretisch begünstigt?<br />
Solche Optionsstrategien werden analog in strukturierten Produkten angewandt, in denen eingebettete<br />
Derivate für ein entsprechendes Pay-off-Profil sorgen.<br />
Welchen Einfluss hat die erwartete Volatilitätsveränderung am Markt auf den Absatz der<br />
strukturierten Produkte?<br />
Die theoretischen Erkenntnisse werden sodann an der Empirie überprüft. Dabei werden sowohl<br />
die Gesamtebene der SIP-Typologie als auch die Ebene der einzelnen Produkttypen betrachtet.<br />
Null-Hypothese: Die Marktvolatilität hat einen Einfluss auf den Absatz von strukturierten<br />
<strong>Investmentprodukte</strong>n.<br />
Die Nullhypothese wird hinsichtlich der Gesamtabsatzdaten, der Absatzvolumen der einzelnen<br />
Volatilitätspositionen sowie auf Einzelproduktebene mittels einer multiplen Regressionsanalyse<br />
an der Empirie getestet.<br />
Sind Divergenzen zwischen Theorie und Praxis festzustellen? Worauf sind etwaige Divergenzen<br />
zurückzuführen?<br />
Die Beurteilung des Vergleichs der theoretischen Erwartungen mit den empirischen Erkenntnissen<br />
schliesst die Ausführungen.<br />
1.6 Aufbau<br />
Die Arbeit setzt sich nach der Einleitung aus den drei Hauptteilen Theorie (Kapitel 2-4), Empirie<br />
(Kapitel 5) und Beurteilung (Kapitel 6) zusammen. Dabei betrachtet die Theorie ausführlich<br />
die Hauptkomponenten der Forschungsthematik, die Marktvolatilität und die strukturierten<br />
<strong>Investmentprodukte</strong>, und legt damit die theoretischen und konzeptionellen Grundlagen
Einleitung 14<br />
für das theoretische Absatzmodell dieser Forschungsarbeit. Die Empirie testet danach die<br />
Erkenntnisse respektive Erwartungen aus der Theorie über den Einfluss der Volatilität auf den<br />
Absatz der SIP anhand effektiver Absatzdaten der an der SWX kotierten strukturierten Produkte.<br />
Abschliessend werden die theoretischen und empirischen Feststellungen miteinander<br />
verglichen und beurteilt. Nachfolgend wird der Aufbau noch graphisch illustriert:<br />
Marktvolatilität<br />
(Kapitel 2)<br />
Theoretisches Absatzmodell<br />
von SIP (Kapitel 4)<br />
Einleitung (Kapitel 1)<br />
Theoretische Grundlagen<br />
Beurteilung (Kapitel 6)<br />
<strong><strong>St</strong>rukturierte</strong><br />
<strong>Investmentprodukte</strong> (SIP)<br />
(Kapitel 3)<br />
Empirische Auswertungen<br />
(Kapitel 5)<br />
Schlussfolgerungen und Ausblick (Kapitel 7)<br />
Abbildung 1: Aufbau der Forschungsarbeit<br />
Anmerkung: Eigene Darstellung.<br />
Die Einleitung (Kapitel 1) gibt eine allgemeine Einführung in die Thematik der strukturierten<br />
Produkte, legt die Problemsituation dar und zeigt den <strong>St</strong>and der relevanten Forschung. Dabei<br />
wird die Forschungslücke identifiziert sowie die Zielsetzung der Arbeit definiert. Ausführungen<br />
über den Aufbau und das methodische Vorgehen der Forschungsarbeit sowie Definitionen<br />
der relevanten Begriffe ergänzen das Kapitel.<br />
Die Relevanz der Volatilität in der Optionsbewertung steht im Fokus in Kapitel 2. Neben einer<br />
allgemeinen Betrachtung gängiger Optionsbewertungsmodelle (insb. Black/Scholes-
Einleitung 15<br />
Modell und Put-Call-Parität) wird auf die Messung der Volatilität eingegangen und zudem die<br />
Eignung der impliziten Volatilität als Indikator (Forecasting) für die zukünftige Volatilitätsentwicklung<br />
untersucht. Weiter werden Eigenschaften der Volatilität (bspw. Mean-Reversion)<br />
und die Berechnungslogik von Volatilitätsindizes beleuchtet sowie Überlegungen zur Handelbarkeit<br />
der Volatilität und deren Einordnung als eigene Anlageklasse angestellt.<br />
Die strukturierten <strong>Investmentprodukte</strong> (SIP) werden in Kapitel 3 thematisiert. Es wird einleitend<br />
eine Übersicht über Marktgrösse, Marktfähigkeit und historische Entwicklung der Produkte<br />
in der Schweiz geschaffen sowie regulatorische und steuertechnische Aspekte der SIP<br />
betrachtet. Danach wird detailliert auf die verschiedenen Typen von strukturierten <strong>Investmentprodukte</strong>n<br />
im Schweizer Markt und deren unterschiedliche Typologisierungen eingegangen.<br />
Der Kern des Kapitels ist jedoch die Herleitung einer richtungsbezogenen Volatilitätsposition<br />
und die darauf basierende eigenständige Typologisierung der strukturierten Produkte in<br />
die Kategorien Volatilitätsposition long, short und neutral. Dazu werden die einzelnen Produkttypen<br />
je in ihre einzelnen Produktkomponenten, d.h. Basiswert und Option(en), zerlegt.<br />
Via Put-Call-Parität wird schliesslich anhand der eingebetteten Optionen eine richtungweisende<br />
Volatilitätsposition je Produkttyp bestimmt.<br />
In Kapitel 4 wird eingangs der Ansatz des Zusammenhangs von Absatz und Marktvolatilität<br />
erläutert und die Ergebnisse verwandter Forschungsarbeiten, die sich vorwiegend mit dem<br />
Zusammenhang zwischen dem Tradingvolumen von Optionen und Futures mit der Volatilität<br />
beschäftigten, aufgezeigt. Die konzeptionellen Grundlagen aus den Kapiteln 2 und 3 schaffen<br />
zusammen mit den empirischen Erkenntnissen verwandter Forschung die Basis zur Annahme<br />
einer theoretischen Volatilitätsabhängigkeit des Absatzes strukturierter Produkte. Das theoretische<br />
Absatzmodell beruht auf einer zu einem bestimmten Zeitpunkt auf Basis der Annahme<br />
der Mean-Reversion-Charakteristik der Volatilität erwarteten, richtungweisenden Volatilitätsveränderung,<br />
die eine <strong>St</strong>rategieempfehlung und entsprechend eine Absatzprognose für die<br />
verschiedenen Produkttypen aufgrund ihrer Volatilitätsposition respektive -sensitivität herleiten<br />
lässt.<br />
Das theoretische Absatzmodell wird darauf in Kapitel 5 anhand der Absatzdaten der an der<br />
SWX kotierten strukturierten Produkte über den Zeitraum von Januar 2004 bis Dezember<br />
2006 empirisch überprüft. Es wird eine Nullhypothese aufgestellt und mittels Regressionsanalysen<br />
getestet. Dabei wird der Produktabsatz nicht nur auf Gesamtabsatzebene der strukturierten<br />
Produkte, sondern auch für die einzelnen Produktkategorien gemäss deren Volatilitätsposition<br />
(long, short, neutral) sowie für die einzelnen Produkttypen untersucht. Die Auswertungen<br />
erfolgen auf Basis täglicher sowie wöchentlich und monatlich aggregierter Daten.<br />
Eine Beurteilung der wichtigsten Divergenzen zwischen der Theorie und Empirie sowie eine<br />
ausführliche Begründung dieser Gegensätze erfolgen schliesslich in Kapitel 6. Nach der Darstellung<br />
konkreter Handlungsempfehlungen schliesst die Forschungsarbeit mit der Zusammenfassung<br />
der Schlüsselerkenntnisse sowie einem kurzen Ausblick (Kapitel 7).
Einleitung 16<br />
1.7 Methodisches Vorgehen<br />
Nachfolgend werden die Ansätze der Erkenntnisgewinnung sowie das forschungsmethodische<br />
Vorgehen der Forschungsarbeit kurz erläutert und theoretisch eingeordnet.<br />
1.7.1 Einordnung nach Ulrich<br />
Ulrichs Kategorisierung der Forschungsmethoden in Grundlagenwissenschaft respektive angewandte<br />
Wissenschaft beinhaltet als Hauptmerkmale der allgemeinen Unterscheidung die<br />
Problementstehung und das Forschungsregulativ. Während bei der Grundlagenwissenschaft<br />
die Probleme aus der Theorie entstehen und die Wahrheit als Forschungsregulativ betrachtet<br />
wird, gilt bei der angewandten Wissenschaft die Nützlichkeit als Forschungsregulativ und der<br />
Praxiszusammenhang lässt Probleme entstehen. Ein weiterer markanter Unterscheidungspunkt<br />
ist der Praxisbezug der Forschung, der bei der angewandten Wissenschaft als unmittelbarer<br />
Zweck (konstitutiv) dient, wohingegen bei der Grundlagenforschung dieser nur akzessorischen<br />
Charakter hat, d.h. der Praxisbezug sozusagen lediglich als fakultativer Zusatz anzusehen<br />
ist. 53<br />
Die Forschungsarbeit orientiert sich sehr an der Praxis und strebt die Nützlichkeit in sehr hohem<br />
Masse an, so dass sie nach Ulrich in die Kategorie angewandte Wissenschaft eingeordnet<br />
wird.<br />
1.7.2 Ansatz der Erkenntnisgewinnung<br />
Der Ansatz der Erkenntnisgewinnung beinhaltet sowohl die theoretisch-konzeptionelle als<br />
auch die empirische Methodik. Mit dem theoretisch-konzeptionellen Ansatz werden Forschungsfragen<br />
beantwortet, ohne den direkten Bezug zur Wirklichkeit herzustellen, sondern<br />
eher bezugnehmend auf die logische Richtigkeit und Konsistenz mit dem bisherigen Wissen.<br />
Basierend auf den im Theorieteil beschriebenen Konzepten werden in dieser Forschungsarbeit<br />
für bestimmte Typen von strukturierten Produkten theoretisch günstige Volatilitätsstrategien<br />
in einem gegebenen Volatilitätsumfeld hergeleitet.<br />
Mittels empirischer Auswertungen werden daraufhin die theoretischen Erkenntnisse an der<br />
Wirklichkeit überprüft, indem Hypothesen getestet oder neue Hypothesen aus der Wirklichkeit<br />
abgeleitet werden. Dabei wird die Hypothese über die Abhängigkeit des Absatzes der<br />
strukturierten Produkte von der Marktvolatilität getestet.<br />
Daher werden in der Forschungsarbeit beide Formen der Erkenntnisgewinnung verwendet,<br />
wobei die empirische Komponente eher stärker gewichtet wird, der theoretischkonzeptionelle<br />
Teil aber dazu dient, die relevanten Forschungsfragen für den empirischen<br />
Teil abzuleiten. Daher nimmt der Literaturcheck als Forschungsmethode ebenfalls einen<br />
wichtigen Platz in dieser Forschungsstudie ein.<br />
53 Vgl. Ulrich (1984), S. 172f. sowie S. 177.
Einleitung 17<br />
1.7.3 Forschungsmethodisches Vorgehen<br />
In der Forschungsarbeit wird nach der deduktiven Forschungsmethodik vorgegangen, d.h.<br />
spezifische werden aus allgemeinen Erkenntnissen abgeleitet. Der deduktive Ansatz wird allgemein<br />
zur Überprüfung von Hypothesen verwendet, wobei eine Hypothese als Ausgangspunkt<br />
für eine empirische Untersuchung betrachtet wird. In der Forschungsarbeit bildet die<br />
Nullhypothese über den SIP-Absatz den Ausgangspunkt der empirischen Untersuchung, 54 die<br />
zuerst die Gesamtebene der SIP-Produkte betrachtet und erst danach auf die Produktebene der<br />
einzelnen SIP-Typen ausgedehnt wird. Daher kann hier von einer deduktiven Vorgehensweise<br />
gesprochen werden.<br />
Prinzipiell unterscheiden sich qualitative und quantitative Forschungsansätze bezüglich der<br />
methodischen Gewinnung oder Aufbereitung von gesammeltem Wissen. Dabei basieren<br />
quantitative Methoden vor allem auf Zahlen, Daten und <strong>St</strong>atistiken, während qualitative Ansätze<br />
verbale Aussagen aus Befragungen, Interviews oder Fallstudien als Basis ihrer Forschung<br />
verwenden. Die Auswertung der generierten Daten respektive Aussagen erfolgt über<br />
statistische Verfahren bei quantitativen und über interpretative Verfahren bei qualitativen<br />
Methoden. Mit der Auswertung von quantitativen Daten von strukturierten Produkten wird in<br />
der Forschungsarbeit ganz klar ein quantitativer Forschungsansatz verfolgt. Der quantitative<br />
Forschungsansatz wird oftmals in Verbindung mit deduktiven Vorgehensweisen angewandt,<br />
indem vermutete, allgemeine Zusammenhänge zuerst grundsätzlich überprüft und nachfolgend<br />
an spezifischen Problemstellungen weiter getestet werden.<br />
In der quantitativen Forschung können struktur-prüfende und struktur-entdeckende Verfahren<br />
unterschieden werden. <strong>St</strong>ruktur-prüfende Verfahren überprüfen schon vermutete Zusammenhänge<br />
zwischen Variablen, was demzufolge schon Vorkenntnisse erfordert, um überhaupt<br />
zweckmässige Annahmen über die Unterscheidung von abhängigen und erklärenden Variablen<br />
zu treffen. Als Verfahren kommt dabei in erster Linie die Regressionsanalyse in Frage. 55<br />
In der Forschungsarbeit wird primär ein struktur-prüfendes Verfahren angewandt, da die theoretischen<br />
Erkenntnisse sowie Ansätze verwandter Forschungsgebiete über derivative Instrumente<br />
und die schon angesprochenen konzeptionellen Grundlagen im ersten Teil der Arbeit<br />
(Theorieteil) erlauben, primäre Annahmen über vermutete Zusammenhänge der einzelnen<br />
Variablen zu treffen. Eine Nullhypothese wird auch im Theorieteil bereits formuliert. Zur<br />
Überprüfung der Nullhypothese werden schliesslich in den empirischen Auswertungen die<br />
Datenreihen der SWX Swiss Exchange mit detaillierten täglichen Rohdaten über jedes kotierte<br />
strukturierte Produkt von Januar 04 bis Dezember 06 mittels multipler Regressionsanalysen<br />
detailliert ausgewertet. Dabei wird die Abhängigkeit des SIP-Absatzes von der Marktvolatilität<br />
untersucht. 56<br />
54 Nach Bortz/Döring (2002), S. 30, ist die Hypothese bei der deduktiven Vorgehensweise der Ausgangspunkt, während die<br />
Hypothese bei induktivem Vorgehen das Resultat einer empirischen Untersuchung darstellt.<br />
55 Vgl. Backhaus et al. (2003), S. 7-15.<br />
56 Vgl. Nullhypothese im empirischen Teil in Kapitel 5.
Marktvolatilität 18<br />
2 Marktvolatilität<br />
Nachfolgend werden die konzeptionellen Grundlagen erörtert, auf denen die theoretischen<br />
Ausführungen der Forschungsarbeit und die Annahmen für die empirischen Auswertungen<br />
hinsichtlich der Marktvolatilität beruhen. Ziel ist es, die Wichtigkeit der Volatilität bei der<br />
Behandlung und Gestaltung von derivativen Produkten respektive bei strukturierten <strong>Investmentprodukte</strong>n<br />
herauszustreichen. Dies geschieht anhand einerseits breit anerkannter Theorien,<br />
wie das Black/Scholes-Modell zur Optionsbewertung, und andererseits empirischer Erkenntnisse,<br />
wie die Überlegenheit der impliziten Volatilität gegenüber anderen Methoden und<br />
Modellen (z.B. Time-Series-Modellen) als Indikator für zukünftige Volatilitätsentwicklungen<br />
oder auch die Betrachtung der Mean-Reversion-Charakteristik der Volatilität. Dabei steht<br />
jeweils die Volatilität oder der direkte Bezug zu dieser im Mittelpunkt der Ausführungen, die<br />
mit Darstellungen über Volatilitätsindizes und konkrete Produkte zur Handelbarkeit von Volatilität<br />
abgerundet werden.<br />
2.1 Derivate<br />
Die Anfänge der derivativen Finanzinstrumente gehen bis in die Antike zurück, wo Kaufleute<br />
schon eine Art Warentermingeschäfte untereinander abschlossen. Daneben sei historisch gesehen<br />
an die oft zitierte Tulpen-Mania in Holland erinnert, die im 18. Jahrhundert fast eine<br />
ganze Gesellschaft Tulpenzwiebeln mittels Optionen kaufen und verkaufen liess, angetrieben<br />
von schier endlos zu steigen scheinenden Spekulationspreisen, bis schliesslich die Preisblase<br />
zerplatzte. Dies ist eines der überlieferten schwarzen Kapitel aus den Anfängen derivativer<br />
Produkte, die bis heute immer wieder mit einem schalen Beigeschmack von gefährlicher, ja<br />
teils sogar unseriöser Spekulation in Zusammenhang gebracht werden und deren Beispiele es<br />
ja bekanntlich auch in der jüngeren Vergangenheit vieler gab. 57 Tatsächlich dienen Derivate<br />
nicht ausschliesslich zum Aufbau einer Risikoposition (Spekulation), sondern im Gegenteil<br />
genauso der Absicherung von Risikopositionen (Hedging) und somit zu einer Risikoallokation<br />
zwischen den Marktteilnehmern und damit auch zu einem verstärkten Informationsfluss<br />
zwischen den einzelnen Akteuren. Trotz mehrerer überlieferter Beispiele von früheren Einsätzen<br />
von Derivaten wurde aus heutiger Sicht im Jahre 1973 der <strong>St</strong>artschuss zum heutigen Siegeszug<br />
derivativer Finanzprodukte abgegeben, einerseits durch die bahnbrechenden Bewertungsmodelle<br />
von Fischer Black, Myron Scholes sowie Robert C. Merton 58 und andererseits<br />
durch die im gleichen Jahre eröffnete erste Derivatebörse der Welt, der Chicago Board of<br />
Options Exchange (CBOE). Daneben wuchs mit der grossen Erdölkrise in den siebziger Jahren<br />
und dem Zusammenbruch des Bretton-Woods-Systems, der das Ende fester Wechselkurse<br />
und des Goldstandards bedeutete, das Bewusstsein der Marktteilnehmer für die Marktrisiken<br />
57<br />
Vgl. Petrachi (1997), S. 41 und <strong>St</strong>ulz (2004), S. 3 sowie Géczy/Minton/Schrand (2007), S. 2405f. oder Rasch (2006a), S.<br />
B7.<br />
58 Black/Scholes (1973) beschrieben in ihrem Papier die später mit einem Nobelpreis ausgezeichneten Erkenntnisse über die<br />
nötigen Parameter zur Bewertung einer Option und führten damit ein Optionspreismodell (Black/Scholes-Modell) ein,<br />
das noch heute in der Praxis auf breiter Front zum Pricing von Derivaten angewendet wird (vgl. auch 2.1.2).
Marktvolatilität 19<br />
und deren Bedürfnis nach Absicherung dieser Risiken, was die Nachfrage nach derivativen<br />
Instrumenten stark steigen liess. 59 Es dauerte zwar eine Weile, doch dann folgten relativ rasch<br />
hintereinander die Gründung weiterer spezifischer Börsen für den Handel von standardisierten<br />
Optionen und Futures, so 1984 die London International Financial Futures Exchange<br />
(LIFFE) in London, 1988 die Swiss Financial Futures and Options Exchange (SOFFEX) in<br />
Zürich und 1990 die Deutsche Terminbörse (DTB) in Frankfurt. 60<br />
2.1.1 Optionstypen<br />
Eine kurze Einführung über unterschiedliche Optionstypen dient als Einleitung, um zu verstehen,<br />
was Optionen überhaupt sind, die in der Forschungsarbeit im Zusammenhang mit der<br />
Marktvolatilität eine wichtige Rolle spielen. Grundsätzlich wird bei Optionen zwischen den<br />
zwei Grundtypen Call- und Put-Optionen unterschieden. Call-Optionen werden auch als<br />
Kaufs-Optionen, Put-Optionen als Verkaufs-Optionen bezeichnet. In dieser Arbeit liegt das<br />
Augenmerk auf Optionen, welche dem Käufer ein Recht, aber keine Pflicht, zu einer bestimmten<br />
Transaktion (z. B. Kauf), zu einem bestimmten Zeitpunkt (z. B. Laufzeitende) oder<br />
während einer bestimmten Laufzeit, mit einem gegebenen Basiswert (Underlying), zu einem<br />
gegebenen Preis, einräumen.<br />
2.1.1.1 Europäische vs. amerikanische Optionen<br />
Bei Optionskontrakten werden grundsätzlich drei Typen unterschieden: Europäische und<br />
amerikanische Optionen sowie Optionen exotischen Typs. Europäische Optionen haben eine<br />
feste Laufzeit und können nur am Laufzeitende ausgeübt werden, wohingegen amerikanische<br />
Optionstypen auch schon vor Laufzeitende (d.h. jederzeit während der Laufzeit) ausgeübt<br />
werden können. Das bekannte Black/Scholes-Optionsbewertungsmodell wurde für den europäischen<br />
Optionstyp entwickelt, amerikanische Optionen können mittels anderer Modelle<br />
(z.B. Binomialmodell) einfacher und genauer bewertet werden. 61<br />
2.1.1.2 Exotische Optionen<br />
Als exotische Optionen werden generell nicht-standard Optionen bezeichnet, die sich von den<br />
gängigen Call- und Put-Optionen unterscheiden, wobei es keine allgemein gültige Definition<br />
für exotische Optionen gibt. Exotische Optionen werden in der Regel nicht standardisiert gehandelt,<br />
sondern werden als OTC-Produkte auf den Markt gebracht, obwohl es mittlerweile<br />
auch "exotische" Optionslösungen gibt, die quasi standardisiert eingesetzt werden. Exotische<br />
Optionen lassen sich auch in spezifische Unterkategorien einteilen, dabei stellen die sogenannten<br />
pfadabhängigen Optionen die wohl wichtigste Kategorie. Ebenfalls erwähnenswert<br />
sind Multifaktoroptionen, deren Preis nicht von einem, sondern mehreren Underlyings abhängig<br />
ist.<br />
59 Vgl. stellvertretend die Beschreibungen hierzu in Rasch (2006a), S. B7.<br />
60 Vgl. Petrachi (1997), S. 45. Siehe auch ebenda eine detaillierte Auflistung der wichtigsten Terminbörsen Europas inklusive<br />
ihres Eröffnungsdatums und dem Zeitpunkt der Handelseinführung von Optionen und Futures.<br />
61 Vgl. den Abschnitt 2.1.2 über Optionsmodelle.
Marktvolatilität 20<br />
Pfadabhängige Optionen zeichnen sich dadurch aus, dass deren Preis zum Ausübungszeitpunkt<br />
nicht ausschliesslich vom damaligen Kurs des Underlyings, sondern auch von den Preisen<br />
des Basiswerts während der Laufzeit vor der Ausübung, d.h. vom historischen Kursverlauf,<br />
abhängig ist. Als wichtigste Gruppen der pfadabhängigen Optionen sind Durchschnittsoptionen,<br />
besser bekannt als asiatische Optionen, und Barrier-Optionen zu bezeichnen. Der<br />
Wert von asiatischen Optionen berechnet sich nach dem Durchschnittskurs des Underlyings<br />
während der Laufzeit, 62 wohingegen der Wert respektive der Pay-off der Barrier-Option davon<br />
abhängt, ob der Basiswert eine bestimmte Schwelle (Barrier) während der Laufzeit der<br />
Option erreicht oder nicht. 63 Solche Optionen steigen in der Gunst der Anleger und werden<br />
vermehrt auch in strukturierten Produkten eingesetzt. Auf die Besonderheiten von exotischen<br />
Optionen und insbesondere deren Einsatz als Bausteine bei strukturierten Produkten wird im<br />
Verlauf der Arbeit noch vertiefter einzugehen sein. 64<br />
2.1.2 Optionsmodelle<br />
Der Optionspreis kann grundsätzlich in die beiden Komponenten Zeitwert 65 und innerer Wert<br />
unterteilt werden. Während der innere Wert vom Basiswert und dem Ausübungspreis bestimmt<br />
wird, sind die Einflussfaktoren des Zeitwerts die Volatilität, die Laufzeit, der Zinssatz<br />
und Dividendenzahlungen auf dem Basiswert. Während der innere Wert einer Option einfach<br />
und genau berechnet werden kann, 66 ist der Zeitwert schwieriger zu eruieren, da dieser eine<br />
Art Wahrscheinlichkeitsmass oder Erwartungswert für die Chance darstellt, dass die Option<br />
am Ausübungszeitpunkt überhaupt einen inneren Wert aufweist. Um diesen Zeitwert zu berechnen,<br />
gibt es verschiedene Methoden und Optionsmodelle, auf die hier nur kurz eingegangen<br />
wird. In erster Linie wird die Wichtigkeit und Relevanz der Volatilität in der Optionspreistheorie<br />
herausgestrichen, andere Einflussfaktoren wie insbesondere die Kursentwicklung<br />
des Underlyings oder auch die Zinssituation werden hier ausgeblendet.<br />
Die Grundüberlegung der bekannten Optionsmodelle ist dabei die Konstruktion (Hedge-<br />
Ratio) eines arbitragefreien Gleichgewichts bezüglich des Pay-offs zwischen einem Basiswert<br />
kombiniert mit einer risikolosen Anlage und einer Call-Option auf eben diesen Basiswert. Das<br />
bedeutet, dass über eine Replikation einer Call-Option mittels des Basiswerts und einer ver-<br />
62 Vgl. Hull (2003), S. 471f.<br />
63 Vgl. Hull (2003), S. 477f.<br />
64 Insbesondere Barrier Optionen werden in sogenannten Barrier Reverse Convertibles verwendet, Produkten mit einem<br />
bedingten Kapitalschutz (vgl. die Erläuterungen in Abschnitt 3.4.4 über Kapitalschutzprodukte). Für detaillierte Erklärungen<br />
und Illustrationen der verschiedenen Typen und Ausgestaltungen sowie zur Bewertung von exotischen Optionen<br />
vgl. stellvertrend Hull (2003), S. 458-496. Für Literaturverweise und für mögliche Kategorisierungen von exotischen Optionen<br />
in der Literatur sei auf die Angaben ebenda, S. 491f., verwiesen.<br />
65 Der Zeitwert kann noch weiter in eine Zins- und eine Versicherungskomponente aufgegliedert werden, was aber für die<br />
vorliegende Arbeit keine Bedeutung hat und daher hier nicht weiter dargestellt wird.<br />
66 Für eine Call-Option beträgt der innere Wert max [Basiswert-Ausübungspreis; 0], für eine Put-Option max [Ausübungspreis-Basiswert;<br />
0] respektive. Optionen, die über einen inneren Wert von > 0 verfügen, werden als "in-the-money" (im<br />
Geld) bezeichnet, solche ohne inneren Wert als "out-of-the-money" (aus dem Geld) und solche mit einem inneren Wert<br />
von exakt 0 als "at-the-money" (am Geld) (vgl. u.a. Hull (2003), S. 154f.).
Marktvolatilität 21<br />
zinslichen Anlage der Optionspreis arbitragefrei 67 ermittelt werden kann. Black/Scholes entwickelten<br />
auf dieser Basis ihr berühmtes Model, das auf die weiter unten betrachtete Formel<br />
zur Optionsbewertung führt und in der Praxis bis heute breite Verwendung findet.<br />
2.1.2.1 Put-Call-Parität<br />
Die Put-Call-Parität geht auf Hans R. <strong>St</strong>oll 68 zurück und ist eine Gleichgewichtsbedingung<br />
zwischen den Optionspreisen einer europäischen Put- und einer europäischen Call-Option mit<br />
identischem Basiswert und Ausübungspreis sowie gleicher Laufzeit. <strong>St</strong>olls Gleichgewicht<br />
basiert auf dem Gedankengut der Arbitragefreiheit an den Märkten und ist eine modellfreie<br />
Beziehung ohne Verteilungsannahmen der Parameter. Es ist bemerkenswert, dass <strong>St</strong>oll die<br />
Put-Call-Parität vor den bahnbrechenden Arbeiten von Black, Scholes und Merton (1973) 69<br />
theoretisch entwickelte und auch empirisch unterlegte.<br />
Wird nun der Kauf einer Call-Option c mit einer festverzinslichen Anlage mit dem Barwert<br />
−rT<br />
des Ausübungspreises K der Option auf der einen Seite ( c + Ke ) und der Kauf einer Aktie<br />
S (Basiswert) mit einer Put-Option p auf der anderen Seite ( p + S0<br />
) kombiniert, so erhält der<br />
Investor am Ende der Laufzeit der Optionen für beide Kombinationen exakt das gleiche Ergebnis,<br />
nämlich:<br />
max<br />
( ST , K )<br />
Bei Unterstellung von Arbitragefreiheit müssen diese beiden Kombinationen zum Zeitpunkt<br />
der Investition demnach denselben Wert haben, denn ein entsprechendes Preisungleichgewicht<br />
würde sogleich durch den Arbitrageprozess ausgeglichen werden. Dies führt schliesslich<br />
zur Put-Call-Parität:<br />
Gleichung 3<br />
c + Ke<br />
−rT<br />
= p +<br />
S0<br />
• c = Preis der Call-Option<br />
• p = Preis der Put-Option<br />
, wobei<br />
• K = Ausübungspreis (<strong>St</strong>rike) der Option<br />
• S = (gegenwärtiger) Preis der Aktie (Basiswert der Option)<br />
• r = risikoloser Zinssatz<br />
• T = Laufzeit der Option<br />
67 Arbitrage wird definiert als die Möglichkeit, einen risikolosen Gewinn ohne Einsatz von Kapital zu realisieren (vgl. u.a.<br />
die Arbeit von Ross (1976b) zur Thematik der Arbitrage-Theorie für das Pricing von Kapitalanlagen).<br />
68 Vgl. <strong>St</strong>oll (1969), siehe u.a. auch Hull (2003), S. 174f. für Erklärungen. Die in dieser Arbeit verwendete Notation unterscheidet<br />
sich leicht von derjenigen, die in <strong>St</strong>olls Arbeit Verwendung fand, ist aber nach Meinung des Autors leichter verständlich<br />
und insbesondere auch in den meisten Lehrbüchern heute so üblich.<br />
69 Vgl. die Ausführungen im folgenden Abschnitt 2.1.2.2.
Marktvolatilität 22<br />
<strong>St</strong>oll unterschied ursprünglich in seiner Arbeit nicht zwischen amerikanischen und europäischen<br />
Optionen, sondern leitete seine Theorie der Put-Call-Parität allgemein für Optionen her,<br />
die bis zum Verfall gehalten werden. 70 In einem Kommentar kritisierte Merton auch genau<br />
diesen Teil an <strong>St</strong>olls Arbeit und wies nach, dass die Put-Call-Parität für amerikanische (Put-)<br />
Optionen in spezifischen Situationen nicht gilt. 71 In einer Replik hierzu räumte <strong>St</strong>oll diesen<br />
Einwand von Merton auch ein, wies aber nach, dass empirisch gesehen, die Wahrscheinlichkeit<br />
eines Preises einer amerikanischen Put-Option, der einer Verletzung der Put-Call-Parität<br />
gleichkommt, sehr tief ist. 72 Einerseits zeigen weitere empirische Auswertungen und Weiterentwicklungen<br />
der Put-Call-Parität nach <strong>St</strong>oll und andererseits die Tatsache, dass in dieser<br />
Forschungsarbeit der Fokus auf strukturierte Produkte konstruiert mit europäischen Optionen<br />
liegt und trotz Mertons Einwand bedenkenlos auf <strong>St</strong>olls Optionsgleichgewicht gestützt werden<br />
kann, denn auf die Richtung der Volatilitätsposition eines Produkts oder Produktkombination<br />
an sich zielen die Kritikpunkte Mertons nicht ab. 73<br />
Separate Erwähnung soll an dieser <strong>St</strong>elle der Ansatz von William Margrabe finden, der mit<br />
seiner Bewertung von Austauschoptionen den die Put-Call-Parität stützenden Gedanken der<br />
Arbitragefreiheit zweier identischer, d.h. sich replizierender Positionen aufnahm und verfeinerte.<br />
74 Austauschoptionen unterscheiden sich insofern von einfachen Optionen, als sie nicht<br />
nur von einer, sondern von zwei verschiedenen unsicheren (Basis-) Kursentwicklungen abhängig<br />
sind. Die Analogie in der Beziehung des Werts der Austauschoptionen zum Gleichgewicht<br />
der Put-Call-Parität wird in Zimmermann sehr anschaulich gezeigt: "Eine Put-Option<br />
verkörpert das Recht, 'Risiko' (Aktie) gegen 'Sicherheit' (risikolose Anlage) zu tauschen, während<br />
die Call-Option das Recht darstellt, 'Sicherheit' gegen 'Risiko' zu tauschen." 75 Damit<br />
kann direkt auch die Put-Call-Paritätsgleichung (vgl. Gleichung 3) von <strong>St</strong>oll erklärt werden.<br />
2.1.2.2 Black/Scholes-Modell<br />
Fischer Black und Myron S. Scholes 76 haben mit ihrer 1973 veröffentlichten Formel zur Bewertung<br />
einer Option die Finanzwelt revolutioniert, wofür ihnen später zusammen mit Robert<br />
C. Merton auch der Nobelpreis für Wirtschaftswissenschaften verliehen wurde. 77 Das Modell<br />
70 Weitere wichtige Annahmen von <strong>St</strong>oll: keine Transaktionskosten, Zinssatz Soll = Zinssatz Haben sowie der Dividendenschutz<br />
der Optionen, d.h. Dividendenzahlungen sind in den Optionskontrakten berücksichtigt, respektive es wird von<br />
keinen Dividendenzahlungen ausgegangen (vgl. <strong>St</strong>oll (1969), S. 803f.).<br />
71 Vgl. Merton (1973b), S. 183f.<br />
72 Vgl. <strong>St</strong>oll (1973), S. 186f.<br />
73 Vgl. u.a. Gould/Galai (1974) als früher empirischer Bezug und insbesondere die Arbeiten von Klemkosky/Resnick (1979<br />
und 1980), die sich vertieft mit der Put-Call-Parität auseinandergesetzt haben und auch Mertons Kritikpunkte einarbeiteten.<br />
Siehe auch Gruber (2003), S. 15f. für Verweise auf empirische Auswertungen und ihre Ergebnisse der Put-Call-<br />
Parität an verschiedenen Finanzmärkten.<br />
74 Vgl. Margrabe (1978).<br />
75 Vgl. Zimmermann (2005), S. 207. Zimmermann bildet auch mit Margrabes Darstellung der Optionsbewertung den Bezug<br />
zum berühmten Irrelevanztheorem von Modigliani und Miller (1958) über die Irrelevanz der Finanzierungsform für Unternehmen<br />
(vgl. Zimmermann (2005), S. 206f.).<br />
76 Vgl. Black/Scholes (1973) und Merton (1973a). Merton seinerseits gelangte unabhängig von seinen Kollegen Black und<br />
Scholes zu ähnlichen Einsichten, die er im selben Jahr in einem Aufsatz publizierte.<br />
77 Bedauerlicherweise ist Fischer Black 1995 verstorben, so dass ihm die grosse Ehre der Auszeichnung verwehrt blieb.
Marktvolatilität 23<br />
von Black/Scholes lässt den fairen, sprich arbitragefreien Wert einer europäischen Option<br />
berechnen, indem eine Option jederzeit über eine Kombination aus einem Basiswert und einer<br />
verzinslichen Anlage dynamisch nachgebildet, sprich repliziert, werden kann: Dadurch wird<br />
ein arbitragefreier Wert für eine Option exakt bestimmbar. Die für den Optionspreis relevanten<br />
sechs Parameter sind neben dem Preis des Underlyings, dem <strong>St</strong>rike und der Laufzeit, auch<br />
die Volatilität, der risikolose Zinssatz sowie allfällige Dividendenzahlungen des Underlyings<br />
während der Laufzeit. 78 Keine Rolle spielt in der Bewertung hingegen die erwartete Rendite<br />
des Basiswerts, obwohl dies intuitiv wohl erwartet würde. 79 Die relevanten Parameter finden<br />
sich nachfolgend anschaulich in der Black/Scholes-Formel zur Bewertung einer europäischen<br />
Call-Option (Annahme: keine Dividendenzahlungen):<br />
Gleichung 4<br />
c = S Φ<br />
Gleichung 5<br />
d<br />
1<br />
Gleichung 6<br />
0<br />
−rT<br />
( d ) − Ke Φ(<br />
d )<br />
1<br />
2<br />
( S / K ) + ( r + σ / 2)<br />
2<br />
, wobei<br />
ln 0<br />
T<br />
= und<br />
σ T<br />
d d −σ<br />
Gleichung 7<br />
T<br />
2 = 1<br />
sowie<br />
1<br />
− z<br />
2<br />
x<br />
( x)<br />
= exp dz<br />
Φ ∫− ∞ 2π<br />
Die Parameter sind:<br />
• Volatilität σ<br />
• risikofreier Zinssatz r<br />
• Laufzeit der Option T<br />
• Kurs des Underlyings S<br />
• <strong>St</strong>rikepreis K<br />
2<br />
die Verteilungsfunktion der Normalverteilung bezeichnet.<br />
78 Im ursprünglichen Modell von Black/Scholes galt die Annahme, dass während der Laufzeit der Option keine Dividenden<br />
gezahlt werden. Dividendenzahlungen können über kontinuierliche Dividendenrenditen aber relativ einfach in die Formel<br />
integriert werden, soweit die kontinuierliche Dividendenrendite eine gute Approximation zu den diskreten Dividenden<br />
darstellt. Weitere Annahmen des Modells sind: konstante Zins- und Volatilitätsentwicklung, keine Transaktionskosten<br />
und <strong>St</strong>euern, das Underlying (Aktie) folgt einer geometrischen Brown'schen Bewegung, Debitzins ist gleich Kreditzins<br />
und eine Normalverteilung der Renditen des Underlyings (vgl. Black/Scholes (1973).<br />
79 Daneben wird in der Literatur auch die Risikoaffinität des Investors als Faktor genannt, die als Einflussgrösse zu erwarten<br />
wäre, aber ebenfalls keinen direkten Einfluss auf die Optionsbewertung hat (vgl. u.a. Cox/Rubinstein (1985), S. 36f.).
Marktvolatilität 24<br />
Von den genannten Parametern sind der Ausübungspreis (d.h. <strong>St</strong>rikepreis) K und die Laufzeit<br />
T im Optionskontrakt festgelegt und der Kurs des Underlyings S sowie der Zinssatz r sind am<br />
Markt direkt beobachtbar. 80 Es wird offenbar, dass der einzige Parameter der Formel, der<br />
nicht direkt beobachtet werden kann, die Volatilität ist. Daher wird dieser Wert über das<br />
Black/Scholes-Modell anhand des beobachteten Optionspreises am Markt geschätzt und als<br />
vom Markt erwartete Volatilität bezeichnet, die den aggregierten Volatilitätserwartungen der<br />
Marktteilnehmer entspricht. Man spricht hierbei von der in den Marktpreisen implizierten, der<br />
sogenannten impliziten Volatilität. 81 Es wird am Markt also quasi nicht der Optionspreis, sondern<br />
die Volatilität der Option gehandelt, denn diese basiert auf den unterschiedlichen Erwartungen<br />
und Einschätzungen der Marktteilnehmer und bestimmt dadurch die relative Attraktivität<br />
einer Option. Deshalb wird der Volatilität eine so grosse Beachtung zuteil, und sie wird<br />
als der wohl wichtigste Parameter der Option genannt, was sich auch darin zeigt, dass oftmals<br />
Volatilität und Pricing bei Optionen synonym verwendet werden. Aufgrund dessen beeinflusst<br />
die Volatilität auch das Pricing von strukturierten Produkten entscheidend, und es wird<br />
in der Forschungsarbeit entsprechend auf die Volatilität fokussiert und die jeweilige Volatilitätsposition<br />
der SIP extrahiert und genauer untersucht. 82<br />
Trotz bekannter Schwächen, auf die an dieser <strong>St</strong>elle nicht näher eingegangen wird, 83 hat sich<br />
das Modell von Black/Scholes in der Praxis durchgesetzt und wird heute branchenweit genutzt.<br />
Für die Zwecke dieser Forschungsarbeit ist nur die Tatsache relevant, dass die Volatilität<br />
anders als im Modell angenommen nicht konstant ist, was in diesem Kapitel später noch<br />
aufgezeigt wird. 84 Trotzdem werden die Schwächen respektive Ungenauigkeiten des Modells<br />
keinen direkten Einfluss auf die Forschungsergebnisse haben. Entscheidend ist vielmehr, dass<br />
damit die Wichtigkeit und Relevanz der impliziten Volatilität erklärt werden konnte, auf die<br />
im theoretischen Ansatz sowie später in der Empirie starkes Gewicht gelegt wird, indem die<br />
implizite Volatilität als Parameter für die zu erwartende Volatilitätsentwicklung respektive<br />
Volatilitätsveränderung genommen wird. In den nachfolgenden Abschnitten wird darauf noch<br />
weiter erklärend eingegangen.<br />
2.1.2.3 Binomialmodell<br />
Erwähnung sollen hier aber auch John Cox, <strong>St</strong>ephen Ross und Mark Rubinstein finden, die<br />
auf der gleichen Grundüberlegung der Replizierbarkeit einer Option wie Fischer Black und<br />
Myron Scholes ihren Optionsbewertungsansatz basierten, zur Beschreibung der Entwicklung<br />
des Basiswertes aber das Binomialmodell und nicht eine geometrische Brownsche Bewegung<br />
annahmen. Die Grundannahme der Risikoneutralität der Investoren führt dazu, dass alle An-<br />
80<br />
Der Zinsparameter wird über einen laufzeitkongruenten Kassazinssatz bestimmt, der zumeist auf einem Satz der <strong>St</strong>aatsanleihen<br />
("risikofreier" Satz) basiert.<br />
81 Vgl. auch die Ausführungen über die Messung der Volatilität in Abschnitt 2.2.2.<br />
82 Die meisten Forschungsarbeiten über strukturierte Produkte beschäftigten sich bisher mit dem Pricing der Produkte, wie<br />
die Übersicht in Abschnitt 1.2 zeigt. Wohlwend (2001) beispielsweise fokussierte auf die implizite Volatilität der in den<br />
Produkten eingebetteten Optionen in seinen Analysen.<br />
83 Vgl. hierzu stellvertretend u.a. Anders (1998), S. 145ff. und Hull (2003), S. 237ff.<br />
84 Vgl. u.a. Abschnitt 2.4.3 über das Phänomen Volatility Skew.
Marktvolatilität 25<br />
lagen, inklusive Optionen, denselben Ertrag abwerfen müssen, der wiederum genau dem risikolosen<br />
Zinssatz entspricht. Das Modell von Cox/Ross/Rubinstein kann im Gegensatz zum<br />
Black/Scholes-Modell auch zum Pricing von amerikanischen Optionen verwendet werden, da<br />
der Prozess des Basiswertes über einen sogenannten Binomialbaum in diskreter Zeit (discrete-time<br />
Model) 85 abgebildet und damit zu einem gegebenen Zeitpunkt einen möglichen Preis<br />
des Underlyings definiert. Diese gegebenen Zeitpunkte und die dazugehörenden Preise werden<br />
im Binomialbaum durch sogenannte Knotenpunkte definiert. 86<br />
Das Binomialmodell wie auch weitere Ansätze respektive Weiterentwicklungen sollen hier<br />
nicht weiter vertieft werden, da diese letztlich irrelevant sind für die Forschungsarbeit. 87 Der<br />
kurze Exkurs diente dazu, die Bedeutung des Parameters Volatilität in allen theoretischen<br />
Modellen bei der Bewertung und damit beim Einsatz von Derivaten aufzuzeigen und den<br />
Begriff der impliziten Volatilität ein erstes Mal aufzugreifen.<br />
2.2 Messung der Volatilität<br />
Die Ermittlung der Volatilität kann grundsätzlich rückwärtsgerichtet auf Basis historischer<br />
Volatilitätsdaten oder aber vorwärtsgerichtet mit Hilfe von Optionsmodellen aufgrund aktueller<br />
Marktkurse erfolgen. Diese sich unterscheidenden Methoden und der Unterschied zwischen<br />
der historischen und der impliziten Volatilität werden nachfolgend dargestellt.<br />
2.2.1 Historische Volatilität<br />
Zur Berechnung der historischen Volatilität werden vergangene, historische Daten respektive<br />
Kurse von Basiswerten verwendet. Die historische Volatilität eines Anlageprodukts widerspiegelt<br />
die Kursschwankungen dessen und kann relativ einfach auf Basis der Schlusskurse<br />
des Produkts berechnet werden. Erinnert sei an dieser <strong>St</strong>elle an die Definition und die Berechnung<br />
der Volatilität, wie sie eingangs der Arbeit gezeigt wurde. 88 Die Berechnung der<br />
historischen Volatilität erfolgt analog der Definition, allerdings werden hier Schlusskurse des<br />
entsprechenden Basiswerts als Messwerte eingesetzt. Aus den Preisen werden logarithmierte<br />
Renditen gebildet, indem der Quotient aus Endwert und Anfangswert der Periode gezogen<br />
wird.<br />
85 Das Black/Scholes-Modell geht von einem kontinuierlichen Prozess des Underlyings aus.<br />
86<br />
Vgl. Cox/Ross/Rubinstein (1979). Vgl. u.a. Hull (2003), S. 201-217 zur vertieften Erklärung der Optionsbewertung mittels<br />
Binomialbäumen.<br />
87 Für eine ausführliche Übersicht von Optionsmodellen und eine detaillierte Darstellung der verschiedenen Ausgestaltungen<br />
sowie zur Entwicklung von der Replikation zur risikoneutralen Bewertung einer Option sei hier anstelle vieler auf Wallmeier<br />
(2003) und Merton (1998) verwiesen.<br />
88 Vgl. die Definition in Abschnitt 1.2.3.
Marktvolatilität 26<br />
Gleichung 8<br />
T 1 ⎛ ⎛ S ⎞<br />
σ = ∑ ⎜ t ⎞<br />
⎟<br />
⎜<br />
ln<br />
⎜<br />
⎟<br />
T ⎟<br />
i= 1 ⎝ ⎝ S t −1<br />
⎠⎠<br />
• S = Kurs des Basiswertes<br />
• T = Länge der Zeitperiode<br />
2<br />
, wobei<br />
Um den Volatilitätswert σ zu annualisieren, wird dieser mit der Quadratwurzel der Periodizität<br />
der Kurswerte <strong>St</strong> multipliziert. Wird die Volatilität auf Basis von monatlichen Kurswerten<br />
berechnet, wird σ mit 12 multipliziert (siehe nachfolgend Gleichung 9), handelt es sich um<br />
Tagesdaten mit 250 (Anzahl Handelstage).<br />
Gleichung 9<br />
T 1 ⎛ ⎛ S ⎞<br />
σ = ⎜ t ⎞<br />
∑ ln ⎟<br />
⎜ ⎜<br />
⎟<br />
⎟<br />
× 12<br />
T i= 1 ⎝ ⎝ S t −1<br />
⎠⎠<br />
2<br />
(Bsp: Annualisieren der Volatilität auf Basis von Monatsdaten)<br />
Die beschriebene Form der Volatilitätsmessung mittels historischer Schlusskurse ist zwar<br />
relativ einfach und auch weit verbreitet, doch werden dabei aktuell am Markt zugängliche<br />
Informationen wie Intraday-Schwankungen oder tägliche Höchst- und Tiefstwerte nicht oder<br />
nur sehr beschränkt berücksichtigt. Nach Garman und Klass könnten aber genau diese Informationen<br />
zu einer effizienteren Bestimmung der Volatilität in Bezug auf die Vorhersehbarkeit<br />
des weiteren Verlaufs der Volatilität beitragen; es wären also mehr Informationen in der gemessenen<br />
Volatilität enthalten. 89 Ebenfalls in diese Richtung argumentiert Parkinson in seiner<br />
Arbeit und propagiert, neben den Schlusskursen auch tägliche, wöchentliche und monatliche<br />
Höchst- respektive Tiefstkurse in die Betrachtung mit einzubeziehen. 90 Garman/Klass berücksichtigen<br />
in ihren Betrachtungen darüber hinaus noch Eröffnungskurse (opening). 91 Diese<br />
beiden Arbeiten gelten als Wegbereiter der Extremwertmethodik in der Volatilitätsschätzung.<br />
Einen weiteren Ansatz zur Messung der historischen Volatilität lieferten Ball und Torous,<br />
welche die Maximum Likelihood Methodik einbezogen. 92<br />
89 Vgl. Garman/Klass (1980).<br />
90 Vgl. Parkinson (1980).<br />
91 Vgl. die Berechnung und Anwendung von sogenannten Average True Range (ATR), die von Händlern oft benutzt wird, um<br />
über die Volatilität mögliche Trends in den Optionskursen zu erkennen (vgl. Fontanills/Gentile (2003), S. 90f.).<br />
92 Vgl. Ball/Torous (1984).
Marktvolatilität 27<br />
Der Vollständigkeit halber soll hier ein in der Finanzmarkttheorie allseits bekanntes Mass,<br />
Beta β, des von William Sharpe entwickelten Capital Asset Pricing Modells (CAPM) 93 erwähnt<br />
sein, stellt das Beta als Mass für das systematische Risiko einer Anlage gegenüber dem<br />
Marktportfolio doch eine Art historische Volatilität dar. Das Beta berechnet sich anhand der<br />
Korrelation und der Volatilitäten der Einzelanlage im Vergleich zum Marktportfolio. 94 Für<br />
die weitere Arbeit spielt das Beta von Sharpe hingegen keine Rolle. 95<br />
Im Zusammenhang mit der Berechnung und Anwendung von historischen Volatilitäten sei<br />
noch spezifisch auf die unter Händlern oft angewendete Betrachtung der Kurse mittels sogenannter<br />
Bollinger Bands hingewiesen. Bollinger Bänder begrenzen je zwei <strong>St</strong>andardabweichungen<br />
ober- und unterhalb des gleitenden Durchschnittskurses (moving averages) des Basiswerts<br />
einen Trendverlauf des Titels und gelten unter Händlern als ein Spiegel (gauge) der<br />
Volatilität und ein Indikator für ein Überverkaufen respektive Überkaufen (overbought/oversold)<br />
eines Titels. Dabei wird von einem mean-reverting Prozess 96 der Volatilität<br />
ausgegangen. 97<br />
Für die Forschungsarbeit soll die Fokussierung auf die klassische Berechnung der historischen<br />
Volatilität reichen und die Erwähnung des Beta von Sharpe und die Nutzung von Bollinger<br />
Bändern nur ein kleiner Exkurs sein, der nicht mehr weiter verfolgt wird. Für weitergehende<br />
Erklärungen bezüglich der unterschiedlichen Berechnung und Darstellung der historischen<br />
Volatilität wird auf die Literatur verwiesen. 98<br />
2.2.2 Implizite Volatilität<br />
Anhand der schon betrachteten Black/Scholes-Optionsbewertungsformel 99 können die impliziten<br />
Volatilitäten aus den Marktpreisen der Optionen extrahiert und über ein iteratives Verfahren<br />
(z. B. über das Newton-Raphson-Verfahren) 100 bestimmt werden. Damit werden über<br />
die Optionspreise die am Markt aggregierten Schätzungen über den zukünftig erwarteten Volatilitätsverlauf<br />
einbezogen, woraus sich eine Art "Marktsatz" der Volatilität ergibt. Daher<br />
wird oft auch kolportiert, dass alle am Markt verfügbaren Informationen in den Optionspreisen<br />
respektive in der impliziten Volatilität enthalten sind und damit die Volatilität bei Optionen<br />
praktisch als ein Synonym des Marktpreises der Option betrachtet wird. Whaley sprach<br />
93 Vgl. Sharpe (1964).<br />
94 Die Formel von Beta der Einzelanlage i lautet:<br />
β<br />
σ × ρ<br />
i i,<br />
M<br />
i ≡ ; wobei σi die Volatilität der Einzelanlage i, σm die<br />
σ M<br />
Volatilität des Marktportfolios M und ρi,m die Korrelation der Einzelanlage i mit dem Marktportfolio M darstellen.<br />
95<br />
Für Erklärungen, Herleitungen und Literaturverweise über das Beta und das CAPM von Sharpe vgl. Spremann (2006), S.<br />
211ff.<br />
96 Vgl. dazu die Erklärungen unter 2.4.1.<br />
97 Vgl. Fontanills/Gentile (2003), S. 90f. und Claassen (2004), S. 17ff. sowie Ross (1998), S. 66-70.<br />
98 Vgl. z.B. auf Erklärungen und Verweise in Poon/Granger (2003), S. 480ff.<br />
99 Vgl. Gleichung 4, Abschnitt 2.1.2.2.<br />
100<br />
Das Newton-Raphson-Verfahren ist ein <strong>St</strong>andardverfahren zur numerischen Lösung von nichtlinearen Gleichungen und<br />
Gleichungssystemen.
Marktvolatilität 28<br />
im Zusammenhang mit der Konstruktion eines Volatilitätsindices auf Basis der impliziten<br />
Volatilität als "the market’s best assessment of expected volatility of the underlying stock index<br />
over the remaining life of the option". 101 Fragen, ob implizite Volatilitäten neben einem<br />
guten Indikator für zukünftig realisierte Volatilitäten auch informationseffizient sind oder<br />
nach dem Umfang der effektiv enthaltenen Informationen in Optionspreisen, dienten zwar<br />
schon oft als Untersuchungsgegenstand von Forschungsarbeiten und <strong>St</strong>udien, werden hier<br />
aber nicht weiter verfolgt, sondern es wird auf die entsprechende Literatur verwiesen. 102<br />
Vielmehr wird in den folgenden Ausführungen auf die Prognosegüte der verschiedenen Mess-<br />
und Forecastmethoden der Volatilität sowie der Gültigkeit von Whaley’s Zitat fokussiert. Auf<br />
einzelne Argumente und Phänomene (z.B. Volatility Smile), die der impliziten Volatilität den<br />
Marktpreis absprechen respektive deren Mass als aggregierten Marktschätzungen der erwarteten<br />
Volatilität teilweise in Frage stellen, wird später in diesem Kapitel vertiefter eingegangen.<br />
103<br />
Obwohl bei den Ausführungen auf die Volatilität von Aktienmärkten respektive die Messung<br />
der Volatilität über Aktienoptionen fokussiert wurde, sei darauf hingewiesen, dass das Prinzip<br />
der Volatilitätsmessung gleichermassen auch für andere Anlageklassen gilt. So kann die Volatilität<br />
an den Bond- und Devisenmärkten oder an Rohwarenmärkten nach gleichem Muster<br />
ermittelt werden. Zentral für dieses Kapitel war zu zeigen, wie die Volatilität sowohl anhand<br />
von historischen als auch aktuellen Daten gemessen werden kann. Dabei wurde als Referenzmarkt<br />
jeweils der Aktienmarkt verwendet, da dieser in vielen Betrachtungen und im öffentlichen<br />
Bewusstsein eine Hauptrolle einnimmt. Deshalb noch einmal der Hinweis darauf,<br />
dass die Volatilität auch auf anderen Märkten eine zentrale Grösse darstellt, die es zu beachten<br />
gilt.<br />
2.3 Forecasting der Volatilität<br />
Da die Annahme einer konstanten Volatilität von Black/Scholes leider mit der Realität bricht,<br />
ist es nicht möglich, ohne eine geeignete Forecastingmethode, eine theoretisch günstige Volatilitätsstrategie<br />
bei einem gegebenen Volatilitätsumfeld herzuleiten. Es braucht demnach eine<br />
Vorstellung über die zukünftig erwartete Entwicklung der Volatilität. In der Forschungsarbeit<br />
soll der gesuchte Indikator zur Vorhersage der erwarteten Volatilitätsentwicklung die implizite<br />
Volatilität sein. Es existieren umfangreiche <strong>St</strong>udien über Forecasting-Modelle der Volatilität<br />
und dabei sind grundsätzlich zwei Ansätze voneinander zu unterscheiden: einerseits die<br />
Vorhersage anhand optionsbasierter Methoden (d.h. basierend auf der impliziten Volatilität),<br />
andererseits anhand von sogenannten Time-Series-Modellen, die auf historischen Volatilitäts-<br />
101 Whaley (1993), S. 1.<br />
102 Vgl. insbesondere die Angaben unter Abschnitt 2.3 zur <strong>St</strong>udie von Poon/Granger (2003 und 2005); weiter siehe auch<br />
anstelle vieler Wallmeier (2003), Christensen/Prabhala (1998), Blair/Poon/Taylor (2001), Ederington/Guan (2002a), Giot<br />
(2003a) für die Aktien- und Bondmärkte oder Neely (2004) für eine Untersuchung der Thematik am Devisenmarkt respektive<br />
Giot (2003c) für den Einbezug von Rohwarenmärkten (Commodities). Weiter untersuchten Tarasev/Tsatsaronis<br />
(2006), inwieweit Informationen abgeleitet aus Optionspreisen des Aktien- und Geldmarktes Marktrisikoprämien erklären<br />
können.<br />
103 Vgl. die Ausführungen unter Abschnitt 2.4 und insbesondere unter 2.4.3.
Marktvolatilität 29<br />
daten basieren. Die historischen Volatilitäten sind also die effektiv aufgetretenen Volatilitäten<br />
auf Basis der historischen Schlusskurse der Underlyings, die impliziten Volatilitäten dagegen<br />
sind die jeweils aktuell am Markt erwarteten Volatilitäten, die aus den aktuellen Optionspreisen<br />
über das Black/Scholes-Modell abgeleitet werden können.<br />
Ser-Huang Poon und Clive Granger haben in einer umfangreichen Analyse 93 <strong>St</strong>udien, die<br />
das Testen von verschiedenen Methoden zur Vorhersage (Forecasting) der Volatilität untersuchten,<br />
ausgewertet und dabei eine eindeutige Überlegenheit der impliziten Volatilität gegenüber<br />
den Time-Series-Modellen festgestellt. Die untersuchten <strong>St</strong>udien beschränken sich<br />
nicht auf Aktienmarktvolatilitäten, sondern decken auch Untersuchungen am Devisenmarkt<br />
sowie bezüglich Zinsen ab, sowohl auf entwickelten (developed) wie aufstrebenden (emerging)<br />
Finanzmärkten. Auch wurden verschiedene Zeithorizonte (zwischen einem Tag und<br />
einem Jahr) für die Untersuchung berücksichtigt. 104<br />
2.3.1 Implizite vs. historische Volatilität<br />
Der empirische Zusammenhang zwischen impliziter und historischer Volatilität, Erklärungsgehalt<br />
und Prognosequalität der impliziten Volatilität als erwartete Volatilität für die Zukunft<br />
war zwar lange umstritten und immer wieder in Frage gestellt, 105 doch zeigen neuere und längere<br />
Zeitperioden umfassende empirische <strong>St</strong>udien, dass die implizite Volatilität als sehr guter<br />
Indikator für die zukünftige Entwicklung der Volatilität anzuerkennen ist. Insbesondere zeigen<br />
Christensen und Prabhala in ihrer <strong>St</strong>udie, dass seit dem Aktienmarktcrash im Oktober<br />
1987 ein sogenannter Regimeshift stattgefunden hat, d.h. die implizite Volatilität seit dem<br />
Crash im Vergleich zur historischen Volatilität weniger biased ist, d.h. weniger verzerrt respektive<br />
in eine bestimmte Richtung geneigt, als sie vorher war und somit seither eine hohe<br />
Korrelation zwischen der impliziten und realisierten Volatilität erreicht wird. 106 Guo und Wohar<br />
stützen in ihrer <strong>St</strong>udie diese These eines Regimewechsels nach dem Aktienmarkteinbruch<br />
1987. 107 Ähnliche Ergebnisse zeigt auch Schwert in seinen Untersuchungen kurz nach dem<br />
Crash und etwa zehn Jahre später. 108 In diesen <strong>St</strong>udien wird zwar die sich über die Zeit verändernde<br />
Volatilität thematisiert und entsprechende Zeitabschnitte eruiert, denen ein bestimmtes<br />
104 Poon/Granger (2003) und Poon/Granger (2005).<br />
105 Zum Beispiel von Canina/Figlewski (1993) für Indexoptionen auf den S&P 100 über den Zeitraum von März 1983 bis<br />
März 1987, d.h. einer Zeitreihe vor dem Crash im Oktober 1987; ähnliche Ergebnisse zeigten auch Untersuchungen von<br />
Lamoureux/Lastrapes (1993), die an der CBOE gelistete Aktienoptionen auf zehn ausgewählte Aktien im Zeitraum von<br />
April 1982 bis März 1984 analysierten. Siehe daneben auch Figlewski (1997) für eine Übersicht älterer Auswertungen<br />
und <strong>St</strong>udien.<br />
106 Vgl. Christensen/Prabhala (1998), S. 127f. Die Autoren untersuchten wie Canina/Figlewski (1993) Indexoptionen vom<br />
S&P 100, allerdings über den Zeitraum von November 1983 bis Mai 1995.<br />
107<br />
Vgl. Guo/Wohar (2006), welche die Volatilitätsindices des S&P 500 (VIX) und des S&P 100 (VXO) in ihre Analysen<br />
einbezogen.<br />
108 Vgl. Schwert (1989) und Schwert (1998). Allerdings zeigen Guo/Wohar (2006) und Schwert (1998) ebenfalls eine leichte,<br />
generelle Veränderung der Volatilitätsniveaus (eine leichte, aber nicht nachhaltige Erhöhung) infolge des Mini-Crashes<br />
im Oktober 1997, doch blieben die Folgen dieses Crashes sowohl auf den Aktienmarkt als auch auf die Marktvolatilität<br />
weniger einschneidend, womit da nicht von einem Regimewechsel gesprochen wird. Giot (2003b), der in seinen Untersuchungen<br />
im Nachgang der Finanzkrise in Asien von 1997 ebenfalls veränderte Volatilitätsniveaus von S&P 100 und<br />
Dax zeigt, redet dabei sogar von einem Regimewechsel, was aber mit Verweis auf die anderen Arbeiten abgeschwächt<br />
wird.
Marktvolatilität 30<br />
Volatilitätslevel (hoch, mittel, tief) zugeordnet wurde. Dabei wird aber jeweils nicht von einem<br />
Regimewechsel gesprochen, sondern vielmehr die typischen Phänomene des Clustering<br />
und der Mean-Reversion der Volatilität dargestellt, auf die im Kapitel 2.4 eingegangen wird.<br />
Der Informationsgehalt der impliziten Volatilität über die zukünftige Entwicklung der Volatilität<br />
scheint gegenüber den historischen Werten tatsächlich überlegen zu sein, auch wenn, wie<br />
oben erwähnt, die Annahme der konstanten Volatilität des der Eruierung der impliziten Volatilität<br />
zugrundeliegenden Black/Scholes-Optionsmodell von der Realität widerlegt wird. 109<br />
Selbstverständlich gibt es auch <strong>St</strong>udien, die zu einem völlig gegenteiligen Schluss kommen<br />
und der impliziten Volatilität jeglichen Informationsgehalt über die Tendenz der zukünftigen<br />
Volatilitätsentwicklung und jede Korrelation zwischen impliziter und zukünftig realisierter<br />
Volatilität absprechen. 110 Aber in der überwältigenden Mehrheit der wissenschaftlichen Arbeiten<br />
steht die implizite Volatilität als klar bester Indikator für die zukünftige Volatilitätsentwicklung<br />
da, auch wenn die über die Black/Scholes-Formel abgeleitete implizite Volatilität<br />
tendenziell im Vergleich zur tatsächlichen Volatilität jeweils eher höher zu sein scheint<br />
(upward biased). Insbesondere für den US-amerikanischen Aktienmarkt existieren viele Forschungsarbeiten,<br />
die diesen upward Bias feststellen. 111 Doran und Ronn beispielsweise weisen<br />
in ihrer Forschungsarbeit mittels der Untersuchung von Indexoptionen von S&P 500 und<br />
S&P 100 sowie Optionen auf den Gasmarkt nach, dass die implizite Volatilität zwar nicht ein<br />
unverzerrter, ein unbiased Vorhersagefaktor für die realisierte Volatilität ist, trotzdem aber<br />
ein effizienter. 112 Ein wahrer, gänzlich unverfälschter (unbiased) Indikator kann die implizite<br />
Volatilität basierend auf dem Black/Scholes-Modell darum nicht sein, da bekanntlich einige<br />
Grundannahmen des Modells den Gegebenheiten der Realität nicht entsprechen (z.B. Annahme<br />
konstanter Volatilität). 113<br />
Obwohl viele <strong>St</strong>udien auf dem Aktienmarkt basieren, da insbesondere über die rege gehandelten<br />
Indexoptionen der grossen Märkte eine umfassende Datenbasis vorliegt, 114 zeigen auch<br />
Ergebnisse anderer Märkte eine hohe Korrelation und Prognosequalität der impliziten Volatilität.<br />
115 Diese Erkenntnis wird nachfolgend noch detailliert wiedergegeben.<br />
109 Vgl. u.a. Christensen/Prabhala (1998), S. 148f. und die Ausführungen über die Volatility Skew unter Kapitel 2.4.3.<br />
110 Vgl. Canina/Figlewski (1993), 676f., die ihre Daten aber wie erwähnt auf einer sehr kurzen Zeitperiode und noch vor dem<br />
grossen Crash erhoben. Der Aktienmarktcrash wurde schliesslich auch als Grund für die Ineffizienz, d.h. die fehlende<br />
Korrelation, zwischen der impliziten und realisierten Volatilität eruiert (vgl. Christensen/Prabhala (1998), S. 126 und Doran/Ronn<br />
(2004a), S. 2f.).<br />
111 Vgl. Poon/Granger (2005), S. 46 und unter vielen Christensen/Prabhala (1998), Fleming (1998), Schwert (2001), Giot<br />
(2003a), Corrado/Miller (2005) und Doran/Ronn (2004a) sowie (2004b) inklusive Analysen von Optionen auf dem Gasmarkt<br />
oder Neely (2004) für den amerikanischen Devisenmarkt. Auch für andere Märkte kamen <strong>St</strong>udien zu analogen Ergebnissen,<br />
so beispielsweise Nishina/Maghrebi/Kim (2006) für den japanischen und Aboura (2004) für den französischen<br />
Aktienmarkt.<br />
112 Dieses leichte Überschiessen der impliziten gegenüber der zum damaligen Zeitpunkt tatsächlich realisierten Volatilität<br />
kann auf den Märkten auch mittels speziellen Produkten oder Handelsstrategien ausgenutzt werden, was in Abschnitt<br />
2.6.2 noch genauer betrachtet wird.<br />
113 Vgl. Doran/Ronn (2004a), S. 2f und S. 22.<br />
114 Vgl. u.a. Christensen/Prabhala (1998) mit einer Datenreihe über elfeinhalb Jahre.<br />
115 Vgl. die Betrachtung der Ergebnisse der <strong>St</strong>udie von Poon/Granger (2003) respektive Poon/Granger (2005).
Marktvolatilität 31<br />
Für den Schweizer Markt existiert ebenfalls eine spezifische <strong>St</strong>udie über die Prognosequalität<br />
von verschiedenen Modellen bezüglich der Volatilität des Swiss Market Index (SMI) aus dem<br />
Jahre 1998. Dabei untersuchen die Autoren die Schlusskurse des SMI und der Soffex-<br />
Optionen zwischen Februar 1991 und September 1993 und kommen ebenfalls zum Ergebnis,<br />
dass die implizite Volatilität eine im Vergleich zu Time-Series-Modellen überlegene Prognosegenauigkeit<br />
liefert. Zudem zeigen die Analysen, dass die implizite Volatilität bis zu einer<br />
Periode von zwanzig Tagen sogar ein nicht verzerrter (unbiased) Vorhersagefaktor darstellt<br />
und erst danach die Prognosegüte langsam abnimmt. 116 Aufgrund der Gesamtanalyse der verschiedenen<br />
<strong>St</strong>udien durch Poon und Granger im Allgemeinen und der Kongruenz mit den<br />
Ergebnissen der <strong>St</strong>udie über den Schweizer Markt im Speziellen wird in der Forschungsarbeit<br />
ebenfalls auf die implizite Volatilität als Spiegelbild der erwarteten Volatilitätsveränderungen<br />
abgestützt.<br />
2.3.2 Time-Series-Modelle<br />
Zu den Time-Series-Modellen werden neben Modellen der historischen Volatilität und der<br />
stochastischen Volatilität insbesondere die Modelle der GARCH-Familie gezählt, für deren<br />
Entwicklung Robert F. Engle 2003 den Nobelpreis für Wirtschaftswissenschaften verliehen<br />
bekam. 117<br />
2.3.2.1 GARCH-Modelle<br />
ARCH-Modelle brechen mit der Annahme von im Zeitverlauf konstanten Volatilitäten und<br />
nehmen eine schwankende Volatilität an. Heteroskedastizität bedeutet, dass die Varianz der<br />
<strong>St</strong>örterme in einem Regressionsmodell nicht zu jedem Zeitpunkt gleich (Homoskedastizität)<br />
ist. Die bedingte Varianz (conditional) wiederum hängt von der eigenen Vergangenheit (autoregressiv)<br />
der Zeitreihe ab, womit die bedingte Varianz der Gegenwart eine Funktion der gewichteten<br />
Varianzen der Vergangenheit ist.<br />
ARCH (m)-Modell:<br />
Gleichung 10<br />
m<br />
2<br />
2<br />
t = ω + ∑α<br />
iε<br />
t−1<br />
i=<br />
1<br />
σ , wobei<br />
• ω = Konstante<br />
• εt = Abweichung der stetigen Rendite zum Zeitpunkt t zur Durchschnittsrendite<br />
• α = Gewichtungsfaktor, mit der die Abweichungen von der Durchschnittsrendite gewichtet<br />
werden.<br />
116 Vgl. Adjaoute/Bruand/Gibson-Asner (1998), S. 298f. sowie insbesondere S. 316f.<br />
117 ARCH steht für autoregressive conditional heteroskedasticity. Engles Originalarbeit beschäftigte sich mit der Inflation (in<br />
UK), also einer makroökonomischen Zeitreihe (vgl. Engle (1982).
Marktvolatilität 32<br />
Das ARCH-Modell ähnelt in gewisser Weise der vorhin betrachteten Messung der historischen<br />
Volatilität, denn die ARCH-Varianz (= quadrierte Volatilität) wird aus der Summe der<br />
Konstanten ω und der quadrierten, gewichteten Abweichungen von der Durchschnittsrendite<br />
gebildet. Bei einer Annahme von ω = 0 und ohne eine spezifische Gewichtung mittels des<br />
Faktors a, respektive eine Gleichgewichtung der Abweichungen vom Durchschnitt, entspricht<br />
das ARCH-Modell der historischen Varianz. Der Gewichtungsansatz im ARCH-Modell erlaubt<br />
aber, Abweichungen verschieden stark zu gewichten, beispielsweise aktuelle Abweichungen<br />
stärker zu gewichten als solche, die weiter zurück in der Vergangenheit liegen. Insgesamt<br />
entspricht die Summe der Gewichtungsfaktoren αi dem Wert 1, d.h.<br />
Gleichung 11<br />
∑ m<br />
i<br />
α i<br />
= 1.<br />
118<br />
Diesen Gedanken der Gewichtung nach der Aktualität nimmt eine Verallgemeinerung des<br />
ARCH-Modells auf. Das GARCH-Modell entwickelt von Tim Bollerslev erlaubt es, die gesamten<br />
Vergangenheitswerte gewichtet nach ihrer Aktualität in die Schätzung mit einzubeziehen.<br />
119<br />
GARCH (m,n)-Modell:<br />
Gleichung 12<br />
m<br />
∑<br />
i=<br />
1<br />
n<br />
2<br />
t−<br />
i + ∑<br />
j=<br />
1<br />
2<br />
σ = ω + α ε β ε , wobei<br />
t<br />
• ω = Konstante<br />
i<br />
j<br />
2<br />
t−<br />
j<br />
• ε(t) = Abweichung der stetigen Rendite zum Zeitpunkt t zur Durchschnittsrendite<br />
• α = Gewichtungsfaktor, mit der die Abweichungen von der Durchschnittsrendite gewichtet<br />
werden.<br />
• β = Gewichtungsfaktor, mit der die Abweichungen von der Durchschnittsrendite gewichtet<br />
werden.<br />
• Nichtnegativitätsrestriktionen, damit die bedingte Varianz σ 2 t streng positiv ist: ω ><br />
0, αi ≥0 für i = 1,..., m und βj ≥ 0 für j = 1,..., n<br />
Die neue Varianz ist also sowohl abhängig von der alten Varianz als auch von der Abweichung<br />
von der Durchschnittsrendite in der letzten Periode. Es werden demnach nicht nur die<br />
kurzfristigen Entwicklungen (Abweichung in der letzten Periode), sondern auch die langfristigen<br />
Effekte (alter Varianzterm) berücksichtigt. Die Gewichtung nach der Aktualität ist zwar<br />
118 Vgl. Engle (1982), S. 1002.<br />
119 GARCH steht für generalized autoregressive conditional heteroskedasticity (vgl. Bollerslev (1986) und Taylor (1986), der<br />
offenbar unabhängig von Bollerslev das Modell in dieselbe Richtung weiter entwickelte).
Marktvolatilität 33<br />
sehr einleuchtend und verarbeitet auch mehr Informationen als eine klassische Messung über<br />
historische Volatilitäten, doch genau darin liegt auch die grosse Schwäche der GARCH-<br />
Modelle. Einerseits ist für eine relevante Betrachtung ein relativ langes Zeitfenster nötig, um<br />
der Gewichtung überhaupt Aussagekraft zu verleihen, doch über eine längere Zeitreihe sind<br />
auch entsprechend viele Abweichungsterme (ARCH) oder Gewichtungsfaktoren (GARCH)<br />
zu schätzen, was andererseits zu Ungenauigkeiten und insbesondere zu einem enormen, oftmals<br />
unangemessenen Rechenaufwand führen kann. Wie nachher gezeigt wird, sind die empirischen<br />
Ergebnisse der GARCH-Modelle für die Volatilitätsprognose ernüchternd und stehen<br />
nicht nur hinter denjenigen der impliziten, sondern ebenfalls der historischen Volatilität zurück.<br />
120<br />
Allenfalls erzielen GARCH-Modelle mit der Berücksichtigung und Einarbeitung von Intraday-Daten<br />
ermutigende Ergebnisse und dank der heutigen sich stetig verbessernden Rechnerleistungen<br />
und -kapazitäten sind solche Auswertungen auch vermehrt machbar. 121 Trotzdem<br />
kann mittels Einsatz der GARCH-Modelle keine besseren Ergebnisse erzielt werden in dieser<br />
Forschungsarbeit, da die Prognosefähigkeit der impliziten Volatilität bei weitem ausreichen,<br />
die Tendenz bzw. Richtung der erwarteten Volatilitätsveränderung festzustellen, was schliesslich<br />
für das theoretische Modell und die empirischen Auswertungen von Relevanz ist.<br />
Das GARCH-Modell ist die bekannteste und am weitesten verbreitete Anwendung der<br />
ARCH-Familie, so dass meist allgemein von GARCH-Modellen gesprochen wird, wenn Modelle<br />
nach den Ideen von Engle und Bollerslev verwendet werden. Diese Modelle wurden<br />
stetig weiter entwickelt und es gibt mittlerweile verschiedene Variationen dieser Anwendungen,<br />
auf die an dieser <strong>St</strong>elle aber nicht weiter eingegangen wird. 122<br />
2.3.2.2 Modelle der stochastischen Volatilität<br />
Hull und White 123 waren die ersten, welche die stochastische Volatilität als Diffusionsprozess<br />
in ihre Überlegungen integrierten und in ihr Modell einbauten. Schliesslich war es aber<br />
Heston, der es schaffte, diese Sicht in seinem Modell (Heston’s Modell) in eine geschlossene<br />
Form (closed-form solution) zu bringen. 124 In Hestons Formel wird das Volatilitätsrisiko vom<br />
Markt gepreist und damit kann nach Heston nur mittels einer anderen Position in einer Option<br />
das Volatilitätsrisiko gehedget werden. Bei Black/Scholes andererseits kann eine Option über<br />
ein Aktien- und Bondportfolio allein abgesichert werden. Bei der Berücksichtigung der Vola-<br />
120<br />
Vgl. die Betrachtung der Ergebnisse der <strong>St</strong>udie von Poon/Granger (2003) respektive Poon/Granger (2005) in Kapitel<br />
2.3.3.<br />
121 Vgl. die Darstellungen über die GARCH-Modelle in Andersen et al. (2005), S. 17-31 sowie die Verweise auf S. 29f.<br />
122<br />
Eine gute Übersicht über spezifische Weiterentwicklungen findet sich in Engle (2002). Eine aktuelle Übersicht über<br />
Time-Series-Modelle liefert Andersen et al. (2005).<br />
123 Vgl. Hull/White (1987).<br />
124 Vgl. Heston (1993).
Marktvolatilität 34<br />
tilität als stochastische Variable wird für die Renditen der Basiswerte eine Verteilung mit Fat<br />
Tails angenommen. 125<br />
Tägliche Daten anhand der Renditen der Underlyings können mittels der stochastischen Volatilität<br />
modelliert werden und erbringen auf Basis realisierter, historischer Volatilitäten sehr<br />
gute Ergebnisse in der Volatilitätsprognose, wie empirische Befunde zeigen. Ein Vergleich<br />
verschiedener Modelle basierend auf historischen Volatilitäten ergibt tendenziell eine leichte<br />
Überlegenheit der stochastischen Volatilitätsmodelle gegenüber GARCH-Modellen. 126 Allerdings<br />
gibt es noch nicht so viele empirische Befunde über die stochastische Volatilität, so<br />
dass diese Ergebnisse noch mit Vorsicht zu geniessen sind. Es sind vielmehr Kombinationen<br />
von GARCH-Modellen mit stochastischen Volatilitätsannahmen, die im Fokus der Volatilitätsprognosen<br />
sind und als eine womöglich genauere Alternative zur einfachen Form der impliziten<br />
Volatilität weiterentwickelt werden. 127<br />
2.3.3 Fazit<br />
Die Untersuchung der Genauigkeit der Methoden wurde für Zeitfenster von einem Tag bis zu<br />
einem Jahr durchgeführt und zeigte mehrheitlich ein einheitliches Bild der Überlegenheit der<br />
impliziten Volatilität, wenn auch besonders über kurze Zeiträume (v.a. Intraday und 1 Tag)<br />
die GARCH-Modelle ebenfalls gute Ergebnisse zeigten. 128 Als Faustregel gaben aber Poon<br />
und Granger an, dass je länger der Zeithorizont der Vorhersage ist, desto mehr nehmen vermeintliche<br />
Vorteile sehr sophistizierter Modelle ab und schwingt die implizite Volatilität als<br />
Indikator für die zukünftige Entwicklung der Volatilität oben aus. 129 Denn die insbesondere<br />
über längere Zeiträume schnell sehr aufwendig werdende Parametrisierung der GARCH-<br />
Modelle ist ein klarer Nachteil gegenüber der relativ einfachen, dafür aber sehr stabilen Betrachtung<br />
auf Basis von impliziten Volatilitäten. Dazu zeigen GARCH-Modelle zwar oftmals<br />
sehr gute "in-sample"-Ergebnisse, schneiden aber regelmässig weniger gut ab bei "out-ofsample"-Betrachtungen.<br />
130 Daher spielen die sophistizierteren Time-Series-Modelle in dieser<br />
Forschungsarbeit eine untergeordnete Rolle und werden hier auch nicht mehr näher betrachtet,<br />
auch wenn insbesondere die Güte der Prognosegenauigkeit anhand von stochastischen<br />
Volatilitätsmodellen noch nicht abschliessend beurteilt werden kann, da erst relativ wenige<br />
<strong>St</strong>udien darüber verfasst worden sind. Neben den empirischen Befunden spricht die höhere<br />
Verlässlichkeit der Ergebnisse und v.a. die weitaus einfachere Ableitung für die implizite<br />
Volatilität als zu fokussierendes Volatilitätsmass in dieser Forschungsarbeit. 131 Die erwähnten<br />
125 Vgl. Andersen et al. (2005), S. 14f. für einen kurzen, übersichtlichen Vergleich. Eine fokussierte Zusammenstellung der<br />
bisherigen Erkenntnisse der Modellierung basierend auf der stochastischen Volatilität finden sich auf S. 31-47. Eine aktuelle,<br />
detailliertere Übersicht bisheriger Arbeiten findet sich in Shepard (2004).<br />
126 Vgl. Koopman/Jungbacher/Hol (2004).<br />
127 Vgl. Poon/Granger (2003), Koopman/Jungbacher/Hol (2004), S. 26 und insbesondere Andersen et al. (2005) zur Übersicht<br />
über Volatilitätsmodelle und entsprechende Anwendungen im Bereich der Volatilitätsprognose.<br />
128 Vgl. stellvertretend Poon/Granger (2003), S. 493ff.<br />
129 Vgl. Poon/Granger (2005), S. 54.<br />
130 Vgl. stellvertretend Blair/Poon/Taylor (2001) für den amerikanischen Aktienmarkt (S&P 100) sowie Nishina/Maghrebi/<br />
Kim (2006) für sowohl den amerikanischen (S&P 500) als auch japanischen Aktienmarkt (Nikkei 225).<br />
131 Vgl. Poon/Granger (2005), S. 46.
Marktvolatilität 35<br />
Schwächen der impliziten Volatilität, insbesondere der sogenannte upward bias gegenüber<br />
der effektiv realisierten Volatilität sind für die Analysen nicht von Bedeutung, da einerseits<br />
effektiv nur die Richtung der erwarteten Volatilitätsveränderung eine Rolle spielt, diese aber<br />
nicht zu quantifizieren ist, und andererseits haben Analysen gezeigt, dass trotz des upward<br />
Bias die implizite Volatilität ein effizienter Vorhersagefaktor ist. Daher ist Whaley zuzustimmen,<br />
die implizite Volatilität kann als "the markets best assessment" betrachtet werden.<br />
132 Diesem Aspekt wird in Kapitel 2.5 entsprechend Rechnung getragen und die Volatilitätsindizes<br />
auf Basis der impliziten Volatilitäten detailliert unter die Lupe genommen, was für<br />
das theoretische Modell und die empirischen Analysen dieser Arbeit relevant sein wird.<br />
2.4 Eigenschaften der Volatilität<br />
Nachfolgend werden diejenigen typischen Eigenschaften der Volatilität hervorgehoben, die<br />
für die theoretischen Annahmen sowie die empirischen Auswertungen in der Forschungsarbeit<br />
von Bedeutung sind. Insbesondere die Eigenschaft der Mean-Reversion spielt eine wichtige<br />
Rolle, dient sie doch als Grundlage für die Annahmen über den möglichen Verlauf der<br />
künftigen Volatilität. Die Volatility Skew und das Clustering zeigen mögliche Ungenauigkeiten<br />
auf, die durch den Einsatz von Optionsmodellen oder bestimmten Forecasting-Methoden<br />
beim Schätzen der Volatilität entstehen können. Es gilt hier darauf hinzuweisen, dass solche<br />
Ungenauigkeiten für die Forschungsergebnisse nicht von entscheidender Relevanz sind, da<br />
die zu untersuchenden Volatilitätspositionen und -strategien nur auf richtungweisenden und<br />
nicht auf exakt quantifizierten Annahmen der Volatilitätsentwicklung beruhen.<br />
2.4.1 Mean-Reversion der Volatilität<br />
Unter einem Mean-Reversion-Prozess wird der Trend hin zu einem langfristigen Durchschnittswert,<br />
dem Gleichgewichtsniveau (mean, µ), verstanden, um den sich die Werte über<br />
die Zeit bewegen. Ein klassischer mean-reverting Prozess ist ein Quadratwurzel-<br />
Diffusionsprozess, ein stochastischer Prozess, der über eine stochastische Differentialgleichung<br />
definiert ist.<br />
Gleichung 13<br />
t<br />
( µ − X t ) dt ( X t ) dWt<br />
dX = η + σ<br />
, wobei<br />
• µ = Gleichgewichtslevel (Mean-Reversion-Level) des Prozesses<br />
• η = Driftfaktor (Mean-Reversion-Speed, rate), der das Ausmass der Bewegungen respektive<br />
der Anziehungskraft von µ bezeichnet<br />
• η(µ−Xt) = Driftterm des Prozesses; falls Xt > (
Marktvolatilität 36<br />
• Wt = Wiener Prozess<br />
• X0 = x als Anfangswertbedingung, um aus der Differentialgleichung ein stochastisches<br />
Anfangswertproblem zu generieren<br />
µ steht also für den langfristigen Durchschnitt der Volatilität (σ), dient als Orientierungspunkt<br />
und bildet eine Art Richtungslinie für die erwartete Bewegung der Volatilität. Die Eigenschaft<br />
der Mean Reversion bedeutet nun, dass sich die Werte der Volatilität um den Durchschnitt µ<br />
herum bewegen, wobei Abweichungen davon, d.h. Ausschläge nach oben oder unten sich<br />
mittels einem Anstieg respektive Sinken der Volatilität jeweils wieder ausgleichen und die<br />
Volatilität somit wieder dem Mean angeglichen wird (siehe Graphik unten).<br />
σ<br />
µ<br />
Abbildung 2: Mean-Reversion der Volatilität<br />
Anmerkung: Eigene Darstellung in Anlehnung an Hull (2003), S. 380.<br />
Black/Scholes hatten die Volatilität noch als konstant über die Zeit angenommen, was sich<br />
bekanntlich wider der Realität erwies. Dies veranlasste <strong>St</strong>ephen Heston dazu, das<br />
Black/Scholes-Modell mittels einer Simulation eines Quadratwurzeldiffusionsprozesses um<br />
eine stochastische Volatilität zu erweitern. Damit konnten sowohl der Kurs des Underlyings<br />
als auch seine Volatilität als stochastische Prozesse dargestellt werden. 133 Die schon erwähnte<br />
und als Heston's-Modell bekannte Erweiterung gilt als eine der wichtigsten Weiterentwicklungen<br />
des Black/Scholes-Modells. 134 Somit wird der Volatilität eine mean-reverting Charakteristik<br />
unterstellt. Die Mean-Reversion der Volatilität ist denn auch allgemein anerkannt und<br />
zeigt sich auch in verschiedenen empirischen Auswertungen und Modellannahmen. 135 Dar-<br />
133<br />
Eine der Annahmen des Black/Scholes-Modells ist, dass die Aktienkurse einer Brownschen Bewegung folgen. Eine<br />
Brownsche Bewegung ist auch ein stochastischer Prozess.<br />
134 Vgl. Heston (1993) und Ausführungen unter Kapitel 2.3.2.2.<br />
135 Vgl. u.a. <strong>St</strong>ein (1989), Grünbichler/Longstaff (1996), Rattray/Balasubramanian (2003), Moran (2004), Wagner/Szimayer<br />
(2004) sowie Andersen et al. (2005), wo sogar ein fixer Mittelwert (Mean) unterstellt wird (S. 80). Bodmer (1996) wie-<br />
t
Marktvolatilität 37<br />
über hinaus wird diese Eigenschaft in der Gilde der Derivathändler und Charttechniker stark<br />
beachtet und mit entsprechenden <strong>St</strong>rategien ausgenutzt. 136 Daher kann für die Ausführungen<br />
in der Forschungsarbeit von einer mean-reverting Eigenschaft der Volatilität ausgegangen<br />
werden, was in den folgenden Ausführungen über das Clustering der Volatilität nochmals<br />
unterstrichen wird. Nicht nur bezüglich der Volatilität wird von einem mean-reverting Prozess<br />
ausgegangen, vielmehr entwickelten Cox, Ingersoll und Ross ebenfalls auf dem Wurzeldiffusionsprozess<br />
ihr berühmtes Zinsmodell (CIR-Modell), das einen Trend zu einem mittleren<br />
Zinsniveau unterstellt. 137<br />
2.4.2 Clustering<br />
Grössere Volatilitätsausschläge kommen selten isoliert vor, grössere Schwankungen (sprich<br />
eine höhere Volatilität) ziehen ihrerseits meist weitere starke Schwankungen mit sich. Bei<br />
sehr tiefer Volatilität verhält es sich analog, das heisst, es können immer wieder längere Phasen<br />
relativer Ruhe (tiefe Volatilität) respektive relativer Hektik (hohe Volatilität) ausgemacht<br />
werden. Das Phänomen dieser Phasen einer bestimmten Schwankungsintensität, bezogen nur<br />
auf die Schwankungsbreite selbst, nicht aber auf das Vorzeichen derselben, wird als Clustering<br />
bezeichnet. Dieses sogenannte Volatility Clustering wurde schon von Mandelbrot in den<br />
Sechziger Jahre beschrieben. 138 Längere Zeiträume, die durch eine höhere (resp. niedrigere)<br />
Volatilität gekennzeichnet sind, können beispielsweise durch die unterschiedlich schnelle<br />
Verarbeitung von neuen Informationen, durch verzögerte Verarbeitung von unregelmässig<br />
auftretenden Nachrichten oder durch technologische Weiterentwicklungen und Finanzinnovationen<br />
hervorgerufen werden. 139 Trotz dieser Perioden verschiedener Volatilitätsniveaus und<br />
der Erwähnung eines Regimewechsels der Volatilität im Nachgang des grossen Crashs am<br />
Aktienmarkt von 1987, hat sich die Volatilität über die Jahrzehnte relativ konstant verhalten,<br />
sich zwar verändert über die Zeit, aber konstant zwischen verschiedenen Levels hin und her<br />
bewegt und ist damit einem mean-reverting Prozess gefolgt. 140 Mean-Reversion basiert auch<br />
auf dem Phänomen des Clustering, d.h. die Werte verharren jeweils eine gewisse Zeit auf<br />
einem bestimmten Niveau, um sich danach wieder dem langfristigen Mittel anzunähern,<br />
derum zeigt eine ausführliche, auch empirisch gestützte Betrachtung des Mean-Reversion-Prozesses von Aktienmarktrenditen<br />
sowie Überlegungen zu Aktienmarktvolatilitäten im Zusammenhang mit der langfristigen Prognostizierbarkeit<br />
der Aktienmarktrenditen und vergleicht dieses Modell u.a. mit dem für Aktienmarktrenditen ebenfalls verbreiteten Ansatz<br />
eines sogenannten Random Walk - Prozesses.<br />
136 Vgl. Claassen (2004).<br />
137 Vgl. Cox/Ingersoll/Ross (1985) und Erklärungen in Heston (1993), S. 335. Siehe auch Spremann/Gantenbein (2007), S.<br />
109-138, insbesondere S. 124f. über das CIR-Modell, für nähere Erklärungen und Entwicklungen von Zinsmodellen.<br />
138 Vgl. Mandelbrot (1963), S. 400ff. In einer anderen Arbeit bezeichnete Mandelbrot die beinahe periodische Abfolge hoher<br />
und tiefer Volatilität als den Joseph-Effekt in Anlehnung an die biblische Darstellung der sieben fetten und mageren Jahren<br />
(vgl. Madelbrot (1972)).<br />
139 Vgl. hierzu Frömmel (2005), p.35f. für Clustering der Volatilität am Devisenmarkt und die entsprechenden Verweise<br />
ebenda sowie Gerlach/Ramaswamy/Scatigna (2006), S. 82ff. für Aktien- und Bondmärkte in acht Ländern über die letzten<br />
150 Jahren. Daneben zeigt Schwert (2001), S. 5ff, dass die Volatilität an der Technologiebörse Nasdaq sich auf einem<br />
anderen Level bewegt als diejenige von S&P 500. Skinner (1989) wiederum untersuchte den Einfluss von kotierten<br />
Optionen auf die Volatilität des Underlyings und konnte eher eine reduzierende Wirkung feststellen, was in BIS (2006),<br />
S. 21f. bestätigt wurde.<br />
140 Siehe die Ausführungen in Guo/Wohar (2006), Schwert (1998) und insbesondere die umfassende Übersicht mit Daten<br />
über die letzten 150 Jahre in Gerlach/Ramaswamy/Scatigna (2006).
Marktvolatilität 38<br />
sprich zu normalisieren. Weitere, auch neuere <strong>St</strong>udien zeigen ebenfalls empirische Befunde<br />
des Volatility Clustering als ein häufig auftretendes Phänomen. 141<br />
Das Clustering ist womöglich auch auf Businesszyklen zurückzuführen oder wird dadurch<br />
zumindest verstärkt, denn die Empirie zeigt, dass sich die Volatilität auch aufgrund von<br />
volkswirtschaftlichen Zyklen ändert. So verhält sich die Volatilität an den Aktienmärkten<br />
makroökonomisch gesehen antizyklisch, d.h. während einer Rezession steigt die Volatilität,<br />
während sie bei Expansion wiederum eher sinkt. 142 In solchen Phasen spielen auch die sich<br />
ändernde Risikoaversion der Investoren eine Rolle, die eine generelle Unsicherheit an den<br />
Märkten widerspiegelt sowie eine wachsende Ungewissheit gegenüber Marktprognosen, makroökonomischen<br />
Fundamentaldaten oder der Geldpolitik der Notenbanken. 143 Der spezifische<br />
Einfluss eines jeden dieser Faktoren ist sehr schwierig zu eruieren und auch nicht unumstritten,<br />
doch verstärken diese den Trend einer Richtung der Volatilitätsveränderung und fördern<br />
entsprechend das Bilden eines Clustering. In dieser Forschungsarbeit wird auf diese Aspekte<br />
nicht mehr detaillierter eingegangen.<br />
2.4.3 Volatility Skew<br />
Da einige der Annahmen des Black/Scholes-Modells (insbesondere -wie schon mehrfach erwähnt-<br />
die konstante Volatilität) von der Realität widerlegt werden, was insbesondere nach<br />
dem grossen Crash am Aktienmarkt 1987 offenbar wurde, als am amerikanischen Aktienmarkt<br />
ein deutlicher Smile-Effekt der Volatilität beobachtet werden konnte, braucht es verlässliche<br />
Indikatoren zur Vorhersage von zukünftigen Volatilitätsveränderungen. Ein Volatilitäts-<br />
Smile entsteht, wenn der Graph der impliziten Volatilität für verschiedene Ausübungspreise<br />
mit gleicher (Rest-) Laufzeit eben nicht konstant, respektive flach ist wie von Black/Scholes<br />
angenommen, sondern die Volatilitäten unterschiedlich sind. 144 Dies bedeutet, dass die Marktschätzungen<br />
für die zukünftigen Volatilitäten für sonst identische Optionen mit unterschiedlichem<br />
Ausübungspreis von sich von einander differierenden Volatilitäten ausgehen und damit<br />
auch die Optionen unterschiedlich preisen. 145<br />
Untersuchungen zeigten auch, dass in den Jahren vor dem grossen Crash auf den Aktienmärkten<br />
1987 kein Smile-Effekt zu beobachten war, respektive der Smile sehr flach war. 146 Nach<br />
141 Vgl. u.a. Chou (1988), Schwert (1989) oder Baillie/Bollerslev/Mikkelsen (1996) unter vielen.<br />
142 Vgl. Gerlach/Ramaswamy/Scatigna (2006) identifizierten in ihrer Analyse ebenfalls diesen Link zu makroökonomischen<br />
Variablen, konnten aber keinen nachhaltig signifikanten Einfluss feststellen, den andere <strong>St</strong>udien zeigten oder zumindest<br />
annahmen (z.B. Schwert (1998), S. 17f., Campbell et al. (2001) oder BIS (2006).<br />
143 Vgl. BIS (2006), S. 15ff. sowie S. 25ff. und entsprechende Verweise ebenda; insbesondere Bekaert et. al. (2005) für den<br />
Faktor der Risikoaversion der Investoren. Für eine spezifische Analyse über den Einfluss der Geldpolitik auf den Derivatmarkt<br />
und die Volatilität siehe Upper (2006).<br />
144 Vgl. für graphische Illustrationen der Smile-Effekte anstelle vieler Hull (2003), S. 435ff. sowie Fontanills/Gentile (2003),<br />
S. 187ff. Bei Vorliegen eines Volatility Smiles ist die implizite Volatilität von (deep) in-the-money-Optionen ITM (d.h.<br />
<strong>St</strong>rike < Basiswert) und (deep) out-of-the-money OTM (d.h. <strong>St</strong>rike > Basiswert) liegenden Optionen höher als die Volatilität<br />
von at-the-money-Optionen ATM (d.h. <strong>St</strong>rike = Basiswert). Oft ist auch ein Skew-Effekt statt ein Smile-Effekt zu beobachten,<br />
d.h. die implizite Volatilität der OTM-Optionen ist jeweils tiefer als diejenige der ITM- und ATM-Optionen.<br />
145<br />
Andersen et al. (2005) sprechen von einem systematischen Underpricing von ITM- und OTM-Optionen durch das<br />
Black/Scholes-Modell (S. 14).<br />
146 Vgl. Rubinstein (1985), S. 455ff. für die Zeit von 1976-1978 und Rubinstein (1998) für die Zeit von 1983-1987.
Marktvolatilität 39<br />
dem Crash hingegen waren sehr steile Volatility-Smiles zu beobachten, und zwar nicht nur in<br />
den USA, sondern auch auf anderen Märkten wie Grossbritannien (FTSE), Deutschland<br />
(DAX) oder Japan (NIKKEI). 147 Diese Beobachtung ist teilweise auch auf den schon erwähnten<br />
Regimeshift nach dem grossen Crash der Volatilität zurückzuführen, den u.a. Christensen<br />
und Prabhala in ihrer <strong>St</strong>udie festgestellt haben. 148<br />
Gründe für solche Smile- oder Skew-Effekte sind nicht eindeutig identifizierbar respektive<br />
deren Einfluss nicht genau abschätzbar, geschweige denn quantifizierbar. Eine mögliche Ursache<br />
liegt in der Liquidität, mit der die Optionen gehandelt werden, die bei at-the-money<br />
Optionen oft um ein Vielfaches höher liegen als bei den anderen Optionen. Auch ist die Sensitivität<br />
von Optionen gegenüber der Volatilität unterschiedlich, insbesondere beim Übergang<br />
(at-the-money), an dem die Option einen inneren Wert > 0 annimmt. 149 Darüber hinaus sind<br />
die tatsächlich am Markt beobachteten und realisierten Renditen des Underlyings nicht wie<br />
von Black/Scholes angenommen normalverteilt, sondern vielmehr lognormalverteilt. Die<br />
Renditeverteilung weist leptokurtische Eigenschaften auf, was sich insbesondere in sogenannten<br />
"fat-tails" auswirkt, d.h. die Extremwerte erscheinen häufiger als bei einer Normalverteilung<br />
angenommen wird. Eine leptokurtische Verteilung der Renditen des Underlyings gibt<br />
auch Heston als Grund für Skew-Effekte an, wobei Heston die Korrelation zwischen der Volatilität<br />
und dem Spotpreis mitberücksichtigt. 150 Andere mögliche Faktoren sind Transaktionskosten,<br />
Bid/Ask-Spreads der Market Maker oder die womöglich falsche Annahme von<br />
Black/Scholes, dass der stochastische Prozess, dem der Basiswert folgt, keiner geometrischen<br />
Brown’schen Bewegung entspricht. 151<br />
Erwähnt sei hier auch, dass am Markt nicht nur die Volatilität von -ansonsten identischen-<br />
Optionen unterschiedlicher <strong>St</strong>rikepreise differierend ausfallen, sondern auch Smile-<br />
Eigenschaften in Bezug auf die Laufzeitenstruktur (term structure) von Optionen zu beobachten<br />
sind. Konkret weisen ansonsten identische (inkl. <strong>St</strong>rikepreis) Optionen mit unterschiedlichen<br />
Restlaufzeiten unterschiedliche implizite Volatilitäten am Markt auf. Eine Term <strong>St</strong>ructure<br />
der Volatilität hat in seiner Arbeit schon Black angenommen für Volatilitätsschätzungen. 152<br />
Solche Smile-Effekte am Markt sind natürlich bekannt und werden oftmals auch versucht,<br />
von den Marktteilnehmern auszunutzen. <strong>St</strong>rategien und Produkte hierzu sind vorhanden, so<br />
können Smile-Effekte auf der einen Seite bezüglich des Ausübungspreises über horizontale<br />
oder diagonale Spread-Optionsstrategien ausgenutzt werden, bei Smile-Effekten bezüglich<br />
der Volatilitätsstruktur (time structure) über sogenannte calendar spread-<strong>St</strong>rategien. 153 Ede-<br />
147<br />
Vgl. Rubinstein (1998). Weitere Ausführungen über den Smile-Effekt im US-Markt vgl. u.a. Ait-Sahalia/Lo (1998),<br />
Derman/Kani (1994) und Dupire (1994).<br />
148 Vgl. Christensen/Prabhala (1998), S. 127 und die Bemerkungen unter Kapitel 2.3.1.<br />
149 Vgl. für die Definition des inneren Werts einer Option Fussnote 66.<br />
150 Vgl. Heston (1993), S. 340.<br />
151<br />
Vgl. stellvertretend Gruber (2003), S. 23-27 zur weitergehenden Erklärung und für Beispiele zum Phänomen des Volatility<br />
Smile.<br />
152 Vgl. Black (1976).<br />
153<br />
Vgl. auch 2.6 bezüglich der Handelbarkeit der Volatilität. Zur Erklärung und Vertiefung der erwähnten Optionsstrategien<br />
vgl. Fontanills/Gentile (2003), 143ff.
Marktvolatilität 40<br />
rington und Guan zeigen in ihrem Papier weitere <strong>St</strong>rategien, wie systematisch das –wie sie<br />
sagen- Misprising der Optionen ausgenutzt werden kann. 154 In dieser Arbeit wird die Thematik<br />
nicht weiter vertieft, sondern es wird auf die erwähnte Literatur verwiesen.<br />
2.5 Volatilitätsindizes<br />
Die Bildung von Volatilitätsindizes geht auf eine Initiative der Chicago Board Options Exchange<br />
(CBOE) und Robert Whaley zurück, mit dem Ziel, ein Abbild der Schwankungen und<br />
Unsicherheiten des Marktes zu kreieren. So wurde 1993 der CBOE Volatility Index (VIX) 155<br />
eingeführt und etablierte sich rasch als der Benchmark für die vom Markt erwarteten Volatilitätsveränderungen.<br />
Der VIX misst demnach diese Markterwartungen, eine Art Konsensus-<br />
Schätzung oder -wie schon erwähnt und in Kapitel 2.3 als treffende Bezeichnung eruiert-<br />
nach Whaley "the market’s best assessment", 156 basierend auf den impliziten Volatilitäten aus<br />
den effektiv gehandelten Optionspreisen auf den Aktienindex und macht damit die Volatilität<br />
greifbar für die Investorengemeinde. Was zuerst nur als eine zusätzliche Informationsquelle<br />
für die Finanzmärkte konstruiert war, steht auch für den Anfang der Volatilität als eine neue<br />
Anlageklasse.<br />
Nachfolgend werden das Prinzip und insbesondere die Methodologie der bekanntesten Volatilitätsindizes<br />
beschrieben, wobei ein besonderes Augenmerk auf den Schweizer Aktienmarkt<br />
gelegt wird. Es wird detailliert auf die neusten, sich teils auch unterscheidenden Berechnungsmethodika<br />
einzelner Indizes wichtiger Finanzmärkte eingegangen und der Bogen zum<br />
nächsten Kapitel, der Handelbarkeit der Volatilität, gespannt.<br />
2.5.1 Prinzip VSMI<br />
Die implizite Volatilität ist bekanntlich die aktuell am Markt in den Optionspreisen enthaltene<br />
Volatilität und daher ein geeigneter Barometer über die von den Marktteilnehmern erwartete<br />
Volatilität. Als Volatilitätsindex der SWX Swiss Exchange zeigt der VSMI als laufzeitunabhängiger<br />
Hauptindex die implizite Volatilität aller am Markt (sprich an der EUREX) kotierten<br />
Optionen auf den Swiss Market Index (SMI) an. 157 Der SMI bildet die 20 liquidesten und<br />
grössten Titel aus dem SPI Large- und Mid-Cap-Segment ab, wobei die Gewichtung innerhalb<br />
des Indices auf der Free-Float - Kapitalisierung der einzelnen Titel basiert. 158 Für das<br />
Ziel, ausschliesslich (reine) Volatilität handelbar zu machen, muss ein entsprechender Index<br />
(hier: SMI) durch ein Portfolio (hier: VSMI) replizierbar sein, das nur auf entsprechende Volatilitätsschwankungen<br />
reagiert, nicht aber auf Preisschwankungen des (Underlying-) Indices.<br />
Es gilt also einerseits ein robustes Messinstrument der erwarteten Marktvolatilität zu bilden,<br />
154 Vgl. Ederington/Guan (2002b).<br />
155 Der VIX®, VIX-New®, VXN® sind eingetragene Marken der Chicago Board Options Exchange. Der Einfachheit halber<br />
und im Sinne der Übersichtlichkeit wird im Fliesstext dieser Arbeit auf die Markenbezeichnung verzichtet.<br />
156 Vgl. Whaley (1993), S. 1.<br />
157 Der VSMI® und der SMI® sind eingetragene Marken der SWX Swiss Exchange. Der Einfachheit halber und im Sinne<br />
der Übersichtlichkeit wird im Fliesstext dieser Arbeit auf die Markenbezeichnung verzichtet.<br />
158 Vgl. SWX (2007a), S. 1.
Marktvolatilität 41<br />
das andererseits wiederum als Basis (Underlying) für handelbare Volatilitätsprodukte dienen<br />
kann. 159 Der VSMI wird als laufzeitunabhängiger Hauptindex als ein aus sämtlichen am<br />
Markt verfügbaren, gehandelten SMI-Optionen unterschiedlicher Ausübungspreise berechnet<br />
und mit Hilfe der zwei Subindizes, die die (konstante) Restlaufzeit von 30 Tagen umschliessen,<br />
interpolar bestimmt. Der VSMI hat demnach keine Ausübungsfrist respektive Ablauffrist<br />
und eliminiert damit Effekte, denen Optionen und deren Volatilitäten unmittelbar vor Ausübungsfrist<br />
regelmässig unterliegen. 160<br />
Die bekannten VIX, Volatilitätsindex vom S&P 500, und VDAX-NEW, 161 Volatilitätsindex<br />
vom DAX, sowie VSTOXX, 162 Volatilitätsindex vom Dow Jones EURO STOXX 50, basieren<br />
prinzipiell hinsichtlich der Basis der einbezogenen Optionen und der Berechnung der Subindizes<br />
auf demselben Konzept wie der VSMI. Dem VSMI kann demzufolge analog zum amerikanischen<br />
Pendant VIX die Eigenschaft als Spiegel der gegenwärtigen <strong>St</strong>immung der Anlegergemeinde,<br />
als Investor Fear Gauge 163 , des Schweizer Marktes zugeordnet werden. Wie in<br />
den vorhergehenden Kapiteln beschrieben und auch spezifische <strong>St</strong>udien 164 über die Prognosefähigkeit<br />
solcher Indizes zeigen, sind Volatilitätsindizes, die auf der impliziten Volatilität<br />
abstützen, ein sehr guter Gradmesser und Wegweiser für die Volatilitätsprognose und sollten<br />
daher von den Börsen auch forciert werden als zusätzliche wertvolle Informationsquelle für<br />
die Investoren. Diesem Umstand wurde mit der jüngst vorgenommenen Neuberechnung (siehe<br />
folgenden Abschnitt) und Lancierung einer Art Indexfamilie von der CBOE sowie der<br />
SWX zusammen mit der Deutschen Börse nun auch Rechnung getragen.<br />
2.5.2 Berechnungsmethodik VSMI<br />
Der VSMI hat eine feste Restlaufzeit von 30 Tagen und berechnet sich während des Handelstages<br />
minütlich mittels linearer Interpolation der zwei Subindizes, die die Restlaufzeit von<br />
30 Tagen umschliessen. Insgesamt werden neben dem Hauptindex acht Subindizes berechnet,<br />
für jede Laufzeit der an der EUREX kotierten SMI-Optionen von einem Monat bis zu zwei<br />
Jahren (entspricht acht Fälligkeiten) je ein Subindex. Der Hauptindex selber ist also wegen<br />
der fixen Restlaufzeit unabhängig von Verfallterminen, wohingegen die Subindizes sehr wohl<br />
analoge Verfalltermine zu den SMI-Optionen aufweisen. 165 Damit werden in die Berechnung<br />
der Indizes sämtliche Optionen des SMI einbezogen, und zwar gewichtet nach dem Abstand<br />
zur jeweils effektiven at-the-money-Option. Insofern werden in den Volatilitätsindex sämtliche<br />
Informationen der Volatilitätsoberfläche der jeweiligen Optionsserie eingespeist und da-<br />
159 Vgl. CBOE (2003), S. 2.<br />
160 Insbesondere ATM-Optionen unterliegen gegen Laufzeitende sehr hohen Kurs- und damit Volatilitätsschwankungen, da<br />
sie sich zu diesem Zeitpunkt per Definitionem an der Schwelle zu einem inneren Wert ≥ 0 befinden.<br />
161 Der VDAX®, der VDAX-New® und DAX® sind eingetragene Marken der Deutsche Börse AG. Der Einfachheit halber<br />
und im Sinne der Übersichtlichkeit wird im Fliesstext dieser Arbeit auf die Markenbezeichnung verzichtet.<br />
162 Der VSTOXX® ist eine eingetragene Marke der STOXX Ltd. Der Einfachheit halber und im Sinne der Übersichtlichkeit<br />
wird im Fliesstext dieser Arbeit auf die Markenbezeichnung verzichtet.<br />
163 Vgl. Whaley (2000), S. 12f.: "The higher the fear, the higher the VIX."<br />
164<br />
Vgl. neben der Übersicht in Poon/Granger (2003) stellvertretend Giot (2003a), Corrado/Miller (2005), Nishina/Maghrebi/<br />
Kim (2006) und Aboura (2004).<br />
165 Insgesamt ergeben sich so 120 Subindices, von denen gleichzeitig nur deren 8 genutzt werden (vgl. SWX (2004), S. 4).
Marktvolatilität 42<br />
mit beispielsweise das in einem früheren Abschnitt besprochene Phänomen des Volatility-<br />
Smiles 166 in der Berechnung des VSMI berücksichtigt. Die Volatilität wird in diesem Konzept<br />
demnach nicht über die modelltheoretische Volatilität (z.B. mittels Black/Scholes-Modell)<br />
einer fiktiven Option berechnet, sondern über effektiv am Markt gehandelte Optionen, wodurch<br />
die Berechnung des VSMI unabhängig von jedwelchen Optionsmodellen ist. Dabei<br />
wird die Volatilität über die Varianzen, d.h. die quadrierte Volatilität, hergeleitet, um die Basis<br />
für den Handel reiner Volatilität zu legen, was aber bezüglich der Interpretation der Volatilitätswerte<br />
im Sinne der bisher in der Forschungsarbeit benutzten Terminologie keinen Einfluss<br />
hat. 167<br />
Die Berechnung des VSMI und der jeweiligen acht Subindizes erfolgt minütlich zwischen<br />
8.50 Uhr und 17.30 Uhr MEZ und umfasst zur exakten Bestimmung die folgenden Inputdaten:<br />
168<br />
• SMI Indexstand des SMI<br />
• OSMI Die besten Geld- (best Bid) und Briefkurse (best Ask) aller an der EUREX<br />
gehandelten SMI-Optionen<br />
• LIBOR Geldmarktzinssätze, die London Interbank Offered Rates, für 1-12 Monate,<br />
berechnet einmal täglich durch die Britische Bankiervereinigung.<br />
Die konkrete Berechnung des VSMI und der Subindizes ist zwar aufwändig darzustellen,<br />
zeigt aber, dass das Verfahren relativ einfach und verständlich ist. Darum wird hier das Berechnungskonzept<br />
des VSMI auch detailliert betrachtet, da der VSMI als Benchmark der Volatilität<br />
respektive als eine Art Volatilitätspulsmesser ("Investor Fear Gauge") eine wichtige<br />
Rolle spielen wird in den theoretischen und empirischen Betrachtungen in dieser Forschungsarbeit.<br />
169<br />
Die grundlegende Formel zur Berechnung der einzelnen Subindizes lautet folgendermassen:<br />
Gleichung 14<br />
2<br />
VSMI i = 100 ⋅ σ i<br />
, wobei<br />
Gleichung 15<br />
2 2 ∆K<br />
i,<br />
j<br />
1 ⎛ F ⎞<br />
( , ) ⎜ i<br />
σ 1⎟<br />
i = ∑ ⋅ R ⋅ −<br />
2 i M K i j ⎜<br />
−<br />
⎟<br />
, wobei<br />
Ti<br />
j K<br />
T<br />
i,<br />
j<br />
i ⎝ K i,<br />
0 ⎠<br />
• i = 1, 2, 3, ... 8<br />
• Ti = Zeit bis zum Verfalls der i-ten SMI-Optionsserie (OSMI)<br />
166<br />
Vgl. Kapitel 2.4.3.<br />
167<br />
Vgl. SWX (2004), S. 7f.<br />
168<br />
Vgl. SWX (2004), S. 3.<br />
169<br />
Das Berechnungskonzept inklusive eines ausführlichen Berechnungsbeispiels findet sich in SWX (2004) auf S. 6-11.<br />
2
Marktvolatilität 43<br />
• Fi = Forward-Wert abgeleitet aus den Preisen des i-ten OSMI, bei denen die absolute<br />
Differenz zwischen Call(C)- und Put(P)-Preisen minimal ist. 170<br />
Gleichung 16<br />
( C − P)<br />
Fi = K + Ri<br />
⋅ , wobei<br />
min −<br />
C<br />
P<br />
• Ki,j = Basispreis der j-ten OTM-Option des i-ten OSMI-Verfalls in aufsteigender Reihenfolge;<br />
eine Call-Option falls Ki,j > Fi, eine Put-Option falls Ki,j < Fi<br />
• ∆Ki,j = Intervall zwischen den Basispreisen beziehungsweise das halbe Intervall zwischen<br />
dem nächst höheren und dem nächst niedrigeren Basispreis Ki,j. 171<br />
Gleichung 17<br />
K i,<br />
j 1 K i,<br />
j−1<br />
∆K<br />
i,<br />
j =<br />
, wobei<br />
2<br />
+ −<br />
• Ki,0 = Grösster Basispreis unterhalb des Forwardpreises Fi<br />
• Ri<br />
Gleichung 18<br />
R<br />
i<br />
• ri<br />
= Refinanzierungsfaktor des i-ten OSMI<br />
ri<br />
⋅Ti<br />
= e , wobei<br />
= Risikoloser Zinssatz bis zum Verfall des i-ten OSMI<br />
• M(Ki,j) = Preis der Option Ki,j mit Ki,j ≠ Ki,0<br />
• M(Ki,0) = Durchschnitt aus Put- und Call-Preis am Basispreis Ki,0<br />
Mittels der beschriebenen Formeln können die einzelnen Subindizes nun berechnet werden,<br />
woraus am Ende der Hauptindex VSMI auf Basis der die 30 Tage umschliessenden zwei Subindizes<br />
interpolar ermittelt wird. 172<br />
Auf die Berechnung der eingehenden Faktoren und die einzelnen Schritte der Datengewinnung<br />
sowie -aufbereitung und der Datenfilterung aufgrund definierter spezifischer Qualitätsmerkmale<br />
soll hier nur kurz eingegangen, auf eine eingehende Darstellung einer Beispielrechnung<br />
an dieser <strong>St</strong>elle ganz verzichtet und vielmehr auf den Leitfaden der SWX verwiesen<br />
werden. 173<br />
Die Preise der kotierten Optionen werden einer Filterung unterzogen, damit sichergestellt<br />
werden kann, dass keine einzelnen Optionen mit nicht repräsentativen Preisstellungen den<br />
170 Falls kein eindeutiges Minimum existiert, wird ein Durchschnittswert der relevanten Forward-Werte verwendet.<br />
171<br />
An den Rändern wird der einfache Abstand zwischen dem höchsten (niedrigsten) und zweithöchsten (zweitniedrigsten)<br />
Basispreis verwendet.<br />
172 Die Subindices werden jeweils bis zwei Tage vor Verfall gerechnet, wobei der jeweils neue Subindex erstmals am zweiten<br />
Handelstag der zugehörigen SMI-Optionen ermittelt wird (vgl. SWX (2004), S. 7).<br />
173 Vgl. SWX (2004), S. 7ff.
Marktvolatilität 44<br />
Index verzerren. So werden beispielsweise Optionen ohne Kursstellung sowie diejenigen, die<br />
nur über Bid- oder Ask-Kurse, also einen einseitigen Markt verfügen, genauso negiert, wie<br />
diejenigen, die einen zu grossen Bid-Ask - Spread gemäss vordefinierter Bandbreiten aufweisen.<br />
Die endgültige Bestimmung der verwendeten Preise erfolgt auf Basis des Mittelkurses<br />
der Best-Bid - und Best-Ask - Kurse. Liegt zu einem bestimmten Zeitpunkt kein aktueller<br />
Mittelkurs vor, wird der letzte Handelspreis der Option oder dann der Settlementpreis vom<br />
Vortrag nacheinander gemäss Aktualität genommen. Eine weitere Dateneinschränkung ist die<br />
alleinige Berücksichtigung von Preisen, die mindestens einen Mindestwert von 0.5 Indexpunkten<br />
aufweisen. 174 So wird sichergestellt, dass in die Berechnung möglichst aktuelle und<br />
aussagekräftige Optionspreise einfliessen und der Index damit eine grösstmögliche Aussagekraft<br />
erreichen kann.<br />
Die endgültige Konstruktion des Hauptindices VSMI mit konstanter Restlaufzeit erfolgt nun<br />
anhand folgender Formel mittels linearer Interpolation: 175<br />
Gleichung 19<br />
⎡ ⎛ 2 N T − N T ⎞<br />
⎛ N T N T N<br />
i 2 − ⎞⎤<br />
1<br />
i<br />
365<br />
VSMI 100 ⎢T<br />
⎜ +<br />
= ⋅ i ⋅σ<br />
i ⋅<br />
⎟ + T ⎜ ⎟<br />
i+<br />
1 ⋅σ<br />
i+<br />
1 ⋅<br />
⎥ ⋅ , wobei<br />
⎢<br />
⎜<br />
⎣<br />
N T N ⎟<br />
⎜<br />
T<br />
N T N ⎟<br />
⎝<br />
−<br />
T N<br />
i 1<br />
i ⎠<br />
⎝<br />
−<br />
+<br />
i + 1<br />
i ⎠⎥⎦<br />
T<br />
• NTi<br />
= Zeit bis zur Fälligkeit des i-ten OSMI<br />
• NTi+1 = Zeit bis zur Fälligkeit des (i+1)-ten OSMI<br />
• NT<br />
= Zeit für die folgenden x Tage<br />
• N365 = Zeit für ein <strong>St</strong>andardjahr<br />
Nachfolgende Abbildung illustriert grafisch den empirischen Verlauf des VSMI über die vergangenen<br />
Jahre seit 1999:<br />
174 Vgl. SWX (2004), S. 8 ("Abschneiden der Flügel").<br />
175 Falls keine die konstante Restlaufzeit von 30 Tagen umfassende Subindices vorhanden sind, erfolgt die Berechnung des<br />
VSMI mittels einer Extrapolation unter Verwendung der beiden nächsten verfügbaren Subindices, die möglichst nahe an<br />
der Laufzeit von 30 Kalendertagen liegen (vgl. SWX (2004), S. 11).
Marktvolatilität 45<br />
60<br />
50<br />
40<br />
30<br />
20<br />
10<br />
0<br />
VSMI<br />
Feb 99<br />
Jun 99<br />
Oct 99<br />
Feb 00<br />
Jun 00<br />
Oct 00<br />
Feb 01<br />
Jun 01<br />
Oct 01<br />
Feb 02<br />
Jun 02<br />
Oct 02<br />
Feb 03<br />
Jun 03<br />
Oct 03<br />
Feb 04<br />
Jun 04<br />
Oct 04<br />
Feb 05<br />
Jun 05<br />
Oct 05<br />
Feb 06<br />
Jun 06<br />
Oct 06<br />
Feb 07<br />
Jun 07<br />
Oct 07<br />
Abbildung 3: Verlauf VSMI<br />
Anmerkung: Eigene Darstellung; Daten SWX von 01/99 bis 12/07.<br />
Die schon erwähnten VIX-New und VDAX-NEW sowie VSTOXX werden ebenfalls nach<br />
derselben Methode berechnet wie der VSMI. Als einzige kleine Differenz benutzt der VIX-<br />
New Minuten als Zeiteinheit und nicht Sekunden wie bei der Berechnung des VSMI, was<br />
aber auf die Berechnung an sich überhaupt keinen Einfluss hat. 176 Diese Methode wurde erst<br />
2003 von der CBOE in Zusammenarbeit mit Goldman Sachs & Co. anhand der neusten theoretischen<br />
Erkenntnisse, Industriestandards und der Praxis der Risikomanager sowie der Bedürfnisse<br />
der professionellen Anleger entwickelt und wurde von der SWX Swiss Exchange<br />
und der Deutschen Börse AG übernommen und für den VSMI und den VDAX sowie den<br />
VSTOXX erst seit dem 18. respektive 20. April 2005 so angewandt. 177 Die Indexanbieter berechneten<br />
daraufhin aber historische Zeitreihen, die beispielsweise für den VSMI bis Januar<br />
1999 zurückreichen, für den VIX sogar bis 1986. 178<br />
176 Vgl. CBOE (2003), S. 8.<br />
177 Der VIX stellte schon per September 2003 um. In einer gemeinsamen Projektgruppe entschieden die SWX Swiss Exchange<br />
und die Deutsche Börse AG ebenfalls in Zusammenarbeit mit Goldman Sachs & Co. das beschriebene Verfahren<br />
für ihre Indexfamilie anzuwenden (vgl. Deutsche Börse AG (2005), SWX (2004) und CBOE (2003) sowie Deutsche<br />
Börse AG/STOXX Ltd./SWX (2005a)).<br />
178<br />
Vgl. SWX (2004), S. 4 und CBOE (2003), S. 14 respektive die Zeitreihen auf http://www.swx.com und<br />
http://www.cboe.com.
Marktvolatilität 46<br />
2.5.2.1 Neue vs. ursprüngliche Berechnungsmethodik<br />
Die alte, ursprüngliche Version von VIX und VDAX, die auf Whaley zurückgehen, basierten<br />
auf Berechnungen modelltheoretischer Volatilitäten einer fiktiven at-the-money - Option gemäss<br />
dem Black/Scholes-Modell. 179 Ebenso verhielt sich die Berechnung des von der Banca<br />
del Gottardo 2002 initiierten, ursprünglichen VSMI. Der grosse Unterschied der ursprünglichen<br />
Version zur neuen Berechnungsmethodik liegt im ausschliesslichen Einbezug von<br />
ATM-Optionen in die Berechnung des Indices. Der Index repräsentiert hierauf die implizite<br />
Volatilität einer hypothetischen ATM-Option mit fixer Restlaufzeit (VIX 30 Tage,<br />
VSMI/VDAX 45 Tage). Über ein Iterationsverfahren werden dabei die impliziten Volatilitäten<br />
mittels des Black/Scholes-Modells ermittelt und schliesslich zum Index gewichtet. Die<br />
Berechnung ist demzufolge viel aufwändiger und weniger robust als bei der neuen Methode,<br />
da das schon mehrfach erwähnte Phänomen der Volatility Skew nicht berücksichtigt wird.<br />
Darüber hinaus leitet die neue Methode die Volatilität direkt aus den Optionspreisen ab ohne<br />
Einbezug aufwändiger Algorithmen oder von (Options-) Modellen mit entsprechend inhärenten<br />
Modellrisiken und Ungenauigkeiten. Ein weiterer Unterschied besteht darin, dass im alten<br />
Verfahren die Volatilität nicht über die Varianz sondern über deren Quadratwurzel berechnet<br />
wird. Die wichtigsten Differenzen finden sich nachfolgend tabellarisch dargestellt.<br />
Tabelle 1: Altes vs. neues Berechnungsverfahren der Volatilitätsindizes<br />
neues Verfahren altes Verfahren<br />
Fixe Restlaufzeit 30 Tage 45 Tage*<br />
Berechnung Volatilität via Varianz via <strong>St</strong>andardabweichung<br />
Einbezug Optionen<br />
Indexwert<br />
Berechnungsmethodik<br />
* VIX 30 Tage.<br />
Anmerkung: Eigene Darstellung.<br />
Optionen entlang der gesamten<br />
Volatility Skew<br />
Implizite Volatilität aller gehandelten<br />
Optionen<br />
Einfache Berechnung via Varianz,<br />
ohne Einsatz eines Optionsmodells<br />
Ausschliesslich ATM-Optionen<br />
Implizite Volatilität einer hypothetischen<br />
ATM-Option<br />
Iterationsverfahren, Einbezug<br />
Black/Scholes-Modell<br />
2.5.2.2 VSMI der Banca del Gottardo<br />
In der Schweiz führte die Banca del Gottardo am 9. August 2002 den Volatilitätsindex VSMI<br />
ein mit einer fixen Restlaufzeit von 45 Tagen. 180 Der Index umfasste ATM-Optionen und ermittelte<br />
mittels des Black/Scholes-Modells die implizite Volatilität einer hypothetischen<br />
179 Vgl. Deutsche Börse AG (2005) und CBOE (2003).<br />
180 Vgl. Banca del Gottardo (2002), S. 3f.
Marktvolatilität 47<br />
ATM-Option. Obwohl die Berechnung des Indices ausschliesslich auf ATM-Optionen basierte,<br />
wurde die Volatility Skew mittels einer linearen Korrektur durch den Market Maker,<br />
sprich durch die Banca del Gottardo, miteinbezogen. Daraus resultierte zwar nur ein Näherungswert,<br />
trotzdem war dies im Vergleich zur ursprünglichen Methodik des VIX und VDAX<br />
eine genauere Betrachtung der Marktvolatilität und deshalb als Weiterentwicklung zu bezeichnen.<br />
181 Mit der Neuberechnung und Neulancierung des VSMI durch die SWX Swiss<br />
Exchange wurde der Index der Banca del Gottardo obsolet und entsprechend die Berechnung<br />
per 3. Mai 2005 eingestellt. 182<br />
2.5.2.3 VIX<br />
Der ursprüngliche VIX basierend auf dem Konzept von Whaley unterscheidet sich neben der<br />
Berechnungsmethodik insbesondere hinsichtlich der Basis des Indices im Vergleich zum<br />
VIX-New. Der alte VIX basierte auf Optionen auf den S&P 100 Index (OEX-Optionen), ein<br />
Index, der die 100 hinsichtlich Kapitalisierung grössten Unternehmen des US-Marktes umfasst.<br />
183 Dieser orginäre Volatilitätsindex wird von der CBOE unter dem Kürzel VXO immer<br />
noch berechnet. 184 Die Restlaufzeit des VIX lag im Gegensatz zu den ursprünglichen Versionen<br />
des VSMI und VDAX immer schon bei 30 Tagen. Trotz der Neuerungen in der Berechnung<br />
und des Wechsels der Basisoptionen zeigen der VIX und der VIX-New eine sehr hohe<br />
Korrelation. 185<br />
Der VIX wurde 1993 eingeführt, aber auch für den im Herbst 2003 lancierten VIX-New existiert<br />
eine nachgeführte historische Datenreihe, die bis ins Jahre 1986 zurück reicht. 186 Die<br />
Datenbasis des VIX ist die umfangreichste aller Volatilitätsindizes.<br />
2.5.2.4 VDAX und VSTOXX<br />
Analog dem VSMI werden zur Berechnung des VDAX EUREX-Optionen (mit dem DAX als<br />
Underlying) herangezogen. Der ursprüngliche VDAX 187 wurde wie der VSMI der Banca del<br />
Gottardo berechnet, ohne allerdings einen korrigierenden Faktor einzusetzen, der die Verzerrungen<br />
aufgrund der Volatility Skew näherungsweise kompensieren sollte. Für den VDAX,<br />
neu lanciert am 18. April 2005, existieren historische Daten seit Januar 1992. 188<br />
181 Vgl. Banca del Gottardo (2002), S. 8.<br />
182 Vgl. Banca del Gottardo (2005).<br />
183<br />
Für eine detaillierte Darstellung und Analyse des ursprünglichen VIX vgl. stellvertretend Fleming/Ostdiek/Whaley<br />
(1995).<br />
184 Vgl. CBOE (2003), S.2ff.<br />
185 Vgl. die Ergebnisse der Korrelationsanalyse in Tabelle 4.<br />
186 Vgl. CBOE (2003), S.9f.<br />
187<br />
Vgl. Redelberger (1994) für die Beschreibung des originären Konzepts des (ursprünglichen) VDAX-Volatilitätsindex, der<br />
1994 von der Deutschen Börse eingeführt wurde.<br />
188 Vgl. Deutsche Börse AG (2005), S. 8.
Marktvolatilität 48<br />
Der VSTOXX wiederum ist das jüngste Mitglied der Familie der Volatilitätsindizes und bildet<br />
die Volatilität des Dow Jones EURO STOXX 50-Indices nach bekannter, neu entwickelter<br />
Methodologie ab. 189<br />
Daneben berechnet auch die französische Börse in Paris (MONEP) Volatilitätsindices mittels<br />
Optionen auf Basis des Aktienindex CAC 40. Moraux, Navatte und Villa beschrieben in ihrem<br />
Papier das Konzept der 1998 eingeführten Volatilitätsindizes VX1 und VX6, welche die erwarteten<br />
Volatilitätsveränderungen über einen Monat (VX1) respektive sechs Monaten (VX6)<br />
widerspiegeln. 190 Aboura zeigte in ihrer Arbeit, dass im VX1 zwar im Vergleich zu dessen<br />
amerikanischen respektive deutschen Pendants VIX und XDAX einen stärkeren (upward)<br />
Bias zu erkennen ist, dieser aber ebenfalls ein guter Indikator für die realisierte Volatilität<br />
darstellt und die früher in diesem Kapitel beschriebenen Prognosequalitäten der impliziten<br />
Volatilität auch für den französischen Aktienmarkt bestätigt. 191<br />
Die Methodologie kann auch auf Märkte angewandt werden, die über einen weniger entwickelten<br />
Derivatemarkt verfügen, auf sogenannten Emerging Markets. Skiadopoulos konstruierte<br />
nach der gezeigten Berechnungslogik einen Volatilitätsindex für den griechischen<br />
Aktienmarkt und erreichte ebenfalls gute und relativ stabile Ergebnisse in der Prognosefähigkeit<br />
bezüglich der tatsächlich realisierten Volatilität, ähnlich den vorgestellten Ergebnissen<br />
der weiter entwickelten Märkten. 192<br />
2.5.3 VLEU<br />
An dieser <strong>St</strong>elle soll noch auf den VLEU der Bank Leu 193 hingewiesen werden, ein traditionsreicher<br />
und ebenfalls viel beachteter Volatilitätsindex des Schweizer Aktienmarktes. Der<br />
VLEU war der erste Volatilitätsindex, der real-time berechnet, d.h. kontinuierlich während<br />
des Handelstages bei jedem sich verändernden Geld- oder Briefkurs neu berechnet wurde,<br />
und damit die erwarteten Volatiltätsveränderungen in Echtzeit quantifizierbar werden liessen.<br />
194 Heute ist das zwar keine Besonderheit mehr, sondern vielmehr <strong>St</strong>andard, doch kommt<br />
dem VLEU in dieser Hinsicht unter den Volatilitätsindizes in der Schweiz eine Vorreiterrolle<br />
zu.<br />
Die Berechnungsmethodik des VLEU unterscheidet sich grundlegend von derjenigen des<br />
VSMI und der oben beschriebenen Volatilitätsindizes anderer Märkte (VIX, VDAX-NEW)<br />
und folgt konzeptionell der Methodik von Cox und Rubinstein zur Bildung eines Optionsindices.<br />
195 Der VLEU gewichtet die durchschnittliche implizite Volatilität nach der Liquidität der<br />
189 Vgl. STOXX Limited (2005) und Deutsche Börse AG/STOXX Ltd./SWX (2005a).<br />
190 Vgl. Moraux/Navatte/Villa (1998).<br />
191 Vgl. Aboura (2004).<br />
192 Vgl. Skiadopoulos (2004).<br />
193 Der VLEU ist eine eingetragene Marke der Bank Leu. Der Einfachheit halber und im Sinne der Übersichtlichkeit wird<br />
im Fliesstext dieser Arbeit auf die Markenbezeichnung verzichtet.<br />
194 Vgl. Schäfer (1995), S. 3.<br />
195 Vgl. Schäfer (1995), S. 9. Für Konzept und Methodik zur Bildung eines Optionsindices siehe Cox/Rubinstein (1985).<br />
Dubacher und Zimmermann konzipierten nach analoger Methodik Anfang der neunziger Jahre einen Optionsindex für<br />
Aktienoptionen der SOFFEX im Auftrag der Zürcher Kantonalbank (ZKB) (vgl. Dubacher/Zimmermann (1990)).
Marktvolatilität 49<br />
Basistitel von at-the-money - Optionen der EUREX und hat eine durchschnittliche Restlaufzeit<br />
von 45 Tagen. 196 Die nachfolgende Tabelle zeigt die wichtigsten Unterschiede der Methodologien<br />
der beiden wichtigsten Volatilitätsindizes am Schweizer Markt auf.<br />
Tabelle 2: VSMI vs. VLEU<br />
VSMI VLEU<br />
Fixe Restlaufzeit 30 Tage 45 Tage<br />
Berechnung Volatilität via Varianz via <strong>St</strong>andardabweichung<br />
Einbezug Optionen<br />
Indexwert<br />
Berechnungsmethodik<br />
Gewichtungsmethode<br />
Subindizes<br />
Anmerkung: Eigene Darstellung.<br />
Optionen entlang der ganzen<br />
Volatility Skew<br />
Ausschliesslich ATM-Optionen, je<br />
6 liquideste Optionen pro Basiswert<br />
Call- und Put-Optionen Ausschliesslich Call-Optionen<br />
Implizite Volatilität aller gehandelten<br />
Optionen<br />
Einfache Berechnung via Varianz,<br />
ohne Einsatz eines Optionsmodells<br />
nach Abstand der Option zum aktuellen<br />
SMI-Indexwert (ATM-Option)<br />
8 Subindizes, getrennt nach Restlaufzeit<br />
(von 1 Monat bis 2 Jahre)<br />
Implizite Volatilität einer hypothetischen<br />
ATM-Option<br />
Iterationsverfahren, Einbezug Optionsmodelle<br />
(Black/Scholes- und<br />
Binomialmodell)<br />
nach Liquidität des Basiswerts<br />
Subindizes, gebildet je Underlying<br />
Als wichtigste Unterschiede des VLEU gegenüber des VSMI gilt es, den Einbezug der Liquidität<br />
der Basiswerte und deren Risikoveränderung herauszustreichen. Der VLEU berücksichtigt<br />
in der Berechnung nicht nur die Risikokomponente, die implizit in den Indexoptionen<br />
enthalten ist, sondern zieht auch die Risikoveränderung der im Index enthaltenen Basistitel<br />
mit ein. Die Liquidität der einzelnen Basistitel wiederum wird als Gewichtungsfaktor benutzt,<br />
um die Risikoerwartungen von Titeln mit hohen Volumina im Gesamtindex grösseres Gewicht<br />
beizumessen; 197 diese Komponente wird im VSMI nicht direkt berücksichtigt. Zur Berechnung<br />
des VLEU werden jeweils die sechs liquidesten Call-Optionen je Basiswert herangezogen<br />
und nach der Liquidität des Underlyings gewichtet. Weiter hat der VLEU eine fixe<br />
Restlaufzeit von 45 Tagen (VSMI 30 Tage) und bezieht nur Call-Optionen in die Berechnungen<br />
mit ein. Der Einbezug von Optionsmodellen (das Binomialmodell von Cox/Ross/Rubin-<br />
196 Vgl. Schäfer (1995), S. 10f.<br />
197 Vgl. Schäfer (1995), S. 5f.
Marktvolatilität 50<br />
stein als Grundlage, das Black/Scholes-Modell falls keine Dividenden anfallen während der<br />
Restlaufzeit) 198 ist ein weiterer gewichtiger Unterschied zwischen VLEU und VSMI, wobei in<br />
der ursprünglichen Version des VSMI ebenfalls über Optionsmodelle die jeweilige implizite<br />
Volatilität abgeleitet wurde.<br />
Trotz dieser fundamentalen Unterschiede in der Berechnung zeigen historische Auswertungen<br />
eine sehr hohe Korrelation zwischen dem VLEU und dem VSMI, die anhand der nachstehenden<br />
Graphik illustriert wird.<br />
70<br />
60<br />
50<br />
40<br />
30<br />
20<br />
10<br />
0<br />
Feb 99<br />
Jun 99<br />
Oct 99<br />
Feb 00<br />
Jun 00<br />
Oct 00<br />
Feb 01<br />
Jun 01<br />
Oct 01<br />
Feb 02<br />
Jun 02<br />
Oct 02<br />
Feb 03<br />
Jun 03<br />
Oct 03<br />
Feb 04<br />
Jun 04<br />
Oct 04<br />
Feb 05<br />
Jun 05<br />
Oct 05<br />
Feb 06<br />
Jun 06<br />
Oct 06<br />
Feb 07<br />
Jun 07<br />
Oct 07<br />
Abbildung 4: VSMI vs. VLEU<br />
VSMI VLEU<br />
Anmerkung: Eigene Darstellung; Daten SWX/Bank Leu von 01/99 bis 12/07.<br />
Auf Basis täglicher Daten der beiden Indizes von Januar 1999 bis Dezember 2007 erreicht die<br />
Korrelation nach Bravais/Pearson einen sehr hohen Wert von 0.962, wie aus den Ergebnissen<br />
der untenstehenden Tabelle 3 entnommen werden kann. Die Korrelation zweier Variablen x,<br />
y, ausgedrückt über den Korrelationskoeffizienten rx,y, zeigt deren (linearen) Zusammenhang<br />
und berechnet sich nach folgender Formel:<br />
198 Vgl. Schäfer (1995), S. 11.
Marktvolatilität 51<br />
Gleichung 20<br />
r<br />
Cov(<br />
x,<br />
y)<br />
x,<br />
y = , wobei<br />
σ xσ<br />
y<br />
• Cov(x,y): Kovarianz der Variablen x und y<br />
• σi: <strong>St</strong>andardabweichung (<strong>St</strong>reuung) der Variablen i<br />
Der Wertebereich des Korrelationskoeffizienten r liegt zwischen -1 und 1.<br />
Gleichung 21<br />
−1 ≤ r ≤<br />
1<br />
Ein Wert von -1 bedeutet ein perfekt negativer, ein Wert von 1 hingegen ein perfekt positiver<br />
Zusammenhang; r = 0 zeigt keinen linearen Zusammenhang zwischen den beiden Variablen.<br />
199<br />
Tabelle 3: Korrelation zwischen VSMI und VLEU<br />
Bravais/Pearson Correlation<br />
VSMI VLEU<br />
VSMI 1.000 0.962<br />
VLEU 0.962 1.000<br />
Anmerkung: Eigene Darstellung. Datenreihe: 01/99-12/07.<br />
Der VLEU wird in der Forschungsarbeit nicht als primärer Referenzindex bei der Ermittlung<br />
der erwarteten Volatilitätsveränderungen herangezogen, weshalb hier auf eine schemenhafte<br />
Konstruktionsdarstellung und beispielhafte Berechnung des Indices verzichtet und auf den<br />
Leitfaden der Bank Leu verwiesen wird. 200 Vielmehr wird in der Forschungsarbeit der VSMI<br />
Volatilitätsindex der SWX Swiss Exchange als Leitindex für die implizite Volatilität verwendet,<br />
da dieser die neusten Entwicklungen in Theorie und Praxis in die Berechnungsmethodik<br />
eingeflochten hat und die Berechnung an sich auch einfacher und verständlicher ist im Vergleich<br />
zum VLEU. Wie die Korrelationsanalyse der beiden Indizes in Tabelle 3 jedoch zeigt<br />
(Korrelation von 0.962), werden durch die Wahl des VSMI anstelle des VLEU die empirischen<br />
Ergebnisse dieser Forschungsarbeit nicht fundamental beeinflusst.<br />
Der Vergleich der beschriebenen internationalen Volatilitätsindizes zeigt eine relativ ausgeprägte<br />
Wechselbeziehung untereinander (vgl. Tabelle 4). Der VSMI weist insbesondere mit<br />
dem VDAX eine hohe Korrelation auf (0.952), aber auch zum Verlauf des VIX, dem weltwei-<br />
199<br />
Vgl. die Ausführungen in Diekmann (1997), S. 203ff. sowie Bohley (2000), S. 234f. für eine graphische Illustration des<br />
(linearen) Korrelationskoeffizienten r.<br />
200 Vgl. Schäfer (1995), S. 14ff. für die formale Konstruktion und S. 21ff. für die Berechnung des VLEU.
Marktvolatilität 52<br />
ten Leitindex für Volatilität, besteht eine starke Beziehung (0.850). Bemerkenswert scheint<br />
daneben die beinahe perfekt korrelierenden Entwicklungen des VIX und seines Vorgängerindices<br />
VXO (originärer VIX). Insgesamt kann der VSMI auch im internationalen Kontext als<br />
ein Abbild der aktuellen Schätzung der erwarteten Marktschwankungen bezeichnet werden<br />
und ist damit auch in dieser Hinsicht geeignet, als Leitindex in den Betrachtungen dieser Forschungsarbeit<br />
zu dienen.<br />
Tabelle 4: Korrelation ausgewählter Volatilitätsindizes<br />
Bravais/Pearson Correlation<br />
VSMI VXO VIX VDAX<br />
VSMI 1.000 0.833 0.850 0.952<br />
VXO 0.833 1.000 0.992 0.858<br />
VIX 0.850 0.992 1.000 0.857<br />
VDAX 0.952 0.858 0.857 1.000<br />
Anmerkung: Eigene Darstellung. Datenreihe: 01/99-12/07.<br />
Die implizite Volatilität in Form des VSMI als Richtwert genügt für die Zwecke der Auswertungen<br />
in dieser Forschungsarbeit, die Prognosegüte der Volatilitätsindizes basierend auf der<br />
impliziten Volatilität zeigt in sämtlichen der betrachteten <strong>St</strong>udien ein positives Bild. Da nur<br />
Tendenzschätzungen (steigende oder sinkende Volatilität) bezüglich des aktuellen Niveaus<br />
benötigt werden und nicht exakt bezifferte oder quantifizierte Volatilitätserwartungen, womit<br />
auch der festgestellte leichte upward Bias der impliziten Volatilität nicht relevant ist, reicht<br />
die Betrachtung der Volatilitätsindizes im Vergleich zu ihrem historischen Mittelwert (Mean)<br />
für die theoretischen und empirischen Analysen dieser Arbeit.<br />
2.6 Volatilität als Assetklasse<br />
Durch die nach neusten wissenschaftlichen Gesichtspunkten berechneten Volatilitätsindizes<br />
hat sich die Volatilität vermehrt ins Bewusstsein der Anlagergemeinde gerückt und etabliert<br />
sich langsam als eigene Anlageklasse, was dank der Verbreitung in Form ganzer Indexfamilien<br />
wie VIX-New, VDAX-New, VSTOXX und VSMI entsprechend unterlegt wird. Es wurde von<br />
den Indexanbietern auch explizit als Ziel formuliert, durch die vereinfachte Berechnung der<br />
impliziten Volatilitäten über Varianzen (d.h. quadrierte Volatilitäten) von effektiv gehandelten<br />
Optionen die Volatilität ebenso handelbar zu machen. 201 Eigenschaften wie die negative<br />
Korrelation der Volatilität gegenüber Aktienmarktrenditen machen Volatilitätsprodukte für<br />
die Anlegergemeinde aus Diversifikationsüberlegungen interessant, wobei die empirisch beobachtete<br />
negative Risikoprämie der Volatilität ebenfalls zu beachten ist. Nachfolgend werden<br />
201 Vgl. stellvertretend CBOE (2003), S. 2, da die anderen Indizes nach der gleichen Methodik aufgebaut sind.
Marktvolatilität 53<br />
einerseits diese Aspekte behandelt, andererseits werden neuartige Produkttypen erklärt, die es<br />
erlauben, die Volatilität selbst zu handeln.<br />
2.6.1 Diversifikationspotential der Volatilität<br />
Schon Black zeigte in seinen Untersuchungen eine negative Korrelation zwischen den Aktienmärkten<br />
und deren Volatilität, 202 was empirisch auch wiederholt bestätigt wurde. 203 Da sich<br />
die negative Korrelation insbesondere bei hohen Kursverlusten der Aktien manifestierte, bei<br />
steigenden Kursen hingegen viel weniger ausgeprägt ausfällt, wird von einer Asymmetrie der<br />
Volatilität gesprochen. 204 Diese Asymmetrie begründet die Attraktivität der Volatilität, sprich<br />
deren Diversifikationspotential, obwohl diese in einer Langfristbetrachtung der BIS als zwar<br />
beobachtbar, aber über einen Zeitraum von mehreren Dekaden als statistisch nicht signifikant<br />
eruiert wurde. 205 Auf kurz- und mittelfristiger Basis allerdings ist die Volatilitätsasymmetrie<br />
und damit das Diversifikationspotential der Volatilität unbestritten. Eine Investition in die<br />
Volatilität entspricht dabei aufgrund der Asymmetrie annäherungsweise einer long Put - Position.<br />
206<br />
Die negative Korrelation der Volatilität zeigt sich auch im Vergleich der Volatilitätsindizes<br />
mit den entsprechenden Aktienmärkten. Giot beispielsweise wies in seiner <strong>St</strong>udie eine negative<br />
Korrelation zwischen den Aktienrenditen des S&P 100 respektive Nasdaq 100 und der<br />
impliziten Volatilität nach, gemessen anhand der Volatilitätsindizes VIX (S&P 100) respektive<br />
VXN (Nasdaq 100). 207 Darstellungen der CBOE über Entwicklungen der Marktvolatilität<br />
zeigen ebenfalls eine negative Korrelation des Verlaufs des S&P 500 Aktienindices und des<br />
Volatilitätsindices VIX-New. 208 Analoge Ergebnisse einer negativen Korrelation zwischen der<br />
Entwicklung der Volatilität und des zugrunde liegenden Aktienmarkts zeigen Untersuchungen<br />
über den VSTOXX und den Dow Jones Euro <strong>St</strong>oxx 50 209 sowie den VDAX 210 und den VSMI. 211<br />
202 Vgl. Black (1976).<br />
203 Vgl. für eine langfristige Betrachtung Gerlach/Ramaswamy/Scatigna (2006), S. 84f.<br />
204 Wu untersuchte die Determinanten dieser Asymmetrie der Volatilität und identifizierte dabei unter anderem den sogenannten<br />
"Leverage-Effekt" als einer der Ursachen (vgl. Wu (2001), S. 856f.), den auch schon Bekaert und Wu in ihren<br />
Untersuchungen über die Risiken am Aktienmarkt darstellten (vgl. Bekaert/Wu (2000)). Der Leverage-Effekt geht auf<br />
Black (1976) zurück, der höhere Volatilitäten mit einem Anstieg der Debt/Equity-Ratio der Unternehmen begründete.<br />
Christie (1982) integrierte diesen Faktor in sein Modell zur Untersuchung der Varianzen der einzelnen Aktien. Hafner/Wallmeier<br />
(2005a) ihrerseits bezeichneten die doppelt nachteilige Wirkung eines Kurseinbruchs (d.h. Wertverlust)<br />
bei erhöhter Volatilität (d.h. erhöhtes Risiko) als "Leverage-Effekt".<br />
205 Vgl. Gerlach/Ramaswamy/Scatigna (2006), S. 84.<br />
206 Vgl. stellvertretend Hafner/Wallmeier (2005a), S. 28.<br />
207<br />
Vgl. Giot (2005), S. 5ff. Giots Analysen basierten noch auf dem VIX nach alter Berechnungsmethodik, was an der Kernaussage<br />
seiner Ergebnisse allerdings nichts ändert.<br />
208 Vgl. CBOE (2003), S. 11f.<br />
209 Vgl. STOXX Limited (2005), S. 14f.<br />
210 Vgl. Geiger (2005), S. 7. Für den deutschen und europäischen Aktienmarkt siehe auch Hafner/Wallmeier (2005a), die<br />
Optionen und Futures auf den DAX über den Zeitraum Januar 1995 bis Dezember 2004 sowie Optionen und Futures auf<br />
den Dow Jones Euro <strong>St</strong>oxx 50 von Januar 2000 bis Dezember 2004 analysierten.<br />
211 Vgl. Schoch/Reuss (2005), S. 7.
Marktvolatilität 54<br />
Aufgrund dieses Diversifikationspotentials der Volatilität mag es einen Mehrwert bringen,<br />
dem Portfolio etwas von der "Anlageklasse" Volatilität beizumischen. Diese Empfehlung<br />
wird auch von Investmentbanken getragen und erhält mit der Handelbarkeit der Volatilität<br />
über Produkte auf Volatilitätsindizes neue Nahrung. Merill Lynch entwickelte beispielsweise<br />
eine 90/10-Regel, wonach zehn Prozent eines Aktienportfolios in Volatilitätsinstrumente investiert<br />
werden sollen zur Renditeoptimierung. 212<br />
2.6.2 Negative Risikoprämie der Volatilität<br />
Die Asymmetrie der Volatilität und der damit verbundene Schutz gegen Verluste insbesondere<br />
in extremen (Crash-) Situationen haben für den Investor selbstverständlich ihren Preis, da<br />
es bekanntlich keinen "free lunch" gibt und eine "Put-Option" nicht umsonst zu haben ist.<br />
Empirische Untersuchungen zeigen praktisch durchwegs negative Risikoprämien der Volatilität,<br />
ob für den US-Markt 213 oder für europäische Märkte. 214 Carr und Wu definieren in ihrer<br />
Analyse die Risikoprämie der Volatilität respektive der Varianz, sprich der quadrierten Volatilität,<br />
als die Differenz zwischen der realisierten Varianz über eine bestimmte Periode und<br />
dem synthetischen Swap-Preis der Varianz bei Vertragsabschluss. 215 Hafner und Wallmeier<br />
zeigen nach diesem Konzept in ihren Untersuchungen eine relativ hohe erwartete negative<br />
Rendite von Variance Swaps. Über den Kauf eines Variance Swap erhält der Investor praktisch<br />
ein Profil, das dem Pay-off einer (long) Put-Option entspricht, d.h. der erwartete Pay-off<br />
einer logarithmierten Swap-Rendite gegenüber einer logarithmierten Indexrendite entspricht<br />
faktisch in etwa dem erwarteten Pay-off einer Put-Option. 216<br />
Moise zeigt in ihrer Analyse, dass die Risikoprämien für den amerikanischen Aktienmarkt<br />
höher sind, als bisher angenommen und daher aus Sicht der Diversifikation als relativ teuer<br />
(Bondarenko spricht von einem ökonomisch sehr hohen Preis) 217 zu bezeichnen sind, 218 während<br />
ältere Untersuchungen von Moise noch eine relativ tiefe Risikoprämie ergaben. 219 Carr<br />
und Wu suchten die Gründe für die stark negative Risikoprämie in der Smile-<strong>St</strong>ruktur 220 der<br />
Volatilitäten der Aktienoptionen, was Hafner und Wallmeier in ihrer Arbeit aufnahmen und<br />
212 Vgl. Bowler et al. (2003). Diese <strong>St</strong>rategie einer Portfoliobeimischung wurde von Müller/Weber (2005) aufgenommen und<br />
in ihren Analysen als positiv für den Investor beurteilt. Hafner/Wallmeier (2005b) hingegen stehen dieser Empfehlung<br />
ablehnend gegenüber.<br />
213 Vgl. stellvertretend die schon zitierten Arbeiten von Doran/Ronn (2004a) und (2004b), daneben weiter Bondarenko<br />
(2004), Moise (2002) und (2005) sowie insbesondere Carr/Wu (2005), S. 4f. und die Verweise ebenda über die Vielfalt<br />
der Arbeiten auf dem Feld der Risikoprämie der Volatilität.<br />
214 Vgl. Hafner/Wallmeier (2005a) für den europäischen und deutschen Aktienmarkt.<br />
215 Vgl. Carr/Wu (2005), S. 1 sowie Bondarenko (2004), S. 1.<br />
216 Vgl. Hafner/Wallmeier (2005a), S. 28f.<br />
217 Vgl. Bondarenko (2004), S. 25.<br />
218 Vgl. Moise (2005).<br />
219 Vgl. Moise (2002).<br />
220 Vgl. Kapitel 2.4.3 für Erklärungen.
Marktvolatilität 55<br />
einen bedeutenden Teil der Prämie mit der Smile-<strong>St</strong>ruktur (<strong>St</strong>eilheit und Krümmung) der impliziten<br />
Volatilitäten erklären konnten. 221<br />
Zusammenfassend ist sowohl das Diversifikationspotential der Volatilität als auch deren negative<br />
Risikoprämie empirisch unbestritten. Die Vorteile der Diversifikation werden allerdings<br />
durch die Höhe der Risikoprämie zumindest kompensiert, oftmals gar aus Sicht des<br />
(long) Investors negativ überkompensiert. Eine Investition in Volatilität als Beimischung eines<br />
Aktienportfolios lohnt sich für einen privaten Anleger, anders als von teils Banken kolportiert,<br />
222 demnach nicht grundsätzlich. Vielmehr wäre eine short-Position vorteilhaft, die<br />
aber von privaten Investoren nicht oder nur sehr beschränkt eingegangen werden dürfen. 223<br />
Hedge Funds hingegen nutzen diese Erkenntnis auf breiter Basis aus, was vielen dieser Funds<br />
über die Jahre einen substantiellen positiven Ergebnisbeitrag eintrug. 224 Der unterschiedliche<br />
Marktzugang und das ungleiche Bewusstsein gegenüber dem Volatilitätshandel von privaten<br />
und professionellen Anlegern werden in der Betrachtung der theoretischen und empirischen<br />
Befunde dieser Forschungsarbeit in Kapitel 6 wieder aufgenommen.<br />
Es soll hier nicht abschliessend über die Vorteile der Volatilität als Anlageklasse oder über<br />
Sinn und Nutzen einer Depotbeimischung geurteilt werden. Eine vertiefende Diskussion dieser<br />
Thematik würde den Rahmen dieser Arbeit sprengen, womit hier auf die schon zitierte<br />
Literatur verwiesen wird.<br />
2.6.3 Handelbarkeit der Volatilität<br />
Neben Optionsstrategien, die von Volatilitätsschwankungen profitieren (wie z.B. eine ATM-<br />
<strong>St</strong>raddle-<strong>St</strong>rategie), 225 oder der Investition in eine "plain vanilla" Option an sich, deren Preis<br />
durch die Volatilität resp. deren Veränderung massgeblich beeinflusst wird, gibt es heute auch<br />
Produkte, welche direkt die Volatilität handelbar machen, ohne zusätzlich ein Exposure auf<br />
ein Underlying einzugehen. Andersen et al. nehmen zwar bei ihren Analysen einen fixen Mittelwert<br />
(Mean) der Volatilität an, was auf lange Sicht bei einem Produkt auf die Schwankungen<br />
der Volatilität zu einer erwarteten Rendite von 0 führt. Trotzdem kann kurzfristig von<br />
Marktschwankungen profitiert werden, was wiederum für das Handeln von Volatilitätsprodukten<br />
spricht. 226 Daher sollen hier einige spezifische Produkttypen kurz dargestellt und erläutert<br />
werden.<br />
221 Vgl. Hafner/Wallmeier (2005a), S. 28.<br />
222 Vgl. stellvertretend Bowler et al. (2003).<br />
223<br />
Vgl. Hafner/Wallmeier (2005a) und (2005b) für detaillierte Analysen dieser Thematik für den europäischen und deutschen<br />
Aktienmarkt.<br />
224 Vgl. Bondarenko (2004), S. 25f.<br />
225 Vgl. beispielsweise Hafner/Wallmeier (2005a), S. 2. Eine (long) <strong>St</strong>raddle-<strong>St</strong>rategie wird mit dem gleichzeitigen Erwerb<br />
einer Call- und einer Put-Option mit gleichem Basiswert (Underlying), gleichem Ausübungspreis (<strong>St</strong>rike) sowie – wenn<br />
möglich – gleicher Restlaufzeit eingegangen. Brenner/Ou/Zhang (2006) zeigen in ihrem Papier, wie mittels einer Option<br />
auf eine <strong>St</strong>raddle-<strong>St</strong>rategie Volatilitätsrisiken gehandelt respektive abgesichert werden können. Eine weitere Optionsstrategie<br />
zur Ausnutzung von Volatilitätsschwankungen ist ein sogenannter <strong>St</strong>rangle, der analog dem <strong>St</strong>raddle gebildet wird<br />
mit dem Unterschied, dass Call- und Put-Option über unterschiedliche <strong>St</strong>rikepreise verfügen (vgl. Hull (2003), S. 194ff.<br />
zur genaueren Erklärung und Darstellung dieser <strong>St</strong>rategien). Siehe dazu auch die Ausführungen unter Kapitel 4.1.2.<br />
226 Vgl. Andersen et al. (2005), S. 80.
Marktvolatilität 56<br />
Solche Produkte umfassen einerseits die oben beschriebenen Variance Swaps oder Covariance<br />
Swaps, die im Grunde genommen als Futureskontrakte auf die realisierte Volatilität des<br />
entsprechenden Indices zu betrachten sind 227 und den Spread zwischen impliziter und realisierter<br />
Volatilität handelbar machen. Insbesondere für Variance Swaps existiert mittlerweile<br />
ein lebhafter OTC-Markt (insbesondere unter Banken und institutionellen Investoren). Aufgrund<br />
des schon erwähnten Phänomens des upward Bias 228 der impliziten Volatilität haben<br />
Variance Swaps eine negative erwartete Rendite, was Hafner und Wallmeier in ihren schon<br />
zitierten Untersuchungen auch bestätigten. 229 Es wird also grundsätzlich ein Überschiessen<br />
der impliziten gegenüber der tatsächlich realisierten Volatilität erwartet, was sich am Markt in<br />
höheren Terminkursen gegenüber den Spotkursen niederschlägt. Dieser Fakt ist wichtig für<br />
das Verständnis des Funktionierens von Anlageprodukten basierend auf Volatilitätsindizes<br />
wie VSMI, VIX-New oder VDAX-New, eine andere wichtige Produktkategorie, die vorwiegend<br />
in Form von Zertifikaten 230 aufgelegt werden.<br />
Da die Volatilitätsindizes fixe Restlaufzeiten von 30 Tagen haben, wird ein Zertifikat auf den<br />
Index zu einem gegebenen Zeitpunkt auf den Subindex mit der entsprechenden Restlaufzeit<br />
ausgegeben, d.h. nur gerade 30 Tage vor Verfall des Zertifikats können die zum Index gewichteten<br />
entsprechenden Optionen mit genau dieser Restlaufzeit gehandelt werden, die der<br />
Emittent für die Replizierbarkeit der Position und damit als Grundlage des Hedgings derselben<br />
benötigt. 231 Ansonsten verursachte die konstante Restlaufzeit des Indices eine ständige<br />
Umschichtung der zugrunde liegenden Optionen zur Absicherung der Position, was mit einem<br />
immensen Aufwand und entsprechenden Kosten verbunden und damit nicht lohnend ist. Unter<br />
anderem an der fehlenden -respektive nur theoretisch konstruierbaren- Replizierbarkeit<br />
und aufgrund von Markteinschränkungen scheiterte beispielsweise schon früher ein Volatilitätsprodukt,<br />
die sogenannten Volax-Futures, einem Terminkontrakt auf die implizite Volatilität<br />
einer ATM-Dax-Option mit dreimonatiger Restlaufzeit, das 1998 an der Deutschen Terminbörse<br />
emittiert wurde. 232<br />
Die aufwändige Replizierbarkeit ist auch ein Grund, weshalb es bisher nicht möglich ist, in<br />
Zertifikate zu investieren, die den gegenwärtigen Volatilitätsindex 1:1 abbilden, wie es mittels<br />
Zertifikaten auf Indizes anderer Assetklassen (z.B. Aktienindizes) möglich ist. Der Volatilitätsindex<br />
bildet demnach die implizite Spot-Volatilität ab, die Zertifikate hingegen eine Art<br />
von Forward-Volatilität. Deshalb bewegen sich die Kurse der Volatilitätszertifikate auch<br />
nicht im Einklang mit der Preisentwicklung des Volatilitätsindices, sondern anhand der per<br />
Verfall erwarteten Volatilität, d.h. der Forward-Volatilität. Die Forward-Volatilität entspricht<br />
227 Vgl. Andersen et al. (2005), S. 80.<br />
228 Siehe dazu die Ausführungen über den Vergleich der impliziten mit der historischen Volatilität in Kapitel 2.3.1.<br />
229 Vgl. Hafner/Wallmeier (2005a).<br />
230 Vgl. die Erklärungen zu Zertifikaten unter Kapitel 3.4.2.<br />
231 Siehe Kapitel 2.5.2 zur Berechnungsmethodik der Volatilitätsindizes.<br />
232 Der Handel der Volax-Futures wurde noch im gleichen Jahr (1998) wieder eingestellt wegen der erwähnten Probleme der<br />
Emittenten und mangelnder Liquidität (Nachfrage). Vgl. Reuss (2006), S. 22 sowie die Arbeiten von Werner zur Vertiefung<br />
der Volax-Futures (Werner (1997) und Werner/Roth (1998)).
Marktvolatilität 57<br />
erst bei Verfall der Spotvolatilität, eine Übereinstimmung der Preisstellung zwischen Zertifikat<br />
und Volatilitätsindex tritt demnach erst am Ende der Laufzeit, am Verfalltermin des Zertifikats,<br />
ein. Somit haben die Erwartungen des Marktes über den zukünftigen <strong>St</strong>and des entsprechenden<br />
Volatilitätsindices, abgebildet in der Forwardkurve, entscheidenden Einfluss auf<br />
die Attraktivität des Zertifikats und nicht der absolute, aktuelle Indexstand basierend auf der<br />
impliziten Volatilität. 233<br />
Aufgrund der fixen Restlaufzeit gibt es bisher nur wenige sogenannte open-end-Zertifikate,<br />
d.h. Zertifikate ohne Verfalltermin, auf Volatilitätsindizes. Goldman Sachs begab ein derartiges<br />
Produkt, den VDAX-Tracker, wobei die Rendite bisher enttäuschend ausfiel. Das Hauptproblem<br />
ist der grosse Aufwand, der mit dem ständigen Rollieren der Position verbunden ist,<br />
denn die Position ist monatlich (d.h. nach 30 Tagen) in den nachfolgenden Termin umzuschichten,<br />
um die Restlaufzeit von 30 Tagen wenigstens zum Zeitpunkt der Umschichtung zu<br />
gewährleisten. Dabei fallen fortwährend Gebühren an und darüber hinaus werden jeweils<br />
Verluste (oder auch etwelche Gewinne) realisiert. Verluste schlagen sich in einer sinkenden<br />
Partizipationsrate des Zertifikats an der Entwicklung des zugrundeliegenden Indices nieder.<br />
Neben den Gebühren arbeitet auch das schon mehrfach erwähnte und erklärte Phänomen des<br />
upward Bias der impliziten Volatilität gegen dieses Produkt, da die implizit erwartete und<br />
damit beim Kauf des Zertifikats entscheidende regelmässig über der danach bei Verfall (oder<br />
hier zum Zeitpunkt des Rollierens) realisierten Volatilität gehandelt wird. Zum Zeitpunkt der<br />
Lancierung des Produkts zeigte sich zudem die Forwardkurve der Volatilität, d.h. Volatilitätserwartungen<br />
am Markt, relativ steil, was die beschriebenen Herausforderungen des Rollierens<br />
des Produktes aufgrund der Marktentwicklungen ex-post noch akzentuierte. Dies ist jedenfalls<br />
momentan die Haupterklärung für die mangelhafte Performance dieser Zertifikate<br />
basierend auf Volatilitätsindizes. 234<br />
Den Umstand des upward Bias wiederum macht sich ein anderer Produkttyp zunutze, dem<br />
von der UBS begebenen Volatility-Arbitrage-Certificate, mit dem der Investor die implizite<br />
Volatilität verkauft und gleichzeitig die realisierte kauft. Obwohl damit nach empirischen<br />
Befunden eine positive Rendite zu erwarten ist, 235 gibt es auch hier negative Überraschungen<br />
zu erleiden, da das Überschiessen (Bias) der impliziten Volatilität zwar empirisch erkannt,<br />
aber nicht quantifizierbar und schwierig voraussehbar ist. Daher fallen die Renditen (nach<br />
Gebühren) für das Eingehen der short- respektive long-Position 236 für den Anleger nur unregelmässig<br />
und oft sehr niedrig aus. 237<br />
Eine weitere Möglichkeit in die Volatilität zu investieren, bieten Optionen auf die Volatilität<br />
selbst. Grünbichler und Longstaff entwickelten schon 1996 ein vielbeachtetes Modell zur<br />
Bewertung von (europäischen) Optionen und Futures auf die Volatilität. Ihr Modell, das eine<br />
233 Vgl. u.a. Reuss (2006), S. 22.<br />
234 Vgl. Reuss (2006), S. 22.<br />
235<br />
Vgl. die Verweise in der Literatur über den empirischen Befund des upward Bias der impliziten Volatilität in Kapitel<br />
2.3.1 unter Fussnote 111.<br />
236 Vgl. die Bemerkungen zu den <strong>St</strong>rategien und Investitionserfolgen von Hedge Funds von Bondarenko unter Kapitel 2.6.2.<br />
237 Vgl. Andress (2006).
Marktvolatilität 58<br />
geschlossene Bewertungsgleichung für Volatilitätsoptionen darlegt, beruht auf dem Volatilitätsindex<br />
des S&P 100 (OEX), d.h. dem originären VIX 238 , und nimmt einen mean-reverting<br />
Prozess der Volatilität an. 239 Obwohl also ein Bewertungsmodell für Volatilitätsoptionen<br />
schon länger vorliegt, haben sich Derivate auf die Volatilität bisher nicht richtig etabliert. Das<br />
Beispiel der gescheiterten Einführung von Volax-Futures an der Deutschen Terminbörse wurde<br />
bereits erwähnt, doch auch die seit September 2005 an der EUREX handelbaren Futures<br />
auf den VSMI (Symbol FVSM), den VDAX-New (Symbol FVDX) und den VSTOXX (Symbol<br />
FVSX) erreichen bisher erst sehr bescheidene Handelsvolumina. Einzig die seit März 2004<br />
an der CBOE kotierten Futures auf den VIX (Symbol VX) verzeichnen einen relativ liquiden<br />
Handel. 240<br />
Es gibt mittlerweile auch ein strukturiertes Produkt, das die Möglichkeit bietet, in die Volatilität<br />
als Underlying, d.h. auf die Schwankungen der Volatilität selbst, zu investieren. Über<br />
sogenannte Capped-Call-Warrants auf den entsprechenden Volatilitätsindex können dank der<br />
absoluten Höhe dieser Schwankungen der Volatilität attraktive Renditen erzielt werden. Mit<br />
diesen Warrants verkaufen die Anleger einen Teil des Aufwärtspotentials der Volatilität ab<br />
einer bestimmten Höhe (Cap) und erhalten dafür einen Diskont auf den Forwardpreis des<br />
zugrundeliegenden Basiswerts, d.h. des Volatilitätsindices. Der Anleger verkauft demnach<br />
eine Call-Option auf die Volatilität und kann damit nicht zuletzt von dem relativ hohen, absoluten<br />
Level der Schwankungen der Volatilität profitieren. 241 Dieses Produkt bildet sich analog<br />
einem Discount Zertifikat, einem klassischen strukturierten Produktetypen, auf das im nächsten<br />
Kapitel noch en detail eingegangen wird. 242<br />
Es soll an dieser <strong>St</strong>elle nicht weiter auf spezifische Produkttypen respektive Produktvariationen<br />
und Optionsstrategien, mittels denen die Volatilität handelbar ist, eingegangen werden, da<br />
dies den Umfang dieser Arbeit sprengen würde und auch nicht zielführend hinsichtlich der<br />
Forschungsfrage ist. Darum wird hier zur weiteren Vertiefung auf die Literatur verwiesen. 243<br />
238 Heute wird der VIX auf Basis des S&P 500 berechnet; Volatilitätsindex auf Basis S&P 100 wird unter dem Kürzel VXO<br />
weiterhin berechnet (vgl. die Ausführungen über die Volatilitätsindizes unter Abschnitt 2.5).<br />
239 Vgl. Grünbichler/Longstaff (1996) sowie zusätzlich Grünbichler/Bühler (1996). Für eine kritische Analyse des Modells<br />
und eine spezifische Weiterentwicklung vgl. Daouk/Guo (2003), die unter anderem die Aspekte der Asymmetrie der Volatilität<br />
und sogenannter Regime-Shifts in der Entwicklung der Volatilität in das Modell integrieren (vgl. die Ausführungen<br />
in den Abschnitten 2.3.1 und 2.4.2 sowie 2.6.1).<br />
240 Vgl. SWX (2005a) sowie die Angaben auf http://www.eurexchange.com/trading/products/VOL_de.html und<br />
http://www.cboe.com/products/indexopts/vixfutures_spec.aspx.<br />
241 Vgl. Reuss (2006), S. 22.<br />
242 Vgl. insbesondere die Erklärungen zu Discount Zertifikaten unter Abschnitt 3.4.3.<br />
243 Siehe beispielsweise Fontanills/Gentile (2003) S. 187ff. für die Beschreibung von Dispersion Trades (Ausnutzen der<br />
Differenz der impliziten Volatilität eines Indices und der impliziten Volatilität der zugrundeliegenden Einzeltitel des selben<br />
Indices) oder S. 201ff. über <strong>St</strong>rategien zur Ausnutzung des Volatility Smile (calendar spread, horizontaler und diagonaler<br />
spread) sowie S. 47f. und 245f.für eine praktische Betrachtung von Bollinger Bändern. Zimmermann wiederum<br />
zeigt verschiedenartige strukturierte Produkte auf, die zumindest teilweise in Aspekte der Volatilität investieren oder versuchen<br />
empirisch gesicherte Verhaltensmuster auszunutzen (z.B. Longy/Shorty on Volatility, Forward <strong>St</strong>arting <strong>St</strong>raddles:<br />
eine Verbindung aus Variance Swap und Zero Bond, Capital Protected PIP on Volatility) (vgl. Zimmermann (2006)).
<strong><strong>St</strong>rukturierte</strong> <strong>Investmentprodukte</strong> (SIP) 59<br />
3 <strong><strong>St</strong>rukturierte</strong> <strong>Investmentprodukte</strong> (SIP)<br />
Der Fokus liegt in diesem Kapitel auf dem zentralen Thema dieser Forschungsarbeit, dem<br />
strukturierten Investmentprodukt. Dabei werden neben einem kurzen geschichtlichen Abriss<br />
über die Entstehung und Entwicklung der strukturierten <strong>Investmentprodukte</strong> insbesondere<br />
eine detaillierte Übersicht über die Vielfalt dieser Produkteart aufgezeigt und eine kurze allgemeine<br />
Marktbetrachtung vorgenommen. Auf Grundlage der Basiskomponenten wird eine<br />
Volatilitätsposition der verschiedenen Produkttypen bestimmt und eine Typologie gebildet,<br />
welche als Grundlage des theoretischen Absatzmodells in Kapitel 4 dient. Daneben werden<br />
die Gründung eines Branchenverbandes und spezifische Entwicklungen an den Kapitalmärkten<br />
inklusive neuer Handelsplattformen eigens für strukturierte Produkte sowie eine Durchleuchtung<br />
der allgemeinen regulatorischen sowie steuerlichen Aspekte der strukturierten Produkte<br />
thematisiert.<br />
3.1 Marktübersicht<br />
Neben einer quantitativen Bestandsaufnahme des Gesamtmarktes für strukturierte Produkte<br />
(Makrosicht) 244 in der Schweiz und einer kurzen Beschreibung der Besonderheiten der strukturierten<br />
Produkte, die deren Attraktivität für die Anlegergemeinde ausmachen und überhaupt<br />
einen Markt für diese Produkte entstehen lassen, wird in diesem Abschnitt eine historische<br />
Entwicklung der SIP skizziert sowie kurz auf die Kosten dieser Produkte aus Anlegersicht<br />
eingegangen.<br />
3.1.1 Marktstatistiken<br />
Der Schweizer Markt für strukturierte Produkte hat in den letzten Jahren einen wahren<br />
Wachstumsschub erfahren und weist grosse Zuwachsraten auf. Allein im Jahr 2007 konnte<br />
eine <strong>St</strong>eigerung im Handelsvolumen der kotierten strukturierten Produkte von 44.2 % verzeichnet<br />
werden (respektive ein Plus von 57.1 % inklusive Hebelprodukte), was durch untenstehende<br />
Graphik illustriert wird. Die Entwicklung des Volumens der strukturierten Produkte<br />
der letzten Jahre zeichnet ein bemerkenswertes Wachstum. Frühere Daten belegen hingegen,<br />
dass insbesondere der Markt von Warrants und Optionen (sogenannte Hebelprodukte) in den<br />
Jahren vor der grossen Börsenbaisse, die Anfang dieses Jahrhunderts zu verzeichnen war,<br />
schon weitaus höhere Umsatzzahlen erreicht hatte. 245 Der Markt der SIP hingegen begann in<br />
dieser Phase sich erst zu entwickeln und verzeichnete vorwiegend seit 2003 grosse Umsatzsteigerungen<br />
mit einer jährlichen durchschnittlichen Wachstumsrate (Compound Annual<br />
Growth Rate (CAGR)) von 33.6 %. 246<br />
244<br />
Eine Betrachtung der Entwicklungen und Volumina einzelner Produkttypen (Mikrosicht) wird im Rahmen der Ausführungen<br />
über die Typologie in Abschnitt 3.3 vorgenommen.<br />
245<br />
So erreichte beispielsweise der Umsatz der an der SWX gehandelten Derivate im Jahre 1998 über CHF 90 Mrd. (vgl.<br />
SVSP (2007a), S. 10).<br />
246<br />
Vgl. SWX (2007b), S. 29 und SVSP (2008a), S. 10. Der CAGR berechnet sich nach folgender Formel:<br />
CAGRt0,t = (Wertt / Wertt0) ^ (1/t-t0) - 1
<strong><strong>St</strong>rukturierte</strong> <strong>Investmentprodukte</strong> (SIP) 60<br />
in CHF Mrd.<br />
32<br />
28<br />
24<br />
20<br />
16<br />
12<br />
8<br />
4<br />
0<br />
8.40<br />
10.13<br />
13.89<br />
CAGR = 33.6 %<br />
18.57<br />
26.77<br />
2003 2004 2005 2006 2007<br />
Abbildung 5: Entwicklung SIP-Volumen an der SWX<br />
Anmerkung: Eigene Darstellung (Quelle: SWX und SVSP).<br />
Eine ähnliche, eher noch beeindruckendere Entwicklung zeigt auch der deutsche Markt, was<br />
an der nachfolgend abgebildeten explosionsartigen Umsatzentwicklung der European Warrant<br />
Exchange (EUWAX) über die letzten Jahre (2003-2007) an der Börse <strong>St</strong>uttgart abzulesen<br />
ist, der mit einem Marktanteil von ca. 70 % 247 grössten Handelsplattform für verbriefte derivative<br />
Instrumente im deutschen Markt. Der Gesamtumsatz des Jahres 2007 betrug EUR<br />
128.49 Mrd., womit die jährliche Wachstumsrate (CAGR) der Handelsvolumen seit 2003<br />
61.5 % erreichte. 248<br />
247 Vgl. Boerse <strong>St</strong>uttgart (2006), S. 1.<br />
248 Vgl. Boerse <strong>St</strong>uttgart (2007), S. 1.
<strong><strong>St</strong>rukturierte</strong> <strong>Investmentprodukte</strong> (SIP) 61<br />
in EUR Mrd.<br />
135<br />
115<br />
95<br />
75<br />
55<br />
35<br />
15<br />
-5<br />
18.88<br />
29.41<br />
CAGR = 61.5 %<br />
42.39<br />
88.56<br />
128.49<br />
2003 2004 2005 2006 2007<br />
Abbildung 6: Umsatzentwicklung an der EUWAX<br />
Anmerkung: Eigene Darstellung (Quelle: EUWAX / Börse <strong>St</strong>uttgart).<br />
Auch die Anzahl der an der SWX kotierten strukturierten Produkte hat kontinuierlich zugenommen<br />
und Ende 2007 mit 19'062 Produkten einen Rekordstand erreicht. 249 Dass allerdings<br />
die kotierten Produkte nur einen Bruchteil des gesamten Marktvolumens von strukturierten<br />
Produkten ausmachen, zeigen einerseits Zahlen der Schweizerischen Nationalbank (SNB) über<br />
Depotbestände dieser Produkte bei den hiesigen Banken und bestätigen andererseits Angaben<br />
und Schätzungen von Branchenvertretern. So wird der "Over the counter (OTC) – Markt" 250 ,<br />
d.h. der Markt der OTC-gehandelten Produkte als um ein Vielfaches grösser geschätzt als<br />
derjenige der kotierten Produkte. Der Schweizer Branchenverband SVSP geht von einem<br />
Faktor zwischen 5 und 8 aus, um den der OTC-Markt die kotierten Geschäfte übertrifft. 251<br />
Die SNB wiederum zeigt in ihren statistischen Erhebungen, dass in den Bankdepots der Investoren<br />
per November 2007 CHF 346 Mrd. liegen, die in strukturierten Produkten investiert<br />
sind. Auch das Depotvolumen zeigt ein sehr starkes Wachstum der in diesen Produkten angelegten<br />
Geldern über die letzten Monate. 252 Dabei ist zu bemerken, dass Anlagen in Derivate<br />
249 Darin enthalten sind auch Warrants, die nicht als strukturierte Produkte im definitorischen Sinne gelten und hier in der<br />
Forschungsarbeit als strukturierte Produkte im weiteren Sinne (SIP i.w.S.) bezeichnet werden (vgl. dazu spezifisch die<br />
Ausführungen unter 3.3.1). Eigentliche strukturierte Produkte (SIP i.e.S.) waren lediglich 5'910 kotiert, was aber auch<br />
Rekord bedeutete (vgl. SWX (2007b), S. 30).<br />
250 Als OTC-Markt wird der nicht standardisierte bilaterale Handel von flexiblen Vertrags- und Produktausgestaltungen<br />
zwischen zwei Vertragsparteien bezeichnet. Siehe auch Petrachi (1997) für eine genaue Definition des OTC-Marktes im<br />
Derivatebereich, die Abgrenzung zu börsengehandelten Derivaten (S. 17f.), Besonderheiten (20ff.) und die historische<br />
Entwicklung (S. 41ff.).<br />
251<br />
Vgl. stellvertretend die Aussagen von Branchenvertretern respektive die Angaben des Branchenverbands SVSP in den<br />
Artikeln von Eichhorn (2006) und Willmeroth (2006).<br />
252 Vgl. SNB (2008), S. 40f.
<strong><strong>St</strong>rukturierte</strong> <strong>Investmentprodukte</strong> (SIP) 62<br />
allein nicht berücksichtigt sind und strukturierte Produkte erst seit März 2005 separat erhoben<br />
werden. 253<br />
in CHF Mrd.<br />
400<br />
350<br />
300<br />
250<br />
200<br />
150<br />
100<br />
50<br />
-<br />
147<br />
Mrz 05<br />
Mai 05<br />
Jul 05<br />
Sep 05<br />
Nov 05<br />
Jan 06<br />
Mrz 06<br />
Abbildung 7: Entwicklung SIP-Volumen in Anlegerdepots<br />
Anmerkung: Eigene Darstellung (Quelle: SNB).<br />
Mai 06<br />
Jul 06<br />
Sep 06<br />
Nov 06<br />
CAGR = 37 %<br />
Die lineare Trendlinie in dieser Grafik soll helfen, die <strong>St</strong>eigerung der SIP-Volumen in den<br />
Anlegerdepots zu veranschaulichen, die sich in einem durchschnittlichen jährlichen Wachstum<br />
(CAGR) von 37 % niederschlugen und den Bestand an SIP in den Anlegerdepots von<br />
CHF 147 Mrd. im März 2005 bis auf CHF 346 Mrd. Ende November 2007 steigerte. 254<br />
253 Vgl. SNB (2005), S. III. Die SNB verfügt über keine differenzierten Daten von strukturierten Produkten aus früheren<br />
Perioden, da diese vorher (vor März 2005) nie separat erhoben worden sind.<br />
254 Vgl. SNB (2006), S. 41 und SNB (2008), S. 41.<br />
Jan 07<br />
Mrz 07<br />
Mai 07<br />
Jul 07<br />
Sep 07<br />
346<br />
Nov 07
<strong><strong>St</strong>rukturierte</strong> <strong>Investmentprodukte</strong> (SIP) 63<br />
Wachstum SIP; Depotvolumen in %<br />
9.00%<br />
7.00%<br />
5.00%<br />
3.00%<br />
1.00%<br />
-1.00%<br />
-3.00%<br />
Apr 05<br />
Jun 05<br />
Aug 05<br />
Okt 05<br />
Abbildung 8: SIP-Anteil an Depotvolumen<br />
Dez 05<br />
Feb 06<br />
Apr 06<br />
Jun 06<br />
Aug 06<br />
Okt 06<br />
Dez 06<br />
Feb 07<br />
Apr 07<br />
Jun 07<br />
Aug 07<br />
Okt 07<br />
SIP Depotvolumen Anteil SIP an Depotvolumen<br />
7.00%<br />
6.00%<br />
5.00%<br />
4.00%<br />
3.00%<br />
2.00%<br />
1.00%<br />
0.00%<br />
Anmerkung: Eigene Darstellung (Quelle: SNB). Die Korrelation der Wachstumsraten der SIP und des Depotvolumens beträgt<br />
0.63.<br />
Das Volumen der strukturierten Produkte in den Depots der Anleger hat sich gemäss SNB-<br />
<strong>St</strong>atistik seit März 2005 stärker entwickelt als das Depotvolumen insgesamt. Die höheren<br />
Zuwachsraten sind zwar auch auf einen gewissen Basiseffekt der SIP zurückzuführen, zeigen<br />
aber auch das Potential dieser Produkte, auch in rückläufigen Märkten den Investoren attraktive<br />
Anlageopportunitäten zu bieten. So gibt es einige Monate in der Betrachtungsperiode, die<br />
einerseits gesamthaft abnehmende Depotvolumina notierten, andererseits teilweise sogar stark<br />
positive Wachstumsraten der SIP-Volumina verzeichneten (Bsp. Mai 2006). In der zweiten<br />
Jahreshälfte 2007 (v.a. Juni 2007 und November 2007) galt es allerdings auch starke Einbrüche<br />
bei den SIP zu verkraften, ohne dass diese sich in gleichem negativem Ausmass in den<br />
Gesamtdepotvolumen niederschlugen. Obige Abbildung 8 veranschaulicht diese Erkenntnis<br />
und zeigt insgesamt eine wachstumsstarke Entwicklung der strukturierten Produkte, deren<br />
Wachstumsraten mit derjenigen des gesamten Depotvolumens mit 0.63 korrelieren. 255<br />
Damit ist trotz des eigentlichen Booms der strukturierten Produkte per November 2007 erst<br />
ein verhältnismässig kleiner Anteil von 6.5 % am gesamten Depotvolumen in der Schweiz in<br />
solchen Produkten angelegt. Dieser Anteil wird sich wohl bei am Markt erwarteten jährlichen<br />
zweistelligen Wachstumsraten der SIP in den nächsten zwei bis fünf Jahren auf ca. 10-15 %<br />
erhöhen. 256 Damit wird der Schweizer Markt als der weltweit grösste Markt 257 für strukturier-<br />
255 Berechnet nach Bravais/Pearson (vgl. die Gleichung 20).<br />
256 Vgl. SVSP (2007a), S. 8 und <strong>St</strong>uder (2007), S. SB44 sowie u.a. Wullschleger (2007), Willmeroth (2006) und Hosp<br />
(2006), S. B3, die sich auf Angaben des Branchenverband SVSP berufen.<br />
257 Vgl. Ferber (2006b), Ferber (2006c), S. 31 und Wullschleger (2007).<br />
Anteil SIP an Depotvolumen in %
<strong><strong>St</strong>rukturierte</strong> <strong>Investmentprodukte</strong> (SIP) 64<br />
te Produkte angesehen, auch wenn OTC-Zahlen nur geschätzt werden können und für andere<br />
Länder respektive Märkte keine verlässlich vergleichbaren Zahlen vorliegen, ausgenommen<br />
hoch aggregierter Schätzungen der OECD, die weiter unten besprochen werden. Nach ausgewiesenen<br />
Umsatzzahlen der börsenkotierten strukturierten Produkte führt in Europa Deutschland<br />
(ca. EUR 127 Mrd.) vor dem Italienischen Markt (ca. EUR 73 Mrd.) die Rangliste an. 258<br />
Da aber der Branchenverband mit seinen Mitgliedern ca. 95 % der kotierten Produkte abdeckt<br />
259 und neben den Marktführern der gelisteten Produkte (Bank Vontobel und Zürcher<br />
Kantonalbank (ZKB)) 260 auch die im OTC-Markt sehr aktiven Player zu seinen Mitgliedern<br />
zählt (v.a. die beiden Grossbanken UBS und Credit Suisse), kann davon ausgegangen werden,<br />
dass diese Selbsteinschätzung nicht aus der Luft gegriffen ist. Der deutsche Markt spielt ebenfalls<br />
eine wichtige Rolle, wobei sich da die EUWAX in <strong>St</strong>uttgart eine führende <strong>St</strong>ellung beim<br />
SIP-Handel vor der spezifischen Plattform der Deutschen Börse in Frankfurt (heute Scoach,<br />
ursprünglich Smart Trading) erarbeitet hat. 261 In den USA wiederum hinkt der Markt der europäischen<br />
und auch asiatischen Konkurrenz hinterher, nicht zuletzt der restriktiven regulatorischen<br />
Anforderungen der amerikanischen Börsenaufsicht (SEC) wegen. Trotzdem ist auch<br />
in Nordamerika eine erhöhte Nachfrage nach strukturierten Produkten zu beobachten, welche<br />
sehr aktiv von Hedge Funds nachgefragt werden. 262<br />
Vorsichtige, auf Hochrechnungen und Expertenbefragungen basierende Schätzungen der<br />
OECD gehen von einem weltweiten Marktvolumen von ca. USD 3.8 Billionen (engl. trillions)<br />
aus, wovon gut 60 % in Europa ausstehend ist. Neben Europa boomt vor allem der asiatische<br />
Markt und gilt zur Zeit als zweitgrösster Handelsplatz von strukturierten Produkten, noch vor<br />
dem nordamerikanischen Markt, wie nachstehende Tabelle verdeutlicht.<br />
Tabelle 5: Geschätztes weltweites Marktvolumen von SIP<br />
Region<br />
Marktvolumen<br />
(in USD Mrd.)<br />
Marktanteil<br />
(in %)<br />
Europa 2'365 62 %<br />
Nordamerika (USA und Kanada) 577 15 %<br />
Asien 870 23 %<br />
Total 3'812 100 %<br />
Anmerkung: Eigene Darstellung in Anlehnung an Blundell-Wignall (2007a), S. 60.<br />
258 Vgl. <strong>St</strong>uder (2007), S. SB44; Zahlen per Ende 2006.<br />
259 Vgl. SVSP (2008b).<br />
260<br />
Die ZKB und Vontobel vereinen per 31.12.2006 zusammen mehr als 50 % des Volumens der kotierten strukturierten<br />
Produkte (inkl. Optionen) (vgl. SVSP (2007a), S. 13).<br />
261 Vgl. die Ausführungen über die Handelsplattformen im Kapitel 3.2.3 über die Kotierung von strukturierten Produkten.<br />
262 Vgl. Delko (2006), S. B4 und Blundell-Wignall (2007a), S. 58.
<strong><strong>St</strong>rukturierte</strong> <strong>Investmentprodukte</strong> (SIP) 65<br />
Die Schätzungen sind allerdings mit grösster Vorsicht zu geniessen und haben höchstens indikativen<br />
Charakter, da diese auf Basis von Absatzzahlen des Retailmarktes entwickelt und<br />
dieser Markt als halb so gross wie der Markt für private und institutionelle Investoren zusammen<br />
angenommen wird. 263 Mit der angegebenen Grössenordnung erreicht das Marktvolumen<br />
der strukturierten Produkte ungefähr gut die Hälfte desjenigen der Hedge Fund-<br />
Industrie, das weltweit mit ca. USD 6.9 Billionen (engl. trillions) beziffert wird. 264<br />
In der Schweiz haben annäherungsweise 600'000 Anleger strukturierte Produkte in ihren Anlageportefeuilles<br />
liegen, 265 wobei nach Volumen gemessen die institutionellen Investoren<br />
etwa die Hälfte (52.1 %) in ihren Depots wissen, private Investoren knapp 40 %. Ausländische<br />
Depotinhaber besitzen von den insgesamt CHF 346 Mrd. mit CHF 257 Mrd. etwa 75 %,<br />
wobei davon auf private Kunden nur ca. einen Drittel entfallen. Anders sieht es im Schweizer<br />
Markt aus, in dem Private über die Hälfte (55.1 %) halten, Institutionelle ihrerseits hingegen<br />
nur 32.6 % (vgl. Tabelle 6). 266 Da ist sicherlich noch grosses Potential vorhanden, sind doch<br />
Anlagelösungen via SIP beispielsweise für Pensionskassen noch nicht so weit verbreitet, obwohl<br />
nicht zuletzt die <strong>St</strong>ruktur der Verbindlichkeiten sowie die Auszahlungsstrukturen mittels<br />
strukturierter Produkte optimal abgebildet werden könnten. 267 Dieses Potential gilt es für die<br />
Emittenten mittels weiterer Produktinnovationen abzuholen und auszuschöpfen.<br />
Tabelle 6: Depotvolumen SIP nach Anlegertyp<br />
Anlegertyp<br />
institutionell<br />
privat<br />
kommerziell<br />
Total<br />
(in CHF Mrd.)<br />
Depotinhaber<br />
(Depotvolumen in CHF Mrd.)<br />
Inländisch ausländisch<br />
29<br />
49<br />
11<br />
151<br />
86<br />
20<br />
Total<br />
(in CHF Mrd.)<br />
180<br />
135<br />
31<br />
89 257 346<br />
Total<br />
(in %)<br />
52.1 %<br />
39.0 %<br />
8. 9 %<br />
Total in % 25.7 % 74.3 % 100 % 100 %<br />
Anmerkung: Daten per 30.11.2007; eigene Darstellung (Quelle: SNB).<br />
Erwähnt sei hier beispielhaft die <strong>St</strong>. Galler Kantonalbank (SGKB), die dank Produktinnovation<br />
neue Absatzkanäle für strukturierte Produkte zu erschliessen vermochte. Im November<br />
263 Daneben sind in den Daten teilweise auch Produkte vom Typus von sogenannten Asset Backed Securities (ABS), von mit<br />
Vermögenswerten gesicherten Verbriefungen, enthalten, die gemäss Definition dieser Forschungsarbeit unter 1.2 nicht zu<br />
den strukturierten Produkten gehören (vgl. Blundell-Wignall (2007a), S. 59f. und Blundell-Wignall (2007b), S. 52f.).<br />
Siehe dazu auch die Ausführungen unter Abschnitt 3.4.5.<br />
264 Vgl. Blundell-Wignall (2007a), S. 59f.<br />
265 Vgl. Mettler (2006) und Ferber (2006b).<br />
266 Per 30.11.2007 (vgl. SNB (2008), S. 1f. und 40f.).<br />
267 Vgl. Bartolucci (2006), S. B8.
<strong><strong>St</strong>rukturierte</strong> <strong>Investmentprodukte</strong> (SIP) 66<br />
2006 landete die SGKB mit der Lancierung eines strukturierten Produktes für die private gebundene<br />
Vorsorge, der Säule 3a, einen Coup und überraschte die Bankenszene. Die SGKB ist<br />
mit dem strukturierten Produkt "Performer 3a/2011" als erste Spielerin auf dem Markt in den<br />
Bereich der gebundenen Vorsorge vorgestossen, in der den Kunden bisher nur Vorsorgekonti,<br />
Anlagefonds oder Lebensversicherungen als Anlagealternativen zur Verfügung standen. Das<br />
innovative strukturierte Produkt hat eine Laufzeit von fünf Jahren und bietet dem Anleger<br />
eine garantierte Rückzahlung von 105 % per Verfall. Über diese Kapitalschutzkomponente<br />
(Floor) hinaus partizipieren die Investoren am (positiven) Verlauf des SMI bis maximal 17 %<br />
(Cap) am Ende der Laufzeit im Jahre 2011. Per Verfall ist demnach eine Rendite zwischen<br />
dem Minimum von 5 % und dem Maximum von 17 % garantiert. 268<br />
3.1.2 Marktfähigkeit der SIP<br />
Zuerst soll noch einmal die Definition eines strukturierten Produktes (SIP) in Erinnerung gerufen<br />
werden, um danach spezifisch auf die Marktfähigkeit der Produkte einzugehen. SIP<br />
bilden keine eigene Anlageklasse, sondern sind eher als eine Art Anlagestrategie zu bezeichnen,<br />
die ein Investment in eine klassische Anlageklasse (Aktien, Bonds, etc.) mit einem Derivat<br />
verbindet und durch einen privaten Retailinvestor meist selbst nicht nachgebildet werden<br />
kann. 269 Die Ausgestaltung von strukturierten Produkten ist zwar dank der vielfältigen und<br />
variablen Kombinationsmöglichkeiten derivativer Instrumente quasi beliebig und der Kreativität<br />
bei der Konstruktion und Ausgestaltung der Produkte sind beinahe keine Grenzen gesetzt.<br />
Trotzdem basiert ein SIP meist auf einer Kombination eines klassischen Underlyings<br />
mit einem Derivat.<br />
Die Marktfähigkeit und damit der Erfolg der strukturierten Produkte gründet einerseits auf<br />
dem Zugang der Investorengemeinde (insbesondere der Retailinvestoren) zu <strong>St</strong>rategielösungen<br />
und bisher nicht investiblen Anlageklassen, die bisher nur ausgewählten Investoren offenstanden,<br />
und andererseits auf der Losgrössentransformation dank des Einsatzes von Hebelprodukten<br />
(Derivaten), die erlauben, schon mit einem relativ geringen Geldeinsatz relativ<br />
hohe Exposures einzugehen. 270<br />
3.1.2.1 Bedürfnis der Portfolio Insurance<br />
Der Ansatz der Portfolio Insurance ist besonders hervorzuheben, denn der Einsatz von Derivaten<br />
auf Portfolioebene ist ein Vorläufer und Wegbereiter für die heute von den Emittenten<br />
entwickelten Anlagelösungen in Form von strukturierten Produkten. Es wurde eine Absicherung<br />
gegen grosse Verluste gesucht, was relativ einfach mit dem Einsatz von Optionen möglich<br />
ist. Neben der Absicherung gegenüber Verlusten spielt aber auch der Gedanke einer Renditesteigerung<br />
unter Inkaufnahme eines nach oben beschränkten Gewinnpotentials (Return<br />
268<br />
Vgl. SGKB (2006). Mittlerweile haben auch andere Banken (u.a. ZKB und Credit Suisse) solche Produktlösungen aufgelegt.<br />
269 Vgl. die Definition der Neuen Aargauer Bank unter 1.2.2.<br />
270<br />
Vgl. Bernet (2003) für eine ausführliche Umschreibung der Funktionen der Finanzintermediation (insbesondere Formen<br />
der Transformation).
<strong><strong>St</strong>rukturierte</strong> <strong>Investmentprodukte</strong> (SIP) 67<br />
Enhancement) 271 in einem Umfeld zielloser Märkte oder auch tiefer Zinsniveaus bei den Investoren<br />
eine grosse Rolle, was Produkte mit geschriebenen Optionen attraktiv macht. Für die<br />
genannten Fälle stehen die bekannten <strong>St</strong>rategien Protected-Put-Buying (PPB) und Covered-<br />
Call-Writing (CCW) den Investoren offen, mittels derer sie sich relativ einfach bis zu einem<br />
gewissen Grad gegen Verluste absichern können und dabei das Gewinnpotential gegen oben<br />
sich entweder erhalten (PPB) oder gegen eine Entschädigung verkaufen (CCW). 272 Ein Nachteil<br />
der klassischen PPB- und CCW-<strong>St</strong>rategien ist die beschränkte Umsetzbarkeit für Privatanleger,<br />
da von diesen ein relativ grosses Mindestvolumen der Portfolios gefordert ist. Dazu ist<br />
es für Privatanleger meist nicht möglich, short Positionen einzugehen (CCW basiert auf einem<br />
durch im Portfolio gehaltene Titel gedeckten Verkauf von Call-Optionen), weil die Banken<br />
dafür entsprechende Sicherheiten verlangen, die vom gemeinen Privatanleger oftmals<br />
nicht geleistet werden können. Oder es lohnt sich unter Berücksichtigung der bei tiefen Volumina<br />
entsprechend relativ hoch anfallenden Transaktionskosten nicht, die im Portfolio gehaltenen<br />
Titel mittels Put-Optionen gegen Verluste abzusichern. Deshalb bleiben diese <strong>St</strong>rategien<br />
vorwiegend institutionellen und grossen Privatinvestoren (Private Banking - Kunden)<br />
vorbehalten. 273<br />
3.1.2.2 Breiteres Anlagespektrum<br />
Dem gemeinen Privatanleger standen demnach lange Zeit nur Direktanlagen in Aktien oder<br />
Obligationen offen und neben einer klassischen buy-and-hold-<strong>St</strong>rategie verblieben dem Investor<br />
nicht mehr viele strategische Alternativen, um beispielsweise auch in richtungslosen oder<br />
gar fallenden Märkten von Kursgewinnen in seinem Portfolio zu profitieren. In boomenden<br />
Phasen, in der die Märkte nur eine, nämlich die nach oben gerichtete, positive Richtung kennen,<br />
mag das keine grosse Rolle spielen, doch während einer Börsenbaisse spüren die Anleger<br />
die negativen Auswirkungen unmittelbar in ihren Anlagedepots. Dank strukturierten Produkten<br />
erhöhten sich nun auch die Optionen für alle Anleger, da insbesondere das Eingehen von<br />
Shortpositionen dank dieser kombinierten Produkte auch für Kleinanleger möglich wurde,<br />
denen PPB- oder CCW-<strong>St</strong>rategien nicht oder nur beschränkt offenstanden, denn mittels Kapitalschutzprodukten<br />
kann eine PPB- und mittels Renditeoptimierungsprodukten eine CCW-<br />
<strong>St</strong>rategie eingegangen werden. 274 Aber der Einsatz von strukturierten Produkten ermöglicht<br />
nicht nur short-<strong>St</strong>rategien, sondern erweitert das Anlagespektrum auch um nicht-lineare Risi-<br />
271 Vgl. Spremann (2006), S. 486.<br />
272 Scheuenstuhl/Spremann (2005) beschreiben in ihrem Papier sehr anschaulich die Charakteristika möglicher Investoren<br />
und geben entsprechend eine Empfehlung ab, für welchen Anlegertyp CCW respektive PPB eine geeignete <strong>St</strong>rategie sein<br />
kann. Rubinstein/Leland (1981) ihrerseits beschreiben auch die Präferenzen der Investoren, machen das aber auf eine<br />
weniger anschauliche, eher nüchtern theoretische Art.<br />
273 Eine Weiterentwicklung der Portfolio Insurance, die sich steigender Beliebtheit erfreut, ist die sogenannte Constant Proportion<br />
Portfolio Insurance (CPPI), welche durch ein kontinuierliches Ausgleichen (Re-Balancing) des Portfolios zwischen<br />
Anlagen in risikobehaftete (v.a. Aktien) und "risikolose" (v.a. Cash und Obligationen) Investitionsobjekte einen fixen<br />
Mindestbetrag zu erwirtschaften trachtet bei gleichzeitig garantiertem Kapitalschutz auf der Initialanlage (vgl. Blundell-Wignall<br />
(2007a), S. 17 sowie Rüthemann/Hutter (2007a)).<br />
274<br />
Vgl. die Typologie und insbesondere die Beschreibung der Komponenten dieser Produkttypen unter den Kapiteln 3.3<br />
respektive 3.4.
<strong><strong>St</strong>rukturierte</strong> <strong>Investmentprodukte</strong> (SIP) 68<br />
ko/Rendite-Profile. 275 Die Einbindung von Derivaten bietet die Flexibilität, beinahe jedes<br />
beliebige Risikoprofil darzustellen und in einem strukturierten Produkt verpackt dem Investor<br />
als Anlagelösung zugänglich zu machen. Damit kann theoretisch in jeder Marktphase einem<br />
bestimmten Risikoprofil entsprechend eine passende Produkt- respektive Anlagestrategielösung<br />
strukturiert werden, die vom breiten Anlegerpublikum auch genutzt werden kann. 276 Es<br />
können sowohl risikoreduzierende als auch risikoerhöhende Produkte strukturiert werden. Der<br />
Anleger kann frei wählen, mittels einer entsprechenden Derivatestruktur zusätzliche Risiken<br />
für eine entsprechende Entschädigung zu übernehmen oder Risiken gegen eine Prämie abzugeben,<br />
je nach Situation, ob Risiken gerade als Chance gesehen und bewusst gesucht, oder<br />
aber eher als Gefahr betrachtet und damit bewusst gemieden werden sollen. Damit vervollständigen<br />
strukturierte Produkte insbesondere für Retailkunden das Anlagespektrum und tragen<br />
auch zu einer effizienteren Risikoallokation auf den Kapitalmärkten bei. 277 Diese Eigenschaften<br />
bilden wohl den Kern der Vorteile von strukturierten Produkten, zumal deren Einsatz<br />
in der Asset Allokation auch in wissenschaftlichen Untersuchungen positive Aspekte entgegengebracht<br />
werden.<br />
Eine wissenschaftliche <strong>St</strong>udie der französischen Edhec Business School 278 zeigt, dass mittels<br />
strukturierter Produkte definierte, massgeschneiderte Risiko/Rendite-Profile einfacher und<br />
effizienter abgebildet werden können als mit Direktanlagen in Produkte der klassischen Anlageklassen<br />
(v.a. Aktien und Bonds). Dies bedeutet, dass der Einsatz von SIP in der Asset Allokation<br />
überlegen ist, da die in den Produkten eingebetteten Derivate nicht nur eine dynamische<br />
Asset Allokation erlauben, sondern auch insbesondere nicht-lineare Risiko/Rendite-<br />
Profile konstruieren respektive strukturieren lassen. Schon ein kleiner Anteil an strukturierten<br />
Produkten im Portfolio kann das Risiko/Rendite-Verhältnis aus Anlegersicht klar verbessern.<br />
In Beispielrechnungen mit kapitalgeschützten Produkten zeigt die <strong>St</strong>udie, dass zur Optimierung<br />
des Verhältnisses von Risiko und Ertrag eine Gewichtung dieser Produkte von bis zu 70<br />
% anzustreben ist. Auch wenn diese Modellrechnungen auf institutionelle Investoren ausgerichtet<br />
sind, auf relativ starken Vereinfachungen basieren, obwohl die Risikoaversion der Anleger<br />
miteinbezogen wird, und nur einen Produkttypen (Kapitalschutzprodukt) 279 neben den<br />
klassischen Anlageklassen berücksichtigen, illustriert diese <strong>St</strong>udie das grosse Potential der<br />
SIP zur Effizienzsteigerung in Anlagelösungen für die Investoren.<br />
Selbstverständlich orientieren sich auch die sogenannten individuellen Risiko/Rendite-Profile<br />
an allgemeinen Anlegertypen und Anlagebedürfnissen wie der erwähnten Portfolio Insurance.<br />
Eine tatsächlich massgeschneiderte Lösung für das persönliche Portfolio eines einzelnen Pri-<br />
275 Vgl. Martellini/Simsek/Goltz (2005), S. 35. Vgl. die Ausführungen und Darstellungen der Pay-off-Diagramme der Grundtypen<br />
strukturierter Produkte unter den Abschnitten 3.3 und 3.4. Vgl. dazu auch Ammann (2006), S. B7 sowie Ammann/Ising<br />
(2007), S. 576.<br />
276 Vgl. Piel (2006), S. B12.<br />
277 Vgl. Ammann/Ising (2007), S. 585 sowie die Angaben und Verweise unter Fussnote 11.<br />
278 Vgl. Martellini/Simsek/Goltz (2005).<br />
279<br />
Siehe zur Erklärung von Kapitalschutzprodukten die Typologie von SIP unter Kapitel 3.3 und die Erklärungen unter 3.4<br />
(insbesondere unter 3.4.4).
<strong><strong>St</strong>rukturierte</strong> <strong>Investmentprodukte</strong> (SIP) 69<br />
vatinvestors bieten Banken auch heute nur bei einem bestimmten Mindestvolumen an. 280<br />
Trotzdem bieten die vielfältigen Anlagelösungen via strukturierte Produkte eine grosse Erweiterung<br />
der Anlagechancen von Retailinvestoren, die insbesondere darin besteht, in Märkte<br />
respektive Anlagestrategien zu investieren, die ihnen vorher nicht offen standen.<br />
3.1.2.3 Alternative Anlagestrategien<br />
Neben den erwähnten <strong>St</strong>rategien bieten strukturierte Produkte auch Zugang zu alternativen<br />
Anlagen respektive zu weiteren Anlageklassen, in die früher nur sehr schwer oder gar nicht<br />
investiert werden konnte oder ausschliesslich professionellen Marktakteuren offenstanden. So<br />
kann beispielsweise mittels Zertifikaten 281 in Rohstoffe, Hedge Funds, Währungen, Immobilien<br />
oder sogar in Private Equity 282 sowie in "Sharia konforme" Anlagen, 283 aber auch in die<br />
Volatilität 284 oder die Korrelation von Anlagen sowie in spezifische Investmentstrategien<br />
(z.B. eine Momentumstrategie) 285 investiert werden. 286 Diese Anlageopportunitäten standen<br />
der Mehrheit der privaten Anleger vor der Innovation der strukturierten Produkte weitestgehend<br />
nicht offen.<br />
Daneben wird das <strong>St</strong>reben nach einer Überrendite, der "Jagd nach Alpha", mittels strukturierter<br />
Produkte neu lanciert, da diese erlauben, dynamische und komplexe Anlagestrategien (beispielsweise<br />
Long/Short-<strong>St</strong>rategien oder auf quantitativen Modellen beruhende dynamische<br />
<strong>St</strong>rategien), mittels denen oft auch Hedge Funds operieren, in einem Produkt effizient umzusetzen.<br />
Darüber hinaus lässt sich dank einer innovativen Produktlösung das Alpha (Überrendite)<br />
vom Beta (Marktrisiko) trennen, wodurch Anleger in die Überrendite einer Anlagestrategie<br />
oder gar eines spezifischen, gewünschten Investmentmanagers investieren können, ohne<br />
in die allgemeine Marktentwicklung einer spezifischen, eventuell für den Anleger nicht gewünschten<br />
oder ungeeigneten Anlageklasse investiert sein zu müssen. Das Alpha wird dabei<br />
280 Dieses Mindestanlagevolumen für massgeschneiderte Produkte sinkt stetig. Anfangs forderten die Banken einige Millionen,<br />
heute wird dies oft schon mit Beträgen klar unter einer Million angeboten (vgl. u.a. Piel (2006), S. B12). Die UBS<br />
beispielsweise bietet ihren Anlegern über das Tool "Equity Investor" schon für einen Mindestbetrag von CHF 50'000<br />
(resp. EUR 50'000 in Deutschland) strukturierte Produkte nach Mass an.<br />
281<br />
Siehe zur Erklärung von Zertifikaten die Typologie von SIP unter Kapitel 3.3 und die Erklärungen unter 3.4 (insbesondere<br />
unter 3.4.2).<br />
282 ABN Amro lancierte ein Zertifikat auf den LPX ® Major Market Index, einem Index bestehend aus 20 liquiden internationalen<br />
Private Equity-Gesellschaften, der von der Firma LPX GmbH in Zusammenarbeit mit dem Basler Finanzmarktprofessor<br />
Heinz Zimmermann entwickelt worden ist (vgl. ABN Amro Bank (2006a)).<br />
283 ABN Amro begab zusammen mit der Liechtensteinischen Landesbank ein Zertifikat auf den LLB Top 20 Index und ermöglicht<br />
so dem gemeinen Investor den Einstieg in eine Sharia konforme Anlage. Im Rahmen des Islamic Bankings werden<br />
noch weitere Produktinnovationen erwartet, da in diesem Markt grosse Volumina an Investorengeldern nach Sharia konformen<br />
Anlagemöglichkeiten suchen (vgl. ABN Amro Bank (2006b)).<br />
284 Siehe die Ausführungen unter Kapitel 2.6 und dabei besonders 2.6.3.<br />
285 Die Bank Sarasin lancierte im Herbst 2005 in Zusammenarbeit mit dem Wirtschaftswissenschaftlichen Zentrum (WWZ)<br />
der <strong>Universität</strong> Basel ein Zertifikat (DYNaMIX – SMI Momentum), das eine dynamische Momentumstrategie auf den<br />
SMI verfolgte. Das Zertifikat wurde 2006 aufgrund des innovativen Charakters mit einem Swiss Derivative Award ausgezeichnet.<br />
Dieselbe Methodik der Momentumstrategie wurde später für ein Zertifikat (DYNaMiC) auf den Dow <strong>St</strong>ones<br />
Euro <strong>St</strong>oxx 50 angewandt (vgl. Bank Sarasin (2006a) und (2006b)).<br />
286 Vgl. Tolle/Rüthemann/Hutter (2006), S. B15.
<strong><strong>St</strong>rukturierte</strong> <strong>Investmentprodukte</strong> (SIP) 70<br />
auf eine andere Anlageklasse übertragen, was mittels sogenannter Portable-Alpha - Zertifikaten<br />
möglich gemacht wird. 287<br />
Insgesamt haben sich demnach sowohl das Anlagespektrum als auch die Produkt- und Anlagelösungen<br />
kombiniert mit dem Vorteil der Losgrössentransformation für die gesamte Anlegergemeinde<br />
dank strukturierter Produkte vergrössert, womit die Chancen für die Produkte<br />
gut stehen, nicht einfach als eine Art Modetrend am Markt betrachtet zu werden, sondern als<br />
eine wahre Alternative im Anlageprozess der Investoren nachhaltig Berücksichtigung zu finden.<br />
Daher werden SIP eher als strukturiert angefertigte Anlagestrategie, an der Anteile mit<br />
relativ kleiner <strong>St</strong>ückelung erworben werden können, verstanden und weniger als separate Anlageklasse.<br />
288 Darüber hinaus sei erneut hervorgehoben, dass solche Anlagestrategien nicht<br />
mehr nur institutionellen Investoren oder grossen Privatkunden, sondern nun allen Investoren,<br />
d.h. auch Retailinvestoren, offen stehen. Dies ist bestimmt mit ein Grund für den gegenwärtigen<br />
Boom der strukturierten Produkte, da diese direkt in einem Produkt die entsprechende<br />
Anlagestrategie abbilden und den Investoren aufgrund der Hebelwirkung der Derivate erlauben,<br />
oft schon mit einem geringen Kapitaleinsatz eine solche Anlagestrategie umzusetzen.<br />
3.1.3 Geschichte der SIP<br />
Die Geschichte der strukturierten Produkte reicht bis etwa in die Achtziger Jahre zurück. Damals<br />
nahm der OTC-Markt von derivativen Finanzprodukten immer gewaltigere Volumen an.<br />
Der erste OTC Call-Warrant auf eine Schweizer Aktie wurde 1989 öffentlich emittiert. 289<br />
Denn trotz der erwähnten Entstehung von spezifischen Handelsplätzen wuchs in erster Linie<br />
der ausserbörsliche OTC-Handel kontinuierlich an. Insbesondere Investmentbanken begannen<br />
alsbald Kombinationen von Derivaten mit klassischen Finanzmarktanlagen in einem Produkt<br />
zu verbriefen und zu emittieren, was den <strong>St</strong>artschuss für die Entwicklung von strukturierten<br />
Produkten bedeutete. 290<br />
3.1.3.1 <strong><strong>St</strong>rukturierte</strong> Portfolioabsicherung als Ursprung<br />
Am Anfang der Entwicklung der strukturierten Produkte wie auch später als Folge von Börsenbaissen<br />
stand der Gedanke eines Kapitalschutzes (Portfolio Insurance) 291 der Anlagen im<br />
Vordergrund und erfreute sich grosser Beliebtheit. Brennan und Schwartz brachten 1976 wohl<br />
als erste den Einsatz von Optionen verbunden mit einer Basisanlage in Zusammenhang mit<br />
dem von Versicherungen verfolgten Ansatz von aktiengebundenen Lebensversicherungen mit<br />
287 Vgl. Tolle/Rüthemann/Hutter (2006), S. B15.<br />
288 Vgl. Definition der SIP der NAB unter 1.2.2.<br />
289 Vgl. Solida (2005), S. 6 und Petrachi (1997), S. 41.<br />
290<br />
Vgl. u.a. die Papers von King/Remolona (1987) über Market-Index-Certificates of Deposit und Baubonis/Gastineau/Purcell<br />
(1993) über Equity-Linked Certificates of Deposit.<br />
291 Für eine genaue Definition und eine Darstellung der verschiedenen Arten der Ausgestaltung von Portfolio Insurance sei<br />
hier auf die Dissertation von <strong>St</strong>effen Tolle verwiesen, die eine sehr schöne Übersicht mit entsprechenden Literaturverweisen<br />
dazu liefert (vgl. Tolle (1993), S. 23ff.).
<strong><strong>St</strong>rukturierte</strong> <strong>Investmentprodukte</strong> (SIP) 71<br />
einem garantierten Basiswert. 292 In eine ähnliche Richtung zielte Merton 1977 mit seiner Anwendung<br />
des Black/Scholes-Modells zur Bewertung von Kreditgarantien und Einlagenversicherungen.<br />
293 Die Umsetzung einer Portfolio Insurance-<strong>St</strong>rategie in Form eines strukturierten<br />
<strong>Investmentprodukte</strong>s im Sinne dieser Forschungsarbeit wurde erstmals von Merton zusammen<br />
mit Scholes und Gladstein beschrieben, die mit Hilfe eines Portfolios von Call-Optionen,<br />
das sie mit Geldmarktinstrumenten verbanden, eine Anlagestrategie mit garantiertem Floor<br />
(Kapitalschutz) und zusätzlichem Potential an Zusatzrenditen begründeten. 294<br />
Der Ansatz der Portfolio Insurance verkörpert demnach einen wichtigen Bestandteil in der<br />
Entwicklung der strukturierten Produkte, denn der Gedanke der Absicherung stand und steht<br />
bei vielen der strukturierten Produktvariationen im Vordergrund. Es überrascht nicht, dass das<br />
erste im Schweizer Markt emittierte strukturierte Produkt diesen Sicherheitsaspekt aufnahm<br />
und entsprechend ausgestaltet war: Es garantierte dem Investor zumindest das eingesetzte<br />
Kapital. Das Produkt mit namens GROI (Guaranteed Return on Investment) des damaligen<br />
Schweizerischen Bankvereins (SBV) wurde zu Jahresbeginn 1991 aufgelegt und koppelte die<br />
Rückzahlung des investierten Kapitals an die Entwicklung des SMI während der Laufzeit<br />
eines Jahres, wobei die Partizipation durch einen "Cap" nach oben beschränkt war. Die Typologie<br />
der schon zitierten Swiss Listed Derivative Map ordnete das Schweizer Urprodukt der<br />
strukturierten Produkte, GROI, den Kapitalschutz-Produkten zu, und da spezifisch zu einem<br />
Kapitalschutz-Produkt mit Cap. 295 Das Emissionsvolumen erreichte damals bemerkenswerte<br />
CHF 150 Millionen und setzte damit den Markt für strukturierte Produkte in Bewegung. 296<br />
Aufgrund der Entstehungsgeschichte der ersten SIP und der darauf folgenden raschen Entwicklung<br />
eines regen OTC-Handels und wegen des ursprünglich relativ aufwendigen Kotierungsprozesses<br />
an der Schweizer Börse SWX sind bis heute noch viele SIP nicht an der SWX<br />
kotiert und werden entsprechend nur OTC gehandelt (der OTC-Markt umfasst ca. 80 % 297 des<br />
SIP-Markts). Dies führt auch zu einer relativ dünnen historischen Datenbasis strukturierter<br />
Produkte und ist mit eine Erklärung, warum es bisher so wenige empirisch gesicherte Befunde<br />
über strukturierte Produkte im Schweizer Markt gibt. Auch für die Forschungsarbeit erweist<br />
sich die Suche nach einer geeigneten und genügend breit abgestützten Datengrundlage für die<br />
empirischen Auswertungen als sehr schwierig, obwohl sich in der jüngeren Vergangenheit die<br />
Praxis der Kotierung insbesondere von mittlerweile beinahe standardisierten Produkttypen<br />
292 Vgl. Brennan/Schwartz (1976). Den Aspekt des Kapitalschutzes verbunden mit einer potentiellen, beschränkten Renditesteigerung<br />
in der privaten Vorsorge nahm die SGKB mit ihrer im vorhergehenden Abschnitt beschriebenen Produktinnovation<br />
auf (vgl. SGKB (2006)).<br />
293 Vgl. Merton (1977).<br />
294 Vgl. Merton/Scholes/Gladstein (1978). Für weitere spezifische Anwendungen der ersten <strong>St</strong>unde von Optionsstrategien im<br />
Sinne der Portfolio Insurance vgl. auch die Darstellungen und Hinweise in Merton (1998), S. 336f.<br />
295 Das Bedürfnis der Anleger nach einer Form der Portfolio Insurance zeigt sich auch in der Typologie dieser Produkte (vgl.<br />
die Typologie der Swiss Listed Derivative Map graphisch illustriert unter 3.3.1).<br />
296 Für eine Übersicht und entsprechende Verweise der genauen Geschichte und originären Entwicklung der strukturierten<br />
Produkte in der Schweiz sei hier auf die Literatur verwiesen (vgl. stellvertretend Wohlwend (2001), S. 2f. sowie Tolle et<br />
al. (2005), S. 18ff.).<br />
297 Vgl. stellvertretend Eichhorn (2006), S. B3 sowie ergänzend die Angaben von Fussnote 251.
<strong><strong>St</strong>rukturierte</strong> <strong>Investmentprodukte</strong> (SIP) 72<br />
(d.h. Produkte mit Kapitalschutz, Produkte mit maximalem Gewinn sowie Zertifikate) vermehrt<br />
durchzusetzen vermag. 298<br />
3.1.3.2 Schweizer Branchenverband SVSP<br />
Im April 2006 schlossen sich die wichtigsten Emittenten zur "Wahrung und Vertretung ihrer<br />
Interessen" zusammen und gründeten einen Branchenverband, den Schweizerischen Verband<br />
für <strong><strong>St</strong>rukturierte</strong> Produkte (SVSP), was die gestiegene Bedeutung dieses Wachstumsmarkts<br />
innerhalb der Finanzbranche ausdrückt. Der übergeordnete Zweck des Verbands ist die "Förderung<br />
des Ansehens von strukturierten Produkten und damit verbunden des Finanzplatzes<br />
Schweiz". 299 Die Kategorisierung der strukturierten Produkte schrieb sich der Verband als<br />
erstes auf seine Fahne und trieb eine Typologie voran, die sich in der Swiss Listed Derivative<br />
Map niederschlug, welche heute als (unverbindlicher) Branchenstandard gilt. 300 Ausserdem<br />
kümmert sich der Verband vor allem um das Lobbying in regulatorischen Fragen, zum Beispiel<br />
bei der Einführung des Kollektivanlagegesetzes (KAG), unter das die strukturierten Produkte<br />
nun nicht fallen, und in der Aufklärung von Anlegern mittels Informationsveranstaltungen<br />
wie der ersten Messe für strukturierte Produkte in Zürich im Herbst 2007. 301<br />
SVSP erhebt allerdings vorerst keine Marktdaten selbst, sondern überlässt dies dem auf Derivateinformationen<br />
spezialisierten Unternehmen Derivative Partners sowie der SWX, obwohl<br />
da eine grosse Lücke zu schliessen wäre und die Datenerhebung auch in den Zielen des Verbands<br />
explizit erwähnt ist ("Erstellung von <strong>St</strong>udien und <strong>St</strong>atistiken"). 302 Aus diesem Grund<br />
bleiben die Zahlen zum OTC-Handel in der Schweiz weiterhin nur mutmasslich geschätzt. 303<br />
Die deutschen Pendants zum SVSP (Derivate Forum und Deutsches Derivate Institut) ihrerseits<br />
erheben detaillierte <strong>St</strong>atistiken und lagern diese Aufgabe nicht aus. 304<br />
Der Schweizer Verband zählt mittlerweile achtzehn Mitglieder, die zusammen ca. 95 % der<br />
an der SWX kotierten strukturierten Produkte abdecken. 305 Um nicht alleine als Emittenten-<br />
298 Siehe Kapitel 3.3 zur Typologie der Produkte, Definitionen und Erklärungen.<br />
299<br />
Zu den Gründungsmitgliedern zählen ABN Amro, Credit Suisse, UBS, Bank Vontobel und die Zürcher Kantonalbank (vgl.<br />
SVSP (2006b)).<br />
300<br />
Vgl. SVSP (2006c) und SVSP (2006d). Die Swiss Listed Derivative Map wird im Rahmen der Typologie der SIP im<br />
Kapitel 3.3 separat vorgestellt.<br />
301 Vgl. Willmeroth (2006) und SVSP/SWX (2007). Siehe im Zusammenhang mit der Aufklärung und Transparenzvorschriften<br />
auch die Ausführungen zur Regulierung von SIP unter Kapitel 3.1.4. Die Messe für strukturierte Produkte wurde<br />
zwischen dem 17./18. Oktober 2007 im Kongresshaus in Zürich mit insgesamt 38 Ausstellern durchgeführt und verzeichnete<br />
über 4'500 Besucher (vgl. SVSP/Scoach (2007)).<br />
302 Vgl. SVSP (2006b).<br />
303 Vgl. Rasch (2006b).<br />
304 Das Derivate Forum erhebt allerdings auch nicht alle Daten selber, sondern beauftragt u.a. für detaillierte Jahresstatistiken<br />
eine aus der European Business School (eps) abgespaltene Unternehmung, die xtp Gmbh, die von den im Derivate Forum<br />
zusammengeschlossenen Emittenten gemeldeten Daten statistisch auszuwerten (vgl. Derivate Forum (2007)).<br />
305 Per Februar 2008; neben den fünf Gründungsmitgliedern traten im Herbst 2006 die HypoVereinsbank, Goldman Sachs,<br />
Julius Bär, Merrill Lynch und Sal. Oppenheim (vgl. SVSP (2006d)), Ende 2006 Clariden Leu, Anfang 2007 die Bank Sarasin<br />
(vgl. SVSP (2007b)) sowie im März 2007 die Banque Cantonal Vaudoise (BCV) und die Deutsche Bank (DB) (vgl.<br />
SVSP (2007c)) sowie per Anfang 2008 die Dresdner Bank, EFG Financial Products, Lehman Brothers sowie der Société<br />
Générale (vgl. SVSP (2008b)) dem SVSP bei.
<strong><strong>St</strong>rukturierte</strong> <strong>Investmentprodukte</strong> (SIP) 73<br />
vertreter zu fungieren, bestellte der SVSP mit Eric Wasescha, dem Gründer und Geschäftsführer<br />
von Derivative Partners, eine unabhängige Person als Geschäftsführer. 306<br />
Die Branchenverbände professionalisieren sich stetig und forcieren auch die grenzüberschreitende<br />
Zusammenarbeit. Nachdem die beiden deutschen Interessenvertreter Derivate Forum<br />
und Deutsches Derivate Institut zum grössten Derivate Verband Europas fusionierten und den<br />
Deutschen Derivate Verband gründeten, planen nun die Branchenorganisationen der vier führenden<br />
europäischen Märkte (Deutschland, Schweiz, Italien und Österreich) die Gründung<br />
eines europäischen Dachverbandes zur Bündelung ihrer Interessen. Dabei wird insbesondere<br />
hinsichtlich einer allfälligen europäischen Harmonisierung eine Selbstregulierung der Branche<br />
ohne einschränkende gesetzliche Bestimmungen angestrebt. 307<br />
Grundsätzlich lässt sich bemerken, dass grosse Innovationsschübe bei Finanzprodukten zumeist<br />
durch Turbulenzen an den Märkten begünstigt respektive hervorgerufen wurden. So<br />
erzielten die strukturierten Produkte ihren eigentlichen Durchbruch erst in den vergangenen<br />
Jahren, genauer mit dem Aufkommen und Andauern der Börsenbaisse in den Jahren 2001 bis<br />
ca. 2003, als die Anlegergemeinde nach Alternativen zur klassischen buy-and-hold-<strong>St</strong>rategie<br />
trachteten, die ihnen auch in der Baisse oder zumindest in seitwärts tendierenden Märkten<br />
eine positive Rendite versprachen. Daher dauerte es vom erfolgreichen Pionierprodukt 1991<br />
über zehn Jahre, bis SIP wirklich salonfähig wurden und sich am Markt bei den Anlegern<br />
durchsetzen konnten. Es wird interessant sein zu beobachten, welche Innovation die Branche<br />
als nächstes hervorbringen wird und womöglich die Anlagebedürfnisse in gleichem Masse<br />
befriedigt wie strukturierte Produkte.<br />
3.1.4 Kosten der SIP<br />
Die Kosten von strukturierten Produkten sind vielschichtig, teilweise inhärent und damit für<br />
den Anleger nicht immer vollständig transparent. Es soll an dieser <strong>St</strong>elle keine Quantifizierung<br />
der einzelnen Kostenfaktoren vorgenommen werden, denn diese Thematik alleine gäbe<br />
genügend Forschungsstoff für eine separate wissenschaftliche Abhandlung. Die Dissertation<br />
von Wohlwend hat sich beispielsweise dieser Materie intensiv gewidmet und auch die Mehrzahl<br />
der bisher veröffentlichten wissenschaftlichen Arbeiten über strukturierte Produkte haben<br />
sich mit der Preisstellung, d.h. dem Pricing, der Bewertung und dementsprechend mit den<br />
inhärenten Kosten der Produkte in ihren Forschungsfragen auseinandergesetzt. 308<br />
Gleichwohl wird hier auf die wichtigsten Kostenfaktoren kurz eingegangen, die bei der <strong>St</strong>rukturierung,<br />
der Emission, beim Kauf oder Handel von strukturierten Produkten anfallen können.<br />
Dabei wird grob unterschieden zwischen für den Anleger transparenten und nichttransparenten<br />
Kosten. Die Emittenten sind nämlich gefordert, für ihre Produkte sogenannte<br />
Term- und Factsheets zu erstellen und den Anlegern zugänglich zu machen. Ein Fact-Sheet<br />
306 Vgl. Mettler (2006).<br />
307 Zu den Gründungsmitgliedern gehören der italienische Verband Associazione Italiana Certificati e Prodotti di Investimento<br />
(ACEPI), der Deutsche Derivate Verband (DDV), der Schweizerische Verband für strukturierte Produkte (SVSP)<br />
und das Zertifikate Forum Austria. Zur Gründung und <strong>St</strong>ellungnahme des Verbands gegenüber der Regulierungsbestrebungen<br />
der EU-Kommission vgl. DDV (2008a) und DDV (2008b) sowie Rasch (2008).<br />
308 Vgl. Wohlwend (2001) sowie die vorgestellten Arbeiten unter Abschnitt 1.2.
<strong><strong>St</strong>rukturierte</strong> <strong>Investmentprodukte</strong> (SIP) 74<br />
ist eine Art Produkteinformationsblatt, welches die Funktionalitäten, (Verkaufs-) Konditionen,<br />
die rechtlichen und steuerlichen Begebenheiten der Produkte sowie nähere Angaben über<br />
den Emittenten relativ einfach und für mit der Materie einigermassen vertraute Investoren<br />
auch verständlich aufzeigt und damit die vermeintlich wichtigsten Produktinformationen für<br />
die Anleger transparent macht. Das Termsheet wiederum deckt insbesondere die regulatorischen<br />
Angaben zu den Produkten umfassender ab als das Factsheet. 309<br />
3.1.4.1 Transparente Kosten<br />
Die evidenten Kosten strukturierter Produkte fallen analog zu anderen Finanzprodukten an<br />
und sind auch relativ einfach nachvollziehbar, wie etwa Verkaufskommissionen, Courtagen<br />
oder Depotgebühren sowie der bekannte Bid/Ask-Spread auf dem Sekundärmarkt bei Handelsaufträgen.<br />
Weniger ersichtlich und auch schwieriger nachvollziehbar sind die den Produkten<br />
immanenten Kosten, die hier als <strong>St</strong>rukturierungskosten bezeichnet werden und der Mehrzahl<br />
der Investoren quasi einer Blackbox gleich verborgen bleiben. Zu diesen Kosten zählen<br />
insbesondere vom Emittenten einbehaltene Dividenden der Basiswerte oder Volatilitäts-<br />
Spreads der in den Produkten eingebetteten Optionen.<br />
Die Verkaufskommissionen, auch als Emissionsaufschlag bekannt, 310 werden zumeist transparent<br />
im Primärmarkt ausgewiesen und bewegen sich je nach Komplexität und Emissionsvolumen<br />
der Produkte zwischen 1 % bis 2 %. Mit diesen Gebühren deckt der Emittent den allgemeinen<br />
Aufwand der Produktstrukturierung (z.B. Produktentwicklung, Hedging) und Emission<br />
(u.a. Marketing, Vertrieb, Kotierungs- oder Emissionsgebühren) und strebt einen positiven<br />
Ergebnisbeitrag an. Nach Emission des Produktes fallen bei einem Handelsabschluss auf<br />
dem Sekundärmarkt keine Verkaufskommissionen mehr an, sondern wie bei anderen Finanzinstrumenten<br />
Handelscourtagen, die in der Regel von den Finanzinstituten genauestens ausgewiesen<br />
werden und keine Besonderheit der strukturierten Produkten darstellen. Das gleiche<br />
gilt für die Transaktionskosten im Sekundärmarkthandel aufgrund des Bid/Ask-Spreads, dessen<br />
Höhe je abhängig von der Liquidität des Basiswerts oder vom Handelsvolumen des Produkts<br />
sowie von der Zuverlässigkeit und Qualität des Market Makings 311 des verantwortlichen<br />
Emittenten ist. 312 Der Bid/Ask-Spread ist zwar nicht völlig transparent nachvollziehbar, doch<br />
ergeben eine historische Betrachtung der gestellten Kurse sowie das Renommee des Emittenten<br />
respektive des Market Makers zuverlässige Angaben über die zu erwartende Grössenordnung.<br />
Ausserdem sind über Finanzinformationssysteme die Handelskurse jederzeit sehr<br />
schnell abruf- und damit auch beobachtbar. Die Gebühren des Anlagedepots schliesslich, in<br />
das die Produkte nach dem Kauf eingebucht werden, sind je nach Finanzinstitut unterschiedlich,<br />
aber in der Regel öffentlich bekannt. Diese Kosten stehen dank der Transparenz im<br />
309<br />
Auf Fragen der Prospekt- und Informationspflicht der Emittenten wird im folgenden Kapitel 3.2 und dabei insbesondere<br />
unter 3.2.1 eingegangen.<br />
310 Vgl. Wohlwend (2001), S. 144f.<br />
311 Siehe Ausführungen und Erklärungen zum Sekundärmarkthandel von strukturierten Produkten unter Abschnitt 3.2.3.<br />
312 Vgl. Tolle et al. (2006), S. 104ff. sowie von Wattenwyl (2006a), S. B11.
<strong><strong>St</strong>rukturierte</strong> <strong>Investmentprodukte</strong> (SIP) 75<br />
Wettbewerb 313 unter den Anbietern und sind dank der Analogie der anfallenden Kosten bei<br />
anderen Finanzinstrumenten den Anlegern mehrheitlich bewusst und mittels der Produktinformationen<br />
in den Fact- und Termsheets auch nachvollziehbar. 314<br />
3.1.4.2 <strong>St</strong>rukturierungskosten<br />
Anders verhält es sich mit den <strong>St</strong>rukturierungskosten, den inhärenten Kosten der Produkte,<br />
die auf weniger nachvollziehbare und offensichtliche Weise die Erträge der Emittenten nachhaltig<br />
positiv beeinflussen können, die allerdings schwierig zu quantifizieren sind. <strong><strong>St</strong>rukturierte</strong><br />
Produkte sind per definitionem Kombinationen von Finanzanlagen, wovon mindestens<br />
eine ein Derivat sein muss, und damit spiegeln sich im Preis des Produktes die kombinierten<br />
Preise der einzelnen Komponenten oder Bausteine wider. Eine faire Bewertung eines solchen<br />
Produktes ist demnach wie auf Märkten üblich über eine exakte Replikation möglich, doch<br />
die Replizierbarkeit dieser Produkte erweist sich für private Investoren oftmals als sehr<br />
schwierig, wenn nicht unmöglich. Insbesondere die in den Produkten eingebetteten Optionen<br />
sind am Markt vielfach nicht exakt replizierbar via eine beispielsweise an der EUREX gehandelte<br />
Option, da nur schon kleinste Unterschiede in Laufzeit oder im <strong>St</strong>rikepreis den Optionspreis<br />
beeinflussen, der über die implizite Volatilität gehandelt wird. 315 Indem nun die Emittenten<br />
die Optionskomponente des strukturierten Produkts nur um einige Basispunkte anders<br />
(ob höher oder tiefer hängt von der Investitionsposition des Emittenten ab) bewerten, als sie<br />
am Markt via die implizite Volatilität gehandelt wird, ergibt sich ein leichtes Mispricing zugunsten<br />
des Emittenten respektive zuungunsten des Investors, wodurch über eine Art Volatilitäts-Spread<br />
ein zusätzlicher Ertrag in der <strong>St</strong>rukturierung des Produkts generiert, aber nirgendwo<br />
ausgewiesen wird. Ein solches Mispricing zuungunsten des Anlegers hat Wohlwend<br />
in seiner Forschungsarbeit empirisch nachgewiesen, indem er die Optionskomponente von<br />
einzelnen SIP isolierte und deren implizite Volatilität mit derjenigen von gehandelten<br />
EUREX-Optionen verglich. 316<br />
Ähnlich verhält es sich bei strukturierten Produkten, bei denen die Dividendenanteile der Basiswerte<br />
der Produkte zumindest teilweise einbehalten und dem Anleger nicht vollumfänglich<br />
weitergeben werden. Die einbehaltenen Dividenden werden dazu eingesetzt, um Optionskomponenten<br />
zu kaufen, die spezifische Auszahlungsstrukturen ermöglichen. Die erwartete<br />
Dividendenrendite kann vergleichsweise gut geschätzt und damit als Kostenfaktor in der<br />
<strong>St</strong>rukturierung zuverlässig ermittelt werden. Damit könnte eine Bewertung der durch die Dividendeneinnahme<br />
ermöglichten zusätzlichen Produktfunktionen oder zumindest eine klare<br />
Bekanntmachung an die Anleger erfolgen, dass die Dividenden vollumfänglich als eine Art<br />
<strong>St</strong>rukturierungsprämie beim Emittent verbleiben. Blundell-Wignall von der OECD bezeichnet<br />
313 Insbesondere um die Emissionskosten relativ zu senken (economies of scale) in einem umkämpften Markt gehen die<br />
Bestrebungen der Emittenten nach möglichst hohen Emissionsvolumina (vgl. Hosp (2006), S. B3).<br />
314 Vgl. Ammann (2006), S. B7.<br />
315<br />
Vgl die Ausführungen zur Bewertung von Optionen mittels Optionsmodellen unter Kapitel 2.1.2 sowie die Erläuterungen<br />
über die implizite Volatilität unter Kapitel 2.2.2.<br />
316 Vgl. die empirische Untersuchung von Wohlwend (vgl. Wohlwend (2001), ab S. 191).
<strong><strong>St</strong>rukturierte</strong> <strong>Investmentprodukte</strong> (SIP) 76<br />
dementsprechend in seiner <strong>St</strong>udie die in den SIP enthaltenen Optionskomponenten und damit<br />
deren Optionsprämien als die Kosten der strukturierten Produkte. 317<br />
Die nachfolgende Übersicht zeigt zusammenfassend die wichtigsten Kostenfaktoren von<br />
strukturierten Produkten aus Sicht des Anlegers und unterteilt dabei in transparente, nachvollziehbare<br />
Kosten und nicht-transparente <strong>St</strong>rukturierungskosten. Dabei zeigt sich, dass bei den<br />
SIP-spezifischen <strong>St</strong>rukturierungskosten ein Mangel an Transparenz herrscht, der vom Markt<br />
wohl mittel- bis langfristig beseitigt werden wird. In der Praxis werden die Kosten von SIP<br />
mit einer all-in Fee eines Generalunternehmers in der Baubranche verglichen, und zwar dahingehend,<br />
dass der Kunde letztlich eine fixe Gebühr für eine gewählte strategische Anlagelösung<br />
zahlt. 318<br />
Tabelle 7: Kostenfaktoren der SIP<br />
Verkaufskommission / Emissionsaufschlag x<br />
Bid/Ask-Spread auf dem Sekundärmarkt x<br />
Handelscourtagen auf dem Sekundärmarkt x<br />
Depotgebühren x<br />
transparent latent<br />
Volatilitäts-Spread x<br />
Einbehaltene Dividenden x<br />
Anmerkung: Kosten aus Sicht des Anlegers. Eigene Darstellung.<br />
Die Transparenz und damit auch das Vertrauen in die Emittenten könnte in der Thematik der<br />
Produktkosten dadurch erhöht werden, dass im Factsheet jeweils auch die implizite Volatilität<br />
der Optionskomponente sowie die geschätzten Dividendenerwartungen kundgegeben werden,<br />
wodurch zumindest für fachkundige Investoren die Möglichkeit gegeben wäre, das Produkt<br />
zu bewerten und damit das Pricing zu beurteilen und somit etwas Licht in die Blackbox der<br />
<strong>St</strong>rukturierungskosten zu bringen. 319<br />
317 Vgl. Blundell-Wignall (2007a), S. 56.<br />
318 Vgl. <strong>St</strong>uder (2006), S. B3. Dabei verglich der Präsident des Branchenverbandes SVSP die Kosten von SIP mit denjenigen<br />
von Anlagefonds, die transparenter und damit für den Kunden leichter nachvollziehbar sind. Anlagefondsgebühren stehen<br />
in <strong>St</strong>uders Metapher für die detaillierte Kostenabrechnung eines Architekten bei einem Bauprojekt, währenddem die<br />
SIP-Gebühren als all-in Fee des Generalunternehmers für die Durchführung eines ex-ante definierten Bauprojekts bezeichnet<br />
werden.<br />
319 Vgl. auch die Ausführung und Vorschläge dazu von Ammann (vgl. Ammann (2006), S. B7). Vernachlässigt wurden in<br />
dieser Betrachtung teilweise Kosten aus Emittentensicht wie beispielsweise Emissionskosten sowie steuergesetzliche<br />
Abgaben (u.a. Emissionsabgaben, Umsatzabgaben) oder etwaige Kotierungskosten an der SWX. Dafür wird auf die Literatur<br />
verwiesen (Tolle et al. (2006), S. 94ff. enthält dazu viele Erläuterungen und übersichtliche Darstellungen).
<strong><strong>St</strong>rukturierte</strong> <strong>Investmentprodukte</strong> (SIP) 77<br />
3.2 Regulierung und <strong>St</strong>euern<br />
Im folgenden Unterkapitel wird das Augenmerk vorwiegend auf die regulatorische Seite von<br />
strukturierten Produkten gelegt, wobei in dieser Hinsicht die Abgrenzung zu herkömmlichen<br />
Anlageprodukten (insbesondere gegenüber Anlagefonds) eine wichtige Rolle spielt. Daneben<br />
wird die steuerliche Behandlung der strukturierten Produkte betrachtet sowie eine Beleuchtung<br />
der spezifischen Kotierungsvorschriften bei der Listung dieser Produkte beleuchtet. Abschliessend<br />
wird der Emissionsprozess eines strukturierten Produkts skizziert.<br />
3.2.1 Regulierung<br />
Der grosse Boom der strukturierten Produkte rief auch die Aufsicht, namentlich die Eidgenössische<br />
Bankenkommission (EBK) auf den Plan, das Dickicht der verschiedenen Produktvariationen<br />
zu entflechten und über grundsätzliche Regulierungen mehr Klarheit und Transparenz<br />
vor allem zum Schutze des Anlegers zu schaffen. Aber auch die EBK hat in ihrem im April<br />
2005 veröffentlichten Positionspapier auf eine eindeutige Definition der strukturierten Produkte<br />
verzichtet und sich vor allem auf die Abgrenzung der SIP zu Anlagefonds respektive<br />
der Frage konzentriert, ob gewisse SIP-Typen (v.a. "open-end" - Zertifikate, d.h. Zertifikate<br />
ohne Verfall) unter das Anlagefondsgesetz (AFG) fallen. 320 Auch wurde die Frage aufgeworfen,<br />
ob einige Produkte der Prospektpflicht unterliegen, wenn diese aufgrund des Emittentenrisikos<br />
allgemein als Anleihen qualifizieren würden. 321 Diese Diskussion bedeutete einen<br />
grossen Einschnitt in die damals gültige sehr liberale Praxis der Emission von SIP, die die<br />
Prüfung der Produkte durch die EBK für den Emittenten als fakultativ vorsah. 322 Prompt erfuhr<br />
der von der EBK formulierte <strong>St</strong>andpunkt heftigen Widerstand von der Emittentenseite.<br />
Nach Ansicht der Emittenten durfte die Innovationskraft nicht durch Regulierungen gebremst<br />
werden, da dies die Herstellung von derlei Produkten vom Finanzplatz Schweiz hätte vertreiben<br />
können, wie dies im Falle der Fondsbranche mit dem Ziel Luxembourg bereits geschah.<br />
323 Es folgte ein intensiver Gedankenaustausch 324 in dieser Thematik, der im Sinne des<br />
Finanzplatzes Schweiz zu einer Regulierung führte, welche sowohl den Anlagerschutz als<br />
auch die Brancheninteressen ausgewogen berücksichtigte. 325<br />
3.2.1.1 Kollektivanlagegesetz (KAG)<br />
Die EBK nahm daraufhin wieder Abstand von ihren ursprünglichen Regulierungsvorstellungen<br />
und betonte in ihrer Mitteilung vom Juli 2006, dass strukturierte Produkte zwar nicht unter<br />
das Kollektivanlagegesetz (KAG) fallen, trotzdem aber eine Selbstregulierung angestrebt<br />
werde, um den Anlegerschutz mittels gewisser Mindeststandards über Transparenzvorschrif-<br />
320 Vgl. EBK (2005), S. 8f.<br />
321 Vgl. EBK (2005), S. 6f.<br />
322 Vgl. EBK (2005), S. 16.<br />
323 Vgl. Willmeroth (2006) und Gallarotti (2006), S. 35.<br />
324 In Rasch (2005), S. 22, ist von einem veritablen Schlagabtausch zwischen EBK und SBVg die Rede, in Gallarotti (2006),<br />
S. 35, zumindest von Meinungsverschiedenheiten. Vgl. dazu die <strong>St</strong>ellungnahmen der SBVg (SBVg (2005) und SBVg<br />
(2006a)).<br />
325 Vgl. Bischof/Lamprecht/Wyss (2007), S. 29.
<strong><strong>St</strong>rukturierte</strong> <strong>Investmentprodukte</strong> (SIP) 78<br />
ten zu stärken. 326 Das KAG regelt konkret unter Art. 5 die strukturierten Produkte und betont<br />
dabei, dass derartige Produkte öffentlich nur angeboten werden dürfen, wenn der Emittent<br />
eine Bank, eine Versicherung oder ein Effektenhändler oder aber ein ausländisches Institut,<br />
das einer gleichwertigen prudentiellen Aufsicht unterstellt ist und zudem ein vereinfachter<br />
Prospekt für das Produkt vorliegt. Das allgemeine Prospekterfordernis hingegen entfällt. 327<br />
Die Festlegung eines genormten Schemas, nach dem der vereinfachte Prospekt verfasst werden<br />
muss, wird der Selbstregulierung überlassen. Dazu wurden von der Schweizerischen Bankiervereinigung<br />
(SBVg) Richtlinien ausgearbeitet, die von der EBK bewilligt und per 1. Juli<br />
2007 in Kraft getreten sind. 328 Die Mindestanforderungen an den vereinfachten Prospekt insbesondere<br />
bezüglich Transparenz beinhalten u.a. einen expliziten Hinweis, dass ein strukturiertes<br />
Produkt keine Bewilligung der Aufsichtsbehörden erfordert und keine Kollektivkapitalanlage<br />
darstellt, die einer Fondsaufsicht untersteht. Des Weiteren soll der Prospekt auch für<br />
"Durchschnittsanleger" leicht verständlich sein. 329 Darüber hinaus behält sich die EBK das<br />
Recht vor, bei missbräuchlicher Anwendung dieser Regelungen, die in einer offensichtlichen<br />
Umgehung des KAG münden, einzugreifen. 330<br />
In der Umsetzung zeigen sich noch weitere Einschränkungen in der Gesetzgebung. So gilt die<br />
Pflicht eines vereinfachten Prospektes nur für nicht kotierte, öffentlich angebotene strukturierte<br />
Produkte. 331 Bei einer Kotierung an der SWX stellt die Börse die Transparenzbedingungen<br />
bereits über die Kotierungsprospekte sicher, wodurch der vereinfachte Prospekt obsolet<br />
wird. 332 Falls das strukturierte Produkt nur von der Schweiz aus öffentlich vertrieben wird<br />
und schon ein Prospekt die Transparenzerfordernisse im Sinne des Gesetzes erfüllt (beispielsweise<br />
mittels eines Prospektes nach EU-Recht), entfällt die (vereinfachte) Prospektpflicht<br />
ebenfalls. Gleiches gilt, wenn sich das Produkt nur an sogenannte "qualifizierte Anleger"<br />
richtet, weil hier kein öffentliches Angebot vorliegt. 333<br />
3.2.1.2 Selbstregulierung<br />
Die Regulierung ist insgesamt als massvoll und der Innovationskraft der Produkte angemessen<br />
zu betrachten – wenn auch kritische <strong>St</strong>immen nicht fehlen –, 334 werden doch der schnelle<br />
326 Vgl. EBK (2006).<br />
327 Vgl. KAG (2006), Art. 5, Abs. 1-5.<br />
328 Vgl. SBVg (2007), Art. 9 (S. 11) und Bischof/Lamprecht/Wyss (2007), S. 29. Diese Regel gilt nicht für schon früher<br />
emittierte Produkte, sondern nur für Neuemissionen mit Emissionsdatum 01.07.07 oder später.<br />
329 Vgl. KAG (2006), Art. 5, Abs. 2b und 2c; die Mindestanforderungen an die Informationspflicht der Anleger ist in den<br />
Richtlinien der SBVg in den Artikeln 4 – 7 geregelt, die Anforderung der leichten Verständlichkeit in der Präambel der<br />
Richtlinien (vgl. SBVg (2007), S. 3 sowie S. 6-11).<br />
330 Vgl. EBK (2006); ein sogenannter indirekter Vertrieb eines beispielsweise in der Schweiz nicht zugelassenen Fonds über<br />
ein Zertifikat, das nur auf eben diesem Fonds basiert, wäre eine solche Umgehung.<br />
331 Vgl. EFD (2006) und SBVg (2007), Art. 1 (S. 3).<br />
332 Vgl. SBVg (2007), Art. 1 (S. 3) sowie Bischof/Lamprecht/Wyss (2007), S. 29 und Brändli/Lüchinger (2006), S. B11.<br />
333 Vgl. Bischof/Lamprecht/Wyss (2007), S. 29. KAG (2006) Art. 10 Abs. 2 definiert den "qualifizierten" Anleger, wobei<br />
gemäss Praxis Private ab einer Mindestanlagesumme von CHF 2 Mio. als qualifizierte Anleger gelten (vgl. EFD (2006)<br />
sowie SFA (2007), S. 3).<br />
334 Blundell-Wignall spricht beispielsweise von einem Paradoxon, dass in einem an sich regulierten Markt eine solch hochkomplexe<br />
Produktkategorie nicht reguliert wird (vgl. Blundell-Wignall (2007a), S. 44).
<strong><strong>St</strong>rukturierte</strong> <strong>Investmentprodukte</strong> (SIP) 79<br />
Marktzugang und die Ausgestaltung der Produktvariationen nicht eingeschränkt und schon<br />
gar nicht torpediert, wie ursprünglich befürchtet. Hier greift die Selbstregulierung unter den<br />
Emittenten und dem Branchenverband bisher im Sinne des Regulators. Die Transparenzvorschriften<br />
sind zu begrüssen, könnten aber teilweise noch etwas weiter gehen, ohne dass die<br />
Emittenten in ihrer Schaffenskraft zu stark eingeengt würden. So sind die Produkte auf den<br />
schon in vorhergehenden Abschnitten erwähnten sogenannten Term- und Fact-Sheets mehrheitlich<br />
verständlich erklärt, auch wenn die Nachvollziehbarkeit der Funktionsweise und die<br />
integrierten Optionskomponenten für Nicht-Fachleute ohne fachkundige Unterstützung zuweilen<br />
sehr schwierig ist. Dienlich wären Angaben zum Pricing der Produkte (z.B. die implizite<br />
Volatilität der Optionskomponenten oder die geschätzte Dividendenrendite), weil dies<br />
zumindest sachverständigen Investoren erlauben würde, die in der Produktstruktur enthaltenen<br />
Kosten wenigstens teilweise nachvollziehen zu können. 335 Daneben könnte mit der Angabe<br />
der impliziten Volatilität dem Anleger der Einfluss dieser Produktkomponente auf das<br />
Gesamtprodukt vor Augen geführt und eine stärkere Sensitivität gegenüber dem Faktor Volatilität<br />
erreicht werden. 336 Das mangelnde Verständnis auf Seiten der Anleger für die hochkomplexe<br />
Materie der strukturierten Produkte wird neben dem Ausfallrisiko der Emittenten<br />
als Hauptrisiko dieser Produktkategorie betrachtet, wodurch der Aufklärungsarbeit der Investoren<br />
und dem Anlegerschutz im Gebiet der strukturierten Produkte in Zukunft grosse Bedeutung<br />
zukommen wird. 337<br />
Die grosse Gewichtung der Selbstregulierung scheint der richtige Weg zu sein, weil es mit<br />
dem Branchenverband SVSP und der Bankiervereinigung auch Institutionen gibt, die ihre<br />
Mitglieder in die Pflicht zu nehmen wissen. Allerdings ist der Branchenverband selbst auch<br />
noch mehr gefordert, vermehrt Branchenstandards zu definieren und für die Mitglieder verbindlich<br />
zu erklären. Ein mögliches Vorbild könnte die Arbeit des deutschen Derivate Forum<br />
dienen, die gegen Jahresende 2006 einen "Derivate Kodex" verabschiedeten. 338<br />
3.2.2 Abgrenzung zu Anlagefonds<br />
Nicht nur die Aufsicht sieht Parallelen zwischen strukturierten Produkten und traditionellen<br />
Anlagefonds, vielmehr werden beide Anlageformen am Markt zunehmend als Konkurrenten<br />
wahrgenommen. Aber nicht nur aus rechtlicher Sicht gibt es klare Unterschiede. Die grosse<br />
<strong>St</strong>ärke der strukturierten Produkte besteht in der Flexibilität, mit der auf wechselnde Märkte<br />
reagiert und darin investiert werden kann. Während Anlagefonds überwiegend den buy-andhold-Ansatz<br />
umsetzen und auf langfristig steigende Märkte setzen, sind gewisse Typen strukturierter<br />
Produkte auch in seitwärts- oder gar abwärtstendierenden Märkten attraktiv. Der<br />
Markt der Anlagefonds ist allerdings schon viel reifer und mit einem Volumen von CHF<br />
335 Vgl. Ammann (2006), S. B7 sowie die Ausführungen in Kapitel 3.1.4.<br />
336<br />
Dieser Aspekt wird in der Empirie (Kapitel 5) und in der Beurteilung (Kapitel 6) der Unterschiede zwischen Theorie und<br />
Empirie wieder aufgegriffen.<br />
337 Vgl. Blundell-Wignall (2007a), S. 58. Vgl. dazu auch die Mahnung der National Association of Securities Dealer (NASD)<br />
an ihre Mitglieder, dass Käufer strukturierter Produkte womöglich die Produkte oft gar nicht verstehen: "…structured<br />
notes are often complex or have unique features that may not be fully understood by the retail customers…" (vgl. NASD<br />
(2005)).<br />
338 Vgl. Derivate Forum (2006).
<strong><strong>St</strong>rukturierte</strong> <strong>Investmentprodukte</strong> (SIP) 80<br />
600.5 Mrd. per Ende 2007 immer noch um einiges grösser als derjenige der SIP. Auch zählt<br />
deren Branchenverband, die Swiss Fund Association (SFA), gegründet 1992, über hundert<br />
Mitglieder. 339<br />
Die grössten Gemeinsamkeiten haben Anlagefonds mit Zertifikaten, die den Basiswert 1:1<br />
abbilden, und eine Unterkategorie in der Familie der strukturierten Produkte bilden. 340 Ein<br />
wichtiger Unterschied ergibt sich allerdings in der Regulierung dieser beiden Produktarten.<br />
<strong><strong>St</strong>rukturierte</strong> Produkte unterstehen im Gegensatz zu den Anlagefonds nicht dem Kollektivanlagegesetz<br />
KAG. 341 Ein Anlagefonds zählt ausserdem als Sondervermögen, das von der emittierenden<br />
Gesellschaft organisatorisch getrennt und dadurch mit keinem Ausfallrisiko behaftet<br />
ist, wenn der Emittent des Fonds konkursit würde. Ein strukturiertes Produkt ist rechtlich gesehen<br />
hingegen eine Schuldverschreibung, womit die Qualität des Schuldners, d.h. das Emittentenrisiko<br />
sich direkt im Investitionsrisiko des Anlegers niederschlägt und damit der Anlagerschutz<br />
bei einer Investition in ein SIP weniger ausgeprägt ist. Daher muss ein SIP auch<br />
gekennzeichnet sein als "nicht Fonds", um darauf hinzuweisen, dass Anlagen darin nicht über<br />
ein Sondervermögen geschützt sind, sondern dem Gegenparteirisiko ausgesetzt sind.<br />
Anlagefonds unterliegen der Prospektpflicht und erfordern eine Bewilligung der Aufsichtsbehörden<br />
und sind daher im Gegensatz zu strukturierten Produkten deutlich aufwendiger zu<br />
emittieren. Das neue KAG hat aber das Bewilligungsverfahren für Anlagefonds verschlankt,<br />
wodurch mit schnelleren Verfahren und damit einer vereinfachten und billigeren Auflage dieser<br />
Produkte gerechnet werden kann. 342 Dabei handelt es sich aber immer noch um einen Zeitraum<br />
von einigen Wochen oder teilweise gar Monaten (je nach Anlagefondstyp) im Vergleich<br />
mit 24 <strong>St</strong>unden bei strukturierten Produkten. 343<br />
3.2.2.1 Anlagestrategie und Handelbarkeit<br />
Die Umsetzung der Anlagestrategie ist ein wichtiges Differenzierungsmerkmal und auch hinsichtlich<br />
der Regulierung entscheidend für die unterschiedliche Behandlung dieser Produkte.<br />
Bei Anlagefonds werden Anlagerichtlinien definiert, in deren Rahmen der Fondsmanager<br />
nach subjektivem Ermessen beliebige Anpassungen an der Fondszusammensetzung (z.B.<br />
Gewichtungsfaktoren, Titelauswahl etc.) vornehmen kann. Die meisten Zertifikate wiederum<br />
sind statisch ausgestaltet, d.h. die dem Produkt zugrundeliegenden Werte oder die Zusammensetzung<br />
des Underlyings sind bei der Emission definiert und bleiben bis zum Verfall unverändert.<br />
Bei sogenannten dynamischen Zertifikaten hingegen darf der Basiswert während<br />
der Laufzeit des Produkts abgeändert werden, allerdings nicht nach subjektivem Gutdünken,<br />
339 Vgl. SFA (2008): per 31.12.2007 zählt der SFA 132 Mitglieder.<br />
340 Vgl. die Typologie unter 3.3 sowie die Bildung und die Komponenten von Zertifikaten unter 3.4.2.<br />
341<br />
Das neue KAG ersetzt das Anlagefondsgesetzt (AFG), das bisher die Fonds gesetzlich regelte (vgl. EFD (2006) und KAG<br />
(2006), Anhang I zu Art. 153).<br />
342 Vgl. Wullschleger (2007). Einigen Akteuren und Experten geht die Revision respektive Neugestaltung der Fondsgesetzgebung<br />
über das KAG zu wenig weit. Diese monieren weiterhin eine zu behäbige und aufwendige Regulierung (vgl.<br />
Keppeler (2007), S. 6 und Ferber (2007a), S. B1).<br />
343 Für die Kotierung von strukturierten Produkten siehe die Angaben unter Abschnitt 3.2.3 und dabei insbesondere die Verweise<br />
unter Fussnote 363; für den Bewilligungsprozess von Anlagefonds vgl. SFA (2007), S. 6ff., inklusive einer systematischen<br />
Darstellung der jeweiligen Genehmigungsverfahren der unterschiedlichen Fondstypen.
<strong><strong>St</strong>rukturierte</strong> <strong>Investmentprodukte</strong> (SIP) 81<br />
sondern nur nach klar definierten, objektiven Kriterien, die zum Vornherein bei der Emission<br />
festgelegt und kommuniziert worden sind (z.B. Basket aus den zehn Titeln mit dem höchsten<br />
Kurs/Gewinn-Verhältnis (P/E-Ratio) des SMI als Underlying). 344 Andernfalls wird das dynamische<br />
Zertifikat als ein Anlagefonds qualifiziert und die Emission als Zertifikat als eine<br />
Umgehung des KAG betrachtet. 345<br />
Auch in der Handelbarkeit der Produkte zeigt sich ein Unterschied. Zertifikate lassen sich<br />
permanent handeln, umso mehr falls das Produkt an der Börse kotiert ist. Ansonsten tritt der<br />
Emittent als Market Maker auf, stellt laufend Bid- und Ask-Kurse für den Sekundärmarkthandel<br />
und gewährleistet somit eine laufende Handelbarkeit der Zertifikate. Die Anlagefonds<br />
ihrerseits, die börsengehandelten Exchange Traded Funds (ETF) bewusst ausgeklammert,<br />
werden hingegen nicht kontinuierlich gehandelt. Nur einmal täglich wird jeweils der Nettoinventarwert<br />
oder Net Asset Value (NAV) und damit der Kurs des Anlagefonds bestimmt. Der<br />
Fonds kann zwar laufend gekauft respektive verkauft werden, der Preis wird aber in der Regel<br />
nur einmal täglich den aktuellen Marktverhältnissen angepasst. 346<br />
Die Laufzeiten von Zertifikaten und Anlagefonds sind in der Regel ebenfalls divergierend,<br />
auch wenn vermehrt sogenannte open-end-Zertifikate mit ebenfalls unbeschränkter Laufzeit<br />
– nur versehen mit Kündigungsklauseln – analog den Anlagefonds auf den Markt kommen.<br />
Die Mehrheit der Zertifikate hat eine feste Laufzeit von zwischen einem und fünf Jahren. 347<br />
3.2.2.2 Benchmarking<br />
Das Benchmarking ist eine Thematik, die hier noch kurz angeschnitten wird. Anders als bei<br />
Anlagefonds, die meistens einen klar bestimmten Vergleichsmassstab (d.h. Benchmark) zur<br />
laufenden Messung der relativen Güte der Anlageerfolge des Anlagefonds definiert haben<br />
(z.B. einen Leitindex), liegt der Fall für bestimmte Typen von strukturierten Produkten etwas<br />
anders. Zwar kann nach gleichem Schema ein Benchmark für ein strukturiertes Produkt definiert<br />
werden, doch ist eine laufende Bewertung des relativen Anlageerfolgs schwierig. Dies<br />
gilt nicht für klassische statische Zertifikate, die ohnehin den Basiswert 1:1 abbilden, als<br />
vielmehr für Produkte, die oft mehrere Optionskomponenten enthalten. Diese Optionen beeinflussen<br />
einerseits den Preis des strukturierten Produkts, hängen andererseits aber, nicht alleine<br />
von der Entwicklung ihres Underlyings ab. 348 So kann während der Laufzeit des Produkts und<br />
entsprechend der Option nicht nur der Preis sondern auch das Auszahlungsprofil temporär<br />
eine andere Form annehmen, als ursprünglich bei Emission versprochen. Dabei ist aber zu<br />
344 Diese Kriterien gelten auch für die steuerliche Behandlung respektive Anerkennung von dynamischen Zertifikaten im<br />
Kreisschreiben 15 der Eidgenössischen <strong>St</strong>euerverwaltung (vgl. E<strong>St</strong>V (2007), Anhang III, S. 2 sowie auch Tolle et al.<br />
(2005), S. 98f.).<br />
345 Vgl. EBK (2006) und EBK (2005), S. 9f.<br />
346 Vgl. Tolle et al. (2005), S. 99. Die aktuellen Marktpreise der Anlagefonds werden via Swiss Fund Data zur Verfügung<br />
gestellt und publiziert. Der Schweizerische Anlagefondsverband (SFA) gab zudem eine Richtlinie heraus, die die Berechnung<br />
der Fondspreise regelt und für ihre Mitglieder als <strong>St</strong>andesregeln gelten und damit im Sinne einer Selbstregulierung<br />
verpflichtenden Charakter hat (vgl. SFA (2001)).<br />
347 Vgl. Tolle et al. (2006), S. 32f.<br />
348 Wie bereits in den Ausführungen über die den Optionspreis beeinflussenden Komponenten in der Beschreibung des<br />
Black/Scholes-Optionspreismodells in Kapitel 2.1.2.2 aufgezeigt.
<strong><strong>St</strong>rukturierte</strong> <strong>Investmentprodukte</strong> (SIP) 82<br />
beachten, dass die über ein strukturiertes Produkt eingegangene <strong>St</strong>rategie beziehungsweise<br />
das Auszahlungsprofil sich immer auf den Zeitpunkt der Fälligkeit des Produkts bezieht. Ein<br />
klassischer Fall ist ein Kapitalschutzprodukt mit garantiertem Rückzahlungsbetrag von 100 %<br />
(per Verfall), das zwischenzeitlich unter 100 % notieren kann. Diese Spezifika gilt es als Investor<br />
zu beachten, wenn die Performance der Anlagen in strukturierten Produkten während<br />
der Laufzeit des Produkts mit einem Benchmark verglichen wird. 349<br />
In der Praxis ist heutzutage ein Trend dahingehend zu beobachten, dass Anleger sich vermehrt<br />
an einer absoluten Rendite (absolute return) orientieren und nicht an relativen Entwicklungen<br />
gegenüber zumeist statischen Benchmarks. 350 Allerdings ist die Definition und Bezeichnung<br />
von "absolute return"-<strong>St</strong>rategien insbesondere im Bereich von Anlagefonds nicht<br />
immer eindeutig und erfordert vom Investor einen genauen Blick auf die Anlagestrategie<br />
beim jeweiligen Produkt. 351<br />
3.2.2.3 Übersicht SIP vs. Anlagefonds<br />
Eine Zusammenfassung der dargelegten Unterscheidungsmerkmale zwischen strukturierten<br />
Produkten und Anlagefonds wird in der nachfolgenden Übersicht in Tabelle 8 gezeigt. 352<br />
349<br />
Vgl. Piel (2006), S. B12.<br />
350<br />
Vgl. Scheuenstuhl/Spremann (2005), S. 197ff.<br />
351<br />
Vgl. Ferber (2007b), S. 22; an dieser <strong>St</strong>elle wird jedoch nicht weiter darauf eingegangen.<br />
352<br />
Zur Vertiefung der Thematik wird hier auf die einschlägige Literatur verwiesen (vgl. für den Schweizer Anlagefondsmarkt<br />
stellvertretend das Werk von Den Otter (2003)).
<strong><strong>St</strong>rukturierte</strong> <strong>Investmentprodukte</strong> (SIP) 83<br />
Tabelle 8: SIP vs. Anlagefonds<br />
Gesetzliche Grundlage<br />
SIP (Zertifikat) Anlagefonds (ex ETF) 1<br />
Nicht dem KAG unterstellt;<br />
Obligationenrecht (OR)<br />
KAG unterstellt<br />
Anlegerschutz Emittentenbonität Sondervermögen<br />
Rechtsform<br />
Schuldverschreibung (Ausfall- /<br />
Gegenparteirisiko)<br />
Bewilligung Aufsicht Nein Ja<br />
Prospektpflicht Nein; nur vereinfachter Prospekt Ja<br />
Handelbarkeit und<br />
Kursberechnung<br />
Laufzeit<br />
Gebühren<br />
Anlagestrategie<br />
Ausschüttungen /<br />
Dividenden<br />
Benchmarking<br />
Jederzeit während Handelszeiten<br />
Begrenzte Laufzeit; open-end mit<br />
Kündigungsklauseln<br />
Kauf-/Verkaufskommissionen<br />
Einbehaltene Dividenden<br />
Bid/Ask-Spread im Sekundärmarkthandel<br />
Depotgebühren<br />
Fix und jederzeit transparent; klar<br />
definierte, objektive Kriterien bei<br />
Umschichtungen<br />
In der Regel keine; ev. in Form<br />
eines Preisabschlages beim Kauf<br />
Zertifikat bildet Benchmark 1:1 ab;<br />
bei anderen Produkten teils nur bei<br />
Verfall aussagekräftig<br />
Branchenverband SVSP SFA<br />
1 Exchange Traded Funds (ETF) sind von der Betrachtung ausgenommen.<br />
Anmerkung: Eigene Darstellung in Anlehnung an Tolle et al. (2005), S. 98f.<br />
Sondervermögen gemäss KAG<br />
Einmal täglich zu Nettoinventarwert<br />
Unbegrenzt, kein Verfall<br />
Ausgabe-/Rücknahmekommission<br />
Management Fees<br />
Fondsadministrationsgebühren<br />
Depotgebühren<br />
Umschichtungen im Rahmen der<br />
Anlagerichtlinien nach subjektivem<br />
Ermessen jederzeit erlaubt; eingeschränkte<br />
Transparenz (nur ex post)<br />
Jährlich oder thesaurierend<br />
Laufend möglich<br />
Da die Unterschiede in der rechtlichen Handhabung eminent sind, haben sich bisher Fondsgesellschaften<br />
eher zurückhaltend gezeigt im Bereich von strukturierten Produkten. Mit der<br />
DWS Investments, einer Tochtergesellschaft der Deutschen Bank, hat sich nun aber gegen<br />
Ende des Jahres 2006 eine erste klassische Fondsgesellschaft für den Einstieg als Emittent ins<br />
Geschäft mit Zertifikaten entschlossen. Die DWS war sowohl in Deutschland als auch in der<br />
Schweiz in der Rolle des first-movers aus der Sicht der Fondsgesellschaften. 353 Daneben ist<br />
der Trend aber eher dahingehender Natur, dass einzelne Fonds in strukturierte Produkte (v.a.<br />
353 Vgl. Ferber (2006c), S. 31.
<strong><strong>St</strong>rukturierte</strong> <strong>Investmentprodukte</strong> (SIP) 84<br />
Zertifikate) investieren und weniger eigene strukturierte Produkte begeben. Es findet demnach<br />
trotz erhöhter Konkurrenzsituation nur eine beschränkte "Kannibalisierung" der Produktvertriebe<br />
der beiden Branchen statt. 354<br />
Insgesamt gibt es keine eindeutigen Argumente für oder gegen die eine oder andere Produktart.<br />
Beide haben ihre Vor- und Nachteile, weshalb der Anleger gefordert ist, diese sorgfältig<br />
gegeneinander abzuwägen, zumal viele Anlageziele sowohl über SIP (Zertifikate) als auch<br />
über Anlagefonds erreicht werden können. Daher ist auch eher ein Miteinander als ein Gegeneinander<br />
von strukturierten Produkten und Anlagefonds am Markt zu erwarten. 355<br />
3.2.3 Kotierung<br />
In diesem Abschnitt wird vorwiegend auf die Kotierungsvorschriften und die spezifische<br />
Handelsplattform für strukturierte Produkte der SWX eingegangen, da in dieser Forschungsarbeit<br />
der Fokus auf den kotierten strukturierten Produkten liegt.<br />
Das Bundesgesetz über die Börsen und den Effektenhandel (BEHG) bildet die gesetzliche<br />
Grundlage für den gewerbsmässigen Handel von Effekten sowie die Errichtung und den Betrieb<br />
von Börsen. 356 Dieses Gesetz sowie die dazugehörigen Verordnungen, einerseits die<br />
Börsenverordnung (BEHV), erlassen vom Bundesrat, andererseits die Börsenverordnung-EBK<br />
(BEHV-EBK), erlassen von der zuständigen Aufsichtsbehörde, der Eidgenössischen Bankenkommission<br />
(EBK), folgen dem Grundsatz der Selbstregulierung und regeln insbesondere die<br />
Zulassung von Effekten zum Handel. 357 Davon abgeleitet ist das Kotierungsreglement (KR) 358<br />
der SWX, auf dem wiederum die weiteren, spezifischeren Richtlinien, Reglemente und Weisungen<br />
von verschiedenen Handelssegmenten und Effektenarten (z.B. die Richtlinie zur Kotierung<br />
von Derivaten) 359 sowie die allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) 360 der SWX<br />
basieren. Diese Reglemente unterstehen der Aufsichtbehörde, d.h. hier der EBK, welche die<br />
Zulässigkeit und Wirksamkeit dieser Regelungen mit dem Fokus auf die Gesetzmässigkeit<br />
überprüft, wobei explizit auch internationalen <strong>St</strong>andards Rechnung getragen werden soll. 361<br />
3.2.3.1 Internet Based Listing (IBL)<br />
Spezifisch für Derivate und strukturierte Produkte gibt es für den Emittenten über das Ende<br />
2002 eingeführte Internet Based Listings (IBL) eine schnelle und einfache Möglichkeit einer<br />
provisorischen Zulassung zum Handel. 362 Innerhalb weniger Minuten kann über dieses System<br />
nicht nur eine provisorische Handelszulassung des Produkts, sondern auch dessen Auf-<br />
354 Vgl. Ferber (2006a), S. B23 und Hus/Wittrock (2006).<br />
355 Vgl. Hosp (2006), S. B3 sowie Wullschleger (2007).<br />
356 Vgl. BEHG (1995), Art. 1.<br />
357 Vgl. BEHG (1995), Art. 4 und Art. 8 sowie BEHV (1996) und BEHV-EBK (1997).<br />
358 Vgl. SWX (1996).<br />
359 Vgl. SWX (2000).<br />
360 Vgl. SWX (1999).<br />
361 Vgl. BEHG (1999), Art. 4 sowie Art. 8, Abs. 3.<br />
362 Vgl. SWX (1996), Art. 61ff.
<strong><strong>St</strong>rukturierte</strong> <strong>Investmentprodukte</strong> (SIP) 85<br />
schaltung auf der Handelsplattform innerhalb von 24 <strong>St</strong>unden erwirkt und entsprechend der<br />
Handel des Produkts aufgenommen werden. 363 Die Richtlinie zur Kotierung von Derivaten<br />
gibt einerseits Definitionen von Derivaten und strukturierten Produkten wieder und regelt<br />
andererseits die Pflichten der Emittenten für die Zulassung, insbesondere die Transparenz-<br />
und Informationsvorschriften. 364 Dabei ist die Prospektpflicht hier besonders zu erwähnen,<br />
obwohl diese für strukturierte Produkte gemäss Kollektivanlagegesetz (KAG) gelockert wurden<br />
und nur noch einen vereinfachten Prospekt erfordern. 365 Zur administrativen Vereinfachung<br />
tragen die Regulierungen insofern bei, als vom Emittenten hinsichtlich der obligatorischen<br />
allgemeinen Informationen über den Emittenten jeweils auf frühere Kotierungsprospekte<br />
verwiesen werden kann, die unabhängig vom zu kotierenden Produkt anfallen (incorporation<br />
by reference). 366 Darüber hinaus bietet das Kotierungsreglement dem Emittenten die<br />
Möglichkeit, einmal jährlich eine Art Basisdokumentation bei der SWX einzureichen, worauf<br />
jeweils bei der Kotierung von Produkten verwiesen werden kann. 367 Nach der provisorischen<br />
Zulassung, die via IBL innerhalb von 24 <strong>St</strong>unden erteilt werden kann, ist ein formelles, vollständigen<br />
Gesuchs zur definitiven Kotierung der provisorisch zugelassenen Effekte bei der<br />
SWX einzureichen, wohingegen bei Unterlassung dieser formellen Eingabe der Handel der<br />
spezifischen Effekte sogleich gestoppt wird. 368<br />
3.2.3.2 Sekundärmarkt<br />
Nach der Umsetzung (d.h. <strong>St</strong>rukturierung) einer Idee in eine konkrete Anlagelösung und der<br />
primären Bedürfnisabklärung wird ein Produkt emittiert und bewegt sich damit in dessen Lebenszyklus<br />
im sogenannten Primärmarkt. Die Produktcharakteristika sind zu diesem Zeitpunkt<br />
definiert und der Preis festgelegt, welcher aber weiterhin den andauernden Marktschwankungen<br />
unterliegt. Marketinganstrengungen der Emittenten beginnen nun vollumfänglich<br />
und das Produkt wird während der sogenannten Zeichnungsfrist der Anlegergemeinde<br />
ohne Courtagen (dafür mit Emissionsaufschlag) angeboten. 369 In diese Zeitspanne fällt auch<br />
eine allfällige Kotierung des Produkts, bspw. an der Schweizer Börse SWX. Mit der Liberierung<br />
des Produkts wird das gezeichnete Volumen zur Zahlung fällig und endet der Primärmarkt,<br />
und es beginnt der Sekundärmarkt. 370 Produkte mit einer definierten Laufzeit bewegen<br />
sich auf dem Sekundärmarkt bis zu ihrem "Verfalldatum", d.h. bis Verfall können Produkte<br />
von den Anlegern gehandelt werden. Mit der Rückzahlung des in das Produkt investierten<br />
363 Vgl. die Mitteilungen der Zulassungsstelle (SWX (2002b) und SWX (2003)) sowie die allgemeinen Geschäftsbedingungen<br />
der internetgestützten Zulassung von Effekten (SWX (2005b), S. 5f.).<br />
364 Vgl. SWX (2000), Rz. 54ff.<br />
365 Vgl. dazu das Kotierungsreglement KR, Art. 32ff. (SWX (1996)) sowie KAG (2006), Art. 5, Abs. 1-5 und ausserdem die<br />
Ausführungen über den vereinfachten Prospekt von SIP unter Abschnitt 3.2.1.<br />
366 Vgl. SWX (2000), Rz. 57 und Brändle/Lüchinger (2006), S. B11.<br />
367 Vgl. SWX (2000), Rz. 58.<br />
368<br />
Vgl. Kotierungsregelement KR, Art. 61ff. (SWX (1996)) sowie die Kotierungsrichtlinien der Derivate, Rz. 80 (SWX<br />
(2000).<br />
369 Vgl. die Ausführungen unter Abschnitt 3.1.4.<br />
370<br />
Vgl. Tolle et al. (2006), S. 98ff. für eine ausführliche Betrachtung eines Produktlebenszyklus eines strukturierten Produktes<br />
inklusive einer Beschreibung der involvierten Parteien.
<strong><strong>St</strong>rukturierte</strong> <strong>Investmentprodukte</strong> (SIP) 86<br />
Kapitals endet der ordentliche Lebenszyklus eines strukturierten Produkts. Der Produktlebenszyklus<br />
wird in nachfolgender Graphik nochmals generisch illustriert.<br />
Produktidee<br />
Emission<br />
Rückzahlung<br />
Kotierung<br />
an SWX<br />
<strong>St</strong>rukturierung Verfall<br />
Liberierung<br />
Abbildung 9: Produktlebenszyklus SIP<br />
Zeichnungsfrist Produkthandel an<br />
SWX oder OTC<br />
Primärmarkt Sekundärmarkt<br />
Anmerkung: Eigene Darstellung in Anlehnung an Tolle et al. (2006), S. 99.<br />
Analog zu anderen Effekten (z.B. Aktien oder Obligationen) können strukturierte Produkte<br />
auch nach ihrer Liberierung weiterhin jederzeit am sogenannten Sekundärmarkt erworben<br />
oder wieder verkauft werden. Bei kotierten Produkten läuft der Handel automatisch über das<br />
Handelssystem der Schweizer Börse SWX, bei nicht kotierten, sogenannten OTC-Produkten,<br />
ist der Anleger hingegen auf die Preisstellung des Emittenten angewiesen, der sich bei der<br />
Emission meist verpflichtet, als Market Maker aufzutreten und einen Sekundärmarkthandel<br />
sicherzustellen. Eine Besonderheit bei OTC-Produkten ist die Marktstellung des Market Makers,<br />
weil dieser meistens gleichzeitig auch Emittent des Produkts ist und bei einem Handelsabschluss<br />
gleichzeitig auch die Gegenpartei verkörpert. Wohlwend bezeichnet diese Konstellation<br />
"quasimonopolistisch" und zählt diese zu den möglichen Gründen für das in empirischen<br />
Untersuchungen zu beobachtende Mispricing der Produkte am Markt. 371 Mit dem Eintritt<br />
von Retailinvestoren und der Abkehr von der buy-and-hold-Mentalität nahm schliesslich<br />
das Handelsvolumen zu und ein grösserer Druck der Investoren auf die Emittenten sowie ein<br />
grösserer Konkurrenzkampf unter den Anbietern und vermehrte Kotierungsbegehren sorgten<br />
für ein kompetitiveres Pricing im Sinne der Anbieter. 372 Die SWX sorgt dabei als Prüfungsstelle<br />
und Qualitätsgarant dafür, dass ein zuverlässiger Handel über ihre Plattform abgewickelt<br />
wird, unter anderem mittels Eliminierung von falschen Handelsabschlüssen (Trades)<br />
wegen unfairer oder offensichtlich falscher Preissetzungen. 373<br />
371 Vgl. Wohlwend (2001), S. 139. An der SWX sind die Bestimmungen und Anforderungen für Market Maker von kotierten<br />
Produkten unter den AGB geregelt (vgl. SWX (1999), S. 2 (Rz. 1.4 und 1.5)).<br />
372 Vgl. die Entwicklung der Marktvolumina über die letzten Jahre unter Abschnitt 3.1.<br />
373 Vgl. von Wattenwyl (2006a), S. B11. Allerdings weist die SWX im Kotierungsreglement (KR) darauf hin, dass eine<br />
zugelassene Kotierung an der SWX kein "Werturteil" gegenüber dem Wertpapier (Valor) darstellt (vgl. SWX (1996),<br />
t
<strong><strong>St</strong>rukturierte</strong> <strong>Investmentprodukte</strong> (SIP) 87<br />
Auf zwei Besonderheiten des Handels mit kotierten strukturierten wird hier noch spezifisch<br />
eingegangen. Einerseits ist kein Leerverkauf (short selling) der Produkte möglich respektive<br />
erlaubt, 374 andererseits bestimmt sich der Marktpreis der Produkte nicht wie bei den klassischen<br />
Finanzanlagen (etwa Aktien) oder auch sonst bei der Mehrheit der Güter über Angebot<br />
und Nachfrage sowie die Marktliquidität, sondern vielmehr anhand von Optionsbewertungsmodellen,<br />
da die in den Produkten eingebetteten Optionen einen entscheidenden Einfluss auf<br />
den fairen Preis des Produkts haben. 375<br />
3.2.3.3 Co-Lead Manager<br />
Da der vollständige Emissionsprozess, das Risikomanagement (Hedging) sowie eine allfällige<br />
Funktion als Market Maker im Sekundärmarkt eines strukturierten Produkts je nach Produktausgestaltung<br />
unabhängig von einer Börsenkotierung relativ aufwändig sein kann, nimmt<br />
auch in diesem Industriesektor die Spezialisierung stetig zu. So haben sich einige Nischenplayers<br />
im Markt etabliert, die keine eigenen Produkte respektive keine Produkte auf<br />
eigene Rechnung emittieren, sondern nur als sogenannter Co-Lead Manager Produkte in Zusammenarbeit<br />
mit einem Lead Manager, d.h. letztlich dem Emittenten, begeben. Diese Co-<br />
Lead Manager entwickeln zwar Produktideen, treten aber nicht selber am Kapitalmarkt auf,<br />
sondern lagern diesen Prozess wie auch die ganze Emissionsabwicklung sowie den Sekundärmarkthandel<br />
an den Lead Manager aus. In diesem Zusammenhang sei erwähnt, dass in der<br />
Regel nicht der Lead Manager selber, sondern aus insbesondere steuerlichen Gründen eine<br />
ausländische Tochtergesellschaft oder aber eine andere Institution mit einer besseren Schuldnerbonität<br />
als Emittent auftritt. Der Co-Leader nimmt im Emissionsprozess und später während<br />
des Sekundärmarkthandels auch eine Art Kontrollfunktion wahr. Der Anleger kann von<br />
dieser Konstellation zweier Player durchaus profitieren, obwohl sowohl der Lead Manager für<br />
den Emissionsprozess als auch der Co-Lead Manager für dessen Überwachungsfunktion eine<br />
Entschädigung verlangen. Wissenschaftliche Auswertungen zeigen nämlich eine fairere Preisstellung<br />
(d.h. eine Reduktion des Mispricings zuungunsten des Anlegers) bei strukturierten<br />
Produkten mit einem Co-Lead Manager als bei solchen ohne, und zwar in einem Ausmass,<br />
dass die Entschädigung an den Co-Lead Manager überkompensiert wird. 376<br />
3.2.3.4 Transparenz dank Kotierung<br />
Trotz einer steigenden Anzahl kotierter strukturierter Produkte an der SWX und der damit<br />
einhergehenden detaillierten Handelsdaten der einzelnen Produkte und Produkttypen im Sekundärmarkt<br />
der SWX, sind im Primärmarkt nur unvollständige Marktdaten zu verzeichnen,<br />
da Emissionsvolumen von den Emittenten nicht systematisch veröffentlicht oder zentral gemeldet<br />
respektive erhoben werden. Die SNB veröffentlicht in ihren statistischen Monatshef-<br />
Art. 59 (S. 16)). Siehe dazu auch die AGB der SWX zur Haftung der SWX und zu Bestimmungen für den laufenden<br />
Handel (vgl. SWX (1999), S. 11 sowie S. 22ff.).<br />
374 Für die Bestimmung der EUWAX vgl. Baden-Württembergische Wertpapierbörse (2007), § 85 (S. 45).<br />
375 Vgl. von Wattenwyl (2006a), S. B11.<br />
376<br />
Vgl. Wohlwend (2001), S. 244ff. Für eine schematische Darstellung der Rollen und Funktionen von Lead Manager respektive<br />
Co-Lead Manager vgl. Wohlwend (2001), S. 113.
<strong><strong>St</strong>rukturierte</strong> <strong>Investmentprodukte</strong> (SIP) 88<br />
ten 377 zwar Erhebungen über die Volumen der von den Investoren in deren Depots gehaltenen<br />
strukturierten Produkte, jedoch ohne diese Produkte zu kategorisieren. Die Erhebung erfolgt<br />
monatlich auf Basis der Selbstdeklaration der Banken und unterscheidet keine SIP-Typen,<br />
geschweige denn existiert eine verbindliche Definition, nach der strukturierte Produkte und<br />
deren Sub-Typen kategorisiert werden könnten. Wohlwend adressierte diesen Umstand schon<br />
in seiner Arbeit und forderte, diese Informationslücke notfalls mittels verbindlicher gesetzlicher<br />
Vorschriften (z.B. Angabe des Emissionsvolumens auf dem Termsheet der Produkte) zu<br />
schliessen. 378<br />
Die Bemühungen der SWX und des Branchenverbandes SVSP richten sich darauf, die Kotierung<br />
einfacher, schneller, billiger und dementsprechend attraktiver zu gestalten. Die Einführung<br />
von Quotematch im November 2005 durch die SWX, 379 einer Hochleistungshandelsplattform<br />
spezifisch für verbriefte Produkte, bildet dabei einen Meilenstein in dieser Richtung<br />
zusammen mit der schon erwähnten Möglichkeit der schnellen und unkomplizierten internetbasierten<br />
Kotierung über IBL. Diese verbesserten Instrumente und Prozesse führten seither<br />
auch zu deutlich gesteigerten Kotierungsaktivitäten der Emittenten, was sich anschaulich an<br />
der Entwicklung der an der SWX notierten strukturierten Produkte zeigen lässt. Alleine in den<br />
Jahren 2006 und 2007 verdreifachte sich die Anzahl der kotierten SIP von 1'964 Ende des<br />
Jahres 2005 auf 5'910 Ende 2007 (vgl. untenstehende Graphik). Werden die Hebelprodukte<br />
(SIP i.w.S.) dazugerechnet, waren zum Jahresende 2007 ca. 20'000 strukturierte Produkte an<br />
der Schweizer Börse SWX gelistet. 380<br />
377<br />
Vgl. stellvertretend SNB (2008).<br />
378<br />
Vgl. Wohlwend (2001), S. 135.<br />
379<br />
Vgl. SWX (2005c).<br />
380<br />
Vgl. SWX (2007b), S. 39f. sowie Anmerkungen unter Fussnote 249 in Abschnitt 3.1.
<strong><strong>St</strong>rukturierte</strong> <strong>Investmentprodukte</strong> (SIP) 89<br />
7'000<br />
6'000<br />
5'000<br />
4'000<br />
3'000<br />
2'000<br />
1'000<br />
0<br />
1'964<br />
Dez 05<br />
Feb 06<br />
Apr 06<br />
Jun 06<br />
Abbildung 10: Anzahl kotierter SIP an der SWX<br />
Aug 06<br />
Anmerkung: Eigene Darstellung (Quelle: SWX).<br />
Okt 06<br />
Dez 06<br />
Eine weitere <strong>St</strong>ärkung des öffentlichen Handels erhoffen sich die SWX und die Deutsche<br />
Börse AG von der Gründung einer spezifischen Börse eigens für strukturierte Produkte im<br />
Herbst 2006, welche sowohl die Nähe der beiden Märkte zeigt, als auch die Ambitionen unterstreicht,<br />
eine führende <strong>St</strong>ellung einzunehmen und die Marktführerschaft der EUWAX in<br />
<strong>St</strong>uttgart anzugreifen. 381 Die Handelsplattform startete im Januar 2007 als Joint Venture zwischen<br />
SWX Group und Deutsche Börse AG unter dem Namen SWX Quotematch AG auf<br />
Schweizer und Börse Frankfurt Smart Trading AG auf deutscher Seite. 382 Dabei gliederte die<br />
SWX das Geschäft mit Warrants und strukturierten Produkten in die neue <strong>St</strong>ruktur aus, die<br />
Deutsche Börse ihrerseits den Optionsschein- und Zertifikatehandel der Frankfurter Börse.<br />
Die beiden Plattformen Quotematch respektive Smart Trading, über letztere wird die Anbindung<br />
an die europäischen Akteure und Emittenten sichergestellt, werden zunächst fortgeführt<br />
und erst im April 2008 beziehungsweise Quotematch erst Ende 2009 auf die Xetra-<br />
Handelsplattform migriert werden. Im Herbst 2007 haben sich die SWX Group und die Deutsche<br />
Börse AG auf einen einheitlichen Namen ihres Joint Ventures, d.h. ihrer Börse für strukturierte<br />
Produkte geeinigt, seit dem 1. September 2007 operieren die Handelsplattformen unter<br />
dem einheitlichen Namen Scoach. 383 Nicht zuletzt aus distributionstechnischen Gründen<br />
erhoffen sich die Schweizer Emittenten Vorteile von der Migration auf Xetra, obwohl Quo-<br />
381 Vgl. für die Beschreibung des Projekts und die Absichtserklärung SWX Group (2006a) sowie SWX Group (2006b).<br />
382 Der Name der Plattform sollte ursprünglich "Alex" heissen, aber aufgrund rechtlicher Probleme wurde auf diese Namensgebung<br />
schliesslich verzichtet (vgl. SWX Group (2006c)). Sämtliche verbrieften Derivate, d.h. strukturierte Produkte und<br />
Warrants (SIP i.w.S.), der SWX wurden per 1. Januar 2007 auf die neue Plattform (ursprünglich: Alex Exchange AG)<br />
übertragen (vgl. SWX (2006a)).<br />
383 Vgl. SWX Group (2006b) respektive SWX Group (2007a) und SWX Group (2007b).<br />
Feb 07<br />
Apr 07<br />
Jun 07<br />
Aug 07<br />
Okt 07<br />
5'910<br />
Dez 07
<strong><strong>St</strong>rukturierte</strong> <strong>Investmentprodukte</strong> (SIP) 90<br />
tematch als eine sehr gute und effiziente Lösung betrachtet wird und den Weg für vermehrte<br />
Kotierungsbegehren von strukturierten Produkten im Schweizer Markt geebnet hat. 384 Höhere<br />
Kotierungsvolumina zur <strong>St</strong>eigerung der Transparenz und einen erleichterten Zugang der Produkte<br />
– auch auf Kosten des OTC-Handels – hat sich der Branchenverband zum Ziel gesetzt<br />
und entsprechende (statutarisch verankerte) Anforderungen an seine Mitglieder herausgegeben.<br />
385 Damit sollten inskünftig auch bessere und mehr Daten der Öffentlichkeit zur Verfügung<br />
stehen und sich neben detaillierterer <strong>St</strong>atistiken insbesondere auch grössere Möglichkeiten<br />
in der wissenschaftlichen Auswertung derer bieten. Die Entwicklungen an der EUWAX<br />
und die Anstrengungen der deutschen Branchenverbände Derivate Forum und Derivate Institut,<br />
die jeweils eine Vorreiterrolle im europäischen Markt einnehmen und sich per Anfang<br />
2008 zum Deutschen Derivate Verband (DDV) zusammenschlossen, 386 geben zur Hoffnung<br />
Anlass, dass der Schweizer Markt in dieser Angelegenheit einen ähnlichen Entwicklungsprozess<br />
durchlaufen wird hin zur vermehrten Kotierung der strukturierten Produkte sowie transparenterer<br />
und vollständigerer Markdaten.<br />
3.2.4 Besteuerung der SIP<br />
Die Besteuerung von strukturierten Produkten ist im Kreisschreiben (KS) Nr. 15 der Eidgenössischen<br />
<strong>St</strong>euerverwaltung (E<strong>St</strong>V) geregelt, das per 7. Februar 2007 in Kraft getreten ist<br />
und Gültigkeit für Ertragsfälligkeiten ab 1. Januar 2007 hat. 387 Es ersetzt das KS Nr. 4 aus<br />
dem Jahre 1999, 388 das mit dem neuen Kreisschreiben überarbeitet wurde und nun den Entwicklungen<br />
an den Finanzmärkten und speziell im Bereich der strukturierten Produkte Rechnung<br />
trägt. 389 Die strukturierten Produkte werden in besagtem Kreisschreiben zusammen mit<br />
verschiedenartigen Obligationstypen und derivativen Finanzinstrumenten sowie Kombinationen<br />
davon und Spezialfälle detailliert geregelt. Es geht hier nun nicht darum, die einzelnen<br />
<strong>St</strong>euerfolgen eines jeden Produkttyps spezifisch aufzuzeigen und die jeweiligen steuertechnischen<br />
Feinheiten herauszustreichen, sondern einen Grobüberblick über die Idee der Besteuerung<br />
der strukturierten Produkte zu geben und darauf hinzuweisen, dass die steuerlichen Folgen<br />
bei der Investition in ein SIP zu beachten und keinesfalls vernachlässigbar sind. Das KS<br />
15 gibt detaillierte Beispiele wieder und zeigt illustrativ die einzelnen anfallenden <strong>St</strong>euerarten<br />
und die entsprechenden <strong>St</strong>euerfolgen je Produkttyp auf. 390<br />
Ziel dieses Abschnitts über die Besteuerung von strukturierten Produkten ist keinesfalls, die<br />
direkten und indirekten <strong>St</strong>euerfolgen dieser Produkte aufzuzeigen und detailliert darzulegen,<br />
384 Vgl. Willmeroth (2006). Ende 2007 wurde mit total 19'062 kotierten strukturierten Produkten, davon 13'152 Hebelprodukte<br />
(SIP i.w.S.), ein neuer Rekord und dabei beinahe eine Verdoppelung gegenüber dem Jahresende von 2006 erzielt<br />
(vgl. SWX (2007b), S. 30 sowie die Angaben unter Fussnote 249).<br />
385 Siehe die in den <strong>St</strong>atuten formulierten Ziele vom SVSP unter Artikel 4 der <strong>St</strong>atuten sowie die Aufnahmekriterien neuer<br />
Mitglieder unter Artikel 6 (insbesondere 6 c) (vgl. SVSP (2006a)); vgl. weiter die Ausführungen bei von Wattenwyl<br />
(2006a), S. B11.<br />
386 Vgl. DDV (2008b) sowie die Ausführungen in Abschnitt 3.1.3.2.<br />
387 Vgl. E<strong>St</strong>V (2007).<br />
388 Vgl. E<strong>St</strong>V (1999).<br />
389 Für eine allgemeine Übersicht zu den Neuerungen im Kreisschreiben 15 vgl. Kapelle/Eichler (2007).<br />
390 Daher sei insbesondere auf die Beispiele im Anhang II und III des KS 15 verwiesen (vgl. E<strong>St</strong>V (2007)).
<strong><strong>St</strong>rukturierte</strong> <strong>Investmentprodukte</strong> (SIP) 91<br />
sondern lediglich einen Hinweis darauf zu geben, worin die Schwierigkeiten bei der Besteuerung<br />
solcher kombinierten Produkte liegen könnten gemäss der differenzierten Regelung im<br />
Bundesgesetz über die direkte Bundessteuer (DBG) und der Umsetzung dieser im Kreisschreiben<br />
der E<strong>St</strong>V. Der Kern in der Frage der Besteuerung von strukturierten Produkten ist<br />
die Unterscheidung zwischen steuerfreien Kapitalgewinnen aus der Veräusserung von Privatvermögen<br />
und den steuerbaren Erträgen aus beweglichem Vermögen. 391 Diese steuerliche<br />
Unterscheidung ist bei strukturierten Produkten nicht immer einfach vorzunehmen, liegt es<br />
doch in der Natur (Definition) dieser Produkte, verschiedene Komponenten miteinander zu<br />
kombinieren und in einem Produkt zu verbriefen. Liegt keine explizite Trennung dieser Einzelkomponenten<br />
vor (beispielsweise via je einer separaten Valorennummer von Underlying,<br />
Option und kombiniertem Produkt), wurden nach ursprünglicher Praxis die gesamten erzielten<br />
Erträge dieser Produkte als steuerbarer Kapitalertrag qualifiziert. 392 Mit dem Kreisschreiben<br />
Nr. 4 wurde 1999 die Regel eingeführt, dass es bei einem kombinierten, nicht-trennbaren<br />
Produkt ausreiche, eine sogenannte "Transparentmachung" der Werte der einzelnen Komponenten<br />
darzulegen, um von der differenzierten Besteuerung für Kapitalerträge und Kapitalgewinne<br />
profitieren zu können. Im KS 15 werden die erlaubten Methoden und Hilfsmittel zur<br />
Transparentmachung einerseits genauer spezifiziert und andererseits eine Expertise der<br />
Schweizerischen Bankiervereinigung (SBVg) nachgereicht, in welcher modernere oder neu<br />
entwickelte Hilfstools wie beispielsweise das "Bond Floor Pricing-System" der Telekurs Finanz<br />
AG oder die Applikation "Derivate" der E<strong>St</strong>V auf ihre Anwendbarkeit und Genauigkeit<br />
untersucht wurden. 393 Im Fokus dieses Gutachtens standen die realitätsnahe und richtige Umsetzbarkeit<br />
der steuerlichen Rechtspraxis der im KS 15 definierten und durch die E<strong>St</strong>V sowie<br />
die Emittenten der strukturierten Produkte umzusetzenden Regelungen. Daneben wurde auch<br />
die Anwendung des 5-Jahres-Swapsatzes zur "verobjektivierten" Bestimmung der marktkonformen<br />
Verzinsung des Obligationenanteils von kombinierten (strukturierten) Produkten untersucht.<br />
Insgesamt kam die SBVg zum Schluss, dass die Praxis der E<strong>St</strong>V mit den angesprochenen<br />
Tools, Applikationen und rein von der Methodik her "geeignet" ist und zuverlässige<br />
Ergebnisse mit vertretbarem Aufwand liefert.<br />
In der Praxis holt der Emittent zumeist vor der Emission eines neuen Produkttyps von der<br />
E<strong>St</strong>V einen verbindlichen Vorbescheid zur steuerlichen Behandlung des Produkts, ein sogenanntes<br />
Ruling, ein. Für die vertiefte Betrachtung des steuerlichen Aspekts der strukturierten<br />
Produkte sei hier auf die Literatur verwiesen, wobei insbesondere das Kreisschreiben 15<br />
selbst viele Beispiele nennt und detaillierte exemplarische Berechnungen zu einzelnen Produkttypen<br />
als Illustration durchführt. Dabei wird neben der Untersuchung zur Transparenz<br />
(<strong>St</strong>euerfolgen nach analytischer Methode) der Produkte insbesondere der Frage nach unterschiedlichen<br />
<strong>St</strong>euerfolgen von Produkten mit überwiegender (IUP) (<strong>St</strong>euerfolgen nach modifizierter<br />
Differenzbesteuerung) oder nicht-überwiegender (Nicht-IUP) Einmalverzinsung<br />
391<br />
Die steuerfreien Kapitalgewinne sind in Art. 16 Abs. 3 DBG (1990) (Bundesgesetz über die direkte Bundessteuer), die<br />
steuerbaren Kapitalerträge in Art. 20 Abs. 1 DBG geregelt.<br />
392 Vgl. Wohlwend/Rüthemann/Hutter (2004), S. 491.<br />
393<br />
Das Gutachten fertigte die Kommission für <strong>St</strong>euern und Finanzfragen der Schweizerischen Bankiervereinigung an (vgl.<br />
SBVg (2006b) sowie Anhang IV des KS 15 (E<strong>St</strong>V (2007)).
<strong><strong>St</strong>rukturierte</strong> <strong>Investmentprodukte</strong> (SIP) 92<br />
nachgegangen. 394 Daneben gibt Tolle et al. einen guten Überblick über die wichtigsten Produkttypen<br />
und deren <strong>St</strong>euerfolgen aus Praxissicht, wobei neben der Einkommenssteuer auch<br />
allfällig anfallende Verrechnungssteuern, Umsatzabgaben und <strong>St</strong>empelsteuern berücksichtigt<br />
werden. 395<br />
3.3 Arten der Typologie<br />
Der Absatz strukturierter Produkte, die eine Paketlösung für ein individuelles Risiko/Rendite-<br />
Profil relativ einfach zu generieren, oder eben zu strukturieren, vermögen, wurde bisher nicht<br />
genauer spezifiziert oder untersucht und soll daher im Zentrum dieser Forschungsarbeit stehen.<br />
Um die erhobenen Daten den spezifischen Produkten und vor allen Dingen die unterschiedlichen<br />
Produkttypen den jeweils typischen Kategorien zuzuordnen, wird hinsichtlich<br />
des theoretischen Absatzmodells und der empirischen Untersuchungen eine eigene Typologie<br />
geschaffen, die konzeptionell von den am Markt anzutreffenden und nachfolgend vorgestellten<br />
Typologien abweicht.<br />
Die Übersicht über Typologiearten der strukturierten Produkte zeigt die vielfältigen Möglichkeiten<br />
der Einteilungsformen, die von diversen Institutionen und in der Literatur verwendet<br />
werden. An erster <strong>St</strong>elle steht dabei die vom Branchenverband SVSP definierte Swiss Listed<br />
Derivative Map, die eine Einteilung der am Markt auftretenden <strong>St</strong>andardprodukte vorgenommen<br />
hat und mittlerweile auf relativ breite Akzeptanz stösst, obwohl die Bezeichnung der<br />
Produkte immer noch von den Emittenten selbst vorgenommen wird und eher marketingtechnischen<br />
Überlegungen als standardisierten Typologiebetrachtungen folgt. Weitgehende Einigkeit<br />
besteht darin, die Produkte anhand der Auszahlungsstruktur (Pay-off) einzuteilen.<br />
Weitere Charakteristika wie beispielsweise Risikoeigenschaften im Portfoliokontext sind<br />
zwar angedacht, aber noch nicht standardisiert verbreitet. 396 Dazu hat der SVSP einen Produktindex<br />
geschaffen, der die gängigsten Produktnamen der wichtigsten Emittenten am Markt<br />
der Typologie der Swiss Listed Derivative Map zuordnet und damit dem Anleger als Orientierungshilfe<br />
im doch reichlich unübersichtlichen Produktangebot ("Dschungel") 397 dient. 398<br />
Auf Basis der erwähnten Auszahlungsstruktur können die strukturierten Produkte in drei<br />
grundlegende Typen eingeordnet werden: Partizipations-, Renditeoptimierungs- und Kapitalschutzprodukte.<br />
Anhand sogenannter Pay-off-Diagramme können solche Auszahlungsstrukturen<br />
relativ einfach dargestellt werden, was nachfolgend für die drei Grundtypen illustriert<br />
wird:<br />
394<br />
Die Bezeichnung stammt aus dem Französischen und bedeutet "intérêt unique prédominant" (IUP) respektive (Nicht-<br />
IUP).<br />
395<br />
Vgl. Tolle et al. (2006), S. 118-125. Für eine Übersicht zur Besteuerung einzelner Produkttypen geordnet nach der Swiss<br />
Derivative Map vgl. Jaeger/Weber (2007).<br />
396 Vgl. <strong>St</strong>uder (2006), S. B3, Ammann (2006), S. B7 und von Wattenwyl (2006b). Daneben ordnen Tolle et al. in ihren<br />
Ausführungen zum Einsatz von strukturierten Produkten im strukturierten Anlageprozess in der Vermögensverwaltung<br />
den einzelnen Produkttypen Risikoeigenschaften analog anderer, klassischer Anlageprodukten (d.h. Obligationen, Aktien<br />
etc.) zu (vgl. Tolle et al. (2005), S. 171ff.).<br />
397 Vgl. Tolle/Adamovich (2005).<br />
398 Vgl. SVSP (2006c) und SVSP (2006d).
<strong><strong>St</strong>rukturierte</strong> <strong>Investmentprodukte</strong> (SIP) 93<br />
Pay-off<br />
0<br />
Partizipation Renditeoptimierung Kapitalschutz<br />
Pay-off<br />
Pay-off<br />
Kurs<br />
Basiswert<br />
Abbildung 11: Pay-off-Diagramme der drei Grundtypen von SIP<br />
0<br />
Kurs<br />
Basiswert<br />
Anmerkung: Eigene Darstellung in Anlehnung an die Swiss Listed Derivative Map der SVSP.<br />
0<br />
Kurs<br />
Basiswert<br />
An den Pay-off-Diagrammen wird die bereits beschriebene Marktfähigkeit der strukturierten<br />
Produkte ersichtlich. Die Pay-off-Diagramme zeigen für die Produktkategorien neben des<br />
klassischen linearen (Partizipation) und des konvexen (Kapitalschutz) Profils auch eine konkave<br />
(Renditeoptimierung) Auszahlungsstruktur, welche nur über short-Positionen strukturiert<br />
werden kann, was bis anhin für Retailinvestoren nur sehr eingeschränkt oder gar nicht möglich<br />
war. Diese grundlegende Erweiterung der Anlageopportunitäten ist ein wichtiger Eckpfeiler<br />
des Erfolgs von strukturierten Produkten. 399<br />
Die Marktstatistiken der SWX auf Produktebene (Mikrosicht) zeigen für alle drei Produkttypen<br />
stetig steigende Absatzzahlen über die vergangenen fünf Jahre (2003-2007), wobei insbesondere<br />
die Entwicklung der letzten beiden Jahre 2006 und 2007 bemerkenswert ausfielen<br />
(vgl. Abbildung 12).<br />
399<br />
Vgl. Ammann/Ising (2007), S. 575f. sowie die Ausführungen über die Marktfähigkeit von strukturierten Produkten in<br />
Abschnitt 3.1.2 und die Bemerkungen in Abschnitt 6.2.
<strong><strong>St</strong>rukturierte</strong> <strong>Investmentprodukte</strong> (SIP) 94<br />
in CHF Mrd.<br />
30<br />
25<br />
20<br />
15<br />
10<br />
5<br />
0<br />
2003 2004 2005 2006 2007<br />
Renditeoptimierung Partizipation Kapitalschutz<br />
Abbildung 12: Entwicklung der Absatzdaten der grundlegenden SIP-Typen<br />
Anmerkung: Eigene Darstellung (Quelle: SWX und SVSP).<br />
Aus den in Abbildung 12 graphisch illustrierten Absatzdaten wird anhand der Zahlen des Jahres<br />
2007 in Tabelle 9 beispielhaft die Dominanz der Produkttypen mit konkavem beziehungsweise<br />
linearem Auszahlungsprofil im Markt für strukturierte Produkte gezeigt, welche<br />
zusammen annähernd 90 % des Produktabsatzes erreichen. Die Kapitalschutzprodukte (konvexes<br />
Pay-off-Profil) hingegen fallen mit nur etwas mehr als 10 % Umsatzanteil weit ab, obwohl<br />
der Schutz vor Kapitalverlust, sprich der Gedanke der Portfolio Insurance, am Ursprung<br />
der historischen Entwicklung der SIP stand. 400 Die <strong>St</strong>atistik zeigt unmissverständlich, dass<br />
insbesondere Renditeoptimierungsprodukte in den empirischen Auswertungen dieser Forschungsarbeit<br />
(vgl. Kapitel 5) zu beachten sind.<br />
Tabelle 9: Absatzdaten 2007 der grundlegenden SIP-Typen<br />
Absatz<br />
(in CHF Mrd.)<br />
Anteil in %<br />
Renditeoptimierung 12.34 46.1%<br />
Partizipation 11.26 42.1%<br />
Kapitalschutz 3.17 11.8%<br />
Total SIP 26.77 100%<br />
Anmerkung: Eigene Darstellung (Quelle: SWX).<br />
400<br />
Vgl. die Ausführungen über die Marktfähigkeit der SIP und deren historische Entwicklung unter den Abschnitten 3.1.2<br />
respektive 3.1.3.
<strong><strong>St</strong>rukturierte</strong> <strong>Investmentprodukte</strong> (SIP) 95<br />
Die nachfolgenden Ausführungen und graphischen Darstellungen werden aufzeigen, dass sich<br />
der vom SVSP vorgegebene Branchenstandard, welcher sich an den in Abbildung 11 dargestellten<br />
Pay-off-Diagrammen orientiert und die Grundtypen Partizipation, Renditeoptimierung<br />
und Kapitalschutz unterscheidet, in der Typologie noch nicht überall durchgesetzt hat. Es gilt<br />
weiterhin andere Typologien zumindest zu beachten. Es wird jeweils nur auf die Typologie,<br />
nicht aber auf die genaue Definition der einzelnen Produkte und deren Ausgestaltungen eingegangen.<br />
Die Produktspezifika werden im nächsten Kapitel unter 3.4 mit der Darstellung der<br />
einzelnen Produktkomponenten untersucht.<br />
3.3.1 Swiss Listed Derivative Map<br />
Der Branchenverband SVSP stellte im Herbst 2006 die Swiss Listed Derivative Map als (unverbindlichen)<br />
Branchenstandard vor mit dem Ziel, einheitliche <strong>St</strong>andards zu definieren und<br />
das Dickicht der beliebigen Produktvariationen bezüglich Namensgebung und Produktspezifika<br />
etwas zu entflechten und die Produktinformationen zu vereinheitlichen und zu kanalisieren.<br />
Diese Typologie zählt die sogenannten Hebelprodukte ebenfalls in die Familie der strukturierten<br />
Produkte, was nicht nur der in dieser Forschungsarbeit festgesetzten Definition 401 widerspricht,<br />
da ein Hebelprodukt keine Kombination mindestens eines Basisprodukts einer Assetklasse<br />
mit einem Derivat ist, sondern nur ein Derivat selbst darstellt. Eine derartige Einteilung<br />
nimmt sonst nur noch die deutsche Derivatebranche vor, was sich an der Typologie an<br />
der EUWAX der Börse <strong>St</strong>uttgart zeigt. 402 Die Hebelprodukte werden in dieser Arbeit demnach<br />
nicht als strukturierte Produkte im engeren Sinne (i.e.S.), sondern als eine Art strukturierte<br />
Produkte im weiteren Sinne (i.w.S.) betrachtet. Diesem Ansatz folgend werden Hebelprodukte<br />
in den Ausführungen über strukturierte Produkte zwar berücksichtigt, aber ihre Rolle<br />
jeweils explizit erwähnt oder separiert.<br />
401<br />
Vgl. die Definition unter 1.2.2.<br />
402<br />
Vgl. die Typologie der EUWAX unter 3.3.6.
<strong><strong>St</strong>rukturierte</strong> <strong>Investmentprodukte</strong> (SIP) 96<br />
Hebel-<br />
Produkte<br />
Warrant<br />
Spread Warrant<br />
Knock-out Warrant<br />
Partizipations-<br />
Produkte<br />
<strong><strong>St</strong>rukturierte</strong><br />
Produkte<br />
Tracker-Zertifikat<br />
Bonus-Zertifikat<br />
Outperformance-<br />
Zertifikat<br />
Mini Futures Airbag Zertifikat<br />
Twin-Win-Zertifikat<br />
Abbildung 13: Typologie der Swiss Listed Derivative Map<br />
Renditeoptimierungs-<br />
Produkte<br />
Discount-Zertifikat<br />
Barrier-Discount-<br />
Zertifikat<br />
Reverse Convertible<br />
Barrier Reverse<br />
Convertible<br />
Barrier Range<br />
Reverse Convertible<br />
Capped-Outperformance-Zertifikat<br />
Express-Zertifikat<br />
Anmerkung: Eigene Darstellung in Anlehnung an die Swiss Listed Derivative Map der SVSP.<br />
Kapitalschutz-<br />
Produkte<br />
Kapitalschutz-P.<br />
ohne Cap<br />
Kapitalschutz-P.<br />
mit Cap<br />
Die Swiss Listed Derivative Map dient als Orientierungshilfe, wird aber in dieser Forschungsarbeit<br />
von einer eigenen Typologie abgelöst, welche dem theoretischen Absatzmodell<br />
und den empirischen Auswertungen zugrunde liegt. Die in obiger Abbildung 13 durch doppelten<br />
Rahmen hervorgehobenen Produkte werden in der Typologie dieser Forschungsarbeit<br />
und den empirischen Auswertungen berücksichtigt. 403<br />
3.3.2 SWX Swiss Exchange<br />
Die Typologie der SWX ist bedeutsam, weil sich die Forschungsarbeit einerseits auf öffentlich<br />
kotierte Produkte fokussiert und andererseits das herzuleitende theoretische Absatzmodell<br />
404 empirisch anhand der Absatzdaten der an der SWX kotierten Produkte getestet wird.<br />
Da die Daten für die empirischen Auswertungen von der SWX bezogen wurden, besitzt die<br />
entsprechende Typologie fürs Verständnis der Produkttypen und deren Einteilung in die eigene<br />
Typologie der Forschungsarbeit grosse Relevanz.<br />
Die Differenzierungsmerkmale der SWX unterscheiden sich nicht fundamental von denjenigen<br />
der Swiss Listed Derivative Map. Die wichtigsten Grundtypen sind nach derselben Schematik<br />
geordnet, die einzelnen Produktkategorien sind aber weniger detailliert in Unterkatego-<br />
403 Auf die einige der übrigen Produkte wird zwar im weiteren Verlauf der Forschungsarbeit noch eingegangen (insbesondere<br />
im Rahmen der Konstruktion der Produkte in Abschnitt 3.4), insgesamt sind diese aber aufgrund ihrer Volatilitätsposition<br />
oder wegen noch zu kleiner Verbreitung im Markt für die empirischen Auswertungen irrelevant. Die Barrier Reverse<br />
Convertibles wiederum werden in den Auswertungen in den Produkttyp Reverse Convertibles integriert.<br />
404 Vgl. Kapitel 4.
<strong><strong>St</strong>rukturierte</strong> <strong>Investmentprodukte</strong> (SIP) 97<br />
rien gegliedert. Der Kapitalschutz bildet dabei genauso ein Kriterium einer Produktkategorie<br />
wie die beschränkte Partizipation am positiven, steigenden Verlauf des Basiswerts (Produkt<br />
mit maximalem Gewinn). Die dritte Unterkategorie bilden Zertifikate, die am Verlauf eines<br />
Basiswerts 1:1 partizipieren und weder Kapitalschutz noch eine Beschränkung des Gewinnpotentials<br />
kennen.<br />
Die sogenannten Hebelprodukte oder hier Warrants werden von der SWX nicht direkt den<br />
strukturierten Produkten zugeordnet, sondern bilden zusammen mit den SIP die Kategorie der<br />
verbrieften Derivate.<br />
Warrants<br />
Plain-Vanilla Call/Put<br />
Knock-Out/-In, Spread<br />
Kapitalgeschützte<br />
Produkte<br />
Cap<br />
unlimited<br />
Abbildung 14: Typologie der SWX Swiss Exchange<br />
<strong><strong>St</strong>rukturierte</strong><br />
Produkte<br />
Produkte mit<br />
Maximalrendite<br />
Diskont-Produkte<br />
Reverse<br />
Convertibles<br />
Outperformance-<br />
Produkte<br />
Anmerkung: Eigene Darstellung in Anlehnung an SWX (2002a) und SWX (2006b).<br />
3.3.3 Swiss Derivative Guide 2006/07<br />
Zertifikate<br />
statisch / dynamisch<br />
open-end<br />
statisch<br />
dynamisch<br />
Der Swiss Derivative Guide war in seiner ersten Ausgabe 2004 neben der Dissertation von<br />
Wohlwend eines der ersten Werke in der noch immer relativ dünn gesäten Literatur über<br />
strukturierte Produkte und nimmt deshalb hier den Platz eines Pioniers ein. Das Autorenteam<br />
der Bank Wegelin um Wohlwend hat ebenfalls eine Typologie entwickelt, welche die Produkte<br />
nach ähnlichen Kriterien wie die SWX und die Swiss Listed Derivative Map einordnet mit<br />
den bekannten drei Hauptkategorien Kapitalschutz, Maximalrendite und Zertifikate (Partizipation).<br />
Optionen werden ebenfalls nicht als eine eigene Kategorie von strukturierten Produkten<br />
angesehen, sondern vielmehr als Bausteine von strukturierten Produkten verstanden. 405<br />
405 Vgl. Tolle et al. (2006), S. 17ff.
<strong><strong>St</strong>rukturierte</strong> <strong>Investmentprodukte</strong> (SIP) 98<br />
Kapitalschutz-<br />
Produkte<br />
Kapitalschutz-<br />
Produkte<br />
Asiatische Kapitalschutz-Produkte<br />
Bonus-Kapitalschutz-<br />
Produkte<br />
<strong><strong>St</strong>rukturierte</strong><br />
Produkte<br />
Produkte mit<br />
Maximalrendite<br />
Abbildung 15: Typologie des Swiss Derivative Guides 2006/07<br />
Anmerkung: Eigene Darstellung in Anlehnung an Tolle et al (2006).<br />
Discount-Zertifikate<br />
Reverse<br />
Convertibles<br />
Barrier-Reverse<br />
Convertibles<br />
Worst-of-Barrier-<br />
Reverse Convertibles<br />
Zertifikate<br />
Zertifikate<br />
Outperformance-<br />
Zertifikate<br />
Bonus-Zertifikate<br />
Airbag-Zertifikate<br />
Dasselbe Autorenteam um Wohlwend publizierte 2005 ein vielbeachtetes Werk über strukturierte<br />
Produkte und deren Einsatz in der Vermögensverwaltung. Die Typologie des Swiss<br />
Derivative Guides entspricht der Typologie des angesprochenen Werkes, in welchem die Produkte<br />
ausführlich beschrieben werden. 406<br />
3.3.4 Wohlwend<br />
Wohlwend stellte in seiner Arbeit für seine Typologie der strukturierten Produkte die folgenden<br />
drei Unterscheidungsmerkmale auf: Kapitalschutz, Gewinnpotential und Couponzahlung.<br />
Dabei wird einerseits unterschieden, ob der Emittent dem Investor eine Garantie für den investierten<br />
Anlagebetrag (oder zumindest für einen Teil davon) einräumt, andererseits ob die<br />
Partizipation an der Entwicklung des dem Produkt zugrunde liegenden Basiswerts nach oben<br />
beschränkt ist und letztlich ob das Produkt einen Coupon auszahlt. 407 Diese Unterscheidungsmerkmale<br />
lassen die SIP relativ einfach und vor allem eindeutig den einzelnen Kategorien<br />
respektive einem einzelnen Produkt-Typ zuordnen, was diese Typologie zur damaligen<br />
Zeit als sehr zweckmässig erscheinen liess. Mittlerweile haben sich die Produktausgestaltungen<br />
aber weiterentwickelt, so dass diese Typologie zwar immer noch eine problemlose Anwendung<br />
finden könnte, aber wohl einer praxisnahen Abbildung der zwischenzeitlich zunehmend<br />
erhältlichen Produktspezifika nicht mehr gerecht wird.<br />
406 Vgl. Tolle et. al. (2006), S. 89ff.<br />
407 Vgl. Wohlwend (2001), S. 10f.
<strong><strong>St</strong>rukturierte</strong> <strong>Investmentprodukte</strong> (SIP) 99<br />
unbeschränktes<br />
Gewinnpotential<br />
mit<br />
Kapitalschutz<br />
mit<br />
Couponzahlung<br />
ohne<br />
Couponzahlung<br />
beschränktes<br />
Gewinnpotential<br />
Abbildung 16: Typologie nach Wohlwend<br />
<strong><strong>St</strong>rukturierte</strong><br />
Produkte<br />
mit<br />
Couponzahlung<br />
ohne<br />
Couponzahlung<br />
unbeschränktes<br />
Gewinnpotential<br />
Anmerkung: Eigene Darstellung in Anlehnung an Wohlwend (2001), S. 10.<br />
3.3.5 Eidgenössische <strong>St</strong>euerverwaltung (E<strong>St</strong>V)<br />
ohne<br />
Kapitalschutz<br />
mit<br />
Couponzahlung<br />
ohne<br />
Couponzahlung<br />
beschränktes<br />
Gewinnpotential<br />
mit<br />
Couponzahlung<br />
ohne<br />
Couponzahlung<br />
Der Vollständigkeit halber soll hier noch darauf hingewiesen werden, dass die Eidgenössische<br />
<strong>St</strong>euerverwaltung (E<strong>St</strong>V) ebenfalls eine eigene Typologie zur Besteuerung der strukturierten<br />
Produkte verwendet. Unter dem Begriff der kombinierten Produkte werden die Hauptkategorien<br />
nach bekanntem Muster unterschieden (Kapitalgarantie und Maximale Rendite, hier: Produkte<br />
mit Geld- oder Titellieferung). Optionen und Derivate werden zwar im selben Kreisschreiben<br />
wie die strukturierten Produkte behandelt (KS Nr. 15), aber separat kategorisiert. 408<br />
Diese Typologie wird hier erwähnt, da die steuerliche Behandlung von strukturierten Produkten<br />
in dieser Arbeit ebenfalls kurz behandelt wurde und für den Investor insofern von Relevanz<br />
ist, als die <strong>St</strong>euerfolgen der Investments in die unterschiedlichen strukturierten Produkte<br />
auch entsprechend unterschiedlich ausfallen können. Vertiefend wird hier aber nicht mehr auf<br />
die Besteuerung der Produkte eingegangen. 409<br />
408 Vgl. E<strong>St</strong>V (2007), Anhang I.<br />
409 Vgl. Abschnitt 3.2.4 zur steuerlichen Behandlung von strukturierten Produkten.
<strong><strong>St</strong>rukturierte</strong> <strong>Investmentprodukte</strong> (SIP) 100<br />
kapitalgarantierte<br />
Derivate /<br />
nicht klassische<br />
Options- und<br />
Wandelanleihen<br />
Abbildung 17: Typologie der E<strong>St</strong>V<br />
kombinierte<br />
Produkte<br />
klassische<br />
Options- und<br />
Wandelanleihen<br />
Anmerkung: Eigene Darstellung in Anlehnung an E<strong>St</strong>V (2007), Anhang I.<br />
3.3.6 EUWAX<br />
Produkte mit Geldoder<br />
Titellieferung<br />
(Reverse Convertibles)<br />
Die EUWAX, ein Handelssegment der Börse <strong>St</strong>uttgart, ist die grösste Handelsplattform der<br />
Welt für verbriefte Derivate (strukturierte Produkte und Hebelprodukte) mit über 250'000<br />
kotierten Produkten, davon gut 120'000 strukturierten Produkten, 410 wobei hier weniger von<br />
Produkttypen als vielmehr von Zertifikattypen die Rede ist. Es werden Hebel- und Anlageprodukte<br />
und innerhalb der Anlageprodukte Anlagezertifikate von Aktienanleihen unterschieden.<br />
Zertifikate stellen an sich nur eine übergeordnete Kategorie dar und geben weniger direkte<br />
Hinweise auf den Produkttyp als es in der Nomenklatur im Schweizer Markt der Fall ist<br />
(siehe Swiss Listed Derivative Map). Diese Typologie zeigt einmal mehr, dass verschiedene<br />
Formen der Kategorisierung sich als nützlich und sinnvoll erweisen können, aber jeweils nur<br />
getrennt voneinander mit sorgfältiger Betrachtung der Produkttypen benutzt werden sollten,<br />
um Verwechslungen oder eine Vermischung der Produkttypen zu vermeiden. Daher ist es für<br />
den Anleger unablässig, sich der entsprechenden Typologie des Informationsanbieters, der<br />
jeweiligen Institution (z.B. Handelsplatz) oder des Emittenten bewusst zu sein, um Produkte<br />
voneinander unterscheiden und diese richtig einordnen respektive verstehen zu können.<br />
410 Per 31.12.2007 (vgl. Boerse <strong>St</strong>uttgart (2007), S. 3).
<strong><strong>St</strong>rukturierte</strong> <strong>Investmentprodukte</strong> (SIP) 101<br />
<strong><strong>St</strong>rukturierte</strong><br />
Produkte<br />
Hebelprodukte Anlageprodukte<br />
Optionsscheine<br />
Knock-Outs<br />
exotische<br />
Produkte<br />
Abbildung 18: Typologie der EUWAX<br />
Anlagezertifikate und deren<br />
Sonderformen<br />
Themen/<strong>St</strong>rategie/Basket<br />
Zertifikate<br />
Index<br />
Zertifikate<br />
Sprint/Outperformance<br />
Zertifkate<br />
Bonus/Teilschutz<br />
Zertifikate<br />
Discount<br />
Zertifikate<br />
Garantie (100%)<br />
Zertifikate<br />
sonstige<br />
Zertifikate<br />
Aktienanleihen<br />
Anmerkung: Eigene Darstellung in Anlehnung an die Derivate Matrix des DDI und Börsenordnung der Baden-<br />
Württembergischen Wertpapierbörse, § 74.<br />
3.4 Produktkomponenten<br />
Da das theoretische Modell und die empirischen Auswertungen über das Absatzverhalten der<br />
strukturierten Produkte auf richtungweisenden Volatilitätspositionen je Produkttyp und nicht<br />
einer quantitativen Auswertung von einzelnen Komponenten auf exakt numerischer Basis<br />
(z.B. Produkt-Pricing oder Bewertung einzelner Komponenten eines Produkts) beruhen, wird<br />
an dieser <strong>St</strong>elle auf eine formale Herleitung der einzelnen Produkttypen und deren Komponenten<br />
verzichtet. Die Konstruktion zeigt die (gemäss Definition) eines strukturierten Produkts<br />
typischen, miteinander kombinierten Bestandteile (Basiswert und Derivat/Option) der<br />
verschiedenen Produkttypen. <strong>St</strong>att von der Konstruktion oder <strong>St</strong>rukturierung könnte auch von<br />
der Replikation gesprochen werden, da mit einer Kombination der entsprechenden Bausteine<br />
ein Auszahlungsprofil strukturiert werden kann, das exakt demjenigen des entsprechenden<br />
SIP-Typs entspricht und es damit repliziert. Für eine exakte und ausführliche formale Be-
<strong><strong>St</strong>rukturierte</strong> <strong>Investmentprodukte</strong> (SIP) 102<br />
trachtung der verschiedenen Grundtypen von strukturierten Produkten sei auf die Dissertation<br />
von Wohlwend verwiesen. 411<br />
Es werden demnach die Basiskomponenten der einzelnen Produkttypen dargelegt und nach<br />
der Typologie der Swiss Listed Derivative Map gegliedert. Dabei wird zwar auf eine Risikoanalyse<br />
der Einzelprodukte verzichtet, aber mittels Einbezug des generischen Pay-off-<br />
Diagramms der jeweiligen Produktkategorie die allgemeine Risikostruktur der Produkte aufgezeigt,<br />
ohne diese allerdings spezifisch zu kommentieren. 412<br />
3.4.1 Hebel-Produkte (SIP i.w.S.)<br />
Die Hebelprodukte werden hier dargestellt, da diese vom Branchenverband in der Swiss<br />
Listed Derivative Map als eigene Kategorie von strukturierten Produkten gezählt werden. In<br />
der Forschungsarbeit wird auf die Hebelprodukte nur sekundär eingegangen, da diese nach<br />
der hier geltenden Definition nicht zur Familie der strukturierten Produkte gehören. Sie werden<br />
nachfolgend als strukturierte Produkte im weiteren Sinn (SIP i.w.S.) bezeichnet und auf<br />
die gängigen Warrant-Typen beschränkt (vgl. Abbildung 19).<br />
Produkttyp 1<br />
Hebel-Produkte<br />
Warrant<br />
Call - + long Call<br />
Put - + long Put<br />
Knock-out Warrant<br />
Knock-out Call - + long Knock-out Call<br />
Knock-out Put - + long Knock-out Put<br />
1 Definition der Produkttypen gemäss Swiss Listed Derivative Map<br />
Abbildung 19: Konstruktion Hebel-Produkte<br />
Anmerkung: Eigene Darstellung.<br />
Konstruktion (Basiswert und Option)<br />
Es werden hier keine short-Positionen der Hebel-Produkte konstruiert, da am Sekundärmarkt<br />
im Handel öffentlich kotierter Warrants keine short-Positionen in diesen Produkten eingegangen<br />
werden können. 413 Daher werden sowohl für Warrants als auch Knock-out Warrants hier<br />
nur die Unterkategorien Call und Put (resp. Knock-out Call und Knock-out Put) gezeigt. 414<br />
411 Vgl. Wohlwend (2001) insbesondere Kapitel 2 und 3.<br />
412<br />
Für eine illustrative Darstellung der entsprechenden Pay-off-Diagramme der einzelnen Produkttypen wird auf die Swiss<br />
Listed Derivative Map verwiesen.<br />
413 Vgl. die Ausführungen zur Kotierung der strukturierten Produkte im Abschnitt 3.2.3.<br />
414 Falls nicht genauer spezifiziert, werden unter Warrants einfache plain-vanilla Warrants verstanden.
<strong><strong>St</strong>rukturierte</strong> <strong>Investmentprodukte</strong> (SIP) 103<br />
3.4.2 Partizipations-Produkte<br />
Zertifikate sind die einfachste Form eines strukturierten Produktes, da sie ein definiertes Underlying<br />
abbilden und dabei 1:1 den Bewegungen des Basiswerts folgen (tracken) und entsprechend<br />
an dessen Wertentwicklung partizipieren, im positiven wie im negativen Fall. Ein<br />
Zertifikat entspricht demnach einer Anlage in den Basiswert, was auch nachstehendes Payoff-Diagramm<br />
suggeriert.<br />
Pay-off<br />
0<br />
Partizipation<br />
Kurs<br />
Basiswert<br />
Abbildung 20: Pay-off-Diagramm Partizipations-Produkte<br />
Anmerkung: Eigene Darstellung in Anlehnung an u.a. Swiss Listed Derivative Map.<br />
In Kombination mit (beliebigen) Optionsarten können entsprechend unterschiedliche Auszahlungsprofile<br />
erstellt werden, die den Anleger an der Entwicklung des Underlyings in genau<br />
definierten Wertebändern beispielsweise überdurchschnittlich partizipieren lassen (Outperformance-Zertifikat),<br />
ihm einen gewissen Kapitalschutz (Bonus- und Airbag-Zertifikat) einräumen<br />
oder sogar beides bieten (Twin-Win-Zertifikat) können.<br />
Die Konstruktion der elementarsten Partizipationsprodukte wird nachfolgend dargestellt:<br />
Produkttyp 1<br />
Partizipations-Produkte 3<br />
Konstruktion (Basiswert<br />
Tracker-Zertifikat<br />
Bull Long Underlying + -<br />
Bear Short Underlying + -<br />
Bonus-Zertifikat Long Underlying + long "Down-and-out" Put<br />
Outperformance-Zertifikat Long Underlying + long Call<br />
Airbag-Zertifikat Long Underlying + long Put<br />
+ > 1 short Put<br />
2 und Option)<br />
1<br />
Definition der Produkttypen gemäss Swiss Listed Derivative Map<br />
2<br />
Eine Investition in den Basiswert mittels Low Exercise Price Option (LEPO) wird als Investition<br />
in den Basiswert/Underlying behandelt.<br />
3<br />
Twin-Win-Zertifikat wird nicht berücksichtigt, da dieses mit Optionen auf Optionen konstruiert wird.<br />
Abbildung 21: Konstruktion Partizipations-Produkte<br />
Anmerkung: Eigene Darstellung.
<strong><strong>St</strong>rukturierte</strong> <strong>Investmentprodukte</strong> (SIP) 104<br />
Obwohl Zertifikate an sich keine Kombination von einem Basiswert mit einem Derivat sind,<br />
sondern selbst ein Derivat darstellen, gelten diese in der Branche und auch hier in dieser Forschungsarbeit<br />
als strukturiertes Produkt. Ins theoretische Modell und in die Empirie werden<br />
lediglich Tracker-Zertifikate und Outperformance-Zertifikate integriert, da die übrigen Partizipationsprodukte<br />
am Markt weniger verbreitet sind und damit nur Nebenrollen spielen.<br />
3.4.3 Renditeoptimierungs-Produkte<br />
Renditeoptimierungsprodukte entsprechen im Grunde einer Covered Call Writing (CCW)-<br />
<strong>St</strong>rategie und erlauben es dem Investor, short-Positionen in Optionen einzugehen und entsprechend<br />
eine Prämie als Entschädigung für die Aufgabe der Partizipation an einer möglichen<br />
Wertsteigerung (Chance) des Basiswerts zu kassieren. Die beiden klassischen Produkte<br />
hierzu sind das Discount-Zertifikat respektive der Reverse Convertible, welche folgendes<br />
konkaves Auszahlungsprofil zeigen:<br />
Pay-off<br />
0<br />
Renditeoptimierung<br />
Kurs<br />
Basiswert<br />
Abbildung 22:Pay-off-Diagramm Renditeoptimierungs-Produkte<br />
Anmerkung: Eigene Darstellung in Anlehnung an u.a. Swiss Listed Derivative Map.<br />
Ökonomisch gesehen sind Discount-Zertifikate und Reverse Convertibles äquivalente Produkte,<br />
doch von der Konstruktion her und insbesondere bezüglich der Besteuerung gibt es<br />
materielle Unterschiede zwischen den beiden Typen. Die Kombination zwischen Underlying<br />
und short Call (Discount-Zertifikat) sowie derjenigen zwischen einer festverzinslichen Anleihe<br />
und einem short Put (Reverse Convertible) weist das genau gleiche Auszahlungsprofil auf,<br />
was <strong>St</strong>oll mit der Put-Call-Parität bekanntlich schon 1969 gezeigt hat. 415<br />
Die Konstruktion der wichtigsten Renditeoptimierungsprodukte zeigt unterschiedliche Kombinationen<br />
von Basiswert und Option, wie Abbildung 23 zeigt.<br />
415 Vgl. <strong>St</strong>oll (1969) sowie die Ausführungen unter Abschnitt 2.1.2.1 sowie unter 3.5.2.
<strong><strong>St</strong>rukturierte</strong> <strong>Investmentprodukte</strong> (SIP) 105<br />
Produkttyp 1<br />
Renditeoptimierungs-Produkte 3<br />
Discount Zertifikat Long Underlying + short Call<br />
Barrier-Discount Zertifikat Long Underlying + long "Down-and-out" Put<br />
Reverse Convertible Long festverzinsliche Anlage + short Put<br />
Barrier Reverse Convertible Long festverzinsliche Anlage + short Put<br />
Capped-Outperformance-<br />
Zertifikat<br />
Konstruktion (Basiswert 2 und Option)<br />
+ long "Down-and-out" Put<br />
Long Underlying + long Call<br />
+ short Call<br />
1<br />
Definition der Produkttypen gemäss Swiss Listed Derivative Map<br />
2<br />
Eine Investition in den Basiswert mittels Low Exercise Price Option (LEPO) wird als Investition<br />
in den Basiswert/Underlying behandelt.<br />
3<br />
Express-Zertifikate und Barrier Range Reverse Convertibles werden von der Betrachtung ausgenommen.<br />
Abbildung 23: Konstruktion Renditeoptimierungs-Produkte<br />
Anmerkung: Eigene Darstellung.<br />
Reverse Convertibles gelten vielfach als obligationenähnlich, obwohl sie streng genommen<br />
genauso wie Discount-Zertifikate einem Exposure gegenüber dem Underlying ausgesetzt<br />
sind. Reverse Convertibles notieren und werden in Prozent des Nominals gehandelt, verfügen<br />
zumeist analog einer Obligation über einen Coupon, was zwar Einkommenssteuerfolgen hat<br />
(die Zinskomponente des Coupons gilt als steuerbarer Kapitalertrag), 416 dafür aber einen beschränkten<br />
Schutz (in Höhe der Couponzahlungen) vor Verlusten bietet, da diese Coupons<br />
dem Investor regelmässig während der (zumeist mehrjährigen) Laufzeit ausbezahlt werden.<br />
Discount-Zertifikate gelten als aktienähnlich und werden zu Kursen in Franken gehandelt,<br />
verfügen über keinen Coupon und gelten steuerrechtlich als steuerfreie Kapitalgewinne, sofern<br />
ihre Laufzeit unterjährig ist. 417 Beide Produkttypen können ebenfalls mit weiteren Optionen<br />
angereichert werden, die entsprechend ihr Auszahlungsprofil verändern und dem Anleger<br />
weitere Möglichkeiten in Form von Chancen oder Schutz bieten.<br />
In der Forschungsarbeit wird aus dieser Produktkategorie auf Discount-Zertifikate und Reverse<br />
Convertibles (inkl. Barrier Reverse Convertibles) fokussiert.<br />
3.4.4 Kapitalschutz-Produkte<br />
Kapitalschutzprodukte sind eine Art Produkt der ersten <strong>St</strong>unde in der Welt der strukturierten<br />
Produkte, schliesslich war das erste in der Schweiz emittierte Produkt (GROI) ein kapitalgeschütztes<br />
Produkt mit einem Cap. 418 Kapitalschutzprodukte geben dem Investor die Sicherheit,<br />
den investierten Betrag bei Verfall nominal zurückzuerhalten (vorausgesetzt, der Emittent<br />
ist zahlungsfähig), ohne auf die Chancen einer guten Renditeentwicklung eines Basiswertes<br />
zu verzichten. Dies entspricht einer Absicherungsstrategie nach dem Prinzip des Protected<br />
416 Vgl. E<strong>St</strong>V (2007) sowie die Ausführungen unter Abschnitt 3.2.4.<br />
417 Vgl. E<strong>St</strong>V (2007).<br />
418 Vgl. Beschreibung unter 3.1.3.
<strong><strong>St</strong>rukturierte</strong> <strong>Investmentprodukte</strong> (SIP) 106<br />
Put Buying (PPB), mit einem Kapitalschutz von in der Regel 100 % des Nominals, wobei der<br />
Absicherungsgrad bedürfnisgerecht konstruiert werden kann. Kapitalschutzprodukte wiederum<br />
verfügen über ein konvexes Auszahlungsprofil, wie im nachfolgenden Pay-off-Diagramm<br />
illustriert wird:<br />
Pay-off<br />
0<br />
Kapitalschutz<br />
Kurs<br />
Basiswert<br />
Abbildung 24:Pay-off-Diagramm Kapitalschutz-Produkte<br />
Anmerkung: Eigene Darstellung in Anlehnung an u.a. Swiss Listed Derivative Map.<br />
Der Kapitalschutz wird über eine Obligation (Zero Bond) sichergestellt und das Gewinnpotential<br />
mit dem Erwerb einer Call-Option auf das gewünschte Underlying erreicht, die über<br />
den Verzicht auf eine Verzinsung der Obligation erkauft wird. Der Verzicht auf Gewinnchancen<br />
ab einer gewissen Höhe (Cap) wiederum wird mit einer Prämie entschädigt, die über eine<br />
verkaufte Call-Option mit entsprechendem <strong>St</strong>rikepreis (<strong>St</strong>rike = Cap) eingenommen wird. Der<br />
Kapitalschutz gilt jeweils nur per Verfall des Produkts, weshalb ein solches Produkt während<br />
der Laufzeit teilweise unter dem Nominal notieren und auf dem Sekundärmarkt entsprechend<br />
gehandelt werden kann. Dies ist bei einem vorzeitigem Ausstieg (Verkauf) des Produktes<br />
unbedingt zu beachten. Kapitalschutzprodukte gelten als obligationenähnlich und werden in<br />
der Regel analog einer Obligation in Prozenten des Nominals gehandelt.<br />
Nachfolgend nun die Konstruktion der wichtigsten Kapitalschutz-Produkte, welche in der<br />
Forschungsarbeit betrachtet werden:<br />
Produkttyp 1<br />
Kapitalschutz-Produkte<br />
Kapitalschutz-P. ohne Cap Long festverzinsliche Anlage + long Call<br />
Kapitalschutz-P. mit Cap Long festverzinsliche Anlage + long Call<br />
+short Call<br />
1 Definition der Produkttypen gemäss Swiss Listed Derivative Map<br />
Abbildung 25: Konstruktion Kapitalschutz-Produkte<br />
Anmerkung: Eigene Darstellung.<br />
Konstruktion (Basiswert und Option)
<strong><strong>St</strong>rukturierte</strong> <strong>Investmentprodukte</strong> (SIP) 107<br />
Zu einer wichtigen und in jüngster Vergangenheit sehr beliebten Form des Kapitalschutzes<br />
zählen Produkte, welche lediglich über einen "bedingten Kapitalschutz" verfügen. 419 Diese<br />
Produkte bieten demnach keinen vollständigen oder vordefinierten (z.B. 95 %) Kapitalschutz<br />
per Verfall des Produktes, sondern knüpfen den Kapitalschutz an bestimmte, vorher definierte<br />
Bedingungen (daher bedingter Kapitalschutz). Diese Art des Kapitalschutzes wird über exotische<br />
Optionen konstruiert, und zwar über sogenannte Barrier-Optionen. Diese Optionen entfalten<br />
ihre Wirkung nur bis zu einer Schwelle (Barriere) oder erst ab einer gewissen Schwelle,<br />
dem jeweiligen <strong>St</strong>rikepreis dieser Option. Je nachdem, ob der Investor long oder short in dieser<br />
Option investiert ist, verfällt die Option bei Erreichen dieser Schwelle wertlos oder entwickelt<br />
erst einen inneren Wert ab diesem Punkt. Das bedeutet, dass der Schutz des Kapitals per<br />
Verfall nur unter der Bedingung gewährt wird, dass die vorher definierten Schwellen während<br />
der Laufzeit des Produkts nicht erreicht werden. Bei Verfall eines entsprechenden Produkts ist<br />
der Investor demnach eventuell gezwungen, einen Verlust zu realisieren, falls der bedingte<br />
Kapitalschutz des Produkts während der Laufzeit erloschen ist. Dies geschieht in Form der<br />
Lieferung des Underlyings, das bei Verfall möglicherweise unter dem Einkaufswert notiert. 420<br />
Die Charakteristik des bedingten Kapitalschutzes beschränkt sich nicht auf Kapitalschutzprodukte<br />
konstruiert aus Barrier-Optionen, sondern findet sich gegenwärtig am Markt in erster<br />
Linie in Produkten der Renditeoptimierung (v.a. Barrier Reverse Convertibles) wieder, aber<br />
auch in Partizipationsprodukten (z.B. Bonus-Zertifikat).<br />
3.4.5 Out-of-Scope Produkte<br />
Es wurde schon mehrfach in dieser Arbeit betont, dass das Spektrum und die Vielfalt in der<br />
Ausgestaltung der strukturierten Produkte beinahe unlimitiert ist und die Trennschärfe zwischen<br />
den verschiedenen Produkttypen respektive Produktcharakteristika trotz einer klaren<br />
Definition nicht immer eindeutig erscheint. Deshalb soll an dieser <strong>St</strong>elle explizit auf einzelne<br />
Produktvariationen hingewiesen werden, die zwar ebenfalls Spezifika eines strukturierten<br />
Produktes aufweisen, aber nicht in das Forschungsfeld dieser Arbeit gehören.<br />
In erster Linie sind hier die im <strong>St</strong>rudel der Verwerfungen am amerikanischen Hypothekenmarkt<br />
im Herbst 2007 omnipräsenten Collateralized Debt Obligations (CDO) zu nennen, eine<br />
spezifische Unterkategorie von mit Vermögenswerten gesicherten Verbriefungen, sogenannten<br />
Asset Backed Securities (ABS). Obwohl solche Produkte, die sich auf Kreditpositionen als<br />
Underlyings beziehen, in den Medien und auch in wissenschaftlichen Untersuchungen (z.B.<br />
von der OECD) ebenfalls zu der sehr weit gefassten Palette von strukturierten Produkten gezählt<br />
werden, wird in dieser Forschungsarbeit nicht weiter darauf eingegangen, da diese gemäss<br />
der hier geltenden Definition von strukturierten Produkten nicht in diese Kategorie gehören.<br />
421<br />
419 Vgl. Gerhardt (2006), S. B3 sowie die <strong>St</strong>atistiken in SWX (2007b), S. 39 und SVSP (2008a), S. 10.<br />
420 Vgl. dazu weiterführend stellvertretend Wyler (2006), S. B4 sowie Tolle et al. (2005), S. 99ff. und insbesondere S. 119ff.<br />
zu diversen Variationen von Kapitalschutzprodukten und Erläuterungen zum bedingten Kapitalschutz.<br />
421 Vgl. Definition unter 1.2. Siehe auch die Ausführungen von Blundell-Wignall (2007b) in den Untersuchungen der OECD<br />
über die Implikationen der strukturierten Produkte auf die Finanzmärkte. Vgl. Kiff/Mills (2007) für Ausführungen über<br />
die Entwicklungen am Markt für US-Subprime-Hypotheken. Vgl. Gibson (2004) und Goodman (2002) für eine Einfüh-
<strong><strong>St</strong>rukturierte</strong> <strong>Investmentprodukte</strong> (SIP) 108<br />
Zu erwähnen sind in diesem Zusammenhang auch Produkte, die wettähnlichen Charakter<br />
aufweisen und auch oftmals in direktem Zusammenhang mit dem Ausgang von sportlichen<br />
Ereignissen stehen. In der Einleitung wurde bereits die Arbeit von Wilkens erwähnt, der den<br />
finanzmathematischen Hintergrund untersuchte, auf dem Produkte mit dem Underlying eines<br />
Sportereignisses basieren. 422 Im Rahmen der Fussballweltmeisterschaft 2006 in Deutschland<br />
wurden diverse Produkte begeben, zumeist Zertifikate auf einen Aktienbasket, deren Pay-off<br />
einen direkten Bezug zum Ausgang der Weltmeisterschaft oder zum Abschneiden der Deutschen<br />
Nationalmannschaft hatten. Eine Übersicht dazu findet sich in Öchsner (2006). 423 Solche<br />
Produkte bewegen sich hart an der Grenze oder teilweise schon im Dunstkreis illegaler<br />
Sportwetten im Mantel einer Inhaberschuldverschreibung eines Zertifikats. Das Deutsche<br />
Derivate Institut warnte vor der Ausgabe von Produkten dieser Art und der Gefahr, dass der<br />
ungeschützte Begriff des "Zertifikats" in die Nähe der "Zockerei" gebracht werde. 424<br />
Die Credit Suisse begab zusammen mit der Nomura Bank im Schweizer Markt ebenfalls ein<br />
derartiges strukturiertes Produkt ("equity yield note") zur Fussballweltmeisterschaft 2006, das<br />
einen Aktienbasket von Sponsoren der Weltmeisterschaft beinhaltete und darüber hinaus eine<br />
Bonuskomponente aufwies, die direkt ans Abschneiden des Schweizer Nationalteams gekoppelt<br />
war. Das Bundesgericht verbot später das Produkt, weil es dieses als wettähnlich einstufte<br />
und bestätigte damit erste Urteile des Verwaltungsgerichts und des Waadtländer Wirtschaftsdienstes.<br />
425<br />
Nicht nur Banken kamen bisher auf die Idee, den Kapitalmarkt mit sportlichen Ereignissen zu<br />
verbinden, sondern auch professionelle Fussballvereine versuchten damit, Investoren zu locken.<br />
Der Schweizer Rekordmeister Grasshopper Club Zürich beispielsweise versuchte über<br />
eine Anleihe Geld aufzunehmen, die mit den Transferwerten der Profifussballer gesichert<br />
war. Dabei winkte den Investoren neben der Rendite der Anleihe eine im Voraus festgelegte<br />
Bonuszahlung bei vorher definierten Erfolgen des Fussballklubs (z.B. Meistertitel, Cupsieg<br />
etc.). Diese sogenannte "Tasi-Note" wurde zusammen mit der Swissfirst Bank geplant und<br />
strukturiert. 426<br />
Des Weiteren sind als Variationen mit wettähnlichen Charakteristika Sparkonti oder Vereinskonti<br />
zu erwähnen, deren Verzinsung von Titeln oder gar Torerfolgen eines spezifischen<br />
Vereins abhängen. Ebenfalls von den Betrachtungen dieser Forschungsarbeit ausgeklammert<br />
bleiben sogenannte Katastrophenbonds (cat bonds), welche die Risiken grosser Umweltschäden<br />
respektive Umweltkatastrophen verbriefen und von (Rück-) Versicherungen am Kapital-<br />
rung über die Risiken von synthetischen Collateralized Debt Obligations (CDOs) sowie Fender/Kiff (2005) für eine Darstellung<br />
von Modellrisiken in Verbindung mit der Verwendung bestimmter Rating-Methodologien zur Klassifizierung<br />
der Kreditrisiken von CDOs.<br />
422 Vgl. Wilkens (2005) und die Ausführungen unter Fussnote 4.<br />
423 Vgl. Öchsner (2006), S. 29.<br />
424 Vgl. DDI (2007).<br />
425 Vgl. das Urteilsdispositiv 2A.529/2006 vom 19.2.2007 des Bundesgerichts.<br />
426 Vgl. Müller/Gerber (2004), S. 63.
<strong><strong>St</strong>rukturierte</strong> <strong>Investmentprodukte</strong> (SIP) 109<br />
markt verkauft werden, 427 und Wetter- und <strong>St</strong>romderivate sowie Zertifikate auf Schadstoffemissionen<br />
(z.B. CO2). 428<br />
3.5 Typologie der Forschungsarbeit<br />
Die Typologie der Forschungsarbeit soll anders konzipiert werden als die bisher gezeigten,<br />
am Markt bekannten Typologien. Im Hinblick auf das theoretische Absatzmodell in Kapitel 4<br />
und dessen empirischer Überprüfung in Kapitel 5 wird dem Faktor Volatilität eine entsprechend<br />
wichtige Bedeutung zuteil, indem die Produkte nach ihrer jeweiligen Volatilitätsposition<br />
geordnet werden. Dabei spielt die Volatilitätssensitivität der in den Produkten eingebetteten<br />
Optionen, die mit Hilfe der Kennzahl Vega V, dem Mass der Volatilitätssensitivität einer<br />
Option, ermittelt werden kann, genauso eine Rolle wie die Volatilitätsposition des gesamten<br />
strukturierten Produkts, die mit Hilfe der Put-Call-Parität auf Basis der im vorhergehenden<br />
Abschnitt vorgenommenen Extraktion der einzelnen Komponenten der Produkte bestimmt<br />
werden kann.<br />
3.5.1 Volatilitätssensitivität<br />
Das Vega V gehört – obwohl eigentlich nicht zum griechischen Alphabet gehörig – zu den<br />
sogenannten Greek Letters, welche die Sensitivität des Optionspreises gegenüber bestimmten<br />
Parametern als Kennzahlen anzeigen. Über das Vega wird die Sensitivität des Optionspreises<br />
gegenüber Volatilitätsveränderungen ausgedrückt. Die weiteren bekannten "griechischen"<br />
Sensitivitätsmasse sind das Delta ∆ für die absolute Veränderung sowie das Omega Ω für die<br />
relative Veränderung gegenüber dem Basiskurs (Underlying), das Gamma Γ für die Veränderung<br />
von Delta, das Rho Ρ gegenüber Änderungen des Zinsniveaus und das Theta Θ , das<br />
schliesslich die Sensitivität gegenüber der Restlaufzeit angibt. 429<br />
Das Vega eines Portfolios von Derivaten bestimmt sich nach der Wertveränderung des Portfolios<br />
(Π) im Verhältnis zur Volatilität des Underlyings (σ), formal ausgedrückt als<br />
Gleichung 22<br />
V<br />
∂ ∏<br />
=<br />
∂σ<br />
427 Vgl. stellvertretend Froot (1999) für allgemeine Erklärungen zu cat bonds und deren Markt sowie Froot/Posner (2001) zu<br />
Bewertungsansätzen dieser Produkte. Eine aktuellere und sehr umfassende Übersicht zur Versicherung und Verbriefung<br />
von Katastrophenrisiken liefert eine Publikation der Organisation für Entwicklung und Zusammenarbeit (OECD) (vgl.<br />
Messy (2005)).<br />
428 Vgl. u.a. Longstaff/Wang (2004) sowie Wilkens/Wimschulte (2007) über Derivate (ins. Futures) im Elektrizitätsmarkt<br />
und die Ausführungen in Schlag (2006), S. B27 über Wetter-Derivate. Spezifisch über das von der UBS begebene Zertifikat<br />
auf einen Index weltweiter Schadstoffemissionen vgl. UBS (2006). Vgl. auch Bettzieche (2008) zu exotischen Basiswerten<br />
bei SIP (insb. bei Zertifikaten).<br />
429 Vgl. Hull (2003), S. 299-325.
<strong><strong>St</strong>rukturierte</strong> <strong>Investmentprodukte</strong> (SIP) 110<br />
Je grösser die Masszahl V ist, desto sensitiver reagiert der Wert des Portfolios auf Veränderungen<br />
der Volatilität im Underlying. Das Vega eines Underlyings, sprich eine Investition in<br />
den Basiswert an sich, ist gleich 0, womit das Halten des Basiswertes demnach volatilitätsneutral<br />
ist. Investitionen in Optionen bestimmen folglich das Vega des Portfolios oder – hier<br />
in der Forschungsarbeit – des strukturierten Produkts. Ein strukturiertes Produkt wird in diesem<br />
Fall als ein Portfolio bestehend aus dem Basiswert und einer oder mehrerer Optionen<br />
verstanden. Um nun das Vega eines strukturierten Produktes zu bestimmen, ist es notwendig,<br />
das Vega der im Produkt eingebetteten Optionen zu bestimmen.<br />
Das Vega einer europäischen Call-Option (ohne Dividendenzahlung) 430 berechnet sich wie<br />
folgt:<br />
Gleichung 23<br />
0<br />
( d )<br />
V = S T Φ , wobei<br />
• S = Kurs des Underlyings<br />
• T = Laufzeit der Option<br />
1<br />
• Φ (x) = Verteilungsfunktion der Normalverteilung (siehe Gleichung 7) 431<br />
• d1 = d1 gemäss Gleichung 5 432<br />
Die Berechnung des Vega auf Basis der Black/Scholes-Formeln mag paradox erscheinen, da<br />
bekanntlich eine der Grundannahmen des Black/Scholes-Modells eine über die Zeit konstante<br />
Volatilität beinhaltet und damit eine Berechnung des Vega keinen Sinn ergeben würde. Daher<br />
müsste die Berechnung des Vega konsequenter- und korrekterweise über eine Modellrechnung<br />
unter Annahmen stochastischer Volatilitäten vorgenommen werden. Doch empirische<br />
Untersuchungen haben gezeigt, dass auch mittels Verwendung von Modellen, die konstante<br />
Volatilitäten annehmen, das Vega relativ zuverlässig berechnet werden kann. 433<br />
Aus obiger Formel geht nun hervor, dass ein Kauf einer europäischen Call- oder Put-Option<br />
(d.h. eine Long Position im Derivat) immer ein positives Vega mit sich bringt, im Gegensatz<br />
zur Vega-Neutralität (d.h. Vega = 0) bei der Investition in das Underlying. Eine Short Position<br />
in Call- oder Put-Optionen ergibt entsprechend ein negatives Vega, was für die späteren<br />
Ausführungen wichtig zu beachten ist. 434<br />
430 Das Vega einer europäischen Put-Option (ohne Dividendenzahlung) berechnet sich nach identischer Formel. Bei erwarteten<br />
Dividendenzahlungen kann die Formel ohne Probleme erweitert werden, für die Herleitung des Vegas in dieser Arbeit<br />
hat dies jedoch keine Bedeutung, womit darauf verzichtet wird.<br />
431 Siehe die Angaben in der Erklärung des Black/Scholes-Modells unter Abschnitt 2.1.2.2.<br />
432 Siehe das Black/Scholes-Modells unter Abschnitt 2.1.2.2.<br />
433 Vgl. Hull (2003), S. 327 und die Verweise ebenda.<br />
434 Vgl. dazu auch Hull (2003), S. 327ff.
<strong><strong>St</strong>rukturierte</strong> <strong>Investmentprodukte</strong> (SIP) 111<br />
Nachfolgend werden die Volatilitätssensitivitäten einer long Call- und einer short Call-<br />
Position sowie eines Underlyings mittels der graphischen Darstellung des Produktwerts (Π) in<br />
Abhängigkeit der Volatilitätsentwicklung (σ) illustrativ aufgezeigt.<br />
Π<br />
σ<br />
Π<br />
Long Call Short Call Underlying<br />
Abbildung 26: Volatilitätssensitivitäten<br />
Anmerkung: Eigene Darstellung.<br />
Es ist nicht das Ziel dieser Forschungsarbeit, das Vega für einzelne Optionen und damit für<br />
die strukturierten Produkte exakt numerisch zu bestimmen, da dies den Rahmen dieser Arbeit<br />
sprengen würde. Vielmehr geht es darum, die qualitative Sensitivität der Produkte gegenüber<br />
der Volatilität aufzuzeigen. Dies geschieht über die Definition einer richtungweisenden Sensitivität<br />
eines Produktes, d.h. einer positiven (Vega > 0), negativen (Vega < 0) oder einer neutalen<br />
(Vega = 0) Volatilitätsabhängigkeit. In der Terminologie der Forschungsarbeit bedeutet<br />
ein positives Vega eine long Position gegenüber der Volatilität, wohingegen ein negatives<br />
Vega eine short Position gegenüber der Volatilität darstellt. Entsprechend bedeutet ein Vega<br />
von 0 eine volatilitätsneutrale Position.<br />
Um schliesslich auf Basis der einzelnen Komponenten der strukturierten Produkte eine richtungweisende<br />
Volatilitätsposition bestimmen zu können, werden nun die Erkenntnisse der<br />
Volatilitätssensitivität ins Modell der Put-Call-Parität integriert. Damit kann gezeigt werden,<br />
dass für die unter Abschnitt 3.4 dargestellten strukturierten Produkte jeweils eine richtungweisende<br />
Volatilitätsposition bestimmt werden kann, was schliesslich eine entsprechende<br />
Ordnung und Typologisierung der Produkte nach deren Volatilitätsposition ermöglicht.<br />
3.5.2 Put-Call-Parität<br />
Mit Hilfe der Put-Call-Parität und unter Berücksichtigung der Ausführungen über die Volatilitätssensitivität<br />
und die Kennzahl Vega wird nun eine für die Forschungsarbeit geltende Definition<br />
einer Volatilitätsposition eines strukturierten Produktes hergeleitet. Dabei sei an dieser<br />
<strong>St</strong>elle kurz an die Formel der Put-Call-Parität erinnert, auf deren Basis die Volatilitätsposition<br />
der SIP bestimmt werden kann: 435<br />
435 Vgl. die Beschreibung der Put-Call-Parität unter 2.1.2.1 und Gleichung 3.<br />
Π<br />
σ<br />
σ
<strong><strong>St</strong>rukturierte</strong> <strong>Investmentprodukte</strong> (SIP) 112<br />
Gleichung 24<br />
c + Ke<br />
−rT<br />
= p +<br />
S0<br />
, wobei<br />
• c = Preis der Call-Option<br />
• p = Preis der Put-Option<br />
• K = Ausübungspreis (<strong>St</strong>rike) der Option<br />
• S = (gegenwärtiger) Preis der Aktie (Basiswert der Option)<br />
• r = risikoloser Zinssatz<br />
• T = Laufzeit der Option<br />
Aus dieser Ausgangsformel kann die Investition in eine festverzinsliche Anlage abgeleitet und<br />
wie folgt dargestellt werden:<br />
Gleichung 25<br />
Ke rT −<br />
= p + S<br />
0<br />
− c<br />
Die Investition in eine festverzinsliche Anlage ist gegenüber der Marktvolatilität neutral.<br />
Aufgrund der Put-Call-Parität kann eine Investition in den Basiswert (Underlying) folgendermassen<br />
dargestellt und als Grundposition für die Forschungsarbeit definiert werden:<br />
Gleichung 26<br />
S<br />
0<br />
= Ke<br />
−rT<br />
+ c − p<br />
Das Halten des Basiswertes (Grundposition) wird gegenüber der Richtung der Volatilitätsposition<br />
als neutral definiert, was einem Vega von 0 entspricht, wie die Ausführungen des vorhergehenden<br />
Abschnitts gezeigt haben. Davon abgeleitet kann je nach Konstruktion der strukturierten<br />
Produkte eine richtungweisende Volatilitätsstrategie eingegangen werden.<br />
3.5.3 Extraktion der Volatilitätsposition<br />
Für die Forschungsarbeit ist nun die Volatilitätsposition der Produkte relevant, die sich aus<br />
den in den SIP eingebetteten Derivaten ergibt. Diese Position wird zwar nicht quantifiziert,<br />
definiert aber eine richtungweisende Volatilitätsstrategie und somit eine klare Abhängigkeit<br />
von der Marktvolatilität.<br />
In der nachfolgenden Übersicht werden die Produkttypen nach bekanntem Muster nochmals<br />
dargestellt und ihnen anhand der erklärten Produktkonstruktion basierend auf der Put-Call-<br />
Parität sowohl eine Vega- als auch eine Volatilitätsposition zugeordnet. Ein positives Vega<br />
entspricht einer long Volatilitätsposition, ein negatives Vega einer short und ein Vega von 0<br />
einer neutralen Volatilitätsposition. Allgemein gesprochen beinhalten Kapitalschutzprodukte<br />
eine long Position in einem Derivat (meist long Call) und weisen damit ein positives Vega auf<br />
und damit auch eine long Position in der Volatilität. Produkte zur Renditeoptimierung hinge-
<strong><strong>St</strong>rukturierte</strong> <strong>Investmentprodukte</strong> (SIP) 113<br />
gen verkaufen über eine short Position im Derivat (meist short Call oder auch short Put) das<br />
Gewinnpotential und gehen somit auch eine short Position in Bezug auf die Volatilität ein<br />
und verfügen damit über ein negatives Vega. (Tracker-) Zertifikate wiederum weisen gegenüber<br />
der Volatilitätsrichtung eine neutrale Position auf (d.h. Vega = 0), da sie eine Investition<br />
lediglich in den Basiswert darstellen.<br />
Vega Volatilität 3<br />
Produkttyp<br />
Hebel-Produkte<br />
Warrant<br />
Call - + long Call positiv long<br />
Put<br />
Knock-out Warrant<br />
- + long Put positiv long<br />
Knock-out Call - + long Knock-out Call negativ short<br />
Knock-out Put<br />
Kapitalschutz-Produkte<br />
- + long Knock-out Put negativ short<br />
Kapitalschutz-P. ohne Cap Long festverzinsliche Anlage + long Call positiv long<br />
Kapitalschutz-P. mit Cap<br />
Renditeoptimierungs-Produkte<br />
Long festverzinsliche Anlage + long Call<br />
+ short Call<br />
Discount Zertifikat Long Underlying + short Call negativ short<br />
Barrier-Discount Zertifikat Long Underlying + long "Down-and-out" Put negativ short<br />
Reverse Convertible Long festverzinsliche Anlage + short Put negativ short<br />
Barrier Reverse Convertible Long festverzinsliche Anlage + short Put<br />
+ long "Down-and-out" Put<br />
Capped-Outperformance-<br />
Zertifikat<br />
Partizipations-Produkte<br />
Tracker-Zertifikat<br />
Long Underlying + long Call<br />
+ short Call<br />
0 neutral<br />
Bull Long Underlying + - 0 neutral<br />
Bear Short Underlying + - 0 neutral<br />
Bonus-Zertifikat Long Underlying + long "Down-and-out" Put negativ short<br />
Airbag-Zertifikat Long Underlying + long Put<br />
+ > 1 short Put<br />
negativ short<br />
Outperformance-Zertifikat Long Underlying + long Call positiv long<br />
1<br />
Konstruktion (Basiswert<br />
Position<br />
0 neutral<br />
2 und Option)<br />
negativ short<br />
1<br />
Definition der Produkttypen gemäss Swiss Listed Derivative Map<br />
2<br />
Eine Investition in den Basiswert mittels Low Exercise Price Option (LEPO) wird als Investition in den Basiswert/Underlying behandelt.<br />
3 Volatilitätsposition im Vergleich zum Halten des Basiswerts.<br />
Abbildung 27: Volatilitätsposition der strukturierten Produkte (inkl. SIP i.w.S.)<br />
Anmerkung: Eigene Darstellung.<br />
Komplexer in der Zuordnung der Volatilitätsposition zeigen sich Mischprodukte, d.h. Produkte,<br />
die keine eindeutig bestimmbare richtungweisende Volatilitätsstrategie aufweisen. Namentlich<br />
sind hier Produkte zu erwähnen, welche über die Optionen eine Spread-<br />
Optionsstrategie 436 eingehen, also sowohl Produkte mit Kapitalschutz als auch solche mit<br />
436 Vgl. Hull (2003), S. 187ff. zur Erklärung von Spread-<strong>St</strong>rategien und einigen Beispielen dazu. Für eine praxisorientierte<br />
Beschreibung und Anwendung von diversen Spread-<strong>St</strong>rategien bietet Fontanills/Gentile (2003), S. 140ff. eine gute Übersicht.
<strong><strong>St</strong>rukturierte</strong> <strong>Investmentprodukte</strong> (SIP) 114<br />
beschränktem Gewinnpotential. Empirische Untersuchungen zeigen, dass Spread-<strong>St</strong>rategien<br />
im Allgemeinen ein Vega von insgesamt nahe 0 haben, 437 sich aber insbesondere die Volatilitätsposition<br />
über die Laufzeit und bei entsprechend sich veränderndem Underlying laufend<br />
verändern, ja sogar umkehren kann. Dadurch, dass sich bei solchen Produkten (z.B. Kapitalschutzprodukt<br />
mit Cap) das Vega nahe 0 bewegt, werden sie in dieser Forschungsarbeit entsprechend<br />
als volatilitätsneutral eingestuft.<br />
In der Forschungsarbeit liegt der Fokus also auf den richtungweisenden Volatilitätsstrategien,<br />
die eine klare Aussage über die eingegangene Position gegenüber der Volatilität erlauben.<br />
Nur wenn die im strukturierten Produkt eingebettete Optionsstrategie richtungweisend ist<br />
(d.h. long, short oder neutral), kann bei einem gegebenen Volatilitätsumfeld eine klare Aussage<br />
über die Attraktivität des Produkts gemacht werden.<br />
3.5.4 Typologie gemäss Volatilitätsposition<br />
Auf Basis der analytischen Betrachtungen der letzten Abschnitte kann nun die für die Forschungsarbeit<br />
geltende Typologie der strukturierten Produkte hergeleitet und die Produkttypen<br />
gemäss der über die Vega-Position des Produktes sowie der Put-Call-Parität abgeleiteten<br />
Volatilitätsposition eingeteilt werden. Die Produkte kategorisieren sich in die Typen mit der<br />
Ausrichtung "Volatilität long", "Volatilität short" sowie "Volatilität neutral", wie nachfolgend<br />
graphisch aufgezeigt wird.<br />
<strong><strong>St</strong>rukturierte</strong><br />
Produkte<br />
Volatilität LONG Volatilität SHORT Volatilität NEUTRAL<br />
Kapitalschutz-P.<br />
ohne Cap<br />
Outperformance-<br />
Zertifikat<br />
Discount-Zertifikat<br />
Reverse Convertible<br />
Abbildung 28: Typologie der strukturierten Produkte der Forschungsarbeit<br />
Anmerkung: Eigene Darstellung.<br />
437 Vgl. Heinrich (1999), S. 71f.<br />
Kapitalschutz-P.<br />
mit Cap<br />
Tracker-Zertifikat
<strong><strong>St</strong>rukturierte</strong> <strong>Investmentprodukte</strong> (SIP) 115<br />
Obwohl in dieser Arbeit auf die Hebelprodukte nur sekundär eingegangen wird und diese aus<br />
der Definition und der hier geltenden Typologie von strukturierten Produkten ausgeklammert<br />
werden, wird nachfolgend trotzdem beispielhaft die mögliche Typologie dieser Produkte (SIP<br />
i.w.S.) gezeigt, da diese in der Swiss Listed Derivative Map aufgeführt und bei der Analyse<br />
der Produktkomponenten unter Abschnitt 3.4.1 auch entsprechend skizziert wurden. Dazu<br />
werden Hebelprodukte in den empirischen Auswertungen in Kapitel 5 ebenfalls separat analysiert,<br />
da diese über eine relativ breite Datenbasis verfügen und von der SWX ebenfalls zu<br />
den strukturierten Produkten (verbriefte Derivate) gezählt werden. 438<br />
Hebelprodukte<br />
(SIP i.w.S.)<br />
Volatilität LONG Volatilität SHORT<br />
long Warrant<br />
long Knock-out<br />
Warrant<br />
Abbildung 29: Typologie der Hebelprodukte (SIP i.w.S.) der Forschungsarbeit<br />
Anmerkung: Eigene Darstellung.<br />
Die für die Forschungsarbeit geltende Typologie basiert auf der Volatilitätsposition, welche<br />
sowohl im theoretischen Absatzmodell als auch in der Empirie massgebend ist.<br />
438 Es werden keine short-Positionen der Hebelprodukte (Warrants) berücksichtigt, da im Sekundärmarkt kotierter Produkte<br />
keine short-Positionen in diesen Produkten eingegangen werden können. Vgl. die Ausführungen zur Kotierung der strukturierten<br />
Produkte im Abschnitt 3.2.3.
Theoretisches Absatzmodell von SIP 116<br />
4 Theoretisches Absatzmodell von SIP<br />
In diesem Kapitel wird neben einem kurzen Abriss wissenschaftlicher Analysen in verwandten<br />
Forschungsgebieten der Ansatz der theoretischen Abhängigkeit von der Marktvolatilität<br />
und dem Handelsumsatz (Absatz) erläutert. Danach werden allgemeine Volatilitätsstrategien<br />
erklärt und die konzeptionellen Grundlagen des theoretischen Absatzmodells dargelegt. Auf<br />
Basis einer richtungsbezogenen, erwarteten Volatilitätsentwicklung wird einerseits eine Investitionsempfehlung<br />
je Volatilitätsposition und entsprechender Produkttypen sowie andererseits<br />
ein erwartetes Absatzverhalten dieser strukturierten Produkte hergeleitet.<br />
Die wichtigsten konzeptionellen Grundlagen des theoretischen Ansatzes wurden in Kapitel 2<br />
und 3 dargelegt. Der Ansatz wiederum dient als Basis für die empirischen Auswertungen dieser<br />
Forschungsarbeit in Kapitel 5.<br />
4.1 Ansatz: Absatz und Volatilität<br />
Die Volatilität und ihre zu einem gegebenen Zeitpunkt erwartete Veränderung sowie deren<br />
Einfluss auf die Wertentwicklung eines strukturierten Produkts stehen im Mittelpunkt des hier<br />
herzuleitenden theoretischen Absatzmodells von strukturierten Produkten. Dass die Volatilität<br />
als entscheidender Faktor in die Bewertung von Derivaten einfliesst, wurde in den Ausführungen<br />
über das Black/Scholes-Modell erläutert. 439 Die Volatilität spielt auch eine entscheidende<br />
Rolle als wichtiger Inputfaktor für die Konstruktion respektive <strong>St</strong>rukturierung sowie<br />
für die Bewertung und damit die relative Attraktivität eines strukturierten Produkts. Daher<br />
beruht der Ansatz für das theoretische Absatzmodell auch auf der zu einem gegebenen Zeitpunkt<br />
erwarteten Entwicklung respektive Veränderung des Inputparameters Volatilität in<br />
Verbindung mit der Volatilitätsposition eines strukturierten Produkts.<br />
4.1.1 Verwandte Forschung<br />
Die Beziehung zwischen der Volatilität auf den Märkten und dem Umsatz (respektive dem<br />
Volumen) verschiedener Finanzprodukte stand schon oft im Mittelpunkt wissenschaftlicher<br />
Arbeiten. Eine positive Korrelation dieser Komponenten konnte meist festgestellt werden,<br />
auch wenn die Ergebnisse nicht immer eindeutig und bei einigen Produkten sogar widersprüchlicher<br />
Natur waren. Jeanneau und Micu sprachen in ihrer Analyse beispielsweise von<br />
einer "wenig ausgeprägten Beziehung (tenuous relationship)" zwischen der Volatilität und<br />
dem (Derivat-) Umsatz. 440 Trotzdem zeigt die Mehrheit der <strong>St</strong>udien eine positive Korrelation<br />
zwischen den beiden Parametern Volatilität und (Handels-) Umsatz.<br />
Ying zählte zu den Ersten, als er 1966 in seinen Untersuchungen des amerikanischen Aktienmarktes<br />
(S&P 500) eine positive Korrelation zwischen Handelsvolumina und Aktienpreisver-<br />
439 Vgl. die Ausführungen zu Optionsmodellen und Optionsbewertung unter Kapitel 2.1.2 sowie 2.1.2.2.<br />
440 Jeanneau/Micu (2003). In ihrer Analyse der Derivativkontrakte auf den S&P 500 sowie auf die zehnjährigen US-Treasury<br />
Bonds über den Zeitraum von Januar 1995 bis September 2002 fanden Jeanneau/Micu zwar auf Basis von Tagesdaten<br />
eine positive, auf Basis von monatlichen Daten hingegen keine signifikante Beziehung zwischen der Volatilität und dem<br />
Handelsvolumen.
Theoretisches Absatzmodell von SIP 117<br />
änderungen (sprich deren Volatilität) nachweisen konnte. 441 Clark wiederum beobachtete<br />
schon 1973 in seinen Ausführungen eine hohe Korrelation zwischen der <strong>St</strong>andardabweichung<br />
(Volatilität) und dem Handelsvolumen am Futures-Markt für Baumwollkontrakte und bezeichnete<br />
die Volatilität als guten Indikator für die Handelsaktivitäten. 442 Diese beiden <strong>St</strong>udien<br />
illustrieren beispielhaft, dass die Thematik der Abhängigkeit von Handelsvolumen respektive<br />
Handelsaktivität von der Volatilität an den Finanzmärkten (nicht nur an den Aktienmärkten)<br />
wohl bekannt ist und ihr schon seit langem breit gefächerte Analysen und Forschungen<br />
gewidmet wurde. Eine umfassende Übersicht dazu verfasste Karpoff in seinem Papier, in<br />
dem er die Ergebnisse früherer, weiter zurückreichender <strong>St</strong>udien summarisch analysierte. Er<br />
stellte eine positive Relation des Volumens sowohl gegenüber absoluten Preisänderungen<br />
("absolute value of the price changes") auf Aktien- und Futuresmärkten als auch gegenüber<br />
Preisänderungen als solches ("price change per se") auf Aktienmärkten fest und kam damit<br />
letztlich zum Ergebnis, dass eine positive Beziehung zwischen dem Handelsvolumen und der<br />
Volatilität existiert. 443<br />
Spätere <strong>St</strong>udien wiederum, die insbesondere den Informationsfluss am Markt untersuchten, 444<br />
zeigten mit dem Nachweis einer positiven Korrelation zwischen der Volatilität und dem Handelsvolumen<br />
insgesamt eine hohe Kongruenz mit den Ergebnissen von Karpoffs Analysen.<br />
Dabei wurden in den jüngeren Untersuchungen auch weitere spezifische Parameter in die<br />
Modelle eingebaut, die u.a. dem Vorhandensein von Insiderhändlern und Spekulanten eigenes<br />
Gewicht beimessen ("noise traders") 445 oder den Markteilnehmern unterschiedliche Erwartungen<br />
("differences in beliefs") 446 unterstellen. Die Forschungsarbeiten berücksichtigten dabei<br />
neben Aktienmärkten respektive Aktienderivaten wiederholt Futuresmärkte (inkl. Rohwarenmärkte)<br />
und zeigten dabei über die verschiedenen Märkte hinweg weitgehend konsistente<br />
Ergebnisse hinsichtlich einer positiven Korrelation zwischen Handelsvolumen und Marktvolatilität.<br />
447<br />
Separat zu erwähnen ist hier eine Analyse von Schwert, der nicht nur allgemein den Zusammenhang<br />
zwischen Volatilität und Handelsvolumen untersuchte, sondern noch spezifisch eine<br />
mögliche signifikante Beziehung an sogenannten "triple witching days", an Handelstagen<br />
441 Vgl. Ying (1966).<br />
442 Vgl. Clark (1973). Clark untersuchte in seiner Analyse den Einfluss von im Markt aufkommenden Informationen und<br />
zeigte, dass eine unterschiedliche zeitliche Verarbeitung neuer Informationen am Futuresmarkt Einfluss auf die Renditen<br />
und deren Handelsvolumen hatte und sich in entsprechend schwankenden Volatilitäten der Assets niederschlug.<br />
443 Vgl. Karpoff (1987), S. 111ff. sowie S. 117ff.<br />
444 Definiert als die Ankunft respektive Bekanntgabe und Verarbeitung neuer Informationen (vgl. beispielsweise Lamoureux/Lastrapes<br />
(1990) und Lamoureux/Lastrapes (1994) oder Manganelli (2002)).<br />
445 Vgl. hierzu stellvertretend Shalen (1993) oder auch Summers/Summers (1989), wobei Summers/Summers (1989) in<br />
diesem Zusammenhang insbesondere den Einfluss von Transaktionskosten und einer eventuellen <strong>St</strong>euer auf Wertschriftentransaktionen<br />
("securities transaction tax") untersuchten.<br />
446 Vgl. dazu u.a. Schwert (2001) und Schwert (1998) sowie Shalen (1993).<br />
447 Vgl. stellvertretend die Übersichten und Verweise in Schwert (1998), Hollifield (2002), Jeanneau/Micu (2003) sowie<br />
Upper (2005). Eine <strong>St</strong>udie von Galati über den Devisenmarkt von noch weniger entwickelten Finanzmärkten (emerging<br />
marktet countries) zeigt überdies, dass die positive Wechselbeziehung zwischen Volumen und Volatilität auch in diesen<br />
Märkten zu beobachten ist (vgl. Galati (2000)).
Theoretisches Absatzmodell von SIP 118<br />
also, an denen sowohl Optionen als auch Futures sowie Optionen auf Futures und Aktienindizes<br />
fällig werden, analysierte. Die verbreitet kolportierte Meinung, dass an solchen "Verfallstagen"<br />
die Volatilität unüblich hoch sei, konnte er statistisch nicht erhärten. Die Volumina<br />
nahmen zwar jeweils insbesondere aus Hedgegründen zu, doch die Volatilität veränderte<br />
sich jeweils nicht signifikant. Insgesamt wies aber auch Schwert in seinen Untersuchungen<br />
eine positive Korrelation zwischen Volatilität und Handelsvolumen nach. 448<br />
Wu und Guo ihrerseits entwickelten ein theoretisches Modell unter Einbezug von rationalen,<br />
sich unter den Markteilnehmern jedoch unterscheidenden Erwartungen ("rational beliefs"),<br />
anhand dessen sie eine positive Beziehung zwischen dem Handelsvolumen und den Preisänderungen<br />
der Wertpapiere aufzeigen konnten. Ihre Ergebnisse decken sich folglich mit denjenigen<br />
von Karpoff. 449<br />
Von daher ist der Ansatz, den Zusammenhang zwischen dem Absatz von strukturierten Produkten<br />
und der Marktvolatilität zu untersuchen, nicht nur vom theoretischen Gesichtspunkt<br />
her interessant, vielmehr zeigen auch die empirischen Ergebnisse verwandter Gebiete auf,<br />
dass in dieser Richtung viel versprechend geforscht werden kann.<br />
Eine Untersuchung allerdings spezifisch auf die Volatilitätsposition eines Produktes zu fokussieren,<br />
ist ein neuer Ansatz, von dem nicht unbedingt dieselben Resultate zu erwarten sind.<br />
Der Fokus in der Empirie wird primär auf dem Bestreben eines Nachweises einer generellen<br />
Volatilitätsabhängigkeit des Absatzes der strukturierten Produkte liegen.<br />
4.1.2 Volatilitätsstrategien<br />
Wie die Betrachtung der verwandten Forschungsergebnisse zeigt, spielen neben Futureskontrakten<br />
vor allem Optionen eine wichtige Rolle bei der Betrachtung des Zusammenhangs zwischen<br />
der Volatilität und dem Handelsvolumen. Insofern ist der Ansatz des theoretischen Absatzmodells<br />
in der vorliegenden Forschungsarbeit, ebenfalls die Volatilität ins Zentrum zu<br />
stellen, eine konsequente Fortführung der Ausführungen der kurz skizzierten vorangegangenen<br />
Forschungsarbeiten. Wie insbesondere in Kapitel 3.5 beschrieben und hergeleitet definieren<br />
die in den strukturierten Produkten eingebetteten Derivate die Volatilitätspositionen dieser<br />
Produkte und damit deren Volatilitätsabhängigkeit, welche schliesslich auch das Absatzverhalten<br />
der Produkte bestimmen.<br />
Volatilitätsstrategien an sich sind nicht erst seit dem Aufkommen der strukturierten Produkte<br />
ein Thema an den Finanzmärkten, sondern über relativ einfache Optionsstrategien schon lange<br />
umsetzbar. Damit konnte die Volatilität eines Produkts (d.h. des Underlyings des Derivats)<br />
schon vor dem Aufkommen von Volatilitätsindizes und Zertifikaten auf diesen Indizes gehandelt<br />
werden, allerdings lediglich auf Einzelproduktebene (inkl. Indexprodukte) und insbesondere<br />
nur unter Inkaufnahme einer Risikoposition, d.h. eines Exposures, gegenüber der<br />
Entwicklung des Basisprodukts. Darüber hinaus sind diese <strong>St</strong>rategien vom Anleger selbst zu<br />
bilden und entsprechend einzugehen, da diese nicht unmittelbar als Handels- respektive Anla-<br />
448 Vgl. Schwert (1998), S. 7ff.<br />
449 Vgl. Wu/Guo (2004).
Theoretisches Absatzmodell von SIP 119<br />
geprodukt gekauft werden können. Zudem ist der direkte Zugang zum börsenkotierten Optionshandel<br />
(z.B. der EUREX) nicht für alle Kunden gewährleistet. Insbesondere für Retailkunden<br />
sind solche <strong>St</strong>rategien schwierig umzusetzen, wodurch ihnen als Alternative oftmals<br />
nur der Weg über OTC-Warrants geblieben ist. Dieser für Retailkunden unbefriedigende Zustand<br />
hat sich mit der Einführung der SIP geändert. Die Handelbarkeit der Volatilität wurde<br />
einerseits auf eine breitere Basis gestellt, andererseits erlauben Volatilitätszertifikate oder<br />
auch Variance Swaps Engagements in die Volatilität als Assetklasse ohne damit einhergehendem<br />
Exposure gegenüber dem Underlying. 450 Es bestätigt sich, dass Derivate mitnichten<br />
schädlich für den Kapitalmarkt sind oder gar "Massenvernichtungswaffen" darstellen, wie<br />
auch schon von wichtigen Exponenten am Finanzmarkt kolportiert wurde; 451 vielmehr vervollständigen<br />
Derivate den Kapitalmarkt, indem sie Transaktionen und damit Risiko- und<br />
Informationstransfers und somit eine Bewertung von Risiken sowie ein Risikomanagement an<br />
sich ermöglichen, die ohne solche Produkte gar nicht abgewickelt werden könnten. 452<br />
Optionsstrategien sind – ähnlich wie strukturierte Produkte – eine Kombination verschiedener<br />
Produkte, allerdings eine reine Kombination von Optionen ohne gleichzeitige Investition in<br />
den Basiswert. Optionsstrategien lassen sich in ihre Einzelkomponenten zerlegen, wodurch<br />
für diese <strong>St</strong>rategien jeweils eine Volatilitätsposition nach analogem Vorgehen der SIP bestimmt<br />
werden kann. In der nachfolgenden Betrachtung der einfachsten und bekanntesten<br />
Optionsstrategien werden jeweils die einzelnen Komponenten der <strong>St</strong>rategie und die daraus<br />
abgeleitete Volatilitätsposition aufgezeigt sowie die <strong>St</strong>rategien gemäss ihrer Volatilitätsposition<br />
schematisch analog der SIP-Typologie kategorisiert.<br />
4.1.2.1 Richtungweisende <strong>St</strong>rategien<br />
Eine (long) <strong>St</strong>raddle-<strong>St</strong>rategie wird mit dem gleichzeitigen Erwerb einer Call- und einer Put-<br />
Option mit gleichem Basiswert (Underlying), gleichem Ausübungspreis (<strong>St</strong>rike) sowie gleicher<br />
Restlaufzeit eingegangen. 453<br />
Eine weitere bezüglich der Volatilität richtungweisende Optionsstrategie zur Ausnutzung von<br />
Volatilitätsschwankungen ist ein sogenannter <strong>St</strong>rangle, der analog dem <strong>St</strong>raddle gebildet wird<br />
mit dem Unterschied, dass Call- und Put-Option über unterschiedliche <strong>St</strong>rikepreise verfügen.<br />
454<br />
Optionen selbst zeichnen mit ihrer Volatilitätsabhängigkeit auch eine Art Volatilitätsstrategie<br />
im Sinne dieser Arbeit, was in der Darstellung der Hebel-Produkte im vorhergehenden Kapi-<br />
450<br />
Vgl. dazu auch die Ausführungen unter Kapitel 2.6.3 über die Handelbarkeit der Volatilität sowie über den unterschiedlichen<br />
Marktzugang der Investoren unter Abschnitt 6.2.<br />
451<br />
Vgl. die Aussage von Warren Buffet und einige weitere negative Beispiele zu Derivaten unter Abschnitt 1.1 und insbesondere<br />
die Verweise unter Fussnote 10.<br />
452 Vgl. stellvertretend Tsatsaronis/Upper (2006), S. B21 für eine volkswirtschaftliche, wirtschaftspolitische Sicht oder die<br />
Arbeit von <strong>St</strong>ulz (2004) für eine Unternehmenssicht sowie die Ausführungen von Ross (1976b) und Merton (1992).<br />
453 Vgl. Brenner/Ou/Zhang (2006) für eine Einführung eines neuen Instruments zum Handel der Volatilität: eine Option auf<br />
eine <strong>St</strong>raddle-<strong>St</strong>rategie. Dieses Handelsinstrument kann zur Absicherung von Volatilitätsrisiken verwendet werden.<br />
454 Vgl. Hull (2003), S. 194ff. zur genaueren Erklärung und Darstellung dieser <strong>St</strong>rategien.
Theoretisches Absatzmodell von SIP 120<br />
tel (spezifisch unter Abschnitt 3.4.1) bereits zum Ausdruck kam und deshalb hier nicht weiterverfolgt<br />
wird.<br />
4.1.2.2 Neutrale <strong>St</strong>rategien<br />
Als gemäss der Definition dieser Forschungsarbeit gegenüber der Volatilität neutrale <strong>St</strong>rategien<br />
sind Spread-<strong>St</strong>rategien hervorzuheben, vor allem die klassischen Bull Spreads und Bear<br />
Spreads. Ein Bull Spread wird mit dem Erwerb einer Call-Option und dem gleichzeitigen<br />
Verkauf einer Call-Option auf den gleichen Basiswert (Underlying) eingegangen. Die Optionen<br />
haben die gleiche Restlaufzeit, allerdings verfügt die short Call-Option über einen höheren<br />
<strong>St</strong>rike-Preis als die long Call-Option. Dieselbe <strong>St</strong>rategie mit identischem Risiko- respektive<br />
Auszahlungsprofil kann mittels Put-Optionen eingegangen werden, wobei ebenfalls die<br />
Put-Option mit höherem Ausübungspreis verkauft wird.<br />
Ein Bear Spread wiederum wird analog dem oben beschriebenen Bull Spread konstruiert,<br />
allerdings wird diejenige Option mit dem tieferen Ausübungspreis verkauft und die Option<br />
mit dem höheren <strong>St</strong>rike-Preis gekauft. Die identische <strong>St</strong>rategie kann ebenfalls mittels Put-<br />
Optionen eingegangen werden, wobei ebenfalls die Put-Option mit dem tieferen Ausübungspreis<br />
verkauft wird.<br />
Nachfolgend zeigt eine kurze tabellarische Übersicht die Vega- und Volatilitätspositionen der<br />
klassischen Optionsstrategien, wobei die Positionsbestimmungen jeweils dem Schema analog<br />
den strukturierten Produkten folgen. 455 Da die Volatilitätsposition nur richtungweisend definiert<br />
wird, kann diese zwar via des Vegas der einzelnen Optionskomponenten – respektive<br />
der Put-Call-Parität beim Vorliegen eines Basiswerts – relativ schnell und einfach bestimmt<br />
werden, doch fehlt den Ergebnissen eine gewisse Trennschärfe, da bewusst keine Quantifizierung<br />
der Volatilitätsposition vorgenommen wird. Hintergrund ist insbesondere, dass sich bei<br />
Spread-<strong>St</strong>rategien die Volatilitätsposition über die Laufzeit und bei entsprechend sich veränderndem<br />
Underlying ständig variieren, ja sogar umkehren kann, wodurch sich das Vega nicht<br />
abschliessend bestimmen lässt. Empirische Untersuchungen zeigen aber, dass die Ergebnisse<br />
der für die strukturierten Produkte verwendeten Methodik der Definition einer richtungweisenden<br />
Volatilitätsposition mittels der Put-Call-Parität durchaus der Realität standhalten; die<br />
Analysen zeigen jeweils ein Vega von approximativ 0 und damit eine neutrale Volatilitätsposition.<br />
456<br />
455<br />
Vgl. dazu die Ausführungen unter Kapitel 3.5.3 und dabei insbesondere Abbildung 27: Volatilitätsposition der strukturierten<br />
Produkte (inkl. SIP i.w.S.).<br />
456 Vgl. Heinrich (1999), S. 71f.
Theoretisches Absatzmodell von SIP 121<br />
Tabelle 10: Volatilitätsposition ausgewählter Optionsstrategien<br />
Optionsstrategie Konstruktion (Optionen)<br />
Vega Volatilität 1<br />
<strong>St</strong>raddle<br />
Long Long Call + Long Put long positiv<br />
Short<br />
<strong>St</strong>rangle<br />
Short Call + Short Put short negativ<br />
Long Long Call + Long Put long positiv<br />
Short<br />
Spreads<br />
Short Call + Short Put short negativ<br />
Bull Spread Long Call + Short Call 0 2<br />
neutral<br />
Long Put + Short Put 0 2<br />
neutral<br />
Bear Spread Long Call + Short Call 0 2<br />
neutral<br />
Long Put + Short Put 0 2<br />
neutral<br />
1 Volatilitätsposition im Vergleich zum Halten des Basiswerts nach Put-Call-Parität.<br />
2 Untersuchungen zeigen, dass Spread-<strong>St</strong>rategien im Allgemeinen ein Vega von insgesamt nahe 0 haben.<br />
(vgl. Heinrich (1999), S. 71ff.)<br />
Anmerkung: Eigene Darstellung.<br />
Position<br />
An dieser <strong>St</strong>elle wird darauf verzichtet, weitere Optionsstrategien darzustellen und deren<br />
Vielfalt und Variabilität vertieft zu betrachten, da diese mit der eigentlichen Forschungsfrage<br />
nicht direkt verbunden und nicht weiter zielführend bezüglich der Forschungsintension dieser<br />
Arbeit sind. Deshalb wird hier auf die einschlägige Literatur verwiesen. Beispielhaft seien<br />
hier die Werke von Hull sowie von Fontanills und Gentile erwähnt, in welchen insbesondere<br />
Spread-<strong>St</strong>rategien einen Schwerpunkt bilden und detailliert abgehandelt werden. 457<br />
4.2 Konzeptionelle Grundlagen<br />
Nachfolgend werden noch einmal in aller Kürze die für das theoretische Modell grundlegenden<br />
Elemente bezeichnet und deren Einfluss beschrieben. Diese konzeptionellen Grundlagen<br />
wurden in den Kapiteln 2 und 3 entweder theoretisch hergeleitet oder empirisch unterlegt.<br />
4.2.1 Implizite Volatilität<br />
Die implizite Volatilität einer Option dient als Masszahl für die am Markt erwartete Volatilität<br />
für das jeweilige Basisprodukt (Underlying). Die Empirie hat gezeigt, dass die implizite<br />
Volatilität über die zuverlässigste und genauste Prognosegüte bezüglich der zukünftig tatsächlich<br />
realisierten Volatilität verfügt und daher den geeigneten Indikator für die zu erwartende<br />
Volatilität in dieser Forschungsarbeit darstellt. Ein bekannter, sogenannter "upward bias" der<br />
impliziten gegenüber der tatsächlich realisierten Volatilität, der ein leichtes Überschiessen der<br />
impliziten gegenüber der später realisierten <strong>St</strong>andardabweichung andeutet, ändert die Überle-<br />
457 Vgl. Hull (2003), S. 185-200 und Fontanills/Gentile (2003), S. 140ff. Insbesondere Spreadstrategien werden in diesen<br />
Werken detailliert betrachtet und v.a. von Fontanills/Gentile mit zahlreichen Beispielen unterlegt und mit Handelsempfehlungen<br />
angereichert. Eine Übersicht über Optionsstrategien und spezifisch sogar über Volatilitätsstrategien bietet auch<br />
die Eurex in ihren Dokumentationen (vgl. Eurex (2004), S. 12ff. und Eurex (2006), S. 60ff).
Theoretisches Absatzmodell von SIP 122<br />
genheit der Prognosegüte nicht, auch nicht im Verhältnis zu weit sophistizierteren Modellen<br />
wie beispielsweise denjenigen der GARCH-Familie. Deshalb wird in dieser Arbeit die implizite<br />
Volatilität als primäre Masszahl für die am Markt erwartete Volatilität betrachtet. 458<br />
4.2.2 Leitindex VSMI<br />
Der VSMI ist der Volatilitätsindex des SMI der SWX Swiss Exchange und berechnet sich auf<br />
Basis der impliziten Volatilitäten aller aktuell am Markt gehandelten (Index-) Optionen, gewichtet<br />
nach dem Abstand ihrer <strong>St</strong>rikepreise zum aktuellen Indexstand (sprich zur aktuellen,<br />
effektiven at-the-money-Option). Damit fliessen in den Volatilitätsindex sämtliche Informationen<br />
der Volatilitätsoberfläche der jeweiligen Optionsserie ein. Der Index aggregiert quasi<br />
die Markterwartungen via die impliziten Volatilitäten der Indexoptionen und bildet somit den<br />
aktuellen Pegel der Unsicherheit unter den Investoren ab ("investor fear gauge"). Der VSMI<br />
hat eine konstante Restlaufzeit von 30 Tagen, umfasst mehrere Unterindizes und wird anhand<br />
der Varianzen der impliziten Volatilitäten der einzelnen Optionen berechnet. Des Weiteren ist<br />
der VSMI nicht abhängig von Optionsbewertungsmodellen oder anderer Hilfsmitteln zur Berechnung<br />
der Marktvolatilität anhand beispielsweise synthetischer Optionen. Deshalb bildet<br />
der VSMI in dieser Forschungsarbeit den Leitindex für die Bestimmung der jeweils erwarteten<br />
Marktvolatilität. 459<br />
4.2.3 Mean Reversion der Volatilität<br />
Der Volatilität wird eine sogenannte mean-reverting Charakteristik unterstellt, d.h. die Volatilität<br />
untersteht einem mean-reverting Prozess, einem Prozess oder Trend hin zu einem langfristigen<br />
Durchschnittswert (mean). Dieser Mittelwert steht für das langfristige Gleichgewichtsniveau,<br />
um das sich die Werte dieses Prozesses über die Zeit verteilen. Die Volatilität<br />
ist bekanntlich nicht – wie von Black/Scholes in ihrem Modell angenommen – konstant, sondern<br />
verändert sich über die Zeit, kehrt aber gewissermassen jeweils wieder zum langfristigen<br />
Durchschnittswert, dem Gleichgewichtsniveau zurück. Die Mean-Reversion ist eng mit dem<br />
Phänomen oder genauer gesagt einer anderen Charakteristik der Volatilität, dem Clustering,<br />
verwandt. Clustering bedeutet, dass eine Zeitspanne von hoher Volatilität selten isoliert vorkommt,<br />
sondern weitere Perioden von hoher Volatilität nach sich zieht. Bei relativ tiefer Volatilität<br />
verhält es sich analog. Die mean-reverting Eigenschaft der Volatilität führt nun dazu,<br />
dass der Leitindex der Volatilität VSMI einen Durchschnittswert (mean) aufweist, um den<br />
sich die Werte sammeln und auf den sie sich langfristig jeweils zurückbewegen. 460<br />
4.2.4 Volatilitätsposition<br />
In dieser Arbeit liegt der Fokus auf den richtungweisenden <strong>St</strong>rategien, die eine klare Aussage<br />
über die eingegangene Position gegenüber der Volatilität erlauben. Nur wenn die im SIP ein-<br />
458 Siehe dazu die Ausführungen zu Messung und Forecasting der Volatilität unter den Kapiteln 2.2 respektive 2.3.<br />
459<br />
Siehe dazu die Ausführungen zu Volatilitätsindizes unter Kapitel 2.5 und dabei zu deren Berechnungsmethodik insbesondere<br />
die Abschnitte 2.5.1 und 2.5.2.<br />
460<br />
Siehe dazu die Ausführungen unter Kapiteln 2.4 zu den Eigenschaften der Volatilität und dabei insbesondere die Abschnitte<br />
2.4.1 und 2.4.2.
Theoretisches Absatzmodell von SIP 123<br />
gebettete Optionsstrategie bezüglich der Volatilitätsposition richtungweisend ist, kann über<br />
die Attraktivität des Produkts bei einem gegebenen Volatilitätsumfeld und einer erwarteten<br />
Volatilitätsveränderung eine klare Aussage gemacht werden. Die Volatilitätsposition der<br />
strukturierten Produkte wird anhand des Vegas der Einzelkomponenten und der Put-Call-<br />
Parität hergeleitet. Eine neutrale Position gegenüber der Volatilität bedeutet demnach ein<br />
hinsichtlich der Grundposition der Put-Call-Parität unverändertes Engagement, was dem Halten<br />
des Basiswerts entspricht. Das Vega des Basiswerts beträgt konsequenterweise null. Eine<br />
positive Volatilitätsposition basiert auf einem positiven Vega und einer Long-Position in<br />
(mindestens) einer Option gegenüber der von der Put-Call-Parität definierten Grundposition.<br />
Eine Short-Position in (mindestens) einer Optionskomponente gegenüber der Put-Call-Parität<br />
zieht ein negatives Vega mit sich und führt schliesslich zu einer negativen Volatilitätsposition.<br />
Diese Volatilitätsausrichtungen stehen folglich für die Volatilitätsabhängigkeit der Produkte<br />
und bestimmen die relative Attraktivität der Produkte bei einer bestimmten erwarteten<br />
Volatilitätsveränderung, was im nachfolgenden theoretischen Modell gezeigt wird. 461<br />
4.3 Theoretisches Modell<br />
Das theoretische Absatzmodell der strukturierten Produkte basiert auf den beschriebenen konzeptionellen<br />
Grundlagen und dem Ansatz, dass die Volatilität und der Absatz dieser Produkte<br />
aufgrund der eingebetteten Derivate in einer bestimmten Wechselwirkung stehen.<br />
4.3.1 Erwartete Volatilitätsveränderung<br />
Die erwartete Volatilitätsveränderung am Markt orientiert sich an der impliziten Volatilität,<br />
gemessen und angezeigt mittels des Volatilitätsindizes VSMI. Dem gegenwärtigen <strong>St</strong>and des<br />
VSMI wird dabei ein Durchschnittswert (Mean, µ(σ) ) desselben gegenübergestellt, anhand<br />
dessen – basierend auf der Annahme der mean-reverting Eigenschaft der Volatilität – eine<br />
richtungsbezogene Volatilitätserwartung abgeleitet werden kann. Dabei wird der Vergleichswert<br />
als gleitender Durchschnitt über eine definierte Periode berechnet, d.h. die Werte der<br />
jeweils letzten n Handelstage fliessen in den Durchschnitt mit ein. 462 Es werden jeweils die<br />
Tagesschlusskurse des VSMI für die Berechnung vom Mean µ(σ) berücksichtigt. Formal<br />
wird der gleitende Durchschnitt anhand folgender Formel berechnet:<br />
461<br />
Siehe dazu die Ausführungen zur Typologie unter Kapitel 3.5 und dabei zur Bestimmung der Volatilitätsposition der<br />
Produkte insbesondere Abschnitt 3.5.3.<br />
462 Es sollte eine möglichst lange Periode gewählt werden zur Berechnung des Durchschnitts, um einen möglichst aussagekräftigen<br />
Mittelwert µ zu erhalten, der nicht von kurzfristigen Schwankungen oder dem Phänomen des Clusterings zu<br />
stark beeinflusst ist. Wie lange und wie viele Handelstage, Monatswerte oder sogar Jahreswerte dieser Mittelwert umfassen<br />
soll, ist nicht genau spezifizierbar und empirisch nicht eindeutig zu beantworten (vgl. dazu die Ausführungen über<br />
empirisch gesehen verschiedene Levels (bezgl. Niveauhöhe) der Volatilität sowie zu langfristigen Entwicklungen und<br />
womöglichen Volatilitätsregimewechseln in den Abschnitten 2.3.1 sowie 2.4.2).
Theoretisches Absatzmodell von SIP 124<br />
Gleichung 27<br />
1<br />
µ ( σ ) t = σ i , wobei<br />
n<br />
∑ + − t n 1<br />
i=<br />
t<br />
• µ(σ)t = aktueller Wert des gleitenden Durchschnitts<br />
• σi = Schlusskurs VSMI<br />
• n = Periodenlänge (Anzahl Schlusskurse VSMI)<br />
µ(σ) bildet demnach den langfristigen Durchschnitt der Volatilität und dient als Orientierungspunkt<br />
für die zu einem gegebenen Zeitpunkt erwartete Volatilitätsveränderung am<br />
Markt. Die Eigenschaft der Mean Reversion bedeutet folglich, dass sich die Werte der Volatilität<br />
um den Durchschnitt µ herum bewegen, wobei Abweichungen davon, d.h. Ausschläge<br />
nach oben oder unten, sich mittels eines Anstiegs respektive Sinkens der Volatilität jeweils<br />
wieder ausgleichen und die Volatilität sich entsprechend dem Mean wieder angleichen wird<br />
(siehe Abbildung 2 in Kapitel 2.4.1).<br />
Anhand der erwähnten Überlegungen kann nun zu einem bestimmten Zeitpunkt eine richtungsbezogene<br />
Volatilitätserwartung gebildet werden, die als Grundlage für die Attraktivität<br />
der einzelnen Typen der strukturierten Produkte basierend auf deren Volatilitätsposition dient.<br />
Falls der aktuelle (Schluss-) <strong>St</strong>and des VSMI σ über dessen langfristigem Durchschnitt µ(σ)<br />
liegt (σ > µ), wird eine Gegenbewegung des VSMI in Richtung Mean µ erwartet, was einem<br />
Sinken der Volatilität, also einer erwarteten, negativen Volatilitätsveränderung entspricht. Im<br />
umgekehrten Fall wiederum, also bei einem aktuellen (Schluss-) <strong>St</strong>and des VSMI σ unter<br />
dessen langfristigem Durchschnitt µ (σ < µ), entspricht eine erwartete Gegenbewegung des<br />
VSMI in Richtung Mean µ einem Anstieg der Volatilität, mithin einer erwarteten, positiven<br />
Volatilitätsveränderung. In einer Situation, in der die implizite Volatilität genau dem langfristigen<br />
Durchschnitt entspricht (σ = µ), wird in dieser Arbeit von einer gegenüber der Volatilität<br />
neutralen Lage gesprochen. Die aufgezeigten Szenarien sind nachstehend graphisch zusammengefasst.
Theoretisches Absatzmodell von SIP 125<br />
VSMI σ vs. Mean µ<br />
σ > µ σ = µ σ < µ<br />
σ σ σ<br />
Abbildung 30: Erwartete Volatilitätsveränderungen<br />
Anmerkung: Eigene Darstellung.<br />
Es wird erneut betont, dass auf eine Quantifizierung der jeweils erwarteten Volatilitätsveränderung<br />
infolge der mean-reverting Eigenschaft der Volatilität bewusst verzichtet wird. Wiederum<br />
wird analog der Volatilitätsposition der einzelnen SIP-Typen nur eine richtungsbezogene<br />
Veränderung bestimmt. Damit wird der Faktor, der das Ausmass der Bewegung des<br />
Mean-Reversion-Prozesses beziffert, der sogenannte Drift, in dieser Forschungsarbeit nicht<br />
genauer betrachtet. 463<br />
4.3.2 <strong>St</strong>rategieempfehlung<br />
Aufgrund der erwarteten, richtungsbezogenen Volatilitätsveränderung zu einem gegebenen<br />
Zeitpunkt wird nun eine konkrete Empfehlung für den Einsatz der verschiedenen Typen von<br />
strukturierten Produkten hergeleitet. Diese <strong>St</strong>rategieempfehlungen dienen als theoretische<br />
Grundlage und gleichzeitig als Vergleichsmassstab für die empirischen Auswertungen im<br />
Kapitel 5, mittels derer die theoretische Abhängigkeit des Absatzes strukturierter Produkte<br />
von der Marktvolatilität, beschrieben im folgenden Abschnitt 4.3.3, empirisch überprüft wird.<br />
Die von den in den Produkten eingebetteten Optionen bestimmte Volatilitätsposition der einzelnen<br />
SIP lässt auf eine theoretische Abhängigkeit der Produkte gegenüber der Volatilität<br />
schliessen, d.h. der Wert und damit die Attraktivität der einzelnen Produkte hängt von der<br />
Entwicklung der Volatilität ab. Wie in dieser Arbeit schon mehrfach erwähnt wurde, zeigten<br />
Black/Scholes in ihrem Modell die Wichtigkeit des Parameters Volatilität auf die Bewertung<br />
einer Option. 464 Eine <strong>St</strong>rategieempfehlung für den Einsatz respektive eine Einschätzung über<br />
die Attraktivität der einzelnen Produkttypen kann nun aufgrund der vorher beschriebenen<br />
Erwartungen an die Volatilitätsentwicklung hergeleitet werden. Bei einer erwarteten Volatilitätssteigerung,<br />
d.h. in der Situation von σ < µ, lohnt es sich ceteris paribus in die Volatilität<br />
zu investieren und damit Produkte zu kaufen, die ein positives Vega respektive eine long Vo-<br />
463 Siehe die Ausführungen u.a. zum Drift im Rahmen des Mean-Reversion-Prozesses unter Kapitel 2.4.1.<br />
464 Siehe die Ausführungen zu Optionsmodellen unter den Abschnitten 2.1.2 und 2.1.2.2.
Theoretisches Absatzmodell von SIP 126<br />
latilitätsposition aufweisen. Analog – mit umgekehrtem Vorzeichen allerdings – verhält es<br />
sich bei einer erwarteten sinkenden Volatilitätsentwicklung, d.h. σ > µ. Der Verkauf von Volatilität<br />
erweist sich ceteris paribus zu diesem Zeitpunkt als eine attraktive Investition und<br />
wird entsprechend über den Kauf von strukturierten Produkten mit einem negativen Vega<br />
respektive einer short Volatilitätsposition getätigt. Bei einer richtungslosen Tendenz der Volatilität<br />
schliesslich, d.h. σ = µ, zeigt eine Anlage in eine volatilitätsneutrale Position mit einem<br />
Vega von null – ebenfalls unter der Prämisse ceteris paribus – eine erhöhte Attraktivität.<br />
Die Szenarioskizze über die Volatilitätserwartung aus dem vorhergehenden Abschnitt kann<br />
nun mit einer Investitionsempfehlung angereichert werden. Ausgehend von einer bestimmten<br />
Marktschätzung der Volatilitätsentwicklung lassen sich demnach Investitionsempfehlungen<br />
für die einzelnen Volatilitätspositionen ableiten, welche in Abbildung 31 aufgezeigt werden.<br />
VSMI σ vs. Mean µ<br />
σ > µ σ = µ σ < µ<br />
σ σ σ<br />
σ verkaufen<br />
(Volatilität short)<br />
SIP mit negativem Vega<br />
kaufen<br />
-<br />
(Volatilität neutral)<br />
SIP mit neutralem Vega<br />
(=0) kaufen<br />
Abbildung 31: Investitionsempfehlung bezüglich Volatilitätsposition<br />
Anmerkung: Eigene Darstellung.<br />
σ kaufen<br />
(Volatilität long)<br />
SIP mit positivem Vega<br />
kaufen<br />
Die Investitionsempfehlungen nach Volatilitätsposition lassen sich folglich auf die einzelnen<br />
Produkttypen gemäss der in Kapitel 3.5.4 hergeleiteten Typologie adaptieren. Die Empfehlungen<br />
beschränken sich jeweils auf Kaufempfehlungen für die bei einer bestimmten Volatilitätserwartung<br />
attraktiven Produkte, ohne jeweils spezifisch Erwartungen oder Folgen für die<br />
anderen Produkttypen aufzuzeigen. Nachfolgend wird die zu Abbildung 31 analoge Übersicht<br />
auf Produktebene gezeigt:
Theoretisches Absatzmodell von SIP 127<br />
SIP (i.e.S)<br />
σ > µ σ = µ σ < µ<br />
Volatilität<br />
SHORT<br />
Discount-<br />
Zertifikat<br />
Reverse<br />
Convertible<br />
Abbildung 32: Investitionsempfehlung SIP (i.e.S.)<br />
Anmerkung: Eigene Darstellung.<br />
Volatilität<br />
NEUTRAL<br />
Tracker-<br />
Zertifikat<br />
Kapitalschutz-P.<br />
mit Cap<br />
Volatilität<br />
LONG<br />
Kapitalschutz-P.<br />
ohne Cap<br />
Outperformance-<br />
Zertifikat<br />
Analog werden Investitionsempfehlungen für Hebelprodukte, die in dieser Arbeit als strukturierte<br />
Produkte im weiteren Sinne (SIP i.w.S.) bezeichnet werden, sowie die früher in diesem<br />
Kapitel besprochenen Optionsstrategien abgeleitet und nachfolgend illustrativ dargestellt.<br />
SIP (i.w.S.)<br />
σ > µ σ = µ<br />
σ < µ<br />
Volatilität<br />
SHORT<br />
* Optionsstrategie<br />
long Knock-out<br />
Warrant<br />
short <strong>St</strong>raddle*<br />
short <strong>St</strong>rangle*<br />
Volatilität<br />
NEUTRAL<br />
Bull Spread*<br />
Bear Spread*<br />
Abbildung 33: Investitionsempfehlung SIP (i.w.S.) und Optionsstrategien<br />
Anmerkung: Eigene Darstellung.<br />
Volatilität<br />
LONG<br />
long Warrant<br />
long <strong>St</strong>raddle*<br />
long <strong>St</strong>rangle*
Theoretisches Absatzmodell von SIP 128<br />
4.3.3 Erwartetes Absatzverhalten<br />
Die Volatilitätserwartungen und die darauf aufbauenden theoretischen <strong>St</strong>rategieempfehlungen<br />
bezüglich Investitionen in bestimmte Volatilitätspositionen ergeben ein am Markt zu erwartendes<br />
theoretisches Absatzverhalten der verschiedenen Typen von strukturierten Produkten.<br />
<strong>St</strong>eigt demnach die Attraktivität eines Produkts basierend auf dessen Volatilitätsposition,<br />
werden folglich Produkte mit dieser Volatilitätsposition gemäss des vorgestellten Modells<br />
theoretisch zum Kauf empfohlen, was sich wiederum im Absatz des entsprechenden Produkttyps<br />
niederschlagen sollte. Entsprechend der vorangegangenen Ausführungen wird damit ein<br />
theoretisches Absatzverhalten von Produkten mit entsprechenden, richtungweisenden Volatilitätspositionen<br />
vom aktuellen <strong>St</strong>and der Marktvolatilität σ, unter Einbezug der Mean-<br />
Reversion-Charakteristik, abgeleitet und nachfolgend illustriert.<br />
VSMI σ vs. Mean µ<br />
σ > µ σ = µ σ < µ<br />
σ σ σ<br />
Absatz von SIP mit<br />
negativem Vega<br />
Absatz von SIP mit<br />
neutralem Vega<br />
Abbildung 34: Absatzerwartung bei gegebener richtungsbezogener Volatilitätserwartung<br />
Anmerkung: Eigene Darstellung.<br />
Absatz von SIP mit<br />
positivem Vega<br />
Die Absatzerwartungen der einzelnen Volatilitätspositionen lassen sich wiederum auf die<br />
einzelnen Produkttypen gemäss der SIP-Typologie adaptieren. Dieser Ansatz beschränkt sich<br />
jeweils auf den Absatz für die einzelnen bei einer bestimmten Volatilitätserwartung attraktiven<br />
Produkte, ohne jeweils spezifische Absatzerwartungen für die anderen Produkttypen aufzuzeigen.<br />
Die Absatzerwartungen der einzelnen Volatilitätspositionen und entsprechend der<br />
dazugehörigen Produkttypen sind daher bei einer gegebenen Volatilitätsposition jeweils separat<br />
zu betrachten. Die folgende Übersicht zeigt illustrativ die theoretischen Absatzerwartungen<br />
der verschiedenen strukturierten Produkttypen, wobei der Absatz der jeweiligen Produkte<br />
sich aufgrund der angegebenen Volatilitätserwartung jeweils erhöhen sollte.
Theoretisches Absatzmodell von SIP 129<br />
SIP-Absatz<br />
σ > µ σ = µ σ < µ<br />
SIP (i.e.S) SIP (i.w.S.) SIP (i.e.S.) SIP (i.e.S)<br />
Discount-<br />
Zertifikat<br />
Reverse<br />
Convertible<br />
Abbildung 35: SIP-Absatzerwartung<br />
Anmerkung: Eigene Darstellung.<br />
long Knock-out<br />
Warrant<br />
Tracker-<br />
Zertifikat<br />
Kapitalschutz-P.<br />
mit Cap<br />
Kapitalschutz-P.<br />
ohne Cap<br />
Outperformance-<br />
Zertifikat<br />
SIP (i.w.S)<br />
long<br />
Warrant<br />
Die theoretischen Optionsstrategien, die in den <strong>St</strong>rategieempfehlungen ebenfalls berücksichtigt<br />
wurden, werden hier aus zweierlei Gründen nicht mehr betrachtet. Zum Einen können<br />
diese nicht als Gesamtprodukt aus den Absatzdaten eruiert werden, weswegen sie keine Rolle<br />
in den empirischen Untersuchungen des Absatzes spielen. Zum Anderen gelten die Optionsstrategien<br />
selbst nicht als strukturierte Produkte im Sinne dieser Arbeit.
Empirische Auswertungen 130<br />
5 Empirische Auswertungen<br />
Einen Abriss der wichtigsten bis heute durchgeführten empirischen Untersuchungen im Gebiet<br />
der strukturierten Produkte wurde im Kapitel 1.2 gegeben, eine Art Tour d'Horizon über<br />
den Forschungsstand in der Thematik der strukturierten Produkte. Bevor in diesem Kapitel<br />
die eigentlichen empirischen Auswertungen vorgenommen und die Ergebnisse dargestellt<br />
respektive interpretiert werden, wird detailliert einerseits auf die Zusammensetzung der Datenbasis<br />
und die Datenaufbereitung und andererseits auf die Methodik der Auswertungen eingegangen.<br />
5.1 Datenbasis<br />
Bevor die Datenbasis und ihre Zusammensetzung quantitativ ausgewertet werden, folgt ein<br />
kurzer Abriss über die Datenerhebung sowie die Datenaufbereitung. Neben der Begründung<br />
der gewählten Form der Datengenerierung wird insbesondere auf die Beschreibung der Datenaufbereitung<br />
Wert gelegt.<br />
5.1.1 Datenerhebung<br />
Der Markt für strukturierte Produkte existiert bekanntlich zwar schon länger, doch zuverlässige<br />
Datenreihen respektive Marktstatistiken sind trotz vermehrtem Trend zur öffentlichen Kotierung<br />
kaum zugänglich, da der grössere Teil des SIP-Marktes nach wie vor over-the-counter<br />
gehandelt wird. Auch der Branchenverband SVSP veröffentlicht erst seit Februar 2007 und<br />
nur quartalsweise aggregierte Marktdaten, die sich ebenfalls ausschliesslich auf die kotierten<br />
strukturierten Produkte beziehen und damit den statistischen Daten der SWX entsprechen. 465<br />
Die grössten Spieler am Markt, insbesondere die beiden Grossbanken UBS und Credit Suisse,<br />
waren auf Anfrage nicht bereit, genauere quantitative Angaben über Emissions- und Handelsvolumen<br />
ihrer emittierten strukturierten Produkte zu machen. Damit schien eine Emittentenbefragung<br />
zur Datenerhebung kein zielführendes Mittel zu sein, um eine den Schweizer<br />
Markt für strukturierte Produkte repräsentierende <strong>St</strong>ichprobe zu beschaffen und wurde entsprechend<br />
nicht weiterverfolgt.<br />
Die Analyse von in Tageszeitungen oder auf spezialisierten Online-Informationsplattformen<br />
veröffentlichten Emissionsinseraten war eine weitere Option zur Datengenerierung, welche<br />
beispielsweise Wohlwend seinerzeit für seine <strong>St</strong>udie wählte. 466 Allerdings werden die zur<br />
Ermittlung des Produktabsatzes entscheidenden Emissionsvolumen auch heute noch nicht<br />
transparent von den Emittenten ausgewiesen, obwohl dies schon Wohlwend in seiner Arbeit<br />
im Sinne des Anlegerschutzes gefordert hatte. 467 Dementsprechend wurde auch diese Möglichkeit<br />
der Datenerhebung verworfen.<br />
465 Vgl. SVSP (2007a) und dazu die Ausführungen unter.3.1.3, insbesondere unter Abschnitt 3.1.3.2.<br />
466<br />
Vgl. Wohlwend (2001), S. 158ff. für die Beschreibung des gewählten Vorgehens zur Datenerhebung in Wohlwends <strong>St</strong>udie.<br />
467 Vgl. Wohlwend (2001), S. 159.
Empirische Auswertungen 131<br />
Letztlich blieb also der Weg, auf eine schon bestehende Datenbasis zurückzugreifen. Die öffentlich<br />
zugänglichen Daten der an der Schweizer Börse SWX kotierten Produkte drängten<br />
sich dabei auf. Damit kann zwar der OTC-Markt nicht abgedeckt werden, dafür sind die Daten<br />
theoretisch frei zugänglich und zeigen ein reales Abbild der am gesamten Markt öffentlich<br />
gehandelten Volumina an strukturierten Produkten. Dazu besteht nicht die Gefahr, auf allfällig<br />
unvollständige, eventuell sogar beeinflusste und nicht genau nachvollziehbare respektive<br />
einer eigenen oder diversen Typologien folgenden Daten von Emittenten oder Interessengruppen<br />
angewiesen zu sein. Unter der Annahme, dass das Verhältnis der kotierten zu den<br />
OTC-gehandelten Produkten je SIP-Typ in etwa konstant ist, zeichnen die kotierten Produkte<br />
auch ein reales Abbild des Gesamtmarktes der strukturierten Produkte. Daher wurde als Basis<br />
für den Absatz der strukturierten Produkte deren Sekundärmarktumsatz an der SWX gewählt.<br />
5.1.1.1 <strong><strong>St</strong>rukturierte</strong> Produkte<br />
Die Rohdaten, d.h. die noch unbearbeiteten Daten in der originären Form der Anlieferung, der<br />
strukturierten Produkte wurden von zwei Providern (SWX und Derivative Partners) bezogen<br />
und jeweils in zwei separaten Daten-Files zur Verfügung gestellt. Das eine File enthält die<br />
sogenannten <strong>St</strong>ammdaten, eine Art Grundlageninformation über Typus, Attribute und andere<br />
beschreibende Faktoren zu den Produkten. Die <strong>St</strong>ammdaten enthalten nur fixe, sich über die<br />
Zeit nicht verändernde Angaben über die Produkte. Die Absatzdaten der Produkte wiederum<br />
sind im zweiten File enthalten, in den historischen Daten. Dieses Daten-File umfasst alle über<br />
den Beobachtungszeitraum (historisch) verzeichneten Messungen wie Umsätze, Produktpreise,<br />
Kursdaten oder andere Handelsdaten pro definierter Periodizität (hier: täglich). Für ein<br />
besseres Verständnis der in den angelieferten Daten (<strong>St</strong>ammdaten und historische Daten) enthaltenen<br />
Informationen wird nachfolgend neben der kurzen Beschreibung jeweils ein kleiner<br />
Abriss des Datensets als Illustration zu Konsistenz und Datenart abgebildet.<br />
Die Schweizer Börse SWX stellte die Rohdaten zu den täglichen Absätzen der kotierten<br />
strukturierten Produkte (inkl. Hebelprodukte) der Periode vom 04. Januar 2004 bis 14. Dezember<br />
2006 zur Verfügung. Die <strong>St</strong>ammdaten wurden als csv-File angeliefert, das detaillierte<br />
Informationen zu über 30'000 kotierten strukturierten Produkten umfasst, die während der<br />
Betrachtungsperiode je zumindest einmal gehandelt wurden. Der nachfolgende Ausschnitt<br />
illustriert die Form der Daten der SWX und zeigt die in den <strong>St</strong>ammdaten enthaltenen Produktinformationen.<br />
Abbildung 36: <strong>St</strong>ammdaten SIP (SWX)<br />
Quelle: SWX.
Empirische Auswertungen 132<br />
Die Spalte "Derivative Type" dient zur groben Kategorisierung der Produkte in strukturierte<br />
Produkte oder Warrants, während der Typ des SIP (oder Warrants) unter "Derivative Subtype"<br />
erkennbar ist. Eine "Knock Out Flag" wird angezeigt, wenn das Produkt beispielsweise<br />
eine exotische Option enthält, welche nur bis zu einer bestimmten (knock-out) Schwelle aktiv<br />
ist. 468 Dieser Hinweis erlaubt u.a. plain vanilla von knock-out Warrants zu unterscheiden.<br />
Eine Schlüsselinformation wiederum liefert die Produkte-ISIN, welche weltweit die eindeutige<br />
Identifikation eines Wertpapiers garantiert. 469 Des Weiteren sind Angaben zu Produktename<br />
und Emittent ("Issuer"), Kotierungszeitpunkt ("First Listed") sowie Produktlaufzeit ("Last<br />
Listed" / "Expiration Date") enthalten. Die Produkte-ISIN des Underlyings des strukturierten<br />
Produkts rundet die <strong>St</strong>ammdaten ab.<br />
Die historischen Daten der SWX wiederum, welche insbesondere die Absatzzahlen der strukturierten<br />
Produkte beinhalten, liegen im Text-Format (txt-File) vor. Knapp eine Million Datensätze<br />
wurden in folgender Form geliefert:<br />
Abbildung 37: Historische Daten SIP (SWX)<br />
Quelle: SWX.<br />
"Turnover CHF" bezeichnet dabei den aggregierten Absatz in CHF des entsprechenden Produkts<br />
("Product ISIN") an einem bestimmten Tag ("Trade Date"). Daneben sind Zahlen zu<br />
den über den Handelstag gehandelten Produkten ("No. of Securities traded"), zu den Handelsabschlüssen<br />
("Trades") sowie der Schlusskurs der Produkte ("Closing Price") in den historischen<br />
Daten enthalten. "Currency" gibt die Basiswährung an, in der die Produkte gehandelt<br />
werden. Diese Information wäre von der Art her eher bei den <strong>St</strong>ammdaten zu erwarten.<br />
Derivative Partners (DP), ein auf Informationsaufbereitung im Derivatmarkt spezialisiertes<br />
Unternehmen, verfügt in ihren Datenbanken über teilweise weiter zurückreichende Zeitreihen<br />
des Derivatmarkts als die SWX. Daher konnte DP noch zusätzliche, ältere Daten über strukturierte<br />
Produkte (inkl. Hebelprodukte) liefern als die Schweizer Börse. Via DP waren Rohdaten<br />
zu den Absätzen der kotierten strukturierten Produkte der Handelsperiode von Juni 2001<br />
bis November 2005 auf monatlicher Basis erhältlich. Sowohl die <strong>St</strong>ammdaten (vgl.<br />
Abbildung 38) als auch die historischen Daten (vgl. Abbildung 39) wurden im Format eines<br />
468 Vgl. die Ausführungen zu exotischen Optionen unter Abschnitt 2.1.1.<br />
469<br />
ISIN ist die Abkürzung für International Securities Identification Number, welche aus einer zwölfstelligen Buchstaben-<br />
Zahlen-Kombination besteht (vgl. ISO (2001)).
Empirische Auswertungen 133<br />
csv-Files angeliefert und umfassen knapp 15'000 Produkte und über 130'000 Datensätze über<br />
den Produktabsatz. Die Datensätze verfügen zwar nicht über Informationen des gleichen Detaillierungsgrads<br />
wie diejenigen der SWX, identifizieren die einzelnen Produkte aber ebenfalls<br />
über den eineindeutigen ISIN-Code und weisen gleichfalls zwei Ebenen der Produktkategorisierung<br />
("productclasslevel") auf. Dazu sind Angaben zu Basiswährung ("Currency"),<br />
Underlying (via deren ISIN) und Produktlaufzeit in den <strong>St</strong>ammdaten enthalten, wie der Ausschnitt<br />
in Abbildung 38 zeigt.<br />
Abbildung 38: <strong>St</strong>ammdaten SIP (DP)<br />
Quelle: Derivative Partners.<br />
Wie in den historischen Daten der SWX bezeichnet auch hier (vgl. Abbildung 39) "turnover"<br />
den aggregierten Absatz in CHF des entsprechenden Produkts ("isin") über den bezeichneten<br />
Monat ("date").<br />
Abbildung 39: Historische Daten SIP (DP)<br />
Quelle: Derivative Partners.<br />
5.1.1.2 Marktvolatilität<br />
Der Volatilitätsindex VSMI steht in dieser Forschungsarbeit als Synonym für Marktvolatilität<br />
und dient entsprechend als Masszahl der Volatilität. Die SWX berechnet den Kurs des VSMI
Empirische Auswertungen 134<br />
und stellt entsprechend die Daten auch öffentlich zur Verfügung. Es existieren Datenreihen<br />
täglicher Schlusskurse des VSMI seit Januar 1999. 470<br />
5.1.2 Datenaufbereitung<br />
Als erstes wurden die erhaltenen Daten je Provider geordnet und jeweils die <strong>St</strong>ammdaten mit<br />
den historischen Daten vereint. Dazu wurden die beiden Datenreihen je einzeln in eine Datenbank<br />
der Applikation Microsoft Access eingelesen. Als Schlüssel zur Verknüpfung der<br />
<strong>St</strong>amm- mit den Absatzdaten diente der ISIN-Code, welcher alle verfügbaren Produktinformationen<br />
dem jeweiligen Absatzdatensatz eineindeutig zuordnen lässt. Die dadurch kreierte<br />
neue Datenbank ermöglichte nun, die nach (Einzel-) Produkt geordneten täglichen Daten gemäss<br />
der Typologie der Forschungsarbeit zu sortieren und entsprechend die Absatzdaten auf<br />
täglicher Basis pro Produkttyp und Volatilitätsposition zu aggregieren. So entstand eine Datenbank<br />
in MS Access, welche alle angelieferten Produktinformationen von SWX und Derivative<br />
Partners sowohl auf Gesamtabsatzebene, auf Ebene der einzelnen Volatilitätspositionen<br />
als auch auf Einzelproduktebene zusammenfassen und entsprechend auswerten lässt.<br />
5.1.2.1 Daten SWX<br />
Als primäre Datenbasis waren aufgrund ihrer Aktualität und täglichen Periodizität die Daten<br />
der SWX vorgesehen und wurden deshalb prioritär aufbereitet. Problemstellungen betrafen<br />
einerseits die mangelnde Zuordenbarkeit einzelner Datensätze aufgrund unvollständiger oder<br />
unbekannter Identifikationsschlüsseln (ISIN) und andererseits unbekannte, nicht eindeutig<br />
identifizierbare Produkttypen. Weiter war die Separierung exotischer Produkttypen erforderlich,<br />
welche gemäss der Typologie nicht eindeutig einer Kategorie zuweisbar oder aufgrund<br />
ihrer schieren Anzahl schlicht vernachlässigbar waren. Zu letzterem gehörten insbesondere<br />
exotische Warranttypen wie binäre Optionen. Alle diese Datenrecords wurden aus der Datenbasis<br />
aussortiert und von den Auswertungen ausgeschlossen. Nur eindeutig zuordenbare, klar<br />
definierte Datensätze wurden letztlich überhaupt für die empirischen Analysen berücksichtigt.<br />
Speziell zu erwähnen ist die Behandlung der Tracker-Zertifikate in der Datenbank. Die SWX<br />
unterscheidet drei Typen solcher Zertifikate (open-end, statisch, dynamisch), welche aber im<br />
Sinne dieser Arbeit je über eine identische, neutrale Volatilitätsposition verfügen. 471 Daher<br />
wurden die drei Subtypen in einem Produkttyp, den Tracker-Zertifikaten, mit neutraler Volatilitätsposition<br />
zusammengefasst.<br />
Die grosse Mehrheit der Produkte ist an der SWX in Schweizer Franken (CHF) kotiert und<br />
dementsprechend flossen deren Handelsumsätze direkt in die Absatzdaten. Sind die Produkte<br />
hingegen in einer anderen Grundwährung gelistet (z.B. EUR, USD), so wurden deren Umsätze<br />
jeweils zum tagesaktuellen Devisenkurs von der SWX direkt schon umgerechnet und in die<br />
Absatzdaten ebenfalls im Gegenwert des Schweizer Frankens einberechnet. Damit ergaben<br />
470 Gemeint sind ausschliesslich Kurse des nach der modifizierten Methode berechneten Volatilitätsindex. Siehe dazu die<br />
Darstellung des Prinzips und der Berechnungsmethodik des VSMI sowie allgemein die Begründung zur konkreten Wahl<br />
des VSMI als Mass der Marktvolatilität unter Abschnitt 2.5.<br />
471<br />
Vgl. die Typologie der SWX unter Kapitel 3.3.2 (illustrativ in Abbildung 14) sowie die Typologie der Forschungsarbeit<br />
in Kapitel 3.5.
Empirische Auswertungen 135<br />
sich keine währungstechnischen Verzerrungen bei der Aggregation der Umsätze verschiedener<br />
Einzelprodukte innerhalb eines bestimmten Produkttyps, einer Volatilitätsposition oder<br />
auf der Gesamtabsatzebene.<br />
Die Datenbasis wurde schliesslich dahingehend bereinigt, dass nur strukturierte Produkte und<br />
Hebelprodukte berücksichtigt wurden, die sich auf ein Underlying von Aktien, Aktienindizes<br />
oder Aktienbaskets beziehen. SIP, die sich beispielsweise auf Währungen oder Commodities<br />
bezogen, wurden aus der Datenbasis ausgeschlossen. Der Ansatz der Volatilitätsabhängigkeit<br />
von Derivatumsätzen wurde zwar auch schon in diesen Märkten untersucht und führte zu den<br />
gleichen Ergebnissen wie am Aktienmarkt. 472 Gleichwohl wird auf diese Produkte verzichtet,<br />
da einerseits nur wenige SIP mit einem "aktienfremden" Underlying überhaupt in der originären<br />
Datenbasis vorhanden waren, denn insbesondere Commodities als Underlying erfreuen<br />
sich erst in jüngerer Vergangenheit grösserer Beliebtheit, waren aber während der Beobachtungsperiode<br />
noch nicht verbreitet, und andererseits wird bewusst darauf verzichtet, die Volatilität<br />
auf den Aktienmärkten in Bezug zur Volatilität auf den Rohwarenmärkten zu untersuchen.<br />
Des Weiteren wurden die Daten nach offensichtlichen Fehlern durchkämmt, wie zum Beispiel<br />
unerklärbare und im Rahmen der offiziellen Gesamtstatistik der SWX nicht nachvollziehbare<br />
Ausreisser oder auch einzelne Handelsabschlüsse an Schweizer Feiertagen. Feiertage wurden<br />
aus der Datenbasis entfernt, die offensichtlichen Ausreisserfehler insofern korrigiert, als diese<br />
Tage den Durchschnittswert der jeweils angrenzenden Tage annahmen.<br />
5.1.2.2 Daten Derivative Partners<br />
Die Daten von Derivative Partners (DP) sollten als sekundäre Datenbasis die Auswertungen<br />
der SWX-Daten ergänzen. Insbesondere die für strukturierte Produkte relativ lange Zeitreihe<br />
von Juni 2001 bis November 2005 liess zusätzliche Erkenntnisse aus der <strong>St</strong>ichprobe erwarten.<br />
Es zeigte sich aber, dass die Rohdaten von DP bei weitem nicht den gleichen Akkuratswert<br />
aufwiesen wie die SWX-Daten und damit eine komplementäre Nutzung der Datenquellen<br />
nicht zu realisieren war. Die Typologie der Produkte beispielsweise ist zwar ähnlich gewählt,<br />
weist aber insbesondere im Bereich der SIP kleine, aber für die Einteilung der Produkte bezüglich<br />
ihrer Volatilitätsposition und damit ihrer präzisen Typisierung in der Forschungsarbeit<br />
entscheidende Unterschiede auf. So werden beispielsweise die in der hier geltenden Typologie<br />
unterschiedlichen Kapitalschutzprodukte, welche eine jeweils unterschiedliche Volatilitätsposition<br />
aufweisen, nicht voneinander unterschieden. Zudem zeigte eine Analyse der<br />
sich über die Monate Januar 2004 bis November 2005 überschneidenden Datensätze von DP<br />
und der SWX ein uneinheitliches Bild. Plausibilitätschecks einerseits von Absatzdaten und<br />
andererseits von der schlichten typologischen Einordnung einzelner Produkte via deren ISIN-<br />
Nummern verdeutlichten dabei, dass die beiden Zeitreihen einige nicht nachvollziehbare Divergenzen<br />
aufweisen. Darüber hinaus sind die jeweils per Ende Monat aggregierten Rohdaten<br />
von DP unhandlich und können damit nur geschätzte, relativ ungenaue Durchschnittswerte<br />
für eine spezifische Periode liefern.<br />
472 Vgl. die Ausführungen in Kapitel 4.1 und insbesondere die darin vorgestellte <strong>St</strong>udie von Karpoff (1987).
Empirische Auswertungen 136<br />
Die Datenbasis von DP ist zwar umfangreicher als diejenige der SWX, doch zeigen die ältesten<br />
Datensätze, eine Art Daten strukturierter Produkte der ersten <strong>St</strong>unde, noch Ungenauigkeiten,<br />
die neben technischen Aspekten vor allem auf die Schwierigkeit zurückzuführen sind,<br />
dass eine objektive Einordnung der Produkte aufgrund einer allgemein gültigen und anerkannten<br />
Typologie schlicht nicht zu realisieren war. Die erst im Verlaufe des Jahres 2006<br />
vom Branchenverband SVSP herausgegebenen Richtlinien zur Einordnung strukturierter Produkte<br />
in definierte Typen 473 zeigt diese in der Branche lange vernachlässigte Thematik, was<br />
sich entsprechend in historischen Daten widerspiegelt. Die ausgewerteten Rohdaten der SWX<br />
stimmen hingegen bezüglich Absatzvolumen mit den vom Branchenverband in deren Marktreports<br />
veröffentlichten <strong>St</strong>atistiken überein. 474<br />
In die Forschungsarbeit fliessen demnach ausschliesslich die von der SWX gelieferten Rohdaten<br />
über 751 Handelstage (04. Januar 2004 – 14. Dezember 2006) als Datenbasis ein.<br />
5.1.2.3 Datenbasis für Empirie<br />
Die bereinigten Rohdaten der SWX wurden nun in der MS Access-Datenbank mit den täglichen<br />
Datensätzen des Volatilitätsindices VSMI verknüpft. Dabei diente das Handelsdatum<br />
("Trade Date") als Schlüssel zur eineindeutigen Zuordnung vom VSMI zum Absatzvolumen<br />
der Produkte. Abbildung 40 stellt bildlich einerseits die Verknüpfung der <strong>St</strong>amm- mit den<br />
historischen Daten der Derivate über den hervorgehobenen Identifikationsschlüssel ("Product<br />
ISIN") und andererseits die Verknüpfung mit der Zeitreihe des VSMI über das Handelsdatum<br />
dar.<br />
Derivate<br />
VSMI<br />
<strong>St</strong>ammdaten historische Daten historische Daten<br />
Product ISIN Product ISIN Handelsdatum<br />
Derivative Type Trade Date Kurs<br />
Derivative Subtype Currency<br />
Knock Out Flag No of Securities traded<br />
Short Name No of Trades<br />
Long Name Turnover CHF<br />
Issuer<br />
First Listed<br />
Last Listed<br />
Expiration Date<br />
Underlying ISIN<br />
Closing Price<br />
Abbildung 40: Verknüpfung der Absatzdaten mit dem VSMI<br />
Anmerkung: Eigene Darstellung.<br />
Die Verbindung der Datenstränge Absatz und Volatilität diente primär dem Ziel, die Handelstage<br />
eindeutig und für beide Zeitreihen identisch zu definieren. Es war zu beobachten,<br />
dass an einigen Tagen zwar Absatzzahlen, aber keine Datensätze des VSMI vorhanden waren.<br />
473 Vgl. die vom Branchenverband SVSP vorgeschlagene Typologie unter Kapitel 3.3.1.<br />
474 Vgl. dazu an erster <strong>St</strong>elle den Marktreport des SVSP über das Jahr 2006 (vgl. SVSP (2007a)).
Empirische Auswertungen 137<br />
Letztlich war dieser Umstand aber auf die teilweise unterschiedlichen Auswirkungen von<br />
Feiertagen auf die Handelsaktivitäten zurückzuführen, da an schweizerischen Feiertagen zwar<br />
kein VSMI berechnet, aber womöglich durchaus SIP-Produkte gehandelt wurden. 475 Diese<br />
Unebenheiten wurden aber bereinigt, d.h. die marginalen und die Umsatzstatistik eher verfälschenden<br />
SIP-Umsätze der angesprochenen Tage wurden aus der <strong>St</strong>ichprobe entfernt.<br />
Die in der Datenbank aufbereiteten, beliebig nach Produkttyp, Volatilitätsposition oder Gesamtabsatzebene<br />
sortierbaren Absatz- und Volatilitätsdatensätze wurden darauf in die <strong>St</strong>atistik-Softwarepaket<br />
namens eViews integriert, worin schliesslich die statistischen Auswertungen<br />
durchgeführt wurden.<br />
Nachfolgende Abbildung zeigt illustrativ den Prozess der Datenaufbereitung:<br />
Inputdaten<br />
Datenkonsolidierung<br />
Datenauswertung<br />
Abbildung 41: Datenaufbereitung<br />
Anmerkung: Eigene Darstellung.<br />
Tägliche<br />
Absatzdaten<br />
.txt-File<br />
SWX Derivative Partners<br />
<strong>St</strong>ammdaten<br />
.csv-File<br />
SWX:<br />
Verknüpfung von<br />
<strong>St</strong>amm- und<br />
Absatzdaten über ISIN<br />
5.1.3 Quantitative Auswertung der Datenbasis<br />
Microsoft<br />
Access<br />
eViews<br />
Monatliche<br />
Absatzdaten<br />
.csv-File<br />
<strong>St</strong>ammdaten<br />
.csv-File<br />
Derivative Partners:<br />
Verknüpfung von<br />
<strong>St</strong>amm- und<br />
Absatzdaten über ISIN<br />
Als Datenbasis für die Empirie dienten insgesamt 993'657 Datensätze (sogenannte Data Records),<br />
die je das Absatzvolumen eines bestimmten Produkts eines jeweiligen Tages beinhalten.<br />
Die geschichtlich gewachsene Verbreitung der Hebelprodukte, d.h. SIP i.w.S., und deren<br />
475 Ein Beispiel eines solchen Feiertages ist der 1. August.
Empirische Auswertungen 138<br />
höhere Sekundärmarktaktivitäten im Vergleich zu den noch relativ neu an der Börse gelisteten<br />
strukturierten Produkten zeigen sich deutlich in den Datensätzen, stammen doch mehr als<br />
drei Viertel der Daten von den sogenannten Warrants.<br />
Tabelle 11: Datenbasis<br />
Produkteart Datensätze Anteil Produkte Anteil<br />
<strong><strong>St</strong>rukturierte</strong> Produkte (SIP i.e.S.) 222'414 22.4 % 6'097 20.0 %<br />
Warrants (SIP i.w.S.) 770'939 77.6 % 24'385 80.0 %<br />
Total Datensätze 993'335 100 % 30'482 100 %<br />
Anmerkung: Eigene Darstellung.<br />
Der Fokus bleibt aber auf den strukturierten Produkten, deren zunehmende Kotierungsbegehren<br />
in Kapitel 3.2.3 (insbesondere Abbildung 10) beschrieben wurde. Das Absatzvolumen der<br />
SIP i.e.S. hingegen erreichte über die Periode von Januar 2004 bis Dezember 2006 im Verhältnis<br />
zu den Warrants einen relativ konstanten Anteil von ca. 40 % am gesamten Derivativumsatz<br />
der SWX 476 und spielt demnach relativ gesehen eine wichtigere Rolle im Absatzmarkt<br />
von Derivaten als die oben dargestellte deutlich tiefere Anzahl Datensätze vermuten lässt. Die<br />
Records der strukturierten Produkte teilen sich wie folgt auf die verschiedenen Produkttypen<br />
auf:<br />
50%<br />
40%<br />
30%<br />
20%<br />
10%<br />
0%<br />
45%<br />
Reverse Convertibles<br />
37%<br />
Tracker-Zertifikate<br />
Abbildung 42: Datensätze der SIP<br />
Anmerkung: Eigene Darstellung.<br />
9%<br />
Discount-Zertifikate<br />
5%<br />
Outperformance-<br />
Zertifikate<br />
2% 2%<br />
Der Reverse Convertible scheint unter den SIP-Produkten der am Sekundärmarkt am stärksten<br />
nachgefragte Typus zu sein, umfasst dieser doch 46 % der untersuchten Datensätze, gefolgt<br />
von den Tracker-Zertifikaten (37 %), die schlicht einen Basiswert einszueins abbilden.<br />
Mit deutlichem Abstand folgen die Discount-Zertifikate (9 %), von der Produkteart und dem<br />
476 Vgl. SWX (2006b), S. 39.<br />
Kapitalschutzprodukte<br />
ohne Cap<br />
Kapitalschutzprodukte<br />
mit Cap
Empirische Auswertungen 139<br />
Auszahlungsprofil eigentlich ein genaues Spiegelbild des Reverse Convertibles, die Outperformance-Zertifikate<br />
sowie die Kapitalschutzprodukte mit jeweils deutlich unter 10 % Anteil<br />
der in der <strong>St</strong>ichprobe enthaltenen Datensätzen.<br />
Es mag etwas überraschen, dass die Kapitalschutzprodukte als sozusagen Ursprungsprodukt<br />
der strukturierten Produkte nur mit so wenigen Data Records in die empirischen Auswertungen<br />
einfliessen, doch ist einerseits ein Kapitalschutzprodukt ein typisches buy-and-hold-<br />
Produkt, womit ein eigentlicher Sekundärmarkthandel für solche Produkte keine wesentliche<br />
Rolle spielt, und andererseits werden auch gegenwärtig reine Kapitalschutzprodukte relativ<br />
selten öffentlich gelistet. Dazu scheint der Trend derzeit eher weg von den klassischen Kapitalschutzprodukten<br />
hin zu Produkten mit einem sogenannten bedingten Kapitalschutzprodukt<br />
zu gehen. Diese Art von Kapitalschutz ist, wie es der Name schon suggeriert, an gewisse Bedingungen<br />
geknüpft, die erfüllt sein müssen, da andernfalls der Kapitalschutz entfällt. Beispielsweise<br />
darf während der Laufzeit eine definierte Schwelle (Barriere) weder berührt noch<br />
unterschritten werden. Eine Unterkategorie von Reverse Convertibles, insbesondere die sogenannten<br />
Barrier Reverse Convertibles, 477 sind verbreitete Produkte dieses Typus und verfügen<br />
nur über einen bedingten Kapitalschutz der beschriebenen Art, welcher bei negativen Kursverläufen<br />
der Underlyings hin zur Schwelle (Barriere) des bedingten Kapitalschutzes zu grossen<br />
Wertschwankungen des Produkts und damit auch zu höheren Aktivitäten am Sekundärmarkt<br />
führen kann.<br />
Die Datensätze wiederum teilen sich folglich konkret auf die folgende Anzahl Produkte je<br />
SIP-Typ auf:<br />
50%<br />
40%<br />
30%<br />
20%<br />
10%<br />
0%<br />
39%<br />
Reverse Convertibles<br />
29%<br />
Tracker-Zertifikate<br />
20%<br />
Discount-Zertifikate<br />
Abbildung 43: <strong><strong>St</strong>rukturierte</strong> Produkte in der Datenbasis<br />
Anmerkung: Eigene Darstellung.<br />
7%<br />
Outperformance-<br />
Zertifikate<br />
477 Siehe dazu die Ausführungen unter den Kapiteln 3.4.3 und 3.4.4.<br />
4%<br />
Kapitalschutzprodukte<br />
ohne Cap<br />
1%<br />
Kapitalschutzprodukte<br />
mit Cap
Empirische Auswertungen 140<br />
Dabei fällt auf, dass insbesondere auf Discount-Zertifikate mehr Produkte entfallen als aufgrund<br />
der Anzahl Datensätze (vgl. Abbildung 42) dieses Produkttypus zu erwarten war. Dies<br />
lässt den Schluss zu, dass Discount-Zertifikate wohl relativ gesehen weniger aktiv gehandelt<br />
werden als beispielsweise Tracker-Zertifikate und Reverse Convertibles-Produkte, welche<br />
relativ starke Handelsaktivitäten verzeichnen, oder auch als Outperformance-Zertifikate. Unter<br />
den Kapitalschutzprodukten werden die Produkte mit einem Cap relativ gesehen eher öfters<br />
gehandelt als solche ohne.<br />
Werden die einzelnen strukturierten Produkte gemäss der auf ihrer Volatilitätsposition basierenden<br />
Typologie der Forschungsarbeit geordnet (vgl. nachstehende Abbildung 44), zeigt<br />
sich, dass SIP mit einer Short-Position gegenüber der Volatilität am häufigsten gehandelt<br />
werden, verzeichnen diese doch sowohl den höchsten Anteil an den Datensätzen der Datenbasis<br />
(55 %) als auch die meisten Produkte (59 % der betrachteten Produkte). Relativ gesehen<br />
verzeichnen jedoch die strukturierten Produkte mit der Volatilitätsposition Neutral, insbesondere<br />
Tracker-Zertifikate, die höchste Handelsaktivität, aggregieren doch 30 % der Produkte<br />
38 % der Datensätze auf sich.<br />
70%<br />
60%<br />
50%<br />
40%<br />
30%<br />
20%<br />
10%<br />
0%<br />
55%<br />
59%<br />
38%<br />
30%<br />
7%<br />
11%<br />
SIP SHORT SIP NEUTRAL SIP LONG<br />
Abbildung 44: Übersicht Datenbasis SIP<br />
Anmerkung: Eigene Darstellung.<br />
Anteil der Datensätze Anteil der Produkte<br />
Die SIP mit Volatilitätsposition Long wiederum spielen eine eher untergeordnete Rolle hinsichtlich<br />
ihres Anteils an Produkten und Datensätzen. Gleichwohl notieren die Outperformance-Zertifikate<br />
dieser Kategorie eine relativ hohe Handelstätigkeit, was schon erwähnt wurde.<br />
478<br />
Zusammenfassend gibt Tabelle 12 eine Übersicht über die Verteilung der gesamten Datenbasis<br />
auf die verschiedenen Produktkategorien und die einzelnen Produkte selbst, geordnet nach<br />
478 Vgl. den Kommentar zu Abbildung 42 und Abbildung 43.
Empirische Auswertungen 141<br />
der gewohnten Typologie. Die Hebelprodukte (SIP i.w.S.) wurden entsprechend ihrer Volatilitätsposition<br />
integriert.<br />
Tabelle 12: Übersicht Datensätze und Produkte<br />
Volatilitätsposition<br />
Datensätze Produkte<br />
LONG 732'701 73.8% 22'133 72.6%<br />
davon SIP 15'337 1.5% 656 2.2%<br />
davon Kapitalschutz-P. ohne Cap 4'055 0.4% 248 0.8%<br />
davon Outperformance-Zertifikate 11'282 1.1% 408 1.3%<br />
davon plain vanilla Warrants 717'364 72.2% 21'477 70.5%<br />
SHORT 174'961 17.6% 6'531 21.4%<br />
davon SIP 121'386 12.2% 3'623 11.9%<br />
davon Reverse Convertibles 101'297 10.2% 2'384 7.8%<br />
davon Discount-Zertifikate 20'089 2.0% 1'239 4.1%<br />
davon Knock-out Warrants 53'575 5.4% 2'908 9.5%<br />
NEUTRAL 85'691 8.6% 1'818 6.0%<br />
davon Tracker-Zertifikate 82'149 8.3% 1'733 5.7%<br />
davon Kapitalschutz-P. mit Cap 3'542 0.4% 85 0.3%<br />
Total 993'353 30'482<br />
davon SIP 222'414 22.4% 6'097 20.0%<br />
Anmerkung: Eigene Darstellung.<br />
5.2 Untersuchungsmethodik<br />
Mittels einer Regressionsanalyse nach dem Verfahren der kleinsten Quadratschätzung, dem<br />
Ordinary Least Square (OLS) - Verfahren, wird die Beziehung zwischen dem Absatz von<br />
strukturierten Produkten und der Marktvolatilität analysiert. Die folgenden Abschnitte beschreiben<br />
theoretische Grundlagen, zugrundeliegende Annahmen der Regressionsanalyse und<br />
Voraussetzungen an die Datenbeschaffenheit, um eine solche Analyse durchzuführen. Das in<br />
Kapitel 4.3 hergeleitete theoretische Absatzmodell wird entsprechend empirisch getestet, wobei<br />
primär die allgemeine Volatilitätsabhängigkeit des Absatzes der einzelnen Produkttypen<br />
als Testobjekt dient. 479<br />
5.2.1 <strong>St</strong>ationarität von Zeitreihen<br />
Nachfolgend wird auf die Bedeutung stationärer Zeitreihen eingegangen und dabei insbesondere<br />
auch auf mögliche negative Implikationen bei der Verwendung nicht-stationärer Datenreihen<br />
im Rahmen einer Regressionsanalyse hingewiesen.<br />
5.2.1.1 <strong>St</strong>rikte <strong>St</strong>ationarität<br />
Ein stochastischer Prozess {Xt} gilt als streng oder strikt stationär, wenn seine Verteilungseigenschaften<br />
unabhängig vom Zeitindex t, d.h. invariant in der Zeit sind. Die Zufallsvariablen<br />
haben demnach für alle ganzzahligen Werte von i und j sowie alle positiven ganzzahligen<br />
479 Vgl. die Ausführungen unter Kapitel 3.5, insbesondere Abschnitt 3.5.4 und die Abbildung 28.
Empirische Auswertungen 142<br />
Werte von k eine identische Verteilungsfunktion, so dass die Verteilung von (Xi, Xi+1, ...,<br />
Xi+k-1) mit derjenigen von (Xj, Xj+1, ..., Xj+k-1) gleich ist. Ein strikt stationärer Prozess verfügt<br />
sowohl über einen konstanten Erwartungswert E(Xt) als auch eine konstante Varianz Var(Xt)<br />
und Autokovarianzen Cov(Xt,Xt+k), welche nur vom Lag k abhängig sind. Die Zeitreihe kann<br />
demzufolge beliebig verschoben werden und der Zeitpunkt des Beobachtungsbeginns spielt<br />
keine Rolle bei der Analyse dieser Zeitreihe. 480<br />
5.2.1.2 Schwache <strong>St</strong>ationarität<br />
Ökonomische Zeitreihen erfüllen die Anforderungen einer strikten <strong>St</strong>ationarität selten, 481 daher<br />
wird üblicherweise nur eine weniger restriktive Form der <strong>St</strong>ationarität, eine schwache<br />
<strong>St</strong>ationarität oder eine <strong>St</strong>ationarität zweiten Grades, gefordert. Dabei ist zwar der Mittelwert,<br />
nicht aber die Varianz und Autokovarianzen vom Zeitindex t abhängig und der Erwartungswert,<br />
die Varianz und Autokovarianzen, welche nur vom Lag k abhängen, für alle Zeitpunkte<br />
konstant. 482<br />
Formale Bedingungen schwacher <strong>St</strong>ationarität:<br />
Gleichung 28<br />
( X ) = = µ = konst,<br />
∀t<br />
E t t<br />
Gleichung 29<br />
µ (Mittelwertstationarität)<br />
2<br />
Var t t σ<br />
Gleichung 30<br />
2<br />
( X ) = σ = = konst,<br />
∀t<br />
(Varianzstationarität)<br />
( X , X ) = σ , = σ = konst,<br />
∀t,<br />
j<br />
Cov t t+<br />
j t j j<br />
Die Implikationen der Bedingungen bedeuten demzufolge, dass eine Zeitreihe, welche in identische<br />
Intervalle aufgeteilt wird, über alle einzelnen Intervalle den gleichen Mittelwert, die<br />
gleiche Varianz und die gleichen Autokovarianzen aufweisen müssen. Folgt demnach eine<br />
Zeitreihe einem Trend, sind die Mittelwerte der einzelnen Intervalle nicht mehr konstant sondern<br />
verschieden, womit eine trendbehaftete Zeitreihe gegen die Mittelwertstationarität, der<br />
ersten Bedingung einer schwachen <strong>St</strong>ationarität, verstossen.<br />
Nachfolgende Abbildung 45 zeigt den Verlauf des Schweizer Aktienindexes SMI über die<br />
letzten knapp 20 Jahre. Ohne nun die Zeitreihe in verschiedene Intervalle zu unterteilen und<br />
deren Mittelwerte zu vergleichen, zeigt der graphische Verlauf schon eindeutig, dass der SMI<br />
über die Zeitspanne von Dezember 1987 bis Dezember 2007 gegen die Mittelwertstationarität<br />
verstösst und demzufolge keine stationäre Zeitreihe bildet.<br />
480 Vgl. Taylor (1986) S. 17f. und die Ausführungen in Bodmer (1996), S. 16f.<br />
481 Granger zeigte dies schon in einer <strong>St</strong>udie in den Sechziger Jahren des letzten Jahrhunderts (vgl. Granger (1966)).<br />
482 Vgl. Taylor (1986), S. 18.Siehe dazu Bodmer (1996), S. 16ff., für detailliertere Ausführungen zum Unterschied zwischen<br />
strikter und schwacher <strong>St</strong>ationarität sowie über Eigenschaften sogenannter White-Noise-Prozesse ("weisses Rauschen").
Empirische Auswertungen 143<br />
9,000<br />
8,000<br />
7,000<br />
6,000<br />
5,000<br />
4,000<br />
3,000<br />
2,000<br />
SMI<br />
Dec 87<br />
Dec 88<br />
Dec 89<br />
Dec 90<br />
Dec 91<br />
Dec 92<br />
Dec 93<br />
Dec 94<br />
Dec 95<br />
Dec 96<br />
Dec 97<br />
Dec 98<br />
Dec 99<br />
Dec 00<br />
Dec 01<br />
Dec 02<br />
Dec 03<br />
Dec 04<br />
Dec 05<br />
Dec 06<br />
Dec 07<br />
Abbildung 45: Verlauf des SMI (Dez 87 -Dez 07)<br />
Anmerkung: Eigene Darstellung; Datenquelle SWX (monatliche Daten).<br />
Ein Verstoss gegen die Bedingung der Varianzstationarität ist im Vergleich zur Mittelwertstationarität<br />
graphisch oft weniger klar ersichtlich. Bekanntlich ist die Varianz definiert als mittlere<br />
quadratische Abweichung vom Mittelwert. Verfügt nun eine Zeitreihe über einen (insbesondere<br />
stochastischen) Trend, 483 so bewegen sich die einzelnen Werte über die Zeit immer<br />
weiter von ihrem Mittelwert weg, die Varianz steigt demnach an. Damit wird die Eigenschaft<br />
der Varianzstationarität verletzt, welche die zweite Bedingung der schwachen <strong>St</strong>ationarität<br />
verkörpert.<br />
5.2.1.3 Spurious Regression<br />
Der Nobelpreisträger Clive Granger beschrieb zusammen mit Paul Newbold 1974 in einer<br />
vielbeachteten Arbeit die Problematik, die bei der Nutzung nicht-stationärer Datenreihen in<br />
Regressionsmodellen einhergeht. Sie wiesen mit ihrer Simulationsstudie nach, dass bei Regressionsanalysen<br />
mit hoher Wahrscheinlichkeit ein statistisch signifikanter Zusammenhang<br />
zwischen Zeitreihen von eigentlich voneinander unabhängigen Variablen geschätzt wird,<br />
wenn die Zeitreihen nicht-stationär sind. 484<br />
483 Vgl. die Ausführungen über den Unterschied deterministischer und stochastischer Trend unter Abschnitt 5.2.1.5.<br />
484<br />
Vgl. Granger/Newbold (1974): Die Wahrscheinlichkeit einer solchen statistischen Fehleinschätzung betrug in der <strong>St</strong>udie<br />
über 75 %.
Empirische Auswertungen 144<br />
Beim Einsatz von trendbehafteten, nicht-stationären Zeitreihen bei Regressionsanalysen besteht<br />
demzufolge eine nicht unerhebliche Gefahr eines Fehlers erster Art, 485 d.h. aufgrund<br />
signifikanter t-<strong>St</strong>atistik auf statistisch signifikante Zusammenhänge zwischen Variablen zu<br />
schliessen, obwohl tatsächlich keine Beziehung zwischen diesen besteht. Diese vermeintlichen<br />
Relationen bezeichneten Granger/Newbold als "spurious regressions", als Scheinzusammenhänge.<br />
Eine jüngere <strong>St</strong>udie, welche Regressionsmodelle zur Prognose von Aktienmarktrenditen auf<br />
Scheinzusammenhänge aufgrund nicht-stationärer Zeitreihen untersuchten, kam zum Schluss,<br />
dass viele der in der Literatur verwendeten Regressionsmodelle unter zumindest Tendenzen<br />
verzerrter Regressionsschätzer nach der Beschreibung von Granger/Newbold leiden ("spurious<br />
regression bias"). 486<br />
Schon lange vor der Arbeit von Granger und Newbold wies Yule in einer empirischen <strong>St</strong>udie<br />
einen signifikanten Zusammenhang zwischen dem Weizenpreisindex und der Niederschlagsmenge<br />
in der Region Greenwich nach, der ökonomisch natürlich nicht logisch zu erklären ist.<br />
Yule nannte dieses Phänomen unmissverständlich als "nonsense correlation". 487<br />
Beispiele von Scheinzusammenhängen nach dem von Granger/Newbold beschriebenen Muster<br />
gibt es in der Literatur einige. Erwähnung soll hier nur das vielzitierte Phänomen des statistisch<br />
signifikanten Zusammenhangs zwischen der Entwicklung der <strong>St</strong>orchenpopulation und<br />
der Anzahl (menschlicher) Geburten in einer Region finden. Obwohl mittlerweile sicherlich<br />
klar ist, dass die Babies nicht vom <strong>St</strong>orch gebracht werden, gehen abnehmende Geburtenraten<br />
mit einer rückläufigen <strong>St</strong>orchenpopulation einher. Eine statistische Korrelation ist demnach<br />
vorhanden, die aber sicherlich nicht kausal ist. 488<br />
5.2.1.4 Test auf <strong>St</strong>ationarität<br />
Nachdem die Bedeutsamkeit der <strong>St</strong>ationarität von Zeitreihen deutlich herausgestrichen wurde,<br />
wird hier ein Testverfahren vorgestellt, anhand dessen Zeitreihen auf ihre <strong>St</strong>ationarität getestet<br />
werden können. Dickey und Fuller entwickelten ein solches Verfahren, das als (Augmented-)<br />
Dickey-Fuller-Test bekannt ist. 489<br />
485<br />
Bei einem Fehler erster Art wird auch von einem α-Fehler gesprochen (vgl. für Erklärungen zu Fehler erster und zweiter<br />
Art Abschnitt 5.2.6.1).<br />
486 Vgl. Ferson/Sarkissian/Simin (2003).<br />
487 Vgl. Yule (1926).<br />
488 Vgl. anstelle vieler Diekmann (1997), S. 57f. Diekmann beschreibt dabei auch den Einfluss einer Drittvariablen (hier: z.B.<br />
Urbanisierung), welche die beiden Variablen je beeinflusst und damit eine statistisch signifikante Korrelation verursacht.<br />
489 Vgl. Dickey/Fuller (1979). Der originäre Dickey-Fuller-Test wurde erweitert ("augmented"), um auch bei Vorhandensein<br />
autokorrelierter Residuen verlässliche Testergebnisse zu erhalten.
Empirische Auswertungen 145<br />
Die Durchführung des Tests basiert auf einem autoregressiven Prozess erster Ordnung:<br />
Gleichung 31<br />
t = β 0 + ρ ⋅ yt<br />
−1 + t für t = 1, 2, …, n<br />
y ε<br />
• β0 = Konstante 490<br />
• εt = <strong>St</strong>örterm<br />
Der Prozess hat nur dann eine Einheitswurzel ("unit root") und ist damit nicht-stationär, falls<br />
ρ = 1. Die Nullhypothese H0 besagt, dass eine Einheitswurzel vorliegt:<br />
Gleichung 32<br />
H<br />
H<br />
0<br />
A<br />
: ρ = 1<br />
: ρ < 1<br />
Es wird nur ein einseitiger Hypothesentest vorgenommen, da ein Wert von ρ > 1 für ökonomische<br />
Zeitreihen keinen Sinn ergibt, die Zeitreihe wäre "explosiv". 491<br />
Der Prozess (Gleichung 31) wird durch Differenzenbildung wie folgt umgeformt, um den<br />
Test schliesslich durchzuführen, wobei hier in allgemeiner Form sowohl Konstante wie Trend<br />
integriert werden: 492<br />
Gleichung 33<br />
k<br />
∆yt = β 0 + θyt<br />
−1<br />
+ β 2t<br />
+ ∑ γ j∆y<br />
t−<br />
j + ε t , wobei<br />
j=<br />
1<br />
• θ = ρ – 1; die Nullhypothese lautet daher H0: θ = 0; HA: θ < 0<br />
• k wird so gewählt, dass εt empirisch einen Zufallsprozess ohne Autokorrelation bildet<br />
493<br />
Da es sich unter H0 um einen nicht-stationären Prozess handelt, gilt nicht mehr die üblicherweise<br />
angenommene asymptotische Normalverteilung für die t-<strong>St</strong>atistik. Die t-<strong>St</strong>atistik folgt<br />
vielmehr asymptotisch der sogenannten Dickey-Fuller Distribution, wobei entsprechend andere<br />
kritische Werte für die t-<strong>St</strong>atistik gelten. 494<br />
490<br />
Neben oder anstelle der Konstanten kann optional auch der Trend als exogener Faktor in den Prozess integriert oder beide<br />
weggelassen werden.<br />
491 Vgl. Wooldridge (2003), S. 608.<br />
492 Vgl. Wooldridge (2003), S. 610.<br />
493 Die Regressionsgleichung des ADF-Tests wird mit weiteren Lag-Variablen, d.h. weiteren Differenztermen, ergänzt, mit<br />
dem vorrangigen Ziel, die serielle Korrelation im <strong>St</strong>örterm ε zu beseitigen. Die <strong>St</strong>örvariable sollte technisch gesprochen,<br />
die "white-noise"-Eigenschaft aufweisen (vgl. Wooldrige (2003), S. 610f. sowie Bodmer (1996), S. 17ff. bezüglich Definition<br />
und vertiefter Erklärungen zur white-noise-Eigenschaft).<br />
494 Kritische Werte für den ADF-Test sind in Dickey/Fuller (1979) oder bei MacKinnon (1996) tabelliert.
Empirische Auswertungen 146<br />
Wird der Trend in die Testgleichung einbezogen, so unterstellt die Nullhypothese H0 Nicht-<br />
<strong>St</strong>ationarität, die Alternative HA allerdings nimmt nicht <strong>St</strong>ationarität an, sondern Trendstatio-<br />
narität. Die Konstante β0 wird üblicherweise integriert, obwohl dies nicht zwingend ist. Welche<br />
Form des Regressionsmodells jeweils konkret benutzt werden sollte, ist in der Theorie<br />
nicht genau bestimmt. Die Auswahl beruht deshalb vorwiegend auf ökonomischen Überlegungen,<br />
Mutmassungen oder Annahmen. 495<br />
5.2.1.5 Trendstationarität<br />
Es gibt verschiedene Arten von Trends in Zeitreihen, wobei insbesondere deterministische<br />
und stochastische Trends zu erwähnen sind. Zeitreihen mit deterministischem Trend nehmen<br />
im Verlauf beständig je Zeitabschnitt um einen konstanten Betrag zu, was letztlich der <strong>St</strong>eigung<br />
der Zeitreihe entspricht, und verfügen langfristig über einen linearen Trendverlauf. Abweichungen<br />
von diesem Trend treten jeweils nur kurzfristig oder zufällig auf. Dieser Prozess<br />
wird als trendstationär bezeichnet und hat die folgende Form: 496<br />
Gleichung 34<br />
t = β 0 + β1T<br />
+ t für t = 1, 2, …, n, wobei<br />
y ε<br />
• β0 = Konstante<br />
• β1 = Regressionskoeffizient des Regressors Trend, d.h. <strong>St</strong>eigung der Zeitreihe<br />
• T = erklärende Variable, Trend<br />
• εt = <strong>St</strong>örterm<br />
Repräsentiert nun als Regressand eine Zeitreihe, welche die Bedingung der Mittelwertstationarität<br />
nicht zu erfüllen vermag und damit eigentlich als nicht-stationäre Zeitreihe ungeeignet<br />
ist als Inputfaktor für eine Regressionsgleichung, einen linearen Zeittrend, so kann dieser<br />
Trend als eine erklärende Variable in das Regressionsmodell nach folgendem Muster integriert<br />
werden:<br />
Gleichung 35<br />
t = β 0 + β1x<br />
t + β 2T<br />
+ t für t = 1, 2, …, n<br />
y ε<br />
Mit der Integration des Trends in das Regressionsmodell wird die Nicht-<strong>St</strong>ationarität der zu<br />
erklärenden Variablen yt korrekt erfasst und gleichzeitig vom Einfluss des Regressors xt separiert.<br />
Damit wird die Schätzgleichung trotz einer nicht-stationären Zeitreihe als Inputparameter<br />
adäquat spezifiziert. Neben einer Integration des Zeittrends bietet auch die Elimination<br />
495 Vgl. Wooldridge (2003), S. 612f.<br />
496 Vgl. Wooldridge (2003), S. 345ff.
Empirische Auswertungen 147<br />
desselben aus den Zeitreihen eine Möglichkeit, die Regressionsgleichung adäquat zu schätzen.<br />
Darauf wird aber an dieser <strong>St</strong>elle nicht weiter eingegangen. 497<br />
Im Gegensatz zum linearen deterministischen Trend, der für jede Periode einen konstanten<br />
Zuwachs aufweist, besitzt der stochastische Trend im Mittel konstante Zuwächse. Die Varianz<br />
ist demnach weder konstant, noch von der Zeit unabhängig, sondern nimmt über die Zeit<br />
vielmehr zu und verfügt damit nicht über den Charakter der Varianzstabilität. <strong>St</strong>ochastische<br />
Trends können durch sogenannte Random Walk - Prozesse modelliert werden, welche konsequenterweise<br />
ihrerseits nicht-stationäre Prozesse sind. 498 Obwohl makroökonomische Zeitreihen<br />
vielfach trendbehaftet sind, werden diese Datenreihen mit einem stochastischen eher genauer<br />
beschrieben als mit einem deterministischen Trend. 499<br />
5.2.1.6 Kointegration<br />
Eine Zeitreihe {Xt} heisst integriert vom Grad 1, I(1), wenn einerseits {Xt} nicht-stationär ist<br />
und andererseits die Zeitreihe der ersten Differenzen, d.h. {Xt – Xt-1}, stationär ist. Es ist<br />
demnach eine Differenzenbildung erforderlich, um <strong>St</strong>ationarität zu erlangen. Allgemein heisst<br />
ein Prozess integriert der Ordnung d (ganzzahlig), I(d), falls die d-te Differenz des Prozesses<br />
stationär, aber die (d-1)-te Differenz nicht-stationär ist. 500<br />
Integrierte Zeitreihen haben demzufolge nicht die Tendenz, sich um einen bestimmten Mittelwert<br />
zu bewegen, sondern treiben einem stochastischen Trend folgend und entsprechend<br />
mit über die Zeit zunehmender Varianz grundsätzlich über jedes Niveau hinaus. Weisen solche<br />
integrierten Zeitreihen aber eine Art langfristig gemeinsamen Trend auf, verfügen demnach<br />
diese über eine langfristige, gemeinsame Gleichgewichtsbeziehung, wird von kointegrierten<br />
Zeitreihen gesprochen, sofern die Abweichungen von der Gleichgewichtsrelation<br />
nur als vorübergehend und demnach stationär interpretiert werden. Zeitreihen mögen für sich<br />
betrachtet zwar nicht-stationär sein, existieren aber Linearkombinationen, welche ihrerseits<br />
stationär sind, wird von Kointegration gesprochen, was Engle und Granger formal entwickelten.<br />
501<br />
Bei Vorliegen von Kointegration besteht bei einer Regression von Niveaus integrierter Variablen<br />
genauso wenig eine Gefahr der Scheinregression im Sinne von Granger/Newbold wie<br />
bei der Verwendung von stationären Zeitreihen.<br />
497 Vgl. Wooldridge (2003), S. 350ff.<br />
498 Vgl. Bodmer (1996), S. 21f. für eine formelle Darstellung eines Random Walk - Prozesses. Wooldridge bezeichnet einen<br />
Random Walk - auch als "unit root" - Prozess (vgl. Wooldridge (2003), S. 374).<br />
499 Vgl. insbesondere die <strong>St</strong>udie von Nelson und Plosser, welche vierzehn makroökonomische Zeitreihen der USA vertieft<br />
untersuchten und bei dreizehn dieser Datenreihen zeigten die durchgeführten Dickey-Fuller-Tests, dass diese langfristig<br />
einem stochastischen Trend folgen (vgl. Nelson/Plosser (1982)). Perron bestätigte in seinen erweiterten Analysen der von<br />
Nelson/Plosser untersuchten Zeitreihen weitgehend die Erkenntnis, dass makroökonomische Zeitreihen langfristig einem<br />
stochastischen Trend folgen (vgl. Perron (1988)).<br />
500 Vgl. anstelle vieler Wooldridge (2003), S. 615.<br />
501 Vgl. Engle/Granger (1987). Granger verfolgte den Grundgedanken der Kointegration wissenschaftlich schon früher mit<br />
entsprechenden Publikationen (vgl. Granger (1981) und Granger (1986)), doch erst mit der Arbeit mit Engle etablierte<br />
sich das Konzept der Kointegration nachhaltig. Siehe dazu auch die Kommentare in Hassler (2003), S. 811f. und<br />
Wooldridge (2003), S. 615ff.
Empirische Auswertungen 148<br />
5.2.2 Regressand und Regressor<br />
Nach den Ausführungen über die Anforderungen der <strong>St</strong>ationarität von Zeitreihen wird nachfolgend<br />
auf die wichtigsten Parameter des Regressionsmodells der empirischen Untersuchungen<br />
dieser Forschungsarbeit kurz eingegangen. 502 Der Absatz (Turnover, Umsatz) der strukturierten<br />
Produkte und Derivate repräsentiert den Regressanden, der Volatilitätsindex VSMI<br />
den Regressor. Die Variablen werden einerseits mittels des Augmented Dickey-Fuller (ADF)<br />
– Tests auf <strong>St</strong>ationarität hin geprüft und andererseits bei Nicht-<strong>St</strong>ationarität entsprechend ergänzt<br />
respektive korrigiert, um Gewähr zu haben, dass die für die empirischen Untersuchungen<br />
geschätzte Regressionsgleichung effiziente und zuverlässige Schätzergebnisse liefert.<br />
5.2.2.1 Sekundärmarktumsatz als Regressand<br />
Die Entwicklung des Sekundärmarktumsatzes (Turnover) zeigt im Betrachtungszeitraum ein<br />
uneinheitliches Bild, was sich in nachstehender Abbildung manifestiert:<br />
400<br />
350<br />
300<br />
250<br />
200<br />
150<br />
100<br />
50<br />
0<br />
Feb 04<br />
Apr 04<br />
Jun 04<br />
Aug 04<br />
Oct 04<br />
Dec 04<br />
Feb 05<br />
Apr 05<br />
Jun 05<br />
Abbildung 46: Entwicklung Turnover Derivate<br />
Aug 05<br />
Oct 05<br />
Dec 05<br />
Feb 06<br />
Turnover in Mio. CHF<br />
Apr 06<br />
Jun 06<br />
Aug 06<br />
Oct 06<br />
Dec 06<br />
Anmerkung: Eigene Darstellung; Datenquelle SWX (tägliche Daten von Januar 2004 – Dezember 2006).<br />
In der Datenreihe des Absatzes kann zwar ein Trend vermutet werden, die Grafik gibt aber<br />
kein klares Bild dafür ab, ob Mittelwertstationarität gegeben ist. Deshalb wird zunächst mittels<br />
des in Abschnitt 5.2.1.4 vorgestellten Augmented-Dickey-Fuller (ADF) – Test die Turnover-Zeitreihe<br />
auf <strong>St</strong>ationarität hin getestet.<br />
502 Vgl. das spezifizierte Regressionsmodell unter Abschnitt 5.2.3.
Empirische Auswertungen 149<br />
Tabelle 13: ADF-Test Turnover auf <strong>St</strong>ationarität<br />
Null Hypothesis: TURNOVER has a unit root<br />
Exogenous: Constant<br />
Lag Length: 5 (Automatic based on SIC, MAXLAG=19)<br />
t-<strong>St</strong>atistic Prob.*<br />
Augmented Dickey-Fuller test statistic -2.624714 0.0884<br />
Test critical values: 1% level -3.438901<br />
5% level -2.865204<br />
10% level -2.568777<br />
*MacKinnon (1996) one-sided p-values.<br />
Quelle: eViews<br />
Das Testergebnis in Tabelle 13 zeigt, dass die Nullhypothese der Nicht-<strong>St</strong>ationarität lediglich<br />
auf einem schwach signifikanten 10 % - Niveau verworfen werden kann, nicht aber auf dem<br />
angestrebten 5 % - Signifikanzniveau. 503 Deshalb wird hier die Nullhypothese und damit<br />
Nicht-<strong>St</strong>ationarität der Zeitreihe angenommen.<br />
Ob der Absatz einem Trend folgt und deshalb die Bedingung der Mittelwertstationarität verletzt<br />
ist, wird wiederum anhand des ADF-Tests geprüft. Diesmal wird aber in die Testanordnung<br />
neben der Konstanten (Intercept) auch der Trend eingefügt, womit nun die Nullhypothese<br />
Nicht-<strong>St</strong>ationarität gegenüber der Alternativhypothese Trendstationarität getestet wird.<br />
Tabelle 14: ADF-Test Turnover auf Trendstationarität<br />
Null Hypothesis: TURNOVER has a unit root<br />
Exogenous: Constant, Linear Trend<br />
Lag Length: 4 (Automatic based on SIC, MAXLAG=19)<br />
t-<strong>St</strong>atistic Prob.*<br />
Augmented Dickey-Fuller test statistic -4.941655 0.0003<br />
Test critical values: 1% level -3.970401<br />
5% level -3.415852<br />
10% level -3.130189<br />
*MacKinnon (1996) one-sided p-values.<br />
Quelle: eViews<br />
Tabelle 14 fasst das Ergebnis des ADF-Tests zusammen. Die Nullhypothese wird gemäss der<br />
t-<strong>St</strong>atistik auf hoch signifikantem Niveau (1 %) verworfen und damit die Alternativhypothese,<br />
d.h. Trendstationarität der Zeitreihe, angenommen. Somit weist der Absatz einen Trend auf,<br />
503 Zur Erklärung des Signifikanzniveaus vgl. die Ausführungen in Abschnitt 5.2.6.
Empirische Auswertungen 150<br />
den es nun herauszuarbeiten gilt. Mit der Integration des abgeleiteten Trends in die Regressionsgleichung<br />
kann danach die Schätzgleichung trotz der Nicht-<strong>St</strong>ationarität des Regressanden<br />
adäquat analysiert werden. 504<br />
Die Zeitreihe wird nun nach einem die Datenreihe möglichst exakt beschreibenden Trend<br />
untersucht. Es wird ein linearer Trend angenommen und mittels der Analyse verschiedener<br />
Datenperioden iterativ gesucht. Der Trend wird schliesslich in vier Perioden unterteilt, was<br />
die Trendlinie in der nachstehenden Grafik ("Trend" in Abbildung 47) ergibt.<br />
400<br />
350<br />
300<br />
250<br />
200<br />
150<br />
100<br />
50<br />
0<br />
Feb 04<br />
Apr 04<br />
Jun 04<br />
Aug 04<br />
Oct 04<br />
Dec 04<br />
Feb 05<br />
Abbildung 47: Turnover Derivate mit Trend<br />
Apr 05<br />
Jun 05<br />
Aug 05<br />
Oct 05<br />
Dec 05<br />
Feb 06<br />
Apr 06<br />
Jun 06<br />
Turnover in Mio CHF Trend<br />
Aug 06<br />
Oct 06<br />
Dec 06<br />
Anmerkung: Eigene Darstellung; Datenquelle SWX (tägliche Daten von Januar 2004 – Dezember 2006).<br />
Der Trend T des Turnovers ist über die Beobachtungsperiode (vom 05.01.2004 bis<br />
14.12.2006) 505 formal wie folgt definiert:<br />
Gleichung 36<br />
6<br />
y = ( −0.<br />
59t<br />
+ 158.<br />
88)<br />
⋅10<br />
, ∀t<br />
6<br />
y = ( 0.<br />
34t<br />
+ 68.<br />
45)<br />
⋅10<br />
, ∀t,<br />
13.<br />
09.<br />
2004 ≤ t<br />
6<br />
y = ( −0.<br />
81t<br />
+ 169.<br />
06)<br />
⋅10<br />
, ∀t,<br />
18<br />
, 05.<br />
01.<br />
2004<br />
. 04.<br />
2006<br />
6<br />
y = ( 1.<br />
12t<br />
+ 118.<br />
59)<br />
⋅10<br />
, ∀t,<br />
26.<br />
07.<br />
2006 ≤<br />
≤ t ≤ 10.<br />
09.<br />
2004<br />
≤ 13.<br />
04.<br />
2006<br />
≤ t ≤ 25.<br />
07.<br />
2006<br />
t ≤ 14.<br />
12.<br />
2006<br />
504<br />
Vgl. Abschnitt 5.2.1.5 zur Trendstationarität.<br />
505<br />
Vgl. die Abschnitte 5.1 und 5.2.4 zur Datenbasis respektive <strong>St</strong>ichprobe.
Empirische Auswertungen 151<br />
Auswertungen zeigten für den iterativ hergeleiteten linearen Trend bessere Ergebnisse als<br />
beispielsweise für einen exponentiellen Trend, wie er für den Handelsumsatz von Option in<br />
der <strong>St</strong>udie von Jeanneau/Micu unterstellt wurde, oder für einen einzigen linearen Trend über<br />
die gesamte Zeitperiode der <strong>St</strong>ichprobe. Abbildung 48 bestätigt diesen Befund hinsichtlich<br />
des exponentiellen Trends, der den Verlauf des Turnovers offensichtlich weniger genau beschreibt<br />
als der iterativ hergeleitete lineare Trend: 506<br />
400<br />
350<br />
300<br />
250<br />
200<br />
150<br />
100<br />
50<br />
0<br />
Feb 04<br />
Apr 04<br />
Jun 04<br />
Aug 04<br />
Oct 04<br />
Dec 04<br />
Feb 05<br />
Apr 05<br />
Jun 05<br />
Aug 05<br />
Oct 05<br />
Dec 05<br />
Feb 06<br />
Turnover in Mio. CHF<br />
Trend<br />
expon. Trend<br />
Abbildung 48: Linearer vs. exponentieller Trend des Derivatturnovers<br />
Apr 06<br />
Jun 06<br />
Aug 06<br />
Oct 06<br />
Dec 06<br />
Anmerkung: Eigene Darstellung; Datenquelle SWX (tägliche Daten von Januar 2004 – Dezember 2006).<br />
Daher wird der Regressand Turnover mit der Integration des iterativ hergeleiteten, linearen<br />
Trends T in der Regressionsgleichung als trendstationäre Zeitreihe ins Regressionsmodell<br />
einbezogen.<br />
5.2.2.2 Volatilitätsindex VSMI als Regressor<br />
Der designierte Regressor VSMI wird nach dem gleichen Schema analysiert wie der Regressand<br />
Turnover: einerseits graphisch, andererseits mittels des ADF-Tests. Die Entwicklung der<br />
506 Vgl. Jeanneau/Micu (2003). Eine Korrelationsanalyse mit dem Turnover ergab für die drei angesprochenen Trends den<br />
eindeutig höchsten Wert (r = 0.76) für den iterativ hergeleiteten linearen Trend, berechnet nach der Bravais/Pearson Korrelation<br />
(vgl. die Gleichung 20). Der exponentielle Trend erreichte einen Wert von r = 0.59, der nicht adjustierte lineare<br />
Trend r = 0.55.
Empirische Auswertungen 152<br />
Marktvolatilität (VSMI) zeigt im Betrachtungszeitraum ein uneinheitliches Bild, was sich in<br />
nachstehender Abbildung 49 manifestiert:<br />
24<br />
22<br />
20<br />
18<br />
16<br />
14<br />
12<br />
10<br />
8<br />
Feb 04<br />
Apr 04<br />
Jun 04<br />
Aug 04<br />
Oct 04<br />
Abbildung 49: Regressor VSMI<br />
Dec 04<br />
Feb 05<br />
Apr 05<br />
Jun 05<br />
VSMI<br />
Aug 05<br />
Oct 05<br />
Dec 05<br />
Feb 06<br />
Apr 06<br />
Jun 06<br />
Aug 06<br />
Oct 06<br />
Dec 06<br />
Anmerkung: Eigene Darstellung; Datenquelle SWX (tägliche Daten von Januar 2004 – Dezember 2006).<br />
Der Verlauf des VSMI lässt noch keine klaren Schlüsse über die <strong>St</strong>ationarität der Zeitreihe<br />
zu, womit die Zeitreihe formal auf <strong>St</strong>ationarität hin getestet wird.<br />
Tabelle 15: ADF-Test VSMI auf <strong>St</strong>ationarität<br />
Null Hypothesis: VSMI has a unit root<br />
Exogenous: Constant<br />
Lag Length: 0 (Automatic based on SIC, MAXLAG=19)<br />
t-<strong>St</strong>atistic Prob.*<br />
Augmented Dickey-Fuller test statistic -3.457678 0.0094<br />
Test critical values: 1% level -3.438842<br />
5% level -2.865178<br />
10% level -2.568763<br />
*MacKinnon (1996) one-sided p-values.<br />
Quelle: eViews
Empirische Auswertungen 153<br />
Die t-<strong>St</strong>atistik lässt die Nullhypothese der Nicht-<strong>St</strong>ationarität für den VSMI auf dem 1 % -<br />
Signifikanzniveau verwerfen und die Alternativhypothese der <strong>St</strong>ationarität annehmen. Dementsprechend<br />
folgt der Volatilitätsindex VSMI einem stationären Prozess und kann problemlos<br />
in die Regressionsanalyse integriert werden.<br />
5.2.2.3 Turnover vs. VSMI<br />
Der Volatilitätsindex VSMI zeichnet die Volatilität am Markt und dient in den Untersuchungen<br />
als erklärende Variable, deren Einfluss auf die abhängige Variable es zu analysieren gilt.<br />
Wie aufgezeigt wurde, kann aufgrund der Trendstationarität des Absatzes und der <strong>St</strong>ationarität<br />
des Volatilitätsindexes eine Regressionsanalyse mit diesen Zeitreihen durchgeführt werden,<br />
ohne verzerrte Regressionsschätzer zu erhalten. Damit droht auch keine Gefahr einer<br />
Scheinregression aufgrund nicht-stationärer Datenreihen.<br />
Abbildung 50 zeichnet die Entwicklung der beiden Zeitreihen Turnover und Volatilität über<br />
den Beobachtungszeitraum nach. Ob es einen statistischen Zusammenhang zwischen diesen<br />
Datenreihen gibt, kann aus der Abbildung nicht entnommen werden. Dies wird aber in den<br />
empirischen Auswertungen umfangreich analysiert werden. 507<br />
400<br />
350<br />
300<br />
250<br />
200<br />
150<br />
100<br />
50<br />
0<br />
Feb 04<br />
Apr 04<br />
Jun 04<br />
Aug 04<br />
Oct 04<br />
Abbildung 50: Absatz vs. VSMI<br />
Dec 04<br />
Feb 05<br />
Apr 05<br />
Jun 05<br />
Aug 05<br />
Oct 05<br />
Dec 05<br />
Feb 06<br />
Turnover in Mio CHF (li.S.)<br />
VSMI (r.S.)<br />
Apr 06<br />
Jun 06<br />
Aug 06<br />
Oct 06<br />
Dec 06<br />
Anmerkung: Eigene Darstellung; Datenquelle SWX (tägliche Daten von Januar 2004 – Dezember 2006).<br />
507 Vgl. die Ergebnisse der empirischen Auswertungen in Abschnitt 5.3.<br />
24<br />
22<br />
20<br />
18<br />
16<br />
14<br />
12<br />
10<br />
8
Empirische Auswertungen 154<br />
5.2.3 Regressionsmodell<br />
Die Regressionsanalyse erlaubt, die Beziehungen zwischen zweien oder mehreren Variablen<br />
zu untersuchen, genauer gesagt zu erklären, in dem die Abhängigkeit einer Variablen von<br />
einer oder mehreren anderen Variablen untersucht wird. 508 Die Untersuchung analysiert entsprechend<br />
die Abhängigkeit des Absatzes der strukturierten Produkte mit der Marktvolatilität.<br />
Der Absatz wird als Sekundärmarktumsatz der strukturierten Produkte an der SWX bestimmt,<br />
gemessen in Schweizer Franken (CHF). Die Marktvolatilität wiederum wird über den Volatilitätsindex<br />
VSMI gemessen. Dementsprechend wird der SIP-Absatz als abhängige Variable<br />
Y, die Marktvolatilität wiederum als erklärende, unabhängige Variable X definiert.<br />
Die Regressionsgleichungen in den Untersuchungen leiten sich aus einer Zeitreihenanalyse<br />
nach folgendem allgemeinen Regressionsmodell ab:<br />
Gleichung 37<br />
y = β β ... β + ε<br />
t<br />
0 + 1xt1<br />
+ + k xtk<br />
t für t = 1, 2, …, n; , wobei<br />
• y = abhängige, zu erklärende Variable, Regressand<br />
• x = unabhängige, erklärende Variable, Regressor<br />
• β0 = Konstante<br />
• βk = Regressionskoeffizient<br />
• εt = Fehlerterm, <strong>St</strong>örvariable<br />
Folgende Annahmen über die <strong>St</strong>örvariable ε werden dabei in der Analyse getroffen: 509<br />
5.2.3.1 Linearität der Parameter<br />
Die Zeitreihendaten folgen einem linearen Modell, das mit Gleichung 37 spezifiziert wurde,<br />
da ein lineares Regressionsmodell nur Zusammenhänge der Variablen zu schätzen vermag,<br />
die als Gleichungen mit linearen Parametern beschreibbar sind.<br />
5.2.3.2 Zero Conditional Mean<br />
Gleichung 38<br />
E( ε ) = 0 für t = 1, 2, …, n<br />
t<br />
Der Erwatungswert der <strong>St</strong>örvariablen ist 0, womit angenommen wird, dass von den <strong>St</strong>örvariablen<br />
kein systematischer Einfluss ausgeht.<br />
508 Vgl. <strong>St</strong>ier (1999), S. 237.<br />
509 Vgl. stellvertretend Wooldridge (2003), S. 324ff. oder Bohley (2000), S. 654ff.
Empirische Auswertungen 155<br />
5.2.3.3 Homoskedastizitätsannahme<br />
Gleichung 39<br />
2 ( ε ) = σ<br />
V für t = 1, 2, …, n<br />
t<br />
ε<br />
Die sogenannte Homoskedastizitätsannahme besagt, dass alle <strong>St</strong>örterme εt eine gleich grosse<br />
<strong>St</strong>reuung (Varianz) aufweisen, unabhängig von der Grösse der unabhängigen Variablen xt, zu<br />
der diese gehören.<br />
Mit dem sogenannten White-Test wird die Homoskedastizitätsannahme geprüft, wobei die<br />
Nullhypothese des Tests keine Heteroskedastizität (d.h. Homoskedastizität) unterstellt. 510<br />
Die berechneten Residuen (hier: ût) werden quadriert und auf die erklärenden Variablen, deren<br />
Quadrate und deren Kreuzprodukte regressiert nach folgender Testanordnung (Annahme:<br />
2 erklärende Variablen x und z):<br />
Gleichung 40<br />
û α α α α α α x z + ε<br />
2<br />
2 2<br />
t = 0 + 1xt<br />
+ 2 zt<br />
+ 3xt<br />
+ 4 zt<br />
+ 5<br />
Darauf wird folgende Nullhypothese getestet:<br />
Gleichung 41<br />
α = α = α = α = α = 0<br />
1<br />
2<br />
3<br />
4<br />
5<br />
Die Teststatistik schliesslich des White-Tests ist unter H0 asymptotisch χ 2 - verteilt mit g<br />
Freiheitsgraden, wobei g die Anzahl Regressoren in der Testregression ohne Berücksichtigung<br />
der Konstanten anzeigt, und sieht folgendermassen aus:<br />
Gleichung 42<br />
2<br />
û<br />
White − Test = n ⋅ R , wobei<br />
• Rû 2 = Bestimmtheitsmass der Testregression (vgl. Gleichung 40)<br />
• n = Anzahl Beobachtungen<br />
Die Nullhypothese wird nun abgelehnt, wenn n·R 2 > χ 2 (g) ist.<br />
Die <strong>St</strong>andardfehler der Regressionskoeffizienten und damit u.a. die t-Werte, die sich als Quotient<br />
von Regressionskoeffizent und dessen <strong>St</strong>andardfehler berechnet, weisen bei Vorliegen<br />
von Heteroskedastizität Inkonsistenzen auf, was zu falschen und irreführenden Annahmen<br />
über die Signifikanz eines Regressors führen kann. White entwickelte eine Methode, welche<br />
mittels einer "heteroscedasticity-consistent covariance matrix" eine zuverlässige und konsistente<br />
Parameterschätzung in einem Regressionsmodell erlaubt, selbst wenn das lineare Reg-<br />
510 Vgl. White (1980).<br />
t<br />
t<br />
t
Empirische Auswertungen 156<br />
ressionsmodell heteroskedastische <strong>St</strong>örterme aufweist. 511 Long und Ervin zeigen in ihrer umfangreichen<br />
<strong>St</strong>udie, welche neben eigenen Zeitreihenanalysen auch eine Auswertung von Analysen<br />
von über 30 spezifischen wissenschaftlichen Arbeiten und Artikeln unter Nutzung<br />
von elf gängigen Softwarepaketen beinhaltet, dass es sich immer lohnt, die von White entwickelte<br />
Methode in einem Regressionsmodell anzuwenden, sobald ein Verdacht auf Heteroskedastizität<br />
besteht und dessen Form und Ausmass aber unbekannt ist. Zeitreihen insbesondere<br />
von Wirtschaftsdaten verstossen regelmässig gegen die Homoskedastizitätsannahme<br />
der <strong>St</strong>örterme, womit auch bei den in dieser Forschungsarbeit benutzten Absatz- und Volatilitätsdaten<br />
eine gewisse Wahrscheinlichkeit für Heteroskedastizität besteht. Long/Ervin weisen<br />
in ihrer Analyse nach, dass es nicht nötig ist, zuerst einen spezifischen Test auf Heteroskedastizität<br />
durchzuführen, bevor White's Methode zur Anwendung gelangt, sondern schon bei<br />
kleinstem Hinweis gleich anzuwenden. Mit Hilfe von Monte Carlo-Simulationen fanden sie<br />
für die Anwendung von White's Methode konsistente und genaue Ergebnisse. 512 Der White-<br />
Test ist sehr verbreitet und liefert zuverlässige Ergebnisse, auch bei Nutzung eines Lag-<br />
Faktors der abhängigen Variablen als Regressor, wie es im in dieser Forschungsarbeit angewandten<br />
Regressionsmodell der Fall ist. 513 Der ebenfalls sehr bekannte Test von Breusch und<br />
Pagan 514 ist für diesen Fall nicht geeignet. Deshalb wird in dieser Forschungsarbeit der White-Test<br />
zur Überprüfung der Homoskedastizitätsannahme verwendet und die Werte der T-<br />
<strong>St</strong>atistik mittels heteroscedasticity-consistent covariance matrix von White adjustiert, unabhängig<br />
vom Ergebnis des White-Tests. Dieses Vorgehen ist in Regressionsmodellen nicht<br />
ungewöhnlich, sondern wird in der Forschung in vielen <strong>St</strong>udien so gewählt. 515<br />
5.2.3.4 Autokorrelation<br />
Gleichung 43<br />
( , ) = 0<br />
Cov ε ε für t = 1, 2, …, n; k = 1, 2, …, n; sowie t ≠ k<br />
t<br />
k<br />
Eine Kovarianz von 0 bedeutet eine Unabhängigkeit der einzelnen Ereignisse, d.h. die εt sind<br />
nicht seriell korreliert miteinander, womit keine Autokorrelation vorliegt.<br />
Der Durbin-Watson(DW) – Test ist wohl der bekannteste und am meisten genutzte Test auf<br />
Autokorrelation erster Ordnung in der Ökonometrie. Der Test auf Autokorrelation erster Ordnung<br />
betrachtet nur die Autokorrelation zwischen den geschätzten <strong>St</strong>örvariablen εt und εt-1. 516<br />
In vielen (<strong>St</strong>atistik-) Softwarepaketen ist dieser Test integriert und liefert standardmässig die<br />
Ergebnisse des DW-Tests. Gleichwohl wird in dieser Forschungsarbeit nicht auf den DW-<br />
Test abgestützt, da dieser keine zuverlässigen Ergebnisse mehr liefern kann, sobald eine en-<br />
511 Vgl. White (1980). Es wird an dieser <strong>St</strong>elle auf eine formale Darstellung des Verfahrens respektive der Methode von<br />
White verzichtet und entsprechend auf dessen Paper verwiesen.<br />
512 Vgl. Long/Ervin (2000).<br />
513 Vgl. die Regressionsgleichung (Gleichung 49) und die Anmerkungen im Abschnitt 5.2.3.7.<br />
514 Vgl. Breusch/Pagan (1979).<br />
515 Vgl. anstelle vieler Upper (2005), S. 52f.<br />
516 Vgl. Durbin/Watson (1950) und Durbin/Watson (1951).
Empirische Auswertungen 157<br />
dogene (abhängige) Lag-Variable in das Regressionsmodell integriert wird. 517 Durbin entwickelte<br />
die DW-Teststatistik zwar weiter zu einer sogenannten Durbin-h - <strong>St</strong>atistik, die auch<br />
Lag-Variablen zuverlässig miteinbeziehen kann, 518 doch wird in dieser Arbeit auf ein anderes<br />
Testverfahren zurückgegriffen, den sogenannten Breusch-Godfrey-Test. Der Breusch-Godfrey-Test<br />
erlaubt neben Lag-Variablen auch die serielle Korrelation der <strong>St</strong>örterme höherer<br />
Ordnung zu testen. 519 Ein autoregressiver Prozesses der <strong>St</strong>örterme (hier: ut) der Ordnung g<br />
wird im Regressionsmodell angenommen, d.h. folgender AR(g)-Prozess für ut:<br />
Gleichung 44<br />
u ρ ρ ρ + ε<br />
t = 1 ut<br />
− 1 + 2ut<br />
−2<br />
+ ... + gu<br />
t−<br />
g t für t = 1, 2, …, n, wobei<br />
• ρ = Autokorrelationskoeffizient<br />
Der Breusch-Godfrey (BG) – Test testet die Nullhypothese H0, die keine serielle Korrelation<br />
bis zur spezifischen Lag-Ordnung g unterstellt, gegenüber der Alternativhypothese HA, welche<br />
mindestens einen (Auto-) Korrelationskoeffizienten ungleich 0 erfordert.<br />
Gleichung 45<br />
H<br />
H<br />
0<br />
A<br />
: ρi<br />
= 0<br />
: ρ ≠ 0<br />
i<br />
für i = 1, 2, …, g<br />
Die Teststatistik schliesslich des BG-Tests, der zur Familie der Langrange Multiplier (LM) –<br />
Tests gehört und unter H0 asymptotisch einer Chi-Quadrat (χ 2 ) - Verteilung mit g Freiheitsgraden<br />
folgt, sieht folgendermassen aus:<br />
Gleichung 46<br />
( ) ε R g n LM ⋅ − = , wobei<br />
2<br />
• Rε 2 = Bestimmtheitsmass der Hilfsregression der Residuen ut (vgl. Gleichung 44)<br />
• n = Anzahl Beobachtungen<br />
Die Konsequenzen einer Autokorrelation im linearen Modell dürfen nicht vernachlässigt wer-<br />
den. Die Schätzfunktionen für die Regressionskoeffizienten βi sowie für die Konstante β0<br />
bleiben zwar erwartungstreu und konsistent, die Minimumvarianzeigenschaft der Schätzer ist<br />
jedoch nicht mehr gegeben, d.h. die Schätzer sind nicht mehr effizient. Die Varianz und damit<br />
die aus dem Modell berechneten <strong>St</strong>andardfehler der Regressionskoeffizienten sind damit nicht<br />
517 Im in der Empirie angewandten Modell der Forschungsarbeit wird die abhängige Variable als erklärende Lag-Variable<br />
eingesetzt (vgl. dazu die Bemerkungen zu den Tests der Homoskedastizitätsannahme unter 5.2.3.3 sowie Fussnote 513).<br />
518 Vgl. Durbin (1970).<br />
519 Vgl. Breusch (1978) und Godfrey (1978).
Empirische Auswertungen 158<br />
mehr valide und führen u.a. zu verzerrten Werten der t-<strong>St</strong>atistik, analog der Konsequenzen bei<br />
einer Verletzung der Homoskedastizitätsannahme. 520<br />
5.2.3.5 Normalverteilungsannahme<br />
Gleichung 47<br />
2 ( 0;<br />
)<br />
ε t ~ N σ<br />
für t = 1, 2, …, n<br />
Normalverteilte Residuen und damit auch normalverteilte geschätzte Regressionskoeffizienten<br />
sind Voraussetzungen für Verteilungsannahmen und damit Genauigkeit einiger wesentlicher<br />
statistischer Tests (u.a. t-Test).<br />
Die Überprüfung der Normalverteilungsannahme der Residuen erfolgt durch den von Jarque<br />
und Bera entwickelten Test, den sogenannten Jarque-Bera-Test (JB-Test). Die Nullhypothses<br />
H0 unterstellt eine Normalverteilung und testet die folgende Teststatistik unter der gemeinsamen<br />
Annahme von Schiefe (S = 0) und Kurtosis (K = 3): 521<br />
Gleichung 48<br />
2<br />
2<br />
⎛ S ( K − 3)<br />
⎞<br />
JB = T ⋅⎜<br />
⎟<br />
⎜<br />
+<br />
⎟<br />
, wobei<br />
⎝ 6 24 ⎠<br />
• S = Schiefe<br />
• K = Kurtosis (Wölbung)<br />
• T = Anzahl Beobachtungen<br />
• unter H0 gilt: JB ~ χ 2 mit 2 Freiheitsgraden<br />
Die Normalverteilungsannahme wird bei grossen <strong>St</strong>ichproben in der Regel trotzdem eher weniger<br />
streng gesehen als die beschriebenen Annahmen über die Autokorrelation und Homoskedastizität<br />
der <strong>St</strong>örgrössen, da für grosse <strong>St</strong>ichproben der zentrale Grenzwertsatz bewirkt,<br />
dass die Regressionsschätzer gegen eine Normalverteilung konvergieren, die Residuen<br />
asymptotisch normalverteilt sind. 522<br />
5.2.3.6 Kollinearität<br />
Eine weitere Annahme bei der Ausführung von multiplen Regressionsanalysen betrifft die<br />
Kollinearität (Abhängigkeit) der unabhängigen Variablen untereinander, welche zwar erlaubt<br />
ist, keinesfalls aber perfekt sein darf, um die Schätzergebnisse nicht zu verfälschen. Eine perfekte<br />
Kollinearität liegt vor, wenn sich eine der unabhängigen Variable xk als exakte Linear-<br />
520 Vgl. Wooldridge (2003), S. 391ff.<br />
521 Vgl. Jarque/Bera (1980) sowie Jarque/Bera (1987).<br />
522 Vgl. Wooldridge (2003), S. 171f. sowie für den ausführlichen Beweis S. 731ff.
Empirische Auswertungen 159<br />
kombination der übrigen unabhängigen Variablen darstellen lässt. Diese Bedingung impliziert,<br />
dass notwendigerweise n>k sein muss. 523<br />
5.2.3.7 Regressionsgleichung<br />
In der Analyse der absoluten Volatilitätsabhängigkeit wird die Regressionsgleichung der<br />
Form der Gleichung 37 wie folgt geschätzt: 524<br />
Gleichung 49<br />
Absatz β β β β + ε<br />
t = 0 + 1VSMI<br />
t + 2TRENDt<br />
+ 3 Absatzt<br />
−1 t für t = 1, 2, …, n; wobei<br />
• β0 = Konstante<br />
• βk = Regressionskoeffizient<br />
• β1 = Regressionskoeffizient, der den Einfluss der Marktvolatilität auf den Absatz<br />
misst<br />
• TREND als deterministischer Zeittrend 525<br />
• Absatzt-1 als Lag-Faktor, der eine Periode verzögert die allgemeinen Handelsaktivitäten<br />
an den Märkten berücksichtigt<br />
• εt = Fehlerterm, <strong>St</strong>örvariable<br />
Die Regressionsgleichungen werden daraufhin mittels multipler Regressionsanalysen analysiert<br />
und je das Bestimmtheitsmass der Regressionen berechnet sowie deren Regressionskoeffizienten<br />
auf statische Signifikanz hin untersucht.<br />
5.2.3.8 Bestimmtheitsmass<br />
Das Bestimmheitsmass R 2 gibt die Güte einer Schätzung an, die durch die Regressionsgleichung<br />
erklärt ist. Die Güte des Regressionsmodells errechnet sich durch den Quotienten zwischen<br />
der durch das Modell erklärten Varianz und der Gesamtvarianz der abhängigen Variablen.<br />
R 2 nimmt Werte zwischen 0 und 1 an, wobei höhere Werte eine höhere Güte des Schätzmodells<br />
bedeuten. Das Bestimmtheitsmass hat allerdings die nachteilige Eigenschaft, dass es<br />
sich mit jeder beliebigen zusätzlich in das Modell eingebrachten unabhängigen Variablen<br />
erhöht, auch wenn die ferner eingebrachte Variable eigentlich von irrelevanter Bedeutung ist.<br />
Daher wird das Bestimmtheitsmass bei Hinzunahme jeder weiteren unabhängigen Variablen<br />
entsprechend mit einem Abschlag korrigiert und mit dem Wert des adjustierten R 2 angegeben,<br />
523 Vgl. bspw. Bohley (2000), S. 695f.<br />
524 Die Regressionsgleichung wurde analog derjenigen von Jeanneau/Micu gewählt, die ihrerseits den Einfluss der Marktvolatilität<br />
auf den Handelsumsatz sowie die offenen Positionen an den Optionen- und Futuresmärkten untersuchten (vgl.<br />
Jeanneau/Micu (2003), S. 71).<br />
525 Vgl. die Herleitung des Trends in Abschnitt 5.2.2.1 zur Erzielung einer Trendstationarität des Absatzes.
Empirische Auswertungen 160<br />
der sich nur noch erhöht, wenn die zusätzlichen unabhängigen Variablen einen signifikanten<br />
Beitrag zur Erklärung der abhängigen Variablen liefern. 526<br />
5.2.4 <strong>St</strong>ichprobenumfang<br />
Die Zahlenreihen umfassen Daten auf täglicher Basis der Periode vom 5. Januar 2004 bis zum<br />
14. Dezember 2006 und wurden von der Schweizer Börse SWX geliefert. 527 Die Daten dieser<br />
751 Handelstage bilden die Basis für die nachfolgenden Untersuchungen. Die Absatz- und die<br />
Marktvolatilitätsdaten fliessen zeitenkongruent in die Analysen ein. Die Auswertungen ziehen<br />
neben der täglichen auch eine wöchentliche und eine monatliche Periodizität der Daten mitein.<br />
Die wöchentlichen und monatlichen Absatzdaten ergeben sich jeweils aus den Mittelwerten<br />
der täglichen Daten über die entsprechende Periode. Die entsprechenden Volatilitätswerte<br />
wiederum berechnen sich analog aus dem Mittelwert je Periodizität der täglichen VSMI-<br />
Werte.<br />
Eine breite, ausschliesslich aus an der Schweizer Börse SWX gelisteten strukturierten Produkten<br />
(respektive Derivaten) bestehende Datenbasis ist ein neuer Ansatz im Forschungsgebiet<br />
von strukturierten Produkten. Sekundärmarktdaten wurden zwar auch in anderen Forschungsarbeiten<br />
einbezogen, doch dabei lag der Fokus jeweils auf den Marktpreisen und nicht<br />
auf den Handelsvolumen. 528 Der hier verfolgte Ansatz führt folglich zu neuartigen und entsprechend<br />
zu noch nicht dokumentierten Ergebnissen.<br />
5.2.5 Hypothesentest<br />
Hypothesentests können bezüglich der Konstanten und einzelner oder mehrerer Parameter,<br />
z.B. der Regressionskoeffizienten, der Regressionsgleichung durchgeführt werden. Die wichtigsten<br />
Tests werden im Allgemeinen bezüglich einzelner Regressionsparameter durchgeführt,<br />
wobei in der Regel unterstellt wird, dass eine bestimmte unabhängige Variable X (Regressor)<br />
keinen Einfluss auf die abhängige Variable Y (Regressand) ausübt. Diese Unterstellung wird<br />
als Nullhypothese definiert und auf ihre Validität hin getestet, mit dem Ziel allerdings, diese<br />
zu verwerfen. Dabei ist zu bemerken, dass eine Hypothese statistisch gesehen nie verifiziert,<br />
sondern höchstens nicht falsifiziert werden kann. 529 Das Prinzip erinnert dabei an die in der<br />
westlichen Welt bekannte Rechtssprechung, in welcher die Unschuldsvermutung (entspricht<br />
H0) so lange gilt, bis das Gegenteil davon, d.h. die Schuld (entspricht HA), bewiesen ist.<br />
In ökonometrischen Untersuchungen wird zumeist nach Einflussparametern der abhängigen<br />
Variablen gesucht, die sich statistisch gesehen signifikant von Null, d.h. nicht ohne Einfluss<br />
sind, unterscheiden. Durch die Verwerfung der Nullhypothese H0 wird gleichzeitig die Alternativhypothese<br />
HA angenommen. Ein Hypothesentest liefert demnach stets eine binäre Entscheidung:<br />
Die Annahme von H0 mit gleichzeitiger Ablehnung von HA oder die Ablehnung<br />
526 Vgl. <strong>St</strong>ier (1999), S. 245f.<br />
527 Vgl. die Ausführungen über die Datenerhebung unter Abschnitt 5.1.1.<br />
528 Vgl. die Darstellung über den Forschungsstand der strukturierten Produkte in Kapitel 1.2.<br />
529<br />
Vgl. Popper (1935, 1959) über die Falsifikation von Hypothesen. Vgl. zudem <strong>St</strong>ier (1999), S. 7ff. für noch weitergehende<br />
wissenschaftstheoretische Ausführungen.
Empirische Auswertungen 161<br />
(Verwerfung) von H0 mit gleichzeitiger Annahme von HA. Die Bezeichnung einer statistischen<br />
Signifikanz ist nur unter gleichzeitiger Nennung des Signifikanzniveaus α sinnvoll, was<br />
im nächsten Abschnitt 5.2.6 noch gezeigt wird. 530<br />
5.2.5.1 Nullhypothese absolute Volatilitätsabhängigkeit<br />
Die Aufstellung der Nullhypothese dieser Forschungsarbeit unterscheidet sich insofern von<br />
der beschriebenen Norm, da die Nullhypothese H0 in den vorzunehmenden empirischen Auswertungen<br />
einen Einfluss der unabhängigen Variablen auf den Regressanden, die Alternativhypothese<br />
HA allerdings keinen Einfluss unterstellt. Die Nicht-Verwerfung von H0 in der Analyse<br />
der absoluten Volatilitätsabhängigkeit setzt demnach einen Einfluss der unabhängigen<br />
Variablen Marktvolatilität, d.h. VSMI, auf die abhängige Variable, den Absatz der strukturierten<br />
Produkte voraus.<br />
5.2.5.2 Hypothesensystem der empirischen Auswertungen<br />
Auf Basis der oben formulierten Nullhypothese sieht das Hypothesensystem der Forschungsarbeit<br />
wie folgt aus:<br />
Gleichung 50<br />
H<br />
H<br />
0<br />
A<br />
: β1<br />
≠ 0<br />
: β = 0<br />
1<br />
Kann H0 verworfen werden, bedeutet dies, dass die Marktvolatilität (VSMI) keinen Einfluss<br />
auf den Absatz der strukturierten Produkte hat, d.h. der Regressionskoeffizient des VSMI, β1,<br />
sich nicht signifikant von Null unterscheidet.<br />
5.2.6 Signifikanzniveau<br />
Empirische Analysen beruhen immer auf Auswertungen bestimmter <strong>St</strong>ichproben einer Grundgesamtheit,<br />
aus denen allgemein gültige Aussagen aufgrund von Hypothesentests beispielsweise<br />
abgeleitet werden, ohne eine vollkommene Gewissheit über die Ergebnisse derselben<br />
Auswertungen auf die gesamte Grundgesamtheit zu erlangen. Deshalb verbleibt in den empirischen<br />
Forschungsergebnissen immer ein Risiko einer Fehlentscheidung. Dabei werden zwei<br />
Fehler (oder Irrtum) voneinander unterschieden, einerseits der Fehler 1. Art (α-Fehler) und<br />
andererseits der Fehler 2. Art (β-Fehler). Dabei kann beiden Fehlern eine bestimmte Wahrscheinlichkeit<br />
zugeordnet werden, welche vor allem durch die Anzahl Beobachtungen der<br />
<strong>St</strong>ichprobe und durch das Signifikanzniveau α bestimmt werden.<br />
5.2.6.1 Fehler 1. und 2. Art<br />
Als Fehler 1. Art wird die irrtümliche Ablehnung der Nullhypothese bezeichnet, obwohl diese<br />
eigentlich zutreffend wäre. Der Fehler 2. Art wiederum bezeichnet die irrtümliche Annahme<br />
der Nullhypothese, obwohl diese eigentlich abzulehnen wäre. Bei Hypothesentests in der empirischen<br />
Forschung ist das Bemühen dahingehend, eine Entscheidung über die Annahme<br />
530 Vgl. z.B. Bohley (2000), S. 672ff.
Empirische Auswertungen 162<br />
respektive Ablehnung der Nullhypothese mit einer möglichst tiefen Irrtumswahrscheinlichkeit<br />
(α-Fehler) zu treffen. Die Gefahr einer irrtümlichen Ablehnung der Nullhypothese sollte demnach<br />
-analog der Unschuldsvermutung (= H0) in der Justiz- möglichst klein gehalten werden.<br />
Deshalb kommt in der Versuchsanordnung der Wahl der Nullhypothese jeweils entscheidende<br />
Bedeutung zu. 531<br />
Das Signifikanzniveau α bedeutet demnach die Wahrscheinlichkeit, H0 abzulehnen, obwohl<br />
H0 zutrifft, eine Art Irrtumsvorbehalt:<br />
Gleichung 51<br />
( H ¦ H ) = α<br />
P A<br />
0<br />
Die nachfolgende Darstellung illustriert die jeweiligen Fehlerarten und ordnet diesen entsprechend<br />
Wahrscheinlichkeiten zu.<br />
Tabelle 16: Fehlerarten und deren Wahrscheinlichkeiten bei Hypothesentests<br />
Annahme H0<br />
Annahme HA<br />
Tatsächlich gilt<br />
Entscheidung<br />
H0<br />
richtige Entscheidung;<br />
P(H0│H0) = 1-α<br />
Fehler / Irrtum 1. Art:<br />
P(HA│H0) = α<br />
Anmerkung: Eigene Darstellung in Anlehnung an Bohley (2000), S. 580.<br />
HA<br />
Fehler / Irrtum 2. Art:<br />
P(H0│HA) = β<br />
richtige Entscheidung;<br />
P(HA│HA) = 1-β<br />
Eine übliche Konvention nennt Annahmen auf dem Signifikanzniveau von 5 % (d.h. α =<br />
0.05) als "signifikant", solche auf einem 1 % Level als "hoch signifikant", Annahmen auf dem<br />
10 %-Niveau immerhin noch als "schwach signifikant". 532 Das Signifikanzniveau wird für<br />
alle Auswertungen in dieser Forschungsarbeit auf 5 % festgelegt. Trotzdem werden in den<br />
Auswertungen Ergebnisse spezifisch gekennzeichnet, die nach üblicher Konvention bloss<br />
schwach oder aber hoch signifikant sind.<br />
5.2.6.2 Annahme- und Ablehnungsbereich H0<br />
Das Signifikanzniveau wiederum bestimmt die für den Hypothesentest kritischen Werte, welche<br />
den Ablehnungs- respektive Annahmebereich definieren. Diese Werte sind die sogenannten<br />
t-Werte und folgen einer <strong>St</strong>udent'schen t-Verteilung, die sich bei einer grossen Anzahl<br />
Beobachtungen einer <strong>St</strong>andardnormalverteilung angleicht. Der t-Wert ist definiert als der<br />
531 Für eine ausführliche Diskussion über die Wahl der Signifikanzniveaus und deren Einfluss auf die Versuchsanordnung<br />
wird auf die Ausführungen in der Literatur verwiesen (vgl. Bohley (2000), S. 568ff. sowie Diekmann (1997), S. 592ff.).<br />
532 Vgl. dazu Diekmann (1997), S. 594 sowie Bohley (2000), S. 572 oder Wooldridge (2003), S. 122.
Empirische Auswertungen 163<br />
Regressionskoeffizient βj dividiert durch den <strong>St</strong>andardfehler des entsprechenden Regressionskoeffizienten<br />
σβj und dient als Testgrösse für die Nullhypothese βj ≠ 0. 533<br />
Gleichung 52<br />
t<br />
β<br />
j<br />
=<br />
β<br />
σ<br />
j<br />
β<br />
j<br />
Der aus der Regression berechnete t-Wert tβj wird nun dem gemäss Signifikanzniveau α jeweils<br />
kritischen t-Wert tα gegenübergestellt (getestet), der aus Tabellen der t-Verteilung in<br />
statistischen Werken abgelesen werden kann. 534 Bei zweiseitigen Hypothesentests, bei welchen<br />
die Lage der alternativ zutreffenden Parameterwerte unklar ist, verteilt sich der Ablehnungsbereich<br />
je auf die "Enden" der Verteilung der <strong>St</strong>ichprobenwerte. In den Auswertungen<br />
dieser Forschungsarbeit werden entsprechend zweiseitige Hypothesentests durchgeführt und<br />
damit die Ablehnungs- respektive Annahmebereiche der Hypothese H0 folgendermassen bestimmt:<br />
Gleichung 53<br />
t t t j < < −<br />
α<br />
2<br />
β<br />
α<br />
2<br />
Ablehnungsbereich von H0<br />
Gleichung 54<br />
t > t j<br />
β<br />
α<br />
2<br />
Annahmebereich von H0<br />
In der vorliegenden Forschungsarbeit liegt der Fokus auf der unabhängigen Variablen, der<br />
Marktvolatilität (VSMI), womit ein t-Test zur Überprüfung der Signifikanz des Einflusses der<br />
Regressionskoeffizienten auf die abhängige Variable (Absatz SIP) geeignet ist. Die kritischen<br />
t-Werte tα für die empirischen Auswertungen betragen für das 1 %-Level 2.576 (hoch signifikant),<br />
für das 5 %-Level 1.96 (signifikant) und für das 10 %-Level 1.645 (schwach signifikant).<br />
Bei Hypothesentests stehen neben dem t-Test weitere statistische Testverfahren zur Verfügung,<br />
so beispielsweise der F-Test, der nach demselben Prinzip wie der t-Test funktioniert,<br />
aber mehrere Variablen zusammen auf die entsprechende Nullhypothese zu testen vermag.<br />
Beim Testen bloss einer Variablen entspricht das Ergebnis des F-Tests dem quadrierten Ergebnis<br />
des t-Tests. 535 Für weitere Testformen von Hypothesen wird an dieser <strong>St</strong>elle auf die<br />
bereits zitierte Fachliteratur verwiesen.<br />
533 Vgl. bspw. Bohley (2000), S. 415ff. oder auch <strong>St</strong>ier (1999), S. 246.<br />
534 Vgl. die tabellierten kritischen Werte der t-Verteilung beispielsweise in Wooldridge (2003), S. 817.<br />
535 Vgl. u.a. Bohley (2000), S. 613ff.
Empirische Auswertungen 164<br />
5.3 Empirische Ergebnisse<br />
Die empirischen Auswertungen über die Abhängigkeit des SIP-Absatzes von der Marktvolatilität<br />
werden nachfolgend dargestellt. Die Analysen erfolgten anhand der unter Abschnitt<br />
5.2.3.7 vorgestellten Regressionsgleichung (Gleichung 49).<br />
Absatz β β β β + ε<br />
t = 0 + 1VSMI<br />
t + 2TRENDt<br />
+ 3 Absatzt<br />
−1<br />
Beginnend mit den gemäss Abschnitt 5.2.5 und 5.2.6 definierten Hypothesentests 536 auf einer<br />
Art Gesamtebene, die einerseits alle Derivate zusammen, d.h. SIP und Warrants (SIP i.w.S.),<br />
als eine Gruppe, andererseits die Kategorien SIP i.e.S. und SIP i.w.S. je einzeln untersucht,<br />
folgen analoge Betrachtungen auf der Ebene der definierten, richtungsbezogenen Volatilitätsposition<br />
sowie schliesslich auf Produktebene, die jeweils die einzelnen Produkttypen der SIP<br />
gemäss der Typologie aus Kapitel 3.5.4 untersuchen. Die Analysen umfassen Auswertungen<br />
sowohl täglicher, wöchentlicher als auch monatlicher Periodizität, wobei die wöchentlichen<br />
und monatlichen Absatzdaten sich jeweils aus den Mittelwerten der täglichen Daten über die<br />
entsprechende Periode ergeben. 537 Eine Zusammenfassung und ein entsprechendes Fazit der<br />
empirischen Betrachtungen schliessen die Ausführungen ab. 538<br />
Die unter Abschnitt 5.2.3 beschriebenen Annahmen über die <strong>St</strong>örvariable wurden in den<br />
Auswertungen berücksichtigt und die dazugehörigen Tests durchgeführt. Die entsprechenden<br />
Testergebnisse lassen keine negativen Implikationen auf die Regressionsergebnisse (insbesondere<br />
auf die Regressionskoeffizienten und den dazugehörigen t-<strong>St</strong>atistiken) erkennen. Es<br />
wurde kein Verstoss gegen die Auflage keiner serieller Korrelation verzeichnet und nur vereinzelt<br />
Tendenzen zu Heteroskedastizität (v.a. bei Tagesdaten) registriert, die aber via White's<br />
Methode der heteroscedasticity-consistent covariance matrix ausgeglichen wurden. Zudem<br />
wurde bei Tagesdaten (und teilweise bei wöchentlich aggregierten Daten) die Annahme normalverteilter<br />
Residuen mehrmals verletzt, aber dank der grossen <strong>St</strong>ichprobe und damit des<br />
zentralen Grenzwertsatzes kann trotzdem von asymptotisch normal verteilten <strong>St</strong>örtermen ausgegangen<br />
werden. 539<br />
536<br />
Vgl. das Hypothesensystem nach Gleichung 50 und die Annahme- respektive Ablehnungsbereiche nach Gleichung 52<br />
resp. Gleichung 54.<br />
537 Vgl. die Anmerkungen über den <strong>St</strong>ichprobenumfang unter 5.2.4.<br />
538 In den Ausführungen wird ausschliesslich auf die t-<strong>St</strong>atistiken des Regressionskoeffizienten der Marktvolatilität (VSMI)<br />
fokussiert und jeweils ausdrücklich in eigenen Darstellungen tabellarisch gezeigt. Nicht zuletzt aus Gründen der Lesbarkeit<br />
wird bewusst darauf verzichtet, die detaillierten Ergebnisse der Regressionskoeffizienten aller Regressoren darzustellen<br />
und jede Tabelle mit einem Quellenverweis auf den Autor zu versehen. Die detaillierten Ergebnisse der Regressionsanalysen<br />
sind im Anhang aufgeführt.<br />
539 Vgl. dazu die Bemerkungen in Abschnitt 5.2.3.5 und die Verweise ebenda. Auf die durchgeführten Tests der beschriebenen<br />
Annahmen der <strong>St</strong>örvariablen wird hier nicht mehr weiter eingegangen. Die detaillierten Testergebnisse sind im Anhang<br />
aufgeführt.<br />
t
Empirische Auswertungen 165<br />
5.3.1 Gesamtabsatzebene<br />
Eine Betrachtung des Absatzes der aggregierten Absatzvolumina der verschiedenen SIP-<br />
Typen insgesamt sowie der Hebelprodukte respektive Warrants, welche in dieser Arbeit als<br />
strukturierte Produkte im weiteren Sinne (SIP i.w.S.) bezeichnet werden, soll Aufschluss darüber<br />
geben, ob diese Produkttypen auf hoch aggregierter <strong>St</strong>ufe überhaupt eine Abhängigkeit<br />
mit der Marktvolatilität aufweisen. Unter der Kategorie der Derivate werden alle strukturierten<br />
Produkte und Warrants zusammen subsummiert.<br />
5.3.1.1 Tägliche Daten<br />
Die Ergebnisse der Regressionsanalyse sind nachfolgend in Tabelle 17 aufgeführt und zeigen<br />
auf täglicher Datenbasis unterschiedliche Abhängigkeiten des Absatzes von der Marktvolatilität.<br />
Tabelle 17: Gesamtabsatzebene (tägliche Daten)<br />
Produkt - Typ VSMI 1<br />
Total Derivate<br />
Total Warrants<br />
Total SIP<br />
-302208<br />
(198984)<br />
2527386<br />
(1239944)<br />
92000<br />
(263322)<br />
t-<strong>St</strong>atistik 2 adj. R^2<br />
-1.519 0.63<br />
2.038 ** 0.62<br />
0.349 0.39<br />
n = 750<br />
***, ** und * bezeichnen signifikante Werte auf dem 1%-, 5%- und 10%-Niveau<br />
1<br />
Regressionskoeffizient des Regressors VSMI; <strong>St</strong>andardfehler in Klammern<br />
2<br />
t-<strong>St</strong>atistik berechnet mit White heteroscedasticity-consistent standard error<br />
Während sowohl für die strukturierten Produkte als auch für die Gesamtmenge der Derivate<br />
(SIP i.e.S. und SIP i.w.S.) keine signifikante Abhängigkeit von der Volatilität zu verzeichnen<br />
ist, zeigt die t-<strong>St</strong>atistik für die Warrants (SIP i.w.S.) signifikante Werte an. Die Nullhypothese<br />
H0, die einen Einfluss der Volatilität auf den Absatz unterstellt, kann für strukturierte Produkte<br />
verworfen werden, womit die Alternativhypothese HA und damit keine Abhängigkeit des<br />
SIP-Absatzes vom VSMI angenommen wird. Für die Produktgruppe der Warrants hingegen<br />
kann die Nullhypothese nicht verworfen werden, ein positiver Einfluss der Volatilität auf den<br />
Warrantabsatz wird auf signifikantem Niveau (5 % - Signifikanzniveau) nachgewiesen. Der<br />
Regressionskoeffizient 540 des VSMI deutet auch in der die SIP und Warrants umfassenden<br />
Oberkategorie der Derivate auf keinen Einfluss der Volatilität auf den Absatz hin. Die Nullhypothese<br />
kann verworfen werden, der Absatz ist unabhängig vom VSMI.<br />
Die adjustierten R^2 - Werte zeigen ein höheres Gütemass der Regression für die Warrants<br />
und die Derivate als für die strukturierten Produkte. Insgesamt scheinen die Gütemasse der<br />
540<br />
Der Wert der t-<strong>St</strong>atistik, der auf seine statistische Signifikanz untersucht wird, berechnet sich als Quotient aus Regressionskoeffizient<br />
und dessen <strong>St</strong>andardfehler.<br />
Beispiel t-Wert von "Total Derivate" in Tabelle 18: ( -936383) / (575108) = - 1.628
Empirische Auswertungen 166<br />
Regressionen relativ bescheiden zu sein, doch zeigen Vergleiche mit anderen empirischen<br />
<strong>St</strong>udien durchaus ähnliche Grössenordnungen von adjustierten R^2 - Werten. 541<br />
5.3.1.2 Wöchentliche Daten<br />
Tabelle 18 zeigt die Auswertungen auf wöchentlicher Datenbasis, die sich von den Ergebnissen<br />
der täglichen Auswertungen teils deutlich unterscheiden.<br />
Tabelle 18: Gesamtabsatzebene (wöchentliche Daten)<br />
Produkt - Typ VSMI 1<br />
Total Derivate<br />
Total Warrants<br />
Total SIP<br />
-936383<br />
(575108)<br />
1046513<br />
(644493)<br />
-99119<br />
(346033)<br />
t-<strong>St</strong>atistik 2 adj. R^2<br />
-1.628 0.82<br />
1.624 0.82<br />
-0.286 0.71<br />
n = 154<br />
***, ** und * bezeichnen signifikante Werte auf dem 1%-, 5%- und 10%-Niveau<br />
1<br />
Regressionskoeffizient des Regressors VSMI; <strong>St</strong>andardfehler in Klammern<br />
2<br />
t-<strong>St</strong>atistik berechnet mit White heteroscedasticity-consistent standard error<br />
Die t-<strong>St</strong>atistik zeigt für beide Produkttypen und ihrer Oberkategorie keine signifikanten Werte.<br />
Die Nullhypothese H0, die einen Einfluss der Volatilität auf den Absatz unterstellt, kann<br />
somit in der vorliegenden Periodizität nicht für strukturierte Produkte, sondern auch für Warrants<br />
und für das Total der Derivate verworfen werden. Damit wird die Alternativhypothese<br />
HA und damit keine Abhängigkeit des Absatzes von der Marktvolatilität VSMI für alle drei<br />
Produktgruppen angenommen.<br />
Die adjustierten R^2-Werte sind deutlich grösser als bei den täglichen Auswertungen, was auf<br />
einen verbesserten Fit des geschätzten Regressionsmodells mit ansteigender Datenperiodizität<br />
hinweist. Das Bestimmtheitsmass der Regression nimmt für die strukturierten Produkte stets<br />
noch den tiefsten Wert an, der Abstand zu den anderen Produktgruppen hat sich aber deutlich<br />
verkleinert im Vergleich zu den täglichen Daten.<br />
5.3.1.3 Monatliche Daten<br />
Die Ergebnisse der monatlichen Periodizität (Tabelle 19) erscheinen vergleichbar mit denjenigen<br />
der wöchentlichen Auswertungen.<br />
541 Vgl. die Untersuchungen von Upper, der in seinen Analysen über die Abhängigkeit der Umsätze von Optionen und Futures<br />
von der Marktvolatilität R^2-Werte zwischen 0.4 und 0.8 auswies, je nach Produkt und Periodizität (vgl. Upper<br />
(2005), S. 53).
Empirische Auswertungen 167<br />
Tabelle 19: Gesamtabsatzebene (monatliche Daten)<br />
Produkt - Typ VSMI 1<br />
Total Derivate<br />
Total Warrants<br />
Total SIP<br />
-2561916<br />
(1577089)<br />
1303548<br />
(2211711)<br />
-210661<br />
(634032)<br />
t-<strong>St</strong>atistik 2 adj. R^2<br />
-1.624 0.92<br />
0.589 0.92<br />
-0.332 0.90<br />
n = 35<br />
***, ** und * bezeichnen signifikante Werte auf dem 1%-, 5%- und 10%-Niveau<br />
1<br />
Regressionskoeffizient des Regressors VSMI; <strong>St</strong>andardfehler in Klammern<br />
2<br />
t-<strong>St</strong>atistik berechnet mit White heteroscedasticity-consistent standard error<br />
Es kann wiederum für alle drei Gruppen die Nullhypothese verworfen und damit via HA keine<br />
Volatilitätsabhängigkeit angenommen werden. Während die t-<strong>St</strong>atistik für die SIP und Warrants<br />
keine Zweifel aufkommen lassen, liegt der Wert für die Derivate wiederum knapp unter<br />
dem 10 % - Signifikanzlevel. Allerdings ist zu erwähnen, dass statistisch nicht signifikante<br />
Werte streng genommen keine Aussage zulassen über den Grad respektive das Mass der "Insignifikanz".<br />
Auf monatlicher Datenbasis nimmt das Gütemass der Regression je einen hohen Wert von ca.<br />
0.9 an. Insbesondere das adjustierte R^2 der SIP erreicht nun einen ähnlichen Wert wie die<br />
Warrants und die Derivate. Zudem bestätigt das weitere Ansteigen der Gütemasse die schon<br />
bei den wöchentlichen Daten angestellte Vermutung, dass das Regressionsmodell bei höherer<br />
Periodizität bessere Schätzergebnisse liefert.<br />
5.3.1.4 Zusammenfassung<br />
Die Analysen auf <strong>St</strong>ufe Gesamtabsatz, zusammengefasst in Tabelle 20, zeigen ambivalente<br />
Ergebnisse für die verschiedenen Produktgruppen. Während auf täglicher Basis eine positive<br />
Volatilitätsabhängigkeit der Warrants zu verzeichnen ist, die aufgrund der schon bekannten<br />
und unter Kapitel 4.1.1 vorgestellten vielfältigen Forschungsbemühungen in ähnlichen Gebieten<br />
zu erwarten war, widerspricht die Unabhängigkeit des Absatzes von der Volatilität auf<br />
wöchentlicher und monatlicher Basis einer Vielzahl von <strong>St</strong>udien. Vergleichbar mit den Erkenntnissen<br />
der <strong>St</strong>udie von Jeanneau/Micu kann hier ebenfalls von einer "wenig ausgeprägten"<br />
Beziehung gesprochen werden, auch wenn die Daten auf täglicher Basis eine klare,<br />
sprich signifikante Sprache sprechen. 542<br />
542 Vgl. Jeanneau/Micu (2003), S. 65f.
Empirische Auswertungen 168<br />
Tabelle 20: Übersicht Gesamtabsatzebene<br />
Produkt - Typ täglich 1<br />
wöchentlich 1<br />
monatlich 1<br />
Total Derivate -1.519 -1.628 -1.624<br />
Total Warrants 2.038 ** 1.624 0.589<br />
Total SIP 0.349 -0.286 -0.332<br />
n = 750 n = 154 n = 35<br />
***, ** und * bezeichnen signifikante Werte auf dem 1%-, 5%- und 10%-Niveau<br />
1<br />
t-<strong>St</strong>atistik berechnet mit White heteroscedasticity-consistent standard error<br />
Die Ergebnisse für die strukturierten Produkte sind hingegen eindeutig und über die drei verschiedenen<br />
Perioden konstant: Es ist statistisch gesehen kein Einfluss der Volatilität auf den<br />
Absatz der Produkte auszumachen. Ob generell der Absatz der strukturierten Produkte von<br />
der Volatilität unabhängig ist oder dies nur auf der Gesamtebene gilt, wird sich in den nachfolgenden<br />
Auswertungen der Produkte nach der Volatilitätsposition respektive auf Einzelproduktebene<br />
zeigen. Die Typologie der SIP hat gezeigt, dass die Gruppe der SIP bezüglich der<br />
Volatilitätsposition sehr heterogen ist und damit Auswertungen über die Volatilitätsabhängigkeit<br />
auf der Gesamtabsatzebene noch relativ wenig aussagekräftig sind.<br />
Der Absatz aller Derivate wiederum zeigt wie die strukturierten Produkte über alle untersuchten<br />
Periodizitäten Ergebnisse, welche die Nullhypothese verwerfen und damit keinen Einfluss<br />
der Marktvolatilität annehmen. Insgesamt scheinen zwar die Werte der t-<strong>St</strong>atistik des VSMI<br />
relativ konstant über die drei Periodizitäten zu sein, doch bei nicht signifikanten Ergebnissen<br />
sind diese – es sei hier noch einmal betont – als statistisch gesehen zufällig zu betrachten, was<br />
eine seriöse Interpretierbarkeit einzelner, nicht signifikanter Regressionskoeffizienten nicht<br />
erlaubt.<br />
5.3.2 Einzelne Volatilitätspositionen<br />
Die auf Basis der in den Produkten eingebetteten Optionen vorgenommene Typologie nach<br />
der Volatilitätsposition der strukturierten Produkte verlangt einerseits und erlaubt zugleich<br />
eine separate Betrachtung der Volatilitätsabhängigkeit der Produkte aufgrund ihrer Volatilitätsposition.<br />
Dabei werden die Volatilitätspositionen nur richtungweisend zugeordnet (positiv,<br />
negativ, neutral) und auf eine Quantifizierung davon verzichtet. 543 Die strukturierten Produkte<br />
werden hierbei spezifisch für jede der drei Volatilitätspositionen als eigene Untergruppe untersucht,<br />
um ihre Volatilitätsabhängigkeit auch losgelöst von den übrigen Derivaten resp.<br />
Warrants derselben Volatilitätsposition zu eruieren. In den Block der Long-Position fliessen<br />
zusätzlich die Daten von "plain vanilla Warrants" mitein, in denjenigen der Short-Position<br />
die Daten von "knock-out Warrants". Die Produktgruppe mit einer neutralen Volatilitätsposition<br />
setzt sich ausschliesslich mit strukturierten Produkten zusammen, womit die Unterkategorie<br />
"SIP NEUTRAL" identisch ist mit derjenigen aller Derivate mit neutraler Volatilitäts-<br />
543 Vgl. die Ausführungen in Kapitel 3.5.
Empirische Auswertungen 169<br />
ausrichtung. Die Darstellung in zwei Kategorien wurde aber im Sinne der Konsistenz und<br />
einfacheren Vergleichbarkeit mit den anderen Volatilitätspositionen gewählt.<br />
5.3.2.1 Tägliche Daten<br />
Die Resultate des Regressionsmodells auf täglicher Datenbasis liefern gemäss Tabelle 21 insbesondere<br />
für die strukturierten Produkte ein einheitliches Bild, unabhängig ihrer Volatilitätsposition.<br />
Es wird in allen drei Volatilitätspositionen kein Einfluss der Volatilität auf den Absatz<br />
nachgewiesen, die Nullhypothese also je deutlich verworfen.<br />
Tabelle 21: Einzelne Volatilitätspositionen (tägliche Daten)<br />
Volatilitätsposition VSMI 1<br />
LONG<br />
SIP LONG<br />
SHORT<br />
SIP SHORT<br />
NEUTRAL<br />
SIP NEUTRAL<br />
2011496<br />
(1045691)<br />
48572<br />
(90293)<br />
465637<br />
(411402)<br />
-209435<br />
(169330)<br />
-85050<br />
(108223)<br />
-85050<br />
(108223)<br />
t-<strong>St</strong>atistik 2 adj. R^2<br />
1.924 * 0.64<br />
0.538 0.46<br />
1.132 0.47<br />
-1.237 0.33<br />
-0.786 0.19<br />
-0.786 0.19<br />
n = 750<br />
***, ** und * bezeichnen signifikante Werte auf dem 1%-, 5%- und 10%-Niveau<br />
1<br />
Regressionskoeffizient des Regressors VSMI; <strong>St</strong>andardfehler in Klammern<br />
2<br />
t-<strong>St</strong>atistik berechnet mit White heteroscedasticity-consistent standard error<br />
Einzig für die Volatilitätspositon long, welche die plain vanilla Warrants beinhalten, zeigt der<br />
Regressionskoeffizient des VSMI im Verhältnis zum <strong>St</strong>andardfehler einen -allerdings<br />
schwach- signifikanten t-Wert, was angesichts der Ergebnissen der Gesamtabsatzebene zu<br />
erwarten war. Die Nullhypothese kann demzufolge für die Volatilitätsposition long nicht verworfen<br />
und damit eine positive Abhängigkeit des Absatzes von der Volatilität angenommen<br />
werden. Die Annahme erfolgt aber lediglich auf schwach signifikantem 10 % - Niveau, im<br />
Gegensatz zur signifikanten Annahme der Produktgruppe Warrants auf der Gesamtabsatzebene.<br />
Der Einbezug der knock-out Warrants in die short-Volatilitätsposition ändert nichts an der<br />
Ablehnung der Nullhypothese sowohl auf gesamter <strong>St</strong>ufe dieser Ausrichtung als auch rein auf<br />
die SIP bezogen.<br />
Die Bestimmtheitsmasse der Regressionen erreichen analog denjenigen auf der Gesamtabsatzebene<br />
insbesondere der SIP noch relativ bescheidene Werte. Die folgenden Analysen wöchentlicher<br />
und monatlicher Periodizitäten werden zeigen, ob das Regressionsmodell auch<br />
bezogen auf die Volatilitätspositionen mit zunehmender Periodizität höhere Gütemasse erreichen.
Empirische Auswertungen 170<br />
5.3.2.2 Wöchentliche Daten<br />
Die Auswertungen mit wöchentlichen Daten zeigen ein wenig verändertes Bild gegenüber<br />
denjenigen mit täglichen Daten (vgl. Tabelle 22). Die Nullhypothese kann wiederum für<br />
sämtliche Volatilitätspositionen der strukturierten Produkte verworfen und damit keine Volatilitätsabhängigkeit<br />
des SIP-Absatzes angenommen werden. Die t-<strong>St</strong>atistiken weisen ähnliche<br />
Werte auf wie auf täglicher Basis, wobei diese Anmerkung mit Vorbehalt zu verstehen ist,<br />
sind diese Werte doch allesamt nicht signifikant und damit statistisch gesehen zufälliger Natur.<br />
Bemerkenswert ist die deutliche Verbesserung des Regressionsmodells bezüglich dessen<br />
Güte gegenüber den täglichen Ergebnissen, welche in dieser Art schon in den Auswertungen<br />
auf Gesamtabsatzebene resultierte.<br />
Tabelle 22: Einzelne Volatilitätspositionen (wöchentliche Daten)<br />
Volatilitätsposition VSMI 1<br />
LONG<br />
SIP LONG<br />
SHORT<br />
SIP SHORT<br />
NEUTRAL<br />
SIP NEUTRAL<br />
33137<br />
(755767)<br />
68710<br />
(62869)<br />
698043<br />
(475404)<br />
-224357<br />
(183408)<br />
-191121<br />
(265712)<br />
-191121<br />
(265712)<br />
t-<strong>St</strong>atistik 2 adj. R^2<br />
0.044 0.82<br />
1.093 0.73<br />
1.468 0.67<br />
-1.223 0.67<br />
-0.719 0.46<br />
-0.719 0.46<br />
n = 154<br />
***, ** und * bezeichnen signifikante Werte auf dem 1%-, 5%- und 10%-Niveau<br />
1<br />
Regressionskoeffizient des Regressors VSMI; <strong>St</strong>andardfehler in Klammern<br />
2<br />
t-<strong>St</strong>atistik berechnet mit White heteroscedasticity-consistent standard error<br />
Die (schwache) Signifikanz der Produkte mit einer long-Volatilitätsposition, die in den täglichen<br />
Resultaten zu verzeichnen waren, ist in den wöchentlichen Daten verschwunden. Dies<br />
konnte zwar so erwartet werden, wies die Volatilität doch schon auf Gesamtabsatzebene nur<br />
auf täglicher Basis einen signifikanten Einfluss auf die Warrants auf, doch war nicht eindeutig,<br />
ob dies auch auf die plain vanilla Warrants zutreffen würde. Offensichtlich ist dem so<br />
oder aber ihr Gewicht gegenüber den SIP mit Volatilitätsposition long reicht nicht aus, um<br />
eine Signifikanz des VSMI gegenüber dem Absatz aufzuweisen. Die spezifischen Auswertungen<br />
auf Produktebene werden hierfür endgültig Klarheit bringen.<br />
5.3.2.3 Monatliche Daten<br />
Auf monatlicher Periodizität verleihen die Regressionsergebnisse für die Produkte neutraler<br />
Volatilitätsposition gewissermassen einen neuen Charakter. Die t-<strong>St</strong>atistik zeigt einen<br />
(schwach) signifikanten, negativen Zusammenhang des Absatzes dieser Produkte mit der Volatilität.<br />
Die Nullhypothese kann demzufolge für diese Produkttypen nicht verworfen werden.
Empirische Auswertungen 171<br />
Die Produktbetrachtung wird schliesslich zeigen, auf welchen SIP-Typ diese negative Volatilitätsabhängigkeit<br />
zurückzuführen ist. Klar ist lediglich, dass diese negative Abhängigkeit auf<br />
strukturierten Produkten basiert, da keine anderen Derivattypen, d.h. keine Warrants, mit<br />
neutraler Volatilitätsposition in der <strong>St</strong>ichprobe vorhanden sind.<br />
Tabelle 23: Einzelne Volatilitätspositionen (monatliche Daten)<br />
Volatilitätsposition VSMI 1<br />
LONG<br />
SIP LONG<br />
SHORT<br />
SIP SHORT<br />
NEUTRAL<br />
SIP NEUTRAL<br />
1583731<br />
(1984330)<br />
76578<br />
(91315)<br />
813892<br />
(528121)<br />
100816<br />
(258371)<br />
-591295<br />
(345792)<br />
-591295<br />
(345792)<br />
t-<strong>St</strong>atistik 2 adj. R^2<br />
0.798 0.90<br />
0.839 0.87<br />
1.541 0.85<br />
0.390 0.86<br />
-1.710 * 0.76<br />
-1.710 * 0.76<br />
n = 35<br />
***, ** und * bezeichnen signifikante Werte auf dem 1%-, 5%- und 10%-Niveau<br />
1<br />
Regressionskoeffizient des Regressors VSMI; <strong>St</strong>andardfehler in Klammern<br />
2<br />
t-<strong>St</strong>atistik berechnet mit White heteroscedasticity-consistent standard error<br />
Daneben zeigen die Resultate in Tabelle 23 für den Absatz der anderen Volatilitätspositionen<br />
long und short sowohl auf Ebene der strukturierten Produkte als auch mit Einbezug der Warrants<br />
keine Volatilitätsabhängigkeiten, d.h. die Nullhypothese wird je verworfen.<br />
Die adjustierten R^2 erreichen auch anlässlich Auswertungen der einzelnen Volatilitätspositionen<br />
die höchsten Werte auf monatlicher Basis, analog der Ergebnisse auf Gesamtabsatzebene.<br />
Das geschätzte Regressionsmodell scheint demnach, mit zunehmender Länge der Periodizitäten<br />
genauere Schätzwerte zu liefern. Es wird zu zeigen sein, ob sich dies auch auf <strong>St</strong>ufe<br />
der Einzelprodukte so verhält.<br />
5.3.2.4 Zusammenfassung<br />
Die Regressionsergebnisse geordnet nach der Volatilitätsposition der Produktgruppen geben<br />
wenige Hinweise auf eine Volatilitätsabhängigkeit des Absatzes von strukturierten Produkten<br />
im Speziellen und von Derivaten im Allgemeinen wie der Übersicht in Tabelle 24 zu entnehmen<br />
ist. Der Absatz strukturierter Produkte zeigt lediglich für Produkttypen mit neutraler Volatilitätsposition<br />
auf monatlicher Basis eine schwach signifikante, negative Beziehung mit der<br />
Marktvolatilität. Dass ausgerechnet die gegenüber der Volatilität neutral strukturierten Produkte<br />
eine Volatilitätsabhängigkeit aufweisen, erscheint hier etwas grotesk und wird in der<br />
Beurteilung der Forschungsergebnisse noch detailliert zur Sprache kommen.
Empirische Auswertungen 172<br />
Für die übrigen SIP-Typen gilt es über alle drei Periodizitäten genauso wie für die SIP mit<br />
neutraler Volatilitätsausrichtung für die tägliche und wöchentliche Basis, die Nullhypothese<br />
einer Volatilitätsabhängigkeit zu verwerfen.<br />
Tabelle 24: Übersicht einzelne Volatilitätspositionen<br />
Volatilitätsposition täglich 1 wöchentlich 1 monatlich 1<br />
LONG 1.924 * 0.044 0.798<br />
SIP LONG 0.538 1.093 0.839<br />
SHORT 1.132 1.468 1.541<br />
SIP SHORT -1.237 -1.223 0.390<br />
NEUTRAL -0.786 -0.719 -1.710 *<br />
SIP NEUTRAL -0.786 -0.719 -1.710 *<br />
n = 750 n = 154 n = 35<br />
***, ** und * bezeichnen signifikante Werte auf dem 1%-, 5%- und 10%-Niveau<br />
1<br />
t-<strong>St</strong>atistik berechnet mit White heteroscedasticity-consistent standard error<br />
Der Einfluss der Warrants auf die einzelnen Gesamtvolatilitätspositionen scheint trotz ihres<br />
grossen Datenanteils an der <strong>St</strong>ichprobe relativ bescheiden zu sein. Zwar verzeichnen die Produkte<br />
mit Volatilitätsposition long inklusive der plain vanilla Warrants eine schwache, positive<br />
Signifikanz auf täglicher Basis, was allerdings angesichts einer signifikant positiven Abhängigkeit<br />
der Warrants auf täglicher Basis in der Gesamtabsatzebene zumindest zu erwarten<br />
war. Gleichwohl bleibt der Einfluss der plain vanilla Warrants noch undeutlich, genauso wie<br />
derjenige der knock-out Warrants auf die Volatilitätsposition short, da in dieser Untergruppe<br />
inklusive der SIP über jede Periodizität keine Abhängigkeiten des Produktabsatzes vom<br />
VSMI festegestellt wurde. Die Auswertungen auf der Produktebene wird die Rolle der beiden<br />
Warrant-Typen noch genauer spezifizieren und Aufschluss darüber geben, ob und wie sich<br />
deren Absatzverhalten gegenüber der Volatilität unterscheiden.<br />
5.3.3 Produktebene<br />
Nach Analysen der Gesamtabsatzebene und der einzelnen Volatilitätspositionen werden die<br />
Ergebnisse weiter bis auf Einzelproduktebene hinuntergebrochen, mit dem Ziel, die Erkenntnisse<br />
der aggregierten Auswertungen einzelnen Produkttypen oder auch Produktgruppen zuzuordnen.<br />
Die einzelnen Produkte werden analysiert und deren Ergebnisse separat ausgewiesen.<br />
Die Volatilitätsposition der einzelnen Produkttypen wird nicht mehr explizit in den Ergebnistabellen<br />
genannt, doch bleiben diese durch eine optische Trennung erkennbar, die sich<br />
an der Gruppierung der aggregierten Auswertungsebenen orientieren. Dies wurde so gewählt,<br />
um die Einzelprodukte in den Fokus zu rücken. Trotzdem werden die Einzelergebnisse jeweils<br />
in den Kontext der vorhergehenden Auswertungen gestellt.
Empirische Auswertungen 173<br />
5.3.3.1 Tägliche Daten<br />
Die in Tabelle 25 zusammengefassten Resultate für die einzelnen strukturierten Produkte bestätigen<br />
die in den vorgehenden Regressionen erhaltenen Befunde, wonach auf tägliche Basis<br />
keine Volatilitätsabhängigkeit des SIP-Absatzes zu eruieren ist. Die Nullhypothese kann für<br />
jedes einzelne strukturierte Produkt verworfen werden. Die t-<strong>St</strong>atistiken zeigen da eindeutig<br />
keine signifikanten Werte, wobei die Ergebnisse insofern etwas mit Vorsicht zu geniessen<br />
sind, da die Bestimmtheitsmasse einzelner Produkte (v.a. der Discount-Zertifikate und Tracker-Zertifikate)<br />
relativ niedrige Werte aufweisen. Die bisherigen Auswertungen haben jedoch<br />
auf täglicher Datenbasis stets relativ tiefe Gütemasse des Regressionsmodells gezeigt,<br />
wobei das Modell auf wöchentlicher und insbesondere monatlicher Datenbasis wiederum relativ<br />
hohe adjustierte R^2-Werte erreichte.<br />
Tabelle 25: Produktebene (tägliche Daten)<br />
Produkt - Typ VSMI 1<br />
Kapitalschutz-P. ohne Cap<br />
Outperformance-Zertifikate<br />
plain vanilla Warrants<br />
Reverse Convertibles<br />
Discount-Zertifikate<br />
Knock-out Warrants<br />
Tracker-Zertifikate<br />
Kapitalschutz-P. mit Cap<br />
-21<br />
(228)<br />
62808<br />
(80559)<br />
1917044<br />
(868560)<br />
-122153<br />
(148282)<br />
-148205<br />
(128052)<br />
942931<br />
(450591)<br />
-86347<br />
(194221)<br />
-1194<br />
(8780)<br />
t-<strong>St</strong>atistik 2 adj. R^2<br />
-0.093 0.33<br />
0.780 0.33<br />
2.207 ** 0.60<br />
-0.824 0.38<br />
-1.157 0.05<br />
2.093 ** 0.48<br />
-0.445 0.16<br />
-0.136 0.65<br />
n = 750<br />
***, ** und * bezeichnen signifikante Werte auf dem 1%-, 5%- und 10%-Niveau<br />
1<br />
Regressionskoeffizient des Regressors VSMI; <strong>St</strong>andardfehler in Klammern<br />
2 t-<strong>St</strong>atistik berechnet mit White heteroscedasticity-consistent standard error<br />
Für beide Warranttypen kann die Nullhypothese nicht verworfen werden, die Regressionskoeffizienten<br />
des VSMI deuten je eine signifikante, positive Abhängigkeit (auf einem 5 % - Niveau)<br />
des Absatzes von der Volatilität an. Damit ist auch klar, dass die auf der Gesamtabsatzebene<br />
verzeichnete signifikante, positive Volatilitätsabhängigkeit des gesamten Warrantabsatzes<br />
auf beiden Warranttypen gleichermassen basiert, auch wenn die plain vanilla Warrants<br />
einen Grossteil der Daten in der Datenbasis der <strong>St</strong>ichprobe stellt. 544 Bemerkenswert ist jedoch,<br />
dass für beide Warranttypen eine positive Abhängigkeit resultiert, obwohl plain vanilla<br />
544 Vgl. die quantitative Auswertung der Datenbasis in Abschnitt 5.1.3.
Empirische Auswertungen 174<br />
(positiv) respektive knock-out (negativ) Warrants eine genau gegenläufige Volatilitätsposition<br />
aufweisen. Diese Erkenntnis wird in Kapitel 6 wieder aufgenommen.<br />
5.3.3.2 Wöchentliche Daten<br />
Auf wöchentlicher Datenbasis wird lediglich für das strukturierte Produkt der Discount-<br />
Zertifikate eine Abhängigkeit des Absatzes und des VSMI registriert. Allerdings erreicht die<br />
t-<strong>St</strong>atistik nur einen schwach signifikanten Wert auf einem 10 % - Signifikanzniveau und<br />
zeigt einen negativen Zusammenhang zwischen dem Absatz von Discount-Zertifikaten und<br />
der Marktvolatilität an. Zu beachten ist zudem, dass das adjustierte R^2 für die Auswertungen<br />
der Discount-Zertifikate einen äusserst geringen Wert aufweist und demnach das Ergebnis<br />
eher zurückhaltend zu kommentieren ist. Es ist auffällig, dass für Discount-Zertifikate das<br />
geschätzte Regressionsmodell nur Resultate mit sehr tiefem Bestimmtheitsmass liefert, wohingegen<br />
die Güte des Modells für die anderen Produkte ein relativ hohes Niveau erreicht.<br />
Tabelle 26: Produktebene (wöchentliche Daten)<br />
Produkt - Typ VSMI 1<br />
Kapitalschutz-P. ohne Cap<br />
Outperformance-Zertifikate<br />
plain vanilla Warrants<br />
Reverse Convertibles<br />
Discount-Zertifikate<br />
Knock-out Warrants<br />
Tracker-Zertifikate<br />
Kapitalschutz-P. mit Cap<br />
25248<br />
(28239)<br />
48394<br />
(47126)<br />
123785<br />
(662194)<br />
-175878<br />
(173643)<br />
-97270<br />
(57892)<br />
339684<br />
(225796)<br />
-225280<br />
(190156)<br />
-1194<br />
(7203)<br />
t-<strong>St</strong>atistik 2 adj. R^2<br />
0.894 0.67<br />
1.027 0.66<br />
0.187 0.80<br />
-1.013 0.69<br />
-1.680 * 0.15<br />
1.504 0.61<br />
-1.185 0.46<br />
-0.166 0.79<br />
n = 154<br />
***, ** und * bezeichnen signifikante Werte auf dem 1%-, 5%- und 10%-Niveau<br />
1<br />
Regressionskoeffizient des Regressors VSMI; <strong>St</strong>andardfehler in Klammern<br />
2<br />
t-<strong>St</strong>atistik berechnet mit White heteroscedasticity-consistent standard error<br />
Die Ergebnisse in Tabelle 26 lassen erkennen, dass für die übrigen strukturierten Produkte<br />
und für beide Warranttypen ausnahmslos die Nullhypothese verworfen und die Alternativhypothese<br />
angenommen wird. Mit der beschriebenen Ausnahme der Discount-Zertifikate sind<br />
die Handelsumsätze der strukturierten Produkte und der Warrants auf <strong>St</strong>ufe Einzelprodukt<br />
allesamt unabhängig von der Marktvolatilität. Diese Ergebnisse entsprechen den gewonnenen<br />
Erkenntnissen aus den Auswertungen auf der Gesamtabsatzebene und der <strong>St</strong>ufe der einzelnen<br />
Volatilitätspositionen.<br />
In den Kommentaren zu den Regressionsergebnissen auf der Ebene der Volatilitätsposition<br />
blieb die Frage offen, ob der Absatz von plain vanilla Warrants eventuell doch signifikant von<br />
der Volatilität abhinge. Diese Frage kann hiermit definitiv beantwortet werden, die Nullhypo-
Empirische Auswertungen 175<br />
these eines Einflusses der Volatilität auf den angesprochenen Warrantabsatz kann verworfen<br />
werden.<br />
5.3.3.3 Monatliche Daten<br />
Die Regressionsergebnisse mit monatlichen Daten (vgl. Tabelle 27) zeigen wiederum für Discount-Zertifikate<br />
und dazu noch für den SIP-Typ der Tracker-Zertifikate je eine schwach signifikante,<br />
negative Beziehung zwischen Absatz und Volatilität. Die Tracker-Zertifikate sind<br />
gemäss der quantitativen Auswertung der Datenbasis 545 das bedeutendste strukturierte Produkt<br />
des Typ mit einer neutralen Volatilitätsposition und demnach auch der bestimmende<br />
Faktor für die auf der Ebene der Volatilitätspositionen verzeichneten (schwach) signifikanten<br />
Abhängigkeit zwischen dem Absatz der volatilitätsneutralen Produkte und dem VSMI. Das<br />
andere strukturierte Produkt dieses SIP-Typs, das Kapitalschutzprodukt mit Cap, zeigt keine<br />
Abhängigkeit, d.h. die Nullhypothese wird verworfen. Auf aggregierter <strong>St</strong>ufe der einzelnen<br />
Volatilitätspositionen werden die Werte der Kapitalschutzprodukte mit Cap von denjenigen<br />
der Tracker-Zertifikate dominiert.<br />
Tabelle 27: Produktebene (monatliche Daten)<br />
Produkt - Typ VSMI 1<br />
Kapitalschutz-P. ohne Cap<br />
Outperformance-Zertifikate<br />
plain vanilla Warrants<br />
Reverse Convertibles<br />
Discount-Zertifikate<br />
Knock-out Warrants<br />
Tracker-Zertifikate<br />
Kapitalschutz-P. mit Cap<br />
92885<br />
(52985)<br />
35352<br />
(49831)<br />
349119<br />
(1739059)<br />
315546<br />
(291795)<br />
-248089<br />
139030<br />
693206<br />
(501011)<br />
-494161<br />
(255729)<br />
-41941<br />
(33253)<br />
t-<strong>St</strong>atistik 2 adj. R^2<br />
1.092 0.87<br />
0.709 0.70<br />
0.201 0.89<br />
1.081 0.88<br />
-1.784 * 0.41<br />
1.384 0.69<br />
-1.932 * 0.74<br />
-1.261 0.78<br />
n = 35<br />
***, ** und * bezeichnen signifikante Werte auf dem 1%-, 5%- und 10%-Niveau<br />
1<br />
Regressionskoeffizient des Regressors VSMI; <strong>St</strong>andardfehler in Klammern<br />
2<br />
t-<strong>St</strong>atistik berechnet mit White heteroscedasticity-consistent standard error<br />
Bei den übrigen strukturierten Produkten sowie den beiden Warranttypen wird je die Nullhypothese<br />
verworfen, womit keine Volatilitätsabhängigkeit ihrer Absatzvolumina nachgewiesen<br />
wird. Bei den Warrants sowie den strukturierten Produkten mit Volatilitätsposition long<br />
stimmt diese Erkenntnis mit den Erfahrungen der Auswertungen der aggregierten <strong>St</strong>ufen überein.<br />
Ebenso verhält es sich mit dem Produkt Reverse Convertibles, einem SIP-Typ mit<br />
Volatilitätsposition short. Reverse Convertibles sind materiell identisch mit den Discount-<br />
Zertifi-katen, die <strong>St</strong>rukturierung und die Produktkomponenten sind zwar verschieden, die<br />
545 Vgl. die Auswertungen unter Abschnitt 5.1.3.
Empirische Auswertungen 176<br />
Auszahlungsstruktur und das Risikoprofil sind hingegen letztlich identisch. 546 Umso erstaunlicher<br />
sind die sehr unterschiedlichen Auswertungsergebnisse ihrer Absatzdaten. Während für<br />
den Absatz der Discount-Zertifikate sowohl auf wöchentlicher als auch monatlicher Basis ein<br />
negativer Zusammenhang mit der Volatilität resultierte, zeigten die Absatzwerte der Reverse<br />
Convertibles über jegliche Periodizität keinen Zusammenhang mit der Volatilität. Die Ergebnisse<br />
auf <strong>St</strong>ufe Volatilitätsposition zeigen ebenfalls keine Abhängigkeit des Absatzes mit dem<br />
VSMI. Dies bedeutet, dass die Reverse Convertibles die wichtigere Rolle am Markt spielen,<br />
was sich ferner in deren Präsenz in der Datenbasis der <strong>St</strong>ichprobe widerspiegelt. 547<br />
Eine Beurteilung der je negativen Richtung der Volatilitätsabhängigkeit des Absatzes des<br />
volatilitätsneutralen Tracker-Zertifikates und des gegenüber der Volatilität eine short-Position<br />
aufweisenden Discount-Zertifikats wird in Kapitel 6 vorgenommen.<br />
Die Bestimmtheitsmasse nehmen auch auf <strong>St</strong>ufe der Einzelprodukte tendenziell über eine<br />
längere Periodizität zu, wie es schon auf der <strong>St</strong>ufe der Gesamtabsatzebene und der einzelnen<br />
Volatilitätspositionen zu beobachten war. Die adjustierten R^2-Werte der Einzelprodukte sind<br />
allerdings etwas volatiler und nicht alle erhöhen mit zunehmender Periodenlänge des betrachteten<br />
Datensets ihre Güte. Dazu weisen einige Produkte insbesondere für kürzere Zeitfenster<br />
relativ tiefe R^2-Werte auf, was insbesondere für den Produkttyp der Discount-Zertifikate<br />
gilt.<br />
5.3.3.4 Zusammenfassung<br />
Die Ergebnisse des Regressionsmodells auf Produktebene untermauern mehrheitlich die gewonnen<br />
Erkenntnisse auf den <strong>St</strong>ufen der Gesamtabsatzebene und der einzelnen Volatilitätsposition<br />
(vgl. Tabelle 28). Mehrheitlich wird die Nullhypothese, die einen Einfluss der Volatilität<br />
auf den Produktabsatz unterstellt, verworfen, unabhängig vom betrachteten Zeitraum.<br />
Auf täglicher Basis zeigen sich die signifikanten Ergebnisse der Warrants konsistent mit den<br />
vorwiegend in der Literatur gefundenen positiven Zusammenhänge zwischen Derivaten (v.a.<br />
Optionen und Futures) und der Volatilität. 548 Auf wöchentlicher und monatlicher Basis hingegen<br />
verschwinden diese Abhängigkeiten und bestätigen damit direkt die Erkenntnisse einer<br />
BIZ-<strong>St</strong>udie von Jeanneau/Micu, die ebenfalls auf täglicher Basis eine Abhängigkeit festgestellt<br />
haben, die sich in monatlichen Daten nicht mehr zeigte. 549<br />
546<br />
Vgl. die Zerlegung der Produkte in ihre Komponenten und die Ausführungen zur <strong>St</strong>rukturierung der Produkte in den<br />
Kapiteln 3.4 und 3.5.<br />
547 Vgl. die quantitative Auswertungen der Datensätze in Abschnitt 5.1.3, welche Tracker-Zertifikate und Reverse Convertibles<br />
als die bedeutendsten, da am meisten vertretenen strukturierten Produkte hervorheben.<br />
548 Vgl. dazu die Ausführungen zu den Forschungsarbeiten in diesem Bereich unter Kapitel 4.1.1.<br />
549 Vgl. Jeanneau/Micu (2003). Im Gegensatz dazu verfasste Upper ebenfalls im Auftrag der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich<br />
eine neuere <strong>St</strong>udie, die wiederum auf monatlicher Datenbasis eine positive Abhängigkeit der Optionen<br />
mit der Marktvolatilität zeigten (vgl. Upper (2005). Vgl. weiter die Ausführung dazu in Kapitel 4.1.1.
Empirische Auswertungen 177<br />
Tabelle 28: Übersicht Produktebene<br />
Produkt - Typ täglich 1 wöchentlich 1 monatlich 1<br />
Kapitalschutz-P. ohne Cap -0.093 0.894 1.092<br />
Outperformance-Zertifikate 0.780 1.027 0.709<br />
plain vanilla Warrants 2.207 ** 0.187 0.201<br />
Reverse Convertibles -0.824 -1.013 1.081<br />
Discount-Zertifikate -1.157 -1.680 * -1.784 *<br />
knock-out Warrants 2.093 ** 1.504 1.384<br />
Tracker-Zertifikate -0.445 -1.185 -1.932 *<br />
Kapitalschutz-P. mit Cap -0.136 -0.166 -1.261<br />
n = 750 n = 154 n = 35<br />
***, ** und * bezeichnen signifikante Werte auf dem 1%-, 5%- und 10%-Niveau<br />
1<br />
t-<strong>St</strong>atistik berechnet mit White heteroscedasticity-consistent standard error<br />
Die Ergebnisse der einzelnen strukturierten Produkte weisen mehrheitlich und unabhängig der<br />
betrachteten Periodizitäten auf keinen Zusammenhang ihres Absatzes mit der Volatilität hin.<br />
Lediglich Discount-Zertifikate, jeweils auf wöchentlicher und monatlicher Datenbasis, sowie<br />
Tracker-Zertifikate, ihrerseits allein auf monatlicher Basis, zeigen auf schwachem Signifikanzniveau<br />
Abhängigkeiten, wobei insbesondere die Ergebnisse der Discount-Zertifikate nur<br />
über ein relativ tiefes Gütemass verfügen. Insgesamt kann hier aber festgehalten werden, dass<br />
die Nullhypothese, die eine Abhängigkeit des Absatzes der strukturierten Produkte von der<br />
Marktvolatilität unterstellt, klar verworfen werden muss.<br />
5.3.4 Relative Volatilitätsabhängigkeit<br />
In erster Linie wird in der Forschungsarbeit untersucht, ob überhaupt ein Zusammenhang zwischen<br />
der Volatilität und dem Absatz der strukturierten Produkte existiert, egal welcher Art<br />
oder Richtung. Das theoretische Absatzmodell, das zu einem gegebenen Zeitpunkt auf einer<br />
bestimmten Volatilitätserwartung basiert, wird folglich dahingehend getestet, ob auf Basis der<br />
Volatilität überhaupt auf den Absatz der Produkte geschlossen werden kann. Diese Volatilitätsabhängigkeit<br />
wird hier als absolut bezeichnet, da für beide Variablen nur je die absolute<br />
Entwicklung über den entsprechenden Beobachtungszeitraum in die Analyse mit einbezogen<br />
wird.<br />
Ergänzt werden die empirischen Untersuchungen nun mit einer Analyse über eine relative<br />
Abhängigkeit des Absatzvolumens von der Marktvolatilität. Damit wird versucht, eine noch<br />
engere Beziehung mit den Absatzerwartungen und Investitionsempfehlungen des theoretischen<br />
Absatzmodells dieser Forschungsarbeit herzustellen und dieses Modell von einem wei-
Empirische Auswertungen 178<br />
teren Blickwinkel zu testen. 550 In der Analyse geht es nun nicht mehr um den Zusammenhang<br />
absoluter Beträge der abhängigen und unabhängigen Variablen zu einem gewissen Zeitpunkt,<br />
sondern um die Veränderungen der Variablen gegenüber der jeweiligen Vorperiode. Die<br />
durchschnittliche Volatilität der Vorperiode definiert dabei den relevanten Mittelwert (Mean),<br />
der als Richtwert zukünftiger Volatilitätsentwicklungen basierend auf der Annahme der Mean<br />
Reversion der Volatilität dient. Deshalb wird die Analyse nur mit monatlichen Werten durchgeführt,<br />
um die Vergleiche hinsichtlich eines durchschnittlichen Monatswerts vornehmen zu<br />
können und nicht basierend auf womöglich zufällig schwankenden Tagesdaten, die als Richtwert<br />
für den Folgetag wohl nur beschränkte Aussagekraft haben. 551 Mit monatlichen Werten<br />
wird auch der Tendenz des Clusterings 552 der Volatilität Rechnung getragen, welche so eher<br />
ausgeglichen werden als mit täglichen Daten.<br />
Wie im theoretischen Absatzmodell ausführlich hergeleitet wird je nach <strong>St</strong>and der Volatilität<br />
eine Volatilitätsveränderung erwartet, die wiederum eine Investitionsempfehlung impliziert<br />
und damit eine entsprechende erwartete Absatzveränderung der Produkte. Die auf den Investitionsempfehlungen<br />
basierenden Absatzerwartungen des theoretischen Modells können mittels<br />
der Analyse der relativen Volatilitätsabhängigkeit an der Empirie getestet werden. Es<br />
wird noch einmal herausgestrichen, dass die Erwartungen bezüglich der Veränderungen lediglich<br />
richtungsbezogener (positiv, neutral, negativ) und nicht quantitativer Natur sind.<br />
5.3.4.1 Nullhypothese<br />
Die Nullhypothese der Analyse der relativen Volatilitätsabhängigkeit unterstellt folglich einen<br />
Einfluss der Veränderung der unabhängigen Variablen gegenüber ihrer Vorperiode, d.h.<br />
Delta VSMI, auf die Veränderung der abhängigen Variablen gegenüber derselben Vorperiode,<br />
d.h. Delta Absatz. Konkret wird der Einfluss der Veränderung der Marktvolatilität auf die<br />
Veränderung des Absatzes der strukturierten Produkte untersucht. Die Nullhypothese wird<br />
mit der entsprechenden Alternativhypothese analog der Gleichung 50 gebildet, d.h. H0: β1≠0<br />
unterstellt einen Einfluss von Delta VSMI auf Delta Absatz.<br />
Die Nullhypothesen werden analog der Untersuchungen der absoluten Volatilitätsabhängigkeit<br />
auf Basis der Grundgesamtheit aller verbrieften Derivate sowie auf einzelner einerseits<br />
nach Volatilitätsposition und andererseits nach Produkttyp definierten Teilgesamtheiten anhand<br />
einer Regressionsanalyse getestet. Die Teilgesamtheiten wiederum orientieren sich an<br />
der in dieser Arbeit unter Abschnitt 3.5 hergeleiteten Typologie. Die Analysen werden anhand<br />
der unter Abschnitt 5.2.4 beschriebenen <strong>St</strong>ichprobe durchgeführt.<br />
Die Ergebnisse werden nicht in demselben Detaillierungsgrad dargestellt und kommentiert<br />
wie diejenigen des Regressionsmodells der absoluten Volatilitätsveränderung, sondern anhand<br />
einer Gesamtbetrachtung, die mit Erklärungen der wichtigsten Befunde angereichert<br />
550<br />
Vergleiche die Überlegungen in Kapitel 4.3, insbesondere Abschnitt 4.3.3 sowie illustrativ Abbildung 34 und Abbildung<br />
35.<br />
551 Vgl. die Bemerkungen über die geeignete Wahl der Periode für den Mittelwert im theoretischen Modell unter Abschnitt<br />
4.3. Für Ausführungen zu Levels (bzgl. Niveauhöhe) der Volatilität sowie zu langfristigen Entwicklungen und womöglichen<br />
Volatilitätsregimewechseln vgl. Abschnitt 2.3.1 respektive 2.4.2<br />
552 Vgl. die Ausführungen über die Eigenschaften der Volatilität in Kapitel 2.4.
Empirische Auswertungen 179<br />
sind. Dabei wird insbesondere auf Resultate fokussiert, die bestätigende, relativierende respektive<br />
widersprechende Beurteilungen der gewonnenen Einsichten aus den Untersuchungen<br />
der absoluten Volatilitätsabhängigkeit erlauben.<br />
5.3.4.2 Regressionsmodell<br />
In der Analyse der relativen Volatilitätsabhängigkeit wird die Regressionsgleichung analog<br />
derjenigen der Untersuchung der absoluten Volatilitätsabhängigkeit geschätzt: 553<br />
Gleichung 55<br />
DeltaAbsatz β β<br />
β<br />
+ ε<br />
t = 0 + 1DeltaVSMI<br />
t + 2DeltaTRENDt<br />
t für t = 1, 2, …, n; wobei<br />
• Delta Absatz entspricht der Veränderung des Absatzes von strukturierten Produkten<br />
gegenüber der Vorperiode, d.h. Delta Absatzt = Absatzt – Absatzt-1<br />
• Delta VSMI entspricht der Veränderung der Marktvolatilität gegenüber der Vorperiode,<br />
d.h. Delta VSMIt = VSMIt – VSMIt-1<br />
• β0 = Konstante<br />
• βk = Regressionskoeffizient<br />
• β1 = Regressionskoeffizient, der den Einfluss der Veränderung der Marktvolatilität auf<br />
die Veränderung des Absatzes misst<br />
• Delta TREND als <strong>St</strong>eigung des deterministischen Zeittrends 554<br />
• εt = Fehlerterm, <strong>St</strong>örvariable<br />
Die in Abschnitt 5.2.3 beschriebenen Voraussetzungen und Annahmen gelten analog für dieses<br />
Regressionsmodell. 555<br />
5.3.4.3 Regressionsergebnisse<br />
Die mit den Auswertungen der relativen Abhängigkeit des Absatzes von der Marktvolatilität<br />
einhergehenden Einsichten bestätigen weitestgehend die schon im Rahmen der Untersuchungen<br />
der absoluten Volatilitätsabhängigkeit des Produktabsatzes gewonnenen Erkenntnisse.<br />
Die Nullhypothese kann auf allen Gesamtabsatzebenen und Volatilitätspositionen sowie für -<br />
mit einer einzigen Ausnahme- sämtliche Einzelprodukte verworfen werden. Einen Einfluss<br />
der Volatilität kann folglich sowohl für die strukturierten Produkte als auch für die Warrants<br />
und den Gesamtderivatabsatz nicht festgestellt, d.h. statistisch verworfen werden (vgl. Tabelle<br />
29). Die einzige Ausnahme betrifft den SIP-Typ des Discount-Zertifikats, der die Nullhypothese<br />
nicht zu verwerfen vermag, sondern einen schwach signifikanten, negativen Einfluss<br />
des VSMI auf den Produktabsatz verzeichnet (auf einem 10 % - Signifikanzniveau).<br />
553 Der Lag-Faktor wurde entfernt, da in der Betrachtung der relativen Veränderung der Variablen gegenüber der jeweiligen<br />
Vorperiode diese entsprechend schon berücksichtig ist (vgl. Gleichung 49).<br />
554 Vgl. Abschnitt 5.2.2.1 und die Bemerkungen in Fussnote 525.
Empirische Auswertungen 180<br />
Tabelle 29: Übersicht relative Volatilitätsabhängigkeit<br />
Volatilitätsposition VSMI 1<br />
LONG<br />
SIP LONG<br />
Kapitalschutz-P. ohne Cap<br />
Outperformance-Zertifikate<br />
plain vanilla Warrants<br />
SHORT<br />
SIP SHORT<br />
Reverse Convertibles<br />
Discount-Zertifikate<br />
Knock-out Warrants<br />
NEUTRAL<br />
SIP NEUTRAL<br />
Tracker-Zertifikate<br />
Kapitalschutz-P. mit Cap<br />
Total Derivate<br />
Total Warrants<br />
Total SIP<br />
672909<br />
(1232736)<br />
212477<br />
(175213)<br />
56605<br />
(38708)<br />
-55894<br />
(46597)<br />
274620<br />
(1033052)<br />
778508<br />
(491635)<br />
-353925<br />
(302965)<br />
149598<br />
(310198)<br />
-233367<br />
(123534)<br />
1349517<br />
(829639)<br />
-1543357<br />
(1019888)<br />
-1543357<br />
(1019888)<br />
-485711<br />
(561930)<br />
40285<br />
(38008)<br />
-155426<br />
(2038408)<br />
1175358<br />
(1426978)<br />
-478784<br />
(608417)<br />
t-<strong>St</strong>atistik 2 adj. R^2<br />
0.546 0.58<br />
1.213 0.47<br />
1.462 0.42<br />
-1.200 0.47<br />
0.266 0.53<br />
1.584 0.46<br />
-1.168 0.34<br />
0.482 0.37<br />
-1.889 * 0.45<br />
1.627 0.42<br />
-1.513 0.63<br />
-1.513 0.63<br />
-0.864 0.59<br />
1.060 0.32<br />
-0.076 0.51<br />
0.824 0.59<br />
-0.787 0.48<br />
n = 35<br />
***, ** und * bezeichnen signifikante Werte auf dem 1%-, 5%- und 10%-Niveau<br />
1<br />
Regressionskoeffizient des Regressors VSMI; <strong>St</strong>andardfehler in Klammern<br />
2 t-<strong>St</strong>atistik berechnet mit White heteroscedasticity-consistent standard error<br />
Die festgestellte (schwach) negative Signifikanz des Absatzes der Discount-Zertifikate mit<br />
dem VSMI bestätigt die Ergebnisse aus der Analyse der absoluten Volatilitätsabhängigkeit,<br />
die sowohl auf Basis wöchentlicher als auch monatlicher Datenperiodizität eine jeweils nega-<br />
555 Die detaillierten Ergebnisse der Regressionsanalyse und der durchgeführten Tests sind im Anhang aufgeführt.
Empirische Auswertungen 181<br />
tive, schwache Signifikanz ergaben. Nur auf Grundlage täglicher Daten konnte die Nullhypothese<br />
für Discount-Zertifikate verworfen und keinen Einfluss der Volatilität auf den Produktabsatz<br />
abgeleitet werden. Daher untermauern die Resultate der relativen Untersuchung für<br />
diesen Produkttyp eine insbesondere auf monatlicher Basis existierende Volatilitätsabhängigkeit<br />
von Discount-Zertifikaten.<br />
Für die Tracker-Zertifikate, dem neben dem Discount-Zertifikat einzigen SIP-Typ, für dessen<br />
Absatz in den Analysen der absoluten Volatilitätsabhängigkeit eine Volatilitätsabhängigkeit<br />
statistisch nachgewiesen wurde, zeichnet die t-<strong>St</strong>atistik des Regressors VSMI ein klares Bild<br />
und erlaubt keine Annahme eines statistisch signifikanten Einflusses der Marktvolatilität auf<br />
den Produktabsatz. Die Nullhypothese für Tracker-Zertifikate wird im relativen Regressionsmodell<br />
verworfen, wie es schon auf täglicher und wöchentlicher Datenbasis im Modell zur<br />
Analyse der absoluten Volatilitätsabhängigkeit geschehen ist. Damit wird auch die auf monatlicher<br />
Datenbasis gezeigte negative Abhängigkeit des Produktabsatzes gegenüber der Volatilität<br />
relativiert und nicht erhärtet, fiel das Ergebnis doch ohnehin nur schwach signifikant aus.<br />
Die Ergebnisse auf täglicher und wöchentlicher Basis zeigten hingegen ein Abbild der Resultate<br />
der Analysen der relativen Volatilitätsabhängigkeit, ein Ablehnen der Nullhypothese.<br />
Den gleichen Schluss wird für die neutrale Volatilitätsposition gezogen, deren Absatz auf<br />
monatlicher Datenbasis eine negative, schwach signifikante Abhängigkeit vom VSMI verzeichnete.<br />
Diese Abhängigkeit ist auf den Absatz der Tracker-Zertifikate zurückzuführen,<br />
denn der andere SIP-Typ mit neutraler Volatilitätsposition, die Kapitalschutzprodukte ohne<br />
Cap, notierten sowohl über alle Periodizitäten der absoluten Volatilitätsabhängigkeit als auch<br />
in der Betrachtung der relativen Volatilitätsabhängigkeit Werte der t-<strong>St</strong>atistik, welche die<br />
Nullhypothese statistisch verwerfen. 556<br />
Die Gütemasse sind etwas breiter gestreut und fallen insgesamt leicht tiefer aus als im Modell<br />
der absoluten Volatilitätsabhängigkeit. Die adjustierten R^2-Werte bewegen sich aber durchaus<br />
im üblichen Rahmen empirischer Untersuchungen eines solchen Sachverhaltes. 557<br />
Die zusätzliche Analyse einer relativen Volatilitätsabhängigkeit bereichert die Untersuchungen<br />
insofern, als dass diese die Resultate der Hauptbetrachtung der absoluten Volatilitätsabhängigkeit<br />
unter Berücksichtigung eines neuen Aspekts weitestgehend bestätigen (Gesamtabsatzebene,<br />
einzelne Volatilitätspositionen sowie Produktebene), punktuell relativieren (Tracker-Zertifikate)<br />
oder untermauern (Discount-Zertifikate).<br />
5.4 Fazit der empirischen Untersuchung<br />
Die nachfolgenden Schlussfolgerungen legen zusammenfassend die wichtigsten Befunde der<br />
empirischen Untersuchung dar, ohne allerdings die Erkenntnisse daraus zu begründen oder zu<br />
beurteilen. Dies erfolgt in Kapitel 6. Ein Fazit wird für die strukturierten Produkte und die<br />
Warrants je separat gezogen, wobei auf Basis der empirischen Ergebnisse der Nullhypothe-<br />
556 Vgl. die Ergebnisse der absoluten Volatilitätsabhängigkeit auf Produktebene in Tabelle 28 und diejenigen bezüglich<br />
Volatilitätspositionen in Tabelle 24 sowie die Kommentare dazu unter Abschnitt 5.3.3 respektive 5.3.2.<br />
557 Vgl. z.B. Upper (2005), S. 53.
Empirische Auswertungen 182<br />
sentests sowohl die aggregierte als auch die Produktebene betrachtet wird. Auf aggregierter<br />
Ebene werden der Gesamtabsatz sowie die aggregierten Absatzbewegungen der einzelnen<br />
Volatilitätspositionen der Produkte, auf Einzelproduktebene augenscheinlich die Absätze der<br />
unterschiedlichen Produkttypen betrachtet. Die Erkenntnisse auf aggregierter <strong>St</strong>ufe aller Derivate<br />
werden lediglich summarisch kurz beschrieben. Fokussiert wird auf die Auswertungen<br />
der absoluten Werte (absolute Volatilitätsabhängigkeit), wobei die Befunde der Analysen der<br />
relativen Volatilitätsabhängigkeit gezielt beigezogen werden.<br />
5.4.1 <strong><strong>St</strong>rukturierte</strong> Produkte<br />
Die strukturierten Produkte stehen im Zentrum dieser Forschungsarbeit, weshalb hier die Ergebnisse<br />
der empirischen Analyse noch einmal entsprechend aufbereitet werden.<br />
5.4.1.1 Aggregierte Ebene<br />
Auf Gesamtabsatzebene zeigen die Ergebnisse über alle Periodizitäten ebenso wie die Resultate<br />
der Auswertungen der relativen Volatilitätsabhängigkeit ein klares, einheitliches Bild.<br />
Die Nullhypothese einer Volatilitätsabhängigkeit des Absatzes wird verworfen und keinen<br />
Einfluss des VSMI auf den SIP-Absatz angenommen.<br />
Die Befunde aus der Betrachtung der einzelnen Volatilitätspositionen beschreiben ein ähnliches<br />
Muster, die Nullhypothese wird mit einer Ausnahme durchwegs abgelehnt. Einzig auf<br />
monatlicher Datenbasis gab die t-<strong>St</strong>atistik einen schwach signifikanten, negativen Zusammenhang<br />
gegenüber dem VSMI an für den Absatz der strukturierten Produkte mit neutraler<br />
Volatilitätsposition. Diese Annahme der Nullhypothese wird aber einerseits durch die Ablehnung<br />
der Nullhypothese auf täglicher und wöchentlicher Datenperiodizität und andererseits<br />
aufgrund der Ergebnisse der Auswertungen der relativen Volatilitätsabhängigkeit, welche<br />
ebenfalls auf monatlichen Daten basieren und die Nullhypothese verwerfen, relativiert. Somit<br />
wird die lediglich schwache Signifikanz der SIP-Produkte mit neutraler Volatilitätsposition<br />
auf monatlichen Daten insgesamt als nicht repräsentativ angesehen und für die neutrale Volatilitätsposition<br />
für alle Periodizitäten keine Abhängigkeit des Absatzes von der Marktvolatilität<br />
angenommen, analog den Ergebnissen der anderen beiden Volatilitätspositionen long und<br />
short.<br />
Auf aggregierter Ebene, sowohl auf Gesamtabsatzebene als auch bezüglich der einzelnen Volatilitätspositionen,<br />
wird für strukturierte Produkte demzufolge kein Einfluss der Marktvolatilität<br />
auf den Produktabsatz festgestellt.<br />
5.4.1.2 Einzelproduktebene<br />
Auf der Einzelproduktebene werden sechs Typen strukturierter Produkte untersucht, je zwei<br />
pro Volatilitätsposition. Die beiden Vertreter mit Volatilitätsposition long, Outperformance-<br />
Zertifikate und Kapitalschutzprodukte ohne Cap, zeigen eindeutige Ergebnisse über alle Periodizitäten<br />
hinweg sowie bezüglich relativer Volatilitätsabhängigkeit: Die Nullhypothese wird<br />
durchwegs abgelehnt. Für Outperformance-Zertifikate und Kapitalschutzprodukte ohne Cap<br />
wird demzufolge kein Einfluss der Marktvolatilität auf den Produktabsatz festgestellt.
Empirische Auswertungen 183<br />
Die Resultate für Tracker-Zertifikate und Kapitalschutzprodukte mit Cap, SIP-Produkte mit<br />
Volatilitätsposition neutral, unterscheiden sich nur unwesentlich von denjenigen der SIP-<br />
Produkte mit Volatilitätsposition long. Die Nullhypothese wird für Kapitalschutzprodukte mit<br />
Cap über alle Zeiträume und für die relative Volatilitätsabhängigkeit durchwegs verworfen.<br />
Tracker-Zertifikate zeigen eine Ausnahme bei den Analysen der monatlichen Datenbasis, die<br />
eine schwach signifikante, negative Volatilitätsabhängigkeit des Absatzes suggerieren. Analog<br />
der Schlussfolgerungen für die aggregierte <strong>St</strong>ufe der strukturierten Produkte mit neutraler<br />
Volatilitätsposition wird diese Annahme der Nullhypothese aufgrund der Ergebnisse auf Basis<br />
täglicher und wöchentlicher Datenperioden stark relativiert und schliesslich mit der Ablehnung<br />
der Nullhypothese in den relativen Auswertungen als nicht repräsentativ betrachtet.<br />
Für Tracker-Zertifikate und Kapitalschutzprodukte mit Cap wird demnach insgesamt kein<br />
Einfluss der Marktvolatilität auf den Produktabsatz festgestellt.<br />
Teilweise entgegengesetzt präsentieren sich die Ergebnisse der strukturierten Produkte mit<br />
Volatilitätsposition short, welche die Produkte Reverse Convertibles und Discount-Zertifkate<br />
umfassen. Während die Reverse Convertibles die analogen Resultate aufweisen wie die SIP<br />
mit Volatilitätsposition long und neutral und damit die Nullhypothese durchwegs ablehnen,<br />
verhält es sich mit den Discount-Zertifikaten anders. Dieser SIP-Typ lehnt die Nullhypothese<br />
lediglich auf Basis täglicher Daten ab, auf wöchentlicher und monatlicher Datenperiodizität<br />
sowie in den relativen Auswertungen hingegen nehmen die Regressionskoeffizienten (im<br />
Verhältnis zum <strong>St</strong>andardfehler) des VSMI signifikante, negative Werte an und unterstellen<br />
damit einen, wenn auch nur schwachen, signifikanten, negativen Einfluss des VSMI auf den<br />
Produktabsatz. Für Reverse Convertibles wird demnach insgesamt kein Einfluss der Marktvolatilität<br />
auf den Produktabsatz festgestellt, wohingegen für Discount-Zertifikate schon.<br />
Auf Einzelproduktebene wird lediglich für Discount-Zertifikate auf Basis wöchentlicher und<br />
insbesondere monatlicher Daten ein schwach negativer Einfluss der Marktvolatilität auf den<br />
Produktabsatz festgestellt. Für die übrigen SIP-Typen hingegen lassen die empirischen Ergebnisse<br />
keinen Einfluss der Marktvolatilität auf den Produktabsatz erkennen.<br />
5.4.2 Warrants (SIP i.w.S.)<br />
Die Untersuchungen der Volatilitätsabhängigkeit der Warrants werden hier noch einmal spezifisch<br />
betrachtet, da diese Hebelprodukte in der Praxis regelmässig zur Familie der strukturierten<br />
Produkte unter dem Begriff der verbrieften derivativen Instrumente gezählt werden. 558<br />
<strong>St</strong>atistiken zu strukturierten Produkten integrieren die Warrants auch entsprechend oft. Daher<br />
wird in dieser Forschungsarbeit bei den Hebelprodukten respektive Warrants von strukturierten<br />
Produkten im weiteren Sinne gesprochen (SIP i.w.S), da diese per Definitionem nicht zu<br />
den strukturierten Produkte (SIP i.e.S.) gehören. 559<br />
558 Neben dem Branchenverband für strukturierte Produkte SVSP zählen dazu auch die SWX respektive Scoach, ihre Handelsplattform<br />
für strukturierte Produkte, sowie die deutsche Derivatebörse EUWAX.<br />
559 Vgl. die Definition der SIP unter Abschnitt 1.2.2.
Empirische Auswertungen 184<br />
5.4.2.1 Aggregierte Ebene<br />
Auf aggregierter Gesamtabsatzebene zeigen sich die Resultate der Warrants ambivalent. Einerseits<br />
wird auf täglicher Basis die Nullhypothese auf signifikantem Niveau (5 % - Level)<br />
und damit ein signifikant positiver Einfluss der Volatilität auf den Warrantabsatz angenommen.<br />
Diese Erkenntnis entspricht weitestgehend den gefundenen Ergebnissen in der Forschung<br />
über die Korrelation zwischen Derivativumsätzen und der Marktvolatilität. 560 Andererseits<br />
wird die Nullhypothese für die Warrants sowohl auf wöchentlicher und monatlicher<br />
Datenbasis als auch in den relativen Auswertungen verworfen und damit für diese Periodizitäten<br />
kein Einfluss der Volatilität auf den Warrantabsatz festgestellt. Ein analoger Befund wurde<br />
in einer <strong>St</strong>udie der BIZ gefunden und die Beziehung zwischen den Derivatabsätzen und<br />
der Volatilität als wenig ausgeprägt (tenuous) bezeichnet. 561<br />
Auf aggregierter Ebene wird für die Warrants demzufolge auf täglicher Basis ein positiver<br />
Einfluss, auf Basis höherer Periodizitäten hingegen kein Einfluss der Marktvolatilität auf den<br />
Produktabsatz festgestellt.<br />
Auf eine separate Betrachtung der einzelnen Volatilitätspositionen wird verzichtet, da die<br />
beiden Warrant-Typen nur als Einzelprodukte je eine Volatilitätsposition vertreten und diese<br />
Sicht demnach mit der Einzelproduktebene identisch ist.<br />
5.4.2.2 Einzelproduktebene<br />
Es werden hier zwei Warrant-Typen unterschieden mit gegensätzlicher Volatilitätsposition.<br />
Einerseits die klassischen, weit verbreiteten plain vanilla Warrants, welche eine positive Volatilitätsposition<br />
aufweisen, und andererseits die zur Familie der exotischen Optionen gehörenden<br />
knock-out Warrants, welche ihrerseits eine negative Volatilitätsposition einnehmen. 562<br />
Die Regressionsergebnisse der Einzelprodukte entsprechen exakt denjenigen der Gesamtabsatzebene:<br />
Sowohl die plain vanilla als auch die knock-out Warrants zeigen auf Basis täglicher<br />
Daten einen signifikant positiven Einfluss des VSMI auf den Produktabsatz, wohingegen<br />
auf Basis wöchentlicher und monatlicher sowie in den Auswertungen der relativen Volatilitätsabhängigkeit<br />
je die Nullhypothese durchwegs abgelehnt und damit kein Einfluss der Volatilität<br />
auf den Absatz angenommen wird.<br />
Auf Einzelproduktebene wird demzufolge sowohl für plain vanilla Warrants als auch für<br />
knock-out Warrants auf täglicher Basis ein positiver, auf Basis höherer Periodizitäten hingegen<br />
kein Einfluss der Marktvolatilität auf den Produktabsatz festgestellt. Dass die beiden<br />
Warrant-Typen trotz gegenläufiger Volatilitätspositionen eine gleichgerichtete (positive) Abhängigkeit<br />
des Absatzes mit dem VSMI auf täglicher Basis aufweisen, wird in Kapitel 6 noch<br />
einmal aufgenommen.<br />
560 Vgl. die Übersicht und Verweise in Abschnitt 4.1.1.<br />
561 Vgl. Jeanneau/Micu (2003). Die <strong>St</strong>udie fand auf täglicher Basis ebenfalls eine positive Beziehung zwischen dem Absatz<br />
und der Volatilität, die sich auf monatlicher Datenbasis nicht mehr zeigte.<br />
562 Vgl. die Ausführungen über die Charakteristika unterschiedlicher Optionstypen in Abschnitt 2.1.1.
Empirische Auswertungen 185<br />
5.4.3 Total Derivate<br />
Die Analyse der Gesamtabsatzmenge aller Derivate beinhaltet zum einen den Absatz aller<br />
Derivate zusammen und dazu noch die aggregierten Absätze aller Produktgruppen (d.h. SIP<br />
und Warrants) der einzelnen Volatilitätspositionen. Auf einen Kommentar der Ergebnisse der<br />
Gruppe mit neutraler Volatilitätsposition wird hier verzichtet, da diese Gruppe ausschliesslich<br />
strukturierte Produkte umfassen und entsprechend die Erkenntnisse unter der Rubrik der SIP<br />
schon gewürdigt wurden.<br />
Für die gesamte Derivatfamilie wird einerseits auf der Gesamtabsatzebene, andererseits für<br />
die Volatilitätsposition long auf Basis täglicher Daten je ein schwach positiver Einfluss der<br />
Marktvolatilität auf den Produktabsatz festgestellt. Für die übrigen Periodizitäten des Gesamtabsatzes<br />
und der aggregierten long-Volatilitätsposition lassen hingegen die empirischen<br />
Ergebnisse genauso wenig einen Einfluss der Marktvolatilität auf den Produktabsatz erkennen,<br />
wie die Resultate des Modells der relativen Volatilitätsabhängigkeit.<br />
Für die Derivate mit Volatilitätsposition short wird die Nullhypothese über alle Messperioden<br />
hinweg sowie in der relativen Auswertung verworfen und demzufolge kein Einfluss der<br />
Marktvolatilität auf den Produktabsatz festgestellt.<br />
Eine komplette Übersicht der hier zusammengefassten empirischen Ergebnisse zeigt nachfolgende<br />
Tabelle 30. Es bleibt festzuhalten, dass die wenigen gefundenen Abhängigkeiten zwischen<br />
dem Absatz und der Volatilität zumeist nur auf einem schwachen Signifikanzniveau<br />
von 10 % und nur diejenigen für die Warrants auf dem angestrebten Signifikanzniveau von 5<br />
% zu verzeichnen waren. Weder für ein Produkt, eine einzelne Volatilitätsposition, noch für<br />
eine Produktgruppe oder für alle Derivate zusammen wurde ein hoch signifikantes Ergebnis<br />
auf einem 1 % - Niveau geschätzt.
Empirische Auswertungen 186<br />
Tabelle 30: Gesamtübersicht empirische Ergebnisse<br />
Produkt - Typ täglich 1<br />
wöchentlich 1<br />
monatlich 1<br />
∆ monatlich<br />
LONG 1.924 * 0.044 0.798 0.546<br />
SIP LONG 0.538 1.093 0.839 1.213<br />
Kapitalschutz-P. ohne Cap -0.093 0.894 1.092 1.462<br />
Outperformance-Zertifikate 0.780 1.027 0.709 -1.200<br />
plain vanilla Warrants 2.207 ** 0.187 0.201 0.266<br />
SHORT 1.132 1.468 1.541 1.584<br />
SIP SHORT -1.237 -1.223 0.390 -1.168<br />
Reverse Convertibles -0.824 -1.013 1.081 0.482<br />
Discount-Zertifikate -1.157 -1.680 * -1.784 * -1.889 *<br />
knock-out Warrants 2.093 ** 1.504 1.384 1.627<br />
NEUTRAL -0.786 -0.719 -1.710 * -1.513<br />
SIP NEUTRAL -0.786 -0.719 -1.710 * -1.513<br />
Tracker-Zertifikate -0.445 -1.185 -1.932 * -0.864<br />
Kapitalschutz-P. mit Cap -0.136 -0.166 -1.261 1.060<br />
Total Derivate -1.519 -1.628 -1.624 -0.076<br />
Total Warrants 2.038 ** 1.624 0.589 0.824<br />
Total SIP 0.349 -0.286 -0.332 -0.787<br />
n = 750 n = 154 n = 35 n = 35<br />
***, ** und * bezeichnen signifikante Werte auf dem 1%-, 5%- und 10%-Niveau<br />
1<br />
t-<strong>St</strong>atistik berechnet mit White heteroscedasticity-consistent standard error<br />
2<br />
"∆ monatlich" beinhaltet die Ergebnisse der Regression bezüglich der relativen Volatilitätsabhängigkeit<br />
Die empirischen Testergebnisse zeigen damit klar auf, dass auf einer theoretischen Volatilitätserwartung<br />
basierende Investitionsempfehlungen in der Praxis wenig Relevanz haben, da<br />
eine Volatilitätsabhängigkeit der Produkte und damit die Grundlage für die auf Investitionsempfehlungen<br />
basierenden Absatzerwartungen empirisch gesehen nicht gegeben ist.<br />
1, 2
Beurteilung 187<br />
6 Beurteilung<br />
Die Erkenntnisse aus der Empirie werden in den Kontext des theoretischen Absatzmodells<br />
gesetzt und die Divergenzen aus Theorie und Empirie hervorgehoben. In diesem Kapitel werden<br />
zum einen die wichtigsten Differenzen und Auffälligkeiten aus Kapitel 5 nochmals akzentuiert,<br />
zum anderen eine Begründung für diese Gegensätze ausgearbeitet und darauf aufbauend<br />
Handlungsempfehlungen abgegeben.<br />
6.1 Divergenz Theorie und Empirie<br />
Die Ergebnisse der empirischen Auswertungen divergieren stark von den Erwartungen sowohl<br />
aus theoretischer als auch empirischer Sicht, die jeweils einen statistischen Zusammenhang<br />
zwischen der Volatilität und dem Absatz vermuten liessen. Obwohl die Volatilität für<br />
Optionen unbestreitbar eine entscheidende Rolle in deren Pricing einnimmt, die Höhe der<br />
Volatilität ja sogar quasi als Synonym für den Preis der Option gilt, schlägt sich die Volatilitätsabhängigkeit<br />
nicht oder nur sehr schwach auf den Absatz der Optionen einerseits oder der<br />
strukturierten Produkte andererseits durch. Einige Einzelpositionen zeigen zwar einen statistischen<br />
Zusammenhang zwischen dem Absatz und der Volatilität, auf die nachfolgend kurz<br />
eingegangen wird. Doch insgesamt wird die Nullhypothese eines Einflusses des VSMI auf<br />
den Absatz für strukturierte Produkte eindeutig verworfen und für Hebelprodukte (SIP i.w.S.)<br />
nur auf täglicher Datenbasis angenommen.<br />
Der Absatz von Warrants zeigte sich auf täglicher Datenbasis übereinstimmend mit der Theorie<br />
und der Mehrheit wissenschaftlicher <strong>St</strong>udien als volatilitätsabhängig. Die Abhängigkeit<br />
fiel statistisch signifikant positiv aus, allerdings nur beschränkt auf tägliche Daten, auf Basis<br />
wöchentlich und monatlich aggregierter Daten musste die Nullhypothese verworfen werden.<br />
Einen analogen Befund führten Jeanneau/Micu auf die sich die Waage haltenden gegenläufigen<br />
Handelsmotive respektive Investoraktivitäten aus Absicherung (Hedging) und Spekulation<br />
zurück. Auf täglicher Basis erhöht die unterschiedlich rasche Informationsverarbeitung 563<br />
beider Lager die Handelsaktivitäten, mit zunehmender Periodizität jedoch agieren die Investoren<br />
unterschiedlicher, so dass eine erhöhte Unsicherheit, sprich Volatilität, nicht mehr mit<br />
erhöhten Handelsvolumina einhergehen. 564<br />
Dass der Absatz der beiden Warranttypen (plain vanilla und knock-out) trotz unterschiedlicher<br />
Volatilitätspositionen in den empirischen Auswertungen eine gleichgerichtete, positive<br />
Volatilitätsabhängigkeit offenbarte, könnte ebenfalls auf ein unterschiedliches Anlegerverhalten<br />
oder unterschiedliche Investortypen zurückzuführen sein, welche je in die Produkte inves-<br />
563 Die erhöhte Unsicherheit führte dabei zwar zu erhöhten Absicherungsgeschäften, doch gingen gleichzeitig in etwa gleichem<br />
Umfang die Spekulationsgeschäfte zurück. Handelsaktivitäten aufgrund kurzfristiger Auswirkungen neuankommender<br />
Informationen am Markt wird auch als "noise trading" bezeichnet und spielt in etlichen <strong>St</strong>udien über den Zusammenhang<br />
von Derivatabsatz und Marktvolatilität eine wichtige Rolle (vgl. die Ausführungen in Abschnitt 4.1.1 und<br />
die Verweise ebenda, insb. Fussnote 445 sowie für eine nähere Umschreibung von "noise trading" auch Bodmer (1996),<br />
S. 66).<br />
564 Vgl. Jeanneau/Micu (2003), S. 73f.
Beurteilung 188<br />
tierten. Tatsächlich zeigt der Absatz der knock-out Warrants, die eine short Volatilitätsposition<br />
aufweisen, eine positive Abhängigkeit gegenüber der Volatilität, entgegen der Annahme<br />
im theoretischen Modell. Genau umgekehrt verhält es sich mit dem Absatz der plain vanilla<br />
Warrants, welche eine long Volatilitätsposition einnehmen und in Übereinstimmung mit dem<br />
theoretischen Modell eine positive Abhängigkeit gegenüber der Marktvolatilität aufweisen.<br />
Die empirischen Ergebnisse der Warrants zeigen denn auch analog der meisten <strong>St</strong>udien eine<br />
positive Relation zwischen Volatilität und Produktabsatz. Die gleichzeitige Nachfrage nach<br />
zwei gegenüber der Volatilität diametral verlaufenden Produkttypen, lässt womöglich grundsätzlich<br />
zwei Investorentypen ableiten, wobei einer bewusst in die Volatilität investiert nach<br />
den Empfehlungen des theoretischen Modells, der andere jedoch nicht.<br />
Bevor nun der Gedanke des Einflusses möglicher ungleicher Anlegertypen weiterentwickelt<br />
wird, sollen die statistisch signifikanten empirischen Ergebnisse der strukturierten Produkte<br />
(SIP i.e.S.) analysiert werden. In erster Linie sind dabei strukturierte Produkte mit Volatilitätsposition<br />
short zu betrachten, welche am Markt den dominierenden Produkttypen repräsentieren,<br />
wobei neben Discount-Zertifikaten Reverse Convertibles zu diesem SIP-Typ gehören.<br />
Discount-Zertifikate wiesen in den empirischen Auswertungen für ihren Absatz bei einer Volatilitätsposition<br />
short insgesamt eine negative Volatilitätsabhängigkeit auf. Im theoretischen<br />
Modell war ebenfalls eine negative Abhängigkeit für Discount-Zertifikate erwartet worden,<br />
da eine gegenüber dem Mean-Wert hohe Volatilität wiederum eine sinkende Volatilität erwarten<br />
und damit eine Short-Position in Volatilität attraktiv erscheinen lässt. Für Reverse Convertibles<br />
wiederum wurde die Nullhypothese über alle Beobachtungsperioden verworfen,<br />
womit kein direktes Gegengewicht gegenläufiger Investoraktivitäten zu den Handelsbewegungen<br />
der Discount-Zertifikate innerhalb des gleichen SIP-Typs zu verzeichnen war, ungleich<br />
der in den Ergebnissen implizierten Annahmen bei den Warrants. Insgesamt zeigte<br />
jedoch der Absatz der SIP mit Volatilitätsposition short keine Relation mit der Marktvolatilität.<br />
Obwohl Reverse Convertibles die <strong>St</strong>ichprobe dieses SIP-Typs dominiert, dieser Produkttyp<br />
überwiegt in der Datenmenge der untersuchten <strong>St</strong>ichprobe die Discount-Zertifikate etwa<br />
im Verhältnis 2:1, kann bei den Discount-Zertifikaten nicht von einem zufälligen Ergebnis<br />
eines unbedeutenden Produkts gesprochen werden, sind ansonsten doch nur mehr Tracker-<br />
Zertifikate weiter verbreitet als Discount-Zertifikate hinsichtlich Anzahl kotierter Produkte<br />
und deren Handelsbewegungen. 565<br />
Hervorzuheben ist bei den SIP-Produkten Discount-Zertifikate und Reverse Convertibles,<br />
dass diese ökonomisch gesehen äquivalente Produkte hinsichtlich Auszahlungsprofil und Risiko<br />
darstellen, 566 es folglich in deren Handel oder Absatz und damit wohl auch in der Investorengemeinde<br />
offenbar erhebliche Unterschiede zu verzeichnen gibt. Der Gedanke unterschiedlichen<br />
Anlageverhaltens führt zur Annahme, dass in Reverse Convertibles eine gegenüber<br />
der Volatilität eher heterogene Anlegerschaft investiert, womit sich keine richtungsbezogene<br />
Volatilitätsabhängigkeit ergibt, wohingegen sich im Absatz der Discount-Zertifikate<br />
eine homogene Investitionsabsicht gegenüber der Marktvolatilität zeigt.<br />
565 Vgl. die quantitative Auswertung der Datenbasis in Abschnitt 5.1.3.<br />
566 Vgl. die Typologie und Produktkomponenten der strukturierten Produkte unter Abschnitt 3.5 resp. 3.4.
Beurteilung 189<br />
Wohlwend stiess in seiner Untersuchung des Pricings der strukturierten Produkte auf eine<br />
analoge Beobachtung, indem er nicht nur Unterschiede in der (Fehl-) Bewertung verschiedener<br />
Typen strukturierter Produkte fand, sondern auch Unterschiede zwischen einzelnen Produkten,<br />
die zwar unterschiedlich strukturiert werden, aber im Grunde genommen "ökonomische<br />
Äquivalente" darstellen. 567<br />
Bei den strukturierten Produkten mit Volatilitätsposition long (entgegen der Theorie) genauso<br />
wie bei denjenigen mit Volatilitätsposition neutral (konform mit der Theorie) wurde die Nullhypothese<br />
über alle Laufzeiten verworfen und kein Einfluss der Marktvolatilität auf den Produktabsatz<br />
angenommen. Diese Erkenntnis wird hier nicht weiter kommentiert, sondern im<br />
folgenden Abschnitt wieder aufgenommen und allgemein begründet.<br />
6.2 Begründung für Divergenz<br />
Der hier verfolgte Ansatz zur Begründung für die empirisch festgestellten Divergenzen von<br />
Theorie und Praxis gliedert sich in zwei Hauptstossrichtungen. Einerseits werden eine duale<br />
Anlegerstruktur mit Retailinvestoren und professionellen Investoren mit jeweils unterschiedlichen<br />
Handelsmotiven und andererseits dichotome Märkte, die Handelstätigkeit am Sekundärmarkt<br />
der strukturierten Produkte sowie am Markt für die einzelnen Produktkomponenten,<br />
dem Markt für Gegenparteirisiken, voneinander unterschieden.<br />
Der weiter oben aufgegriffene Ansatz eines divergenten Anlageverhaltens innerhalb der Investorengemeinde<br />
gegenüber der Marktvolatilität ist grundlegend für diese Betrachtungen und<br />
basiert sowohl auf Aspekten der behavioral Finance, 568 welche beispielsweise die Wahrnehmung<br />
mehrdimensionaler Daten oder Datenstrukturen durch die Anleger betreffen, als auch<br />
auf dem unterschiedlichen Marktzugang einzelner Anlegersegmente. 569 Letzteres deutet darauf<br />
hin, dass strukturierte Produkte (Bundling) und ihre einzelnen Komponenten (Unbundling)<br />
auf verschiedenen, voneinander getrennten Märkten gehandelt werden.<br />
Damit kann schliesslich auch ein Beitrag zur Erklärung für das von Wohlwend auf Basis der<br />
impliziten Volatilitäten der eingebetteten Optionen abgeleitete Mispricing der strukturierten<br />
Produkte zuungunsten der Investoren geleistet werden. 570 Somit greift der womöglich naheliegende<br />
pauschale Schluss aus den hier vorliegenden Resultaten der in dieser Forschungsarbeit<br />
vorgenommenen empirischen Untersuchung, dass die Investoren die Volatilität in ihrem<br />
Anlageentscheid schlicht nicht berücksichtigen, wohl zu kurz, denn die Unabhängigkeit von<br />
Absatz und Marktvolatilität ist insbesondere auf die getrennten Märkte zurückzuführen, an<br />
denen professionelle Investoren und Retailanleger handeln.<br />
567 Vgl. Wohlwend (2001), S. 263.<br />
568 Vgl. Abschnitt 6.2.1 zur Erklärung der Thematik behavioral Finance und weiterführenden Verweisen.<br />
569 Der unterschiedliche Marktzugang wird unter Abschnitt 6.2.2 erklärt.<br />
570 Wohlwend erkannte in seiner Arbeit ein Mispricing der Produkte zuungunsten des Investors (vgl. Wohlwend (2001).
Beurteilung 190<br />
6.2.1 Aspekte der behavioral Finance<br />
Das Forschungsgebiet der behavioral Finance (oder behavioral Economics) beschäftigt sich<br />
mit psychologischen Aspekten im Finanzbereich und analysiert Phänomene vermeintlich irrationalen<br />
Verhaltens von Anlegern in ihren Investitionsentscheiden. 571 <strong>St</strong>udien zeigen, dass<br />
komplexe Problemstellungen von Anlegern mit Hilfe intuitiver Vereinfachungen und normativer<br />
Prinzipien analysiert werden. Dies kann zu einer Fokussierung auf einzelne Parameter<br />
oder Dimensionen, welche womöglich gar nicht zentral sind, und damit zu einer verzerrten<br />
Wahrnehmung ("cognitive bias") der eigentlichen Problemstellung führen. 572 In Untersuchungen<br />
wird auch dargelegt, dass bei Vorliegen von schon sehr vielen Informationen ("information<br />
overload") zusätzliche Angaben zu schlechteren, weniger gut abgestützten Entscheidungen<br />
führen können, da bei sehr komplexen Sachverhalten zu vereinfachten, eher<br />
simplen Entscheidungsmuster gegriffen wird. 573 Daneben werden Aspekte, die ungewohnt,<br />
bisher nicht erlebt oder unwahrscheinlich sind, oft nicht in Überlegungen miteinbezogen,<br />
sondern Entscheidungen vielmehr stark auf der bisherigen Erfahrung von oft nur kurzer Vergangenheit<br />
abstützend gefällt. So beeinflusst der Erfolg einer in der Vergangenheit angewandten<br />
Anlageidee massgeblich die gegenwärtige Entscheidung, eine analoge Investition zu<br />
tätigen. 574 Extremereignisse werden ebenfalls ausgeblendet und nicht spezifisch in die vermeintlich<br />
rationalen Überlegungen miteinbezogen, was einer Meidung der Auseinandersetzung<br />
mit unerwünschten Ereignissen extremen Ausmasses gleichkommt. 575<br />
Die aufgeführten Erkenntnisse der behavioral Finance, sowohl die eingeschränkte Wahrnehmung<br />
komplexer Datenstrukturen durch die Anleger als auch deren Hang zur Vereinfachung<br />
komplexer Problemstellungen, ohne alle relevanten Einflussgrössen wirklich zu berücksichti-<br />
571 Vgl. Camerer (2006) für eine Übersicht der verschiedenen Forschungsschwerpunkt, -ansätze, -richtungen und aktuelle<br />
Forschungstrends, welche bis zu neuralgischen Aktivitäten des menschlichen Verhaltens Rechnung zu tragen versuchen<br />
("neuroeconomics"), der Forschungsthematik behavioral Finance.<br />
572 Vgl. u.a. Kahnemann/Tversky (1979) und Kahnemann (2003).<br />
573 Vgl. Paredes (2003) oder Busenitz (1999).<br />
574 Die hier beschriebenen Phänomene werden weitgehend unter dem Begriff der "representativeness heuristic" subsummiert<br />
(vgl. Camerer (2006), S. 21). DeBondt und Thaler (1985) verankerten den Ansatz der "representativeness heuristic" und<br />
das Forschungsgebiet behavioral Finance in der Finanzwelt mit ihrem Werk über die Performance von über die letzten 22<br />
Jahre gesehen sogenannten "Verlierer (Losers)" - Aktien, d.h. Aktien, welche über die letzten 22 Jahre mehr Verlust- als<br />
Gewinnjahre verzeichneten, gegenüber den "Gewinner (Winners)" - Aktien, wobei die Losers besser abschnitten als die<br />
Winners in den nachfolgenden Jahren. Thaler nahm das Prinzip der "representativeness heuristic" schon in einem früheren<br />
Artikel auf, bezog seine Ausführungen allerdings auf Kaufentscheidungen von Konsumgüterkunden und nicht auf<br />
Anlageentscheide von Investoren (vgl. Thaler (1980).<br />
575 Das Phänomen wird "Black Swan" genannt nach der Entdeckung schwarzer Schwäne in Neuseeland und Australien im<br />
späten 17. Jahrhundert, was damals in Europa als für nicht möglich gehalten wurde (vgl. dazu Popper (1935, 1959) über<br />
die Falsifikation von Hypothesen). Heute werden damit unerwünschte und völlig unwahrscheinliche respektive unerwartete<br />
Ereignisse bezeichnet. Taleb argumentiert in seinen Ausführungen über Extremereignisse, dass durchaus Modelle<br />
und das Know-how vorhanden wären, um die Eintretenswahrscheinlichkeit solcher Black Swan zu bestimmen. Die Menschen<br />
tendieren allerdings – oft sogar wider besseren Wissens – eher zur Anwendung einfacherer Modelle mit ungenauen<br />
oder sogar falschen Wahrscheinlichkeitsschätzungen als komplexerer Modelle mit ungewohnten Annahmen und Charakteristika<br />
(vgl. die obigen Ausführungen über "representativeness"). Taleb erwähnt dazu sinnbildlich die Gauss'schen<br />
Modelle auf der einen und die Mandelbrot'schen Variationen auf der anderen Seite (vgl. Taleb (2007) und die Bemerkungen<br />
dazu in Spremann (2008), S. 2). Auf Extremereignisse wird in dieser Forschungsarbeit nicht explizit eingegangen,<br />
sondern auf die zitierte Literatur verwiesen.
Beurteilung 191<br />
gen, beeinflussen das konkrete Anlegerverhalten bei der Investition in strukturierte <strong>Investmentprodukte</strong>.<br />
Die Perzeption komplexer, mehrdimensionaler Datenstrukturen bereitet Anlegern oft Schwierigkeiten,<br />
da, wie die psychologische Forschung zeigt, die menschliche Wahrnehmung auf<br />
zwei räumliche Dimensionen ausgerichtet ist und damit <strong>St</strong>rukturen gerne in zwei Dimensionen<br />
abbildet respektive in zwei Dimensionen simplifiziert. Daher werden mehrheitlich nur<br />
zwei Dimensionen der strukturierten Produkte wahrgenommen, beziehungsweise das Produkt<br />
auf zwei Dimensionen reduziert: auf das Underlying einerseits und die eingebetteten Optionen<br />
andererseits. Daraus kann zwar ein, teilweise schon recht komplexes, zweidimensionales<br />
Pay-off-Diagramm des Produkts konstruiert werden, die Volatilität als Einflussfaktor des Optionswerts<br />
findet aber in diesem Diagramm keine Berücksichtigung und wird folglich von<br />
weniger versierten Anlegern entsprechend oft vernachlässigt. In den Produkterläuterungen der<br />
Emittenten finden sich zwar regelmässig Pay-off-Diagramme zur Illustration der Chancen und<br />
Gefahren des spezifischen strukturierten Produkts basierend auf dem Underlying, doch über<br />
die Volatilität finden sich keine Informationen. 576<br />
Auch im Markt für strukturierte Produkte wird die Nachfrage über ein attraktives Angebot<br />
geschaffen. Dabei spielen Modeströmungen, gesellschaftliche Trends oder der Vertrieb ausgefeilter<br />
Neuheiten und Produktinnovationen bei Investmentthemen genauso eine Rolle wie<br />
bei Produktarten anderer Industrien. Das Anlagethema wird vorwiegend vom Basisprodukt<br />
bestimmt und die Verkaufsangaben beziehen sich dabei auch entsprechend auf das Underlying<br />
und auf die im Produkt eingebetteten Derivate, respektive auf die zusätzlichen Investitionschancen<br />
dank der Derivate. Der Leitgedanke der Investition reduziert sich damit quasi auf<br />
ein Underlying-Investment und thematisiert beispielsweise die Volatilität überhaupt nicht.<br />
Dies wird oft bewusst gemacht und ist teilweise auch im Sinne des Anlegers, damit dieser von<br />
der Komplexität der Produktstruktur nicht überfordert wird. Diese Simplifizierung, zu welcher<br />
der Anleger gemäss Befunde der behavioral Finance ohnehin neigt, wird nun hingegen<br />
durch das Vorgehen des Produktverkäufers dem Anleger schon vorweggenommen und in eine<br />
für den Emittenten gewünschte Richtung gelenkt. Für einen nicht fachkundigen, typischen<br />
Retailanleger ist es demnach schwierig, überhaupt einen Zusammenhang zwischen der Volatilität<br />
und der Preisentwicklung des Produkts zu erkennen, ohne dass er vom Verkäufer, d.h.<br />
Anlageberater, darauf aufmerksam gemacht wird. Damit akzentuiert sich die ohnehin vorhandene<br />
Informationsasymmetrie zwischen Käufer und Verkäufer zusätzlich. 577<br />
576 Vgl. Abbildung 11 und die Erklärungen zu den Pay-off-Diagrammen in Abschnitt 3.3. Die Swiss Listed Derivative Map<br />
des Branchenverbands SVSP skizziert je Kategorie und Produkttyp ebenfalls ein Pay-off-Diagramm (vgl. die Typologie<br />
unter 3.3.1).<br />
577 Die Problematik der Informationsasymmetrie gehört in die Thematik der Institutionenökonomie und wird darin im Ansatz<br />
der Pricipal-Agent - Theorie abgehandelt, welche die Beziehung zwischen Principal (Auftraggeber) und Agent (Auftragnehmer)<br />
basierend auf Interessenskonflikten aufgrund asymmetrisch verteilter Informationen untersucht. Vgl. Erlei/<br />
Leschke/Sauerland (2007) für eine allgemeine Übersicht und Einführung der verschiedenen Facetten der Institutionenökonomie;<br />
vgl. u.a. Ross (1973) und Grossman/Hart (1983) sowie Jensen/Meckling (1976) und Fama (1980), dargestellt<br />
in Spremann (1989), für eine spezifische Beschreibung und Erläuterung der Principal-Agent - Theorie. Für eine Betrachtung<br />
der Informationsasymmetrie bei komplexen, intransparenten <strong>Investmentprodukte</strong>n am Beispiel von Hedge Funds<br />
vgl. Weinwurm (2005), S. 14ff.; spezifisch zum Verhältnis Investor-Vermögensverwalter vgl. Golec (1992).
Beurteilung 192<br />
Die Retailanleger bedienen sich demnach oftmals dem Angebot, ohne alle Parameter, Ausprägungen<br />
und Bestandteile der Produkte zu kennen oder genau zu verstehen, was zu einem<br />
stark vom Emittenten geprägten Angebot führt. 578 Es ist beispielsweise nicht klar ersichtlich,<br />
warum einfache Kapitalschutzprodukte, nota bene das strukturierte Produkt der ersten <strong>St</strong>unde<br />
auf dem Markt, 579 gegenwärtig praktisch nicht mehr angeboten, sondern fast vollständig von<br />
Produkten mit einem bedingten Kapitalschutz, insbesondere von Barrier Produkten, verdrängt<br />
werden. 580 Das Interesse der Investoren zielt wohl auf den Kapitalschutz, die Produktstruktur<br />
bietet diesen zwar nur bedingter Natur an, ergänzt das Produkt aber dafür mit einem beispielsweise<br />
attraktiveren Coupon, ohne dass der Nachfragekunde diesen Vorgang vermutlich<br />
genau versteht. Das kann ein weiterer Grund für die aus rationaler Sicht nicht verständliche<br />
Vernachlässigung des Parameters Volatilität im Absatz der strukturierten Produkte durch einen<br />
Teil der Anlegergemeinde sein.<br />
Eine aufgrund der Komplexität der strukturierten Produkte stärker ausgeprägte Informationsasymmetrie<br />
zwischen Anbieter und Abnehmer fördert tendenziell auch die unterschiedlichen<br />
Verhaltensmuster zwischen Retail- und professionellen Investoren. Während sich auf dem<br />
Retailmarkt das Investment primär auf die Thematik oder die Investmentstory hinter dem Underlying<br />
konzentriert, was sich auch aus den Informationen der Verkaufsbroschüren und<br />
Factsheets der Emittenten ablesen lässt, emanzipieren sich professionelle Investoren eher von<br />
den Anbieterinformationen und gehen womöglich bewusstere Investitionen ein unter Berücksichtigung<br />
vielschichtigerer Anlagezielen und -parameter und unter Kenntnis der wichtigsten<br />
einzelnen Produktkomponenten. Dabei spielen hier Überlegungen der Renditeoptimierung<br />
oder Portfolioabsicherung über gezielte Investitionen beispielsweise in die Volatilität genauso<br />
eine Rolle wie die generelle Absicherung von inhärenten Produktrisiken.<br />
6.2.2 Duale Anlegerstruktur<br />
Die Marktfähigkeit von strukturierten Produkten beruht grösstenteils darauf, das Anlagespektrum<br />
für Retailinvestoren zu erweitern und dabei Anlageklassen und Anlagestrategien für diese<br />
investibel zu machen, die vorher nur professionellen Investoren oder einzelnen Grossinvestoren<br />
offen standen. 581 Dabei steht für den Retailinvestor der Zugang zu neuen Anlagestrategien<br />
und Märkten mittels strukturierter Produkte als zentraler Pluspunkt dieser Produktinnovation.<br />
Via strukturierte Produkte ist es nun auch Retailinvestoren möglich, in mehrere Underlyings<br />
gleichzeitig respektive schon diversifizierte Portfolios (z.B. in Baskets) zu investie-<br />
578 In einer <strong>St</strong>udie der OECD über strukturierte Produkte wurde genau dieser Aspekt des mangelnden Produktverständnisses<br />
der Anleger sowie die ungenügende Aufklärungsarbeit durch die Emittenten kritisiert, obwohl vielfach offensichtlich das<br />
Know-how der (Retail-) Anleger für das Verständnis der komplexen Produkte fehlt: "…no dout that retail buyers of these<br />
products will not understand what they are buying." (vgl. Blundell-Wignall (2007a), S. 18). Ähnliche Aussagen lassen<br />
sich aus einer Umfrage zur Thematik der strukturierten Produkte im Schweizer Markt herauslesen. Die befragten Anleger<br />
bezeichneten strukturierte Produkte oftmals als zu kompliziert, weshalb sie sich bei Investitionen in solche Produkte<br />
mehrheitlich auf die Beratung und Empfehlungen des Anlageberaters verlassen (vgl. Cash et al. (2007), S. 14ff. resp. S.<br />
27ff.). Vgl. dazu auch den Hinweis der National Association of Securities Dealer (NASD) an ihre Mitglieder (vgl. NASD<br />
(2005) sowie die Angaben unter Fussnote 337).<br />
579 Vgl. den geschichtlichen Abriss über strukturierte Produkte unter Abschnitt 3.1.3.<br />
580 Vgl. Gerhardt (2006), S. B3 sowie die <strong>St</strong>atistiken in SWX (2007b), S. 39 und SVSP (2008a), S. 10.<br />
581 Vgl. dazu die ausführlichen Betrachtungen der Marktfähigkeit von strukturierten Produkten unter Abschnitt 3.1.2.
Beurteilung 193<br />
ren, short Positionen einzugehen oder in alternative Anlageklassen wie Rohstoffen, Private<br />
Equity oder auch in Produktkomponenten wie die Volatilität oder in Korrelationsprodukte<br />
anzulegen. Dank des flexiblen Einsatzes von Derivaten ist praktisch jede beliebige <strong>St</strong>rategie<br />
auf fast jede Anlageklasse über ein strukturiertes Produkt umsetzbar und durch die Losgrössentransformation<br />
über die Banken als Intermediär 582 auch schon mit relativ kleinen Anlagebeträgen<br />
investibel. Einzige, aber entscheidend zu beachtende Einschränkung ist dabei, dass<br />
solche <strong>St</strong>rategien und Investments von Retailinvestoren nur gebündelt und in einem strukturierten<br />
Produkt verbrieft (Bundling) eingegangen werden können. Separate Investments in die<br />
einzelnen Produktkomponenten unterstehen nach wie vor den gleichen Restriktionen bezüglich<br />
Anlagevolumen und Marktzugang, die schon vor dem Aufkommen der Produktinnovation<br />
der strukturierten <strong>Investmentprodukte</strong> galten. 583<br />
Es ist demnach für den gemeinen Retailinvestoren beinahe unmöglich, ein strukturiertes Produkt<br />
abzubilden und über die einzelnen Produktkomponenten selber nachzubilden. Den Investoren<br />
fehlt dazu meistens das notwendige Know-how, aber auch beispielsweise sophistizierte<br />
Modelle und Tools als unabdingbare Hilfsmittel zur adäquaten Bewertung von komplexen<br />
Produktkonstruktionen und deren Einzelteile. Darüber hinaus erreichen Transaktionskosten<br />
beim Erwerb der einzelnen Produktbausteine relativ rasch Höhen, die bei kleinen Anlagevolumen<br />
bedeutsame Renditeeinbussen mit sich bringen, insbesondere wenn es gilt, mehrere<br />
Underlyings für ein Produkt zu kombinieren. Des Weiteren sind short Positionen in Anlagevehikeln<br />
oder einzelnen Produktkomponenten (z.B. in Derivaten) für Retailinvestoren nur<br />
sehr beschränkt möglich, da Banken oder Handelsplätze die Hinterlegung von liquidierbaren<br />
Sicherheiten von Investoren verlangen, um ungedeckte Anlagen in short Positionen im Notfall<br />
glattstellen zu können. Diese Restriktionen des eingeschränkten Marktzugangs und der<br />
überproportional ins Gewicht fallenden Transaktionskosten für Kleinstanlagebeträgen zusammen<br />
mit dem ernormen Know-how- und Hilfsmittelbedarf für die Kreierung von strukturierten<br />
Produkten setzen Barrieren, die Retailinvestoren fast nicht zu überwinden vermögen.<br />
Daher investieren Retailinvestoren praktisch zwangsläufig in die strukturierten Produkte als<br />
gesamtes Produktbündel (Bundling).<br />
Die professionellen Investoren wiederum, wozu auch die Banken selbst als Intermediäre und<br />
Emittenten gehören, sind dank ihres Zugangs zum Markt der Einzelanlagen und Produktkomponenten<br />
in der Lage, strukturierte Produkte nicht nur als Produktbündel (Bundling), sondern<br />
vielmehr auch die einzelnen Komponenten separiert und ungebündelt (Unbundling) zu handeln.<br />
Auf dem Markt zur Absicherung der inhärenten Risiken der Produkte werden die Gegenparteirisiken<br />
separat unter professionellen Investoren gehandelt. Die professionellen<br />
Marktteilnehmer sind auch in der Lage, strukturierte Produkte selber aufzusetzen oder haben<br />
die Marktmacht dank ihrer Anlagevolumina, diese massgeschneidert von den Emittenten anfertigen<br />
zu lassen. Nach dem Erwerb eines solchen tailor-made Produkts handeln die profes-<br />
582 Vgl. die Theorie und die institutionellen Grundlagen der Finanzintermediation in Bernet (2003) oder <strong>St</strong>illhart (2002).<br />
583 Die Neue Aargauer Bank weist schon in ihrer Definition der strukturierten Produkte auf den Umstand hin, dass Retailinvestoren<br />
nur schwerlich ein solches Produkt respektive die damit einzugehende Anlagestrategie selber nachbilden können:<br />
"…deren inhärente <strong>St</strong>rategie durch einen Privatinvestor mittels traditionellen Anlagevehikeln regelmässig nicht<br />
nachvollziehbar wäre." (vgl. NAB (2005) und die Definition unter Abschnitt 1.2.2).
Beurteilung 194<br />
sionellen Akteure das Produkt in der Regel nicht mehr als Produktbündel auf dem Sekundärmarkt,<br />
sondern sichern einzelne Risiken bei Marktveränderungen eher am Markt für Gegenparteirisiken<br />
ab. Daher agieren professionelle Investoren vorwiegend auf dem professionellen<br />
Markt für Gegenparteirisiken, dem Handelsplatz der Produktkomponenten, und nicht auf dem<br />
Retailmarkt, dem Markt der Produktbündel.<br />
Der Ansatz beruht nun nicht einfach darauf, die Investoren in eine duale Anlegerstruktur aufzuteilen.<br />
Es geht vielmehr darum, ihre unterschiedlichen Investitionsmotive aber auch Anlageopportunitäten<br />
gegenüber den strukturierten Produkten im Allgemeinen und deren Einzelkomponenten<br />
(z.B. gegenüber der Volatilität) im Speziellen abzuleiten und zu zeigen, dass<br />
Retailinvestoren und professionelle Investoren anlagetechnisch unterschiedlich agieren. Der<br />
verschiedenartige Anlagefokus der Investoren basiert einerseits auf psychologischen respektive<br />
behavioral Finance - Aspekten, andererseits auf dem unterschiedlichen Zugang der Investoren<br />
zu den Märkten.<br />
Der Fokus in dieser Forschungsarbeit liegt auf dem Absatz der strukturierten Produkte, welcher<br />
mittels der Auswertung der Sekundärmarktdaten der an der SWX gelisteten strukturierten<br />
Produkte in der Empirie entsprechend analysiert wurde. Die in der Empirie erfolgte Ablehnung<br />
der Nullhypothese führt demnach zur Annahme, dass sich die sich im Absatz der<br />
strukturierten Produkte widerspiegelnden Handelsaktivitäten der Retailinvestoren und professionellen<br />
Investoren gegenüber der Volatilität entweder weitgehend ausgleichen, mit Ausnahme<br />
der unter Abschnitt 6.1 beschriebenen Produkte, oder aber viel wahrscheinlicher, dass<br />
die beiden Investortypen auf unterschiedlichen Märkten agieren, womit konsequenterweise<br />
keine Volatilitätsabhängigkeit in den Absatzzahlen der strukturierten Produkte zu erkennen<br />
ist. Mögliche Implikationen aus einer solchen Annahme werden nachfolgend analysiert.<br />
6.2.3 Dichotome Märkte<br />
Es ist aufgrund der Erkenntnisse der behavioral Finance und dem unterschiedlichen Marktzugang<br />
von Retail- und professionellen Investoren wahrscheinlich, dass die Volatilitätsinvestoren<br />
gar nicht am Sekundärmakt für strukturierte Produkte agieren, sondern auf einem Markt<br />
mit ausschliesslich professionellen Investoren. Daher werden im folgenden Ansatz des Autors<br />
dichotome Märkte unterschieden, einerseits einen Markt für strukturierte Produkte, auf dem<br />
das gesamte Produktbündel (Bundling) gehandelt wird, und andererseits einen Markt für Gegenparteirisiken,<br />
auf dem die Produktkomponenten separiert, ungebündelt (Unbundling) gehandelt<br />
werden. Die Investoren bewegen sich also mit ihren Handelsmotiven in diesen zwei<br />
dichotomen Märkten, was sich in entsprechend unterschiedlichen Handels- und Anlageimpulsen<br />
niederschlägt: Im Sekundärmarkt, hier Retailmarkt genannt, auf der einen Seite und im<br />
Markt für Gegenparteirisiken zur Absicherung der inhärenten Risiken der Produkte, welche<br />
auf den einzelnen Produktkomponenten basieren, auf der anderen Seite, hier als professioneller<br />
Anlagemarkt bezeichnet.<br />
Der Retailinvestor richtet seinen Investitionsentscheid auf den Einfluss des Underlyings auf<br />
das Pricing der in den SIP eingebetteten Optionen aus und blendet die Erkenntnis über die<br />
Volatilitätskomponente im Optionsmodell von Black/Scholes aus. Als Basis für seinen Inves-
Beurteilung 195<br />
titionsentscheid dient bekanntlich die erwartete Entwicklung des Underlyings, welche beispielsweise<br />
auf sophistizierten Modellen, aber auch einfach auf einer Anlageempfehlung oder<br />
schlicht einem "Bauchgefühl" des Investors beruhen. Der professionelle Investor hingegen<br />
bewertet das Gesamtkonstrukt und bezieht auch die Volatilität als entscheidenden Pricingfaktor<br />
der Optionen mit ein und fällt den Anlageentscheid mit Einbezug der Volatilitätserwartung.<br />
584<br />
Professionelle Investoren nehmen im <strong>St</strong>rukturierungsprozess oder bei der Emission der Produkte<br />
beispielsweise eine wichtige Rolle ein, als diese in mancher Hinsicht als Gegenpartei<br />
für Hedgingaktivitäten der Emissionsparteien fungieren können. Dabei umfassen die inhärenten<br />
Risiken eines strukturierten Produkts sämtliche Produktkomponenten vom Underlying,<br />
der Volatilität bis zur Zinskomponente, womit offene Risikopositionen des Emittenten entstehen,<br />
die am Markt für Gegenparteirisiken bei Bedarf geschlossen werden können. Die Volatilitätsinvestoren<br />
beispielsweise operieren als professionelle Investoren auf dem Markt zur Absicherung<br />
offener Vega-Positionen der SIP-Emittenten und agieren nicht ausschliesslich als<br />
Momentum-Investoren der Volatilität basierend auf der Mean-Reversion-Annahme des theoretischen<br />
Modells in Kapitel 4. 585 Dabei treten professionelle Investoren letztlich nicht nur als<br />
Gegenpartei der Emittenten und damit ebenfalls als Risikonehmer und Spekulant auf, sondern<br />
gehen folglich auch eine zum Retailinvestor gegenläufige Anlage bezüglich der Volatilität<br />
ein. Eine gezielte Investition in die Volatilität an sich bringt aus empirischer Warte für den<br />
Anleger auch interessante Aspekte mit sich, was Volatilitätsinvestoren auszunutzen trachten.<br />
Auf der einen Seite verfügt die Volatilität über Diversifikationspotential dank ihrer negativen<br />
Korrelation mit dem Aktienmarkt (d.h. hier Underlying) zur Absicherung von Investmentpositionen,<br />
auf der anderen Seite weisen Untersuchungen eine negative Risikoprämie der Volatilität<br />
nach, welche über eine short Position renditeoptimierend ausgenutzt werden kann, was<br />
beispielsweise von Hedge Funds auch getan wird. 586<br />
584 Vgl. die Ausführungen über Optionsmodelle in Abschnitt 2.1.2.<br />
585 Die Investition in die Volatilität bei einer auf der Mean-Reversion-Annahme basierenden Erwartung einer richtungweisenden<br />
Volatilitätsentwicklung zu einem gegebenen Zeitpunkt begründet eine Momentum-<strong>St</strong>rategie gegenüber der Volatilität,<br />
da der Investor falls eine steigende Volatilität erwartet wird, Volatilität kauft und im umgekehrten Fall Volatilität<br />
verkauft. Der Investor verhält sich in seinen Investitionsentscheiden bezüglich der Volatilität folglich prozyklisch, d.h. er<br />
kauft bei steigender und verkauft bei fallender Volatilität. Gatev/Ross beispielsweise ordneten in ihrer <strong>St</strong>udie ein solches<br />
Anlageverhalten sogenannten Momentum-Tradern zu und stellten dieses Verhalten formal dar. Das dazu gegensätzliche<br />
Anlageverhalten wurde Contrarian-Tradern zugeordnet (vgl. Gatev/Ross (2000), S. 10).<br />
586<br />
Vgl. die Erklärungen unter Abschnitt 2.6 und die Verweise ebenda, insbesondere in 2.6.1 über das Diversifikationspotential<br />
und in 2.6.2 über die negative Risikoprämie der Volatilität.
Beurteilung 196<br />
Der Ansatz dichotomer Märkte wird in der nachstehenden Tabelle zusammengefasst:<br />
Tabelle 31: Vergleich der dichotomen Märkte<br />
Fokus / Handelsobjekt<br />
Markt für Gegenparteirisiken<br />
(professioneller Markt)<br />
Einzelkomponenten des<br />
strukturierten Produkts<br />
(Unbundling: u.a. Volatilität)<br />
Sekundärmarkt<br />
(Retailmarkt)<br />
<strong><strong>St</strong>rukturierte</strong>s Produkt<br />
(Produktbündel, Bundling)<br />
Investortyp Professioneller Investor Retailinvestor<br />
Basis Investitionsentscheid<br />
Anlagestrategie gegenüber<br />
Volatilität<br />
Restriktionen Keine<br />
Anmerkung: Eigene Darstellung.<br />
Absicherung inhärenter Risiken;<br />
Spekulation auf Entwicklung<br />
Einzelkomponenten<br />
Momentum-<strong>St</strong>rategie gemäss<br />
Mean-Reversion;<br />
Hedging gemäss Risikoposition<br />
Erwartete Entwicklung des<br />
Underlyings;<br />
Investmentstory Underlying<br />
Keine<br />
Keine Leerverkäufe in strukturierten<br />
Produkten;<br />
Eingeschränkte Investitionsmöglichkeiten<br />
in Einzelkomponenten<br />
Bei Annahme der beschriebenen dualen Investorenstruktur und der dichotomen Märkten kann<br />
geschlussfolgert werden, dass auf dem Gesamtmarkt für strukturierte Produkte keine Abhängigkeit<br />
des Absatzes von der Marktvolatilität existiert, da volatilitätsorientierte Investoren<br />
letztlich nicht am Sekundärmarkt für strukturierte Produkte handeln. Volatilitätsabhängige<br />
Handelsumsätze im Zusammenhang mit strukturierten Produkten werden demnach nicht auf<br />
dem Sekundärmarkt der Produkte verzeichnet, sondern auf dem professionellen Markt im<br />
Handel mit den einzelnen Produktkomponenten. Damit wird auch die in dieser Arbeit empirisch<br />
nachgewiesene Unabhängigkeit des Absatzes der strukturierten Produkte von der Marktvolatilität<br />
auf dem Sekundärmarkt begründet.<br />
Die Erkenntnis, dass Volatilitätsinvestoren im Retail- oder Sekundärmarkt für strukturierte<br />
Produkte keine Rolle spielen, ist auch in Bezug auf die Untersuchungsergebnisse von Wohlwend<br />
sehr interessant. Wohlwend wies in seiner Arbeit ein Mispricing der strukturierten Produkte<br />
zuungunsten der Investoren nach, welches er auf Basis der impliziten Volatilitäten der
Beurteilung 197<br />
in den Produkten eingebetteten Optionen eruiert hat. 587 Wider des theoretischen Wissens über<br />
Optionsmodelle, -bewertungen und der Entwicklungen im Options- und Warrant-Markt, in<br />
denen die implizite Volatilität des Produkts jeweils angegeben und anerkanntermassen ein<br />
Synonym für den Preis des Produkts darstellt, vernachlässigen die Investoren von strukturierten<br />
Produkten den Faktor Volatilität scheinbar systematisch. Nur damit ist erklärbar, dass die<br />
Volatilität nicht nur keinen Einfluss auf den Absatz von strukturierten Produkten hat, sondern<br />
auch der empirische Fakt, dass die Emittenten den Einfluss der Volatilität auf die SIP-Preise<br />
systematisch zu ihren eigenen Gunsten und damit zuungunsten der Investoren ausnutzen<br />
kann, ohne dass es die Investoren überhaupt wahrnehmen. Ein wichtiger Grund dafür liefert<br />
der hergeleitete Ansatz dichotomer Märkte, denn darin erfolgt der Preissetzungsprozess der in<br />
das Produkt einfliessenden Volatilität auf einem aus Sicht des Retailinvestors verborgenen,<br />
nicht transparenten Markt. Bei fehlender Transparenz und Nachvollziehbarkeit der Preissetzung<br />
einer für den Produktpreis entscheidenden Komponente profitiert der Anbieter und kann<br />
tendenziell seinen Informationsvorsprung gegenüber dem Nachfrager entsprechend zu seinen<br />
Gunsten ausnutzen, da die Informationsbeschaffungskosten zur Beseitigung oder zumindest<br />
Minderung der asymmetrischen Information für die Anleger bei komplexen Produkten überproportional<br />
und damit abschreckend hoch sind. Die Emittenten und Produktanbieter schöpfen<br />
demnach neben der bekannten und relativ transparenten Entschädigung für ihre Intermediationsfunktion<br />
zwischen den Anlegern und Märkten (z.B. in Form von Verkaufskommissionen<br />
oder Bid/Ask-Spreads) 588 zusätzlich eine Prämie aufgrund ihres Informationsvorsprungs<br />
gegenüber den (Retail-) Investoren ab.<br />
Die Untersuchung von Wohlwend reicht zwar schon einige Jahre zurück und ein verstärkter<br />
Wettbewerb unter den Emittenten dürfte zu einem aus Sicht der Investoren tendenziell vorteilhafteren<br />
Pricing der strukturierten Produkte führen. Allerdings zeigen praktisch durchwegs<br />
alle bisherigen Untersuchungen auch ausserhalb des Schweizer Marktes (v.a. in Deutschland),<br />
welche das Pricing der strukturierten Produkte thematisierten, für den Investor ähnlich ungünstige<br />
Ergebnisse wie diejenigen Wohlwends. 589 Eine auf dichotomen Märkten und dualen<br />
Anlegerstrukturen basierende Begründung sowohl für die Ablehnung der Nullhypothese einer<br />
Volatilitätsabhängigkeit des Absatzes strukturierter Produkte als auch für das Mispricing der<br />
Produkte wurde in der hier beschriebenen Art bisher aber noch in keiner Arbeit hergeleitet<br />
und soll damit die Diskussion dieser offenbar auch über den Produktabsatz mit der Marktvolatilität<br />
verknüpften Thematik des Pricings strukturierter Produkte weiter beleben.<br />
6.3 Empfehlung<br />
Die Vernachlässigung der Volatilität durch die Anleger strukturierter Produkte ist daher<br />
durchaus zwar erklärbar, nicht aber als Dauerzustand im Markt dieser Produkte anzunehmen.<br />
587 Vgl. Wohlwend (2001).<br />
588<br />
Vgl. die Ausführungen über die Kosten der strukturierten Produkte und deren Einteilung in transparente und verborgene<br />
Kosten in Kapitel 3.1.4.<br />
589<br />
Vgl. die ausführliche Darstellung bisheriger Forschungsergebnisse in der Thematik der strukturierten Produkte unter<br />
Abschnitt 1.2 sowie die Verweise ebenda.
Beurteilung 198<br />
Deshalb ist insgesamt eine <strong>St</strong>eigerung der Sensitivität der Retailinvestoren gegenüber der<br />
Volatilität und deren Einfluss auf das Produktpricing anzustreben, damit der Handel mit der<br />
Volatilität nicht weiterhin ausschliesslich eine Angelegenheit unter professionellen Akteuren<br />
bleibt. Dazu sind insbesondere grössere Transparenz und vermehrte Aufklärung der Anleger<br />
durch die Emittenten bezüglich der in das Produkt eingepreisten Volatilität vonnöten, was am<br />
einfachsten über die Angabe zusätzlicher Informationen auf dem Factsheet der Produkte erfolgen<br />
könnte.<br />
An der verbreiteten und auch bewährten Darstellung der zweidimensionalen Pay-off-<br />
Diagramme, welche das Auszahlungsprofil der Produkte unter Berücksichtigung der Dimensionen<br />
Underlying und eingebettete Derivate, welche miteinander kombiniert per Definitionem<br />
dieser Arbeit ein strukturiertes Produkt bilden, illustrativ aufzeigen, soll hingegen festgehalten<br />
und mit der Volatilität keine dritte Dimension in das Diagramm einbezogen werden.<br />
Denn eine dreidimensionale Darstellung wäre erstens relativ aufwendig zu konstruieren und<br />
zweitens basierend auf den Erkenntnissen der behavioral Finance wohl auch zu komplex und<br />
daher kaum zielführend, um bei den Anlegern ein besseres Verständnis für den Einfluss der<br />
Komponente Volatilität auf das strukturierte Produkt zu erreichen.<br />
Als zusätzliche Hilfe sollte in erster Linie die für die Typologie massgebende und für das<br />
theoretische Absatzmodell dieser Forschungsarbeit herausgearbeitete richtungsbezogene Volatilitätsposition<br />
(long, short, neutral) des strukturierten Produkts angegeben und als eine Art<br />
übergeordneten Volatilitätswegweiser als fester Bestandteil in die Produktbeschreibung aufgenommen<br />
werden. Durch die Beschränkung auf die Bestimmung einer richtungweisenden<br />
und nicht exakt quantifizierten Volatilitätsposition auf Basis der Put-Call-Parität kann dem<br />
Anleger über die Aufgliederung der einzelnen Produktbestandteile in die beiden Dimensionen<br />
Underlying und Derivate – in Analogie zum Pay-off-Diagramm – auf anschauliche Art die<br />
Relevanz der Volatilität aufgezeigt werden, ohne auf komplexe Bewertungsmodelle (insb.<br />
Optionsmodelle) oder unhandliche Formelstrukturen zurückgreifen zu müssen. 590 Die Volatilitätsposition<br />
schafft daher drei klar voneinander unterscheidbare und relativ einfach zu ermittelnde<br />
Abhängigkeiten des strukturierten Produkts gegenüber der Volatilität, ohne die Volatilität<br />
als zusätzlichen, dritten Parameter separat einführen zu müssen und damit die Wahrnehmung<br />
der Anleger zu überfordern.<br />
Insgesamt profitiert ein nicht fachkundiger (Retail-) Anleger von der Angabe einer auf die<br />
Richtung beschränkten Volatilitätsposition mehr als von einer exakt quantifizierten Volatilitätskennzahl,<br />
deren formale Herleitung und Darstellung viele Anleger schon abschrecken und<br />
damit dem Verständnis der Produktstruktur und dem Vertrauen in die Produkte eher abträglich<br />
wären. Daher ist die bereits mehrfach gestellte Forderung nach der Angabe der impliziten<br />
Volatilität der im SIP eingebetteten Optionen, 591 sowohl indikativ im Primärmarkt als auch<br />
später im am Sekundärmarkt gestellten Produktpreis – wie dies heute schon bei Optionen und<br />
590<br />
Vgl. die Aufgliederung der Produkte in ihre Komponenten und die Bestimmung der Volatilitätsposition auf Basis der Put-<br />
Call-Parität in den Abschnitten 3.4 und 3.5.<br />
591 Vgl. Wohlwend (2001), S. 265 und Ammann (2006), S. B7 sowie die Bemerkungen dazu über die Kosten und über die<br />
Regulierung der strukturierten Produkte in den Abschnitten 3.1.4 respektive 3.2.1.
Beurteilung 199<br />
Warrants üblich ist – zwar durchaus berechtigt und für fachkundige Anleger auch hilfreich,<br />
für die Mehrheit der privaten Anlegerschar allerdings wohl nur von höchst beschränktem Nutzen.<br />
Eine in Herleitung und Darstellung simplere, klar einordenbare Volatilitätsposition ist im<br />
Spannungsfeld zwischen der Forderung nach erhöhter Produkttransparenz auf der einen Seite<br />
und einer anlegerfreundlichen Reduktion der Produktkomplexität auf der anderen Seite einer<br />
quantifizierten impliziten Volatilität vorzuziehen.<br />
Weiter wären zur zusätzlichen Förderung der Sensitivität des Anlegers gegenüber der Volatilitätsposition<br />
der Produkte die heutigen Szenarioanalysen in Bezug auf Wertänderungen des<br />
Underlyings um solche auf die richtungsbezogene Volatilitätsentwicklung und deren Einfluss<br />
auf den Produktpreis in die Produktbeschreibungen zu erweitern. Damit würden die intuitiv<br />
verständlichen Parameter zur Erklärung der Produktstruktur, d.h. das Underlying und das eingebettete<br />
Derivat, zusätzlich die im Produkt immanente Volatilitätsposition abdecken. Dies<br />
würde den Anlegern ein dank des Einbezugs der Volatilität verbessertes Produktverständnis<br />
und eine grössere Transparenz der Produktstruktur im Sinne des Anlegerschutzes verschaffen<br />
und zu einem offeneren und damit wohl auch preiseffizienteren Markt für das gesamte Produktbündel<br />
führen.<br />
Die strukturierten Produkte könnten somit sowohl nach der Kategorisierung der Swiss Listed<br />
Derivative Map des Branchenverbands SVSP 592 als auch aufgrund ihrer Volatilitätsposition in<br />
je drei übergeordnete Produkttypen (exkl. Hebelprodukte) eingeordnet werden, was dem Anleger<br />
eine grössere Informationsdichte in den Produktstammdaten verschaffen würde; einerseits<br />
über die Einordnung des Produkttyps gemäss Pay-off-Diagramm (Derivative Map) in die<br />
Kategorien Partizipations-, Renditeoptimierungs- und Kapitalschutzprodukte und andererseits<br />
über die Kategorisierung des Produkts via Volatilität (Typologie der Forschungsarbeit) unter<br />
Verwendung der Produktkomponenten des Pay-off-Diagramms in die Produkttypen mit Volatilitätsposition<br />
long, short und neutral.<br />
Beispielhaft soll hier die Empfehlung anhand eines Kapitalschutzprodukts ohne Cap illustriert<br />
werden. Dieses Produkt wird strukturiert, indem eine Investition in den Basiswert (hier: long<br />
festverzinsliche Anlage) mit dem Kauf einer Call-Option (hier: long Call) kombiniert wird. 593<br />
Dies führt zu nachfolgendem Pay-off-Diagramm und Volatilitätswegweiser:<br />
592 Vgl. die Typologie der Swiss Listed Derivative Map unter 3.3.1.<br />
593 Vgl. die Erklärungen und Darstellung der Produktbestandteile unter Kapitel 3.4, insb. Abschnitt 3.4.4.
Beurteilung 200<br />
Pay-off<br />
0<br />
Kurs<br />
Basiswert<br />
Abbildung 51: Pay-off-Diagramm und Volatilitätsposition Kapitalschutzprodukt ohne Cap<br />
Anmerkung: Eigene Darstellung. Pay-Off-Diagramm in Anlehnung an die Swiss Listed Derivative Map.<br />
Gemäss Swiss Listed Derivative Map gehört dieses Produkt zur Kategorie der Kapitalschutzprodukte.<br />
Die Volatilitätsposition wiederum ergibt sich aus den Komponenten des skizzierten<br />
Pay-off-Diagramms (Basiswert und Call-Option) auf Basis der Put-Call-Parität, die besagt,<br />
dass eine Investition ins Underlying respektive das Halten des Underlyings volatilitätsneutral<br />
ist. 594 Daher ergibt der zusätzliche Kauf einer Call-Option eine positive Volatilitätsabhängigkeit<br />
(positives Vega) und nach der Typologie der Forschungsarbeit ein Produkt mit Volatilitätsposition<br />
long. Der Investor ist daher in die Volatilität investiert und der Produktwert korreliert<br />
positiv mit der Volatilität. Eine steigende Volatilität (Volatilitätsszenario) hat daher<br />
ceteris paribus eine Wertsteigerung des Produkts zur Folge.<br />
Die beschriebenen <strong>St</strong>rukturen dichotomer Märkte und dualer Anlegerstrukturen könnten damit<br />
aufgebrochen und auch breitere Anlegerkreise für die Entwicklung einzelner Produktkomponenten<br />
zumindest sensibilisiert werden, denn der professionelle Handel der Einzelkomponenten<br />
kann wohl nicht komplett den privaten Investoren geöffnet werden. 595 Mit Angabe<br />
der impliziten Volatilität der im Produkt eingebetteten Option, der Darstellung von Szenarioanalysen<br />
verschiedener Volatilitätsentwicklungen sowie insbesondere der Angabe der<br />
einzelnen Produktbestandteile und der daraus abgeleiteten richtungsbezogenen Volatilitätsposition<br />
kann ein substanzieller Beitrag zur Verbesserung der Produkttransparenz und Sensitivität<br />
der Anleger gegenüber dem kritischen Inputfaktor Volatilität geleistet werden.<br />
594<br />
Vgl. die Ausführungen zur Put-Call-Parität und zur Extraktion der Volatilitätsposition in Kapitel 3.5, insb. Abschnitte<br />
3.5.2 und 3.5.3.<br />
595 Die Bank Wegelin verfolgt den Ansatz des Unbundlings der Produkte im Reporting von strukturierten Produkten. Obwohl<br />
das Unbundling der Produkte in ihre einzelnen Produktkomponenten noch konsequenter und detaillierter verfolgt werden<br />
könnte, ist ein solches Reporting im Sinne der Transparenz ein aus Kundensicht begrüssenswerter Schritt (vgl. Rüthemann/Hutter<br />
(2007b)).
Schlussfolgerungen und Ausblick 201<br />
7 Schlussfolgerungen und Ausblick<br />
Die vorliegende Forschungsarbeit untersucht den Zusammenhang zwischen der Marktvolatilität<br />
und dem Absatz der strukturierten <strong>Investmentprodukte</strong>. Die Frage nach einer Abhängigkeit<br />
des Produktabsatzes von der Volatilität wird zunächst auf theoretischer Basis analysiert und<br />
danach anhand der Empirie getestet. Die in den strukturierten Produkten eingebetteten Optionen<br />
standen schon mehrmals im Mittelpunkt verwandter Forschungsarbeiten über strukturierte<br />
Produkte und zeigen zusammen mit der Theorie der Optionsbewertung die Wichtigkeit des<br />
Parameters Volatilität für die Bewertung und damit Attraktivität strukturierter Produkte auf.<br />
Auf dieser Erkenntnis basiert das in dieser Forschungsarbeit hergeleitete theoretische Absatzmodell,<br />
welches entsprechend anhand konkreter Absatzbewegungen der Produkte am<br />
Markt getestet wird. Als Absatz wird der Umsatz am Sekundärmarkt der an der Schweizer<br />
Börse SWX kotierten strukturierten Produkte definiert, der Volatilitätsindex VSMI wiederum<br />
verkörpert die Marktvolatilität. Es wird gezeigt, dass die aus der Theorie abgeleitete Volatilitätsabhängigkeit<br />
des Produktabsatzes mit der Realität bricht, d.h. der Absatz strukturierter<br />
Produkte keine Anzeichen einer Volatilitätsabhängigkeit zeigen.<br />
Nachfolgend werden die zentralen Erkenntnisse der Forschungsarbeit zusammengefasst,<br />
Handlungsempfehlungen daraus abgeleitet und ein Ausblick auf weiterführende Forschungsfragen<br />
gewährt.<br />
7.1 Schlüsselerkenntnisse der Forschungsarbeit<br />
Über eine Extraktion der in den strukturierten Produkten eingebetteten Derivate kann eine<br />
richtungsbezogene Volatilitätsposition der Produkte bestimmt werden, welche eine theoretische<br />
Abhängigkeit des Produkts von der Marktvolatilität anzeigt. Die beiden Grundkomponenten<br />
Underlying und Derivat, welche miteinander kombiniert ein strukturiertes Produkt<br />
nach der in dieser Arbeit gültigen Definition bilden, werden separiert und bestimmen auf Basis<br />
der Put-Call-Parität eine richtungsbezogene Volatilitätsposition für das spezifische strukturierte<br />
Produkt. Richtungsbezogen bedeutet eine positive (long), negative (short) oder neutrale<br />
(neutral) Interdependenz mit der Volatilitätsentwicklung, ohne allerdings die theoretische<br />
Abhängigkeit zu quantifizieren. Die gängigen am Markt gehandelten strukturierten Produkte<br />
können über ihre Volatilitätsposition den drei Positionen long, short und neutral eindeutig<br />
zugeordnet und damit nach ihrer Volatilitätsabhängigkeit typologisiert werden. Diese Typologie<br />
der strukturierten Produkte bildet die Basis für das theoretische Modell und die empirischen<br />
Auswertungen dieser Forschungsarbeit.<br />
Die richtungsbezogene Volatilitätsabhängigkeit der Produkte lässt für die drei Typen der<br />
strukturierten Produkte eine Investitionsempfehlung und damit eine Absatzerwartung aufgrund<br />
der zu einem gegebenen Zeitpunkt erwarteten Volatilitätsentwicklung ableiten. Auf<br />
Basis der Mean-Reversion-Annahme der Volatilitätsentwicklung kann anhand der gegenwärtig<br />
am Markt beobachteten impliziten Volatilität im Vergleich mit dem langfristigen Durchschnitt<br />
der Volatilitätskennzahl (Mean) eine richtungsbezogene erwartete Volatilitätsentwick-
Schlussfolgerungen und Ausblick 202<br />
lung hergeleitet und damit eine relative Attraktivität der verschiedenen Produkttypen anhand<br />
ihrer Volatilitätsposition bestimmt werden. Diese relative Attraktivität der Produkte führt zu<br />
einer gesteigerten Absatzerwartung der Produkte mit der entsprechenden Volatilitätsposition,<br />
was sich theoretisch in den Absatzdaten dieser Produkte entsprechend niederschlagen sollte.<br />
Theoretisch ist folglich eine Volatilitätsabhängigkeit des Absatzes von strukturierten Produkten<br />
zu erwarten.<br />
Das theoretische Absatzmodell wird anhand der ausgewerteten Absatzdaten der an der SWX<br />
kotierten strukturierten Produkte über den Zeitraum von Januar 2004 bis Dezember 2006 getestet.<br />
Mittels Regressionsanalysen wird die Nullhypothese, welche einen Einfluss der Volatilität<br />
auf den Produktabsatz annimmt, für strukturierte Produkte auf Gesamtabsatzebene über<br />
alle Periodizitäten (täglich, wöchentlich, monatlich) verworfen und damit auf keinen Einfluss<br />
der Volatilität auf den Absatz geschlossen. Diese Erkenntnis gilt für den Gesamtabsatz der<br />
SIP, aber auch für die einzelnen Produktkategorien gemäss deren Volatilitätsposition (long,<br />
short, neutral) und bestätigt sich ebenfalls für die einzelnen Produkttypen. Bei den Hebelprodukten<br />
respektive Warrants (d.h. SIP i.w.S.) zeigen nur die Absatzdaten auf täglicher Basis<br />
eine positive Abhängigkeit mit der Marktvolatilität, was weitgehend den Ergebnissen bisheriger<br />
Forschungsarbeiten über den Zusammenhang von Volatilität und Produktumsatz an Options-<br />
und Futuresmärkten entspricht. Die aggregierten Absatzdaten aller Derivate (SIP i.e.S.<br />
und SIP i.w.S.) wiederum zeigen ebenfalls keine Volatilitätsabhängigkeit über alle Periodizitäten<br />
hinweg. Daher wird insgesamt die in der Theorie hergeleitete Volatilitätsabhängigkeit<br />
des Produktabsatzes empirisch nicht bestätigt, die Nullhypothese eines Einflusses der Volatilität<br />
auf den Absatz verworfen.<br />
Die Divergenz zwischen Theorie und Praxis ist vor allem anhand zweier Aspekte erklärbar.<br />
Einerseits führen psychologische Gesichtspunkte und Verhaltensweisen der Investoren zu<br />
einem divergenten Anlageverhalten unter der Investorengemeinde, andererseits ist der unterschiedliche<br />
Marktzugang von privaten Retailinvestoren und professionellen Investoren als<br />
erklärender Faktor zu berücksichtigen. Die behavioral Finance befasst sich mit den Aspekten<br />
des angesprochenen Anlageverhaltens von Investoren, welche sich vom rationalen Gedankengut<br />
der Finanztheorie unterscheiden. Anleger neigen dazu, mehrdimensionale Daten oder<br />
Datenstrukturen auf höchstens zwei Dimensionen zu reduzieren sowie komplexe Problemstellungen<br />
mit Hilfe intuitiver Vereinfachungen und normativer Prinzipien zu analysieren und<br />
letztlich komplexe Produkte zu simplifizieren. <strong><strong>St</strong>rukturierte</strong> Produkte werden daher oft auf die<br />
beiden Dimensionen Underlying und Derivat reduziert, weitere Einflussgrössen wie insbesondere<br />
die Volatilität hingegen vernachlässigt, da diese nicht explizit im Produkt sichtbar,<br />
sondern ihr Einfluss in der Variablen Derivat integriert ist. Weniger fachkundige Anleger<br />
berücksichtigen daher die Volatilität nicht in ihren Anlageüberlegungen, sondern fokussieren<br />
alleine auf die im verbreiteten Pay-off-Diagramm gezeigten Variablen des Basiswerts und des<br />
Derivats. Dieses Investitionsverhalten führt zu einer dualen Anlegerstruktur am Markt, die<br />
aus fachkundigen, welche die Volatilität in ihren Anlageentscheiden berücksichtigen, und<br />
weniger versierten Anlegern, welche ihrerseits die Volatilitätskomponente ausser Acht lassen,<br />
besteht.
Schlussfolgerungen und Ausblick 203<br />
Der Schlüssel zum Erfolg der strukturierten Produkte liegt im Zugang zu neuartigen Anlageklassen<br />
und Investmentstrategien für Retailanleger, welche vorher professionellen respektive<br />
institutionellen oder lediglich grossen Privatinvestoren vorbehalten waren. Über SIP ist es<br />
heute auch Retailinvestoren möglich, beispielsweise in alternative Anlagen oder Rohstoffe zu<br />
investieren, short-Positionen einzugehen oder Absicherungsstrategien umzusetzen. Allerdings<br />
sind diese Anlageobjekte nur mittels strukturierter Produkte investibel und dank der Losgrössentransformation<br />
über Banken (Intermediäre) schon mit relativ bescheidenen Anlagebeträgen<br />
erwerbbar. Die einzelnen Produktkomponenten sind jedoch von Retailinvestoren aufgrund<br />
von Transaktionskosten, Restriktionen im Eingehen von short-Positionen und dem eingeschränkten<br />
Zugang zum Markt einzelner Produktkomponenten allein als Produktbündel<br />
(Bundling) handelbar. Die einzelnen Komponenten (Unbundling) der strukturierten Produkte<br />
wiederum werden am Markt für Gegenparteirisiken unter professionellen Investoren gehandelt,<br />
welche die inhärenten Risiken des Produkts absichern (bspw. Vega-Hedge des Emittenten)<br />
oder auf die Entwicklung einzelner Parameter (bspw. Volatilität) spekulieren. Deshalb<br />
agieren volatilitätsorientierte Investoren auf dem professionellen Markt für Gegenparteirisiken<br />
und letztlich nicht am Sekundärmarkt für strukturierte Produkte. Dies führt dazu, dass<br />
volatilitätsabhängige Absätze von strukturierten Produkten nicht auf dem Sekundärmarkt,<br />
sondern auf dem professionellen Markt im Handel mit den einzelnen Produktkomponenten<br />
verzeichnet werden. Die duale Anlegerstruktur und das Handeln auf dichotomen Märkten<br />
begründen letztlich die empirisch nachgewiesene Unabhängigkeit des Sekundärmarktabsatzes<br />
der strukturierten Produkte von der Marktvolatilität. Die dichotomen Marktstrukturen dienen<br />
auch als zusätzlicher erklärender Faktor für das in früheren <strong>St</strong>udien gefundene Mispricing der<br />
strukturierten Produkte zuungunsten des (Retail-) Investors.<br />
Der Volatilität wird von der Mehrheit der Anlegergemeinde keine hinreichende Beachtung<br />
geschenkt im Rahmen des Anlageentscheids bei strukturierten Produkten. Daher sollte einerseits<br />
die Sensitivität der Investoren gegenüber der Volatilität gesteigert sowie andererseits die<br />
Produkttransparenz und Aufklärung mittels zusätzlicher fixer Informationen auf dem Factsheet<br />
der Produkte erhöht werden. Relativ einfach umzusetzen wäre die Einführung eines<br />
Volatilitätswegweisers, der die Volatilitätsposition des Produkts anhand der in dieser Arbeit<br />
vorgestellten Methodik anzeigt. Auf Basis der Put-Call-Parität kann mittels der im strukturierten<br />
Produkt miteinander kombinierten Komponenten Underlying und Derivate eine richtungsbezogene<br />
Volatilitätsposition abgeleitet und gemäss dieser die Produkte typologisiert<br />
werden. Heute werden die strukturierten Produkte am Markt bezüglich ihrer Pay-off-<br />
Diagramme geordnet (vgl. Swiss Listed Derivative Map), welche ebenfalls auf den beiden<br />
Dimensionen Underlying und Derivat basieren. Beide Typologien differenzieren drei klar<br />
voneinander unterscheidbare Produktarten (Partizipations-, Renditeoptimierungs- und Kapitalschutzprodukte<br />
auf der einen Seite, Volatilitätsposition long, short und neutral auf der anderen<br />
Seite), ohne aufwendige Modelle, Formelbäume oder mehrdimensionale, komplexe<br />
Datenstrukturen zu verwenden. Indem das Factsheet der SIP neben Informationen rund um<br />
das Pay-off-Diagramm mit der Angabe der aus den einzelnen Produktbestandteilen abgeleiteten<br />
richtungsbezogenen Volatilitätsposition ergänzt würde, könnte die Sensitivität des Investors<br />
gegenüber der Volatilität erhöht werden. Die Volatilitätsposition suggeriert eine entspre-
Schlussfolgerungen und Ausblick 204<br />
chende Volatilitätsabhängigkeit der Produkte, respektive zeigt eine richtungsbezogene Korrelation<br />
des Produktwerts mit der Volatilität an. Produkte mit Volatilitätsposition long korrelieren<br />
positiv mit der Volatilitätsentwicklung, Produkte mit Volatilitätsposition short entsprechend<br />
negativ. Diese Angabe könnte mittels einer bescheidenen Erweiterung der auf dem<br />
Factsheet verbreiteten Szenarioanalysen, welche sich bis anhin ausschliesslich auf die Entwicklung<br />
des Underlyings beziehen, auf die Veränderung der Volatilität verdeutlicht werden.<br />
7.2 Ausblick<br />
Die vorliegende Forschungsarbeit schliesst die Forschungslücke über den Absatz strukturierter<br />
Produkte auf dem Sekundärmarkt und kann insbesondere in zweierlei Hinsicht weiterentwickelt<br />
werden: auf andere Märkte ausgedehnte Analysen des Absatzes der strukturierten<br />
Produkte auf der einen Seite, Performanceuntersuchungen von verschiedenen Anlagestrategien<br />
mit strukturierten Produkten auf der anderen Seite.<br />
Die Datenbasis von strukturierten Produkten wird zunehmend umfangreicher und qualitativ<br />
verbessert dank der zunehmenden Kotierungstätigkeiten der Emittenten und dem Bemühen<br />
der Branchenverbände, den Markt für die Anleger transparenter und klarer zu strukturieren.<br />
Es wird interessant zu beobachten sein, ob eine sich quantitativ und qualitativ verdichtende<br />
Datengrundlage, welche einen zunehmenden Teil des Gesamtmarktes und eine längere Historie<br />
abdecken, im relativ jungen Bereich der strukturierten Produkte zu neuen, gegenüber der<br />
hier vorliegenden Forschungsarbeit differenten Untersuchungsergebnissen führen oder aber<br />
die hier gewonnenen Erkenntnisse weitestgehend bestätigen. Darüber hinaus könnten die Untersuchungen<br />
zudem auf strukturierte Produkte mit Underlyings wie Rohstoffe, Währungen<br />
oder Zinsen ausgedehnt und mit den vorliegenden Ergebnissen der SIP, welche Aktien als<br />
Basiswert aufweisen, verglichen werden.<br />
Der Ansatz des theoretischen Absatzmodells könnte auch auf andere, ausländische Märkte<br />
ausgeweitet und empirisch getestet werden. Dabei drängt sich insbesondere der deutsche<br />
Markt auf, der auf dem Gebiet der kotierten strukturierten Produkte dank der Vorreiterrolle<br />
der EUWAX bezüglich Grösse die klare Nummer eins in Europa einnimmt. Es wäre interessant<br />
zu analysieren, ob der SIP-Absatz im deutschen Markt gleichfalls keine Volatilitätsabhängigkeit<br />
aufweist und dieser Umstand genauso auf dichotome Märkte zurückzuführen ist.<br />
Des Weiteren zeigt einerseits die Handelsplattform Scoach, ein Joint-Venture der Deutschen<br />
Börse und der SWX, sowie andererseits die Gründung des europäischen Branchenverbands,<br />
welche die Märkte Schweiz, Deutschland, Italien und Österreich umfasst, eine zunehmende<br />
Verflechtung des europäischen Marktes für strukturierte Produkte, was nicht nur Untersuchungen<br />
auf Basis der Datengrundlage der einzelnen Märkte, sondern auch auf europäischer<br />
Ebene in naher Zukunft ermöglichen sollte. Der Fokus könnte danach auf die nordamerikanischen<br />
und asiatischen Märkte ausgedehnt werden.<br />
Neben weiterer Untersuchungen des Produktabsatzes wären Performance-Analysen der strukturierten<br />
Produkte als weitere <strong>St</strong>ossrichtung zukünftiger Forschungsprojekte anzustreben.<br />
Eine Performance-Analyse einer auf die Volatilität ausgerichteten Anlagestrategie gemäss<br />
den Empfehlungen des theoretischen Absatzmodells dieser Forschungsarbeit wäre ein viel
Schlussfolgerungen und Ausblick 205<br />
versprechendes Forschungsobjekt. Die Analyse könnte mehrstufig erfolgen und mehrere Vergleiche<br />
umfassen: einerseits eine Messung der absoluten Rendite dieser Volatilitätsstrategie,<br />
andererseits ein Performancevergleich mit Anlagen in das Underlying der Produkte oder eine<br />
Ermittlung der relativen Rendite gegenüber einer auf das Underlying ausgerichteten Investitionsstrategie<br />
in strukturierte Produkte. Eine Betrachtung der Performance von SIP in unsicheren,<br />
volatilen Phasen an den Kapitalmärkten (bspw. während der Verwerfungen im Rahmen<br />
der Subprime-Krise im Herbst 2007/Winter 2008) könnte als eine Art Lackmus-Test der<br />
strukturierten Produkte dienen, da diese Produkte vielfach dafür gelobt und angepriesen werden,<br />
für jede Marktentwicklung ein geeignetes, gewinnbringendes Auszahlungsprofil bereitstellen<br />
zu können.<br />
Entscheidend für die empirische Forschung in der Thematik strukturierter Produkte wird wohl<br />
auch sein, in wieweit die Emittenten bereit sind, <strong>St</strong>atistiken des OTC-Markts, des heute für<br />
strukturierte Produkte immer noch weitaus grössten Absatzkanals, öffentlich zugänglich zu<br />
machen. Dies könnte beispielsweise in anonymisierter Form über den Branchenverband<br />
SVSP erfolgen und würde eine umfassendere Abbildung des Marktes für strukturierte Produkte<br />
erlauben und viel zu einer Transparenzsteigerung im Markt beitragen.
Anhang A: Detaillierte Ergebnisse der Regressionsanalyse 206<br />
Anhang A: Detaillierte Ergebnisse der Regressionsanalyse<br />
t-<strong>St</strong>atistiken aller Regressoren (tägliche Daten)<br />
Produkt - Typ VSMI 1<br />
Trend 1<br />
Turnover t-1 1<br />
adj. R^2<br />
LONG 1.924 4.464 -2.293 0.635<br />
SIP LONG 0.538 2.052 -1.125 0.462<br />
Kapitalschutz-P. ohne Cap -0.093 2.531 6.068 0.331<br />
Outperformance-Zertifikate 0.780 1.283 -0.341 0.332<br />
plain vanilla Warrants 2.207 4.002 -0.588 0.605<br />
SHORT 1.132 1.314 0.394 0.469<br />
SIP SHORT -1.237 4.285 1.829 0.333<br />
Reverse Convertibles -0.824 4.417 3.175 0.382<br />
Discount-Zertifikate -1.157 1.157 0.472 0.046<br />
knock-out Warrants 2.093 1.586 0.152 0.477<br />
NEUTRAL -0.786 2.201 4.011 0.185<br />
SIP NEUTRAL -0.786 2.201 4.011 0.185<br />
Tracker-Zertifikate -0.445 4.394 2.538 0.162<br />
Kapitalschutz-P. mit Cap -0.136 3.301 5.947 0.645<br />
Total Derivate -1.519 2.766 14.165 0.631<br />
Total Warrants 2.038 2.057 0.005 0.618<br />
Total SIP 0.349 6.800 2.040 0.388<br />
n = 750<br />
1 t-<strong>St</strong>atistik berechnet mit White heteroscedasticity-consistent standard error<br />
Anmerkung: Eigene Darstellung.
Anhang A: Detaillierte Ergebnisse der Regressionsanalyse 207<br />
t-<strong>St</strong>atistiken aller Regressoren (wöchentliche Daten)<br />
Produkt - Typ VSMI 1<br />
Trend 1<br />
Turnover t-1 1<br />
adj. R^2<br />
LONG 0.044 4.372 3.394 0.819<br />
SIP LONG 1.093 2.474 1.509 0.726<br />
Kapitalschutz-P. ohne Cap 0.894 2.547 3.465 0.674<br />
Outperformance-Zertifikate 1.027 2.414 5.594 0.658<br />
plain vanilla Warrants 0.187 5.311 3.503 0.798<br />
SHORT 1.468 5.515 -0.628 0.673<br />
SIP SHORT -1.223 4.739 1.148 0.665<br />
Reverse Convertibles -1.013 4.862 1.955 0.691<br />
Discount-Zertifikate -1.680 1.134 1.340 0.148<br />
knock-out Warrants 1.504 4.304 6.063 0.605<br />
NEUTRAL -0.719 6.547 2.189 0.445<br />
SIP NEUTRAL -0.719 6.547 2.189 0.445<br />
Tracker-Zertifikate -1.185 1.685 2.458 0.459<br />
Kapitalschutz-P. mit Cap -0.166 1.451 9.480 0.793<br />
Total Derivate -1.628 3.573 6.033 0.821<br />
Total Warrants 1.624 6.645 4.901 0.816<br />
Total SIP -0.286 7.353 2.551 0.706<br />
n = 154<br />
1 t-<strong>St</strong>atistik berechnet mit White heteroscedasticity-consistent standard error<br />
Anmerkung: Eigene Darstellung.
Anhang A: Detaillierte Ergebnisse der Regressionsanalyse 208<br />
t-<strong>St</strong>atistiken aller Regressoren (monatliche Daten)<br />
Produkt - Typ VSMI 1<br />
Trend 1<br />
Turnover t-1 1<br />
adj. R^2<br />
LONG 0.798 5.802 2.788 0.902<br />
SIP LONG 0.839 1.403 4.169 0.871<br />
Kapitalschutz-P. ohne Cap 1.092 2.655 4.483 0.869<br />
Outperformance-Zertifikate 0.709 0.811 5.904 0.703<br />
plain vanilla Warrants 0.201 2.758 0.331 0.894<br />
SHORT 1.541 5.041 0.916 0.849<br />
SIP SHORT 0.390 2.875 -0.578 0.859<br />
Reverse Convertibles 1.081 4.512 -0.706 0.877<br />
Discount-Zertifikate -1.784 0.688 -0.517 0.407<br />
knock-out Warrants 1.384 3.132 0.598 0.687<br />
NEUTRAL -1.710 2.319 2.708 0.758<br />
SIP NEUTRAL -1.710 2.319 2.708 0.758<br />
Tracker-Zertifikate -1.932 2.199 3.428 0.741<br />
Kapitalschutz-P. mit Cap -1.261 2.273 -0.328 0.784<br />
Total Derivate -1.624 3.601 1.987 0.922<br />
Total Warrants 0.589 3.969 3.477 0.918<br />
Total SIP -0.332 2.368 1.236 0.896<br />
n = 35<br />
1 t-<strong>St</strong>atistik berechnet mit White heteroscedasticity-consistent standard error<br />
Anmerkung: Eigene Darstellung.
Anhang A: Detaillierte Ergebnisse der Regressionsanalyse 209<br />
t-<strong>St</strong>atistiken aller Regressoren (relative Abhängigkeit, monatliche Daten)<br />
Produkt - Typ ∆ VSMI 1<br />
∆ Trend 1<br />
∆ Turnover t-1 1<br />
adj. R^2<br />
LONG 0.546 3.981 3.917 0.584<br />
SIP LONG 1.213 1.491 -0.085 0.474<br />
Kapitalschutz-P. ohne Cap 1.462 1.673 -1.453 0.423<br />
Outperformance-Zertifikate -1.200 -2.257 -0.603 0.467<br />
plain vanilla Warrants 0.266 4.333 3.637 0.527<br />
SHORT 1.584 1.593 -0.549 0.456<br />
SIP SHORT -1.168 2.995 -2.234 0.339<br />
Reverse Convertibles 0.482 3.336 -1.742 0.370<br />
Discount-Zertifikate -1.889 3.613 -4.342 0.455<br />
knock-out Warrants 1.627 0.803 -0.092 0.421<br />
NEUTRAL -1.513 0.540 0.036 0.625<br />
SIP NEUTRAL -1.513 0.540 0.036 0.625<br />
Tracker-Zertifikate -0.864 -0.594 2.348 0.589<br />
Kapitalschutz-P. mit Cap 1.060 1.853 -1.707 0.322<br />
Total Derivate -0.076 4.153 2.305 0.513<br />
Total Warrants 0.824 6.127 9.722 0.589<br />
Total SIP -0.787 2.135 0.584 0.479<br />
n = 35<br />
1 t-<strong>St</strong>atistik berechnet mit White heteroscedasticity-consistent standard error<br />
Anmerkung: Eigene Darstellung.
Anhang B: Teststatistiken der Regressionsanalyse 210<br />
Anhang B: Teststatistiken der Regressionsanalyse<br />
Teststatistiken (tägliche Daten)<br />
Produkt - Typ White 1<br />
LONG<br />
SIP LONG<br />
Kapitalschutz-P. ohne Cap<br />
Outperformance-Zertifikate<br />
plain vanilla Warrants<br />
SHORT<br />
SIP SHORT<br />
Reverse Convertibles<br />
Discount-Zertifikate<br />
knock-out Warrants<br />
NEUTRAL<br />
SIP NEUTRAL<br />
Tracker-Zertifikate<br />
Kapitalschutz-P. mit Cap<br />
Total Derivate<br />
Total Warrants<br />
Total SIP<br />
85.84<br />
(0.00)<br />
86.58<br />
(0.00)<br />
40.00<br />
(0.00)<br />
31.17<br />
(0.00)<br />
109.23<br />
(0.00)<br />
75.71<br />
(0.00)<br />
14.68<br />
(0.10)<br />
27.62<br />
(0.01)<br />
18.78<br />
(0.03)<br />
89.59<br />
(0.00)<br />
5.46<br />
(0.79)<br />
5.46<br />
(0.79)<br />
5.16<br />
(0.82)<br />
19.60<br />
(0.02)<br />
93.71<br />
(0.00)<br />
102.84<br />
(0.00)<br />
12.96<br />
(0.17)<br />
n = 750<br />
1 Teststatistik; Probability Chi-Square in Klammern<br />
Anmerkung: Eigene Darstellung.<br />
Jarque-Bera 1<br />
1934.48<br />
(0.00)<br />
8076.53<br />
(0.00)<br />
27337.00<br />
(0.00)<br />
2709.87<br />
(0.00)<br />
1602.61<br />
(0.00)<br />
321.34<br />
(0.00)<br />
726.80<br />
(0.00)<br />
1413.26<br />
(0.00)<br />
10275.12<br />
(0.00)<br />
467.92<br />
(0.00)<br />
2416.47<br />
(0.00)<br />
2416.47<br />
(0.00)<br />
2472.40<br />
(0.00)<br />
6299.07<br />
(0.00)<br />
338.36<br />
(0.00)<br />
994.07<br />
(0.00)<br />
384.86<br />
(0.00)<br />
Breusch-Godfrey 1<br />
0.077<br />
(0.782)<br />
0.221<br />
(0.638)<br />
0.296<br />
(0.586)<br />
0.215<br />
(0.643)<br />
0.249<br />
(0.618)<br />
0.712<br />
(0.399)<br />
0.038<br />
(0.846)<br />
0.697<br />
(0.404)<br />
1.991<br />
(0.158)<br />
0.010<br />
(0.919)<br />
0.049<br />
(0.824)<br />
0.049<br />
(0.824)<br />
0.054<br />
(0.816)<br />
1.091<br />
(0.296)<br />
1.918<br />
(0.166)<br />
0.583<br />
(0.445)<br />
0.262<br />
(0.609)
Anhang B: Teststatistiken der Regressionsanalyse 211<br />
Teststatistiken (wöchentliche Daten)<br />
Produkt - Typ White 1<br />
LONG<br />
SIP LONG<br />
Kapitalschutz-P. ohne Cap<br />
Outperformance-Zertifikate<br />
plain vanilla Warrants<br />
SHORT<br />
SIP SHORT<br />
Reverse Convertibles<br />
Discount-Zertifikate<br />
knock-out Warrants<br />
NEUTRAL<br />
SIP NEUTRAL<br />
Tracker-Zertifikate<br />
Kapitalschutz-P. mit Cap<br />
Total Derivate<br />
Total Warrants<br />
Total SIP<br />
47.70<br />
(0.00)<br />
32.15<br />
(0.00)<br />
13.14<br />
(0.16)<br />
28.43<br />
(0.00)<br />
45.97<br />
(0.00)<br />
25.68<br />
(0.01)<br />
3.12<br />
(0.96)<br />
5.01<br />
(0.83)<br />
12.41<br />
(0.19)<br />
14.68<br />
(0.10)<br />
7.44<br />
(0.59)<br />
7.44<br />
(0.59)<br />
5.90<br />
(0.75)<br />
6.09<br />
(0.73)<br />
16.53<br />
(0.06)<br />
46.67<br />
(0.00)<br />
13.84<br />
(0.13)<br />
n = 154<br />
1 Teststatistik; Probability Chi-Square in Klammern<br />
Anmerkung: Eigene Darstellung.<br />
Jarque-Bera 1<br />
7.62<br />
(0.02)<br />
87.76<br />
(0.00)<br />
676.92<br />
(0.00)<br />
8.56<br />
(0.02)<br />
9.97<br />
(0.01)<br />
1.77<br />
(0.41)<br />
0.73<br />
(0.69)<br />
4.61<br />
(0.10)<br />
9.66<br />
(0.01)<br />
2.61<br />
(0.27)<br />
8.28<br />
(0.16)<br />
8.28<br />
(0.16)<br />
6.87<br />
(0.03)<br />
460.28<br />
(0.00)<br />
3.68<br />
(0.16)<br />
0.77<br />
(0.68)<br />
2.00<br />
(0.37)<br />
Breusch-Godfrey 1<br />
0.062<br />
(0.803)<br />
2.506<br />
(0.113)<br />
0.065<br />
(0.799)<br />
0.607<br />
(0.436)<br />
0.282<br />
(0.596)<br />
0.006<br />
(0.937)<br />
0.702<br />
(0.402)<br />
1.941<br />
(0.164)<br />
0.002<br />
(0.963)<br />
0.132<br />
(0.716)<br />
0.016<br />
(0.901)<br />
0.016<br />
(0.901)<br />
1.927<br />
(0.165)<br />
0.009<br />
(0.925)<br />
1.395<br />
(0.238)<br />
0.026<br />
(0.872)<br />
0.020<br />
(0.887)
Anhang B: Teststatistiken der Regressionsanalyse 212<br />
Teststatistiken (monatliche Daten)<br />
Produkt - Typ White 1<br />
LONG<br />
SIP LONG<br />
Kapitalschutz-P. ohne Cap<br />
Outperformance-Zertifikate<br />
plain vanilla Warrants<br />
SHORT<br />
SIP SHORT<br />
Reverse Convertibles<br />
Discount-Zertifikate<br />
knock-out Warrants<br />
NEUTRAL<br />
SIP NEUTRAL<br />
Tracker-Zertifikate<br />
Kapitalschutz-P. mit Cap<br />
Total Derivate<br />
Total Warrants<br />
Total SIP<br />
3.55<br />
(0.94)<br />
19.42<br />
(0.02)<br />
5.19<br />
(0.82)<br />
5.37<br />
(0.80)<br />
13.29<br />
(0.15)<br />
13.32<br />
(0.15)<br />
7.48<br />
(0.59)<br />
4.39<br />
(0.88)<br />
8.54<br />
(0.48)<br />
21.21<br />
(0.01)<br />
13.79<br />
(0.13)<br />
13.79<br />
(0.13)<br />
13.83<br />
(0.13)<br />
21.41<br />
(0.01)<br />
2.90<br />
(0.97)<br />
6.15<br />
(0.72)<br />
16.07<br />
(0.07)<br />
n = 35<br />
1 Teststatistik; Probability Chi-Square in Klammern<br />
Anmerkung: Eigene Darstellung.<br />
Jarque-Bera 1<br />
1.24<br />
(0.54)<br />
0.31<br />
(0.86)<br />
0.34<br />
(0.85)<br />
1.65<br />
(0.44)<br />
1.09<br />
(0.58)<br />
0.91<br />
(0.64)<br />
3.30<br />
(0.19)<br />
2.15<br />
(0.34)<br />
0.51<br />
(0.78)<br />
2.50<br />
(0.29)<br />
0.92<br />
(063)<br />
0.92<br />
(0.63)<br />
0.58<br />
(0.75)<br />
3.09<br />
(0.21)<br />
13.10<br />
(0.00)<br />
1.40<br />
(0.49)<br />
0.19<br />
(0.91)<br />
Breusch-Godfrey 1<br />
0.493<br />
(0.482)<br />
3.143<br />
(0.076)<br />
2.417<br />
(0.120)<br />
1.224<br />
(0.269)<br />
0.526<br />
(0.769)<br />
0.004<br />
(0.952)<br />
0.324<br />
(0.569)<br />
0.356<br />
(0.837)<br />
3.469<br />
(0.063)<br />
0.258<br />
(0.612)<br />
0.001<br />
(0.992)<br />
0.001<br />
(0.992)<br />
0.062<br />
(0.803)<br />
1.278<br />
(0.258)<br />
2.225<br />
(0.136)<br />
1.055<br />
(0.304)<br />
0.285<br />
(0.593)
Anhang B: Teststatistiken der Regressionsanalyse 213<br />
Teststatistiken (relative Abhängigkeit, monatliche Daten)<br />
Produkt - Typ White 1<br />
LONG<br />
SIP LONG<br />
Kapitalschutz-P. ohne Cap<br />
Outperformance-Zertifikate<br />
plain vanilla Warrants<br />
SHORT<br />
SIP SHORT<br />
Reverse Convertibles<br />
Discount-Zertifikate<br />
knock-out Warrants<br />
NEUTRAL<br />
SIP NEUTRAL<br />
Tracker-Zertifikate<br />
Kapitalschutz-P. mit Cap<br />
Total Derivate<br />
Total Warrants<br />
Total SIP<br />
n = 35<br />
1 Teststatistik (Probability Chi-Square)<br />
Anmerkung: Eigene Darstellung.<br />
4.40<br />
(0.88)<br />
10.67<br />
(0.30)<br />
6.12<br />
(0.73)<br />
12.33<br />
(0.19)<br />
8.84<br />
(0.45)<br />
3.56<br />
(0.94)<br />
3.39<br />
(0.95)<br />
3.15<br />
(0.96)<br />
9.52<br />
(0.39)<br />
8.33<br />
(0.50)<br />
8.80<br />
(0.46)<br />
8.80<br />
(0.46)<br />
5.05<br />
(0.83)<br />
23.37<br />
(0.01)<br />
5.81<br />
(0.76)<br />
2.83<br />
(0.97)<br />
8.85<br />
(0.45)<br />
Jarque-Bera 1<br />
0.01<br />
(0.99)<br />
0.21<br />
(0.90)<br />
6.38<br />
(0.04)<br />
0.94<br />
(0.63)<br />
0.05<br />
(0.98)<br />
1.05<br />
(0.59)<br />
0.71<br />
(0.70)<br />
0.71<br />
(0.70)<br />
1.01<br />
(0.60)<br />
0.04<br />
(0.98)<br />
0.05<br />
(0.98)<br />
0.05<br />
(0.98)<br />
0.07<br />
(0.96)<br />
9.08<br />
(0.01)<br />
2.44<br />
(0.30)<br />
0.18<br />
(0.91)<br />
1.41<br />
(0.49)<br />
Breusch-Godfrey 1<br />
1.204<br />
(0.273)<br />
0.882<br />
(0.348)<br />
0.007<br />
(0.935)<br />
0.700<br />
(0.403)<br />
0.617<br />
(0.432)<br />
1.458<br />
(0.227)<br />
0.022<br />
(0.883)<br />
1.378<br />
(0.241)<br />
1.893<br />
(0.169)<br />
0.007<br />
(0.935)<br />
1.104<br />
(0.294)<br />
1.104<br />
(0.294)<br />
0.222<br />
(0.637)<br />
1.193<br />
(0.551)<br />
2.116<br />
(0.146)<br />
0.721<br />
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Lebenslauf<br />
Persönliche Daten<br />
Name: Thomas Lehmann<br />
Geburtsdatum: 15. März 1978<br />
Geburtsort: Zürich<br />
Ausbildung<br />
10.2004 – 06.2008 Ausarbeiten der Dissertation<br />
10.2003 – 09.2004 Besuch der Doktorandenseminare an der <strong>Universität</strong> <strong>St</strong>. <strong>Gallen</strong><br />
10.1998 – 09.2003 <strong>St</strong>udium der Betriebswirtschaftslehre an der <strong>Universität</strong> <strong>St</strong>. <strong>Gallen</strong><br />
Vertiefungsrichtung Finanzen, Rechnungslegung, Controlling<br />
05.1998 – 09.1998 Northern Michigan University (NMU), Marquette, MI<br />
02.1998 Matura Typus A, Realgymnasium Rämibühl, Zürich<br />
Berufliche Tätigkeiten<br />
Seit 11.2003 Neue Aargauer Bank, Aarau<br />
Assistent des Chief Financial Officers (CFO)<br />
07.2001 – 09.2001 Ernst & Young, Zürich<br />
Praktikum, Assistent des Leiters Global Financial Services<br />
04.2001 – 06.2001 UBS Investment Bank, Zürich<br />
Praktikum, Abteilung Corporate Finance<br />
10.2000 – 03.2001 Gamebookers Ltd., Antigua, W.I.<br />
Sportsbetting Department, Head of Bookmaking<br />
02.2000 – 04.2000 UBS Investment Bank, Zürich<br />
01.2002 – 03.2003 KPMG, Zürich<br />
Praktikum, Abteilung Corporate Finance<br />
Teilzeitarbeit, KPMG private Investment Consulting